2011/1 ‒ Menschen und Andere
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- ArticleAus dem Tagebuch eines SelbstaufzeichnersLoebel, Jens-Martin; Holl, Ute; Pias, Claus (2011) , S. 115-125Interview mit Jens-Martin Loebel, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Informatik in Bildung und Gesellschaft, Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin, von Ute Holl und Claus Pias, geführt am 18.12.2010.
- ArticleTechniken der Überschreitung. Fertigungsmechanismen ‹verlässlich lebensfähiger› biologischer EntitätenFriedrich, Kathrin; Gramelsberger, Gabriele (2011) , S. 31-37Die aktuellen Debatten zu ‹converging technologies› und zur ‹Synthetischen Biologie› sind mit einem immanenten transhumanistischen Technofuturismus befrachtet. Der Mensch, um genauer zu sein der/die Wissenschaftler/in, verleibt sich neue Dimensionen der Welt und des Menschen durch die Manipulation kleinster Einheiten ein. Die Gestaltung des Lebendigen soll dadurch neu konzipiert werden, Atom für Atom beziehungsweise Zelle für Zelle. Die materiale Konvergenz von Atomen, Zellen, Bits und Neuronen soll völlig neue technische Produkte ermöglichen. Dabei ist von den Bio-nano-Maschinen, brain-to-machine-interfaces, neuromorphic engineering und Nano-Implantaten eines (selbstredend) ‹goldenen Zeitalters› die Rede, die helfen sollen, den Menschen (endlich) zu verbessern. Converging Technologies for Improving Human Performance lautet daher nicht nur der Slogan, sondern der Titel des Initialberichts der US-amerikanischen National Science Foundation aus dem Jahre 2002. Der vorliegende Artikel geht der Frage nach der Machbarkeit dieser Vision anhand der Diskurse und Viskurse der Synthetischen Biologie nach, untersucht die Verfasstheit technischen Agierens in diesen neuen Dimensionen und stellt schließlich die Frage, wie viel Transhumanismus tatsächlich enthalten ist. Oder ob der Transhumanismus nicht vielmehr eine Frage der Technik ist, die über das Menschliche nicht hinausgeht, sondern im Gegenteil Natur ‹vermenschlicht›.
- ArticleMedienwissenschaften. Diagnose einer gescheiterten FusionLovink, Geert (2011) , S. 159-176Dieses Manifest postuliert, dass die aus den Geisteswissenschaften kommenden Medienwissenschaften keinen produktiven Zugriff auf die Neuen Medien und vor allem das Internet ermöglicht haben. Der übergeordnete Begriff «Medien» wird mehr und mehr zu einem leeren Signifikanten. In Zeiten universitärer Reformen, geistiger Armut und einer aufblühenden Kreativindustrie müssen wir uns von schwammigen Konvergenz-Ansätzen verabschieden und stattdessen gründliche Detailstudien zu Netzwerken und digitaler Kultur vorantreiben. Es ist an der Zeit, Autonomie und Ressourcen für die Erforschung Neuer Medien zu beanspruchen, um endlich die institutionelle Peripherie zu verlassen und Anschluss an die Gesellschaft zu finden.
- Journal IssueZeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 4: Menschen und Andere(2011)Machen Medien Menschen und andere? So ließe sich die Kernfrage eines Mediendenkens fassen, das auf den formierenden Charakter medientechnischer Apparaturen abhebt. In Donna Haraways »Cyborg Manifesto« von 1985 kam diese Frage zu ihrem Bild: Cyborgs tauchen, so Haraway, immer dann auf, wenn die Grenze zwischen Maschine und Mensch oder Tier und Mensch porös zu werden droht. Seitdem haben sich sowohl auf dem Gebiet der Technik als auch auf dem der Theorie die Grenzen weiter verschoben: Nicht-menschliche Wesen wurden von den Science Studies als Akteure (wieder)entdeckt, Computerprogramme werden nach lebendigen Prozessen modelliert, und VertreterInnen der Animals Studies fordern Menschenrechte für Tiere. Der Antihumanismus des 20. Jahrhunderts war von einem kritischen Impetus gegenüber der Machtblindheit des abendländischen Humanismus geprägt und befragte Differenzsetzungen (Natur/Kultur, Frau/Mann, Tier/Mensch) hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Einund Ausschlusseffekte. Aktuelle anti-speziezistische Philosophien hingegen analysieren nicht länger die (mediale) Produktion von Differenzen, sondern feiern die Grenzüberschreitung hin zum Tier und zur Maschine als neue ontologische Stufe. Der Schwerpunktteil der Zeitschrift für Medienwissenschaft 4 setzt sich mit möglichen Konsequenzen dieser Negation von Differenz für die Konzeption des Menschen als Spezies unter anderen und als homo faber, der mit (Medien)Techniken operiert und manipuliert, auseinander.
- ReviewSpezifik allerorten. Zur medienwissenschaftlichen StadtforschungPeters, Kathrin (2011) , S. 193-197Buchbesprechungen / Book Reviews
- ArticleAutomatisches Leben, also LebenWills, David (2011) , S. 15-30Dieser Aufsatz nimmt eine Untersuchung der berühmten Bemerkung aus dem Frühwerk René Descartes′: «so trete auch ich [...…] maskiert hervor (sic ego […...] larvatus prodeo)», sowie von Stellen aus dem Buch Genesis zum Anlass, eine Reihe von Fragen über die autobiographische Formierung des Subjekts (später res cogitans oder denkendes Selbst) als Funktion des von mir so genannten «automatischen Lebens» zu stellen. Ein solches Selbst, ob es sich nun um Geist, rudimentäres «ego», um einen Hominiden oder um eine larvenhafte Lebensform handelt, wird durch Maskierung oder Prothetisierung konstituiert. Dies meint eine ursprüngliche Übernahme von Formen des Technologischen oder des Artifiziellen. Im Gegenzug wird Autobiographie nicht schlicht als Niederschrift des Lebens eines Selbst aufgefasst, sondern als eine graphische Automation oder Inanimation, die dem Leben vorangeht, ja es sogar verursacht.
- ArticleJenseits von Mensch und Tier. Science, Fiction und Gender in Dietmar Daths Roman DIE ABSCHAFFUNG DER ARTENKappeler, Florian; Könemann, Sophia (2011) , S. 38-47Dietmar Daths Roman DIE ABSCHAFFUNG DER ARTEN (The Abolition of Species) inszeniert eine Revolution der Verhältnisse zwischen Menschen, Tieren und Maschinen. Im Artikel wird besonders die Verbindung evolutionsbiologischer, informatischer und nanophysikalischer Technologien mit Möglichkeiten ihrer politischen Aneignung aufgezeigt, die für den Text konstitutiv ist und ihn zugleich mit aktuellen Fragen, etwa dem ‹Transhumanismus›, vernetzt. Geschlechtertheoretisch betrachtet zeigt sich dabei, dass die im Roman dargestellten Welten teils ödipalen Geschlechtermodellen verhaftet bleiben, andererseits aber als Produkte eines homosexuellen Begehrens dargestellt werden, das anthropomorphe Repräsentationen des Geschlechts auflöst. Der Roman lotet zudem das poetische Potential bioinformatischen und physikalischen Wissens aus, wie etwa anhand der Verknüpfung von Anagrammdichtung und genetischem Code gezeigt werden kann. Unsere These ist, dass dabei durch den Einsatz bestimmter Medien und Genres letztlich eine politische Aktivierung der LeserInnen erreicht werden soll.
- Review
- ArticleDas Blaue vom HimmelButh, Peggy; Holschbach, Susanne (2011) , S. 104-113In der Bildstrecke «Das Blaue vom Himmel» wird die Darstellung des Fluchtpunkts ortloser Projektionen und Sehnsüchte schlechthin, des Himmels, einer materiellen Analyse unterzogen. Dazu wurden Ausschnitte von Farbfotografien aus einer Auswahl von Reisebüchern, gedruckt in einem Zeitraum von den 1930er bis 1980er Jahren, mittels eines hoch auflösenden Scanners reproduziert und digitalisiert und in extremer Vergrößerung wieder ausgegeben. Sichtbar werden Rastermuster, die sich in Farbe und Form der Rasterpunkte, in Rasterfrequenz, weite und winkel unterscheiden. Bei allen unterschieden haben die Muster eines gemeinsam: Blau als solches kommt nicht vor, es ist immer Resultat einer optischen Synthese. Sichtbar werden auch Fehler, die sich in die Druckvorstufe eingeschlichen haben, beispielsweise durch Verschmutzungen.
- ArticleStay where the trouble isDespret, Vinciane; Haraway, Donna Jeanne; Harrasser, Karin; Solhdju, Katrin (2011) , S. 92-102Das Gespräch geht der aktuellen Konjunktur der Beschäftigung mit Mensch-Tier-Verhältnissen in den Kultur- und Medienwissenschaften und in der Philosophie nach. Zwei führende Vertreterinnen der Animal Studies diskutieren den historischen, politischen und epistemologischen Ort der seit einigen Jahren beobachtbaren Versuchen, die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren neu zu denken und zu gestalten, eine neue Form der «Humanimalität», eines gemeinsamen Lebens und Sterbens, zu entwickeln. Welche Formen der Höflichkeit zwischen Tieren und Menschen sind angebracht? Wie produzieren sie gemeinsam Wissen, z.B. in der Ethologie? Auf welche Art und Weise arbeiten Tiere für Menschen? Was heißt das für die Konzeption von Handlungsfähigkeit? Und nicht zuletzt: Wie politisch sind diese Fragen im Zusammenhang «kosmopolitischer», ökologischer Problemlagen?
- ArticleRechnende Tiere. Zootechnologien aus dem OzeanMüggenburg, Jan; Vehlken, Sebastian (2011) , S. 58-70Der vorliegende Beitrag stellt die vielfach postulierte kybernetische Nivellierung ontologischer Differenzen im 20. Jahrhundert in Frage, indem er zwei historisch distinkte Konstellationen von Mensch, Tier und Computer miteinander verknüpft und diskutiert. Am Beispiel der Delphin-Kommunikationsexperimente des Biophysikers John C. Lilly aus den 1960er Jahren und der Schwarmintelligenzforschung in der Informatik um 1990 wird vielmehr argumentiert, dass Tiere hier unter dem Primat eines radikalen Entzugs von Natürlichkeit neuartige epistemische Prozesse initiieren: Sie erscheinen nicht mehr als das «Andere» oder «das Gleiche» von Mensch und Maschine, sondern als operationale Systemtiere in medientechnisch determinierten Settings. Diese Transformation von tierischen Akteuren zu «rechnenden Tieren» ist mit einem konzeptuellen Umbruch in den Computerwissenschaften korelliert, nach dem »Intelligenz» nicht mehr als Implementation von repräsentationalem «Expertenwissen», sondern als «relationales Handelns» gedacht wird.
- ArticleMenschen & Andere. Einleitung in den SchwerpunktAngerer, Marie-Luise; Harrasser, Karin (2011) , S. 10-14
- ArticleAndere Kanäle. Insektengesellschaften und die Suche nach den Medien des SozialenJohach, Eva (2011) , S. 71-82Der Aufsatz widmet sich einem konzeptuellen Austauschprozess aus der Frühgeschichte der französischen Soziologie, hier vorgestellt anhand der Entwürfe von Alfred Espinas und Gabriel Tarde. Gezeigt wird, dass es neben der «Masse» auch die Insektengesellschaften waren, denen für die Herausbildung des modernen soziologischen Gesellschaftsbegriffs modellbildende Relevanz zukommt. Die beiden Theorien widmen sich der Frage, wie aus physisch getrennten, zunächst solitären Lebewesen durch psychischen Austausch soziale Kollektive werden. Sie verdichtet sich in zwei zentralen Konzepten: soziale Nachahmung und mentale Fernwirkung. Sozialität erscheint als Ergebnis sozialer Medialität. Der zweite Teil zeichnet nach, wie sich diese zugleich physiologischen und sozialen Konzepte der Übertragung auf Medien im engeren, heute gebräuchlichen Sinne verlagern.
- ArticleSergej M. Eisensteins «Allgemeine Geschichte des Kinos». Aufzeichnungen aus dem NachlassKlejman, Naum I.; Somaini, Antonio (2011) , S. 139-157
- ArticleDiffraktion statt Reflexion. Zu Donna Haraways Konzept des situierten WissensDeuber-Mankowsky, Astrid (2011) , S. 83-91Situiertes Wissen ist für Haraway eine komplexe Konstruktion. Jede Objektivierung ist – in Anlehnung an Whitehead – eine Abstraktion. Positionierung ist als wissensbegründende Praxis ein In-Beziehung-Setzen und verbindet im Bild des Netzwerks die beiden Traditionslinien, an die Haraway anknüpft: die Geschichte der Technowissenschaften, ihrer Apparate und Metaphern und die Geschichte der Philosophie des Prozesses, in der sich die Wirklichkeit der Welt darin zeigt, dass die Welt in Verbindung steht. Welche Figur könnte dies besser symbolisieren als die Figur der Diffraktion, die Haraway wählt, um ihre Methode zu beschreiben? Diffraktion ist wie Reflexion eine Metapher aus der Optik und bedeutet Beugung. Im Unterschied zum Begriff der Reflexion rekurriert der Begriff der Beugung jedoch nicht auf die Metaphorik des Spiegels und fügt sich auch nicht in das Modell des Abbilds. Diffraktion handelt vielmehr von einer heterogenen Geschichte, von der Nachträglichkeit und der Verbindlichkeit von Ereignissen, die immer schon vorbei sind und woanders stattgefunden haben.
- ReviewDas Elend des Ästhezisismus (und einige seiner Stärken)Hartle, Johan Frederik (2011) , S. 188-192Buchbesprechungen / Book Reviews
- ArticleDie Parallelperspektive im digitalen BildBeil, Benjamin; Schröter, Jens (2011) , S. 127-138Parallelperspektivische Darstellungen sind zentral für die Herausbildung der modernen technischen Kultur, denn spätestens seit dem 19. Jahrhundert sind die meisten technischen Zeichnungen auf verschiedene Weise parallelperspektivisch. Ziel des Aufsatzes ist es, die bislang unerforschten Transformationen und Spezifika parallelperspektivischer Darstellungsformen in digitalen Bildern – exemplarisch anhand von computergestützten Entwurfsprozessen (CAD) sowie Computerspielen und Game Art – aus medien- und bildwissenschaftlicher Perspektive zu analysieren.
- ReviewRe/Positioning African Media Studies. Die Herausforderung, Postkolonialität und Medialität zusammenzudenkenGunkel, Henriette (2011) , S. 198-203Buchbesprechungen / Book Reviews
- Article«Oh, Oh, Oh, let's count some more.». Hochschulrankings als mediale FormAdelmann, Ralf (2011) , S. 178-182
- ArticleDas Andere denken. Zoologie, Kinematografie und GenderNessel, Sabine (2011) , S. 48-57Ausgehend von Simone de Beauvoirs Konzept der Frau als des ‹anderen Geschlechts› thematisiert der Aufsatz die Kategorie des Anderen im Schnittfeld der Wissensdiskurse Zoologie, Kinematografie und Gender. Anhand ausgewählter Beispiele wird zunächst aufgezeigt, inwiefern das ‹Andere› in diesen drei Gebieten je spezifische Formen annimmt. Ausgehend von zoologischen und anthropologischen Schaustellungen im 16. Jahrhundert («Haarmensch») und Ende des 19. Jahrhunderts («Völkerschau») wird erstens die Sphäre des Anderen historisch bezogen auf Mensch und Tier hergeleitet; zweitens geht es unter Einbeziehung der Positionen von Jacques Rancière und Donna J. Haraway um eine theoretische Zuspitzung des Begriffs des Anderen; und drittens wird mit Bezug auf den Film MAX MON AMOUR (F/USA 1984, Nagisa Oshima) eine Konstellation aufgezeigt, in der sich die Geschlechterdifferenz und die Differenz zwischen Mensch und Tier überlagern.