Hans Dodel und Michael Baumgart: Satellitensysteme für Kommunika- tion, Fernsehen und Rundfunk. Theorie und Technologie.- Heidelberg: Dr. Alfred Hüthig Verlag 1986, 213 S., DM 56,- Bernd-Ulrich Haagen: Satellitenfernsehen - Rechtsprobleme einer neuen Technologie.- Frankfurt, Bern, New York: Peter Lang 1986, 243 S., sFr 53,- Unter den 'neuen Medien' sind die Satelliten von besonderer Qualität, weil sie grenzüberschreitenden Informationsverkehr erlauben, ohne daß rechtliche Schranken wie Zulassungsverfahren oder wirtschaftliche Bar- rieren wie Zölle ohne erheblichen Aufwand greifen könnten. Für Politi- ker; und Verwaltungsleute, auch für Techniker und Juristen sind Satelli- tenprobleme recht neu; die wenigen Fachbücher mit einschlägigen Infor- mationen bieten jeweils nur Ausschnitte aus der Gesamtproblematik und erlauben keinen Überblick. Dasselbe gilt für die Loseblattsammlun- gen, die überwiegend neuere Dokumente präsentieren, Verträge, Be- schlüsse, Pläne, Kataloge von Vorhaben, doch den an einer Einführung interessierten Leser alleine lassen. Das erste deutschsprachige Lehrbuch, das in die Satelliten-Kommunikationstechnik einführt, präzise, ruhig argumentierend, durchaus auch problemorientiert, aber in erster Linie informierend, schrieben die Satellitenexperten Dodel von Messerschmitt- Bölkow-Blohm in Ottobrunn bei München und Baumgart von der Deut- schen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt in Köln- Porz. Die ortsfesten Satellitenfunkdienste, weil am häufigsten und wirt- schaftlich am wichtigsten, stehen im Mittelpunkt der Beschreibungen. Im Anschluß an einen allgemeinen Überblick über die Satellitenentwick- lung von den reflektierenden Echo-Satelliten bis zur Möglichkeit des direktempfangbaren Rundfunksatelliten werden die Bahnen dargestellt: Für die meisten Dienste wäre eine Bahn um den Erdäquator in ca. 36.000 Kilometer ideal, weil auf dieser Bahn Satelliten fest über bestimmten Gebieten gehalten werden können, indem sie die Erdbewegung mitma- chen; da aber dadurch der Winkel zu äquatorfernen Gegenden sehr flach wird, entstehen in dieser idealen Bahn atmosphärische Störungen, die sehr hinderlich sind. Andere, elliptische Bahnen erfordern mehrere Sa- telliten für die permanente Versorgung. Diese einfache, mit physikali- schen Formeln unterlegte Erklärung macht deutlich, daß die sowjeti- schen Systeme, so 'Molniya I mit mehreren Satelliten, keineswegs überholt sind, sondern wegen der besonderen Zwecke erdnahe Bahnen nutzen. Dies war übrigens früher - vor der Nutzung des geostationären Orbit - für alle Satellitensysteme üblich. 21 9 Knapp, aber zur Vermittlung der ungelösten Koordinationsprobleme hinreichend informativ, fällt das Kapitel über die internationalen Regelungen aus. Während für die noch nicht arbeitenden Rundfunk- Direktsatelliten auf einer Konferenz schon 1977 genaue Orbit-Posi- tionen und je 5 Kanäle pro Land zugeteilt wurden, gilt für die große Masse der Fernmelde- und Beobachtungssatelliten das Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Die Internationale Fernmeldeunion registriert die ·Anmeldungen und leitet im Falle von Einsprüchen Abstimmungsverfahren ein. Viele Länder meldeten Satellitensysteme an, ohne daß in den nächsten Jahren an einen Betrieb gedacht ist. Nicht erörtert wird übrigens das Problem der Länder der Dritten Welt, die bei Satellitensystemen und Anmeldungen weit im Rückstand sind gegenüber den Industrieländern und die bereits besetzte oder bestellte Orbitpositionen nicht nutzen können. Die Stärke des Buches liegt bei der genauen und geduldigen Schilderung technischer Verfah- ren und Probleme: Vielfachzugriffverfahren, also die Mehrfachnutzung von Satelliten, von Frequenzen, von Kanälen und die automatische Vermittlung von Übertragungsstrecken sowie die Erstzugriffverfahren, das heißt das Einklinken der Verbindung mit dem Satelliten, werden ebenso eingehend geschildert wie die Modulationsverfahren, die Wel- lenausbreitung unter den meteorologischen Bedingungen, der Aufbau von Systemen mit Nutzlast des Satelliten, Plattformauslegung, Ver- kabelung, Energieversorgung, Wärmehaushalt. Im Kapitel 'Satelliten- technologie' wird der Aufbau des Satelliten dargestellt, im folgenden Kapitel die Erdfunkstellentechnologie, dann etwas knapp die Fern- seh-Heimempfangsanlage. Nicht erörtert wird die Frage, ob Satelliten- empfang nicht vielleicht nur über Verteileranlagen sinnvoll installiert werden könnte. Der deutsche Direkt-Rundfunksatellit TV-Sat wird als für 1986 sicher genannt. Nun dürfte er im Herbst 1987 starten, und zwar in eine ungewisse Zukunft. Das Buch schließt mit einer Über- sicht über Systeme und einem Ausblick. Die Autoren erklären, daß neue Techniken am Boden und im Orbit eingeführt werden müssen, um mehr Satelliten in begrenzten Orbitalbahnen unterbringen zu können. Nicht Gegenstand des Buches ist der Vergleich mit anderen übertra- gungsmöglichkeiten auf der Erde und die Abschätzung der Vor- und Nachteile der Satellitentechnik. Alles in allem ein wertvolles Einführungsbuch, auch für Experten, die hier einen Überblick über die technischen Entwicklungen und Probleme im größeren Zusammenhang bekommen können. Weniger stringent in der Darstellung, aber nicht weniger informativ ist das Buch von Bernd-Ulrich Haagen, das sich - nach einem längeren technisch-politischen Einführungsteil - mit Rechtsproblemen der Satellitenkommunikation befaßt. Dabei wählt der Autor die Form der Erörterung, d.h. er stellt alle relevanten Gesichtspunkte dar und hält sich mit eigenen Einschätzungen eher zurück. Während für die sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion der "free flow of information" staatlichen Regelungsvorbehalten unterliegt, heben die westlichen Staaten eher ab auf das indi viduelle Recht auf Information ohne staatliche Limitierung. Auf dieses prinzipielle Problem einer Regelung grenzüberschreitender Satellitenkommunikation geht der Autor ein; er vergißt allerdings - auch in anderem Zusammenhang - die besonderen Bedingungen der Entwicklungsländer zu nennen, die von 220 den Programmen lind den Techniken der Industrieländer überschwemmt werden und bei Satellitenverbreitung von Programmen mangels eigener Satelliten weiter ins Hintertreffen geraten. Falsch ist der Hinweis, Satellitenabstrahlungen vom Direktsatelliten ließen sich terrestrisch kaum stören. Wenn ein Staat, wie mancherorts ernsthaft erwogen, terrestrische Funkdienste auf eine Satellitenfrequenz legt, wären die Satellitenprogramme nicht mehr empfangbar; denn die Feldstärke terrestrischer Sender ist so groß, daß sie auch die gerichteten Parabolantennen tangiert. Hier gibt es auch rechtliche Probleme, dann nämlich, wenn ein Individuum verlangt, daß der Empfang auch ausländischer Satelliten frei und ungestört bleibt. Der Autor behandelt die europäischen Regelungsbemühungen, die zunächst einmal an der europäischen Vielstaatlichkeit und dann auch an der bundesrepublikani- schen Länderzuständigkeit in Rundfunkangelegenheiten scheitern. Probleme der Werbung, des Urheberrechts, des Jugendschutzes bei grenzüberschreitenden Programmen werden behandelt; die Einspeisung von Satellitenprogrammen in Kabelnetze mit ihren rechtlichen Implikationen und der Problematik der Länderzuständigkeit werden aus rechtlicher Sicht beleuchtet. Richtig ist wohl die Einschätzung, daß einschneidender als ein befUrchteter Informations- und Kultureinfluß im eigenen Lande die Wirkung des Satellitenrundfunks auf das binnenplural organisierte öffentlich-rechtliche Rundfunksystem, vor allem in der Bundesrepublik, sein wird. Ein Schwerpunkt und der Wert dieses Buches liegen in der Eröffnung europäischer Perspektiven auf der Grundlage der Verträge der Gemeinschaft und der schmalen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Leider befaßt sich der Autor nicht mit der Forderung der öffentlich-rechtlichen Rund- funkanstalten nach Entwicklungsgarantien durch die Landesgesetzgeber und nach ungehindertem Zugang auch zu den neuen Techniken der Distribution, z.B. zum Satellitenrundfunk. Es ist hilfreich für die rechtliche Diskussion über Medienstaatsverträge in der Bundesrepublik, über die Finanzgewährleistungsgarantie durch die Bundesländer, über ein geregeltes Miteinander von privaten und öffentlich-rechtlichen Programmveranstaltern, auch die rechtliche Basis der meist mit politischen und ökonomischen .Argumenten geführten Debatte zu kennen. Rainer Kabel