Medien I Kultur 53 Margarete Lamb-Faffelberger (Ed.): Literature, Film, and the Culture Industry in Contemporary Austria New York u.a.: Peter Lang 2002 (Austrian Culture, Vol. 33), 206 S., ISBN 0-8204-4904-0, E 64,10 Was verbindet die Happenings von Hermann Nitsch mit Elfriede Jelineks Klavierspielerin, mit Alois Brandstetter, mit Karl Schönherr und Fritz Hochwälder und mit Josef Haslingers Opernball? Dass irgendjemand sich über diesen oder jenen kundig gemacht und sich daher zu einer Konferenz über österreichische Literatur und Kultur am Lafayette College angemeldet hat. Und so finden sich Aufsätze zu diesen sehr disparaten Themen zwischen zwei Buchdeckeln vereint. Willkür als Editionsprinzip: Ein auch nur halbwegs gültiges Bild von der Litera- tur, dem Film und der Kulturindustrie im gegenwärtigen Österreich vermag solch zusammengewürfelte Tagungszufälligkeit nicht zu ergeben. Es erscheint als gera- dezu grotesk, Schönherr und Hochwälder, nicht aber Peter Turrini und Michael Scharang, Barbara Frischmuth und Kathrin Röggla, Josef Hader und Lukas Resetarits, Andreas Gruber und Peter Tscherkassky im Zusammenhang mit „Contemporary Austria" zu nennen. Michael Haneke kommt nur einmal. als Subventionsempfänger, vor, Gerhard Roth lediglich als Steuerzahler und in einer falsch zugeordneten Fußnote, und der langjährige (deutsche) Burgtheaterdirektor Peymann überhaupt nicht. In diesem Band, der den Begriff „Kulturindustrie·' im Titel trägt, wird außer den manuskripten keine der österreichischen Literaturzeit- schriften erwähnt, nicht Gidon Krerners Kammermusikfestival in Lockenhaus und nicht der Ingeborg-Bachmann-Preis. Wo tatsächlich von der Gegenwart die Rede ist, machte der Regierungswechsel, der zwischen der Konferenz und der Veröffentlichung des Buchs stattgefunden hat, ein paar kosmetische Operationen an den Texten erforderlich, für die freilich keine große Mühe angewandt wurde. Bei dem Aufsatz über Voyeurismus und Film in Elfriede Jelineks Klavierspielerin verzichtete die Autorin gleich auf den Hinweis, dass es mittlerweile eine viel dis- kutierte Verfilmung dieses Romans gibt. Dazu kommt ein Mangel, der solche US- Publikationen zu europäischen Themen häufig kennzeichnet: Für amerikanische Studenten sind sie zu spezialisiert, für Österreicher oder auch für Deutsche über weite Strecken trivial, weil sie nichts enthalten, was der aufmerksame Zeitgenosse nicht ohnedies weiß. Der Kulturbeamte Herbert Hofreither liefert Zahlen ab, die jeder dem jährlichen Kulturbericht des zuständigen Staatssekretärs am Bundeskanzleramt entnehmen kann. Ein Aufsatz über Hansjörg Zauner und Christine Huber erläutert langatmig die semiotischen Prämissen, die vor knapp einem halben Jahrhundert diskutiert wurden, ohne auch nur den Namen Max Bense oder dessen Vorläufer zu nennen. Drei Beiträge führen im engeren Sinn auf das Gebiet dieses Rezensionsorgans: Sie handeln von der Verfilmung von Haslingers Opernball von den Sissi-Filmen und vom landeskundlichen Lehrfilm, der, wie kaum verwunderlich, im Ausland 54 1HED/ENwissenschafi 1/2003 ein geschöntes Bild von Österreich vermittelt. Der Aufsatz über den Opernball registriert nach dem ausgeleierten Prüfmuster für Literaturverfilmungen die Unter- schiede gegenüber der Vorlage, um zu der positiven Bewertung zu gelangen, ,,that a quite successful transformation ofthe literary text was indeed achieved" (S.168). Bravo! Die Druckfehler häufen sich. Aus Gerhard Jaschke wird ein Jeschke, aus Alice Schwarzer eine Schwartzer, aus Rudolf ein Rudolph Burger, aus dem Literatur- wissenschaftler Jörg Drews wurde der Schlagersänger Jürgen Drews, aus der SPÖ eine SDAPÖ, aus Bad Goisern ein Bad Goissern, Brecht heißt wieder einmal Bertold statt Bertolt. Fazit: Viel mehr Schaden können auch die Lehrfilme nicht anrichten. Sie sind, wie dieses Buch, bloß überflüssig. Thomas Rothschild (Stuttgart)