Kinofilme auf DVD - Technik und Inhalte von Gert Koshofer DVD heißt „Digital Versatile Disc“, digitale vielseitige Disc. Mitte der neunzi- ger Jahre entwickelt, ist die CD-ähnliche Scheibe mit 12 cm Durchmesser heute ein Kassenschlager. 2003 wurden in den USA 22,5 Mrd. Dollar für DVDs, aber nur noch 9,2 Mrd. für Kinokarten ausgegeben. Gegenüber Video hat die DVD die Vorteile deutlich besserer Bild- und Tonqualität sowie der Wahl zwi- schen Originalsprache und deutscher Synchronisation. Hinzu kommen Unter- titel in bis zu 32 verschiedenen Sprachen, auch erweitert für Gehörlose. Wei- tere Vorteile sind animierte und interaktive Menus zur Auswahl von Sprache und Ton sowie eine kapitelweise Szenenanwahl, ein Beiprogramm (Bonus-Ma- terial) und geringer Platzbedarf bei der Archivierung. Ein Hauptvorteil der DVD ist die Wiedergabe von Breitwand- und Scope-Fil- men im Originalkinoformat. Dabei wird zumeist die so genannte anamorphe Technik genutzt. Das heißt: horizontales Komprimieren eines Breitwandfilms auf normales Fernsehformat 4:3 (1.33:1, sog. Vollbild) und anschließende De- kompression in das Breitformat 16:9 (1.78:1) zur Wiedergabe auf entspre- chenden Bildschirmen und Leinwänden. Diese Technik gleicht der Aufnahme und Projektion von Scope-Filmen mit anamorphotischen Objektiven. Dadurch bleibt bei DVDs die volle vertikale Zeilenanzahl für das Bild erhalten. Bei Breitwandformaten 1.78:1 bis 1.85:1, auch Widescreen genannt, erscheinen keine schwarzen Balken oben und unten im Bild, schmale jedoch beim Euro- format 1.66:1 und breite bei CinemaScope (2.35:1) und noch breiteren Film- formaten. Fernsehgeräte mit Bildschirm im 4:3-Seitenverhältnis geben dank 16:9-Umschaltung solche Filme in Letterbox wieder, das heißt mit schwarzen Balken oben und unten. Manchmal werden Breitwandfilme auch auf DVD nur in Letterbox überspielt. Dann befindet sich das Breitbild unkomprimiert im Rahmen des 4:3-Formats mit schwarzen Balken. Es kann mit der Zoom-Funk- tion der Fernbedienung für die volle 16:9-Wiedergabe auf entsprechenden Bildschirmen und Leinwänden vergrößert werden; das Bild erscheint dann aber infolge der geringeren vertikalen Zeilenanzahl gröber. Bei der Abtastung von Filmen in anderer Laufgeschwindigkeit, also bei Stummfilmen, werden etwa die 18 Bilder/Sekunde auf die notwendigen 50 Halbbilder verteilt. Bei einer Geschwindigkeit von 24 B/S geschieht das nach dem 12. und dem 24. Bild. Diese Bilder werden jeweils in drei statt zwei Halb- bildern gezeigt. Es wird sozusagen ein „Standhalbbild” eingefügt. Bei 18 B/S entstehen entsprechend mehr dieser „verlängerten” Bilder. Der Filmabtaster (Telecine, Filmgeber) wandelt das optische Filmbild in ein elektromagneti- sches Signal um. Dieses kann auf einem Monitor wieder als Bild sichtbar ge- macht und mit einem Farbkorrektur-System bearbeitet werden. 38 Aus rechtlichen Wettbewerbsgründen gibt es unterschiedliche DVD-Codie- rungen. In den USA gekaufte DVDs (Code 1) können nicht unbedingt in Euro- pa (Code 2) abgespielt werden und umgekehrt. Ausgenommen sind die welt- weit kompatiblen DVDs des Code O (auch „codefree”), auf denen Klassiker wie THE BIRTH OF A NATION und auch BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSSSTADT in Nordame- rika heraus kamen. Umgearbeitete DVD-Player lassen auch das Abspielen von Code-1-DVDs in Deutschland zu: Dann kann man hierzulande auch importier- te Filme anschauen, die keinen deutschen Verleih fanden. Bei bespielten DVDs werden mehrere Typen unterschieden: Meistens handelt es sich um eine DVD-5 mit einseitig einer Beschichtung oder um eine DVD-9 mit einseitig zwei Schichten. Bei letzterer muss der Laserstrahl bei der Abta- stung die Schicht wechseln und es kommt zu einem sehr kurzen, oft nicht wahrnehmbaren Bildstillstand. DVD-10 ist zweiseitig mit je einer Schicht be- spielt und muss nach der Halbzeit umgedreht werden. Daneben gibt es noch die seltenen DVD-14 (eine Seite zweischichtig, die andere einschichtig) und DVD-18 (beide Seiten zweischichtig). Zweischichtige oder zweiseitige DVDs fassen längere Programme. Die Typenzahl gibt aufgerundet die Bytes in Milli- arden an (z.B. 9 = 8,4 Mrd.). Die Filme befinden sich in der Regel mit Dolby Digital Ton (kurz: DD) auf der DVD. Das ist der zumeist mehrkanalige digitale (Surround-)Ton, der von den englischen Dolby Laboratories entwickelt wurde. Er ist abwärtskompati- bel für eine einfache Mono- oder Stereo-Wiedergabe. Die Zahl hinter der Be- zeichnung DD (oder auch alleine) gibt an, welche Heimkino-Lautsprecher an- gesprochen werden. Bei DD 5.1 bei neueren Filmen - und auch darauf abge- mischten älteren Filmen - werden alle beiden Front- und Rücklautsprecher sowie der Centerspeaker (für Dialoge) und der Subwoofer (Tieftöne) angespro- chen. Wenn kein Subwoofer vorhanden ist, werden die Tieftöne als Bässe auf die beiden Frontlautsprecher verteilt. Bei DD 2.0 kommen der Mono- oder Stereoton über den linken und rechten Frontlautsprecher. Seltener sind DD 5.0 (Front-, Rück- und Center-Lautsprecher), DD 4.0 (Frontlautsprecher in Stereo, Rücklautsprecher in Mono) und DD 1.0 (Mono-Ton nur über den Cen- terspeaker). Die Sprachfassungen der Filme werden aber nicht unbedingt alle im selben Tonsystem wiedergegeben. So kann zum Beispiel die englische Originalfas- sung in DD 5.1 sein und die deutsche nur in DD 2.0. Dolby Digital wurde er- weitert zu Dolby Digital EX mit einem zusätzlichen Centerspeaker. Die Be- zeichnung Dolby Surround (kurz: DS) steht in der Regel für den analogen Tonstandard mit zwei Stereo-Frontkanälen, dem Center- und dem Rückkanal für die beiden Rücklautsprecher. Die Angabe THX (für: Tomlinson Holman Experiment) bezieht sich nicht auf ein eigenes Tonsystem, sondern ist ein Qualitätssiegel für die Erreichung der anspruchsvollen THX-Kriterien durch die betreffende DVD. 39 Um den TV-Monitor oder den Beamer rechtzeitig richtig einstellen zu kön- nen, sind einheitliche Bezeichnungen wie „4:3 Vollbild”, „16:9 Widescreen anamorph” oder „16:9 Widescreen Letterbox” auf der DVD-Hülle erwünscht. „Widescreen” allein genügt nicht. „Widescreen-Edition” ist der werbeträchti- ge Hinweis auf eine Selbstverständlichkeit, denn zumeist existiert eine 4:3- Fassung desselben Films auf DVD nicht. Hinzu sollte bei Breitwandfilmen das Bildformat, zum Beispiel 2.35:1, kommen. Das gilt sowohl für den eigentli- chen Film als auch für das Bonusprogramm. Die schlichte Angabe „16:9” kann nämlich zum Beispiel auch Scope beinhalten. Richtig wäre dann die zu- sätzliche Angabe „2.35:1”, „2.40:1” oder bei frühen CinemaScope-Filmen „2.55:1”. 70-mm-Filme sind mit 2.1:1, 2.0:1 oder 2.2:1 bezeichnet. Der bisher breiteste Film auf DVD ist der in MGM Camera 65 (2.70:1) gedrehte BEN HuR (Fox/MGM). Der Hinweis „Geeignet für alle Bildschirm-Formate” verweist auf eine Selbst- verständlichkeit und ist somit überflüssig. Auch die pure Angabe „Dolby Digi- tal“ reicht nicht aus, um die Tonwiedergabe vollkommen zu kennzeichnen; sie kann auch mono bedeuten. Das Dolby-Digital-Logo auf der DVD-Hülle bedeutet nur, dass die Toncodierung AC-3 von Dolby eingesetzt wurde. Wichtig sind die oben genannten Differenzierungen. Die Angaben PAL oder NTSC besagen, in welches System sich die auf der DVD enthaltenen Daten am besten konvertieren lassen. Die DVD selbst ent- hält weder PAL- noch NTSC-Signale, sondern die Daten sind auf ihr im Kom- ponentenformat (YUV) gespeichert. DVDs mit der Angabe NTSC lassen sich daher problemlos abspielen, es sei denn, sie sind durch den Code 1 vor einer Verwendung auf Code-2-Playern geschützt. Zwei Hauptmängel sind bei DVD-Editionen zu beobachten: kein anamorpher Transfer von Breitwandfilmen (also nur Letterbox-Format) und Überspielung im Nicht-Originalformat. Beispiele für den ersteren findet man bei Icestorm bei den DEFA-Filmen in Totalvision (Scope) DER SCHWEIGENDE STERN und SPUR DER STEINE, der sogar im weniger breiten Format (ca. 2:30:1), also mit seitli- chem Bildbeschnitt, wiedergegeben wird. Hier sind auch die Formatangaben irreführend: beim erstgenannten Film „16:9” und beim zweiten „4:3. Ein weiteres unerfreuliches Beispiel für das beschnittene Format (1.78:1 statt 2.35;1) ist HEARTBREAKERS (Universum). Auch TiTanıc (Fox/MGM) lässt als Letterbox zu wünschen übrig. Bei den Tonfassungen wird manchmal gespart. So erscheinen deutsche Editionen ausländischer Filme gelegentlich nur in deutscher Synchronisierung. Bei Restaurierungen von Farbfilmen für die TV- und DVD-Auswertung geht oft der alte typische Farbcharakter zum Beispiel von Technicolor oder Agfaco- lor verloren. Das ist auch bei den unlängst erschienenen Walt-Disney-Editio- nen LUSTIGE WELT DER MELODIEN (SILLY SYMPHONIES) und MickY MAUS IM GLANZ DER FARBE zu beobachten. Hier sieht man u.a. den allerersten dreifarbigen Techni- 40 color-Film FLOWERS AND TREES (1932) aus der Kurzfilmserie SILLY SYMPHONIES in zu sehr leuchtenden Farben. Andererseits bemüht sich die Friedrich-Wilhelm- Murnau-Stiftung, Wiesbaden, bei Agfacolor-Filmen wie DIE FLEBERMAUS von 1945 {Black Hill) um einen Kompromiss zwischen der ursprünglichen Farbge- bung und den Ansprüchen der heutigen Zuschauergeneration. Diese sind all- gemein sehr hoch, so dass von älteren Filmen auf DVD auch eine völlig krat- zer- und fleckenfreie Wiedergabe verlangt wird. Restaurierungen werden da- her manchmal erneut für eine zweite Edition desselben Films vorgenommen, um eine nunmehr digital optimierte Bild- und Tonqualität zu liefern. Dabei werden auch kleine Fehler in der Filmkopie für die Überspielung auf Digi- BETA-Band (als Ausgangsmaterial für die DVD) auskorrigiert. Bonusprogramme können bei der DVD gegenüber Video-Editionen ein wert- voller Zugewinn sein: Neben dem (Original-)Trailer des Films enthalten sie oft das Making Off, Interviews mit dem Regisseur und Darstellern, Kommentare von Kritikern, entfallene Szenen und anderes mehr. Auch wichtige filmhisto- rische Informationen wie die fast einstündige Dokumentation GLORIOUS TECH- NICOLOR zu DIE ABENTEUER DES ROBIN Hoop (Warner) gehören dazu. Mehr als ein Bonus sind zwei verschiedene Filmfassungen wie zum Beispiel: deutsch und englisch bei DER BLAUE ENGEL (Universum), 16:9 und 4:3 bei DIE KATZE AUF DEM HEISSEN BLECHDACH (Warner), der Kinofilm und die 9 Minuten längere Special Edition Version bei INDEPENDENCE DAY (Fox/MGM) oder erste und zweite Version bei dem DEFA-Verbotsfilm DIE SCHÖNSTE (Icestorm). Filmwissenschaftler nutzen zunehmend DVDs als Studienmaterial. Dabei ist zu beachten, dass der Film von der im Kino gelaufenen Version abweichen kann. Er kann vom TV-Sendeband stammen und Schnitte der Ferınsehanstalt enthalten oder dem Director's cut entsprechen wie bei Das BooT (Eurovideo). Import-DVDs können nicht nur unterschiedlich umfangreiche Bonusprogram- me, sondern bei alten Spielfilmen auch verschiedene Fassungen enthalten wie zum Beispiel bei MÜNCHHAUSEN (1943): Die in England vertriebene DVD (Eurekavideo) enthält die vorletzte Restaurierung und die in den USA erhält- liche (KinoVideo) die neueste der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (2004). Letztere befindet sich auch als deutsche Edition mit umfangreichem Bonus- programm in Vorbereitung. Bei Quellenangaben oder Rezensionen empfiehlt es sich daher, die jeweilige DVD-Vertriebsfirma anzugeben. Wer sich ein „echtes“ Heimkino mit Projektion einrichten möchte, kann sich für die technische Ausstattung in den Fachzeitschriften Heinkino und video informieren. Mit Gesamtkosten für DVD-Player, AV-Receiver, Beamer und Lautsprecher plus Leinwand ab 3.000 EUR ist zu rechnen. Anspruchsvolle Besprechungen von DVDs findet man in der Zeitschrift DVD Vision und im Internet u.a. bei www.dvdbeaver.com (USA; mit Vergleichen Kinofilm versus DVD), für Stummfilme www.silentera.com und bei www.dvd- infomag.de/rezensionen.php. al