2020 (2)
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- ArticleKartografie der Paranoia. Konspiration, Kritik und Imagination in F. J. Degenhardts Brandstellen.Amlinger, Carolin (2020) , S. 19-36In den letzten Jahren vernahm man verstärkt die Diagnose, dass bewährte Formen der Kritik an ihr Ende gekommen seien. Stattdessen scheinen konspirative Narrative in krisenhaften Perioden des sozialen Wandels, in denen politische Zuschreibungen wie epistemische Wirklichkeitskonventionen erodieren, bewährte Argumentationen und Imaginationen der Sozialkritik zu absorbieren: Sie erklären den systemischen Zusammenhang zwischen sozialen Missständen, schaffen einen evidenten Boden für eine neue Politik der Wahrheit und mobilisieren in ihrer alarmierenden Dringlichkeit für die politische Praxis. In der Lektüre von Franz Josef Degenhardts 1975 erschienenen politischen Roman Brandstellen stellt sich der Beitrag die Frage, wie aus Kritik das Gegenteil von Kritik, nämlich ein hermetisches Erklärungsmodell der Paranoia, werden kann. Gleichzeitig entwirft der Roman ein literarisches Programm, das dem der Sozialkritik nicht unähnlich ist. Politische Literatur lässt sich hier in Anlehnung an Fredric Jameson als eine Kartografie des Sozialen lesen, die im Modus des Fiktionalen die Verteilung von sozialer Herrschaft neu justiert.
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- ReviewGrenzen und Ordnungen aus kulturwissenschaftlicher Perspektive: Tagungsbericht zur 6. Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft e. V. „B/ORDERING CULTURES: Alltag, Politik, Ästhetik“ vom 8.10.–10.10.2020 an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)Klessmann, Maria; Grundmüller, Florian; Jungbluth, Konstanze; Linke, Natalia; Meissner, Andrea; Pilhofer, Anne (2020) , S. 1-5
- ArticlePoetik, Provokation, Lektüre. Björn Höcke und Rolf-Dieter Sieferle im Kontext.Steinmayr, Markus (2020) , S. 37-53Die vorgelegten Überlegungen präsentieren anhand von Sieferles Finis Germania und Höckes Nie zweimal in denselben Fluss Überlegungen zur kulturellen und politischen Diskursstrategie der Neuen Rechten. Die Strategie wird anhand der Auseinandersetzung mit den Figuren des Lesens, des Umgangs mit Büchern und anhand des Umgangs mit Gegenständen und Figuren der Bildung rekonstruiert.
- ArticleVor-Schriften? Regieanweisungen als (Teil von) Notationen in Elfriede Jelineks Theatertexten.Prager, Julia (2020) , S. 60-72Der Beitrag folgt dem Vorhaben, „Regieanweisungen“ in Elfriede Jelineks Theatertexten als „szenische Stellen“ zu verhandeln. Diese nehmen Vermittlungs- oder Übersetzungsfunktionen zwischen der als „Autorin“ inszenierten persona und der Institution Theater einerseits sowie zwischen Text und Aufführung andererseits ein. Um die Verfahren und Funktionsweisen von Jelineks „szenischen Stellen“ herauszuarbeiten, greift der Beitrag auf eine von der „Notation“ aus gerichtete Forschungsperspektive zurück. Eine solche Fokussierung ermöglicht es, so lautet die grundlegende Annahme, Übersetzungsleistungen zwischen Schrift, Stimmen und Klängen sowie damit verkoppelte Problematiken der Begrenzung und Potenz von Aufschreibe- wie auch Aufführungspraktiken in ihren sozio-politischen, medialen und historischen Kontexten vordergründig werden zu lassen. Hierfür kommen zunächst Metaphoriken (Echokammer, Partitur, Poly- und Heterophonie) in den Blick, die vielfach zur Beschreibung von Jelineks Texten dienen. Jelineks Textverfahren werden als Übersetzungspraxis zwischen Notation und Klangphänomenen ausgewiesen, die Brüche in der medialen und kulturellen Übertragung mitverhandelt. Der Beitrag spricht sich in diesem Sinne dafür aus, das Heterophone in der Beschreibungssprache zu bevorzugen, um Jelineks Praxis des Übersetzens begrifflich einzuholen. Im anschließenden Abschnitt werden Modulationen von „szenischen Stellen“ in Jelineks Stücken als „kleine Formen“ untersucht, um eine Ausdifferenzierung der komplexen medialen Operationen ihrer „notierenden“ Textverfahren anzuregen.
- ArticleStrich durch die Rechnung. Eine Anmerkung zur Restitutionsdebatte, die Deutschland drei Jahre in Atem hielt.van Loyen, Ulrich (2020) , S. 54-59Der Artikel setzt sich, durchaus polemisch, mit einigen Motiven des jüngsten Diskurses über die Rückgabe von Artefakten aus deutschen Museen an staatliche Institutionen auf dem Boden ehemaliger Kolonialgebiete auseinander. Er vertritt die These, dass dadurch gerade keine Entschuldigung stattfindet (ganz im Sinne von Marcel Mauss’ „reçevoir est reçu“), sondern bestehende regionale Konflikte vertieft und neokolonialistische Verhaltensweisen befördert werden. Zudem plädiert er dafür, die Wissenschaft möge sich nicht voreilig von der Politik entmündigen lassen.