Book part:
Leibbilden, Notenbilden, Onlinebilden – Wie wissen wir Musik zu teilen?

Author(s): Funk, Michael
Abstract

Es gibt nicht das eine Teilen von dem einen Wissen. Zuerst ist zu unterscheiden, ob wir von „leiblichem Wissen“ sprechen, oder von „theoretischem Wissen“. „Leibliches Wissen“ wird schon beim Hören und im wortlosen Nachahmen von Gesten geteilt. Hierbei geht es um Musik als Körpersprache (Leibbilden). „Theoretisches Wissen“ liegt einer anderen Form zu Grunde, der Zeichensprache. In der Musik entspricht dem ein Teilen des Wissens um Harmonielehre oder Notensemantik, also allem, was sich mit Worten eindeutig sagen lässt (Notenbilden). Meine Überlegungen verstehen sich als (technik-)philosophische Perspektive. Ich werde zuerst drei „Wissensformen“ mit Blick auf die europäische Philosophiegeschichte herausarbeiten: „Leibliches Wissen“ in seinen zwei Unterformen („Sensomotorik“ und „Perzeption/Aisthesis“), sowie „theoretisches Wissen“. Danach skizziere ich den Ansatz „hermeneutischer Epistemologie“. Damit ist ein philosophisches Konzept gemeint, durch welches das Teilen musikalischen Wissens allgemein erklärt werden kann. „Kulturen des Teilens von Wissen“ möchte ich darauf aufbauend mit Blick auf klassische indische und europäische Musik, sowie das Internet diskutieren. Um die Unterschiede zwischen einem Teilen musikalischen Wissens in Indien und Europa darzustellen, führe ich das Konzept „epistemologischer Strukturen“ ein. Ich möchte zeigen, dass beim Lernen und Leben jeder Musik das Teilen aller drei „Wissensformen“ eine wichtige Rolle spielt, wobei die kulturellen Unterschiede an der jeweiligen Gewichtung deutlich werden. Klassische indische Musik ist nicht so stark von „Wissen theoretischer Form“ durchzogen, wie europäische. Das Teilen „leiblichen Wissens“ findet hier höhere Anerkennung, was sich im Kulturideal der Improvisation abbildet. In Europa dominiert das Kulturideal der Komposition. Auch in anderen Bereichen europäischer Kultur (Ingenieurwesen, Informatik usw.) prägt Teilen „theoretischen Wissens“ das Selbstverständnis von Technik-Experten. Für Techniknutzer muss das aber nicht gelten. Nicht zuletzt die vielfältigen visuellen Displays führen im Gebrauch zu einer kulturellen Aufwertung sinnlicher Orientierung im Alltag. Mit dem Internet könnte ein Verbreiten neuer sinnlicher Kompetenzen verbunden sein, derer sich junge Generationen weltweit und kulturübergreifend im gemeinsamen Umgang mit Computern ermächtigen. Neben „visuellen Kompetenzen“ geht es auch um „akustische Kompetenzen“, also die Fähigkeit „weltweit zu hören“ (Onlinebilden). Ich schlage vor, von einer „Globalisierung sinnlichen Wissens“ zu sprechen. Denn wenn diese Kompetenzen weitergegeben, also geteilt werden, dann entsteht neues Wissen. Nicht nur in der Musik kann es so zu sinnlichen Traditionsverlusten und Neuanfängen kommen. Auf der anderen Seite werden traditionelle kulturelle Horizonte weiterhin das Bilden und Teilen spezialisierten musikalischen wie technischen Expertenwissens weltweit unterschiedlich prägen.


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Funk, Michael: Leibbilden, Notenbilden, Onlinebilden – Wie wissen wir Musik zu teilen?. In: Sützl, Wolfgang;Stalder, Felix;Maier, Ronald: Media, Knowledge and Education / Medien - Wissen - Bildung. Cultures and Ethics of Sharing / Kulturen und Ethiken des Teilens. Innsbruck: Innsbruck University Press 2012, S. 209-226. DOI: 10.25969/mediarep/2132.
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