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Zurückgespult! Ein in mehrerer Hinsicht biographischer Essay über Radioarbeit im Kassettenzeitalter

Author(s): Fruth, Pia
Abstract

1963 bringt die niederländische Firma Philips die erste Kompaktkassette samt zugehörigem Kassettenrekorder auf den Markt. Was zunächst vor allem als Innovation für den privaten Medienkonsum gedacht war, entwickelt sich rasch zum Alltagsgegenstand und hält schließlich auch Einzug in den Arbeitsalltag professioneller Radiojournalistinnen und -journalisten. Dank der Mobilität der Kassettengeräte werden schnelle Vor-Ort-Aufnahmen außerhalb der Studios in großem Umfang möglich. Kassetten und Rekorder sind außerdem kostengünstig und leicht zu bedienen, so dass viele Sender flächendeckend Reporterinnen und Reporter damit ausstatten. Mit Kassetten umgehen kann jeder – auch die Menschen, die nun zunehmend in Umfragen, Interviews und O-Tönen zu hören sind: die Menschen „von draußen“. Mit der Kassette verschwindet so die gerätetechnisch herbeigeführte Hierarchie zwischen Reportern und Interviewten – die Menschen müssen nicht mehr ehrfürchtig daneben stehen, wenn komplizierte Geräte wie die „Nagra“ an Ort und Stelle aufgebaut, in Position gebracht und bedient werden. Mit der Kassette ändert sich die Arbeit der Reporterinnen, die Ästhetik der Radioprogramme und das Verhältnis zwischen Publikum und Rundfunkanstalt. So bringt die Kassette den deutschen Rundfunk einen Schritt weiter in Richtung des von Brecht schon 1932 gewünschten „Kommunikationsapparats öffentlichen Lebens“, an dem Hörerinnen und Hörer gleichermaßen beteiligt sind wie die Produktionsteams in den Funkhäusern.1963 bringt die niederländische Firma Philips die erste Kompaktkassette samt zugehörigem Kassettenrekorder auf den Markt. Was zunächst vor allem als Innovation für den privaten Medienkonsum gedacht war, entwickelt sich rasch zum Alltagsgegenstand und hält schließlich auch Einzug in den Arbeitsalltag professioneller Radiojournalistinnen und -journalisten. Dank der Mobilität der Kassettengeräte werden schnelle Vor-Ort-Aufnahmen außerhalb der Studios in großem Umfang möglich. Kassetten und Rekorder sind außerdem kostengünstig und leicht zu bedienen, so dass viele Sender flächendeckend Reporterinnen und Reporter damit ausstatten. Mit Kassetten umgehen kann jeder – auch die Menschen, die nun zunehmend in Umfragen, Interviews und O-Tönen zu hören sind: die Menschen „von draußen“. Mit der Kassette verschwindet so die gerätetechnisch herbeigeführte Hierarchie zwischen Reportern und Interviewten – die Menschen müssen nicht mehr ehrfürchtig daneben stehen, wenn komplizierte Geräte wie die „Nagra“ an Ort und Stelle aufgebaut, in Position gebracht und bedient werden. Mit der Kassette ändert sich die Arbeit der Reporterinnen, die Ästhetik der Radioprogramme und das Verhältnis zwischen Publikum und Rundfunkanstalt. So bringt die Kassette den deutschen Rundfunk einen Schritt weiter in Richtung des von Brecht schon 1932 gewünschten „Kommunikationsapparats öffentlichen Lebens“, an dem Hörerinnen und Hörer gleichermaßen beteiligt sind wie die Produktionsteams in den Funkhäusern.


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Fruth, Pia: Zurückgespult! Ein in mehrerer Hinsicht biographischer Essay über Radioarbeit im Kassettenzeitalter. In: Rundfunk und Geschichte, Jg. 46 (2020), Nr. 1–2, S. 67-75. DOI: http://dx.doi.org/10.25969/mediarep/18863.
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 issn = {2751-1650},
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