58 MEDIENwissenschaft 1/2010 „end-time ideologies” (S.vii, xi). Die Gefahren einer möglichen Ideologisierung apokalyptischen Bewusstseins werden allerdings, obwohl anfangs kurz angespro- chen und mit Beispielen belegt, im Hauptteil des Buches nicht näher beleuchtet. Stattdessen bilden Katastrophen- und Weltuntergangsszenarien amerikanischer Filmemacher einen thematischen Schwerpunkt. Der Gegenstand der Apokalypse besitzt in den elf Kapiteln einen unterschied- lichen Stellenwert. Im ersten Kapitel, „The Day After the End of the World: Media Coverage of a Nonevent”, analysiert die Kommunikationswissenschaftlerin Terri Toles Patkin die Y2K-Hysterie, ein Phänomen von medialer Bedeutung, das einen breiten Widerhall in der Gesellschaft fand: “The sense of anticlimax following the relatively uneventful calendar rollover led to cynicism and even hostility about public information campaigns and a reduction in trust of official data.” (S.6) Thematisch fügt sich der Beitrag leicht in das übergeordnete Thema des Sammelbandes ein. In „Apocalypse Documented: An Audiovisual Representation of September 11, 2001” präsentiert der Forensiker Mark J. Porrovecchio eine stim- mige, akribische Analyse des Dokumentarfilms WTC: The First 24 Hours (2001) von Etienne Sauret. Problematisch ist: Es lässt sich überhaupt kein Zusammen- hang mit der Apokalypse herstellen. Ganz anders verhält es sich bei Annette M. Holbas Darstellung („Occultic Rhetoric in the Buffyverse: Apocalypse Revisited”) über eine TV-Serie, die weit mehr als bloße Anspielungen auf die Apokalypse bietet und in den USA zu Recht auch im akademischen Bereich große Beachtung findet. Gemeint ist Joss Whedons Buffy the Vampire Slayer (1997–2003). Holbas Darstellung erschöpft sich über weite Strecken in einer z.T. oberflächlichen Inhalts- beschreibung der sieben Serienstaffeln. Leider schleichen sich auch Fehlinterpreta- tionen ein und analytische Einsichten werden vor allem aus der Sekundärliteratur entnommen. Die meisten Beiträge des Sammelbandes werfen Streiflichter auf das Zusammenspiel von Medien und Apokalypse, nicht mehr und nicht weniger. Für einen ersten Überblick genügt dies; für weitergehende Studien helfen die biblio- grafischen Angaben im Anschluss an die einzelnen Kapitel. Matthias Kuzina (Walsrode) Thomas Jäger, Henrike Viehrig (Hg.): Sicherheit und Medien Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, 192 S., ISBN 978-3- 531-16789-3, € 34,90 Das prekäre Verhältnis von Medien und Sicherheit ist eine grundlegende Heraus- forderung staatlicher oder regierungsamtlicher Kommunikation in freien, plu- ralistischen Gesellschaften. Zwischen konsensbasierter Einflussnahme auf die Öffentlichkeit einerseits und notwendiger Transparenz sowie kritischer Offenheit andererseits gilt es immer wieder aufs Neue eine Balance auszuhandeln. Was im Medien / Kultur 59 normalen Alltag schon schwierig genug erscheint, erhält bei im engeren Sinne sicherheitspolitisch relevanten Themen eine erheblich größere Dimension. Spätestens seit dem Vietnam-Krieg und nochmals verstärkt im Gefolge der Terroranschläge vom 11. September 2001, werden Medien als integraler Bestand- teil von Sicherheitspolitik und im Spannungsfeld zwischen Sicherheitsinteressen und demokratischer Öffentlichkeit diskutiert. Wenn Presse und Rundfunk weder staatliche Propagandaorgane sind, noch sich aus freien Stücken einer Staatsraison unterwerfen, entwickeln sie eine besondere Ambiguität zwischen freier Informa- tion und der Gefahr, Konflikte aufzuschaukeln oder gar selbst zum eigentlichen Austragungsort von Auseinandersetzungen zu werden. Dies gilt erst Recht ange- sichts der weiter zunehmenden Internationalisierung der Medien. Pandemie- Berichterstattung ist ein Beispiel für diesen Zwiespalt; ein anderes sind etwa die weltweit verbreiteten Videobotschaften von Al Kaida. Der Sammelband Sicherheit und Medien tritt an, dieses schwierige Problemfeld wissenschaftlich aufzuarbeiten. Die enthaltenen Aufsätze beleuchten eine breite Auswahl von Aspekten des Gegenstandes. Dabei reicht die Bandbreite von einer Untersuchung der Öffentlichkeitsarbeit des umstrittenen US-Militärdienstleisters ‚Blackwater‘ über die Informationspolitik bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen bis hin zu einem Beitrag über Hooliganismus und Medien während der Fußballweltmeisterschaft 2006. Ergänzend hierzu finden sich Grundlagenartikel zur inneren Sicherheit unter den Bedingungen der Globalisierung und zum Span- nungsfeld zwischen regulatorischen Eingriffen und freiwilliger Governance in der Krisenkommunikation. So führt etwa Ibrahim Ahmadov aus, wie Nationalstaaten selbst in Sachen innenpolitischer Legitimität darauf angewiesen sind, ihre ‚soft power‘ auch außen- politisch zur Geltung zu bringen. Politische Werte und Einstellungen müssen – nicht zuletzt durch die Medien – international so wirksam vermittelt werden, dass sie andere Staaten oder Gruppen auf Dauer überzeugen und nachhaltig für sich einnehmen. Das gilt ironischerweise für Staaten und kulturelle Gemein- schaften ebenso wie für den internationalen Terrorismus. Christoph Rohde untersucht die öffentliche Kommunikation in Krisenfällen aus volkswirtschaftlicher Perspektive und fragt, wie durch regulierende Ein- griffe negative externe Effekte vermieden werden können. Vor dem Hintergrund demokratischer Gesellschaften entwirft er ein Modell temporärer Regulierung: Staatliche Akteure sollen vorübergehend Informationen selektiv zurückhalten und die Meinungs- und Medienfreiheit einschränken dürfen, sofern die entspre- chenden Manipulationen unmittelbar nach dem Ende der akuten Krisensituation zurückgenommen und aufgeklärt werden. Gerade diese eher theoretischen Beiträge ragen qualitativ hervor. Trotz ihres zum Teil eher eindimensionalen Medienbildes gelingt es ihnen, den Zusammen- hang von Sicherheit und Medien in seinen fundamentalen Aspekten kenntnisreich 60 MEDIENwissenschaft 1/2010 darzustellen und zumindest ansatzweise zu diskutieren, während die übrigen Auf- sätze kaum über rein deskriptive Fallstudien hinausgehen. Die Zusammenstellung des Bandes wirkt denn auch eher zufällig und muss in der Einleitung der Heraus- geber mühevoll begründet werden. So bleibt der wissenschaftliche Mehrwert des Buches leider begrenzt und spiegelt nicht das Niveau wider, das die entsprechende Forschungsdebatte auf internationalem Parkett erreicht hat. Eric Karstens (Krefeld) Susanne Knaller (Hg.): Realitätskonstruktionen in der zeitgenössischen Kultur. Beiträge zu Literatur, Kunst, Fotografie, Film und zum Alltagsleben Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2008, 260 S., ISBN 978-205-77718-2, € 29,90 Bereits 2006 erschien der von Susanne Knaller herausgegebene Band Authen- tizität: Diskussion eines ästhetischen Begriffs (München), der eine wesentliche Bestimmung dieses Phänomens und der daran anschließenden breitgefächerten Diskussion bereitstellte. Nun liegt der ebenfalls im Rahmen des Forschungspro- jekts „Ein Wort aus der Fremde. Geschichte und Theorie des Begriffs Authen- tizität“ entstandene Band über Realitätskonstruktionen in der zeitgenössischen Kultur vor. Schon in der Einleitung wird die Schwierigkeit einer Definition und die Vielfältigkeit der Ansätze mustergültig vorgeführt. Dies wird von der Her- ausgeberin in ihrem Aufsatz zu „Autobiografie und Realismus in der zeitgenös- sischen Kunst“ fortgeführt. Hier unterscheidet sie semiotische Theorien (welche die Realitätskonstruktionen an Code-Vereinbarungen knüpfen), post-semiotische (so beispielsweise bildtheoretische), konstruktivistisch-soziologische (wie wird Wirklichkeit von Gesellschaft oder vom Mediensystem hergestellt?) sowie zuletzt anthropologische Ansätze (wie wird auf Realität im Rahmen der Identitätspolitik rekurriert?). (Vgl. S.57ff.) Der vorliegende Band ist in vier Blöcke gegliedert (Fotografie, Film, Video; Literatur, Ästhetik, Kunst; Inter-mediale Konfrontationen und Alltagskultur) wobei deren Trennung und Einteilung gelegentlich recht problematisch erscheint: Sophie Calle wird in Bezug auf den Film diskutiert, wäre aber wohl eher als Künstlerin denn als Filmemacherin zu bezeichnen; Alexander Kluge taucht als literarisches Beispiel auf, wird jedoch vor allem im Hinblick auf seine Filmtheorie gelesen, und auch Big Brother ist für Alltagskultur aufgrund von Inszenierungsstrategien des medialen Environments – wie der Beitrag dazu selbst deutlich macht – kein beson- ders typisches Beispiel. Abgerundet wird der Band von einigen künstlerischen Beiträgen (wie damals in den DELFIN-Bänden des Siegener Konstruktivismus), deren Bedeutung und Aufnahme sich dem Rezensenten nicht ganz erhellen wollen, zumal solche allgemeinen Absichtsformulierungen wie von Andrea Zapp in der Erläuterung ihrer Arbeiten bei einigen Lesern auf Widerstand stoßen dürften: „The