98 MEDIENwissenschaft 01/2020 Die Dissertation von Steff i Sam wie qualitativ-empirisch ausgewertete Achilles analysiert die mediale Reprä- Datenkorpus des Weiteren auf Serien- sentation von queerness in US-amerika- formate der „fi ktiven Jetztzeit“ (S.13), nischen Fernsehserien im Zeitraum von die über eine längere Zeitspanne ausge- 1990 bis 2012. Achilles zufolge ergibt strahlt wurden, und umfasst 72 Serien sich die konkret gewählte Untersu- und 107 Charaktere. Queer as Folk chungsphase aus der forschungsleiten- (2000-2005) und  e L Word (2004- den Prämisse der queeren Hauptfi gur. 2009) werden dabei gesondert betrach- Mit Leon Carp trete 1991 in der Sitcom tet, da beide Serien fast ausschließlich Roseanne (1988-1997, 2018) erstmals ein aus queeren Figuren bestehen. Die queerer Protagonist in Erscheinung. Frage nach der medialen Sichtbarkeit Neben den zeitlichen wie lokalen Para- queerer Menschen verfolgt Achilles metern beschränkt sich das quantitativ- sowohl zeitlich in Form einer statis- Hörfunk und Fernsehen 99 tischen Längsschnittstudie als auch Rückbindung an den bildmedialen thematisch mit Blick auf die bildliche Kontext eruiert Achilles abschließend Darstellung von sozialer Ungleichheit. die Wechselwirkungen zwischen der Neben Einleitung und Schlussbe- Verhandlung von queerness in seriellen trachtung gliedert sich die Arbeit in acht Fernsehformaten und realpolitischen Kapitel, deren zentrale Aussagen jeweils Entwicklungen (vgl. Kap.8). in einem Fazit komprimiert zusammen- Mit queer_sehen legt Achilles ein gefasst werden. Mit Fokus auf queere bereits aufgrund der untersuchten Inhalte führt Achilles zunächst in die Zeitspanne von 22 Jahren beacht- Spezifi ka ihres Forschungsfeldes, das liches Überblickswerk zu queeren TV- US-amerikanische Fernsehen, ein Charakteren in Mainstreamserien vor (vgl. Kap.1), um daran anknüpfend die und schließt damit eine grundlegende historische Entwicklung und zentralen Forschungslücke innerhalb der Queer Diskurse queerer Politik in den USA Studies beziehungsweise queeren Film-, seit den 1960er Jahren fundiert dar- Fernseh- und Medienwissenschaften. zulegen (vgl. Kap.2). Das eigentliche Methodologisch betrachtet besteht die queer reading der Fernsehserien auf Innovationsleistung in der Synthese von visueller Repräsentationsebene erfolgt traditionell kunstwissenschaftlicher entlang von zuvor in Erweiterung des Bildanalyse mit sozialwissenschaft- intersektionalen Mehrebenenmodells lichen Kategorien sozialer Ungleichheit. von Gabriele Winker und Nina Degele Profi tiert hätte das äußerst ambitio- (Intersektionalität: Zur Analyse sozialer nierte Forschungsvorhaben jedoch von Ungleichheiten, Bielefeld: transcript, einer inhaltlichen Beschränkung, die 2009) defi nierten Kategorien sozia- einer vertieften Analyse der Schlüs- ler Ungleichheit (vgl. Kap.3). Deren selbilder wahrscheinlich mehr Raum konkrete Verwendung als metho- gegeben hätte. Verglichen mit der Nar- dische Untersuchungsschlüssel wird in ration kommen die Stills als Erkennt- Kapitel fünf dargestellt. Neben einer nismedien mitunter etwas zu kurz. quantitativ-empirischen, statistischen Achilles’ Befunde haben indes- Auswertung des gesamten Datenkorpus sen weiterhin Gültigkeit: Maskuline (Kap.6) dienen speziell die Kategorien Weiblichkeit und Trans-Personen wer- ,Gender‘, ,Desire‘, ,Body‘ und ,Rela- den im US-amerikanischen TV-Serien tionships‘ einer qualitativ-empirischen bis 2012 entweder nicht repräsentiert Bildanalyse als thematische Orientie- oder sind ausschließlich auf eine hyper- rung (vgl. Kap.7). Anhand von 150 weibliche Inszenierung abgestellt (vgl. Schlüsselbildern (Stills) werden wie- S.144), es existieren zudem so gut derkehrende und folglich typische wie keine nicht-binären Figuren (vgl. Inszenierungsstrategien exemplarisch S.141). Obgleich sich durch Online- mithilfe des ikonografisch-ikonolo- Streamingdienste die Anzahl an ver- gischen Interpretationsschemas von fügbaren Serien im Allgemeinen sowie Erwin Panofsky qualitativ-empirisch queeren Inhalten im Speziellen signi- analysiert (vgl. Kap.4). Neben einer fi kant erhöht hat, geht die Zunahme 100 MEDIENwissenschaft 01/2020 von queeren Protagonist_innen nicht der Geschlechterbinarität aufrecht zu mit einer Diversifi zierung von Identi- erhalten.“ (S.281) Zumindest im Main- tätsdarstellungen einher: „Alternative stream ist queerness in einer handlungs- Lebensentwürfe sind off enbar – selbst tragenden Rolle bis dato weiterhin wohl für queere Charaktere – kaum denkbar nur konformistisch denkbar. […]. So tragen Serien oftmals dazu bei, Stereotype zu bestätigen und das System Katja Gunkel (Frankfurt am Main)