Medien / Kultur 33 Blair Davis: Comic Book Movies New Brunswick, Camden, and Newark, New Jersey, and London: Rutgers University Press 2018, 139 S., ISBN 9780813588773, EUR 60,- Comicverfilmungen sind aus der heu- there‘s been a film like Deadpool (2016) tigen Kino- und Serienlandschaft nicht that’s spiced things up“ (S.2) – steigt er mehr wegzudenken. Das Interesse an mit Hilfe von Genre-Theorien in die Helden und Heldinnen mit Superkräf- Materie ein, um dem ansonsten durch ten scheint nicht abzunehmen. Immer Kritiker_innen oder Zuschauer_innen wieder neue Figuren werden zu einem schnell gesetzten Genre-Label der Teil eines milliardenschweren Multi- Comicverfilmungen einen differenzier- media-Franchises oder bekommen ihre teren Blick entgegen zu setzen. Anders eigene Serie gewidmet. Blair Davis, als beim Western oder Science-Fiction Professor für Medien- und Filmwissen- Film sage die Kategorie des Comic Book schaft am College of Communication Movies nichts über das Setting oder die an der DePaul University in Chicago, zu erwartenden Handlungsstränge aus, versucht diesem Phänomen in seiner sondern gäbe nur die Information wei- mit knapp 140 Seiten sehr kompakten ter, dass die Hauptfigur einem ande- Untersuchung Comic Book Movies nach- ren Medium entlehnt wurde (S.12). zugehen. Er strukturiert seine Abhand- Davis verpasst es im nächsten Schritt lung in die vier Abschnitte „Genre“, des Kapitels wirklich neue Erkennt- „Myths“, „Politics“ und „Style“. nisse herauszuarbeiten, was daran Nach einer kurzen Einführung, liegt, dass er schlicht versucht, die bis- die in ihrer Ich-Erzählform und den her erschienenen Comicverfilmungen saloppen Urteilen über einzelne Werke chronologisch in Kategorien aufzu- aus dem Verbund noch etwas lose und teilen (vgl. S.18-22); er gruppiert sie oberflächlich wirkt – „For every unin- mittels bekannter Genres wie Action, spired X-Men entry I’ve sat through, Krieg oder Horror. Er betont abschlie- 34 MEDIENwissenschaft 01/2019 ßend zu diesen Beobachtungen, dass deutlich, dass dies nur eine Lesart sein ‚Genremixes‘ generell üblich seien und kann, um den Erfolg und das Interesse Comicverfilmungen deshalb keine Aus- an diesen Filmen zu erklären. Leider nahme bildeten (vgl. S.22). So kann er greift er auch hier etwas zu kurz, wenn den Mehrwert der Bezeichnung ‚Comic er bei den amerikanischen Superhelden- Book Movie‘ nicht weiter verdeutlichen. comics bleibt und beispielsweise einen Er vermag durchaus die Genrevielfalt Comic wie Persepolis (2000-2003), der innerhalb des unscharfen Labels Comic im Genre-Kapitel noch als ein alterna- Book Movies aufzeigen, doch trägt dies tives Beispiel diente, ignoriert. nicht zu einem weiteren Erkenntnis- Im letzten Kapitel über den ‚Style‘ gewinn bei. Im Kapitel zum ‚Mythos‘ geht Davis auf die technische Entwick- beschränkt sich der Autor auf Superhel- lung der Filme ein, die erklärt, weshalb denfilme und erkennt darin klassische diese immer wieder im B-Movie-Sektor Mythen von Götterbildern, Körpern, landeten und wie schließlich Regisseur_ Herkunftsgeschichten und ‚zufälligen innen mit starker Handschrift größten- Helden‘. Es ist auch hier mehr ein leich- teils von ,Handwerker_innen‘ ersetzt tes Anstoßen von Gedanken und eine worden seien, die ein Produkt für ein Übersicht über die gängigsten Themen konformes Franchise abliefern sollten: und die dazu passenden filmischen „Clearly, a steady hand and a studio- Inkarnationen als ein näheres Einge- friendly attitude are more important hen darauf, warum bestimmte Themen, to Marvel than is a director’s signa- Stereotype oder Mythen eben auch oder ture vision of any particular character“ nur in Comicverfilmungen verarbeitet (S.104). Als irritierend mag aufgefasst werden können und werden. werden, dass er das abschließende Das Politische in den Superhelden- Kapitel damit einleitet, dass ‚comic comicverfilmungen bearbeitet Davis auf book movie‘ nicht nur als Genrebegriff, widersprüchliche Weise. Zum einen sondern auch als stilistische Zuordnung unterstellt er anderen Beobachter_ genutzt werde, ohne die Genrebezeich- innen die Tendenz, zu sehr politische nung nochmals in diesem Zuge knapp und gesellschaftliche Implikationen in kritisch zu reflektieren oder diesen den Filmen zu suchen und zu entdecken Hinweis bereits im Genre-Kapitel zu (vgl. S. 75f), um im Anschluss selbst setzen. politische Entwicklungen und Plots von Blair Davis‘ Buch erschien in der Comicverfilmungen gegenüberzustellen Reihe ‚Quick Takes‘ und sollte auch so und abzugleichen. So zeigt er auf, wie gelesen werden, da in den knapp 110 sich Zeitgeschehen und Comicfilme Textseiten (ohne Anhänge) oftmals ideologisch beeinf lussen und über- tiefergehende Ansätze vermisst werden schneiden können (wie z.B. das Ereig- und auch ansonsten mancher Gedan- nis des 11. September 2001 und Bilder kengang zu kurz gefasst erscheint. und Handlungen von Batman Begins [2005], vgl. S.75), macht aber auch Manuel Föhl (Mainz)