Fotografie und Film 91 Wechselbeziehungen zwischen Videoclip, Spielfilm und Werbefilmen ein, wie sie bei Gondry besonders augenfällig sind und ähnlich bei Spike Jonze, David Fincher und Tarsem Singh beobachtet werden können. Altmeyers Buch bietet zugleich zu viel und zu wenig. Für einen Essay sind seine Ausführungen zu lang und zu wenig fokussiert. Für die gründliche Betrach- tung auch nur eines der angerissenen Themen allerdings fehlt es an Tiefe. So kann er sicher einige Gedankenanstöße bei einer ersten Annäherung an das Werk bieten, aber die theoretischen Passagen bleiben oberflächlich, da hier lediglich die Eckpfeiler und wichtigsten Begriffe der jeweiligen Theorie knapp dargestellt werden. Nina Riedler (Berlin/Duisburg-Essen) Anne Barnert: Die Antifaschismus-Thematik der DEFA. Eine kultur- und filmhistorische Analyse Marburg: Schüren 2008, 392 S., ISBN 978-3-89472-636-2, € 38,-- (Zugl. Dissertation am Fachbereich Neuere Philologien der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2007) Die vorliegende Arbeit spricht einleitend vor allem die „Kontroll- und Zen- surinstanzen“ (S.15) der DEFA im Zeitraum von 1961 bis 1989 an. Mit Klaus Finke und Martin Sabrow begreift die Verfasserin den DEFA-Film im Wesent- lichen als „hyper-politisierte Kunst“ (S.13) in einer „Konsensdiktatur“ (S.25). Unter „Antifaschismusfilm“ versteht sie in Erweiterung des üblichen, auf die historische Erzählung abhebenden Gebrauchs auch sog. „Gegenwartsfilme“, die eine von der Vergangenheit beeinflusste DDR-Gegenwart thematisieren. In beiden Fällen sind ihr besonders die „Durchschnittsproduktionen“ und nicht die „heraus- ragenden Ausnahmefilme“ (S.33) wichtig. Diese methodologisch wie motivational hinterfragbare Vorgehensweise ist mehreren mit einander verbundenen Thesen geschuldet: (1) Die gleichermaßen ideologisierte wie mythologisierte Antifa- schismus-Thematik habe „in der planwirtschaftlich organisierten DEFA [...] stets einen konstanten“, divers bevorteilten „Posten“ (S.14) dargestellt; (2) die in der DDR produzierten Antifaschismusfilme nähmen „weniger das nationalsozialisti- sche Deutschland in den Blick“, als vielmehr einen „universalen“, im spanischen Bürgerkrieg erstmals unter internationaler Beteiligung kriegerisch bekämpften, Faschismus; (3) es sei das Ziel der Antifaschismusfilme, „dem Zuschauer mit dem Antifaschismus als Gründungsmythos der DDR ein überhistorisches Deutungs- muster zu vermitteln“ (S.11); (4) der Antifaschismusfilm der DEFA habe dergestalt dazu beigetragen, „die SED-Herrschaft zu legitimieren und zu stabilisieren“ und könne somit „als symbolisch vermittelter Machtanspruch der SED verstan- den werden“ (S.27); (5) die etablierte Forschungsbehauptung, der DEFA-Film repräsentiere gegenüber dem „Staats-Antifaschismus der DDR-Führung“ einen 92 MEDIENwissenschaft 1/2010 ‚wahren’, scheinbar „aufrichtigeren Antifaschismus“ (S.34), sei angesichts der „Durchschnittsproduktionen“ kaum haltbar. Unter Bezugnahme auf Thomas Lindenbergers Konzept des ‚Eigensinns’, das – damit funktional überfrachtend – zur Erläuterung „ungeregelter Prozesse“ (S.30) der Aneignung heranzogen wird, unterscheidet die Verfasserin allerdings zwi- schen Anspruch und Absicht einerseits und tatsächlicher Produktkomplexität bzw. tatsächlicher Wirkung andererseits. Sie setzt sich deshalb zum eigentlichen Ziel, nicht vorherrschend das Explizite, Offensichtliche oder Verordnete (bspw. Figu- renkonstellation) nachzuweisen bzw. zu rekonstruieren, sondern die jeweiligen, ggf. subversiven Möglichkeiten zu überprüfen, „die ein Film seinem Publikum zur eigensinnigen Deutung [der Verfasserin nach allein von „ausdrücklichem Willen“ und von „Aufmerksamkeit“ abhängig] zur Verfügung stellte.“ (S.31) Machten die Filmemacher ihrem (homogenen?) Publikum mit Hilfe bestimmter visueller oder akustischer Gestaltungsmittel und deren Montage ein „eher offenes oder ein eher geschlossenes Rezeptionsangebot“ (S.30)? Die fünf Hauptkapitel der Arbeit, die eine „modellhafte Trennung zwischen der kulturellen und der familiär-autobiographischen Erinnerung an die NS-Zeit“ (S.319) vornehmen, lauten: 1. „Die Antifaschismus-Thematik der DEFA. Kul- tur- und filmgeschichtlicher Kontext“ (filmische Schwerpunkte: Kurt Maetzig, Januskopf [1972]; Roland Gräf, Fariaho [1983]; Frank Vogel, Denk bloß nicht, ich heule [1965/66, 1990]; János Veiczi, Ich will euch sehen [1978]), 2. „Das Konzentrationslager Buchenwald als Handlungsort des DEFA-Films“ (filmische Schwerpunkte: Frank Beyer, Nackt unter Wölfen [1963]; Horst Seemann, Zeit zu leben [1969]; Vogel, Denk bloß nicht, ich heule [1965/66, 1990]; Veiczi, Schritt für Schritt [1960]), 3. „Film als kulturelles Gedächtnis einer Gesellschaft“ (Konrad Wolf, Sonnensucher [1958/1972]; Beyer, Jakob der Lügner [1974]; Slatan Dudow, Stärker als die Nacht [1954]; Beyer, Der Aufenthalt [1983]; Ulrich Weiß, Dein unbekannter Bruder [1982]; Wolf, Ich war neunzehn [1968]), 4. „Der Regisseur Konrad Wolf und sein familiärer Hintergrund. Professor Mamlock (1933, 1938, 1961)“ und 5. „Film als Familiengedächtnis“ (filmische Schwerpunkte: Gerbert Rappaport/ Adolf Minkin, Professor Mamlock [1938]; Wolf, Professor Mamlock [1961]). Mit Blick auf übergeordnete Ergebnisse bietet die Arbeit wenig Neues. Die geschichtsphilosophisch und gesellschaftstheoretisch begründeten Perspektivie- rungen des Antifaschismusfilms der DEFA, mit denen zwangsläufig – wo wäre dies nicht der Fall? – Positionierungen einhergehen, die unter anderen Konstruktions- voraussetzungen und Bewertungsmaßstäben als Einseitigkeiten, Verkürzungen, Überhöhungen oder auch Verzerrungen erscheinen, sind nicht unbekannt. Ob es daher nicht angemessener gewesen wäre, in einer zugleich historisierend und, etwa mit Blick auf die BRD, komparatistisch verfahrenden Darstellung auf das im Antifaschismusfilm der DEFA immerhin Erreichte, auf das nicht Verdrängte, Verschwiegene und das Erkannte zu verweisen, anstatt ein ums andere Mal dessen Fotografie und Film 93 vermeintliche oder tatsächliche Unzulänglichkeiten aufzulisten? Der Verfasserin scheint ein Gedanke wie dieser nicht grundsätzlich fremd, kommt sie doch entge- gen dem eigenen Programm auch immer wieder lobend auf die „herausragenden Ausnahmefilme“ (s.o.) zu sprechen. Doch überwiegt der dem zeitgenössischen Mainstream verpflichtete Drang, anhand der „Durchschnittsfilme“ die letztlich staatstragenden Verstrickungen auch des DEFA-Films und dessen Nähe zum „Staats-Antifaschismus“ zu erweisen. Dass sie dabei mit Blick auf einen Bewer- tungsmaßstab sogar die Möglichkeit einer „Ästhetik mit grundsätzlichen Poten- tialen zu einem unabhängigen filmischen NS-Gedächtnis“ (S.336; Hervorhebung G. H.) voraussetzt, gibt hinsichtlich dieses Drangs in der Tat zu denken. Es trägt jedenfalls nicht dazu bei, den Gebrauchswert der Arbeit, der sich grundsätzlicher Kritik zum Trotz einer großen, teils innovativen Materialfülle und vielen Detail- ergebnissen verdankt, zu erhöhen. Ein ca. 50seitiger Anhang, der die Arbeit beschließt, trägt zu diesem Gebrauchs- wert allerdings bei. Hervorzuheben sind 8 Dokumente aus dem DEFA-Studio für Spielfilme und aus dem Ministerium für Kultur, Hauptverwaltung Film, ein umfangreiches Verzeichnis einschlägiger Forschungsliteratur, eine in „Historische DEFA-Antifaschismusfilme“ und „DEFA-Gegenwartsfilme mit Antifaschismus- Thematik“ untergliederte, 121 Filme umfassende Filmografie und ein Verzeichnis von Film-Rezensionen in DDR-Zeitschriften (überflüssig erscheint angesichts des anvisierten RezipientInnenkreises hingegen das „Verzeichnis verwendeter filmischer Fachausdrücke“). Günter Helmes (Flensburg) Catherine Constable: Adapting Philosophy. Jean Baudrillard and The Matrix Trilogy Manchester: Manchester University Press 2009, 177 S., ISBN 978-0-7190- 7532-2, GBP 16.99 Die von Catherine Constable durchgeführte Analyse befasst sich mit der Wech- selwirkung von Philosophie und Film und bezieht sich auf das problematische Verhältnis von Jean Baudrillards „Simulacra and Simulation“ (Baudrillard, Jean: Simulacra and Simulation. Ann Arbor 1994) und dessen philosophischer Rezeption in der Matrix Trilogy (1999, 2003). Catherine Constable entfaltet ihre Argumenta- tion indem sie Philosophie, Film Studies und Adaptation Theory interdisziplinär verbindet, um auf dieser Grundlage eine adaptive Bildtheorie zu entwickeln, in welcher philosophische Strukturen einer Textvorlage im audiovisuellen Geflecht des Films verankert sind und über das Filmbild präsentiert werden, „to offer a model of philosophy as thought in figuration“ (S.8). Constable plädiert für das adaptive Potential des Mediums Film, welches sie als „materialisation of philosophical abstraction“ (S.159) bezeichnet und in den