Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle (Hrsg.) All Quiet on the Genre Front? Zur Praxis und Theorie des Kriegsfilms Herausgegeben von Heinz-B. Heller und Knut Hickethier Band 12 Eine Veröffentlichung der Philipps-Universität Marburg Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle (Hrsg.) All Quiet on the Genre Front? Zur Praxis und Theorie des Kriegsfilms Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar. Schüren Verlag GmbH Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg www.schueren-verlag.de © Schüren Verlag 2007 Alle Rechte vorbehalten Coverabbildung: Szene aus Full Metal Jacket von Stanley Kubrick Coverrückseite: Szenen aus Saving Private Ryan von Steven Spielberg und All Quiet on the Western Front von Lewis Milestone Druck: Majuskel Medienproduktion Printed in Germany ISBN 3-89472-482-X ISBN 13: 987-3-89472-482-5 Inhalt Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle Gräben und Fronten: Statt einer Einleitung 7 I Thomas Klein, Marcus Stiglegger, Bodo Traber Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch 14 Hans-Jürgen Wulff All Quiet on the Western Front: Ein Kriegsfilm zwischen den Fronten 27 II Knut Hickethier Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 41 Detlef Kannapin Das filmische Gedächtnis ist unbestechlich. Zu den Wandlungen der Kriegsdarstellungen im osteuropäischen Kino 1945-1989? Ein Überblick 64 Jörn Glasenapp Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg. John Wayne und der Alamo-Mythos 75 Stefan Reinecke Der Vietnam-Krieg im US-amerikanischen Kino – Rückblick auf ein Genre 93 III Angela Krewani Der männliche Körper und sein Anderes 101 Thomas Koebner Schlachtinszenierung 113 6 Peter Riedel Die Metastasen des Krieges. Über den Kriegsfilm als Genre und den Anachronismus der Sinne 132 IV Burkhard Röwekamp „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen 141 Matthias Steinle ,Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? Chaplin, Sennett, Langdon, Keaton, Laurel & Hardy und die Marx-Brothers im Krieg 155 Heinz-B. Heller Groteske Konstruktionen des Wider-Sinns. Anmerkungen zu Krieg und Komik seit den 1960er Jahren 184 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp Krieg ohne Krieg – Zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 194 V Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle: „All Quiet on the Genre Front?“ – Ausblick 208 VI Autor/inn/en 211 Register 214 7 Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle Statt einer Einleitung: Gräben und Fronten I. Eigentlich nimmt sich die Lage augenscheinlich nicht besorgniserregend aus: An der Wahrnehmungsfront scheint Ruhe zu herrschen. ‚Krieg im Film und Fernsehen’ – zu- mindest im nicht-fiktionalen Bereich scheint sich das Bewusstsein von den Grenzen, wenn nicht gar von der Unmöglichkeit der Abbildbarkeit und Modellierbarkeit des Krieges selbst in den Köpfen der Nachrichtenredakteure und Moderatoren der Fernseh- anstalten festgesetzt zu haben. Eingedenk der Erfahrungen und Lektionen, während des ersten Golf-Krieges, des Kosovo- und des Afghanistan-Krieges, in unterschiedli- cher Weise als Erfüllungsgehilfen der Militärs und ihrer Informationsstäbe instrumen- talisiert worden zu sein, geriet 2003 die Berichterstattung beim Einmarsch der US-Truppen in den Irak phasenweise unter einen quasi totalen hypothetischen Vorbe- halt (“... sollen angegriffen, getroffen, getötet usw. haben“). Selten zuvor war die Schere so groß zwischen dem Hunger nach Ansichten vom Kriege und Bildern, die die- sem Bedürfnis so wenig entsprachen. Um so befreiender dann allerdings am 9. April die in einer endlosen Bildschleife um die Welt gehenden Aufnahmen vom Sturz der Saddam-Statue am Paradise-Platz; ein – wie wir inzwischen wissen – vom US-Militär für die Fernsehstationen sorgsam inszeniertes Spektakel, das indes jene in dieser Form nur allzu bereitwillig aufnahmen, um die zuvor so defektive, weil so fragmenta- rische und unter hypothetischen Vorzeichen stehende Erzählung des Einmarsches zu einem zumindest sinnbildlichen Abschluss zu bringen. „Die Symbole der Macht fallen in der irakischen Hauptstadt“, lautete die Headline der Tagesschau in der ARD; ein al- lemal narratologisch wie ikonografisch weitaus eindrucksvolleres Schlagbild als jene Aufnahme, die man Monate später, im Dezember 2003, von einem unrasierten und verdreckten Iraki machte, den man aus einem Erdloch irgendwo außerhalb Bagdads herausgeholt hatte.1 Halten wir fest: Es ist nicht nur der Hunger nach Bildern vom Krieg, den wir verspüren, es ist vor allem der Hunger nach Sinn-Bildern! II. Der Spielfilm hat es da leichter. Er definiert nicht nur die Regeln der Erzählung und damit deren Sinnstiftung, sondern schafft sich – das war immer so – vor allem seine eigenen Bildwelten, so authentisch, d. h. so referentiell verbürgt sie sich auch geben: ob mit Blick auf die Stellungskämpfe an der Somme, den Kampf um Stalingrad, die Landung in der Normandie, das mobile Sanitätslager in Korea, die Strafaktion im Me- kong-Delta oder die Kommandoaktion in Somalia. Manchmal liegt das vietnamesische 1 Vgl. Heller 2005. 8 Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle Hué in einem stillgelegten englischen Gaswerk und die Palmen sind aus der Karibik eingeflogen; dem Authentizitätseffekt tut dies keinen Abbruch. III. Die Faszination an Bild-Erzählungen des Krieges hat ungebrochen Konjunktur. Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen. Kriegsfilme, so der Historiker Rainer Rother, geben vor „zu zeigen, wie es war, um auszudrücken, wie wir auf die Geschichte blicken. [...] Kriegs- filme sind kein Spiegel der Gesellschaft, sie sind Formen der Geschichtsaneignung. Eher erfährt man aus ihnen, wie eine Gesellschaft sich selbst versteht, als ‚wie sie ist’. Als Aus- kunft über die Gegenwart sind sie aufschlussreicher denn als Darstellungen der Vergan- genheit.“2 – Auf der anderen Seite des Spektrums sind Erklärungsversuche angesiedelt, die das Faszinosum an Kriegsfilmen in einem anthropologischen Bedürfnis nach Auskos- ten einer spezifischen Angstlust begründet sehen, die sich im Kino auf unterhaltsame Weise ausleben lasse. Ähnlich wie Märchen würden Kriegsfilme Formen des Probehandelns und der Verständigung von Gut und Böse offerieren.3 In der Betrachtung von Kriegsfilmen vergewissere sich der Zuschauer in sicherer Distanz zur Realität immer auch der Möglich- keit des Anders-Seins: der Anarchie des Krieges, seiner Barbarei und der Möglichkeit des Todes. In die Rezeption der Bilder kriegerischer Gewalt sei so immer auch die Utopie ein- geschrieben: So möge es nicht sein!4 IV. Seit Paul Virilios Buch Krieg und Kino 1986 in deutscher Übersetzung erschien, ist – wie Knut Hickethier schon vor fünfzehn Jahren registrierte – die Gleichsetzung „Krieg ist Kino und Kino ist Krieg“ sehr schnell zu einem Tagungsthema von Akademien und Seminaren geworden.5 Die zentrale These Virilios von der Strukturverwandtschaft, ja letztlich der Osmose von Krieg und Kino, die sich vor allem auf die Mediatisierung des modernen Krieges stützte – weg vom Primat des physischen Zusammenpralls ‚Mann gegen Mann’ hin zur Beherrschung des visuellen Wahrnehmungsfeldes, die letztlich zu einer Verschmelzung von optischen Werkzeugen und Waffen führte – diese These war und ist dabei weniger grundsätzlich umstritten als ihre Plausibilität und Bedeutung in film- und fernsehwissenschaftlichen Zusammenhängen, die sich mit konkreten Fil- men oder Sendungen auseinandersetzen. Denn dort wird nicht nur über modellierte Wahrnehmungsdispositionen und -strategien nachgedacht, sondern auch und vor al- lem über strukturelle Einschreibungen, die sich nicht allein großrahmigen technikge- schichtlichen Entwicklungsschüben verdanken. Kaum weniger Aufmerksamkeit verdie- nen gesellschaftliche, politische, ideologische Funktionszusammenhänge – ganz zu schweigen von der Relation zwischen Konvention und Innovation in den Präsenta- 2 Rother 2001. 3 Schwender 2003; Vgl. Paul 2004, 484. 4 Visarius 1989, 9. 5 Hickethier 1989, 39. Vgl. Leschke 2005, 307. Statt einer Einleitung: Gräben und Fronten 9 tionsstrategien –, ob im Modus des Beschreibens oder des Erzählens. Damit aber ge- rät in den Fokus der Aufmerksamkeit das Problem, inwieweit und mit welchem Er- kenntnisgewinn ,Krieg und Kino’ unter Genreaspekten verhandelbar sind. Dies führt uns unmittelbar zu unserem Thema: „All Quiet on the Genre Front?” V. Das Marburger Symposium vom 22. und 23. September 2005, dessen schriftliches Er- gebnis hier vorliegt6, hat sich den komplexen Problemen der wissenschaftlichen Erfas- sung des Kriegsfilms vor allem im Hinblick auf Genrefragen gewidmet und den Versuch unternommen, Beschreibungsprobleme der historischen Praxis des Kriegsfilm-Genres und ihrer theoretischen Modellierung anhand eines offen strukturierten Fragenkatalo- ges in den Blick zu bekommen. Die im Folgenden skizzierte Aufstellung erhebt freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie dient zuallererst heuristischen Zwecken. Sie vermittelt indes einen ersten Eindruck von der Vielschichtigkeit der Aufgabe, der sich der Diskurs über Praxis und Theorie des Kriegsfilms unter Genregesichtspunkten unse- rer Meinung nach zu stellen hat. VI. In seiner Überblicksdarstellung zur Filmtheorie hat Robert Stam „Problemzonen“ bei der Bearbeitung von Genrefragen benannt, die unseres Erachtens auch bei der Bear- beitung der Kriegsfilmproblematik Aufmerksamkeit verdienen.7 Das betrifft folgende Punkte: • Die Ausdehnung des Genrebegriffs: Welche Art von Filmen lässt sich überhaupt sinn- voll als Kriegsfilm beschreiben? • Normative Genre-Vorstellungen: Existieren Vorgaben davon, wie ein Kriegsfilm aus- zusehen hat und wenn ja, welche? • Monolithische Genre-Vorstellungen, die übersehen, dass es keine Exklusivität in Sa- chen Genrezugehörigkeit gibt bzw. Filme – und selbst Hollywood-Produktionen – vielmehr immer ein hybrides Gewebe unterschiedlicher Genreeinschreibungen for- men. Inwieweit trifft dies insbesondere auf den Kriegsfilm zu? • „Biologistische“ – wie Stam es nennt – Vorstellungen, Genres durchliefen Lebenszyk- len, eingeteilt in Frühphase, Reifestadium und parodistischer Spätphase, womit eine essentialistische Vorstellung von Genres begünstigt würde, wie James Naremore in seiner Publikation über Film noir angemerkt hat.8 Kriegsfilme indes finden sich be- reits sehr früh in der Formensprache der Komödie (z. B. Chaplins Shoulder Arms / Ge- wehr über, 1918) oder im Epos (Griffiths Birth of a Nation / Geburt einer Nation, 1915) usw. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen wird also unter anderem zum Problem ‚biologistischer’ Genrevorstellungen. 6 Tagungsbericht: Horbrügger/Lorber 2005. 7 Stam 2000. 8 Ebd., 151; Naremore 1998, 6. 10 Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle • Die Hollywood-Zentriertheit von Genrebetrachtungen, die eine gewisse Provinziali- tät befördere, Genreentwicklungen anderswo ignoriere und so unterschiedliche Ent- wicklungslinien und Funktionsstellen von Genres nur unzureichend berücksichtige. Die damit verbundene Aufforderung, auch außerhalb Hollywoods massenwirksamer Kriegsfilme – von The Big Parade (Die große Parade, 1925) über All Quiet on the Wes- tern Front (Im Westen nichts Neues, 1930), The Longest Day (Der längste Tag, 1962) bis zu Pearl Harbor (2001) – nach Kriegserzählungen Ausschau zu halten, muss ernst genommen werden, will man sich einen Überblick über Modi filmischer Kriegserzäh- lungen verschaffen. • „A-kinematische Analysen“ (Stam: „acinematic analysis“), die wiederkehrende Strukturen filmischer Zeichen und Codes als genrekonstitutiv ausweisen. Ist bspw. das Moment der Gewaltinszenierung resp. Destruktion des menschlichen Körpers in der kriegerischen Auseinandersetzung genrekonstitutiv? Ist der thematische Gegen- stand Krieg überhaupt notwendige Bedingung des Kriegsfilms oder nicht vielmehr, wie Robert Stam behauptet, sogar das schwächste Kriterium bei der Bestimmung des Genres, weil damit noch keine Aussagen über das „Wie“ der Darstellung gemacht werden können?9 VII. Daran anknüpfend gibt es weiteren Verständigungsbedarf. Vor dem Hintergrund der Frage nach den Grenzen der Leistungsfähigkeit und Funktionalität der Genreformation des erzählten Kriegs, ergeben sich – in ungewichteter Reihenfolge – Anschlussfragen: • Wie lässt sich der Zusammenhang von historischer Pragmatik und historischer Poetik von Filmgenres theoretisch modellieren? • Wie verändert sich die Genrepraxis des Kriegsfilms im Speziellen im Hinblick auf sich wandelnde historische Produktions- und Rezeptionskontexte? • Welche künstlerischen, ökonomischen, politischen und kulturellen Entwicklungen begünstigen die Verdichtung filmischer Ausdrucksformen wie diejenigen des Kriegs- films? • Wie verlaufen hier die historischen Filiationen? Bereits 1902 nannte etwa Biographs „Advance Partial List“ im Angebot u. a. „Military Views“ und „Parade Pictures“10 – na- türlich können heutige Begrifflichkeiten nicht auf das frühe „Kino der Attraktio- nen“11 übertragen werden, wie aber sind die Beziehungen, wie gestalten sich die Übergänge von diesen frühen views zu narrativen Formen wie Maudit soit la guerre (Verflucht sei der Krieg) aus dem Jahr 1914, der sich ja bereits via Titel explizit als (Anti-)Kriegsfilm zu erkennen gibt? • Und last but not least: Wie lassen sich Probleme einer tautologischen Definition, Kriegsfilme seien Filme über den Krieg, vermeiden? Welche weiteren Strukturen und Themen finden sich im bzw. ‚passen’ in den Genre-Rahmen „Kriegsfilm“ und welche 9 Stam 2000, 151. 10 Neale 2000, 165. 11 Gunning 1996. Statt einer Einleitung: Gräben und Fronten 11 nicht? Ein Genre-Rahmen, der sich allerdings nur empirisch und nicht theoretisch bestimmen lässt, worauf Steve Neale hingewiesen hat.12 • Was bedeutet es für das Kriegsfilm-Genre, wenn angesichts eines selbstbewussten Spiels unter den Vorzeichen eines wie auch immer gearteten postmodernen Kinos lieb gewonnene Genregrenzen und -zuschreibungen zusehends verschwimmen und sich aufzulösen scheinen? • Welche Vorteile könnte es bringen, Genres beispielsweise als kulturelle Institutionen (i.S.v. Roger Odin) zu konzipieren, also als historisch variable Vermittlungsinstan- zen, die mit den Mitteln des Films Erwartungen und Bedeutungshorizonte limitie- ren?13 • Auf welche Weise und unter welchen historischen Bedingungen kondensieren Kriegs- filme ihren directing space und reading space, also Produktion und Rezeption? • Auf welche Weise steuern kollektiv geteilte Genrevorstellungen – Jörg Schweinitz hat von „lebendigem Genrebewusstsein“ gesprochen14 – die Bedeutungsproduktion hinsichtlich gesellschaftlicher Bedürfnisse? Und in unserem Fall: Welche Funktion haben dann Kriegsfilme? • Welchen kulturellen Sinn produzieren gesellschaftliche Kommunikationsmodi wie der, der mit der symbolischen Generalisierung ,Kriegsfilm‘ verbunden ist? • Über welche materiellen und immateriellen Spezifika verfügt der Kriegsfilm bzw. wie gestaltet sich das Zusammenspiel von technischen Verfahren und narrativer Codie- rung im Kriegsfilm? • Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit und Realitätsbezug von Kriegsfilmen aus? • Auf welche Weise regulieren Kriegsfilme das Verhältnis von Mobilisierungsfunktion und Effektabfuhr, Kritik und Unterhaltung, ästhetischem Widerstand und Vergnü- gen? • Welche intertextuellen und intermedialen Beziehungen unterhält der Kriegsfilm? Wie gestalten sich die Austauschprozesse etwa mit der Malerei, Literatur, Fotografie, Fernsehen oder jüngst dem Internet? • Welchen Einfluss haben Produktdifferenzierung oder die Konkurrenz nationaler Film- industrien auf die Entwicklung von Genres resp. des Kriegsfilmgenres? Vor diesem Hintergrund treten Fragen des ‚Was’ des Kriegsfilms hinter Fragen seines ‚Wie’ zurück – ein Wie, das auf die Methode der Vermittlung des Krieges in mindestens zwei Hinsichten abzielt: auf die synchrone und diachrone Entwicklung eines kontingenten – aber keineswegs beliebigen – Zusammenhangs von erzähltem Krieg und seinem kollekti- ven Verständnis, ein Zusammenhang der landläufig unter der Bezeichnung ‚Genre’ subsu- miert wird. 12 Neale 2000, 165ff. 13 Odin 2000. 14 Schweinitz, 1994. 12 Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle VIII. Und schließlich im Hinblick auf die theoretische Modellierung von Genres am Beispiel des Kriegsfilms: • Welche ‚Landgewinne’ wären erzielbar, wenn der angestaute methodische und ‚se- mantische Ballast’ der Genreforschung, wie Robert Stam ihn beschrieben hat, probe- weise abgeworfen würde? • Was, wenn wir uns von der Vorstellung verführen ließen, Genres als offen texturierte, historisch anpassungsfähige Formenspiele zu betrachten, die im Haushalt der Kultur regulative Funktionen haben und hier unterschiedlichste Bedürfnisse befriedigen? • Welche Perspektiven eröffnete eine solche Umschrift im Hinblick auf das ‚alte’ Genre des Kriegsfilms – oder vielleicht besser: auf das ‚alte’ Genre-Verständnis des Kriegs- films? • Ließen sich vor dem Hintergrund einer solchen Umschrift, die die Kontingenz der Entwicklung betont, die bisherigen Erkenntnisse der Genreforschung gewinnbrin- gend reformulieren? • Was könnte gewonnen werden, wenn an die Stelle von wie auch immer konzipierten Einschluss- und Ausschlussmodellen probeweise die Annahme von Verdichtungsgra- den treten würde, die strukturelle Abstufungen und funktionale Differenzierungen berücksichtigt und auf diese Weise zugleich dynamisch sich wandelnden kultur- und filmhistorischen Prozessen Rechnung trägt? Ließe sich diese Kontingenz entgegen wissenschaftlichem Streben nach Eindeutigkeit und Beherrschbarkeit des Gegen- standes aushalten? • Was ließe sich im Umkehrschluss gewinnen, wenn wir davon ausgehen, dass nur die Kontingenz eindeutig ist? Sie zu beschreiben, bliebe dann eine Aufgabe, deren Erle- digung unserer Anstrengungen bedarf. IX. Das Symposium hat im Hinblick auf diese Fragestellungen vielversprechende Hinweise gegeben und in einem produktiven Selbstverständigungsprozess über Genre-Fragen hinaus provisorische Antworten darauf formulieren können, weshalb sich die Gesell- schaft darauf eingelassen hat, die Erzeugung eines kollektiven Bildes des Krieges und der Kritik daran an ein Medium zu delegieren, das seinem Gegenstand zugleich am weitesten entfernt und am nächsten zu sein scheint: der erzählten zivilisatorischen Katastrophe des Krieges. X. Der hier vorliegende Tagungsband gliedert sich grob in vier Bereiche, die sich mit ‚Grundlegungen’, ‚Exkursionen in die Filmgeschichte’, ‚Motivgeschichte’ und ‚Anti- kriegsfilm’ betiteln ließen. Dieses provisorische Raster ist freilich nur näherungsweise geeignet, den Gegenstandsbereich zu bestimmen, weshalb wir auf Festlegungen durch Überschriften verzichtet haben. Die fortlaufende Nummerierung der einzelnen Statt einer Einleitung: Gräben und Fronten 13 Abschnitte soll lediglich perspektivische Verschiebungen markieren und auf diese Weise dem Leser erste Orientierungshilfe bieten sowie der Vielgestaltigkeit des Ge- genstandes ebenso wie der Zugriffe auf diesen zumindest kursorisch Rechnung tra- gen. Die Beiträge der Tagung wurden durch drei Texte (Glasenapp, Koebner, Con- rad/Röwekamp) ergänzt, die historische Lücken schließen, neue Perspektiven an der und auf die Genre-Front eröffnen und auf aktuelle Beispiele eingehen. Wir möchten uns bei allen Autorinnen und Autoren für die engagierte, produktive – und nicht zu- letzt friedliche – Diskussion an den Gräben und Fronten der Kriegsfilmproblematik bedanken. Literatur Gunning, Tom: „Das Kino der Attraktionen. Der frühe Film, seine Zuschauer und die Avantgarde“, in: Meteor Nr. 4, 1996, S. 25-34 [engl. Erstveröffentlichung in: Wide Angle, Jg. VIII, Nr. 3/4, Herbst 1986]. Heller, Heinz-B.: „Wir warten auf die Bilder ... Beobachtungen und Anmerkungen zur Irak-Kriegsberichterstattung 2003“, in: Heinz-Peter Preußer (Hg.): Krieg in den Me- dien. Amsterdam, New York 2005, S. 227-240. Horbrügger, Anja, Charlotte Lorber: „All Quiet on the Genre Front? Zur Theorie und Pra- xis des Kriegsfilms. Jahrestagung des Arbeitskreises zur Erforschung von Aspekten und Problemen des Genrefilms getragen von film- bzw. medienwissenschaftlichen Instituten der Universitäten Hamburg, Kiel, Marburg und Mainz, Marburg, 22. und 23. September 2005“, in: Medienwissenschaft, Nr. 4/2005, S. 412-418 [ebenfalls veröffentlicht auf den Seiten von H-Soz-u-Kult unter http://hsozkult.geschich- te.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=930, Zugriff: 22.6.2006]. Leschke, Rainer: „Von der Schwierigkeit vom Krieg zu erzählen – zur medialen Choreo- graphie eines gesellschaftlichen Ereignisses“, in: Waltraud ‚Wara’ Wende (Hg.): Krieg und Gedächtnis. Ein Ausnahmezustand im Spannungsfeld politischer, literari- scher und filmischer Sinnkonstruktion. Würzburg 2005, S. 306-325. Naremore, James: More than Night. Film noir in its Contexts. Berkely 1998. Neale, Steve: „Questions of Genre“, in: Robert Stam, Toby Miller (Hg.): Film and Theo- ry. An Anthology. Malden (Mass.) 2000, S. 157-178. Odin, Roger: „For a Semio-Pragmatics of Film“, in: Robert Stam, Toby Miller (Hg.): Film and Theory. An Anthology. Malden (Mass.) 2000, S. 54-66. Rother, Rainer: „Wann hat der Krieg Sinn?“, in: FAZ, 19.05.2001. Schweinitz, Jörg: „Genre und lebendiges Genrebewusstein“, in: montage/av, Jg. 3, Nr. 2, 1994, S. 99-118. Stam, Robert: „Text and Intertext. Introduction“, in: Ders. (Hg.): Film and Theory. An Anthology. Malden (Mass.) 2000, S. 145-156. Virilio, Paul: Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung [1984]. Frankfurt/M. 1989. Visarius, Karsten: Wegtauchen oder Eintauchen? Schreckbild, Lockbild, Feindbild: Der inszenierte Krieg“, in: Ernst Karpf: Kino und Krieg. Von der Faszination eines tödli- chen Genres. (Arnoldshainer Filmgespräche, Bd. 6) Frankfurt/M. 1989, S. 9-13. 14 Thomas Klein/Marcus Stiglegger/Bodo Traber Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch1 Kriegerische Auseinandersetzungen und Schlachtenszenarien waren seit jeher ele- mentare und genreübergreifende Bestandteile von Kinoerzählungen. Im Abenteuer- film – ob Ritterfilm, Historienfilm oder Antikfilm – ist es oft eine Schlacht, die den Heros in Aktion zeigt, bevor er zum Schluss das entscheidende Duell mit dem Antago- nisten für sich entscheidet. Oder man denke an die Schlachtenszenarien im Western, wenn von den Indianerkriegen oder vom amerikanischen Bürgerkrieg erzählt wird. Der Krieg, die Schlacht spielen hier eine wichtige Rolle, doch sind es infolgedessen Kriegsfilme? Eine erste Annäherung: Behandelt ein Film wie John Hustons The Red Badge of Courage (Die rote Tapferkeitsmedaille, 1951) den amerikanischen Bürgerkrieg in einer Form, die ihn als Kriegsfilm kennzeichnet? Tatsächlich benutzt John Huston dezidiert die Ikonografie des modernen Kriegsfilms, insbesondere des Grabenkriegsfilms, zitiert dabei Lewis Milestones Meilenstein All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues, 1930) sogar direkt (ein sterbender Soldat setzt sich im letzten Moment seines Lebens die verlorene Brille wieder auf). Aber wird nicht vielmehr ein Ereignis in der amerikanischen Geschichte, das in die Kernzeit des Western fällt, mit Mitteln eines an- deren Genres aufgearbeitet? Was dabei entsteht, ist eher ein Genremix, eine Vorge- hensweise im Übrigen, die sich in Historien- bzw. Ausstattungsfilmen der jüngsten Vergangenheit wie Ridley Scotts Kingdom of Heaven (Königreich der Himmel, 2005) und Oliver Stones Alexander (2004) in ähnlicher Weise wieder findet. Gerade weil Kriege und Schlachten wichtige Topoi oder erzählerische Standards zahlreicher Filme sind, er- scheint es notwendig, für den Kriegsfilm, wenn er als ein eigenes Genre verstanden werden soll, andere Parameter zu finden. Doch welche sind das? Knut Hickethier stellte 1989 die Überlegung an, ob Krieg im Film nicht auch außerhalb des Kriegsfilms exis- tiere und nicht gerade dort dringender zu untersuchen sei. Wenn er dabei etwa Bern- hard Wickis Die Brücke (1959) als „an den Grenzen des Genres“ bezeichnet2, stellt sich umso mehr die Frage, wann eigentlich vom Kriegsfilm die Rede sein kann. Der Zugang zum Genre führt für uns über die Geschichte des Krieges. Der Kriegsfilm ist zu verstehen als filmische Reflexion technisierter moderner Kriege seit dem Ersten Weltkrieg. Der Krieg im Kriegsfilm handelt immer auch von der Moderne und der spezi- fischen Entwicklung von Nationalstaaten. Er taucht auf als „Strukturmerkmal der Mo- derne“, wie Wolfgang Knöbl und Gunnar Schmidt in ihrem Buch Die Gegenwart des Krie- ges den Krieg im Hinblick auf die ihm innewohnende Gewalt bezeichnet haben.3 Selbst 1 Bei dem Text handelt es sich um die Einleitung des Bandes Kriegsfilm (2006) in der von Thomas Koebner heraus- gegebenen Filmgenres-Reihe. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Reclam Verlages, Stuttgart. 2 Hickethier 1990, 47. 3 Knöbl/Schmidt 2000, 9. Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch 15 wenn die Waffentechnologie im amerikanischen Bürgerkrieg bereits hoch entwickelt war und schließlich im Krim-Krieg eine bis dato nicht für möglich gehaltene verhee- rende Wirkung zeigte, so kann indes noch nicht von einer technologischen Kriegfüh- rung der Massentötung gesprochen werden, wie sie dann im Ersten Weltkrieg zu zehn Millionen Soldaten-Opfern führte. Hinzu kommt, dass mit dem Ersten Weltkrieg Krieg und Kino auffällige Analogien hinsichtlich von Technologie und Wahrnehmung aufzu- weisen begannen, wie es Paul Virilio in seinem Buch Krieg und Kino dargestellt hat.4 Daraus folgt unsere zweite Überlegung: Der Kriegsfilm bewegt sich im Rahmen von historisch verbürgten Kriegen, deren filmische Reproduktion zum Zeitpunkt ihres Stattfindens bereits möglich war und praktiziert wurde. Nach Robert Eberwein war der spanisch-amerikanische Krieg 1898 der erste, von dem Bilder mit einer Filmkamera gemacht wurden. In diesen Filmen, darunter auch kurze Erzählfilme, seien die ersten Elemente auszumachen, die in der Folgezeit für den Kriegsfilm wichtig werden soll- ten. Keiner dieser Filme zeige allerdings Kämpfe zwischen Soldaten. Der Kampf ist je- doch das dritte wichtige Merkmal, wenn nicht sogar die Essenz des Kriegsfilms im en- geren Sinne. Diesem – dem so genannten combat film, seiner Geschichte und seinen Motiven und Strukturen – gilt auch das Hauptaugenmerk dieses Buches. Die Ausläufer – war dramas oder war comedies sowie etwa Lagerfilme, Agentenfilme, Familienge- schichten u. a. vor Kriegshintergrund – reichen meist weit in Grenzbereiche hinein. Und manche Ausnahme bestätigt die Regel: Michael Verhoevens o.k. (1970) be- schreibt ein Kriegsverbrechen, spielt allerdings während einer Waffenruhe. Schauplätze Der Erste Weltkrieg war der Krieg, der nicht nur ausführlich filmisch dokumentiert wurde, es war auch der Krieg, über den, noch während er stattfand, Spielfilme gedreht wurden. Aus dem Jahre 1916 stammt das bedeutendste Dokument dieses Krieges, die britische Produktion Battle of the Somme. 1918, wenige Wochen vor Ende des Krieges, realisierte Charles Chaplin mit Shoulder Arms (Gewehr über) einen Film, der sich dem Krieg bereits satirisch zu nähern versucht. Chaplins Film enthält dramaturgische Ele- mente, die konstitutiv für den Kriegsfilm werden sollten: die Ausbildung zum Solda- 4 Virilio 1989. 16 Thomas Klein/Marcus Stiglegger/Bodo Traber ten, der Stellungs- und Grabenkrieg. Dies zeigt aber auch, dass es sowohl übergrei- fende Standards und Motive gibt (Ausbildung), als auch speziell für einen bestimm- ten Krieg geltende (Schützengraben). Aber erst Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, in King Vidors The Big Parade (Die große Parade, 1925) und dann vor allem in Lewis Milestones All Quiet on the Western Front (1930) und G. W. Pabsts Westfront 1918 (1930) werden die Schützengräben, das von Stacheldraht, Bombenkratern und Leichen übersäte Niemandsland zwischen den Stel- lungen, wo der Krieg der Landschaft eine Struktur der Zerstörung eingebrannt hat, so- wie die nur scheinbar Schutz bietenden Unterstände zu jenen Schauplätzen, wo die existentielle Situation des jederzeit dem Tode geweihten Soldaten festgeschrieben wird. Vielleicht hat dieser Krieg mit den genannten und vor allem mit Stanley Kubricks Paths of Glory (Wege zum Ruhm, 1957) deshalb so viele Filme hervorgebracht, die als ‚Antikriegsfilme’ bezeichnet werden, weil bereits die spezifische Struktur dieses Krie- ges sich für die Darstellung seiner Sinnlosigkeit eignete: das vergebliche Sturmlaufen der Soldaten gegen die Schützengräben, vergeblich, weil sie von modernen Maschi- nengewehren massenweise ‚niedergemäht’ werden; das nervenaufreibende Warten in den Unterständen, die jederzeit vom Geschützfeuer getroffen werden können, der Kampf im Niemandsland, und dort die unmittelbare Begegnung mit dem Feind, wo meist zum ersten Mal sichtbar wird, dass auch die Gegner Menschen sind. Eine besondere filmische Gestaltung erfuhr die Aufarbeitung des Luftkrieges. Hier hat der Film über den Ersten und den Zweiten Weltkrieg eher die Inszenierung des Spektakels angenommen – Roger Cormans The Red Baron (Manfred von Richthofen – der rote Baron, 1971), John Guillermins The Blue Max (Der blaue Max, 1965), Guy Hamil- tons Battle of Britain (Luftschlacht um England, 1968) –, doch wird zumindest in der Inszenierung der Zeit zwischen den Flugeinsätzen die Ambivalenz von Angst und ge- spannter Erwartung sichtbar. Untätigkeit macht nachdenklich und lässt die Angst vor dem Tod schmerzlich ins Bewusstsein treten. In Aktion wird der Kampfflieger in den Rahmen des Krieges derart integriert, dass die Angst verschwindet. Skeptischer geht Mike Nichols in seiner Verfilmung von Joseph Hellers Roman Catch 22 (1970) vor, wo das zermürbende Warten und die Einsätze selbst einen Großteil der Soldaten in den Wahnsinn treiben. Die Untätigkeit, das Warten auf den Feindkontakt, schließlich die Freude darüber, ein Gefecht führen zu können, um so zumindest aktiv auf sein Schicksal noch einzu- wirken, zeigt auch der U-Boot-Film. Vor allem Wolfgang Petersens Das Boot (1981) macht diese Ambivalenz sichtbar. Zeit und Raum werden zu zentralen Komponenten der Kriegserfahrung: das Warten auf einen Einsatzbefehl, passiv dem Feind ausgelie- fert sein, wenn das U-Boot zum Tauchen gezwungen ist und all dies in der klaustropho- bischen Enge des U-Boots, wo allein durch die Raumverhältnisse die Nerven schnell blank liegen. Vom räumlichen Wechselspiel zwischen Außen und Innen bestimmt ist auch der Kriegsfilm, der im Gefangenenlager spielt. Hier verlagert sich die Art der Kriegsfüh- rung. Selbstredend steht nicht mehr der Kampf, die Schlacht im Zentrum, sondern viel- mehr die Psychologie der – auch körperlichen – Zermürbung der Gefangenen. In David Leans The Bridge on the River Kwai (Die Brücke am Kwai, 1957) wird der Krieg im Rah- Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch 17 men der Gefangenschaft zum Kampf um die Ehre zweier Offiziere transformiert, um dann im weiteren Verlauf der Handlung durch das Sprengkommando wieder mit dem konkreten Krieg zusammen zu treffen. Ähnlich auf Einzelpersonen verlagert wird der Krieg auch in anderen zentralen POW (Prisoners of War)-Filmen wie Stalag 17 (1953), The One that Got Away (Einer kam durch, 1957), The Great Escape (Gesprengte Ketten, 1963). In Camp on Blood Island (Die gelbe Hölle, 1958) überdauert er im Lager sogar sein eigentliches Ende: Die britischen Gefangenen wissen vom Kriegsende, halten es aber vor ihren japanischen Wärtern geheim, da diese den Befehl haben, im Falle der Kapitulation Japans alle Lagerinsassen zu töten. Weitere Phänomene und Sonderformen des Krieges, die u. U. an bestimmte histori- sche Schauplätze gebunden sind, wirken sich ebenso gestaltend auf die Filme aus: Völ- ker- und Massenmord (Kambodscha in Roland Joffes The Killing Fields, 1984) oder Bür- gerkrieg (Spanien in Ken Loachs Land and Freedom, 1994; Bosnien in Danis Tanovics No Man’s Land, 2001). Es wird deutlich, dass die Schauplätze die Dramaturgie des Kriegsfilms wesentlich mitbestimmen. Filme über den Pazifikkrieg unterscheiden sich von Filmen, die den Krieg in Europa zum Gegenstand haben. Für die Filme über den pazifischen Inselkrieg wie auch später für die Filme, die den Vietnamkrieg behandeln, spielt der Dschungel eine wichtige Rolle: die Unübersichtlichkeit des Terrains, die Fremdheit der Landschaft und Kultur, die das Vorgehen der Soldaten beeinflusst; die Bedrohung durch den meist unsichtbaren Gegner. Vergleichbares gilt für den Partisanenkrieg in den europäischen Wäldern. Im Gegensatz dazu bestimmen etwa den Wüstenkriegsfilm – The Desert Fox (Rommel, der Wüstenfuchs, 1951) – Sonne, Durst, Desorientierung, große Entfernun- gen und massierte Panzerschlachten. Insbesondere für Filme über den Zweiten Welt- krieg, seltener den Ersten Weltkrieg oder andere Kriege, ist der Versuch der genauen Rekonstruktion von historischen Ereignissen typisch, z. B. The Longest Day (Der längs- te Tag, 1962). Viele Beispiele verweisen schon in ihrem Titel (Gallipoli, 1981) auf das historische Ereignis, das, meist durch fiktive Elemente verdichtet, re-inszeniert wird. Bestimmte Ereignisse werden dabei so wiederholt als Handlungshintergründe genutzt und funktionalisiert, dass sie gleichsam Subgenre-Status einnehmen. Dies gilt etwa für den japanischen Überfall auf Pearl Harbor (Tora! Tora! Tora!, 1970), für die Schlacht um Stalingrad, die alliierte Invasion in der Normandie (‚D-Day’), den Fall Berlins oder die Zerstörung Hiroshimas. Ebenfalls vor allem im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg anzutreffen sind Biopics (The Desert Fox). Filme über Bürgerkriege bedienen sich häufig der Figur des Journalisten bzw. Kriegsberichterstatters, wobei diese Figur auch in Filmen über andere Kriege auftaucht – bspw. der Zweite Weltkrieg in Wellmans Story of G.I. Joe (Schlachtgewitter am Monte Cassino, 1945), der Vietnamkrieg in Full Metal Jacket (1987). Meist ist der Kriegsbe- richterstatter nicht nur die Hauptfigur, sondern auch der Erzähler, aus dessen Sicht das unvorstellbare Grauen eskalierender Gewalt geschildert wird (The Killing Fields, Roger Spottiswoodes Under Fire, 1983). Zu einer interessanten Variante des Genres hat der Krieg in Jugoslawien, speziell der Bosnienkrieg, Anfang der 1990er Jahre geführt. Auch hier gibt es den Blick von Außen durch die Perspektive der Kriegsberichterstat- tung (in Michael Winterbottoms Welcome to Sarajewo, 1997). Vor allem hat der Krieg 18 Thomas Klein/Marcus Stiglegger/Bodo Traber die Kinematografie der ehemals zu Jugoslawien gehörenden Staaten wesentlich ge- prägt. Figuren, Motive und dramaturgische Standards Der Zweite Weltkrieg hat dem Kriegsfilm einige Elemente hinzugefügt und die bereits vorhandenen Elemente perfektioniert. Auffallend ist, was Jeanine Basinger für den „World War II Combat Film“ festgestellt hat, dass es nämlich selten den einzelgänge- rischen Helden gibt – wie etwa im Western den Westerner. Vielmehr handelt der Kriegsfilm – und das fällt schon in den früheren Filmen zum Ersten Weltkrieg auf – meist von einer Gruppe, die zwar von einer heldenhaften Figur, die zudem von einem Star gespielt wird (John Wayne, Errol Flynn, Robert Taylor) angeführt wird, aber nur als Gruppe eine Chance hat zu überleben.5 Damit spielt im Kriegsfilm aber auch Kameradschaft und Männlichkeit eine spezifi- sche Rolle. Der Kampf gegen den Feind wird oft durch Konflikte innerhalb der Gruppe erschwert. Gängig ist der hierarchische Konflikt zwischen Soldaten und Offizieren. Vor- gesetzte können sich als unmenschliche Zyniker erweisen, für die das eigene Leben und das anderer keinen Wert mehr besitzt, wie in Oliver Stones Platoon (1985) oder Sam Peckinpahs Cross of Iron (Steiner – das Eiserne Kreuz, 1977). Vorgesetzte können aber auch als harte Typen oder anfangs als Schleifer auftreten, die sich im Verlauf der Handlung als verantwortungsvolle Anführer erweisen, die vor allem am Überleben ih- rer Leute interessiert sind (John Wayne in Allan Dwans Sands of Iwo Jima / Du warst unser Kamerad, 1949). Oder sie können, mit ironischer Haltung, als absolut unfähig inszeniert werden (Richard Lesters How I Won the War / Wie ich den Krieg gewann, 1967). Kameradschaft kann wiederum durch Vorurteile unterlaufen werden. Hier kom- men meist spezifische Merkmale von Männlichkeit zum Tragen. Der neu an die Front kommende Soldat muss sich immer erst beweisen; wer Angst vor dem Tod zeigt, gilt schnell als Feigling, kann aber oft im Verlauf der Handlung Respekt gewinnen; die eth- nische Zugehörigkeit kann unter besonderen Umständen zum Ausschluss aus dem Ka- meradschaftssystem führen. Kameradschaft funktioniert vor allem dann und erweist sich als überlebenswichtig, wenn die militärische Führung die Soldaten im Stich lässt (Raoul Walshs Objective, Burma! / Der Held von Burma, 1945) oder sie gar kaltblütig in den sicheren Tod schickt (Paths of Glory). Es bleibt zumeist davon abhängig, ob es sich – wie bei dem von Basinger untersuchten Korpus – um Propagandafilme über einen ‚gerechten Krieg’ gegen unmenschliche Feinde oder – wie im Falle Paths of Glory um ei- nen so genannten Antikriegsfilm, also eine Anprangerung von Krieg und Militarismus anhand eines exemplarischen Vorfalls handelt. Solange der Kriegsfilm noch in der Heimat angesiedelt ist, spielen Frauen, ob Müt- ter oder Geliebte, eine wichtige Rolle. Im Kriegsgeschehen liegt der Fokus auf den Männern, die, oft weit von zu Hause entfernt, sich der Frauen durch Fotos erinnern. Al- lenfalls die Nähe einiger Kriegsfilme zum Melodram erhöht die dramaturgische Rele- vanz der Frauenfigur (Jean-Pierre Jeunets Un long dimanche de fiançailles / Mathilde – 5 Basinger 1986. Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch 19 eine große Liebe, 2004). Selten kommt die Fokussierung auf eine Frau vor wie in Mi- chail Kalatosows Letjat shurawli (Wenn die Kraniche ziehen, 1957). Hier – wie auch in Dalton Trumbos Johnny Got His Gun (Johnny zieht in den Krieg, 1971) – wird zudem die im Kriegsfilm häufig vorkommende, aber meist dramaturgisch marginalisierte, Figur der Krankenschwester (Cross of Iron) aufgewertet. Im Kriegsgebiet westlicher Filme tauchen Frauen ansonsten eher als love interest auf (The Big Parade) oder als Opfer (Brian de Palmas Casualties of War / Die Verdammten des Krieges, 1989). Gegen eben figurale Standardisierung inszeniert Kubrick die Schlusssequenz in Full Metal Jacket, wenn eine Frau sich als Scharfschütze erweist. In Beispielen etwa des ehemaligen Ost- block-Kinos, vor allem der sowjetischen Nationalfilmografie, ist dies anders: Hier sind Frauen wie in Alexander Askoldows Komissar (Die Kommissarin, 1967/1988) oftmals tapfere, den Männern gleichgestellte Kämpferinnen. Heimat – Front – Tod/Rückkehr Viele Filme variieren das Thema ‚...zieht in den Krieg’. Ihr Handlungsverlauf folgt einer to- poischen Struktur: Protagonist oder Protagonisten befinden sich zunächst in der Heimat. Kommt die Nachricht vom Krieg, macht sich Euphorie breit und die oft jungen Männer warten gespannt auf ihren Einberufungsbescheid oder melden sich freiwillig. Die Eupho- rie wird meist gedämpft durch Väter und andere ältere Bezugspersonen, die schon Kriegs- erfahrungen besitzen oder von den Auswirkungen des Krieges wissen und/oder die Fami- lie bzw. eine geliebte Frau, die den jungen Mann im Krieg zu verlieren befürchten. So kommt es schließlich auch zur Situation des Abschieds, die einen ersten emotionalen Hö- hepunkt markiert. Erwachsene können sich aber auch als Kriegstreiber erweisen wie etwa der Lehrer Kantorek in All Quiet on the Western Front. Eine weitere Station ist die Ausbil- dung. Hier machen die Rekruten zum ersten Mal Bekanntschaft mit militärischen Hierar- chien, militärischem Drill, mit Kameradschaft und Feindschaft, mit der Waffe und den Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit (Full Metal Jacket). Filme mit diesem Ab- lauf von Heimat, Abschied, Ausbildung binden die Protagonisten in eine Reise in eine fremde Welt ein; die jungen Männer erleben den Eintritt in die Welt des Krieges als eine Initiation, einen rite de passage. Diese Dramaturgie der Reise des Helden ist freilich für viele Filme auch anderer Genres bekannt.6 Doch im Kriegsfilm fehlt meist die konkrete Aufgabe eines Helden, die er nur über die Auseinandersetzung mit einem Antagonisten lösen kann. Für die Protagonisten im Kriegsfilm ist der Feind nicht in einer Person festzu- machen. Es ist allenfalls die feindliche Ideologie, die ihn auf den Weg bringt oder der An- sporn, das eigene Land zu verteidigen, in der Regel aber die schlichte Notwendigkeit in den Krieg ziehen zu müssen. Und dort erlebt er alles andere als ein Abenteuer. Der Feind bleibt eher anonym. Die Fronterfahrung ist ein Schock, die erste Erfahrung mit dem Tod führt oft zu einer emotionalen Kälte und männlichen Härte, die das Überleben sichern oder sogar dazu führt, das aus dem zunächst ängstlichen Rekruten ein mutiger, wenn nicht sogar wagemutiger Kämpfer wird. Die Fronterfahrung konkretisiert sich häufig in ei- ner Mission, die von einem ‚Platoon’, also einer Truppe, erfüllt werden muss. Die Brücke 6 Vgl. Vogler 1997. 20 Thomas Klein/Marcus Stiglegger/Bodo Traber nimmt hier einen zentralen Stellenwert ein (Die Brücke, A Bridge too far, The Bridge on the River Kwai) Die Mission kann auch in der Erstürmung eines Hügels bestehen (Terrence Malicks The Thin Red Line / Der schmale Grat, 1998) oder, in der satirischen Variante, im Bau eines Kricketfeldes hinter den feindlichen Linien (How I Won the War). Das Genre des Kriegsfilms hat viele Varianten der Inszenierung körperlicher Gewalt und des Sterbens ausgebildet. Zumal die Darstellung von Gewalt, von Blut und Gemet- zel, hat die berühmte These entstehen lassen, dass der Kriegsfilm, indem er den Krieg zeigt, außerstande ist, den Krieg zu verurteilen. Gestorben wird in jeder Form, es gibt den exponierten Heldentod, es gibt aber auch den banalen Tod, um nur die beiden Ex- treme zu nennen. Im amerikanischen Kriegsfilm der 1940er und 1950er Jahre findet sich nach dem Tod des Helden oft ein Moment, in dem deutlich gemacht wird, dass er nicht sinnlos gestorben ist, sondern für die Nation, für die Freiheit, für die gute Sache. In den pessimistischen, ‚schmutzigen’ Kriegsfilmen von Aldrich, Fuller und Mann – At- tack! (Ardennen 1944, 1956), Merrill’s Marauders (Durchbruch auf Befehl, 1962), Men in War (Tag ohne Ende, 1957) – wird dem Tod gezielt das Pathos des Heldentodes entzo- gen. Auch ansonsten wird auf alles Schöne und Erhabene, auf Effekte der Rührung ver- zichtet: keine Fotos der Geliebten in der Heimat, auf die die Soldaten sehnsüchtig ihre Augen heften, nur das Kriegsgebiet ist Handlungsort (also keine Reise des Helden), die Soldaten sind dreckig und oft verroht, auf Bilder der Rückkehr in die Heimat wird ver- zichtet. Die Rückkehr ist ansonsten jedoch von enormer Bedeutung für den Kriegsfilm. Meist kehren die Soldaten als Kriegsversehrte zurück, als Krüppel, ob physisch oder psychisch (zwar kein Kriegsfilm, aber diesbezüglich beispiellos: William Wylers The Best Years of Our Lives (Die besten Jahre unseres Lebens, 1946), ähnlich: Oliver Stones Born on the Fourth of July (Geboren am 4. Juli, 1989). Zu Hause treffen sie in der Regel auf Unverständnis und Ratlosigkeit. So kehren die Soldaten meist vom Fronturlaub schnell wieder in das Kriegsgebiet zurück. Der Soldat wird derart als ein Kind des Krie- ges charakterisiert. Er wird im Krieg neu geboren und fühlt sich nur in der ständigen Lebensgefahr geborgen. Filmhistorischer Abriss Wollte man ein grundsätzliches Phasenmodell der Entstehung des Genres entwerfen, wäre die erste Phase bis in die 1930er Jahre hinein zu sehen: Die Erfahrung des Ersten Weltkrieges (I) bestimmte die Themen und Grundmuster des Genres, die mit All Quiet on the Western Front und La Grande Illusion (Die große Illusion, 1937) auf den Punkt gebracht wurden, wobei die Entwicklung des Genres vom Propagandamittel zur pazi- fistischen Aussage auffällig ist. Der Zweite Weltkrieg schließlich bediente sich des Films wieder sehr ausgiebig als Propagandamechanismus (II). Mit Ende des Krieges bzw. unmittelbar danach erfuhr das Genre seinen Höhepunkt im Hollywoodkino bspw. 1945 mit den Filmen They were expendable (Schnellboote vor Baatan), A Walk in the Sun (Landung in Salerno), Story of G.I. Joe, Objective, Burma!. Allan Dwans Sands of Iwo Jima und Henry Kings Twelve O’Clock High (Der Kommandeur), führten das Genre dann ab 1949 in einen neuen Boom. Es blieb stabil und brachte in den 1950er Jahren bis Anfang der 1960er einige weitere Klassiker zustande (The Bridge on the River Kwai, Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch 21 The Longest Day, Die Brücke). Die 1960er Jahre brachten mit ihrer Krise des Kinos auch das Kriegsfilmgenre in eine Erschöpfungsphase (III). Der Vietnamkrieg war noch zu aktuell, um filmisch reflektiert zu werden, was eher indirekt über Verklausu- lierungen und andere Genres geschah. Erst die Auswirkungen des New Hollywood und die Entstehung des neuen ‚Blockbuster’-Kinos belebten den Kriegsfilm neu (IV): The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen, 1978), Apocalypse Now, Platoon und Full Metal Jacket verzeichneten weltweiten Erfolg und schufen eine ambivalente und künstleri- sche Ausdrucksform, die sich bis hin zu The Thin Red Line ausdifferenzierte. Vermi- schungen mit dem Science-Fiction-Film (Predator, 1987; Starship Troopers, 1997) machten den Kriegsfilm als Hybrid auswertbar, und im Zuge des US-amerikanischen Anti-Terror-Krieges wurde das Genre auch als Propagandainstrument wiederentdeckt. (I) Die Produktion von Kriegsfilmen begleitet die Filmgeschichte demnach von ihren Anfängen an, sei es in Historienfilmen wie D. W. Griffiths Birth of a Nation (Die Geburt einer Nation, 1915) und Abel Gances Napoleon (1925/27) oder in tatsächlicher Kriegsberichterstattung der Wochenschauen bereits im Ersten Weltkrieg. Insofern kann in dieser dokumentarisch ausgerichteten medialen Vermittlung von modernem Kriegsgeschehen auch eine Wurzel des Kriegsfilms als spezifisches Genre gesehen werden. Und die inhumanen Materialschlachten des Ersten Weltkrieges, die der Schriftsteller Ernst Jünger in seinen Kriegstagebüchern als „Stahlgewitter“ bezeich- net, sind das primäre Thema des frühen Kriegsfilms, der von einem ‚Schock der Moder- ne’ ergriffen scheint, selbst in den komödiantischen Ausprägungen (Shoulder Arms). Der erste große Kriegsfilm nach der Stummfilmzeit stellte die absolute Inhumani- tät ins Zentrum: Nach dem Roman von Erich Maria Remarque inszenierte Lewis Milesto- ne das militärische Martyrium des jungen Paul Bäumer (Lew Ayres) in All Quiet on the Western Front: Aus dem zunächst euphorischen Schüler wird ein desillusionierter Frontsoldat, der seine Kameraden sterben sieht und schließlich in den letzten Kriegs- tagen einen banalen Tod findet. Aufgrund seiner pazifistisch-erzieherischen Position gilt dieser Film bis heute als Prototyp des Anti-Kriegsfilms. Dennoch ist auch dieser Film geeignet, die zwiespältige Faszination des Feuerzaubers der Schlacht zu vermit- telt – vor allem durch die kontrastreich stilisierten Schwarzweißbilder, die eine zusätz- liche Distanz zum Geschehen bedeuten. (II) In Amerika entstand mit dem Militärfilm From Here to Eternity (Verdammt in alle Ewigkeit, 1953) von Fred Zinnemann eine bemerkenswerte Darstellung der US-ameri- kanischen Perspektive auf den ‚entfernten‘ Krieg: Hier wird die Armee für einen jun- gen Soldaten zunächst selbst zum Terrorsystem, bis der Film im japanischen Angriff auf Pearl Harbor ein katastrophales Ende findet. Hier treten auch melodramatische Elemente in den Vordergrund, die den Kriegsfilm nicht mehr ausschließlich als ‚Män- nergenre’ kennzeichnen, und es kommt auch zu umgekehrten Genrekreuzungen: Um die Situation der Frau in Kriegszeiten zu reflektieren, greift auch immer wieder das Melodram auf die historische Kriegssituation zurück und leistet seinen eigenen Bei- trag, dem Phänomen Krieg zu einer mythischen Größe zu verhelfen, die sich längst verselbständigt zu haben scheint: Der Krieg verschlingt seine Kinder, nachdem er erst 22 Thomas Klein/Marcus Stiglegger/Bodo Traber einmal ausgebrochen ist; wer ihn zu verantworten hat, tritt häufig in den Hinter- grund – in der Propaganda sind die Aggressoren immer die Anderen. Während der amerikanische Film – der kein Problem hatte, sich selbst als rettende Hand im Zweiten Weltkrieg zu definieren – allmählich mit dem Koreakrieg befasst war, begann im deutschen Film die Aufarbeitung der Kriegsschuld und die Reflexion der ei- genen Position: Hunde, wollt ihr ewig leben (1958) von Frank Wisbar etwa ist der deut- sche Versuch, ein möglichst objektives Bild vom Untergang der 6. Armee bei Stalin- grad zu entwerfen. Auch hier wird die Perspektive eines zunächst systemkonformen Neulings gewählt, in dem ein Prozess des Umdenkens mit dem Ausmaß der Katastrophe wächst. Bernhard Wickis Film Die Brücke (1959) erzählt dann vom sinnlosen Sterben einer Gruppe Schüler, die in den letzten Kriegstagen eine strategisch unwichtige Brü- cke bis auf den letzten Mann verteidigen. Wo Wisbars Film noch von Soldatenehre und Kameradschaft erzählen möchte, stellt Wicki die Menschenopfer des nationalsozialisti- schen Systems schonungslos bloß: Hier werden nach dem Tod der Älteren auch die Kin- der sinnlos ins Verderben geschickt. Die ihnen anerzogenen Begriffe von Vaterlands- treue und Loyalität erweisen sich letztlich als fataler Selbstzerstörungsmechanismus.7 (III) Abgesehen von vereinzelten Beispielen, die sich vor allem der Veräußerlichung spektakulärer Aspekte des Kriegsgeschehens widmeten, konnten die Filme der 1960er und frühen 1970er Jahre nicht mehr an die großen Klassiker der vorangehenden Jahr- zehnte anschließen. Einen vorläufigen Schlusspunkt setzte David Lean mit Lawrence of Arabia (1962), der allerdings Überlappungen mit dem Abenteuerfilm aufweist. Vielleicht fallen in diese Zeit mit How I Won the War, Catch-22 und M*A*S*H (1970) nicht umsonst die bedeutenden Kriegssatiren. Hier handelt es sich um ein Zeichen der Erschöpfung des Genres in seiner klassischen Struktur und seiner Aneignung und Um- deutung durch das New Hollywood bzw. das britische Free Cinema. In der anfängli- chen Euphorie des amerikanischen Kriegseintritts in Vietnam produzierte John Wayne den amerikanischen Kriegspropagandafilm The Green Berets (Die grünen Teufel, 1968), in dem er die Kampfkraft der amerikanischen Armee verherrlichen wollte; wie grotesk falsch diese in den USA produzierte Kriegsdarstellung letztlich ist, sollte schon weni- ge Jahre später deutlich werden. Etwa zur selben Zeit kam Robert Aldrichs bitterer früher Söldnerfilm The Dirty Dozen (Das dreckige Dutzend, 1967) ins Kino, in dem zwölf Kriminelle im Zweiten Weltkrieg auf ein Himmelfahrtskommando nach Deutsch- land geschickt werden. Aldrich schuf hier die kommerzielle Variante seiner zynischen Kriegsdramen der 1950er Jahre, die sich vergleichsweise ernsthaft mit einzelnen Aspekten des Militärsystems auseinandergesetzt hatten. (IV) Erst gegen Ende der 1970er Jahre wurde der Vietnamkrieg, der bislang eher als Sub- text aufgetaucht war, in den USA thematisiert: Eine mythische Lesart des Genres bietet Francis Ford Coppolas Vietnam-Epos Apocalypse Now, über den der Regisseur sagt „Dieser Film ist Vietnam“. Der selbsterklärte Gottkönig Kurtz (Marlon Brando) wird hier selbst zur Inkarnation eines archaischen Krieges gegen die Zivilisation und muss folglich von einem 7 Vgl. den Artikel von Knut Hickethier in diesem Band. Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch 23 Vertreter des konkreten Krieges (Martin Sheen) exekutiert werden, um eine zweifelhafte ‚Ordnung’ wieder herzustellen. Wenn der Krieg erst ‚entfesselt’ ist, droht er stets, außer Kontrolle zu geraten; alles Willkürliche und Unberechenbare wird somit geahndet, Deser- teure hingerichtet und die Soldaten in geordneter Formation in den Tod getrieben. Mi- chael Ciminos Amerikaelegie The Deer Hunter kann als Gegenstück zu dem oft irrealen Apocalypse Now gesehen werden. Darin zeichnet der Italoamerikaner das streng subjekti- ve Bild eines Amerikaners, der durch das Martyrium in Vietnam geht und in eine freudlo- se Gesellschaft zurückkehrt. Auch Cimino nahm sich – wie Coppola – Freiheiten in der Darstellung der Kriegssituation heraus, was ihm einen Rassismusvorwurf einbrachte. Die radikal amerikanische Innensicht wurde nicht als künstlerische Entscheidung akzeptiert. Verbreitet waren zu jener Zeit auch amerikanische Heimkehrerdramen, die sich des Schicksals der teilweise verwundeten und invaliden Veteranen annahmen (Hal Ashbys Coming Home, 1978). Der ‚Kalte Krieg’ der 1950er Jahre erreicht in den russisch-amerikanischen Span- nungen der 1980er Jahre einen neuen Höhepunkt. Krieg schien als politische Option plötzlich wieder erschreckend nah. Der Russe Elem Klimow wählte als Reaktion auf die- ses Klima der Angst in seinem Film Idi i smotri (Komm und sieh, 1985) die Perspektive eines Kindes, das im Weißrussland des Zweiten Weltkrieges zwischen die Partisanen und angreifende Waffen-SS-Batallione gerät. Klimow betonte in späteren Interviews stets die metaphorische, allgemeingültige Quali- tät dieses Stoffes: Einen Begriff für die Tortur zu finden ist stets dem Opfer vorbehalten, denn die Täter geben sich gewöhnlich eine offizielle Legitimation für ihre Ausschreitun- gen. Klimow findet eindringliche, düstere Bilder für die verheerenden Massaker an der Zi- vilbevölkerung und schildert alle Seiten äußerst ambivalent, zumal wenn er seinen Film mit einer achronologischen Montage enden lässt, die in einer Nahaufnahme des Kleinkin- des Adolf Hitler kulminiert: Wo liegt die Saat der Zerstörung? Im Zuge der Präsidentschaft Ronald Reagans wandte sich das Holly- wood-Actionkino gestählten Superhelden wie John Rambo (Sylvester Stallone) zu, der z. B. in Rambo: First Blood Part II (Rambo II – der Auftrag, 1985) amerikanische Kriegsgefangene aus Vietnam zurückholt. Diese Phase unreflektierter, hemmungsloser Gewaltverherrlichung ist zwar mit für den schlechten Ruf des Genres verantwortlich, obwohl es auch hier herausragende Beispiele gab. Die Kriegssituation wird dabei zur absoluten Bedrohung, bei der „gesehen werden“ mit „sterben“ gleichzusetzen ist.8 Eine schonungslose Analyse beider Phänomene – bar jeder Romantisierung – bietet 8 Virilio 1989. 24 Thomas Klein/Marcus Stiglegger/Bodo Traber Stanley Kubrick mit Full Metal Jacket, dessen erste Hälfte die Umformung des Men- schen zum tödlichen Projektil (daher der Titel) zeigt, um dann eine so exemplarische wie sinnentleerte Häuserkampfsituation in Vietnam ad absurdum zu treiben: Ein Scharfschütze dezimiert die Einheit, bis er am Ende als junge Frau entlarvt wird – ein Schock für alle Beteiligten. So ist auch die Position der Frau im amerikanischen Kriegsfilm neu definiert: Von der passiv Wartenden (Mutter oder Geliebten) bzw. dem Vergnügungsobjekt der Soldaten (als Prostituierte) oder dem exemplarischen Opfer wird sie schließlich selbst zur Kriegerin. Oliver Stone unternahm parallel dazu in Pla- toon den Versuch, ein naturalistisches Abbild seiner Soldatenzeit in Vietnam zu insze- nieren, scheiterte jedoch ebenfalls an der höchst pathetischen Polarisierung der Handlung. Ähnliches lässt sich über Josef Vilsmaiers Retro-Landserepos Stalingrad (1993) sagen, eine Art Rückgriff auf die deutschen Kriegsfilme der Nachkriegszeit, dessen Thematik be- reits in Sam Peckinpahs Cross of Iron (1977) etwas ambivalenter abgehandelt wurde. All diese Filme lassen genug Raum für wehmütige Soldatenromantik und die Sehnsucht nach männerbündischer Kameradschaft. Steven Spielbergs äußerst erfolgreicher Kriegsaben- teuerfilm Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998) funktioniert zumindest in zwei langen Sequenzen als kinotechnisch aufwendige Simulation der Kampfsituation, was diesem Film vor allem die positive Resonanz eines Publikums sicherte, das in seiner Ent- fremdung von authentischer Körpererfahrung eine geradezu morbide Faszination am Be- trachten der physischen Auflösung findet. Dieser WK-II-Western erschöpft sich jedoch ge- gen Ende hin in seinen Splatter-Exzessen und kann letztlich nichts weiter als eine patrio- tische Glorifizierung bieten. An Spielbergs Film schloss auch das südkoreanische Kain-und-Abel-Drama Taegukgi hwinalrimyeo (2003) an, das metaphorische, melodrama- tische und exzessive Momente vermischt. Den gegenteiligen Weg schlug Terrence Malick mit seinem poetisch-reflektierenden Drama The Thin red Line ein, der die amerikanische Invasion auf eine japanisch besetzte Insel vor allem als eine fatale Störung der ‚natürli- chen Balance’ darstellt. Neben den melancholischen Monologen seiner zahlreichen gleichberechtigten Protagonisten über die Sehnsucht nach der Heimat und den Kampf als ‚spirituelle Erfahrung’ stellt jedoch auch dieser Film den Krieg als universalen Mythos nicht in Frage. Immerhin nähert er sich dabei den Menschen, die ihn ausfechten. Die auffällige Schwemme an betont ‚authentisch’ inszenierten Kriegsfilmen in diesen Jahren, die alle verfügbaren Mittel neuester Kinotechnik einsetzen, ist u. a. auf die Ausweitung der Konventionen zurückzuführen, die Spielberg in seiner Normandie-Sequenz etabliert hatte und die vom geneigten Publikum offenbar als nahezu ‚dokumentarisch’ wahrgenommen wurden. Die Idee, selbst dabei zu sein, stillte hier die Sehnsucht nach einer nicht mehr verfügbaren realen Leidenserfah- rung und prägt auch Filme wie von John Woos Windtalkers (2002) und Randall Wal- laces We Were Soldiers (Wir waren Helden, 2002). Einen ironischen Kommentar zum amerikanischen Militarismus bietet schließ- lich Paul Verhoevens futuristischer Kriegsfilm Starship Troopers (1997), der die amerikanischen Propagandafilme der 1940er Jahre ebenso reflektiert wie Kubricks Full Metal Jacket und den deutschen ‚Riefenstahlismus’. Der Feind hat hier die Ge- stalt von monströsen Käfern und die Invasion findet im Gewand nationalsozialis- Motive und Genese des Kriegsfilms. Ein Versuch 25 tischer Ästhetik statt. Verhoevens zynisches Spektakel mag als absurder End- punkt eines problematischen Genres stehen, das vermutlich immer seine zwie- spältige Attraktivität bewahren wird und in den letzten Jahren vermehrt als Gen- remixtur auftritt: als Historienfilm (Wolfgang Petersens Troy / Troja, 2002; Oliver Stones Alexander, 2004), als Science Fiction (George Lucas’ Star Wars Episode III, 2004; Steven Spielbergs War of the Worlds / Krieg der Welten, 2005), Melodram (Jean Jeunets Mathilde – eine große Liebe, 2004), Western (John Lee Hancocks The Alamo, 2004) oder Horrorthriller (Rob Greens The Bunker, 2002). Literatur Basinger, Jeanine: The World War II Combat Film. Anatomy of a Genre. New York (CUP) 1986. Bürger, Peter: Kino der Angst. Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood. Stuttgart 2005. Brauerhoch, Annette u.a. (Hg.): Krieg und Kino. (Frauen und Film, Nr. 61) Frankfurt/M. 2000. Butler, Ivan: The War Film. South Brunswick, New York, London 1974. Clausewitz, Carl von: Vom Kriege [1832]. 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Die Bild- welten, die der Film zur Darstellung der Grabenkämpfe des Ersten Weltkriegs erfand, sind bis heute spürbar. Die Konfliktlinien, durch die sich die Helden des Films bewe- gen mussten, lokalisieren den einzelnen in einem Wechselspiel der Kräfte und Mäch- te, auf die er kaum noch Einfluss nehmen kann. Und die Erfahrungen, die ihm der Kampf in vorderster Linie zumutet, sind kaum mehr vermittelbar. Helden, die sich als Opfer erweisen: Vielleicht ist dies der Grund, warum es so heftige Diskussionen um den Film gegeben hat. Gerade die Konflikte aber, die der Film ausgelöst hat, machen ihn bis heute zu einem Modellfall, an dem sich die Gratwanderung zwischen radikaler Verurteilung des Krieges und seiner Verherrlichung verdeutlichen lässt. Was ist nötig, zum Krieg eindeutige Stellung zu beziehen, der Ambivalenz der meisten Kriegsdar- stellungen auszuweichen? Die Frage ist von ungebrochener Aktualität. Filme wie der dubiose Black Hawk Down (2001) belegen, dass eine Kritik, die ihm durchweg das Prädikat „An- ti-Kriegsfilm“ zuschreibt, sich ihrer eigenen politischen und weltanschaulichen Krite- rien ebenso unsicher ist wie der langen Problemgeschichte im Kino. All Quiet on the Western Front ist unter mindestens zwei Gesichtspunkten für eine Problemgeschichte der Kriegsdarstellung im Kino interessant: Zum einen mit Blick da- rauf, wie er von den Nationalsozialisten in eine politische Auseinandersetzung um mi- litärische und männliche Wertvorstellungen gezwungen und zu einer Attacke auf na- tionale Identität und historisches Gedächtnis deklariert wurde; zum anderen, mit wel- chen erzählerischen und darstellerischen Mitteln er versuchte, die Unsagbarkeit der Kriegserfahrung in Bild und Szene umzusetzen, sie ‚sekundär erfahrbar’ zu machen.1 Produktionsgeschichte Die Produktionsgeschichte des Films beginnt mit dem unerhörten Echo, das der Ro- man Erich Maria Remarques, der 1928 zunächst in Fortsetzungen in der Vossischen Zei- tung erschien, auslöste und der sofort zu einem der größten deutschen Bestseller al- ler Zeiten wurde. Der Roman Im Westen nichts Neues suchte die Erfahrungen der Stel- lungskämpfe des Ersten Weltkrieges aus einer strikt pazifistischen Position wiederzu- 1 Zur Rolle des Milestone-Films in der Geschichte des Anti-Kriegsfilms vgl. Chambers 1994. Zu seiner Bedeutung als Meilenstein und Ausgangspunkt des Kriegsfilms vgl. Kelly 1997, bes. 43-57. Zur Adaption des Romans in den Film vgl. Rowley 1978. 28 Hans J. Wulff geben. Der in Württemberg geborene Hollywood-Produzent Carl Laemmle wurde schnell auf den Roman aufmerksam und kaufte im Juli 1929 die Rechte, seine Firma Universal International Pictures nahm sofort die Arbeit an der Verfilmung auf. Für die Regie waren zunächst Herbert Brenon und der in Ungarn geborene Paul Fejos, der La- emmle auf den Roman hingewiesen hatte, vorgesehen; der eine verlangte zu hohes Honorar, der andere drehte gerade selbst einen Kriegsfilm und wollte das Sujet nicht schon wieder behandeln – tatsächlich unterschrieb am Ende der in der Ukraine ge- bürtige Lewis Milestone den Vertrag.2 Erst kurz vor Beginn der eigentlichen Dreharbeiten3 entdeckte George Cukor, der ei- gens zur Inszenierung und Kontrolle der Tonaufzeichnung verpflichtet worden war, Le- wis „Lew“ Ayres, einen 1908 geborenen jungen Schauspieler, der die Rolle des Prota- gonisten übernahm – ein unbekanntes Gesicht, das der Figur die Allgemeinheit des „Jedermanns“ verleihen konnte. Mit dieser Besetzung wurde der Geschichte ein allego- rischer Impuls gegeben, der es bis heute möglich macht, das Geschehen als Geschichte vieler zu lesen. Hätte Remarque selbst die Rolle gespielt – was Laemmle ihm nahe ge- legt hatte –, wäre womöglich ein ganz anderer Film entstanden, dem gerade diese Qualität nicht zugekommen wäre. Nach zehnwöchiger Arbeit am Drehbuch begannen am 9. November 1929 – dem Datum des Waffenstillstandes von Compiègne – die siebzehn Wochen dauernden Dreh- arbeiten. Es hängt wohl damit zusammen, dass Milestone, der im Krieg in der Fotoab- teilung der US-Armee gearbeitet hatte, eine exzellente Kenntnis der Bildmotive des Krieges, aber auch der tatsächlichen Zustände an der Front und im Hinterland hatte, dass dem Film von allen Seiten allerhöchste Authentizität bescheinigt wurde. Milesto- ne insistierte darauf, dass alle Bauten möglichst realistisch ausgeführt werden sollten und dass die Requisiten nach Möglichkeit original sein sollten. Er hatte vor allem für die Massenszenen ein Storyboard ausgearbeitet – er war nach dem Krieg als Cutter bei dem Produzenten Jesse Hampton beschäftigt gewesen –, so dass die Choreografie ge- rade dieser Szenen genau unter Kontrolle war und vor allen Dingen am Ende die Kosten kaum höher lagen als die veranschlagten 1,25 Millionen US-Dollar des Kostenplans. Milestone war stolz darauf, nicht mehr als 150 Statisten unter Vertrag gehabt zu ha- ben. Auf dem Gelände der Universal entstand der Nachbau eines deutschen Kasernen- hofs und eines deutschen Mittelstädtchens, die bis in die 1940er Jahre in anderen Pro- duktionen genutzt wurden. Für die Schlachtaufnahmen mietete das Studio ein riesiges, 20 Morgen großes Ge- lände auf der fast 70 Kilometer südöstlich von Los Angeles gelegenen Irvine Ranch, auf dem nach historischen Bildern die Schützengräben sowie das Durcheinander von Granattrichtern, Minen und Stacheldraht zwischen den Gräben nachgebaut wurde. Ins- besondere diese Außenaufnahmen galten als äußerst realistisch und sind in einer gan- zen Reihe von dokumentarischen Kompilationsfilmen als authentische Aufnahmen der 2 Lewis Milestone ist einer der unbekannteren Hollywood-Regisseure, der zeitlebens nicht unter Kontrakt eines einzelnen Studios stand und darum Regiearbeiten immer im Einzelvertrag übernehmen musste. Vgl. zu seiner Arbeit Canham 1974; Millichap 1981; Hanisch 1995. Ein aufschlussreiches Interview findet sich in Higham 1969. 3 Zur Produktionsgeschichte des Films vgl. Canham 1974, 76ff.; Mitchell 1985; Beller 1991; Kelly 1998. All Quiet on the Western Front: Ein Kriegsfilm zwischen den Fronten 29 Schützengräben wieder verwendet worden. Auch bei der Ausstattung achtete man pe- nibel auf detailgetreue Nachbildung der Weltkriegszeit. Die Komparserie wurde durch deutsche Weltkriegsveteranen militärisch ausgebildet, die auch als technische Bera- ter die Waffen (sechs originale Artilleriegeschütze, MGs, Karabiner, Granaten etc.) und Uniformen (in Blau und Grau) inspizierten.4 Der Film entstand in einer (wohl einen Akt längeren) Stumm- und einer Tonfas- sung. Für die Rolle der Mutter wurde zunächst die Komödiendarstellerin Zasu Pitts ver- pflichtet, die in den previews aber nur Gelächter auslöste, was zur Folge hatte, dass die Szenen mit der Mutter Bäumers für die Tonfassung mit Beryl Mercer nochmals aufge- nommen wurden. Anders als manche talkies der Frühzeit des Tonfilms ist All Quiet on the Western Front berühmt geworden für die unerhörte Dynamik der Kamera, die sich um die schweren und unbeweglichen Ton-Apparaturen nicht zu kümmern scheint und auch nicht in eine Schallschutzkabine eingeschlossen war. Milestone entschied sich früh dafür, den Film „zu drehen, wie wir es im Stummfilm gewohnt waren“. Technisch war die Beweglichkeit der Kamera möglich geworden, weil der Kameramann Arthur Edeson für seine Mitchell-Kamera einen Lärmschutz entwickelt hatte (“Blimp“; Edeson nannte seine Erfindung „barney bag“ = „Lärmtüte“). Zudem setzte man einen neu ent- wickelten, 25 Tonnen schweren Kran ein, der fast schwerelos erscheinende Fahrten über Außenschauplätze hinweg ermöglichte.5 Konsequenterweise beruhten nur die Di- alogsequenzen auf Primärton, Schlachten, Landschaftsaufnahmen und ähnliches, vor allem die Kranfahrten wurden nachvertont. Die deutsche Rezeption All Quiet on the Western Front war die einzige A-Film-Produktion, die Universal 1929 realisierte – und der Film wurde ein weltweiter Erfolg. Nach der Premiere am 21. April 1930 in Los Angeles lief der Film 23 Wochen in täglich fünf Vorstellungen im New Yor- ker „Central Theatre“, zog dann in das mit 6.200 Sitzplätzen seinerzeit größte Kino der Welt, den „Roxy-Palast“. Die hohe Aufmerksamkeit, die der Film genoss, ist auch an den beiden Oscars ablesbar, die er im gleichen Jahr erhielt.6 4 Vgl. Chambers 1994, 385. 5 Gerade die fast schwebend anmutende Musterung nicht einzelner Szenarien, sondern ganzer Landschaften, des Gegenübers von Bunkern, Schanzanlagen und Schützengräben, von Stacheldrahtzäunen, Granattrichtern, Lei- chen und dergleichen mehr gehört zum Arsenal der visuellen Strategien des Kriegsfilms. So wurden gerade die Fahrten über das Niemandsland hinweg in Pabsts Westfront 1918 (1930) gelobt und noch die nachdenkliche Ein- vernahme der Kriegslandschaft in Kubricks Paths of Glory (Wege zum Ruhm, 1957) wurde in der Kritik vielfach be- merkt. Die Signifikanz derartiger Aufnahmen gründet sich wohl darin, dass sie die Natur selbst als geschundenes und zerstörtes environment zeigen, die Verletzungen der Soldaten so in die viel umfassendere Metapher einer Wunde verlängernd, die der Krieg in die Welt selbst geschlagen hat. 6 Die ungemein hohe Wertschätzung, die der Film in den USA und international genießt, lässt sich an den zahlrei- chen Auszeichnungen ablesen, die er bekommen hat: zwei Oscars 1930 (für die Regie und als „Bester Film“), den japanischen Kinema Junpo Award 1930 (als „Bester Film“), den Film Daily Award 1930 (als „Bester Film“), den Award of the National Board of Review 1930 (als „Bester Film“), den New York Times Award 1930 (als „Bester Film“); 1989/90 wurde er in die National Film Registry aufgenommen, 1998 in die Liste der „100 Greatest Ameri- can Movies“ des American Film Institute. Das Drehbuch des Films erschien zu Beginn seiner Neuentdeckung als Klassiker des amerikanischen Kinos (Andrews/Anderson/Abbott 1986). 30 Hans J. Wulff Die Rezeption in Deutschland war dagegen hochproblematisch7, und der Film gilt bis heute als eines der interessantesten Beispiele in der Zensurgeschichte des Kinos. Schon die US-Fassung wurde von der freiwilligen Selbstkontrolle der US-Filmindustrie (MPPDA) um zehn Minuten gekürzt (unter den geschnittenen Szenen war u. a. die Stie- fel-Episode, aber auch ein Gespräch, in dem die Rekruten dem Kaiser die Verantwor- tung am Krieg geben). Noch problematischer war die Aufnahme in Deutschland, wo schon um Remarques Roman heftige Kontroversen ausgebrochen waren. Vor Fertigstel- lung des Films hatte die Ufa darum an die Universal signalisiert, ihn keinesfalls in den Verleih zu nehmen. Der Film erhielt zwar am 21. November 1930 die Freigabe durch die Zensurbehörde und wurde am 5. Dezember 1930 im „Mozart-Saal“ am Berliner Nollen- dorfplatz uraufgeführt. Doch kam es durch Störaktionen der Nazis auf Veranlassung und unter Leitung von Joseph Goebbels zum Eklat. Am 7., 8. und 9. November versam- melten sich Tausende aus dem rechten Lager auf dem Nollendorfplatz, ein Protest- marsch durch Berlin umfasste wohl mehrere Tausend Teilnehmer. Am 11. Dezember 1930 befasste sich sogar der Reichstag mit dem Film, der am gleichen Tag für den frei- en Markt verboten wurde und nur noch in geschlossenen Vorführungen gezeigt werden durfte.8 Die Universal bot an, den Film ganz aus Deutschland zurückzuziehen (wohl um den deutschen Markt nicht zu verlieren). Als das Verbot Ende 1931 zeitweilig aufgeho- ben wurde, verpflichtete sie sich zudem, nicht nur in Deutschland, sondern auf dem gesamten internationalen Markt nur eine nochmals gekürzte, mit den Deutschen abge- stimmte Fassung auszuliefern (es fehlte u. a. ein Großteil der Szene mit Bäumer und dem getöteten französischen Soldaten im Granattrichter).9 Das endgültige Verbot des Films war dann nach der Machtergreifung eine der ersten Amtshandlungen der Nazi-Administration. Eine heute weitgehend unverständliche Un- terwürfigkeit der Universal gegenüber den deutschen Machthabern führte auch dazu, dass The Road Back (1937), der basierend auf Remarques Roman Der Weg zurück (1931) als Sequel zu All Quiet on the Western Front geplant war und vom Leben der überleben- den Männer der Gruppe nach dem Krieg erzählen sollte, von allen antimilitaristischen Spitzen gereinigt und in Teilen sogar neu gedreht wurde. Während des Koreakrieges wurde der Film auch in den USA verändert und an die neue Kriegssituation angepasst – u. a. wurde das sentimental-traurige „Ich hatt’ einen Kameraden“, das der Schluss-Szene unterlegt war, durch einen eingängigen Swing ersetzt. Eine wiederum gekürzte Fassung lief in der BRD 1952 an. Erst 1984 entstand für das ZDF eine rekonstruierte Fassung, die von wenigen Nachbesserungen abgesehen 7 Allerdings erschien 1931 bei Rowohlt ein Bildband zum Film (Anonym 1931), was darauf hindeuten mag, dass das deutsche Echo durchaus nicht homogen gewesen ist. 8 Zu den Konflikten, die die Nazis mit Remarques Roman hatten vgl. Dörp 1991; Dörp 1993. Zur deutschen Zen- surgeschichte vgl. Schrader 1992; Sudendorf 1984. Zur allgemeinen Bearbeitungsgeschichte vgl. Kelly 1998. Eine knappe Zusammenfassung der deutschen Zensurgeschichte findet sich online unter: http://www.remar- que.uos.de/iwnnfilm.htm [Stand: 30.5.2006]. 9 Im Detail berichtet Hans Bellers Fernsehdokumentation „Geschundenes Zelluloid – Das Schicksal des Kinoklassi- kers Im Westen nicht Neues“ (BRD 1984. UA: ZDF, 15.11.1984) von den Kürzungen und Entstellungen, denen der Film ausgesetzt war. Vgl. dazu Beller 1991. Auch in anderen Ländern war der Film von massiven Eingriffen be- troffen; in Frankreich etwa war die Aufführung bis 1963 untersagt. Erst danach gewann er auch dort das Ansehen als „Klassiker“ des Genres, das er bis heute genießt. All Quiet on the Western Front: Ein Kriegsfilm zwischen den Fronten 31 heute als vollständigste Fassung des Films gilt. Sie suchte vor allem auch, die mono- chrome Einfärbung einzelner Szenen, die der Aufführungspraxis des Stummfilms ent- springt, wiederherzustellen.10 Die Geschichte „Dulce et decorum est pro patria mori“ – der deutsche Gymnasiast Paul Bäumer mel- det sich zusammen mit seiner ganzen Abitursklasse 1915 als Freiwilliger bei der Reichswehr. Der Klassenlehrer Kantorek mobilisiert die Jungen mit pathetischen Phra- sen über Vaterland und Ehre im Geiste einer nationalistisch untersetzten Vorstellung von Bildung, Reife und Männlichkeit, gibt der kollektiven Kriegsbegeisterung rhetori- sches Gesicht. Der ehrenvolle Tod, von dem er spricht, scheint leicht und dramatisch zu sein – umso krasser ist der Kontrast zu dem, was die jungen Rekruten an der West- front vorfinden werden. Was folgt, ist eine Kette von Desillusionierungen. Nach der Einkleidung ziehen die Jungen zu einer kurzen Ausbildung in die Kaserne, werden dort von dem ehemaligen Briefträger Himmelstoß, der sich zu einem brutalen Schinder verwandelt hat, bis zur Erschöpfung schikaniert. Dann ziehen sie in den Krieg. Schon bei der Ankunft zeigt ih- nen ein Rotkreuzzug voller Verwundeter ein anderes Bild des Krieges als das, was sie erwartet hatten. Der erste Angriff, der erste Tote unter den Abiturienten, Hunger und Nässe, permanentes Trommelfeuer – der Stellungskrieg beginnt sein wahres Gesicht zu zeigen. Die Gruppe ist älteren Soldaten zugeordnet, die überlebenswichtige Ratschlä- ge geben und Strategien der Alltagsbewältigung unter den Bedingungen dauernder Le- bensgefahr vorleben. Vor allem aber werden sie Vorbilder für die Jungen, weil sie eine Haltung widerständiger Resignation haben, die es möglich macht, sich mit den militä- rischen Pflichten ebenso zu arrangieren wie mit den kleinen Erleichterungen des Le- bens, die sich zufällig ergeben. Eine fast idyllische Episode zeigt die Begegnung der jungen Soldaten mit jungen französischen Frauen. Brot und Wurst werden gegen flüch- tige Liebe eingetauscht. Schon bald ist die Hälfte der Gruppe gefallen. Einer der Mitschüler, Kemmerich, stirbt nach der Amputation beider Beine. Seine Stiefel wechseln den Besitzer, und als auch dieser umkommt, nimmt ein Dritter sie mit (gerade diese Nebenhandlung fiel in einigen Schnittfassungen des Films weg). Zur Entlastung der Spannung sind mehrfach kurze komische Zwischenspiele gesetzt, doch stellt sich der Krieg als endlose Kette von Situationen des Wartens, von kurzen Momenten der Bewegung, des Kampfes, Sze- narien des Schmutzes und des Blutes dar. Milestone entfaltet die Realität der Schüt- zengräben in einer ganzen Reihe von Szenen, die in sich jeweils wie kleine Dramen ge- baut sind. Die vielleicht anrührendste zeigt einen Sturmangriff, bei dem sich Bäumer in einen Granattrichter rettet – fast gleichzeitig mit einem Franzosen namens Duval. 10 Die ZDF-Fassung wurde zum Volkstrauertag ausgestrahlt. Für die neue Aktualität des Stoffs spricht auch, dass er 1979 als TV-Film erneut verfilmt wurde (R: Delbert Mann, P: Norman Rosemont, D: Richard Thomas, Donald Pleasence, Ernest Borgnine, Patricia Neal; Auszeichnungen: Golden Globe 1979 als „Best Motion Picture Made for TV“ sowie zwei Emmys für Ernest Borgnine und Patricia Neal. 1994 wurde Remarques Roman als Hörspiel adaptiert; P: Prince Frederick, Sprecher: Frank Muller; 5 Kassetten). 32 Hans J. Wulff Nach kurzem Handgemenge verletzt Bäumer den Mann schwer, der in der darauf fol- genden Nacht stirbt. Spätestens in dieser Situation hat Bäumer jede Illusion darüber verloren, dass dieser Krieg irgendeinen Sinn haben könnte. Er wird verletzt, fiebernd und hoffnungslos schiebt man ihn ins Sterbezimmer des Lazaretts. Wider alles Erwarten wird er wieder gesund und bekommt nach langer Abwe- senheit Heimaturlaub. Er wohnt bei seiner Mutter, der er die Erfahrung eines nicht en- den wollenden Schreckens nicht begreiflich machen kann. Kantorek, der alte Klassen- lehrer, indoktriniert immer noch Abiturienten mit seinen Phrasen, und in der Kneipe wird der Krieg im Kleinen ausgefochten. Bäumer ist ein Fremder im eigenen Land ge- worden. Er bricht den Urlaub ab, kehrt an die Front zurück. Nun selbst schon ein erfah- rener Soldat, sieht er neue junge Rekruten aus der Heimat ins Schlachtfeld ziehen. Auf einem ‚Spaziergang’ mit ‚Kat’ Katczinsky, dem väterlichsten jener Soldaten, die ihn einst selbst in Empfang genommen hatten, wird dieser erschossen. Wenig später stirbt auch Bäumer – im Oktober 1918, an jenem Tag, der so ruhig und still war an der gan- zen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden. Das ursprüngliche Ende sah – wie im Roman – ein fatales, aber heroisches Ende Bäumers im Kampf vor. Milestone mochte das Ende nicht. Der deutsche Kameramann Karl Freund, der die Szene am Ende auch filmte, schlug das tatsächliche Ende vor: die Hand Bäumers, die sich einem Schmetterling nähert; der Schuss eines Heckenschüt- zen; die Hand, die zurückzuckt und sich im Sterben spannt und entspannt.11 Das auf der Mundharmonika gespielte „Ich hatt’ einen Kameraden“ verstummt. Sodann sieht man eine stumme Doppelbelichtung – man sieht in einer nahen Einstellung einen Zug von Soldaten, Männern aus Bäumers Klasse, die in die dunkle Tiefe des Raums gehen, im Vorbeimarsch sich noch einmal nachdenklich der Kamera zuwenden; unter diesem Bild liegt eine weite Aufnahme auf einen Soldatenfriedhof, dicht an dicht mit dürren wei- ßen Kreuzen vollgestellt. Es ist, als ob das Bild den rezeptiven Modus noch einmal auf den Punkt zu bringen versuchte – eine vorsichtige, ja fast zärtliche Rekapitulation „Diese sind’s gewesen!“, eine Verabschiedung der Helden aus der Welt der Geschichte, verbunden mit der Erinnerung daran: „Diese sind gestorben!“ Erst nach diesem Bild beendet eine Schrifttafel den Film. Montage, den Salven des Maschinengewehrfeuers ähnlich Milestone gab die Devise aus: „Keine zwei Kameras!“12 und insistierte darauf, die Auf- nahmen wie unter Stummfilm-Konditionen zu machen. Die Dynamik der Entwicklung entsteht aus der Montage. Insbesondere die Grabenkampfsequenz – einer der Höhe- punkte der frühen Hollywood-Montage – alterniert in schnellem Bildwechsel starre Einstellungen mit Kranfahrtaufnahmen. 11 Canham 1974, 79f. 12 Zit. nach: Lewis Milestone. Chronicle of War. In: The Movie (London: Orbis 1979, S.34). Eine detaillierte Analyse der Montage der MG-Sequenz findet sich in Beller 1991. All Quiet on the Western Front: Ein Kriegsfilm zwischen den Fronten 33 Man sieht die rennenden Soldaten vom Kran aus, unterschnitten ist die Bewegtauf- nahme von äußerst kurzen (nur 6 bis 7 Kader langen) näheren Aufnahmen der MGs. Die Bilder im Zentrum der Sequenz wechseln in unerhörter Geschwindigkeit, dem Feu- ern eines Maschinengewehrs nicht unähnlich. Die Serialität der Bildfolge, die nur 35 Sekunden lang ist, führt dennoch zu einer Steigerung und Intensivierung der empfun- denen Dauer. Milestone dazu: „Im Stellungskrieg schickten sie gewöhnlich Welle nach Welle los. Ich dachte, wenn das Maschinengewehr schießt, dann sollten die Soldaten mit der gleichen Schnellig- keit fallen, wie die Kugeln das Gewehr verlassen. Man hat sechs bis sieben Felder Maschinengewehrschießen, dann zeigt man sofort, wie die Leute fallen, und sie fal- len mit dem gleichen, unpersönlichen, emotionslosen Mechanismus, wie das Ma- schinengewehr Kugeln ausspuckt.“13 Wechsel von Standorten und Bewegungsrichtungen indizieren Orientierungslosigkeit und Vergeblichkeit des Sturmlaufs. Die Aktion endet – nach vielen Toten – dort, wo sie begann. Bei all dem sind die Franzosen anonymisiert, man sieht sie von hinten, im Gegenlicht, im Anschnitt der Körper mit Gesichtern außerhalb des Bildfeldes. Chronologie und Wiederholung Der Film folgt weitestgehend der Folge der Ereignisse, wie sie im Roman vorgezeich- net war. Das ist auf den ersten Blick die biografische Chronologie, die nicht nur Anti- kriegs-Filmen zugrunde liegt: Beginn der Geschichte in der Normalität des Alltags im Frieden, die Mobilmachung oder die Meldung zum Kriegsdienst, Ausbildung, erste Be- gegnung mit der Schlacht, endloses Warten, die Verletzung oder der Tod nahestehen- der Kameraden, Heimaturlaub, Szenen der Desillusionierung usw. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass das Prinzip in eine Folge von nur locker verbundenen Szenen einmündet, die Stationen der Kriegserfahrung nur illustrieren, sie nur selten als Schlüsselszenen zum Kern des Dramas anheben. Und man wird gewahr, dass die Folge- richtigkeit der Szenen sinkt – sind noch Musterung, Ausbildung und Fahrt an die Front zeitlich streng reguliert, geht die Folge der Szenen dann in den Zustand der (gele- gentlich sogar zyklischen) Wiederholung, der Beliebigkeit und der Unkontrollierbar- keit über.14 Nur der Tod des Helden bildet wieder einen festen Bezugspunkt aus – er ist 13 Ebd. 14 Vonderau (2004) bringt das Zurücktreten der narrativen Folgerichtigkeit der Szenen von Kriegfilmen zum einen in Verbindung mit der Theaterform des „Stationendramas“, zum anderen mit dem Abenteuerfilm, der ähnlich kaleidoskopische, narrativ nur oberflächlich verbundene Szenenfolgen enthält. 34 Hans J. Wulff das Ende der Handlung. Das Narrative tritt zurück. All Quiet on the Western Front folgt am Anfang noch einer klaren Linie. Dann verlieren die Protagonisten Handlungs- macht, werden Opfer des Geschehens, in dem sie sich nur mehr oder weniger notdürf- tig einrichten können. Sie sind dem Krieg wie einem Naturgeschehen ausgeliefert, das keine Verantwortung trägt und dem keine wirklichen Täter unterstellt werden können. Man kann verbal den Kaiser als Verursacher des Krieges benennen, wie es in einer – geschnittenen – Szene des Films auch geschieht. Aber man kann nicht ein- greifen (und selbst wenn man den Kaiser beseitigte, würde die Maschinerie des Krie- ges weiterarbeiten). Die Verohnmächtigung der Akteure kann nicht ersetzt werden durch individuelle Heldentaten, sie bilden ein nur scheinbares Gegengewicht gegen die Unmöglichkeit, die individuelle Fähigkeit jedes einzelnen zu aktivieren, seine Le- bensbedingungen zu verändern, indem er sich seiner Handlungsmacht versichert und handelnd in den Gang der Ereignisse oder in die Umwelt eingreift. Krieg ist eine Wirkkraft der erzählten Welt, die sich jeder individuellen Kontrolle entzieht.15 Parado- xerweise sind es Serien von Großaufnahmen (beim Trommelfeuer auf einen Unter- stand etwa), die greifbar machen, dass nicht einmal die Angst etwas Individuelles ist, sondern wie eine Welle alle ergreift, so dass selbst im Moment größter emotiona- ler Ergriffenheit das Subjekt nur Teil eines Kollektiv-Körpers ist. Nur die ,alten Hasen’ – der von Louis Wolheim gespielte Katczinsky an erster Stelle – haben sich als under- dogs ein wenig eingerichtet, zynisch, auf die kurzfristige Bewältigung eines elenden Alltagslebens konzentriert, ohne wirkliche Perspektive. Leben unter Fremdbestim- mung. Die Realität des Krieges: Zur Erde werden All Quiet on the Western Front geht noch weiter: Unter der Bedingung des Krieges bil- det sich eine eigene Realität aus, die der Alltagsrealität in der Heimat strikt entge- gengestellt ist. Gelten in jener Wertvorstellungen von Patriotismus, Opferbereitschaft und Heldentum, erweist sich die Realität der Schützengräben als eine Welt ohne alle 15 Die Ent-Individualisierung der Rekruten setzt schon in der Ausbildung ein. Hier geht es darum, individuellen Willen zu brechen, die einzelnen in die militärische Apparatur einzupassen, das Psychische und Private auszu- treiben. Soldat-Werden als eine Transformation des (klein-)bürgerlichen Individuums in eine neue, dem morali- schen und emotionalen Ursprungs-Milieu radikal entfremdete Existenzform. Darum sind die Kasernenhof- Szenen in All Quiet on the Western Front so lang, darum ist die Wandlung des Postboten Himmelstoß in einen Schleifer so bedeutsam. Die Wandlung von jungen Männern in Soldaten bleibt ein Thema des Kriegsfilms bis in die Gegenwart. Erinnert sei an die erste Hälfte von Kubricks Film Full Metal Jacket (1987), der sich ausschließlich der brutalen Gleichrichtung der Rekruten im Ausbildungslager widmet. Patrick Vonderau (2004) nimmt sogar Privat- und Militärwelt als zwei eigene Realitätsregionen an, die mit Werten besetzt sind, die einander aus- schließen; darum ist die Ausbildung zum Soldaten zugleich eine „Grenzüberschreitung“ im Lotmanschen Sinne. All Quiet on the Western Front: Ein Kriegsfilm zwischen den Fronten 35 überindividuellen Werte. Es ist darum folgerichtig, dass der Film diesen Gegensatz zuspitzt. Maschinengewehrfeuer, Bombenhagel, Giftgas: Die Männer in den Gräben verkrallen sich in den Schlamm, schmiegen sich an die Holzstützen der Unterbauten, als müssten sie ein Teil ihrer Umgebung werden. Sie werden zu Erde selbst, und dar- um finden sie mangelhaften Schutz. Verlassen sie das Versteck im Schlamm, werden sie von militärischem Befehl gezwungen in die Minenfelder zwischen den Gräben ge- trieben, wirken sie wie Ameisen, die verzweifelt in eine einzige Richtung rennen, die Orientierung verlieren, in flüchtige Auseinandersetzung mit anderen Gliederpuppen geraten. Manchmal kippt die Realität, zeigt dem einzelnen, dass er ein menschliches Sub- jekt und nicht nur einer von vielen ist. Gerade die Szene, in der Bäumer eine Nacht in einem Granattrichter im Minenfeld neben einem sterbenden Franzosen ausharrt, ist lesbar wie eine Essenz dieses Bruches: Bäumer und Duval, die Kontrahenten, geraten aus dem gleichen Grund in das Erdloch – sie haben Angst, suchen sich zu schützen ge- gen die Allgewalt der Kugeln über ihnen. Sie erkennen sich als Gegner, ein kurzer bar- barischer Kampf, der eine wird mit dem Bajonett tödlich verwundet. Nun erst erkennt der andere, dass er einem einzelnen begegnet ist. Bäumers Entsetzen basiert darauf, dass er den anderen als ein Individuum identifiziert, das einen Namen trägt und einen harmlosen bürgerlichen Beruf ausübt. Bäumer fleht den Sterbenden – der fatalerweise keine Vergebung mehr aussprechen kann – als Individuum an, nicht als Soldaten. Für einen Moment wird das ebenso anonymisierende wie wertfreie Kriegsgeschehen durch einen privaten Moment überlagert: Und umso größer ist das Entsetzen darüber, was mit einem geschieht. Die privaten Werte, die der Krieg aufdeckt, entlarven alles Reden über die Wertstellungen, die den Krieg notwendig machten, die Bäumer zu Beginn sei- ner Zeit als Soldat und während der kurzen Urlaubsepisode hört, als hohle Phrasen. Verantwortung Insbesondere von linker Kritik ist All Quiet on the Western Front vorgeworfen worden, dass er es versäume, den Krieg konsequent auf diejenigen zurückzuführen, die ein – politisches oder ökonomisches – Interesse an ihm haben und denen die Kriegsbereit- schaft der Heimatfront entgegenkommt. Siegfried Kracauer schrieb in der Frankfurter Zeitung (Ausgabe v. 6.12.1930): 36 Hans J. Wulff “Paul, einer der jungen Freiwilligen, wird gelegentlich seines Urlaubs vom Schulpro- fessor aufgefordert, vor die Klasse zu treten und sich durch eine kurze Ansprache zu entflammen. Verweigert sich, dem professoralen Heldengewäsch zu sekundieren, be- teuert verzweifelt, nicht reden zu können. Diese Stummheit kennzeichnet die höchst anfechtbare Neutralität des Films (und natürlich auch des Romans). Sie ist der Er- kenntnis feindlich. Sie steigert den Krieg zum mythischen Schicksal empor, der er nicht ist, und beläßt ihm die Unabwendbarkeit, die er nicht hat.“ Sicherlich ist Kracauers Einwand berechtigt und tief greifend. Aber es steht zu beden- ken, dass der Film strukturell tiefere Kritik übt. Prinzipien wie Anonymisierung des Einzelnen, Marginalisierung privater Wunsch- und Wertvorstellungen, Positionierung des Einzelnen in überindividuellen Organisationsstrukturen, die ihm keine individuel- le Verantwortung übertragen, Serialisierung des Geschehens, De-Narrativisierung – al- les dies sind Prinzipien industrieller Produktion. Implizit behauptet All Quiet on the Western Front den Krieg als industrielle Produktionsstruktur. Film und Buch blieben „in kleinbürgerlichen Ausbrüchen des Mißbehagens“ ste- cken, schreibt Kracauer im gleichen Artikel. Die brutalen Desillusionierungen, die der vollends maschinisierte Krieg im Bewusstsein der Kriegsteilnehmer und vieler Angehö- riger hinterließ, führten historisch zu tiefen politischen und weltanschaulichen Irrita- tionen und Entfremdungen, zu einer globalen Hilflosigkeit, Sinnhorizonte des Politi- schen oder auch nur des alltäglichen Lebens abzustecken, zu Hedonismus oder zu ei- nem neuen, verhärteten Nationalismus. Dabei scheinen manche Szenen wie die lange Nacht, die der Held mit einem sterbenden Franzosen im Granattrichter verbringen muss, verhaltene Kritik an den Identitäts-Orientierungen „Nation“, „Patriotismus“, „Feind“ und dergleichen zu üben; und auch die „Kaiserkritik“ – eine Szene, in der sich die Soldaten über den Kaiser mokieren und die später aus dem Film entfernt wurde – deutet darauf hin, dass All Quiet on the Western Front eine Ent-Ideologisierung der Be- ziehungen der Soldaten (oder sogar allgemeiner: der ‚kleinen Leute’) zu Militär und Krieg und deren Wertewelten beschwört. Der Film ist allerdings aus der Perspektive eines Unpolitischen erzählt, eines „klei- nen Mannes“, wie Fallada ihn nannte, der unter der Gewalt dessen, was über ihn he- reinbricht, alle Sinnhorizonte verliert, die ihm aus Elternhaus und Schule zugänglich und vertraut waren. Das ist ablesbar auch an den wenigen lyrischen Einschüben, die den Film durchziehen. Vorstellungen eines kleinen oder sogar armseligen Glücks wer- den greifbar, die das Private hilflos gegen die Übermacht der Bedingungen zu verteidi- gen suchen. Milestone behandelt gerade diese private moments mit Scham und Re- spekt, verlagert sie manchmal sogar ins Off. Als Bäumer und die junge Französin in ei- ner zufälligen Nacht zusammenkommen, bleibt die Kamera zunächst auf der Nadel ei- All Quiet on the Western Front: Ein Kriegsfilm zwischen den Fronten 37 nes Plattenspielers stehen, die, als das Lied zu Ende ist, noch lange an das Rillenende stößt. Das mehrsprachige, kaum auf Verständigung hinauswollende Liebesgeflüster der beiden bleibt außerhalb des Bildrahmens, als wolle sich der Film hier nicht mehr einmischen. Das pazifistische Umfeld All Quiet on the Western Front ist einer der eindrücklichsten Antikriegsfilme geblie- ben. Er reiht sich in die lange Reihe der pazifistisch orientierten Kriegsgeschichten der 1920er und 1930er Jahre ein.16 Der Roman Remarques steht neben Ernst Johann- sens Vier von der Infanterie (unter dem Titel Westfront 1918 von G.W. Pabst 1930 ver- filmt) oder Humphrey Cobbs Paths of Glory (1935; 1957 von Stanley Kubrick verfilmt). Und die Adaption Milestones gibt neben Filmen wie dem am Ende restaurativen, Werte wie Ehre und Heldentum feiernden The Big Parade (Die große Parade, 1925), Four Sons (Vier Söhne, 1928), James Whales statischem, fast vergessenem Film Journey’s End (1930), dem heute surreal anmutenden The Man Who Reclaimed His Head (1934) oder auch Niemandsland (1931) den Blick frei auf eine historische Phase, in der die unsäg- liche und nie vorhergesehene Erfahrung des Ersten Weltkrieges einerseits in klare pa- zifistische Positionen einmündete, andererseits nach ästhetischen Ausdrucksformen gesucht wurde, die die Schrecken, denen die „verlorene Generation“ (Gertrude Stein) ausgesetzt war, erfassen konnten. Die Traditionen des Anti-Kriegsfilms All Quiet on the Western Front: ein Klassiker und ungemein einflussreicher Film. Er bedient sich mancher Muster, die für eine radikale Kritik des Krieges mehrfach verwendet wurden – das Motiv der Klasse gleichaltriger Jungen, die in kriegerischen Auseinandersetzungen aufgerieben wird wie in A Time to Love and a Time to Die (Zeit zu leben und Zeit zu ster- ben, 1958) oder in Die Brücke (1959), eine konsequent durchgehaltene Ohnmacht der 16 Sicherlich sollte daran erinnert werden, dass der Erste Weltkrieg eine einschneidende historische Erfahrung ge- wesen ist, die ein vielstimmiges literarisches Echo angestoßen hat (aber auch theologische, philosophische, medizinische und ähnliche Reaktionen hatte); vgl. dazu Eksteins 1989, insbes. 275-299. Noch kein Krieg hatte derartig umfassend und totalitär in die Alltagswelt ganzer Völker eingegriffen, hatte so radikale Traumatisierun- gen zur Folge wie dieser. Der Erste Weltkrieg ist darum in der Geschichte des Kriegsfilms der historische Refe- renzkrieg, mit ihm beginnt die Moderne der Kriegführung, die tatsächliche Entmündigung des Subjekts und schließlich der Verlust jeglicher Glaubens- oder Überzeugungstatsachen in den Schützengräben. Alle älteren Kriege werden zwar gelegentlich dargestellt, doch erst der Krieg von 1914-18 gibt dem Genre Kontur. Vgl. als Übersicht über die filmische Adaption des Ersten Weltkriegs Isenberg 1981. Zu den deutschen Filmen zum Thema, die im Lauf der Weimarer Republik entstanden, vgl. Kester 2003. 38 Hans J. Wulff Helden, das Motiv des Fremdwerdens in der Heimat, die Kontrastierung von Szenarien des Schreckens und idyllischen Enklaven der Sehnsucht, die Privatisierung und Intimisie- rung von Musik als eines unerreichbaren Vorscheins von Glück. Dass dem Film seinerzeit die Verleumdung der Leistungen und Tugenden deutscher Soldaten vorgeworfen wurde, dass dabei von der A-Nationalität dessen, wovon der Film erzählt, abgesehen wurde: Das wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf eine Ungleichzeitigkeit des Denkens und Mei- nens, die den kommenden Krieg schon wieder im Sinn hatte. Filmografische Angaben All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues) USA 1930, 131 Min. (D: 136 Min., GB: 147 Min.) Uraufführung: 20.4.1930 (dt. UA: 4.12.1930; UA der rekonstruierten Fassung: 18.11.1984 ZDF) Regie: Lewis Milestone, Buch: George Abbott, Maxwell Anderson, Dell Andrews, nach dem Roman von Erich Maria Remarque (1928), Produktion: Carl Laemmle Jr., Dialog- regie: George Cukor, Kamera: Arthur Edeson (nicht-kreditiert: Karl Freund), Schnitt: Edgar Adams, Darsteller: Louis Wolheim (Katczinsky), Lewis [= Lew] Ayres (Paul Bäumer), John Wray (Himmelstoss), Arnold Lucy (Kantorek), Ben Alexander (Franz Kemmerich), Scott Kolk (Leer). Literatur Andrews, Dell, Maxwell Anderson, George Abbott: „All Quiet on the Western Front“, in: Sam Thomas (Hg.): Best American Screenplays. (1st Ed.) New York 1986. [Anonym]: Der Film „Im Westen nichts Neues“ in Bildern. Berlin 1931. Beller, Hans: „Im Westen nichts Neues (All Quiet on the Western Front, 1929)“, in: Wer- ner Faulstich, Helmut Korte (Hg.): Fischer Filmgeschichte. Bd. 2: Der Film als gesell- schaftliche Kraft 1925-1944. Frankfurt/M. 1991, S. 110-129. Canham, Kingsley (1974): „Lewis Milestone“ in: Clive Denton, Tony Thomas, Kingsley Canham (Hg.): Henry King, Lewis Milestone, Sam Wood. (The Hollywood Professio- nals, Vol. 2.) London, New York 1974, S. 69-117. Chambers, John Whiteclay, II (1994): „All Quiet on the Western Front (1930): The Anti- war Film and the Image of the First World War“, in: Historical Journal of Film, Radio and Television, Jg. 14, Nr. 4, 1994, S. 377-412. [Repr.: „All Quiet on the Western Front: The Antiwar Film and the Image of Modern War“, in: John Whiteclay Chambers II, David Culbert (Hg.): World War II, Film, and History. New York 1996. – Dt.: „All Quiet on the Western Front / Im Westen nichts Neues (1930). Der Antikriegsfilm und All Quiet on the Western Front: Ein Kriegsfilm zwischen den Fronten 39 das Bild des modernen Krieges“, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Das Auge ist ein starker Verführer. Erich Maria Remarque und der Film. Osnabrück 1998, S. 33-50.] Dörp, Peter (1991): „Goebbels’ Kampf gegen Remarque. Eine Untersuchung über die Hintergründe des Hasses und der Agitation Goebbels’ gegen den Roman Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque“, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque Jahrbuch 1. Osnabrück 1991, S. 48-64. Dörp, Peter (1993): „Goebbels’ Kampf gegen Remarque (2). Eine Untersuchung über die Hintergründe des Hasses und der Agitation Goebbels’ gegen den amerikanischen Spielfilm Im Westen nichts Neues nach dem gleichnamigen Bestsellerroman von Erich Maria Remarque“, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque Jahr- buch 3, Osnabrück 1993, S. 45-72. Eksteins, Modris: Rites of Spring. The Great War and the Birth of the Modern Age. Lon- don 1989. Eksteins, Modris: „All Quiet on the Western Front“, in: David W. Ellwood (Hg.): The Mo- vies as History. Visions of the Twentieth Century. Stroud 2000, S. 18-25. Gooch, Herbert E., III: „Isolationism in All Quiet on the Western Front“, in: Beverly Mer- rill Kelley et al. (Hg.): Reelpolitik: Political Ideologies in ‘30s and ‘40s Films. (Prae- ger Series in Political Communication.) Westport (Conn.) 1998, S. 95-113. Hanisch, Michael: „Sein Thema war der Krieg. Lewis Milestone und sein weitgehend un- bekanntes Werk“, in: Film-Dienst, Nr. 20, 1995, S. 4-7. 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Ist auch der Terrorismus ein Sujet des Kriegsfilms, wäre also auch die RAF ein Sujet des Genres und Reinhard Hauffs Stammheim (1986) damit ein Kriegsfilm? Ist für den Kriegsfilm die Darstellung von Schlachten konstitutiv, geht es nur um nationale, um kollektive oder auch um individuelle Entscheidungen? Gibt es einen deutschen Kriegsfilm, und wenn ja, was sind seine Eigenheiten? I. Zum Genreverständnis Genres sind Verständigungsbegriffe, um die Kommunikation über Filme zu erleich- tern.1 Zum Genre gehört deshalb, was in der Kommunikation über Filme diesem zuge- rechnet wird. Genres stellen als Ordnungssysteme Traditionen heraus und neigen zur Beständigkeit. Neubestimmungen des Genres, Erweiterungen oder Umdefinitionen seiner Kerne müssen sich vor allem im Diskurs durchsetzen, indem sie sich für die Dis- kursteilnehmer angesichts der zu ordnenden Filmgruppen als evident erweisen. Genres sind Abstraktionen, die in einem Spannungsverhältnis zu den konkreten Filmen stehen. Film und Genre sind deshalb nie deckungsgleich, das Genre kann als Systematisierungsversuch verstanden werden, wo hingegen die konkreten Filme sich zu den Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Genres eigenständig verhalten und sich den Genrevorschriften immer wieder entziehen wollen, um nicht vollständig in der bloßen Bestätigung innerhalb des Erwarteten aufzugehen. Für die Filmanalyse als Genreanaly- se bleibt deshalb immer ein Rest, der sich einer vollständigen Zuordnung von Film und Genre entzieht. Der Kriegsfilm hat primär historisch belegte Kriege zwischen Staaten und die in diesem Kontext stattfindenden Auseinandersetzungen (also auch die Kämpfe von Par- tisanen) zum Gegenstand. Dazu zählen im europäischen Kontext vor allem der Erste und Zweite Weltkrieg. Bei neueren, auch in Europa geführten Kriegen (Bosnienkrieg, Kosovokrieg) wird von einem asymmetrischen Krieg2 gesprochen, weil bei solchen Kriegen nicht mehr nur zwei oder mehr Staaten als Kombattanten auftreten, sondern unterschiedliche Parteien (auch Milizen, Guerillagruppen, Warlords mit ihren Truppen, etc.) Krieg führen, die sich von ihrer Bewaffnung sehr ungleichgewichtig gegenüber 1 Vgl. Hickethier 2002. 2 Münkler 2002. 42 Knut Hickethier stehen, so dass jede Kriegspartei einen ganz anders gearteten Krieg führt. Die Frage, ob etwa Filme, die sich z. B. mit dem 11. September 2001 auseinandersetzen, als Kriegsfilme zu verstehen sind, wird davon abhängig, ob das Modell des asymmetri- schen Krieges gelten kann. Ob zwischen den Anschlägen des 11. September und den Kriegen zwischen Staaten filmgenrebezogen zu differenzieren sein wird, ist zu ent- scheiden, wenn dafür hinreichend fiktionale Produktionen vorliegen, die eine Genre- einordnung notwendig machen und sich eine solche Differenz im Diskurs entspre- chend etabliert hat. Der Verwendung des Kriegsbegriffs liegt immer eine politische Entscheidung zu- grunde. Reinhard Hauffs Film Stammheim (1986) wird z. B. deshalb nicht als Kriegs- film verstanden, weil damit dem Selbstverständnis der RAF Vorschub geleistet werden würde, die sich selbst als ‚im Krieg’ mit dem kapitalistischen System sah und damit ihre mörderischen Aktionen legitimierte. Gerade in das Verständnis des Kriegsfilms geht also immer auch ein politisches Selbstverständnis einer Diskursgemeinschaft mit ein. Ein besonderes Beispiel ist der ZDF-Film Der Dritte Weltkrieg (1998), der schon vom Titel her dem Genre zugehört, aber eher dem Fernsehfilmgenre der ‚negativen Utopien’ zuzurechnen ist, da er von realen Ereignissen ausgehend Szenarien einer katastrophi- schen Entwicklung ausmalt. Vergleichbare Filme sind Im Zeichen des Kreuzes (1983), der die Folgen eines Atomunfalls in der Nähe Gorleben ausmalt, oder der ZDF-Film Die Bombe (1987), der von einem Attentatsversuch mittels einer Atombombe in Hamburg handelt. Der Dritte Weltkrieg entwickelt ein Szenario, was geschehen wäre, wenn Gor- batschow sich 1989 nicht durchgesetzt hätte, sondern ein sowjetischer Hardliner we- gen der Unruhen in der DDR einen Dritten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hätte. Der Film zeigt zwar mit vielen dokumentarischen Aufnahmen handelnder Politiker, wie es zu einem Kriegsbeginn hätte kommen können, stellt den Krieg selbst letztlich nur am Rande, als Ergebnis einer politischen Fehlentwicklung dar. Bei dem Film handelt sich letztlich um einen dokumentarisch-fiktionalen Politthriller. Grundsätzlich kennt der Kriegsfilm unterschiedliche Legitimationen des Tötens. Das Kriegshandeln, das immer auch ein Töten impliziert, sieht den offenen Kampf ge- gen den Gegner und in ihm das Töten als legitim an, weil es um eine existentielle He- rausforderung des Gemeinwesens geht, der Tod letztlich anonym ist, der Tötende sein Opfer nicht kennt und es nicht aus dieser Kenntnis heraus tötet. Die Faszination gera- de des amerikanischen Kriegsfilms begründet sich geradezu in dieser ‚männlichen Aus- einandersetzung’ mit dieser Herausforderung und um die Bewährung des Einzelnen in der Erfüllung seines ‚höheren’ Auftrags durch das Gemeinwesen. Abgegrenzt davon sind Tötungshandlungen aus individueller Motivation des eigenen Vorteils, der Rache, der kleinlichen Berechnung, des Gewinnstrebens usf. Diese gelten als illegitim, mora- lisch verwerflich und verlangen eine Bestrafung, wenn nicht das Schicksal selbst in Form einer Granate, einer Bombe oder ähnlichem die Bestrafung vornimmt. Kriegsfil- me haben häufig diese Grenzziehung zwischen legitimem und illegitimem Töten zum Thema, indem sie Wertungen vornehmen und das Handeln der Figuren danach unter- scheiden. Gerade der deutsche Kriegsfilm begründet seine Spezifik und die Auseinan- dersetzung mit dem Schuldproblem immer wieder auf diese scharfe Trennung. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 43 II. Die nationale Determiniertheit des Kriegsfilms Kriegsfilm ist nicht gleich Kriegsfilm. Wie bei kaum einem anderen Genre gibt es na- tionale Determinanten. Setzt man voraus, dass sich der Kriegsfilm auf konkrete histo- risch belegte Kriege bezieht, sind die kollektiven Erfahrungen dieses Krieges, die eine Gesellschaft gemacht hat, sind die Erinnerungen an diesen Krieg essentiell für die Ge- schichten, die das Genre von diesem Krieg erzählt. Das reale Kriegsgeschehen selbst ist – auch wenn die Geschichten, die der Kriegsfilm erzählt, fiktional sind und nicht unbedingt mit realen Begebenheiten des Krieges verbunden sein müssen – konstitu- tiv für das Genre, es bildet den Hintergrund, das ‚Set an Erfahrungen’ vor dem eine Ge- schichte erzählt wird. Darin markiert sich auch die Differenz zum Militärfilmgenre, das Geschichten vom Militär in Friedenszeiten erzählt und sich häufig der Form der Komö- die bedient. Konstitutiv für das Kriegsfilmgenre sind die kollektiven Erfahrungen des Krieges, und diese sind für die Deutschen in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg mit der Niederla- ge, mit den nationalsozialistischen Verbrechen, den Massenmorden an den Juden und anderen Bevölkerungsgruppen, den Untaten an der Zivilbevölkerung und weiteren ne- gativen Erfahrungen verbunden. Für die Deutschen verbindet sich der Zweite Weltkrieg unauflösbar mit dem Begriff der Schuld. Dem gegenüber ist für andere europäischen Länder das Kriegsfilmgenre eng mit der Thematisierung des Widerstands, der Résistan- ce und dem Partisanenkampf verbunden und wird mit einem Anspruch der Notwendig- keit des Kämpfens versehen. Für eine Siegernation seien Kriegsfilme kein Problem, stellte der Filmkritiker Wal- ter Schmieding auf dem Höhepunkt der deutschen Kriegsfilmwelle 1958 fest, denn der Held sei bei den Siegern in der Regel ein „ernsthafter und grüblerischer Mensch“, der zwar eine Abneigung gegenüber dem Töten habe, aber nach innerer Auseinanderset- zung die Notwendigkeit des Kampfes für sein Vaterland und die Verteidigung der De- mokratie einsehe. Für den deutschen Film sei eine solche Konstruktion nicht möglich, denn, so Schmieding 1958, „der einzelne mochte kein Held mehr sein, er wollte nicht an große Zeiten erinnert werden, die schmählich geendet hatten, und er konnte in der Beschwörung seines verbissenen Kampfes zunächst nur eine absolut sinnlose Aktion sehen“3. Und Sten Nadolny konstatiert zum Kriegssujet noch 2005: „Heroismus ist, nach den überreichen Erfahrungen mit totalitären Regimen und zwei Weltkriegen, nach all dem unendlichen Missbrauch der menschlichen Fähigkeit zur Hingabe, nur noch schwer nachzuvollziehen.“4 Der deutsche Kriegsfilm nach 1945 musste also andere Erzählungen vom Krieg he- rausstellen. Für ihn bedeutet dies, dass er sich vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt und – noch wichtiger – dass er nicht nur das militärische Geschehen be- handelt, sondern auch das NS-Regime und dessen Verbrechen bis hin zu den Massen- morden an den europäischen Juden (‚Holocaust’, ‚Shoah’) thematisiert – zumindest um diese Verbrechen weiß und sie anspricht. Der deutsche Kriegsfilm bezog sich vor dem 3 Schmieding 1958. 4 Nadolny 2005. 44 Knut Hickethier Hintergrund der großen, von den Deutschen in Gang gesetzten Vernichtungen und Zerstörungen stärker auf eine Friedensethik und argumentierte letztlich immer auch politisch-moralisch.5 Der Kriegsfilm ist, deutlicher als manche anderen Genres, immer bezogen auf den gesellschaftlichen Kontext seiner Entstehungszeit. Neben seinen Erzählweisen und Motiven spielen die Funktionen eine zentrale Rolle, die er für die Gesellschaft und für den Einzelnen einnimmt. Von diesen aus gesehen, ist die Darstellung des Krieges zu- meist auf eine andere Zeit bezogen als die Zeit des Krieges; Kriegsfilme, die den gerade sich ereignenden Krieg thematisieren, dienen in der Regel der Propaganda, damit der Legitimation und der Motivation des gerade geführten Kampfes (etwa Rolf Hansens Die große Liebe, 1942). Häufig wird jedoch auch hier ein historischer Krieg als Modell für die aktuelle Propaganda des Durchhaltens und des Opfers verwendet (Veit Harlan: Kol- berg, 1944). Kriegsfilme sind vom Sujet her überwiegend historische Filme und werden in Zeiten des Friedens gedreht. Das Filmgeschehen steht damit in Spannung zum Wer- tesystem und den Anschauungen seiner Herstellungszeit. Der Kriegsfilm erzählt des- halb mehr über die Zeit, in der er entsteht, als über den Krieg, von dem er handelt. Nach 1945 konnte der deutsche Kriegsfilm nicht mehr ein soldatisches Durchhal- ten bis zum letzten Mann propagieren, konnte auch nicht mehr das Opfer für das Vater- land um jeden Preis etc. herausstellen, sondern musste zum einen die Schuldfrage auf- nehmen, zwischen sinnvollem und sinnlosen Einsatz differenzieren und dem grund- sätzlichen Friedenswunsch bei weiten Teilen der Bevölkerung und damit auch des Ki- nopublikums Rechnung tragen. Daraus resultierten dann die verschiedenen Narrative, die der deutsche Kriegsfilm nach 1945 entwickelte. Mitte der 1950er Jahre beispielsweise beziehen sich alle deutschen Kriegsfilme direkt oder indirekt auf die Debatte um die bundesdeutsche Wiederbewaffnung und die Schaf- fung der Bundeswehr.6 Sie versuchen, implizit ein Leitbild und damit eine Legitimation für die neue Armee zu geben, indem sie von Standhaftigkeit, Einsatzbereitschaft, aber auch von moralischer Redlichkeit und dem richtigen Dienen im Sinne der Gemeinschaft handeln. Indem sie den Gegensatz zum verbrecherischen NS-Regime herausstellen, wer- ben sie für eine andere moralische Basis einer nun demokratischen Armee. Doch sie leisten diese Kritik oft nur indirekt und in dunklen Andeutungen. So pole- misiert 1959 der Journalist Gerhard Schoenberner, selbst Mitglied der Freiwilligen Selbstkontrolle Film (FSK), gegen die Mehrheit der Mitte der 1950er Jahre produzier- ten deutschen Kriegsfilme: „Alle diese Filme zeigen den Krieg isoliert. Sie alle lassen die politische Konzeption unberücksichtigt.“ Und weiter: „Die Filme erregen den Ehr- geiz, es den Filmhelden gleichzutun. Krieg als Charakterschule.“ Er resümiert: „Krieg als vorgegebenes Schicksal, gegen das man nichts machen kann. Der Kriegsfilm hilft so, Kriege zu machen.“7 Schoenberner stellt den Kriegsfilm als extrem widersprüchliche Konstellation dar: „Der Kriegsfilm zeigt Menschlichkeit als Schwäche, Verzweiflung als Heroismus, den 5 Vgl. auch Baier 1980, Becker/Schöll 1995. 6 Vgl. Bleicher/Hickethier 2005. 7 Schoenberner 1959. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 45 Kampf als Mutprobe, das Töten als Sport, die Zerstörung als Aufgabe, den Schrecken als Schönheit, das Chaos als Poesie, die Ausnahme als Regel, die Regel als Ausnahme, das Ende als Anfang, den Wahnsinn als Sinn“.8 Hinter einer solchen Beschreibung steht – quasi als reziproke Darstellung – die Vorstellung, was ein ‚Antikriegsfilm’ zu leisten habe. In den 1960er Jahre bilden die Auschwitz-Prozesse und überhaupt die Auseinan- dersetzung mit der NS-Zeit die Folie, vor der die Kriegsthematisierung zu sehen ist. In dieser Zeit koppelte sich auch die Beschäftigung mit dem Holocaust vom Kriegsfilm- genre ab, verselbständigt sich. So spielt z. B. Frank Beyers Jakob, der Lügner (1975) vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs, aber den Film, dessen Handlung in den letzten beiden Wochen vor der Vernichtung des Warschauer Ghettos angesiedelt ist, deshalb als Kriegsfilm zu bezeichnen, scheint dem allgemeinen Verständnis dieses Genres wenig zu entsprechen. In den 1990er und 2000er Jahren bildet die Aufwertung des deutschen Wider- stands den Hintergrund der Thematisierung des Krieges, obwohl wir in dieser Zeit ei- nen klaren deutlichen Funktionszusammenhang (noch) von Krieg und Produktionsge- genwart der Filme nicht genau ausmachen können. Vereinzelt wird auch der Topos ei- ner ‚Normalisierung’ des Verhältnisses zur Armee und zu deren Bereitschaft zum Ein- satz herausgestellt. Die Debatte, ob der von Bernd Eichinger produzierte Der Untergang (2004), der das Ende des Zweiten Weltkriegs in Hitlers ‚Führerbunker’ in Berlin zeigt, nicht doch aus Hitler einen ‚tragischen Helden’ mache, ist in diesem Kontext zu sehen. Vielen Kritikern war das Herausstellen des Verbrecherischen des NS-Regimes nicht deutlich genug. Die implizite Heroisierung der Hauptfiguren, Kennzeichen des Kriegs- films, scheint in diesem Film als narratives Grundmuster durchzuschlagen. Ähnlich entwickelte sich die Kritik an Heinrich Breloers Fernsehmehrteiler über Hitlers Rü- stungsminister Albert Speer Speer und Er (2005). Die Definition der Grenzen des Genres und deren Veränderungen werden bezeich- nenderweise anfangs nicht vom Kinofilm, der oft in den Konventionen und narrativen Mustern des NS-Films stecken bleibt (etwa Alfred Weidenmanns Der Stern von Afrika von 1957 folgt in einigen Szenen dem Muster von Rolf Hansens Die große Liebe), son- dern vom Fernsehfilm ausgeweitet (Fritz Umgelters Am grünen Strand der Spree, 1960; Egon Monks Ein Tag, 1965). Überhaupt hat der Fernsehfilm die Grenzen des Kriegsgen- res in der Anfangszeit am stärksten zur Thematisierung des NS-Regimes und der Mas- senvernichtung der Juden verschoben und sich am deutlichsten gegen die narrativen, oft den Krieg glorifizierenden Konstruktionen einerseits des deutschen und anderer- seits des amerikanischen Kinokriegsfilms verwehrt. Das Fernsehen konnte sich aufgrund seiner von den Publikumserwartungen weni- ger abhängigen Produktion mehr Freiheiten leisten, konnte auch in stärkerem Maße Tabus anrühren und deutlicher eine moralisch-pädagogische Haltung gegenüber dem Publikum einnehmen. Schon 1956 zeichnete beispielsweise das westdeutsche Fernse- hen mit der Adaption von Albrecht Goes Unruhige Nacht (R: Franz-Peter Wirth, 1955) ein positives Bild eines deutschen Deserteurs, der standrechtlich erschossen wird, bei 8 Ebd. 46 Knut Hickethier dem aber die Sympathien der Zuschauer liegen (mit verändertem Schluss inszenierte Falk Harnack 1958 die Geschichte noch einmal als Kinofilm). Die positive Darstellung des Deserteurs war zu dieser Zeit im deutschen Kinofilm undenkbar. Auch sind in der Folgezeit bis heute alle fiktionalen audiovisuellen Kriegsdarstellungen immer vor dem Hintergrund zahlreicher Dokumentationen und Berichte über den Zweiten Weltkrieg im Fernsehen zu sehen, die einen ständig aktualisierten Wissenszusammenhang über den Krieg anboten. Poetik des Endes eines Deserteurs in der TV-Adaption von Unruhige Nacht. Die Funktionalität der Thematisierung des Zweiten Weltkriegs für Probleme und Kon- stellationen der Gegenwart seiner Produktion und Rezeption lässt sich nicht immer so handfest zeigen wie beim Kriegsfilm der 1950er Jahre und dessen Bezug auf die Remi- litarisierung der Bundesrepublik. Dies hat in den letzten Jahren in der Genredebatte dazu geführt, den Kriegsfilm stärker in den Kontext der Erinnerungskultur zu rücken und vereinzelt auch für die 1950er Jahre den Konnex von Wiederbewaffnung der Bun- desrepublik und deutscher Kriegsfilmproduktion abzustreiten.9 Dass eine Propaganda- wirkung zur „Weckung der Wehrbereitschaft“, wie es Wilfried von Bredow 1973 pole- misch formulierte10, nicht als Intention der Bundeswehr-Generalität aus den Akten von Armee und Verteidigungsministerium herauszulesen ist und die Filme nicht zu ei- ner tatsächlich vorhandene Wehrbereitschaft geführt haben, stellt den Konnex von Schaffung der Bundeswehr und dem Kriegsfilm nicht grundsätzlich in Frage, sahen doch zahlreiche zeitgenössische Filmkritiker – und offenbar auch zahlreiche Zuschau- er – diesen Zusammenhang als gegeben an und thematisierten ihn vielfach. III. Die Konkurrenz des deutschen mit dem amerikanischen Kriegsfilm Das Dilemma des deutschen Kriegsfilms besteht darin, dass das bundesdeutsche Kino seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vom amerikanischen Kriegsfilm dominiert wird. Eine Untersuchung über das Filmangebot der Jahre 1945 bis 1960 zählt allein 275 Kriegsfilme, der Filmkritiker Eckart Schmidt kam 1964 für die Jahre 1953 bis 1958 sogar auf über 737 Kriegfilme, davon bis 1958 allein 588 Filme.11 In diesen Zahlen sind auch in großem Um- fang amerikanische Produktionen enthalten. Sie erlaubten dem männlichen deutschen Publikum traditionelle Identifikationen mit überkommenen Männlichkeitsidealen, Omni- 9 Vgl. dazu Hugo 2003. 10 Bredow 1975, 318. 11 Stock/Köster 1977, 9. Schmidt 1964. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 47 potenzvorstellungen, Kampfsituationen und Technikfaszinationen und betrieben zudem das Geschäft der Westintegration, indem sich die deutschen Zuschauer mit den GIs und der amerikanischen Sicht auf die Welt identifizierten. Eine derartige, in der Regel unge- brochene Darstellung des Krieges war im deutschen Kriegsfilm aufgrund der deutschen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs nicht möglich. Dabei war der amerikanische Kriegsfilm selbst defizitär und in seiner Dramaturgie und in der Inszenierung des Kriegsspektakels letztlich ‚antiquiert’. Denn den ultimati- ven Krieg, den die USA selbst mit dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasa- ki evoziert hatten, und der als Schreckensbild hinter jeder aktuellen Kriegsthematisie- rung stand, wurde im amerikanischen Kriegsfilm mehr oder weniger systematisch aus- geblendet. Am Atomkrieg gingen letztlich die Konventionen des Genres zu Schanden, der Atomkrieg als real bereits geführter Krieg desavouierte das Genre als einen auf Realität bezogenen Erzählrahmen. In der filmwissenschaftlichen Diskussion ist vielfach die These zu lesen, dass der amerikanische Kriegsfilm die Muster auch für den deutschen Kriegsfilm nach 1945 ge- liefert habe. Wiederum Wilfried von Bredow formulierte 1973 pointiert, dass die ameri- kanischen und britischen Kriegsfilme „das Terrain“ für den deutschen Kriegsfilm vor- bereitet hätten.12 Doch der deutsche Film bedurfte einer solchen Hilfe nicht, verfügten doch die das bundesdeutsche Kino bestimmenden deutschen Regisseure über genü- gend eigene Erfahrung in der Inszenierung von Kriegsfilmen, die sie bereits im ‚Dritten Reich’ sammeln konnten. Auch wird dabei die grundsätzliche Differenz in der Themati- sierung des Krieges bei deutschen und amerikanischen Filmen des Genres verkannt. In den amerikanischen Kriegsfilmen im bundesdeutschen Kino war in den 1950er Jahren vor allem die Darstellung des Koreakrieges und der Pazifikschlachten des Zwei- ten Weltkriegs dominant, die Filme über die alliierte Invasion dagegen, mutmaßte Eckart Schmidt, wurden offenbar eher in Japan gezeigt.13 Der amerikanische Kriegsfilm präsentierte vor allem einen Krieg, der in der ‚Ferne’ spielte (wie es auch den Erfahrun- gen der großen Mehrheit der amerikanischen Zuschauer entsprach). Damit koppelte er sich tendenziell ab von den eigenen Kriegserlebnissen der deutschen Zuschauer und konnte auf diese Weise als Abenteuer- und Heldengeschichte rezipiert werden. Das Genre etablierte sich auf diese Weise in einer ambivalenten Gestalt im deutschen Kino und oszillierte zwischen den spektakulären Gewalt-Technik-Männer-Illuminationen des amerikanischen und der moralischen, die eigene Schuld thematisierenden Didaktik der deutschen Genrebeiträge. Man kann daraus den Schluss ziehen, das der deutsche und der amerikanische Kriegsfilm im Kino für unterschiedliche Gefühlsbereiche stan- den, dass die jeweiligen Filme teilweise sogar gegensätzlichen Gefühlskonglomeraten verbunden waren: Während auf der einen Seite Erregung, Gewalt, Omnipotenzan- spruch, Kampf und existentielle Angst mobilisiert werden, geht es auf der anderen Sei- te um Verantwortung, Gerechtigkeit, Moralität und Menschlichkeit. Der amerikanische Kriegsfilm wurde – vor allem was seine Spektakularität, die Dar- stellung des Kriegsgeschehens und die Herausstellung von Männerbildern betrifft – zu- 12 Bredow 1975, 321. 13 Schmidt 1964. 48 Knut Hickethier nehmend zum Maßstab, an dem auch die neueren deutschen Kriegsfilme gemessen wurden, während deren spezifischer Charakter mit immer größerem Zeitabstand zum Ende des Zweiten Weltkriegs verblasste. Gegenüber den amerikanischen Kriegsfilmen wirkten die deutschen Produktionen des Genres deshalb häufig weniger hart und we- niger spektakulär. Dieses Image der Biederkeit und Moralität hat vor allem die Ein- schätzungen jüngerer Zuschauer, denen die realen Kriegserinnerungen und eigenen Kriegserfahrungen fehlten, vom deutschen Kriegsfilm geprägt.14 Dabei werden die Lei- stungen des deutschen Kriegsfilms oft verkannt, der zu einem wesentlichen Teil auch das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft mit beeinflusst hat. Seit den 1970er Jahren gibt es Versuche, sich vereinzelt den – sich historisch auch verändernden – amerikanischen Standards anzunähern, etwa in der deutsch-britischen Koproduktion Steiner – das Eiserne Kreuz I und II (1978), der zumindest in der Darstel- lung von Brutalitäten an die amerikanischen Kriegsfilme der Zeit anschloss. Joseph Vilsmaiers Film Stalingrad (1993), der den Überlebenskampf im Stalingrad-Kessel dar- stellt, blieb ohne Genre-Fortsetzung ebenso wie Oliver Hirschbiegels Der Untergang (2004). Die deutschen Kriegsfilme wie Steiner, Das Boot (1981), Stalingrad oder Der Untergang stellten seit den 1970er Jahren Einzelfilme dar, die letztlich keine eigene deutsche Genretradition begründeten. IV. Der deutsch-deutsche Kriegsfilm So wie die Thematisierung des Zweiten Weltkriegs im deutschen Film von der Situati- on der militärischen Niederlage und moralischer Schuld bestimmt wird, so wird er auch durch die deutsche Teilung geprägt. Der deutsche Kriegsfilm – vor allem in den 1960er Jahren – ist deshalb auch ein politischer Film. Die Verarbeitung des Krieges im Film der DDR und der Bundesrepublik Deutschland erfolgt unterschiedlich und bezieht sich jeweils auf den Gründungsmythos der beiden deutschen Teilstaaten, in die Krieg und Niederlage eingeschrieben sind als Zäsur, von der aus alles neu zu beginnen hat. In der Bundesrepublik wird zunächst Bezug genommen auf eine letztlich tapfere und redliche Wehrmacht, deren ‚Anständigkeit’ letztlich durch den Widerstand des 20. Juli noch gesteigert wird und der als Widerstand der Offiziere vor allem eine innere Haltung begründet. Zunehmend wird die Schuld an den Verbrechen des NS-Regimes thematisiert und verurteilt und aus der Verurteilung eine Verpflichtung für die Bundes- republik abgeleitet. In der DDR wird der Krieg insgesamt als faschistischer Krieg ver- standen. Der Gründungsmythos der DDR bezieht sich auf den aktiven Widerstand gegen Hitler und die Zerschlagung des NS-Regimes durch die Rote Armee, zu der ein direkter Wechsel der Einzelnen von deutscher Seite her legitim ist, um den Faschismus aktiv zu zerschlagen.15 Gemeinsam ist den deutsch-deutschen Genrevarianten der Gegensatz zwischen den Wehrmachtssoldaten auf der einen und SS, Gestapo, SD auf der anderen Seite. Im bun- desdeutschen Film vor allem der 1950er Jahre wird dieses Muster grundlegend als 14 Vgl. auch Schlinker 1965. 15 Vgl. Hickethier 2005. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 49 Schwarzweiß-Gegensatz verwendet. Im DDR-Film wird dieser Gegensatz weniger stark betont, hier ist auch die Wehrmacht und der in ihr herrschende preußische ‚Kadaver- gehorsam’ nie schuldlos. Während die Helden im bundesdeutschen Kriegsfilm vor al- lem innere Auseinandersetzungen zwischen Pflichtgefühl und Gewissen führen, zielt der DDR-Film auf eine klare Entscheidung sowohl der Figuren als auch der Zuschauer für die richtige Seite im Krieg (Konrad Wolfs Sterne, 1958; Oliver Hagens Gewissen in Aufruhr, 1961; Joachim Kunerts Die Abenteuer des Werner Holt, 1965), und diese ist die der Roten Armee oder nach dem Krieg die DDR. Hier gilt als Ausdruck der klaren Entscheidung der Seitenwechsel der Helden, der im bundesdeutschen Film verpönt ist und häufig mit dem Charakterbild der Feigheit verknüpft wird. Kapitulation ist im bundesdeutschen Film nur den obersten Generälen erlaubt (Paulus in Frank Wisbars Hunde wollt ihr ewig leben, 1958) und auch die wird letztlich zwiespältig betrachtet. Der bundesdeutsche Film bleibt in den 1950er Jahren indifferenter, die Perspektive der Figuren ist hoffnungslos, es bleibt nur eine innere Distanz zum Krieg und NS-Regime (Der Stern von Afrika, Frank Wisbars Haie und kleine Fische, 1957), letztlich sind alle tragische Helden, die die Sympathie der Zuschauer verdienen, auch wenn sie sinnlos weiterkämpfen. Vom Umfang der Genreproduktionen ist die Gewichtung zwischen West und Ost unter- schiedlich: Die Defa produzierte relativ wenig Filme, die sich mit dem Krieg beschäftig- ten, während der bundesdeutsche Film vor allem in den 1950er Jahren zahlreiche Kriegs- filme ins Kino brachte. Der bundesdeutsche Film wollte – bei all seinem Verständnis für eine geläuterte militärische Ausstattung der Gesellschaft – dann doch auch unter der Hand den Bedarf an Bildern vom Kriege befriedigen, auf die die amerikanischen Genrepro- duktionen abzielten. Er wollte auch der Verarbeitung der individuellen Erinnerungen die- nen. Denn dieser Aspekt darf nicht vergessen werden: Gerade in den 1950er Jahren, also in den 15 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, bestand für ein männliches Publikum ein Bedarf, die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen zu bewältigen, ohne sie im Detail selbst ansprechen zu müssen. Das Kriegsfilmgenre konnte mit seinen Filmen die Erinnerungen thematisieren und bot Formulierungsvorschläge an, während die Zuschauer über ihr eige- nes Handeln im Krieg selbst schweigen konnten. Denn für das Selbstverständnis der Zu- schauer durften der Einsatz für den Krieg, das Durchhalten und die Opfer nicht gänzlich umsonst sein, sondern mussten zumindest einen höheren oder allgemeinen Sinn gehabt haben.16 Eine solche Notwendigkeit der individuellen Verarbeitung der eigenen Erlebnisse benötigte der DDR-Film nicht, weil er die Verarbeitung der Kriegserfahrungen über den fortbestehenden antifaschistischen Kampf ermöglichte. V. Antikriegsfilm und Kriegsfilm Seit Beginn des bundesdeutschen Films 1949/50 besteht mit der Einrichtung der Frei- willigen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) die Auflage, dass deutsche Filme u. a. keine militaristischen Tendenzen fördern durften. Damit verband sich die schon seit den 1920er Jahren bestehende Formel vom ‚Antikriegsfilm’, der gegen Krieg und 16 Vgl. Hickethier 2005a. 50 Knut Hickethier Kriegsbegeisterung mobilisieren sollte. Die Diskussion darüber wurde von den frühen 1950er Jahren bis in die Gegenwart geführt, weil die Ambivalenz solcher kategoria- len Differenzierung offenkundig war. Seit Michael Radtkes dezidierter Analyse von 1971 gilt – auch aus darstellungslo- gischen Gründen – dass der Antikriegsfilm immer „die stille Legitimierung eines jeden kriegerischen Films“ liefert, wenn er sich des Kriegs als Folie bedient.17 Denn er eta- bliert, so Radtke, damit den Krieg nicht als Übel, sondern als Faktum. Von einem Anti- kriegsfilm kann man letztlich nur sprechen, wenn er vom Frieden handelt und diesen zum Thema hat. Rainer Gansera hat dies 1988 noch einmal aufgegriffen und betont, das Kino könne dem militärischen Blick nur entkommen, wenn es lerne, ganz anders mit den Menschen, die es zeige, umzugehen, also diese nicht nur objekthaft erfasst und sie zum bloßen Material macht.18 Doch die Differenzierung war auch aus anderen Gründen problematisch. Denn der Kriegsfilm selbst hatte immer auch andere Ziele als eine grundsätzliche Abwehr gegen Krieg überhaupt zu erzeugen. Der Bezug der bundesdeutschen Kriegsfilme zur Wieder- bewaffnung vertrugen sich z. B. nicht mit einer grundsätzlich pazifistischen Haltung, sondern der deutsche Kriegsfilm der Zeit sollte eine andere, ‚menschlichere’ Kriegsfüh- rung begründen, sollte das Konzept des ‚Bürgers in Uniform’ und der ‚Inneren Führung’ legitimieren helfen. Die Kriegsthematisierung in der DDR dagegen zielte auf eine di- rekte Bereitschaft für die Weiterführung des antifaschistischen Kampfes, und auch hier zielten die Filme deshalb nicht grundsätzlich auf eine Antikriegsstimmung. Quer zu diesen Positionen stand Bertolt Brechts Stück Schwejk im Zweiten Weltkrieg, das auch der SDR 1961 in einer Verfilmung zeigte, wobei diese Verfilmung auf heftige Kri- tik innerhalb der ARD stieß, weil man vom Kommunisten Brecht nach dem Mauerbau im Westen nichts zeigen dürfe. Gleichwohl hat die Gegenübersetzung von Kriegsfilm und Antikriegsfilm die deut- sche Debatte und die deutsche Rezeption des Genres stark beeinflusst.19 ‚Antikriegs- film’ implizierte deshalb die Prämisse einer moralisch-politischen Grundhaltung: Ei- gentlich ist der Krieg immer von Übel, aber um bestimmte gesellschaftliche und menschliche Grundwerte zu verteidigen, ist manchmal das Kriegführen notwendig. In der Darstellung des Zweiten Weltkriegs aus einer deutschen Perspektive meinte ‚Anti- kriegsfilm’, dass der vom NS-Regime ausgelöste Krieg grundsätzlich falsch war und die Figuren innerhalb dieses falschen und verbrecherischen Krieges zumindest ihre eigene Menschlichkeit und moralische Position bewahren mussten und sich nicht korrumpie- ren lassen durften. Fast immer stehen in den Filmen deshalb individuelles Handeln und militärisches Agieren der Kriegsparteien gegeneinander, wird ein Gewissenskonflikt für den Einzelnen in unterschiedlicher Form zum eigentlichen Thema des Films. Der Held, die Heldin muss sich für eine menschliche Haltung entscheiden. Dass er/sie den- noch umkommt, offenbart dann dem Zuschauer das Tragische der Menschen in diesem Kriege, soll auch gegen die Unmenschlichkeit des Krieges demonstrieren. 17 Radtke 1971, 15. 18 Gansera 1988. 19 Vgl. Hickethier 1990a. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 51 In Helmut Käutners Die letzte Brücke (1953) z. B. entscheidet sich eine deutsche Lazarettschwester dafür, den Partisanen zu helfen und damit gegen eine militärische Pflicht, und wird am Ende auf der Brücke ‚zwischen den Fronten’ erschossen. Die menschliche Haltung ist in diesem Krieg nicht möglich, diese Haltung wird als eine ‚weibliche’ und zudem ärztlich motivierte relativiert. Im Gegeneinander von ärztlicher und militärischer Pflicht wird dieses moralische Problem in einigen Filmen auch insti- tutionalisiert (Géza von Radványis Der Arzt von Stalingrad, 1958; Wolfgang Liebenei- ners Taiga, 1958). Im Grunde wirkt in jedem Film auch das erzählerische Prinzip der ‚poetischen Ge- rechtigkeit’, nachdem die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden. Dass der Kriegsfilm häufig zeigt, dass die Guten und Friedensliebenden (häufig die Musik spie- lenden Soldaten wie in Hunde, wollt ihr ewig leben, Die Abenteuer des Werner Holt, 08/15) getötet werden, soll gegen den Krieg an sich mobilisieren. VI. Die Narrative des deutschen Kriegsfilms nach 1945 Eine vollständige Auflistung der Formen und Typen des deutschen Kriegsfilms kann hier nicht gegeben werden, ergänzend sei auf Typologien verwiesen, die Reinhold E. Thiel 1961 und Eckart Schmidt 1964 vorgelegt haben. Diese sind für die Zeit seit Mit- te der 1960er Jahre fortzuwickeln und zu systematisieren. Wie häufig bei Typologien lassen sich immer auch Beispiele finden, die singulär bleiben (etwas der DDR-Film Der Fall Gleiwitz, 1961, der vom fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz handelt, was als Anlass für den Kriegsbeginn diente) oder die Fluchtgeschichte eines polnischen Offiziers und eines Juden 1940 durch das von den Nazis besetzten Land (Jacobowsky und der Oberst 1967). Die verschiedenen Erzählmuster werden als Narrative des Genres im Folgenden kurz skizziert. Der Militärschwank. Filme dieses Erzählmusters hatten nach 1945 angesichts der Erfahrungen, die das Kinopublikum im Zweiten Weltkrieg gemacht hatte, keine Chance, an den Erfolgen der Militärfilme von 1925 bis 1933 anzuknüpfen.20 Trotz einiger Versu- che wie Mikosch rückt ein (1952) und Mikosch, der Stolz der Kompanie (1957) gab es kein Revival. Auch Helmut Käutners Film Die Gans von Sedan (1959), der wie die Mi- kosch-Filme vor dem Ersten Weltkrieg spielt, bot kein überzeugendes Modell einer er- neuerten Militärkomödie, der Film wurde vielmehr als Peinlichkeit empfunden.21 Der Zweite Weltkrieg kommt im deutschen Nachkriegsfilm als Komödie nicht vor. Eine Wie- derbelegung des Militärschwanks durch die Thematisierung der Bundeswehr (Ulrich Er- furths Himmel, Amor und Zwirn; Géza von Cziffras Gauner in Uniform auch als Haupt- mann – Deine Sterne, alle 1960)22 oder durch die Beschäftigung mit der Nationalen Volksarmee (Leander Haußmanns NVA, 2005) beschränkte sich auf wenige Einzelfälle. In den ‚ernsthaften’ Thematisierungen von Krieg und Militär lassen sich unter- schiedlichen Narrative erkennen, die auch miteinander kombiniert werden können: 20 Vgl. Hickethier 2003. 21 Vgl. Hembus 1961, 48. 22 Vgl. Schmidt 2003. 52 Knut Hickethier Die Geschichte des soldatischen Helden. Dieses wohl erfolgreichste Muster der frü- hen Nachkriegsjahre (in der Regel handelte es sich um U-Boot-Kapitäne oder Flieger) stellt den verwegenen, fairen und in der Regel berühmten Soldaten heraus, der den Krieg wie einen Sport auffasst, der Gegner des NS-Systems ist und von diesem schließ- lich zu Fall gebracht wird. Carl Zuckmayers Des Teufels General, 1946 im Theater urauf- geführt, gibt den Prototypen dieses Narrativs ab. 1955 wurde das Stück von Helmut Käutner verfilmt. Das Muster findet sich in den Filmen über Rommel, Canaris und ande- re bis hin zum Film über den Fliegeroffizier Marseille (Der Stern von Afrika) wieder. Der Krieg wird zum ritterlichen Kampf, dem Helden wird auch vom Gegner Respekt gezollt, er wird durch die Machenschaften von Partei, SS und Gestapo zu Fall gebracht.23 Der Of- fizier kann sich trotz aller Einsicht in die Unsinnigkeit des Krieges nicht gegen das NS-Regime wenden. Häufig ist es sein Eid, den er auf Hitler geschworen hat, oft auch ein tief sitzendes Pflichtgefühl, das ihn von der militärisch notwendigen Entscheidung abhält. Ikonografie des ritterlichen Helden: Curd Jürgens als Inkarnation des ,anständigen‘ Wehrmachtoffiziers. Oft wird auch eine „Wiederkehr traditioneller militärischer Wertbegriffe“24 propagiert, die in einer Auseinandersetzung mit der militärischen Ehre während des Zweiten Weltkriegs angesiedelt ist. Wolfgang Liebeneiners Urlaub auf Ehrenwort (1955) gehört dazu, aber auch Harald Reinls U 47. Kapitänleutnant Prien (1958). In ähnlicher Weise verwendet auch Wolfgang Petersens Das Boot (1981) dieses Muster. Hier wird das Er- zählmuster des soldatischen Helden variiert, wobei der Akzent stärker auf die positiv zu wertenden Haltungen der Soldaten und Offizieren gelegt wird. Der Krieg als Rahmen für den Widerstand. Zu den Erzählmustern im deutschen Kriegsfilm gehört auch die Thematisierung des Widerstands gegen Hitler. Mit Falk Har- nacks Der 20. Juli (1955), G. W. Pabsts Es geschah am 20. Juli (1955), aber auch Alfred Weidenmanns Canaris (1954) soll hier ein Beitrag zum Selbstverständnis der Bundes- wehr geliefert werden. Hier wird versucht, die Verantwortung dem eigenen Gewissen gegenüber mit einer höheren Pflicht gegenüber dem Gemeinwesen zu verbinden. Zahl- reiche Fernsehfilme wie Paris, 20. Juli (1960) griffen das Thema in verschiedenen Va- 23 Vgl. Schmieding 1958. 24 Schmieding 1961, 47. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 53 rianten auf. In den Jahren 2004/05 haben sich vor allem neuere Fernsehfilme (über Stauffenberg u. a.) des Themas angenommen. In diesen Produktion erhalten die Wi- derstandshelden einen tragischen Zug. Die Kapitulationsgeschichte. Dieses Narrativ (Hunde, wollt ihr ewig leben, 1958, Stalingrad, 1963, Stalingrad 1993, aber auch Gewissen in Aufruhr, 1961) ist wenig ent- wickelt, es bietet offenbar als Erzählmuster nicht hinreichend positive Identifikations- möglichkeiten für ein Publikum. Beim DDR-Fernsehfilm Gewissen in Aufruhr ist deshalb die Kapitulation (und die Übergabe der Stadt Greifswald nach dem Vorbild des histori- schen Geschehens) nur Anlass zur Entscheidung für ein Leben in der DDR. Die Kasernenhofgeschichte. So wie der Krieg eine Ausnahmesituation darstellt, die die Menschen zu besonderem Handeln herausfordert, ist auch die Kaserne ein von der Gesellschaft abgeschiedener Ort, in dem sich gleichwohl die unterschiedlichen Verhal- tenstypen der Gesellschaft wiederfinden. In der Kaserne werden aus zivilen Menschen Soldaten gemacht, hier herrscht oft unsinniger Drill, ‚Schliff’ bedeutet, hier werden Befehlsempfänger erzeugt. Die Kasernenhofgeschichte knüpft an den Militärschwank an, oft jedoch ohne dessen humoreske Elemente. Prototyp für den deutschen Nach- kriegsfilm ist Paul Mays Trilogie 08/15 (1956-58), die das damals neue Leitbild des ‚Bürgers in Uniform’ zum Hintergrund hat und dieses auch im historischen Beispiel des Zweiten Weltkriegs einklagt. Die Kasernenhofgeschichte enthält Elemente der Schwei- kiade und setzt diese ein gegen die Deformation der jungen Soldaten beim ‚Barras’. Mi- litärischer Drill, Einsatzbereitschaft ja, aber nur für die richtigen Ziele und vor allem nicht, um sich individuell zu bereichern. Die Anknüpfung an 08/15 durch den ebenfalls von Paul May inszenierten Film Barras heute (1963) war letztlich wenig erfolgreich und konnte keine neue Tradition begründen.25 Die Lagergeschichte ist zumeist nach dem Ende des Krieges angesiedelt und be- schäftigt sich mit russischen, seltener mit den amerikanischen und britischen Lagern. Prototyp war Fritz Umgelters So weit die Füße tragen, eine ARD-Verfilmung des Bestsel- lers von Josef Martin Bauer (1960) über den Transport deutscher Kriegsgefangener nach Sibirien, deren Lagerleben und den Ausbruch eines Offiziers und dessen Odyssee zurück nach Deutschland. Der Fernsehsechsteiler hatte in der Thematisierung des La- gers jedoch Vorgänger in Der Arzt von Stalingrad und Taiga (beide 1958). Zahlreiche Kriegfilme erzählen die Geschichten junger Hauptfiguren. Schon in den 1950er Jahren ist auffällig, dass die Akteure und Hauptdarsteller immer jünger wer- den. Dies hat damit zu tun, dass es im deutschen Kriegsfilm Ende der 1950er Jahre im- mer weniger um eine Darstellung des Krieges als Schlachtenereignis und nationale He- rausforderung ging. Die Kriegssituation wird als eine Konstruktion genutzt, in der sich die Einzelnen für etwas bzw. gegen etwas zu entscheiden haben. Das Herausstellen der individuellen Entscheidung dient dazu, ein neues Menschenbild zu formen und die Ent- scheidung für demokratische und humane Prinzipien zu betonen. Die Geschichte der Entscheidungsnot junger Soldaten. Die Filme thematisieren die Ausweglosigkeit des Krieges, stellen die Ehrlichkeit des Helden heraus, dieser kann aber nicht anders handeln als weiter mitzumachen. Es sind jetzt die jüngeren Darstel- 25 Vgl. zu diesem Film die umfangreiche Darstellung von Schmidt 2003. 54 Knut Hickethier ler wie Joachim Hansen, Hansjörg Felmy, Horst Frank u. a., die diese Offiziere verkör- pern. Entscheidend sind die im Film oft und lange geführten Debatten über Sinn und Unsinn des Krieges, über Pflicht und Gehorsam (z. B. Haie und kleine Fische, Hunde wollt ihr ewig leben, Der Stern von Afrika, auch Franz-Peter Wirths Ein Tag, der nie zu Ende geht, 1959). Den Filmen ist ein gewisser Fatalismus eigen, die Helden können sich nicht zum aktiven Widerstand und zur Verweigerung durchringen. Damit wird der Situation der Bundesrepublik entsprochen, die sich einerseits friedfertig gibt, ande- rerseits eine Wehrfähigkeit für die in der Nato integrierten Bundeswehr benötigt. Man will sich von der NS-Tradition distanzieren, braucht aber deren Offiziere letztlich für die Organisation der neuen Armee und muss hier eine Waffenbrüderschaft mit den Al- liierten als ehemaligen Kriegsgegnern ermöglichen.26 Die Geschichte der verblendeten Jugend. Diese Jugend wird im letzten Moment ein- gesetzt und wird im Krieg sinnlos. Prototyp ist Bernhard Wickis Film Die Brücke (1959), aber auch Laszlo Benedeks Kinder, Mütter und ein General (1955). Für den DDR-Film ist hier Kurt Jung-Ahlsens Betrogen bis zum jüngsten Tag (1957) zu erwähnen. Hier gibt es keine Perspektive für eine bessere Zukunft, die Ursachen der Verblendung liegen in der Zeit vor dem Kriege, in der falschen Erziehung. Die Jugend wird sinnlos geopfert, das Opfer soll vor allem den Zuschauer empören und in sensibilisieren, gegen jeden Milita- rismus in der Realität vorzugehen. Die Geschichte des Deserteurs ist im deutschen Kriegsfilm nicht sehr entwickelt. Franz-Peter Wirths Film nach Goes Unruhige Nacht und Falk Harnacks gleichnamiger Ki- nofilm wurden schon erwähnt, eher pathetisch wird das Muster in Kurt Meisels Film Kriegsgericht (1959) verwendet, kritischer dagegen in Wolfgang Staudtes Kirmes (1960): Hier wird der Deserteur im Heimatdorf ‚zur Strecke gebracht’, weil ihm die ei- genen Verwandten und Bekannten nicht helfen. In Kriegsdarstellungen der 1970er und 1980er Jahre taucht häufiger die Figur des Deserteurs auf, oft als eine gehetzte und von der Zivilbevölkerung verfemte Figur. Krieg und Nachkrieg als Coming of Age. Schließlich gehört auch die Geschichte vom Ende des Kriegs dazu, die zu einer Geschichte des Neuanfangs wird und die häufig mit einem Übergang von der Jugend zum Erwachsenensein verbunden wird. Hierzu gehö- ren neben dem Film von Joachim Kunert Die Abenteuer des Werner Holt (1965), Konrad Wolfs Ich war neunzehn (1968), Wolfs Mama, ich lebe (1977) und Egon Monks Berlin NO 65 (1965) auch Filme von Edgar Reitz (Stunde Null, 1976), Michael Kehlmann/Oliver Storz (Heldenfrühling, 1991) und anderen, in denen es vor allem um männliche Ju- gendliche und ihr Erwachsenwerden geht. Die Endsituation des Krieges hat vor allem Oliver Storz gereizt, der sie auch für andere erzählerische Konstellationen genutzt hat. (Begegnung der Bewohner eines Dorfes mit KZ-Häftlingen in Drei Tage im April, 1995, Massaker an einer fünfköpfigen Familie und die Suche nach dem Mörder in Gegen Ende der Nacht, 1998). Der historische Blick auf den zurückliegenden Krieg ist lange Zeit nicht wirklich das zentrale Ziel des deutschen Kriegsfilmgenres. Seine Funktion bestand stattdessen darin, vor allem in den 1950er und 1960er Jahren eine Orientierung für das Hier und 26 Vgl. Schmieding 1961, 46. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 55 Heute der Nachkriegszeit zu geben und dem Einzelnen für dessen Standpunkt gegen- über Krieg, Militär und Bewaffnung Entscheidungshilfen anzubieten. Der Krieg wurde damit zur Initiation für eine neue Zeit. VII. Krieg und Nachkrieg – und Coming of Age Es sind hier vor allem drei Filme, auf die besonders einzugehen ist, die in den 1960er Jahren den Krieg auf unterschiedliche Weise thematisieren. Da ist zum einen Joachim Kunerts Defa-Film Die Abenteuer des Werner Holt, 1964 nach dem Roman von Dieter Noll gedreht; dann Egon Monks Filmepisode Berlin NO 65, Teil des ARD-Episodenfilms Der Augenblick des Friedens (1965), die anderen beiden Teile stammen von Marguerite Duras und Tadeusz Konwicki; und schließlich Konrad Wolfs Film Ich war neunzehn, ein Defa-Film aus dem Jahr 1968. Es sind Filme, die den Krieg von einer Randposition her, vom Übergang vom Krieg zum Nachkrieg und damit zum Frieden erzählen und zu be- stimmen versuchen. Diese Konstellation wird mit einer anderen Grenzsituation ver- bunden, dem Übergang vom Stadium der Jugend in das Stadium des Erwachsenseins. Die Filme erzählen den Krieg aus der Perspektive des Einzelschicksals, aus der Sicht des Individuums, was wiederum bedeutet, dass die allgemeinen Aussagen über den Krieg in der Regel in symbolisch verdichteten Konstellationen und Bildern zu finden sind. Die schon in den anderen Narrativen des Genres angelegte Tendenz zur symboli- schen Bildverdichtung wird aufgenommen und erfährt eine weitere Zuspitzung. Der Film Die Abenteuer des Werner Holt erzählt die Geschichte des gleichnamigen Gymnasiasten, der 1943 zur Flak eingezogen wird und schließlich zur Infanterie an die Ostfront kommt. Zwischen ihm und dem Offizierssohn Gilbert Wolzow besteht eine enge Freundschaft. Wolzow will den Kampf bis zum Letzten, mehr aus einem verbohr- ten soldatischen Lebensgefühl heraus als aus einer Treue zum Nationalsozialismus. Er ist deutlich der Prototyp einer verblendeten Jugend, der nicht mehr zurück kann und auch nicht will. Der Film, der in den letzten Kriegswochen spielt, zeigt Holt mit den Resten einer Kompanie, kurz vor Kriegsende. Er soll als Funker die Verbindung zu anderen Truppen- teilen herstellen und fängt bei seinen Funkversuchen an nachzudenken. In Rückblen- den werden die Stationen von der Schule über die Flak bis zum letzten Kampf gezeigt, es sind Situationen, die immer wieder zum Nachdenken herausfordern. Der Zuschauer erlebt die Folgen eines blinden Gehorsams, die Schikanen bei der Ausbildung, dann auch die Spuren des NS-Regimes in den Familien des Dorfes. Holts Vater, ein renom- mierter Chemiker, verweigerte sich der Herstellung des Giftgases Zyklon B. Holt wird Zeuge eines SS-Massakers an Partisanen in einer Sägemühle und beim Niederschießen von KZ-Gefangenen. Am Ende wendet Werner Holt sein Gewehr gegen den Freund, als dieser trotz hoher Opfer immer noch nicht aufgeben will. Holt und seine Kameraden sind schon auf dem Weg, sich zu ergeben, da wird Holt zurückgerufen, ein SS-Mann will sich an Wolzow rächen und lässt ihn von seinen Leuten aufhängen. Holt greift nun zum Maschinengewehr und mäht die SS-Leute nieder.27 27 Vgl. zum Film auch Kanapin 2005. 56 Knut Hickethier Der soldatische Lebensweg des Werner Holt: Desillusionierung statt Abenteuer. Die Geschichte wird hier als eine Kette von Situationen dargestellt, die Entscheidun- gen herausfordern: dafür oder dagegen zu sein. Am Ende reicht es nicht, nur aufzuge- ben, überzulaufen, zu desertieren, sondern man muss auch aktiv gegen die Nazis, ge- gen den Faschismus kämpfen. Holt muss sich nicht nur selbst von seinem Freund, der ebenfalls zum Verbrecher geworden ist, abwenden, sondern er muss auch die SS-Leute niederschießen. Der Film fordert eine klare Entscheidung, er fordert darüber hinaus ein aktives Handeln. Der Film schließt mit dem Ende der Kampfhandlungen, die Entscheidung des Wer- ner Holt eröffnet für den Zuschauer den Frieden und damit Holts Weg in die neue Zeit. Im Roman ist der Ankunft des Helden in der neuen Gesellschaft ein ganzer zweiter Band gewidmet, symbolisch gleich gesetzt mit dem „Riss des Vorhangs“, wobei dieses biblische Motiv hier als Bild für den Schleier der Verblendung genommen wurde.28 Der Film erzählt eine Art Bildungsgeschichte, bei der sich die Hauptfigur immer wie- der neu entscheiden muss, um endlich zu einer humanen Vertreterin ihrer Gattung zu wer- den. Der Film schildert eine Identitätsfindung, die nur durch den Bruch mit der bisherigen Erziehung und den Werten der alten Gesellschaft möglich ist, notfalls sogar einen Seiten- wechsel erfordert. Konrad Wolf hat diesen Aspekt des Seitenwechsels in seinem Film 28 Noll 1964, Bd. 1, 528. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 57 Mama ich lebe (1977) zum zentralen Thema gemacht: Vier junge Deutsche entschließen sich, auf der Seite der Roten Armee gegen die Deutschen und gegen den Faschismus zu kämpfen.29 Das Motiv ist auch in Sterne und in Ich war neunzehn zu finden. Diese hier vor allem politisch motivierte Entscheidung ist in diesen, aber auch in anderen, vor allem bundesdeutschen Filmen (Berlin NO 65, Heldenfrühling), eine, die mit dem Schritt vom Status des Jugendlichen zu dem des Erwachsenen verbunden wird. Die Entscheidungssituation wird psychologisiert. Und es kommen die zentralen Motive dieses ‚Coming of Age’ hinzu. Der Jugendfilm kennt die Stationen der Loslösung, der Begegnung mit dem Alter bzw. mit dem Tod, also den existentiellen Formen des Abschiednehmens, der ersten Liebe. Dazu gehört, da es sich in der Regel um die männliche Initiation handelt, die Verführung durch eine erwachsene Frau. Ins Militärische gewendet sind die Motive der Auflehnung gegen eine zuvor als klaglos hingenommene Unterordnung, die Entwicklung eines Gefühls für Gerechtigkeit. Der Krieg selbst ist ja bereits eine Form des Hinausgehens aus dem El- ternhaus, die Konfrontation mit anderen Lebenswelten und die Auseinandersetzung mit gefährlichen Situationen, die nach Bewährung verlangen. Standhalten oder Weglaufen wird deshalb im Kriegsfilm zur Frage von Durchhalten oder Desertieren. Der jugendliche Kriegsheld erlebt meist den großspurigen Vorgesetzten, der mit hohlen Kriegsphrasen dröhnt, sich aber dann doch absetzen will und damit seine eigene Feigheit demonstriert. Der Glaube an die Kampfparolen des Nationalsozialismus wird durch die Erlebnisse der Kriegsrealität destruiert, unterschiedlich schnell sind die Lernprozesse der Erkenntnis, doch am Ende steht zumindest bei der Hauptfigur eine neue Weltsicht, die Bereitschaft, in einer neuen Gesellschaft eine Aufgabe zu übernehmen. Besonders beispielhaft sind die Filme, in denen die Regisseure autobiografische Elemente in die Filmgeschichten eingearbeitet haben. Egon Monk drehte 1965 eine Episode für einen französisch-deutsch-polnischen Episodenfilm, der vom Ende des Krieges erzählt. Der Krieg wird aus der Perspektive eines 17-jährigen Jugendlichen er- zählt. Monk hat hier eigene Erlebnisse verarbeitet. Es ist der letzte Tag der Kriegs- handlungen, die Russen dringen nach Berlin ein, der Filmtitel NO 65 lokalisiert den Handlungsort: der Berliner Arbeiterbezirk Wedding. Die Hausbewohner haben sich in den Keller geflüchtet, man hört den Krieg. Die Hausbewohner rücken zusammen, man glaubt, das Ende sei gekommen, man kramt noch einige Vorräte aus den Beständen und betrinkt sich mit einer zusammen geschütteten Bowle. Der Krieg wird aus der Perspektive der Zivilbevölkerung erzählt. Man sieht wenig vom üblichen Kampfgeschehen, sieht dann die Kettenhunde, die Feldjäger, die in den Keller kommen, um einige Männer und Jugendliche herauszuholen und zum Volkssturm zu schicken, doch die Stadt brennt bereits und die Abkommandierten kehren bald da- rauf wieder in den Keller zurück. Einige flüchtende Soldaten kommen herein. Der Jun- ge gibt einem fast Gleichaltrigen noch Zivilsachen seines im Kriege gefallenen Vaters, damit er über das Dach flüchten kann. Die schöne Nachbarin will den Jungen abseits im Hausflur verführen, doch es bleibt bei einer Andeutung. Schließlich hören sie über sich das rasselnde Kettengeräusch der Panzer, die Russen haben die Stadt erobert. 29 Vgl. Hickethier 1990c. 58 Knut Hickethier Am nächsten Morgen ist der Frieden da, die Mitbewohner sind wieder alle auf ihren Eigennutz bedacht und bringen geplünderte Lebensmittel ins Haus. Der Junge aber müht sich am Radio ab, endlich bekommt er einen Musik spielenden Sender herein: AFN mit Swing, als Zeichen des Friedens (sowie Musik auch in anderen Kriegsfilmen wie 08/15, Hunde, wollt ihr ewig leben oder Die Abenteuer des Werner Holt in dieser Funkti- on eingesetzt wird). Als er später auf den Dachboden kommt, um einen Fahnenstock zu suchen, damit ein weißes Bettlaken aus dem Fenster gehängt werden kann, sieht er in das Gesicht und die aufgerissenen Augen des toten jungen Soldaten, mit dem er noch am Tage zuvor gesprochen hat. Im letzten Moment hat ihn bei seiner Flucht aufs Dach noch eine Kugel getroffen. Der Film selbst kommentiert dieses Bild nicht, lässt es auf den Zuschauer wirken. Der Krieg spiegelt sich im Gesicht des Helden wieder, das Gesicht ist Reflex des Kriegsgeschehens. Im Gesicht kann der Zuschauer sich selbst wieder finden. „Die Davongekommenen können die Opfer nicht vergessen,“ schrieb Karl Prümm 1987 in einem Beitrag zu diesem Film.30 Monks Film steht hier auf eigentümliche Weise in Korrespondenz zum DDR- Spielfilm Ich war neunzehn, den Konrad Wolf zwei Jahre später drehte und der Wolfs ei- gene Geschichte als junger Rotarmist bei der Eroberung Berlins erzählt. In beiden Fil- men wird der Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen mit dem Wechsel vom Krieg zum Frieden verschränkt. Hier ist die Geschichte aus der anderen Perspektive er- zählt. Gregor, der Held in Ich war neunzehn, ist als Deutscher 1933 mit seinen Eltern in die Sowjetunion emigriert und kommt in den letzten Kriegstagen mit der Roten Armee nach Berlin. Er ist bei einer Propagandaeinheit stationiert und fordert die Deutschen mit einem Lautsprecher auf, sich zu ergeben. Bei seinen Einsätzen kommt er auch nach Bernau, einem Vorort von Berlin, wird dort vorübergehend als Bürgermeister ein- gesetzt, lernt dadurch die Deutschen, lernt seine Heimat kennen. Unterschiedliche Charaktere und Verhaltensweisen, den Krieg zu überleben, werden so vorgestellt. Am Ende trifft er bei einem Einsatz seiner Kompanie auf SS-Leute, die deutsche Soldaten, die sich ergeben wollen, abschießen. Auch hier kommt es, wie in Die Abenteuer des Werner Holt dazu, dass ein deutscher Soldat, der sich schon ergeben hat, zum Gewehr greift und selbst auf die SS schießt. Dabei kommt Gregors russischer Freund um, wird bei diesem sinnlosen letzten Schusswechsel getötet. Auch hier steht am Ende ein Op- fer des Fanatismus und der Verblendung, das den Zuschauer zum Nachdenken bringen soll. Krieg in Auflösung: Letzte sinnlose Gefechte in Ich war neunzehn. 30 Prümm 1987, 189. Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 59 Gregor brüllt über sein Megaphon den SS-Leuten nach, dass sie unerbittlich ver- folgt werden, dass sie dafür büßen müssen. Die herausgeschrieene Wut setzt einen starken emotionalen Akzent am Ende des Films. Die Stimme im Off legt sich über das Bild vom weiten Land, sie formuliert den Auftrag für eine überlebende Generation, während die Kamera immer weiter in Distanz zum Handlungsort geht, den Fluss über- quert und jetzt auf der Seite ist, auf der vorher die Flüchtlinge und die SS-Leute waren. Dann springt die Kamera wieder zurück, Gregors Gesicht ist groß im Bild – ähnlich den Großaufnahmen von Werner Holt und dem Jungen in Monks NO 65. Und während Gre- gor mit den LKW im Bild verschwindet, ist zu hören: „Ich bin Deutscher. Ich war neun- zehn.“ Der Handlungsauftrag zum aktiven antifaschistischen Kampf wird damit an den Zuschauer weiter gegeben. Die hier ausführlicher angesprochenen Filme enthalten implizite, an den Zuschauer adressierte Botschaften. Es geht in ihnen nicht um die Darstellung des Krieges als his- torisches Dokument, nicht um eine Besinnung auf die Geschichte oder die Inszenie- rung des Krieges als Massenspektakel, sondern der Krieg stellt für die handelnden Figu- ren extreme Situationen bereit, die eine Entscheidung und eine Standortbestimmung notwenig machen, die auf die Gegenwart gerichtet ist. Sie wird als Botschaft an den Zuschauer weiter gegeben. Sie fordert vom Zuschauer eine Entscheidung für eine bes- sere Nachkriegszeit, für ein anderes Handeln, für eine menschliche Gesellschaft. VIII. Der deutsche Kriegsfilm – kein neuer Anfang und auch kein Ende? Nach einem Höhepunkt in den 1950er Jahren schien der deutsche Kriegsfilm als Genre am Ende, gab es doch in den folgenden Jahrzehnten nur noch vereinzelte Produktio- nen, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg oder mit dem Militär beschäftigten. Es schien weder ein Bedarf zu bestehen nach einer Diskussion der Wehrbereitschaft einer weltpolitischen Konstellation des ‚Gleichgewichts des Schreckens’ zwischen den bei- den Großmächten, in deren Schatten sich die beiden deutschen Staaten eingerichtet hatten. Das Wachhalten der Erinnerung an den Krieg war gesellschaftlich nicht unbe- dingt notwendig, weil diese Erinnerung ohnehin vorhanden war. In den Vordergrund schob sich die Thematisierung des Holocausts, der zum bestimmenden Erfahrungs- block, einem negativen ‚Mythos’ des 20. Jahrhunderts wurde, weil in ihm die dunkle Seite einer sich rational, humanitär und aufgeklärt gebenden Gesellschaft sichtbar wurde. Erst mit den Jubiläen und den zahlreichen dokumentarischen Erinnerungsrei- hen des Fernsehens scheint sich offenbar ein neues Interesse an der Beschäftigung mit Militär und Krieg zu artikulieren, das auch in fiktionalen Produktionen Gestalt an- nimmt. In den wenigen neueren deutschen Produktionen entsteht ein sehr uneinheitliches Bild, das vom apokalyptischen Endzeitdrama Der Untergang (2004) bis zur nostalgi- schen DDR-Militärkomödie NVA (2005) reicht. Als Genrerahmen scheint dabei häufig der amerikanische Kriegsfilm zur Folie auch für deutsche Produktionen zu werden. Auf deutsche Genretraditionen wird kaum Bezug genommen, es sei denn in ironischer und parodistischer Art. So weist z. B. NVA zahlreiche Genreanleihen auf. Rudolf Worschech erkennt Anleihen aus Stanley Kubricks Full Metal Jacket (1987) und Robert Altmans 60 Knut Hickethier M*A*S*H (1970).31 Entscheidender ist jedoch, dass explizit auf deutsche Genrefilme wie 08/15 und die Kasernenhofgeschichte Bezug genommen wird. Die Kaserne ist die DDR-Welt ‚in nuce’ und damit zum Untergang verdammt. Auch wird auf Konrad Wolfs Ich war neunzehn angespielt: Wenn bei der Geburtstagsfeier des Obersten dieser den Rekruten Henrik nach dem Alter fragt und dann alle Offizierchargen sagen „Ja, ich war auch einmal neunzehn“. Es gibt keine große Tradition der Entscheidungsfindung für die richtige politische Seite mehr, sondern die richtige Seite ist jetzt das kleinbürger- liche Gartenfest der DDR-Offiziere. Das Ende des Films zeigt die Rekruten, die einfach der Armee davonlaufen, weil mit dem Mauerfall das Ende der DDR gekommen ist und sie der Armee schlicht überdrüssig geworden sind. Im Schlussbild laufen sie auf den Zuschauer zu wie die Zimmerleute in dem legendären Defa-Film Die Spur der Steine (1966) der mit dieser Szene selbst schon The Magnificent Seven (Die glorreichen Sie- ben, 1960) zitiert hat. Auch in NVA geht es letztlich um eine Entscheidung des heran- gewachsenen Helden Henrik – nur ist es jetzt eine, verkoppelt mit den Ereignissen von 1989, für Individualität, Eigensinn und privates Glück. Die Armee ist in den 1990er und 2000er Jahren zum Ort einer letztlich sinnlosen Machtanstalt geworden, der man nur entfliehen sollte. Auch die Bundeswehr wird im deutschen Spielfilm vom Tenor nicht wesentlich anders dargestellt. Ulrich Köhlers Film Der Bungalow (2002) zeigt beispielsweise eine Rekruten, der irgendwo von der Truppe vergessen wird und letztlich abhaut. So bleibt die Situation des deutschen Kriegsfilmgenres ambivalent, die Perspektive für das Genre undeutlich. Gegenwärtig scheint eher eine Zeit für die Parodie und für großes Pathos gekommen zu sein. Aber vielleicht ist dies auch als ein positives Zei- chen für den Gefühlshaushalt des deutschen Publikums zu werten und ein Ausdruck der Zivilgesellschaft. Literatur Baier, Eberhard: Der Kriegsfilm. 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Die Brücke, R: Bernhard Wicki (BRD 1959). Der Bungalow, R: Ulrich Köhler (D 2002). Canaris, R: Alfred Weidenmann (BRD 1954). Drei Tage im April, R: Oliver Storz, ARD/SDR (D 1995). Der Dritte Weltkrieg, R: Robert Stone, ZDF (D 1998). Der Fall Gleiwitz, R: Gerhard Klein (DDR 1961). Ein Tag, R: Egon Monk, ARD/NDR (BRD 1965). Ein Tag, der nie zu Ende geht, R: Franz-Peter Wirth (BRD 1959). Es geschah am 20. Juli, R: G.W. Pabst (BRD 1955). Die Gans von Sedan, R: Helmut Käutner (BRD 1959). Der Krieg als Initiation einer neuen Zeit – Zum deutschen Kriegsfilmgenre 63 Gauner in Uniform (auch: Hauptmann – Deine Sterne), R: Géza von Cziffra (BRD 1960). Gegen Ende der Nacht, R: Oliver Storz, ARD/SDR (D 1998). Gewissen in Aufruhr, (mehrteiliger Fernsehfilm) R: Hans Oliva-Hagen, DFF (DDR 1961). Die große Liebe, R: Rolf Hansen (D 1942). Haie und kleine Fische, R: Frank Wisbar (BRD 1957). Heldenfrühling, R: Michael Kehlmann. B: Oliver Storz, ZDF (D 1991). Himmel, Amor und Zwirn, R: Ulrich Erfurth (BRD 1960). Hunde, wollt ihr ewig leben, R: Frank Wisbar (BRD 1958). Ich war neunzehn, R: Konrad Wolf (DDR 1968). Im Zeichen des Kreuzes, R: Rainer Boldt, Hans-Rüdiger Minow, ARD/WDR (BRD 1983). Jacobowsky und der Oberst, R: Rainer Wolffhardt, ARD/SDR (BRD 1967). Jakob, der Lügner, R: Frank Beyer, (DDR 1975). Kinder, Mütter und ein General, R: Lazlo Benedek (BRD 1955). Kirmes, R: Wolfgang Staudte (BRD 1960). Kolberg, R. Veit Harlan (D 1944). Kriegsgericht, R: Kurt Meisel (BRD 1959). Die letzte Brücke, R: Helmut Käutner (BRD 1953). Mama, ich lebe, R: Konrad Wolf (DDR 1977). Mikosch rückt ein, R: J.A. Hübler-Kahala (BRD 1952). Mikosch, der Stolz der Kompanie, R: Rudolf Schündler (BRD 1957). NVA, R: Leander Haußmann (D 2005). O8/15, R: Paul May (BRD 1956-58, 3 Teile). Paris, 20. Juli, R: Hans Schweikart, ARD/WDR (BRD 1960). Schwejk im zweiten Weltkrieg, R. Rainer Wolffhardt, ARD/SDR (BRD 1961). So weit die Füße tragen, R: Fritz Umgelter, (6-teiliger Fernsehfilm) ARD/WDR (BRD 1960). Speer und Er, R: Heinrich Breloer, ARD/WDR (D 2005). Stalingrad, R: Gustav Burmester, Theodor Plievier, ARD/NDR (BRD 1963). Stalingrad, R: Joseph Vilsmaier (D 1993). Stammheim, R. Reinhard Hauff (BRD 1985). Steiner – Das Eiserne Kreuz I, R: Sam Peckinpah (GB/BRD 1976). Steiner – Das Eiserne Kreuz II, R: Andrew V. McLaglen (GB/BRD 1978). Der Stern von Afrika, R: Alfred Weidenmann (BRD 1957). Sterne, R: Konrad Wolf (DDR/Bulgarien 1959). Die Stunde Null, R: Edgar Reitz (BRD 1976). Taiga, R: Wolfgang Liebeneiner (BRD 1958). Des Teufels General, R: Helmut Käutner (BRD 1955). U 47 – Kapitänleutnant Prien, R: Harald Reinl (BRD 1958). Unruhige Nacht, R: Franz-Peter Wirth, ARD/SDR (BRD 1955). Unruhige Nacht, R: Falk Harnack (BRD 1958). Urlaub auf Ehrenwort, R: Wolfgang Liebeneiner (BRD 1955). Der Untergang, R: Oliver Hirschbiegel (D 2004). Der 20. Juli, R: Falk Harnack (BRD 1955). 64 Detlef Kannapin Das filmische Gedächtnis ist unbestechlich Zu den Wandlungen der Kriegsdarstellungen im osteuropäischen Kino 1945-1989 – Ein Überblick I. Einführung Das filmische Gedächtnis ist insofern unbestechlich, als dass es ungeheure Chancen bietet, gerade die Zivilisationsbeschädigungen durch Krieg und Zerstörung sicht- und erfahrbar zu machen. Voraussetzung dafür ist allerdings die Einsicht, dass die Film- darstellungen des Krieges nicht als Realität oder objektive Wirklichkeit, sondern als realitätsbezogene Konstruktion aufgefasst werden. Je besser bzw. exakter die Filme im historischen Kontext positioniert sind, umso schärfer müsste der filmisch behan- delte Gegenstand produktive Reaktionen beim Publikum auslösen, um zu einer situa- tiven und kognitiven Abwehrhaltung gegen die Verherrlichung von Kriegen zu gelan- gen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Kinolandschaften im staatssozialisti- schen Machtbereich nach 1945 vor allem in einer Grundhaltung ähnelten: In der kul- turellen Haltung und Selbstsicht, dass der Krieg kein sinnvolles Mittel der Politik ist. Das Thema ist als Überblick gekennzeichnet, obgleich es sich natürlich in dem be- grenzten Rahmen eines Artikels höchstens um eine Skizze handeln kann. Das osteuro- päische Kino ist ganz allgemein entweder weiterhin oder schon wieder ein Forschungs- desiderat und daher mithin gewissermaßen eine terra incognita.1 Der breite Zeitansatz soll dazu beitragen, Grundlinien der osteuropäischen Kriegsdarstellungen deutlich zu machen, die sich als Voraussetzung für in der Zukunft zu leistende systematische For- schungsarbeiten anbieten. Zwei methodische Bemerkungen sind vorab angezeigt. Erstens: Das osteuropäische Kino der staatssozialistischen Zeit ist weder allgemein noch im Bereich der Kriegsfilm- problematik ein monolithischer Block, d. h. weder die ideologische Grundlage des So- zialistischen Realismus im Film noch die erklärte Dominanz des sowjetischen Kinos in Osteuropa verhinderten die Ausbildung spezieller nationaler Filmindustrien, die gera- de an den Beispielen Polens, der CSSR und Ungarns ihre eigenständige Handschrift entwickelten. Insofern ist die These mit der Bezeichnung von ‚Wandlungen’ gerechtfer- tigt. Zweitens: Alle Filme des osteuropäischen Kinos vermieden von vornherein den Begriff des Kriegsfilms, sondern verstanden sich selbst als Antikriegs- oder Friedensfil- me. Das gilt selbst für diejenigen Filme, die im Kriegssujet Versuche zur Kritik an stali- 1 Die einseitige Abwicklung der ostdeutschen Filmwissenschaft im Zuge der deutschen Einheit hat eine Lücke in den Forschungen zum Film in Osteuropa hinterlassen, die bis heute aufgrund der Orientierung der filmwissen- schaftlichen Lehrstühle auf das westliche Kino nicht wieder geschlossen werden konnte. Das filmische Gedächtnis ist unbestechlich 65 nistischen Leitungs- und Führungsmethoden unterbrachten. Trotz der methodischen Unentschiedenheit, dass die ästhetische und formale Grenze zwischen Kriegs- und Antikriegsfilmen sicher äußerst variabel ist, waren kommerzielle Kriegsfilmproduktio- nen nach westlichen, besonders nach US-Standards im Osten nicht anzutreffen. Die Frage ist dennoch, ob nicht aus den genrespezifischen Besonderheiten der Kriegsdar- stellungen heraus apostrophierte Antikriegsfilme ebenfalls zu Darstellungselementen greifen mussten, die eher für reine Kriegsfilme geeignet sind, so z. B. Schlachtanord- nungen, der Krieg als Schule der Nation oder Schicksal, der sportliche Charakter des Krieges, die Denunziation des Gegners u.v.a.2 Sicherlich kann die Entscheidung, was nun eigentlich als Kriegs- und was als Antikriegsfilm zu klassifizieren ist, erst in ei- nem komplexen deduktiven Verfahren begründet werden, das Produktions-, Distribu- tions- und Rezeptionsbedingungen zu berücksichtigen hat. Entscheidend scheinen hier zwei Elemente zu sein: Erstens der intentionale Anspruch der Produzentenseite, welche Zielrichtung ein Film mit einem Kriegssujet haben soll, und zweitens das kon- textuelle Treffen des Films auf ein mehr oder weniger konditioniertes Publikum, das mit seinen Reaktionen die intentionalen Bedeutungszeichen entweder bestätigt oder negiert. In allen Fällen genügt ein eindimensionaler Blick auf einen der angesproche- nen Momente nicht. Obwohl auch die DDR politisch zum staatssozialistischen System sowjetischen Typs in Ost- und Mitteleuropa gehörte, nahm ihre Filmkultur aus mehreren Gründen eine Sonder- stellung ein, die sich besonders durch den spezifischen Bezug auf das westliche Referenz- objekt Bundesrepublik Deutschland auszeichnete. Eine DDR-nationale Auseinanderset- zung mit der Kriegsfilmproblematik hat es höchstens rudimentär gegeben, weshalb auf eine Erörterung der sparsamen Beiträge hier verzichtet wird, die auch eher in einem me- dienpolitischen Vergleich zwischen Bundesrepublik und DDR angebracht wäre.3 Aus empi- rischen Gründen fehlen zudem Bemerkungen über die Filmaktivitäten der Balkanländer, wobei insbesondere der bulgarische und der jugoslawische Film interessant wären, haben doch beide Länder im Zweiten Weltkrieg eigene Partisanenbewegungen gegen die deut- sche Besatzung hervorgebracht, was in den Nachkriegsfilmproduktionen dieser Länder ih- ren Niederschlag fand. Die Kriegsdarstellungen im osteuropäischen Kino von 1945 bis 1989 konzentrierten sich nahezu ausschließlich auf den Zweiten Weltkrieg und nur ganz am Rande auf den Ersten Weltkrieg, was verständlich ist, da der Einschnitt des Zweiten Weltkrieges für Osteuropa ungleich größer war. II. UdSSR Das Filmwesen der Sowjetunion hatte nach den stalinistischen ‚Begradigungen’ der Film- kultur in den 1930er Jahren und dem Schock des deutschen Überfalls 1941 während des Krieges paradoxerweise größere Freiheiten als vor dem Krieg. Es ging zwar in den Jahren 2 Vgl. dazu Thiel 1961, 514-519. 3 Vgl. hier für den Dokumentarfilm: Steinle 2003 und für den Spielfilm: Kannapin 2005, zur Kriegsfilmdimension in vergleichender Perspektive am Beispiel der Filme Die Brücke (1959) von Bernhard Wicki und Die Abenteuer des Werner Holt (1965) von Joachim Kunert, ebd., 134-168. 66 Detlef Kannapin 1942-44 auch für den Film vor allem um den propagandistischen Einsatz für den Sieg, einzelne kleinere Filme beschäftigten sich jedoch mit den Sorgen und Nöten der Zivilbe- völkerung in den besetzten Gebieten.4 1946 erklärte das ZK der KPdSU, dass verschiedene Filme der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsära das Leben in der Sowjetunion nicht richtig widerspiegeln würden. Angesprochen wurden dabei eher Filme aus der zweiten Reihe der sowjetischen Produktion, gemeint waren aber die Altmeister des früheren Re- volutionsfilms Sergej Eisenstein und Wsewolod Pudowkin. Die Folge dieses ZK-Beschlusses war die Ausrichtung des Films auf Stalins Rolle beim Sieg über den Fa- schismus und, allgemeiner ausgedrückt, auch das erneute Inkrafttreten von Stalins Rolle als oberster Filmzensor. Das führte dazu, dass das sowjetische Filmwesen in der Jahres- produktion zum Teil in den einstelligen Bereich zurückfiel, weil Stalin alle Filme selbst begutachtete.5 Der Generalissimus tauchte natürlich in den Befreiungsfilmen als oberster Dienstherr auf. Seiner Weitsicht war der Sieg der Roten Armee zu verdanken und allen- falls noch den ihm unterstehenden Generälen. Genretechnisch sind die Filme der späten Stalin-Ära ‚Kabinettsfilme von oben’, der Kampf der Soldaten illustriert höchstens den Weitblick ihres Staatsmannes, er ist nicht selbständig geführt, sondern ganz an die Wei- sungen Stalins gekoppelt. Formativ ist die Kriegsdarstellung hier die des permanenten Vorwärtsstürmens mit allem, was die moderne Kriegstechnik aufbietet. Genau aus diesem Grund ist von den Folgen des Krieges so gut wie nichts zu sehen. Das gilt für nahezu alle Filme über den Zweiten Weltkrieg in der Phase von 1946 bis 1953, von denen die Feld- zuggemälde Tretij udar (Der dritte Schlag, Regie: Igor Sawtschenko, 1948) und Staling- radskaja bitwa (Die Stalingrader Schlacht, R.: Wladimir Petrow, 1949), vor allem aber der Film Padenije Berlina (Der Fall von Berlin, R.: Michail Tschiaureli, 1949) beredte Zeugnisse vom Stalinschen Hurrapatriotismus unter Missachtung des Leidensweges der sowjeti- schen Bevölkerung ablegen.6 Erst nach dem XX. Parteitag der KPdSU und Chruschtschows sog. ‚Geheimrede’ im Jahre 1956 konnte sich das sowjetische Kino aus der Umklammerung des Stalinismus befreien. Kriegsdarstellungen wurden nun bewusst als Verarbeitungen von Einzel- schicksalen behandelt. Der berühmte Film von Michail Kalatosow Letjat shurawli (Die Kraniche ziehen, 1957) verwendet dabei den Verlauf des Krieges nur noch als Hinter- grund für den tragischen Konflikt einer Frau an der Heimatfront. Auch Sudba tschelo- weka (Ein Menschenschicksal, 1959) von Sergej Bondartschuk, bleibt danach auf der mikrosozialen Ebene, bezieht aber Kriegshandlungen insoweit mit ein, wie hier der Krieg die Zerstörung des Individuums durch Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit verursacht. Solche Filme, die zur Solidarität mit den Schwachen im Krieg aufriefen und besonders die eigenen Kriegsgefangenen thematisierten, hätten unter Stalin nicht ge- dreht werden können. Während der ‚Tauwetter-’ und Liberalisierungsphase bis etwa 1966/67 konnten nicht nur kritische Töne gegenüber der fatalen Kriegführung der Sowjetunion 1941 bis 4 Vgl. dazu Margolit 1999, 87-97. 5 Vgl. „Über den Film Das große Leben. Beschluß des ZK der KPdSU(B) vom 4.9.1946“, in: Leonhardt 1953, 69-73; zum alleinigen Zensor Stalin und zum Rückgang der Gesamtfilmproduktion vgl. Margolit 1999, 100f. 6 Die Schreibweise der Originalfilmtitel folgt der älteren Transliteration, um Verständigungskomplikationen zu re- duzieren. Eine ausführlichere Interpretation des Films Der Fall von Berlin findet sich in Kannapin 2002, 83-87. Das filmische Gedächtnis ist unbestechlich 67 1943 in die Filme mit einfließen, sondern auch psychologische Züge einer allgemein menschlichen Verheerung durch den Krieg gezeigt werden. Der in jeder Hinsicht au- ßergewöhnliche Film Iwanowo detstwo (Iwans Kindheit, 1962) von Andrej Tarkowski machte vor allem durch die Plädoyers kritischer Intellektueller in Westeuropa Furore (z. B. von Jean Paul Sartre), stieß aber in der Sowjetunion wegen seiner eigenwillige Formensprache auf zum Teil heftige administrative Kritik, was langfristig dazu führte, dass Tarkowski außer Landes getrieben wurde. Durch seine starke Beachtung erreichte der Film in Westeuropa erstmals ein breites Verständnis und Respekt für die Rolle der UdSSR im Krieg. Verstörende Kriegsphantasmagorien in Iwans Kindheit. Die Filme des ‚Tauwetters’ beleuchteten teilweise auch die Isolation bzw. Resigna- tion der früheren Kriegerhelden. So ist z. B. Krylia (Flügel, R.: Larissa Schepitko, 1966) einer der ersten dezidierten Frauenfilme der UdSSR, in welchem eine frühere Fliegerin im Zweiten Weltkrieg nun ihr damaliges Leben im Revolutionsmuseum wieder findet, mit der Lebensauffassung der neuen Generation aber überhaupt nicht mehr zurecht- kommt und allein in Erinnerungen, Träumen und Einsamkeit lebt. Vom Krieg ist nichts weiter als der mythische Erzählgestus geblieben, der sich so gar nicht in die Gegenwart integrieren lässt. Genretypisch erscheint der Krieg als ein sehr weit entrücktes Gesche- hen, das lediglich wie durch einen parabolischen Schleier als kaum stattgefunden wahrgenommen wird.7 Breschnews Führungstätigkeit vollzog spätestens ab Ende der 1960er Jahre wieder eine Kehrtwende in Richtung Redogmatismus. Kritische Filme zur sowjetischen Ver- gangenheit und Gegenwart wurden entweder verboten oder behindert. Als Antwort auf westliche Filmproduktionen über den Zweiten Weltkrieg, in denen der Stellenwert der UdSSR als Siegermacht mit der Hauptlast des Krieges kaum oder gar nicht vorkam, ent- stand zwischen 1969 und 1971 das fünfteilige Schlachtenepos Oswoboshdenije (Befrei- ung, R.: Juri Oserow), das sowohl Stalin wieder heldisch reinstitutionalisierte, als auch der herkömmlichen Schlachtendarstellung erneut breiten Raum gab, und zwar mit den- selben Darstellungsproblemen, mit denen schon die Schlachtbeschreibungen der spä- ten Stalin-Filme in den 1950er Jahren behaftet waren. Der neue Konservatismus in der Kulturpolitik unter Breschnew ließ allerdings eine Reihe existentieller Filme zum Zwei- ten Weltkrieg zu, so z. B. Woschoshdenije (Aufstieg, 1976) wieder in der Regie von La- rissa Schepitko und Dwadzat dnej bjes wojnui (Zwanzig Tage ohne Krieg, 1977) von Ale- xej German. Beide Filme interpretierten mit eigenwilligen und gegenkanonischen Stil- 7 Vgl. zu Flügel auch Woll 2000, 217-219. 68 Detlef Kannapin mitteln die Verhaltensweisen von Armeeangehörigen unter den außergewöhnlichen Umständen des Krieges. In Aufstieg sind Kollaboration und Heldentod das elementare Geflecht der Entscheidungen für oder gegen die deutschen Besatzer, wobei nicht nur die Sympathien in Anbetracht der Kriegsrealität klar verteilt sind, sondern der Akt des gewaltsamen Todes einen dem Gegenstand angemessenen Rahmen erhält.8 Zwanzig Tage ohne Krieg beleuchtet drei Wochen eines Kriegsberichterstatters weit hinter der Front, um damit eine Konstellation des Hinterlandes aufzuzeigen, in der fern vom Kampfgeschehen die Not der Kriegslast sozusagen ‚beiläufig’ zum Tragen kommt. Vor allem die Filme der 1970er Jahre transportierten daher in der Regel ‚Umgehungsstra- tegien’, um die Auswirkungen des Krieges abseits präzis umrissener militärischer Techniken zu veranschaulichen. Diese waren daher meist Antikriegsfilme ohne direk- ten Bezug zum Kampfkonflikt als solchen. Erwähnt werden sollte noch Idi i smotri (Geh und sieh [DDR] / Komm und sieh [BRD], 1985) von Elem Klimow, ein Film, dessen Nähe zu den Brutalitäten der deut- schen Kriegsführung in Belorussland 1943 so unmittelbar ist, dass es rezeptorisch schwer fällt, ihn überhaupt zu ertragen. Vermutlich ist dieser filmische Weg der einzi- ge, die Schrecken des Krieges in unumwundener Form so dicht wie möglich an den Be- trachter heran zu führen.9 Das wird in der Regel mit einer Distanzierung des Zuschauers gegenüber dem Gezeigten erkauft.10 Trotz der Überformung des Filmwesens in Polen, der CSSR und in Ungarn während der Zeit des Hoch-Stalinismus bis 1956 durch das sowjetische Kulturmodell, schafften es alle drei nationalen Kinematografien, sich ihre Eigenständigkeit im Umgang mit dem Kriegserbe zu erarbeiten und zu bewahren. III. Polen Mit der polnischen Filmentwicklung im Allgemeinen war und ist vor allem der Name Andrzej Wajda verbunden. Er galt und gilt noch immer als gewisser Indikator der fil- mischen Stimme Polens, zumal sein Werk eng mit der Darstellung der polnischen Na- tionalgeschichte vom 18. bis ins 20. Jahrhundert korreliert.11 Seine ersten vier länge- ren Spielfilme – Pokolenie (Eine Generation) von 1954 muss hier unberücksichtigt bleiben – widmeten sich alle der polnischen Tragödie im und nach dem Zweiten Welt- krieg. In Kanal (Der Kanal, 1956) versucht Wajda, den heroischen Kämpfern des War- schauer Aufstandes von 1944 ein Denkmal zu setzen, indem hier der polnische Wider- 8 Die neuere Forschung hält den Märtyrertod der Hauptfigur Sotnikow in Aufstieg für unvereinbar mit den Motiva- tionsmustern einer Antikriegsfilmdramaturgie. Vgl. dazu Bulgakowa 1999, 244f. Diese Auffassung würde einer Prüfung nur dann standhalten, wenn die Handlung in einem zeit- und ortlosen, nahezu abstrakten Raum statt- finden würde, was in Aufstieg jedoch keineswegs der Fall ist. 9 Eine Parallelanalyse von Iwans Kindheit und Geh und sieh kommt zu dem Schluss, dass Geh und sieh eigentlich ein herkömmlicher, konventioneller und pathetischer Kriegsfilm sei. Vgl. Youngblood 1996, 92. Die Drastik der Dar- stellung entspricht jedoch dem Kontext der Situation 1943 in der Sowjetunion. 10 Darin ähnelt Geh und sieh dem Pasolini-Film Salò o le 120 giornate di Sodoma (Salo oder die 120 Tage von Sodom, 1975), über den Ulrich Gregor zutreffend schrieb, dass dies ein Film ist, „den man gesehen haben muß, den man aber kein zweites Mal sehen möchte“. Vgl. Gregor 1983, 78. 11 Vgl. zu Wajdas Werk bis 1980 ausführlich Eder/Kreimeier u.a. 1980. Das filmische Gedächtnis ist unbestechlich 69 stand in die reale tragische Konstellation versetzt wird, heillos unterlegen zu sein und trotzdem den Nationalstolz aufrecht zu erhalten. Die Protagonisten haben nur einen Bewegungszusammenhang: die Abwasserkanäle Warschaus. In diesem Laby- rinth bleiben sie zwar unter sich und können endlich in stark eingeschränktem Sinne ‚frei’ sein, die existentielle Enge ist aber begrenzt und treibt am Ende alle wieder ‚ans Licht’ (der Deutschen). Das ausführliche Szenengerüst in den Kanälen reflektiert die Bedrückung des polnischen Volkes, im Handeln als auch in der Kulisse isoliert und ‚in Dunkelheit getaucht’ zu sein. Ein polnisches Pendant zum film noir. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich Popiól i diament (Asche und Diamant, 1958) mit den bürgerkriegsähnlichen Scharmützeln nach dem Sieg über den deutschen Fa- schismus. Der Film legt nahe, dass die Beschädigungen der Kriegsjahre in die Nach- kriegszeit hinein wirken, weil sich Polen über seine Zukunft nicht im Klaren war. An- hänger der mit der bürgerlichen Exilregierung verbundenen ‚Armija Krajowa’ kämpfen gegen die kommunistisch orientierte ‚Armija Ludowa’, die an der Seite der Roten Ar- mee das Land mitbefreit. Der Handlungsstrang verbindet Vorbereitung und Durchfüh- rung eines letztlich scheiternden Attentats auf einen sozialistischen Funktionär mit den Unsicherheiten in der polnischen Bevölkerung über den zukünftig einzuschlagen- den Weg des Landes. Nur vordergründig erscheint der Film als eine spannende Aben- teuergeschichte darüber, ob die Attentatspläne funktionieren oder nicht. Hingegen zeichnet Wajda mit distanzierter Bitterkeit das Zeitbild der jüngeren Generation am Ende des Krieges: Ohne Pathos, desillusioniert und vom Krieg zerrüttet, in einer Zeit, als die Maschinenpistole das einzig gültige Argument für politische Veränderungen zu sein verspricht, verenden die Protagonisten schließlich auf einer riesigen Müllkippe. Lotna aus dem Jahr 1959 war Wajdas erster Farbfilm. Symbolisch verwoben mit dem Todesschicksal der titelgebenden Stute (zu Deutsch in etwa: fliegend) ist die Ge- schichte dreier Kavalleristen während des deutschen Überfalls auf Polen. Vom Genre her eher als rein individuelle Beziehungsgeschichte der Soldaten zu verstehen, ist das Pferd das Bindeglied sowohl für den Stolz der polnischen Armee als auch klassisches Beispiel für ihren überkommenen Traditionalismus. Die Pastelltöne des Herbstes unter- malen bezeichnend die Melancholie der früheren polnischen Größe, die sich nicht aus dem 19. Jahrhundert zu emanzipieren vermag und dem 20. Jahrhundert (hier den Deutschen) funktionell nicht gewachsen ist. Der Reiterangriff auf die deutschen Pan- zer durch die polnische Kavallerie ist der letztgültige ohnmächtige Ausdruck, dass die Ulanenzeit unwiederbringlich zu Ende geht, ein Paradebeispiel der Wandlungen des Kriegshandwerkes, exakt eingefangen in einer filmischen Konstellation.12 Ab den 1960er Jahren wurde – genannt sei an dieser Stelle noch Eroica (1957) von Andrzej Munk – die Kriegsthematik im polnischen Film nicht mehr so ausgiebig behan- delt wie in der Zeit davor. Es rückten nunmehr Sachfragen der polnischen Gegenwart 12 Interessanterweise haben einige sowjetische Spielfilme in den Jahren vor dem deutschen Überfall 1941 diese Darstellung als die überlegene ausgewiesen. In Jesli sawtra wojna (Wenn morgen Krieg wäre, 1938) von Jefim Dsigan besiegt die Reiterarmee Semjon MichailowitschBudjonnys mit stürmischem Hurra ganze deutsche Pan- zerdivisionen. Vgl. Schlegel 2005, 158. 70 Detlef Kannapin Abschied von alter Soldatenherrlichkeit: Die moderne Kriegstechnik überrollt die Tradition in Lotna. und Adaptionen der Nationalliteratur in den Mittelpunkt des Filmschaffens, an denen auch und gerade Wajda nicht unwesentlich beteiligt war. IV. CSSR Während der polnische Film mit der Kriegsproblematik in hauptsächlichen Teilen of- fenbar abgeschlossen hatte, begann in der Tschechoslowakei die filmische Diskussion über den Zweiten Weltkrieg erst gegen Ende der 1950er Jahre, jedenfalls abseits stali- nistischer Doktrin und mit sehr eigenwilligen Interpretationen in Inhalt und Stil. Be- reits die Zeitgenossen nannten die Filme des Prager Frühlings zwischen 1963 und 1969 ‚Neue Welle’, vor allem inspiriert durch die französischen Ausläufer des Cinéma Vérité und mit charakteristischen Eigenschaften, wie z. B. einer schrittweise radikaler werdenden Kritik am Stalinismus, dem Streben nach Authentizität in der Darstellung von Erfahrungen, einer atmosphärischen Dichte der beobachteten Realität sowie ei- ner Neigungen zur Parabel und Allegorie.13 Allerdings war das Sujet des Krieges keine dominante Strecke im Film des Prager Frühlings, vielmehr versuchten dessen Protago- nisten, die gesellschaftlichen Prinzipien mit dem realen Stand der Gesellschaft zu konfrontieren, wofür sich besonders Gegenwartsbezüge eigneten. Trotzdem waren ei- nige Filme aus dieser Zeit kritische Offerten gegenüber der offiziellen Parteilehrmei- nung über den Zweiten Weltkrieg. Das erste Beispiel ist der Film Démanty noci (Diamanten der Nacht, 1964) von Jan Nemec, der zunächst als reine antifaschistische Heldenlegende beginnt, nachdem zwei jüdische Häftlinge ihre Chance nutzen, um aus einem Gefangenentransport inmitten des Krieges zu fliehen. Auf der Flucht erfahren sie dann die äußeren und inneren Här- ten der Entbehrung, von denen sich die inneren, also Unsicherheit, Zweifel, Ängste und Frustrationen, als die zwingenderen erweisen. Die Jagd auf die beiden in einer Art ‚Volkssturmaktion’ unter Beteiligung der einheimischen Bevölkerung und schließlich das Einfangen erscheint für sie und die Zuschauer als ausweglose Bestätigung dessen, was der Krieg als abstraktes überzeitliches Phänomen mit den Menschen anrichtet. Ge- zeigt wird dies in Form surrealer Überblendungen, ohne ein konkretes Zeitgefühl zu er- möglichen und vor allem ohne direkte Beschreibung einer parteilich ausgerichteten Konstellation von Tätern und Opfern. Das Nebeneinander von Traum und Wirklichkeit 13 Vgl. dazu allgemein Freunde der deutschen Kinemathek 1992. Das filmische Gedächtnis ist unbestechlich 71 im Gefüge phantasmagorischer Leidenschaften ist orientiert auf ganz allgemeine Ab- gründe des Krieges. Die kennzeichnende Verschiebung vom konkreten kriegerischen Sachverhalt unter Verzicht der Behandlung von Strategien, taktischen Erwägungen, Kampfeinsätzen u. a. hin zur allgemein menschlichen Problematik des Verhaltens von Individuen im Krieg wurde noch stärker herausgearbeitet in dem Film Kocár do Vidne (Wagen nach Wien, 1966) von Karel Kachyna. Erzählt wird die Geschichte der odysseehaften Kutschfahrt einer Bäuerin, deren Mann von den Deutschen erschlagen wurde. Ohne Kenntnis dieser Sachlage rekrutieren zwei deutsche Soldaten die Frau und zwingen sie, mit ihnen in Richtung Wien aufzubrechen. Die Bäuerin sieht das als Fingerzeig Gottes und will sich an den Soldaten rächen. Während der eine, verwundete Soldat auf der Fahrt stirbt, nä- hern sich der andere und die Frau einander an, zumal der Krieg fast aus ist. Von Partisa- nen aufgestöbert, wird der Soldat als Deutscher erschossen, während sie als ‚Deut- schenhure’ vergewaltigt wird. Auf diese Lösung des Konflikts ist das Publikum nicht vorbereitet. Der moralische Appell, sozusagen archetypisch mit dem Krieg als Zivilisa- tionsphänomen abzurechnen und zu brechen, kommt nicht nur in der faktischen Unbe- deutsamkeit der Täter-Opfer-Perspektive zur Geltung, sondern auch und gerade in den filmischen Mitteln: Der Film ist fast als Kreuzgang konzipiert, der nicht unbedingt am Ende des Zweiten Weltkrieges hätte spielen müssen. Die Unwissenheit über von ande- ren begangene Verbrechen gilt als Voraussetzung für neue Brutalität. Die Bäuerin lässt auf der Fahrt nach und nach alle Waffen der Deutschen verschwinden, um sich selbst archaisch mit einem Beil rächen zu wollen. Und exakt in dem Moment, wo die Liebe den Hass zu besiegen scheint, kehrt das Gesetz des Krieges in Gestalt der Partisanen zurück. Als Herausforderung für die tschechoslowakischen Zuschauer ist überdies noch die Synchronisation anzusehen, da im Film kaum Tschechisch gesprochen wird. Die deutschen Soldaten wurden im Original mit deutschen Stimmen ausgestattet, was für die Zuschauer den Eindruck einer intensiven Erinnerung an den Alptraum der deut- schen Besatzung hervorrufen musste. Jenseits der Schützengräben: Die grausame Logik des Krieges beherrscht den Partisanenkampf in Wagen nach Wien. 72 Detlef Kannapin Diese kritischen Ansätze der alternativen Bewältigung des Krieges im Film anhand einer überzeitlichen Auseinandersetzung konnten nach dem Einmarsch der sowjeti- schen Truppen in die CSSR 1968 im Zuge der sog. ‚Normalisierung’ nicht fortgesetzt werden. V. Ungarn Im Gegensatz zur eindeutigen politischen Opferperspektive der UdSSR, Polens und der CSSR hatte Ungarn im Zweiten Weltkrieg einen höchst ambivalenten Status einge- nommen, da das Land zunächst unter der Horthy-Administration an der Seite des Deutschen Reiches stand und erst 1944 besetzt wurde. Pikanterweise reflektierten nur wenige Filme diese Mischkonstellation – herausragend wohl Hannibál tanár ur (Profes- sor Hannibal, 1956) in der Regie von Zoltán Fábri. Nach dem Ungarn-Aufstand wurde die eigene Identität noch etwas verworrener, da man sich nun als getriebener Staat zwischen Faschismus und Stalinismus begriff, wobei weder aus dem einen noch aus dem anderen System eine Selbstbefreiung möglich schien. Auch hier waren die 1960er Jahre von elementarer Bedeutung, weil beide Phänomene im Kriegsfilmraster zur Sprache kamen. Apa (Vater, R.: István Szabó, 1966) verbindet in einer Traumgeschichte die Helden- verehrung eines Jungen zu seinem kurz nach dem Krieg verstorbenen Vater, der als gu- ter Arzt und großer Widerstandskämpfer in seinen Imaginationen auftaucht, mit dem Mythos der generationellen Einbildungskraft über Geschichte schlechthin. Während der Kämpfe in Budapest 1956 will der Sohn es dem Vater gleichtun und Held werden, indem er unter großer Gefahr eine später überflüssige ungarische Fahne besorgt. Lang- sam bemerkt der Junge, dass es für die eigene Entwicklung nicht notwendig ist, einem übermäßigen Denkmal zu folgen (auch wenn es der Vater ist), sondern dass man sich seinen Platz in der Gesellschaft abseits mythologischer Kanonisierungen selbst erar- beiten muss. Grundlegende Emanzipation von den früheren Heldenbildern ist dafür die entscheidende Voraussetzung. Wie schon in den tschechoslowakischen Filmen ist das Kriegssujet eher in der Parabelform oder in allegorischen Überzeichnungen präsent, im Falle von Vater gar als ‚Verkleinerung’ der kriegerischen Dimension in Momente des Bürgerkriegs. Während in Vater bevorzugt der Stalinismus den Fokus der Haupthandlung bildete, zeigte der ebenfalls 1966 entstandene Film Hideg napok (Kalte Tage, R.: András Kovács) eindrucksvoll die Mittäterschaft ungarischer Bürger an den faschistischen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg. 1946 sitzen vier Leute im Gefängnis, die nach- weislich im Jahre 1942 an der Ermordung von 3.000 Zivilisten in der jugoslawischen Grenzstadt Novi Sad beteiligt waren, weil vermutet wurde, Partisanen hätten die Be- völkerung infiltriert. Der Film schildert in Rückblenden die Tat und im Gefängnis die retrospektiven Entschuldungsstrategien der Täter. Kalte Tage folgt berühmten Vorbil- dern der Filmgeschichte wie Orson Welles’ Citizen Kane (1940) oder Akira Kurosawas Rashomon (1950) in ihrer Multiperspektivität und geht einen wesentlichen Schritt weiter, indem die Wahrheitsfindung klar der Darstellung vorauseilt. Charakteristisch ist auch der Einsatz der Umgebung und ihre Inszenierung (eine karge Winterland- Das filmische Gedächtnis ist unbestechlich 73 schaft, deutliche Schwarzweiß-Kontraste, die Verfremdung des formalen Arrange- ments von realer Szenerie im Gefängnis zu schattenhaften Umrissen der anonymen Opfer, was den Faschismus als institutionalisierte Wesenskategorie für die Möglich- keit und Führbarkeit von Kriegen herausstellt, obwohl der Krieg als solcher im Film nicht greifbar wird.14 Ähnlich lakonisch argumentierte später ein weiterer Film von István Szabó, Tüzol- tó utca 25 (Feuerwehrgasse 25, 1973), in dem die Schatten des Zweiten Weltkrieges – hier allerdings in skurriler Form – die Mitte der ungarischen Gesellschaft erreichten, ohne dass sie wirklich davon berührt wurde. VI. Schluss Die ‚Unbestechlichkeit’ des filmischen Gedächtnisses ist gerade in der Vergegenwärti- gung des Vergangenen greifbar. Tendiert die individuelle Erinnerung dazu, negative Seiten des Lebens auszublenden und die positiven Seiten dominant werden zu lassen, so kann es die Filmrealität schaffen, Erinnerung kollektiv und ästhetisch zu komplet- tieren. Damit werden auch die zivilisatorischen Abgründe des sozialen Zusammenle- bens benannt, die sonst im Dunkeln bleiben, wie z. B. die schrecklichsten Erlebnisse der Kriegsteilnehmer, die oft in einer romantisierenden Landserexotik enden. Das ost- europäische Kino war von einem derartigen Eskapismus weit entfernt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Wandlungen der Kriegsdarstellungen im osteuropäischen Film zwischen 1945 und 1989 auf mehreren Ebenen vorhanden wa- ren: Erstens auf der Ebene der zeitlichen Veränderung der Wahrnehmung von Schicksa- len im Krieg nach anfänglichen Großproduktionen hin zu Individualperspektiven in ganz Osteuropa. Zweitens auf der Ebene der Differenzierung nationaler Kinematogra- fien untereinander und in Abgrenzung zum sowjetischen Film. Und schließlich drittens auf der Ebene der formalen Mittel selbst mit der Ablösung konkreter realistischer Kriegskonstellationen und der Hinwendung zur parabelhaften und allegorisch belade- nen überzeitlichen Verkörperung des Krieges als Abstraktum. Die Entwicklung bis 1989 schloss jedoch nicht aus, dass der realistische Antikriegsfilm, besonders in der Sowjet- union, seinen Stellenwert behielt. Insofern war eine Menge Bewegung im osteuropäi- schen Film, die genretheoretisch für die Forschung wohl erst noch wieder zu entdecken ist. Literatur Bulgakowa, Oksana: „Der neue Konservatismus“, in: Christine Engel (Hg.): Geschichte des sowjetischen und russischen Films. Stuttgart, Weimar 1999, S. 182-255. Eder, Klaus, Klaus Kreimeier u.a.: Andrzej Wajda. München, Wien 1980. Freunde der deutschen Kinemathek: Die Filme des Prager Frühlings 1963-1969. Freunde der deutschen Kinemathek, Heft 79/1992. 14 Vgl. auch die diesbezügliche Interpretation bei Gregor 1983, 367. 74 Detlef Kannapin Gregor, Ulrich: Geschichte des Films ab 1960 [1978]. 2 Bde. durchlaufend paginiert, Reinbek 1983. Kannapin, Detlef: „Geh hin und sieh Dir das an. Sowjetische Spielfilme im Kontext von Revolution und Krieg – Drei Beispiele“, in: Michael Strübel (Hg.): Film und Krieg. Die Inszenierung von Politik zwischen Apologetik und Apokalypse. Opladen 2002, S. 75-92. Kannapin, Detlef: Dialektik der Bilder. Der Nationalsozialismus im deutschen Film. Ein Ost-West-Vergleich. Berlin 2005. Leonhardt, Hilde (Red.): Beiträge zum Sozialistischen Realismus. Grundsätzliches über Kunst und Literatur. Berlin 1953. Margolit, Evgenij: „Der Film unter Parteikontrolle“, in: Christine Engel (Hg.): Geschich- te des sowjetischen und russischen Films. Stuttgart, Weimar 1999, S. 68-108. Schlegel, Hans-Joachim: „Schulmeister, Romantiker und Tatmenschen, Faschisten und Revolutionäre. Bilder der Deutschen im russischen, sowjetischen und postsowjeti- schen Film“, in: Ralf Schenk, Erika Richter, Claus Löser (Red.): apropos: Film 2005. 6. Jahrbuch der DEFA-Stiftung, Berlin 2005, S. 152-172. Steinle, Matthias: Vom Feindbild zum Fremdbild. Die gegenseitige Darstellung von BRD und DDR im Dokumentarfilm. Konstanz 2003. Thiel, Reinhold E.: „Acht Typen des Kriegsfilms“, in: Filmkritik, 11/1961, S. 514-519. Woll, Josephine: Real Images. Soviet Cinema and the Thaw. London, New York 2000. Youngblood, Denise J.: „Ivan’s Childhood (USSR, 1962) and Come and See (USSR, 1985): Post-Stalinist Cinema and the Myth of World War II“, in: John Whiteclay Chambers II, David Culbert (Hg.): World War II, Film, and History. New York, Oxford 1996, S. 85-96. 75 Jörn Glasenapp Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg John Wayne und der Alamo-Mythos I. Insgesamt dreizehn Tage, vom 23. Februar bis zum 6. März 1836, dauerten die Belage- rung und die anschließende Schlacht um die als Alamo in die Geschichte eingegange- ne ehemalige Mission San Antonio des Valero. Von knapp zweihundert Amerikanern unter dem Befehl von William Barret Travis wurde sie gegen die ca. zweitausend Mann starke mexikanische Armee des General Santa Anna verteidigt, der es schließlich un- ter größten Verlusten gelang, das Gebäude zu erobern. Alle Amerikaner, unter ihnen die bereits zur damaligen Zeit weithin bekannten Frontiermänner Davy Crockett und James Bowie, kamen um. Folgt man der nationalistischen Geschichtsschreibung der Vereinigten Staaten, so war das Opfer der Verteidiger jedoch alles andere als verge- bens. Denn die „thirteen days of glory“ verschafften General Sam Houston, dem Be- fehlshaber der texanischen Armee, einen lebensnotwendigen Aufschub, im Norden seine Truppen zu verstärken, um schließlich am 21. April dem mexikanischen Gegner bei San Jacinto eine vernichtende Niederlage beizubringen, Santa Anna gefangen zu nehmen und somit die Texanische Revolution einem aus amerikanischer Sicht glückli- chen Ende zuzuführen. Alamo und San Jacinto, „the inseparable alpha and omega of the Texas creation mythology“1 – dies ist die historisch zweifelhafte, aus der amerikanischen Erinne- rungskultur indes kaum zu tilgende Sichtweise der geschichtlichen Ereignisse, deren eigentliche Essenz sich auf der Gedenktafel rechts neben dem Eingang der einstigen Mission findet, wo diese als „Shrine“ und „Cradle of Texas Liberty“ apostrophiert wird. Wollte man mit Roland Barthes’ semiologisch fundierten Mythosbegriff2 arbeiten, so ließe sich diese Bezeichnung als ein mustergültiger mythischer ‚Befall’ beschreiben, das heißt als Indienstnahme des objektsprachlichen Systems, also der ‚tatsächlichen’ Geschichte von Alamo, durch das metasprachliche System des Mythos, der das Gebäude zur Form, man könnte auch sagen: zum Behältnis eines Begriffes, in diesem Fall des texanischen bzw. US-amerikanischen Freiheitskampfes, reduziert. Letzterer ist hierbei in bemerkenswert offensichtlicher Weise zyklisch aufgefasst, als Kreislauf vom Sterben 1 Brear 1995, 23. 2 Barthes 1964. 76 Jörn Glasenapp („Shrine“) und erneuten Werden („Cradle“), und so passt es denn auch, dass immer wieder auch die Auferstehung Christi als zentrales Bezugsfeld des Alamo-Mythos fun- giert, der die aus Bowie, Travis und Crockett bestehende Heldentrias gar als der Frei- heit verpflichtete Dreifaltigkeit imaginiert. „In the Alamo trinity“, so Holly Beachley Brear, „James Bowie corresponds to the ancient father, Travis the son (the young sa- crifice who brings the civilizing law), and David Crockett the ageless spirit.“3 Wenn also in John Waynes The Alamo (1960) Travis (gespielt von Laurence Harvey) bei sei- nem ersten Auftritt seinen Hut auf eine an einen Altar erinnernde Kommode legt, und zwar genau unter ein prominent an der Wand hängendes Kruzifix (Abb. 1), so sollte uns dies nicht überraschen, ebenso wenig wie der Umstand, dass Bowie (gespielt von Richard Widmark) kurz darauf seinen Alkoholrausch auf einem Bett ausschläft, das ebenfalls durch ein Kreuz an der Wand ‚gesegnet’ ist (Abb. 2). Abb. 1 Abb. 2 Was die christliche Symbolik bereits früh andeutet, wird im Verlauf der ursprünglich mehr als drei Stunden dauernden Handlung des Films immer unmissverständlicher of- fenbar: Waynes opus magnum ist eine politische ‚Heilsgeschichte’ im historischen Ge- wand. Als eine solche gelangte sie im Oktober 1960 in die Kinos und bildete somit, nach Budd Boettichers The Man from the Alamo (Der Mann vom Alamo, 1953), der von Norman Foster gedrehten Disney-Produktion Davy Crockett, King of the Wild Frontier (Davy Crockett, König der Trapper, 1955) sowie The Last Command (Die Barrikade von San Antone, 1955) von Frank Lloyd, den opulenten Abschluss jenes Alamo-Booms, der Hollywood in den 1950er Jahren erfasste – erwarteter Weise, muss man sagen. 3 Brear 1995, 39. Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg 77 Schließlich waren es die fünfziger Jahre, in denen das Westerngenre, dem der Ala- mo-Stoff fast notgedrungen zuzuordnen ist, nicht nur seine eindeutige Blüte feierte, sondern zudem einen kaum zu übersehenden ‚Politisierungsschub’ erfuhr. Dieser äu- ßerte sich allen voran darin, dass sich zahlreiche Filme – zu denken wäre etwa an John Fords Rio Grande (1950) oder John Sturges’ Gunfight at the O.K. Corall (Zwei rechnen ab, 1957) – in nicht selten überaus rigider Weise mit dem die gesamte dama- lige Diskurslandschaft der USA maßgeblich bestimmenden Containment-Gedanken synchronisierten. Der so genannte Cold War Western4 entstand, der die Auseinander- setzung mit dem Kommunismus, genauer: die Eindämmung dessen als imperialistisch wahrgenommener Bestrebungen, eher weniger denn mehr chiffriert thematisierte und in diesem Zusammenhang an Alamo einfach nicht vorbeisehen konnte. Zu pro- blemlos ließ sich der Kampf gegen die ‚rote Gefahr’ über einen allseits bekannten na- tionalen Ursprungsmythos vermitteln, in dem es zentral um die Abwehr gegnerischer Expansionsgelüste geht. Niemand von Hollywoods Protagonisten, so scheint es, sah dies klarer als John Wayne, der sich selbst einmal als „an old-fashioned, honest-to-goodness, flag-waver patriot“5 bezeichnete und dem die Schlacht von Alamo als „greatest piece of folklore ever brought down through history“6 galt. Seine Pläne bezüglich eines entsprechenden Filmprojektes reichten bis Mitte der 1940er Jahre zurück,7 in jene Zeit also, in der sich der während der Kriegsjahre allmählich zum Superstar avancierte Schauspieler einiger- maßen plötzlich für Politik zu interessieren begann, um sich von nun an als überzeug- ter Patriot und Anti-Kommunist par excellence zu profilieren – und dies keineswegs nur vor der Kamera. So ließ er sich 1949 zum Präsidenten der Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals (MPA) wählen, einer im Februar 1944 gegrün- deten Vereinigung erzkonservativer Filmschaffender, die es sich zum vornehmsten Ziel gesetzt hatten, kommunistische Elemente innerhalb der Branche aufzuspüren und zu bekämpfen. Gerüchten zufolge soll die MPA dem House Un-American Activities Com- mittee (HUAC) eine Namensliste angeblicher Kommunisten zugespielt haben und da- durch indirekt für die Verhaftung der Hollywood Ten verantwortlich gewesen sein. Wayne stritt dies ab,8 doch würde sich eine derartige Verleumdungsaktion durchaus mit seiner großen Bewunderung für den republikanischen Senator Joseph McCarthy vertra- gen haben. Dessen auf Denunziation und opportunistischer ‚Selbstkontrolle’ setzende Feldzug gegen Politiker, Künstler und Wissenschaftler, welche dem Idealbild des ortho- doxen Anti-Kommunisten nicht hundertprozentig entsprachen, fand den uneinge- schränkten Beifall des Schauspielers, der den berüchtigten ‚Hexenjäger’ denn auch als einen der „most misunderstood heroes“9 der Vereinigten Staaten bezeichnete. Das von Carl Foreman verfasste Drehbuch von High Noon (Fred Zinnemann, 1952), welches sein 4 Zum Cold War Western liegt mittlerweile eine ganze Reihe von Veröffentlichungen vor. Vgl. unter anderem Pauly 1979, Slotkin 1992, Glasenapp 2001, Corkin 2004, Glasenapp 2005. 5 Zit. nach Levy 1998, 278. 6 Zit. nach Graham 1985-1986, 58. 7 Vgl. Levy 1998, 313; sowie Roberts/Olson 2001, 260. 8 Vgl. Levy 1998, 284. 9 Zit. nach ebd., 287. 78 Jörn Glasenapp Autor bekanntlich als Kritik an McCarthys Extremismus verstanden wissen wollte, ver- urteilte er hingegen als „defeatist“ bzw. „the most un-American thing I’ve ever seen in my whole life.“10 Wayne, den das Magazin Time Anfang der fünfziger Jahre mit Blick auf dessen zahl- reichen Westernrollen als „Hollywood’s super-American“ bezeichnete, „whose unswer- ving motto is ‚Go West and Turn Right’“,11 bekleidete das Amt des MPA-Präsidenten bis 1953. Und wiewohl die Vereinigung innerhalb der Filmbranche alles andere als unum- stritten war und ihre Mitglieder nicht selten als Nestbeschmutzer und Verräter geäch- tet wurden, tat dies der immensen Popularität des Schauspielers keinerlei Abbruch. Im Gegenteil: Sowohl 1950 als auch 1951 wiesen ihn Umfragen als absoluten Publikums- liebling aus.12 Nicht zuletzt dies ermutigte Wayne, sein Rollenspektrum in Richtung un- verblümter anti-kommunistischer Propaganda zu erweitern. Und so entstanden mitt- lerweile weitgehend in Vergessenheit geratene Filme wie der Abenteuerstreifen Blood Alley (William A. Wellman, 1955), in dem Wayne als Kapitän einem ganzen Dorf zur Flucht aus Rot-China verhilft, die Ninotchka-Variation Jet Pilot (Josef von Sternberg, 1957), die dem Zuschauer die Bekehrung einer russischen Spionin zum Kapitalismus und dessen Segnungen präsentiert, sowie Big Jim McLain (Edward Ludwig, 1952), eine von der Forschung als „Cold War agitprop“13 und „shallow propaganda piece“14 getadel- te Krimi-Komödie, in der Wayne einen Ermittler des HUAC spielt, der auf Hawaii Kom- munisten jagt. Wenn mancher es auch als bloßen Zufall erachten mag, dass die Initia- len des Titelhelden denen Senator McCarthys gleichen, so wird man nicht leugnen kön- nen, dass die krude Drastik, mit der der Film seine ideologische Botschaft zu vermit- teln sucht – etwa, indem er den Kommunismus implizit mit der Lepra gleichsetzt –, der Rhetorik McCarthys durchaus sehr nahe kommt. Demgegenüber nimmt sich Waynes Alamo-Epos als geradezu subtile Form kinema- tografischen Politainments15 aus; dies, obgleich es sich bei dem Film unbestreitbar um das Herzstück der anti-kommunistischen Bemühungen des Schauspielers handelt, der sich letzten Endes dazu entschloss, nicht nur die Rolle des Davy Crockett zu überneh- men, sondern darüber hinaus auch als Produzent und Regisseur zu agieren. Es sei zwar dahingestellt, ob man deswegen von einem „auteur film“16 sprechen muss, wie dies Rodney Farnsworth in seinem einigermaßen vergeblichen Versuch der Ehrenrettung von The Alamo tut. Nichtsdestotrotz steht außer Frage, dass Wayne den ebenso lang- wierigen wie schwierigen Produktionsprozess seines monumentalen, letzten Endes über zwölf Millionen Dollar teuren Werkes in einem Maße kontrollierte, dass wir es ge- trost als vergleichsweise ungebrochenes Statement des Superstars begreifen dürfen. Diesem Statement nun verlieh er im Rahmen der eminent politisch ausgerichteten Werbekampagne, aber auch in Interviews, Pressemitteilungen etc. zusätzlich Nach- 10 Zit. nach ebd., 286. 11 Zit. nach ebd., 279. 12 Vgl. ebd., 283. 13 Wills 1998, 200. 14 Eyles 1976, 135. 15 Vgl. hierzu Dörner 2001. 16 Farnsworth 1998-1999, 25. Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg 79 druck. So erklärte er kurz nach der Uraufführung des Films, dass es ihm bei dessen Pro- duktion darum gegangen sei, „to recreate a moment in history which will show to this living generation of Americans what their country really stands for, and to put in front of their eyes the bloody truth of what some of their forbears went through to win what they had to have or die – liberty and freedom.“17 Dass für den Erhalt der Frei- heit auch heute noch Opfer gebracht werden müssten, dies freilich werde, so Wayne, in letzter Zeit allzu häufig aus den Augen verloren. Aus diesem Grunde habe er an den Alamo-Mythos erinnern wollen, dem er somit eine Mythomotorik zusprach, die sich mit Jan Assmann als „kontrapräsentisch“ bezeichnen ließe. Sie gründet sich auf „De- fizienz-Erfahrungen der Gegenwart [...] und beschwört in der Erinnerung eine Vergan- genheit, die meist die Züge eines Heroischen Zeitalters annimmt. Von diesen Erzäh- lungen her fällt ein ganz anderes Licht auf die Gegenwart: Es hebt das Fehlende, Ver- schwundene, Verlorene, an den Rand Gedrängte hervor und macht den Bruch bewußt zwischen ‚einst’ und ‚jetzt’.“18 Kurz: Die mythische Vergangenheit wird als positive Kontrastfolie bemüht, um das Ungenügen der Gegenwart umso deutlicher hervortre- ten zu lassen. „I think we’ve all been going soft, taking freedom for granted“, erklärte Wayne ganz in diesem Sinne, den Finger auf die Defizienz des ‚Heute’ legend. Dennoch äußerte er die Hoffnung, der Film werde den Geist Amerikas, den man hier wohl am besten als eine in der Nation tief verankerte Freiheitsliebe begreift, an, so der Schau- spieler, „countries threatened with Communist domination“ weiterreichen und „new heart and new faith into all the world’s free people“19 injizieren. Deutlicher hätte Wayne seine Parteinahme für die US-Eindämmungspolitik kaum ausdrücken können, für die er auch als Davy Crockett das Wort ergreift, wenn er die- sen, und zwar in der eigentlichen, da den ideologischen Kern des Films markierenden Schlüsselszene, seinen aus Tennessee stammenden Männern erklären lässt, warum sie sich an einem Kampf zu beteiligen hätten, der sie ihrer Meinung nach nichts angehe, da Santa Anna ja schließlich nicht ihre Ochsen schlachten wolle. „Talkin’ about whose ox gets gored ... figure this. A fellow gets in the habit of gorin’ oxes, it whets his appe- tite. He may come up north next and gore yours“, so das Gegenargument Crocketts, mit dem er sich unmissverständlich als Anhänger der Dominotheorie zu erkennen gibt. Seit der so genannten Great Debate, der Diskussion um die Beteiligung der Vereinigten Staaten am Kampf gegen Hitler, zum Kern der US-Weltpolitik gehörend, beherrschte sie, angefangen bei der Truman-Doktrin von 1947, alle außenpolitischen Lageanalysen des Kalten Krieges. Hierbei fungierte sie als „politische Allzweckwaffe zur Rechtferti- gung von Bündnissen, militärischen Interventionen und wirtschaftlicher Hilfe in Euro- pa, Asien, Afrika und Lateinamerika.“20 Zugleich bewirkte sie, dass der Nationale Si- cherheitsrat der USA die Möglichkeit, zu einer isolationistischen Position in der west- lichen Hemisphäre bzw. zur Außenpolitik der Zwischenweltkriegszeit, zurückzukehren, rigoros verwarf. 17 Zit. nach Levy 1998, 314. 18 Assmann 1999, 79. Vgl. hierzu ferner ders. 1992, 52-57. 19 Zit. nach Levy 1998, 314. 20 Junker 2003, 89. 80 Jörn Glasenapp Bemerkenswert ist nun, dass zum Zeitpunkt, als Wayne seinem Publikum seine kine- matografische Nachhilfestunde in Sachen Außenpolitik erteilte, ihn die reale Situation des Kalten Krieges vollauf zu bestätigen schien. Immerhin hatten sich die Vereinigten Staaten damals massiver ‚Roll-back’-Anstrengungen seitens der Sowjetunion zu erwehren. Ermutigt durch den 1957 erfolgten Start zweier Satelliten bzw. die durch diesen scheinbar belegte eigene raketentechnische Überlegenheit, verfolgte diese den ehrgeizigen Plan, den Status einer immer noch als zweitrangig angesehenen eurasischen Landmacht abzu- legen und den globalen Wettbewerb mit den USA auch in Asien, Afrika und Lateinamerika aufzunehmen – mit dem alles dominierenden Ziel, als gleichwertige Supermacht aner- kannt zu werden. Entsprechend unternahm Chruschtschow den riskanten Versuch, die Stellung der USA sowie der NATO zu erschüttern – auch und vor allem in Europa, wobei insbesondere an das Berlin-Ultimatum vom 10. November 1958 zu denken ist. Es forderte den Rückzug der westlichen Truppen aus der Stadt und führte schließlich zur zweiten Ber- lin-Krise, das heißt zu einem weltpolitischen Konflikt-Szenario, dessen Parallelen zur Be- lagerung von Alamo – hier wie dort sahen sich die standhaften Verteidiger von einer viel- fachen gegnerischen Übermacht umzingelt – auf der Hand lagen. Vor diesem Hintergrund war der Aktualitätsgrad von Waynes Film also durchaus beachtlich zu nennen,21 was man ihm jedoch nicht dankte – weder an der Kinokasse, wo The Alamo zu einer der großen Ent- täuschungen des Jahres wurde, noch in den Feuilletons, die größtenteils nur wenig Posi- tives über den Film zu sagen wussten, ihn vielmehr als „another beleaguered blockhouse Western“22 (New York Times), „model of distortion and vulgarization“ (New Yorker) bzw. „the most lavish B picture ever made“ (Newsweek) rügten, wobei sie das „B“ als Abkür- zung für „banal“23 verstanden wissen wollten. Doch damit nicht genug. Zu guter Letzt nämlich zerschlugen sich auch noch Waynes Oscar-Träume weitgehend: Allein der Sound wurde ausgezeichnet – dies, obgleich The Alamo in nicht weniger als sieben Kategorien nominiert worden war und Wayne im Vorfeld versucht hatte, die Prämierung seines Films zum Dienst am Vaterland zu stilisieren.24 II. Werden der Kampf um Alamo und die anschließende Schlacht bei San Jacinto im Kol- lektivgedächtnis der USA auch als unlösbare Einheit gehandelt, so beließ es Wayne in seinem Film bei der Darstellung des ersten Gefechts. Anscheinend glaubte er, sich auf die Geschichtskenntnisse seines Publikums verlassen zu können, welches er in der ersten Szene aber freilich sicherheitshalber noch einmal an die Bedeutung der „thir- teen days of glory“ und damit ihren triumphalen Kern erinnerte, und zwar durch Ge- neral Houston. In einer kurzen Besprechung gibt dieser Travis und dessen Leuten den Befehl, den Vormarsch der mexikanischen Armee so lange wie möglich aufzuhalten, um ihm den Aufbau einer schlagkräftigen Truppe zu ermöglichen: „You gonna have to 21 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schwartz 1998, 3; sowie Corkin 2004, 166. 22 Zit. nach Levy 1998, 316. 23 Zit. nach Roberts/Olson 2001, 275. 24 Vgl. hierzu Wills 1998, 227; sowie Roberts/Olson 2001, 276. Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg 81 keep Santa Anna off the back of my neck until I can get in shape to fight him.“ Mit diesen Worten, so ließe sich mit Joseph Campbell sagen,25 ist die Berufung des Hel- den Travis erfolgt, der keinen Moment zögert, sich an die Ausführung des Befehls zu machen und Alamo zur Festung umzufunktionieren. Entsprechend vergehen denn auch keine zwei Filmminuten, bis wir ihn bei der Leitung der notwendigen Umbauar- beiten erleben. Diese erfolgt, wie könnte es angesichts der vorangegangenen ‚Seg- nung’ von Travis’ Hut auch anders sein, vom Dach der Missionskirche aus, welche da- rüber hinaus noch durch eine kreuzartige Balkenkonstruktion gekrönt ist. Keine Fra- ge: Man kann die seitens der Forschung geäußerte Kritik an der Fülle christlicher Symbole nachvollziehen,26 mittels derer Wayne den Kampf seiner Helden für die Frei- heit dem Publikum als gottgewolltes, heiliges Unterfangen unterzujubeln suchte. Dass The Alamo in dieser Hinsicht beileibe keinen Sonderfall darstellte, liegt auf der Hand und wird nicht zuletzt durch The Magnificent Seven (Die glorreichen Sieben) von John Sturges bestätigt, einem im Gegensatz zu Waynes Film sogleich zum Genreklas- siker avancierten professional-Western.27 Er gelangte ebenfalls 1960 in die Kinos und verdient aufgrund seiner offenkundigen Parallelen zum hier zur Diskussion stehen- den Freiheitsepos an dieser Stelle etwas genauere Beachtung. Bekanntlich handelt es sich bei Sturges’ enorm erfolgreichen Western um eine Adaption von Akira Kurosawas 1953 gedrehten Film Shichinin no samurai (Die sieben Samurai), dessen plot-Modell aus dem Japan des späten 16. Jahrhunderts ins nördliche Mexiko des ausgehenden 19. Jahrhunderts verlegt wird. Entsprechend sind es keine ja- panischen Bauern, die von japanischen Räubern, sondern mexikanische Bauern, die von einer alljährlich auftauchenden mexikanischen Banditenbande drangsaliert wer- den, bis dieser ihr Handwerk gelegt wird – und zwar durch die sieben nordamerikani- schen Helden. Mit anderen Worten: Eine die nationale Differenz akzentuierende Kom- ponente wurde als augenfälliges Novum gegenüber der Vorlage in das amerikanische Remake implementiert. Während nämlich Kurosawas Film die Begegnung von Oben und Unten, Samurai und Bauern, noch als dialektisches Wechselspiel thematisiert, das die nationalen Grenzen nicht überschreitet, profilieren sich Sturges’ Revolvermänner als Gesandte des großen Bruders USA, der, gerufen von seinem kleineren Bruder Mexiko, in dessen Gefilden nach dem Rechten sieht und in paternalistischer Weise für Ordnung und Freiheit sorgt. Diese entscheidende Veränderung nun wird um so viel sagender, wenn man in Rechnung stellt, dass Sturges’ Film ganz im Gegensatz zur japanischen Vorlage, die den Kontrast zwischen den ‚feigen’ Bauern und ‚mutigen’ Samurai zusehends abbaut und im Schlamm der Entscheidungsschlacht letztlich nahezu völlig aufhebt, die grund- sätzliche Alterität von Beschützern und Beschützten unablässig betont. Dass es dabei zu keinerlei Zweifeln bezüglich der Frage kommt, wessen Position, die der Bauern oder die der Revolvermänner, als die überlegene zu gelten hat, wird nicht zuletzt durch den 25 Campbell 1978, 55-63. Zur Heldenberufung speziell im klassischen Hollywood-Kino vgl. Krützen 2004, 152ff. 26 Vgl. etwa Wills 1998, 218. 27 Zur Spezifik des professional-Western, der zumeist eine Gruppe von Helden in den Mittelpunkt stellt, die als eine Art Söldner ihre Qualitäten im Kampf für eine Gegenleistung, oftmals Geld, anbieten, vgl. vor allem Wright 1975; Carroll 1998. 82 Jörn Glasenapp Einsatz einer ebenso hypertrophen wie eklektisch anmutenden Christus-Symbolik ga- rantiert. Ein Blick auf die beredte Bittszene am Anfang des Filmes mag dies verdeutli- chen (Abb. 3): Sie zeigt, wie die drei Abgesandten des drangsalierten Dorfes, den drei Königen gleich, den späteren Anführer der Amerikaner (gespielt von Yul Brunner) auf- Abb. 3 suchen, der, ausgerechnet den Namen Chris tragend, auf das Hilfegesuch schließlich eingeht. Dass er dabei bezeichnenderweise vor einer im Hintergrund an der Wand hängenden Abendmahldarstellung gefilmt wird, vermag den Zuschauer kaum noch zu überraschen, der das proleptische Requisit dahingehend deutet, dass sich Chris als Christus schon bald auf die Suche nach seinen Jüngern begeben wird, die mit den sechs weiteren Pistolenmännern denn auch recht schnell zur Hand sind. Und so reiten die sieben Heiligen wenige Tage später in das mexikanische Dorf ein, um ihren Erlö- sungsplan in die Tat umzusetzen, das heißt das Dorf vor den Übergriffen des Banditen Calvera zu befreien. Trotz einiger Mühen und schmerzlicher Verluste, die im Wesentli- chen der Feigheit einiger der Bauern geschuldet sind, gelingt dies schließlich. The Magnificent Seven als Cold War-Parabel zu lesen, fällt alles andere als schwer. Denn kaum zu übersehen sind die offensichtlichen Bezüge zur Interventionspolitik, die die Vereinigten Staaten in aller Konsequenz verfolgten, seit Truman am 12. März 1947 seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, „that it must be the policy of the United States to support free peoples who are resisting attempted subjugation by armed minorities or by outside pressures.“28 Ohne Frage handeln Sturges’ Helden ganz und gar linientreu, wenn sie Calvera bekämpfen, der keineswegs zufällig rot gekleidet ist und nichts anderes als Santa Anna in The Alamo repräsentiert: die kommunistische Gefahr, der es unbedingt Ein- halt zu gebieten gilt. Mexiko fungiert also vor diesem Hintergrund, wie Texas in Waynes Film, als bloßer Platzhalter einer vom Kommunismus bedrohten Nation – eine Deutung, der unter anderem Stanley Corkin folgt, welcher in seiner kürzlich erschienenen, über weite Strecken sehr lesenswerten Studie zum Cold War Western die Filme The Alamo und The Magnificent Seven einer relationalen Lektüre unterzieht und in diesem Zusammen- hang anmerkt, beide böten „powerful emotional pleas for the extension of U.S. power to bring about social conditions throughout the world that will replicate those that exist in an idealized vision of the United States.“29 Nicht zuletzt auf Michael Coyne kann er sich 28 Zit. nach Junker 1995, 75. 29 Corkin 2004, 179. Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg 83 hierbei berufen, der den Filmen ein antizipierendes Potenzial attestiert, indem er sie mit den zunehmend eskalierenden Geschehnissen in Vietnam in Beziehung setzt: „These nar- ratives prefigured America’s ideological commitment, as a redeemer nation, to the Viet- nam conflict; but their plot resolutions were romanticized inversions of what ultimately transpired in Southeast Asia.“30 Es ist bekannt, dass dem Vietnamkrieg für die weitere Entwicklung des Western- genres eine nur schwerlich zu überschätzende Bedeutung zukam. Zahlreiche Filme, darunter Arthur Penns Little Big Man (1970), Ralph Nelsons Soldier Blue (Das Wiegen- lied vom Totschlag, 1970), Michael Winners Chato’s Land (1971) sowie Robert Aldrichs Ulzana’s Raid (Keine Gnade für Ulzana, 1972), belegen die so genannte ‚Vietnamisie- rung’ des Genres hinlänglich. Und zweifellos liegt man nicht falsch, wenn man als zen- trale Ursache für diese den Umstand geltend macht, dass der Konflikt in Asien zwar als der erste ‚TV-Krieg’ in die Geschichte der Vereinigten Staaten einging,31 dass man je- doch aufgrund seiner Umstrittenheit davor zurückschreckte, ihn in den 1960er und frühen 1970er Jahren direkt auf die Leinwand zu bringen. Man wich dem Problem da- durch aus, dass man das Kriegsgeschehen gewissermaßen per analogiam behandelte, und dies allen voran im Western. Dieser, so lesen wir bei Eben J. Muse, „was well suited for recreating a war which film production companies were unwilling to show as itself. It had been among the most popular and profitable film genres since the silent years, which meant that the production companies would be willing to risk financing them even if they were controversial.“32 Muses These wird unter anderem von William W. Cobb bestätigt, der zudem richtigerweise darauf hinweist, dass die ‚Vietnamisierung’ des Western mit dessen zunehmender ‚Mexikanisierung’ einherging. Kurz gesagt: Hol- lywoods Regisseure, so Muse, „dressed the Green Beret as a gunfighter and sent him to Mexico.“33 Unter anderem Richard Brooks in The Professionals (Die gefürchteten Vier, 1966), Andrew V. McLaglen in Bandolero! (1968), Paul Wendkos in Cannon for Cordoba (Kanonen für Cordoba, 1970) sowie Sam Peckinpah in Major Dundee (Sierra Charriba, 1965) und The Wild Bunch (1969) taten dies. Auf den ersten Blick mag man sich darüber wundern, dass sich John Wayne, der zweifelsohne wichtigste Westerndarsteller überhaupt, an der ‚Vietnamisierung’ des Genres nicht beteiligte und somit auch in keinem der oben genannten Filme mitspiel- te. Waynes Zurückhaltung in dieser Hinsicht versteht sich indes von selbst, wenn man bedenkt, dass sich die ‚Vietnamisierung’ im Großen und Ganzen als massiver politi- scher ‚Linksruck’ des Western darstellte, der, zumal nach den Schocks, welche die Tet-Offensive sowie das My Lai-Massaker in der amerikanischen Öffentlichkeit ausge- löst hatten, den nicht enden wollenden Einsatz der US-Truppen mehr und mehr als menschenverachtenden Imperialkrieg anprangerte. Darüber hinaus hielt der Star den Krieg für das Wohlergehen und die Zukunft Amerikas für viel zu essenziell, als dass ihm 30 Coyne 1997, 105f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Richard Slotkin, demzufolge The Magnificent Seven als „an allegory and a prophecy of the course of counterinsurgency in Vietnam“ zu gelten habe. Slotkin 1992, 461; sowie Cobb 1998, 85f. 31 Vgl. hierzu unter anderem Paul 2004, 314-321. 32 Muse 1995, 47. Vgl. zudem Reinecke 1993, 21-26 sowie Engelhardt 1995, 234-241. 33 Cobb 1998, 91. 84 Jörn Glasenapp eine camouflierte Behandlung desselben im Westerngewand hätte angemessen er- scheinen können. Den Bedenken der Filmindustrie trotzend, setzte er demnach auf gänzlich unverschlüsselte Botschaften und drehte mit seiner von Douglas Kellner als solchen bezeichneten „ultra right-wing fantasy“34 The Green Berets (Die grünen Teufel) 1968 den einzigen während des Krieges produzierten Spielfilm, der das Geschehen in Asien direkt in den Fokus rückt. Wie sich im Folgenden zeigen wird, kehrte er damit gleich in mehrfacher Hinsicht zum Stoff seiner ersten Regiearbeit, der Schlacht von Alamo, zurück. III. „Eight years after The Alamo [...], Wayne again felt the urge to save his country with a movie“,35 erklärt Garry Wills, sich über den überbordenden Patriotismus des Schau- spielers lustig machend. Genau genommen vergingen aber freilich nur etwa fünf Jah- re, bis dieser erneut die Zeit dafür gekommen sah, mit einem eigenen Filmprojekt an die Öffentlichkeit zu treten. Denn bereits Mitte der 1960er Jahre erfolgte der Ent- schluss, The Green Berets zu drehen, wobei nicht zuletzt die Erfahrungen, die Wayne 1966 während eines Truppenbesuchs in Vietnam machte, ihn in seiner Überzeugung bestätigten, dass „it was extremely important that not only the people of the U.S., but those all over the world should know why it was necessary for us to be there.“36 Um Hilfe seitens des Verteidigungsministeriums zu erhalten, wandte er sich mit ei- nem viel sagenden Brief an Präsident Lyndon B. Johnson, in dem er die Gründe für sein Vorhaben darlegte und aus dem bereits deutlich hervorging, dass sich Wayne ei- nen Film über den Kampf in Vietnam, ja, dass er sich den dortigen Kampf selbst nur als einen solchen in ‚Alamo-Kategorien’ vorstellen konnte: „Perhaps you remember the scene from The Alamo, when one of Davy Crockett’s Ten- nesseans said: ‚What are we doing here in Texas fighting – it ain’t our ox that’s get- ting gored.’ Crockett replied: ‚Talkin’ about whose ox gets gored, figure this: a fella gets in the habit of gorin’ oxes, it whets his appetite. May gore yours next.’ Unquote. And we don’t want people like Kosygin, Mao Tse-tung, or the like, ‚gorin’ our oxes.’“37 Freilich wusste Wayne, dass er mit seinem Alamo-Bezug bei Johnson an der richtigen Adresse war. Immerhin galten die Ereignisse von 1836 dem in Texas geborenen Politi- ker, der immer wieder medienwirksam darauf hinwies, sein Ur-Ur-Großvater sei in der Alamo-Schlacht gefallen,38 als bevorzugt bemühter Orientierungs- bzw. Bezugspunkt, wenn es außenpolitische Situationen und Entscheidungen zu beurteilen und zu kom- mentieren galt. Im Rahmen der Great Debate etwa hatte er den Texanern erklärt, dass sie sich darauf einstellen müssten, bald wie ihre Vorfahren „over the line“ zu schrei- 34 Kellner 1995, 117. 35 Wills 1998, 228. 36 Zit. nach Levy 1998, 319. 37 Zit. nach Wills 1998, 228. 38 Vgl. Roberts/Olson 2001, 279-280. Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg 85 ten,39 womit er, für jeden Amerikaner unmissverständlich, auf die berühmte, von Tra- vis angeblich in den Sand gezogene Linie anspielte, die die Verteidiger Alamos über- schritten hatten, um ihrer Entschlossenheit Ausdruck zu verleihen, den Kampf trotz der aussichtslosen Lage fortzusetzen. Auch war es nur konsequent, dass Johnson, der Anwesende gern durch das plötzliche Rezitieren eines Alamo-Gedichtes verblüffte, kein Problem darin sah, den Krieg in Südostasien mit dem historischen Gefecht gleichzusetzen. So erklärte er unmittelbar nach dem Sieg der Präsidentschaftswahl von 1964: „Hell, Vietnam is just like the Alamo. Hell, it’s just like if you were down at that gate and you were surrounded and you damn well needed somebody. Well, by God, I’m going to go – and thank the Lord that I’ve got men who want to go with me, from McNamara right on down to the littlest private who’s carrying a gun.“ Fünf Jah- re später, in einem Interview mit dem Magazin Life, bestätigte er diese Haltung, in- dem er den militärischen Einsatz mit den Worten rechtfertigte, dass „as at the Ala- mo, somebody had to get behind the log with those threatened people.“40 Obgleich Wayne 1964 Johnsons Herausforderer, den erzkonservativen und militant anti-kommunistischen republikanischen Senator Barry M. Goldwater, unterstützt hat- te41 und er dem Demokraten Johnson insgesamt politisch nicht eben nahe stand, wurde ihm, da er hinsichtlich des amerikanischen Engagements in Vietnam die Meinung der Regierung teilte, die erbetene Hilfe bewilligt – dies freilich erst, nachdem zahlreiche, vom Pentagon geforderte Änderungen am Drehbuch vorgenommen worden waren.42 Letzteres basierte in Grundzügen auf Robin Moores Story-Sammlung The Green Berets, einem Bestseller aus dem Jahre 1965, der, ebenso wie Barry Sadlers 1966 die Charts stürmende Song „The Ballad of the Green Berets“, den Mythos der U.S. Special Forces etablierte, an dem in hohem Maße auch Wayne mit seinem Film partizipierte.43 Dass sich dieser letztlich als beachtlicher Kassenerfolg herausstellte – und das, obgleich er erst im Juli 1968, also Monate nach der Tet-Offensive, in die Kinos gelangte –, dürfte allerdings zum größten Teil auf den zur damaligen Zeit nach wie vor enormen Nimbus seines Stars zurückzuführen sein, der darüber hinaus alles daran setzte, dass der Zu- schauer den Kriegsschauplatz Vietnam nicht als fremd wahrnahm und zu keiner Zeit vergaß, dass er sich mit The Green Berets immer noch im nur allzu vertrauten ‚Wayne country’ befand. „Wayne interprets the war in terms provided by the movie- mythologies in whose creation he had played a major part“,44 heißt es entsprechend bei Richard Slotkin, wobei dieser allen voran die ebenso zahlreichen wie offenkundi- gen Anleihen im Blick hat, die The Green Berets zum Westerngenre unterhält.45 Da wäre 39 Vgl. ebd., 280. 40 Zit. nach ebd. 41 Vgl. hierzu Levy 1998, 294. 42 Vgl. hierzu en detail Suid 2002, 248-252. 43 Die Entstehung und Entwicklung des Mythos der U.S. Special Forces wird gut dargestellt bei Spark 1984, 29-48 sowie Taylor 2003, 33-57. Vgl. ergänzend auch Cuordileone 2005, 220-236. 44 Slotkin 1992, 521. 45 Zur Affinität von Waynes Film zum Western vgl. neben Slotkin auch Muse 1995, 38-45; Cobb 1998, 88-91; Levy 1998, 321 sowie Taylor 2003, 49-50. Es sei ferner darauf hingewiesen, dass sich auch Klassiker des Vietnam- films, etwa Michael Ciminos The Deer Hunter (1978), Francis Fort Coppolas Apocalypse Now (1979) oder Stanley Kubricks Full Metal Jacket (1987), am Motivarsenal und der Ikonografie des Western orientieren. Vgl. hierzu 86 Jörn Glasenapp zunächst einmal freilich an den Namen des Stützpunktes zu denken, um dessen Auf- bau und Verteidigung sich das Gros der Handlung dreht: Dodge City. Doch auch der Name des von Wayne gespielten Protagonisten, Mike Kirby, ist in diesem Zusammen- hang zu nennen, und zwar aufgrund seiner Nähe zu Kirby York(e), dem Namen der ebenfalls von Wayne dargestellten Helden aus Fords Kavallerie-Western Fort Apache (Bis zum letzten Mann, 1948) und Rio Grande. Dass der Vietcong mit den Negativ- Attributen versehen wurde, mit denen der Western so oft bei der Charakterisierung der Indianer aufwartete, überrascht folglich nicht, und so wiederholt sich in The Green Be- rets einmal mehr ebenjener aus Mord, Vergewaltigung, Verstümmelung und Verschlep- pung bestehende Gräuel-Katalog, der dem Zuschauer aus Filmen wie Stagecoach (John Ford, 1939) oder Rio Grande (1950) hinlänglich bekannt ist. Waynes Vietnamfilm sei „nothing less than a cowboys-and-Indians movie caught in a time warp“,46 lautet das entsprechende Resümee Albert Austers und Leonard Quarts, die sich hierbei unter an- derem auch auf Michael Wayne, den Produzenten von The Green Berets, berufen kön- nen, der die klare Orientierung an dem – in den 1960er Jahren freilich bereits einiger- maßen überwundenen – rassistischen Manichäismus des Western bei der Herstellung des eigenen Films immer wieder betonte.47 Obgleich The Green Berets unübersehbar in zwei mehr schlecht als recht miteinan- der verbundene Teile zerfällt, steht außer Frage, dass das eigentliche Zentrum des Fil- mes nicht durch die das letzte Drittel bestimmende Entführung eines nordvietnamesi- schen Generals gebildet wird, sondern durch die visuell aufwändig gestaltete Verteidi- gung des Stützpunktes. Dieser wurde, so erfahren wir durch einen südvietnamesischen Offizier, in „the heart of VC country“ errichtet und weist all jene Charakteristika und Funktionen auf, die im Western den Kavalleriestützpunkt, das Fort, kennzeichnen (Abb. 4). Von hier aus starten die Green Berets ihre Patrouillen in den Dschungel, von hier aus erfolgt die medizinische Versorgung der nahe gelegenen Dörfer. Angesichts der bestialischen Übergriffe des Vietcong entscheidet sich deren Bevölkerung schließ- lich dazu, das Angebot der Amerikaner anzunehmen, in Dodge City Schutz zu suchen. Die oben zitierten Worte Präsident Johnsons, die Vietnam und Alamo gleichsetzten, indem sie darauf verwiesen, dass in beiden Fällen „somebody had to get behind the log with those threatened people“, finden sich demnach in The Green Berets, und dies Abb. 4 Abb. 5 Muse 1995, 53; Slotkin 1992, 637-638 sowie Stefan Reinecke, demzufolge der Western „den US-Vietnamfilmen mehr oder weniger ausgeprägt als eine Folie unterlegt ist.“ (Reinecke 1993, 21). 46 Auster/Quart 1988, 34. 47 Vgl. Suid 2002, 255. Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg 87 wortwörtlich, umgesetzt. Und spätestens, wenn der Feind anrückt, um mit Leitern be- wehrt in vielfacher Übermacht das Camp zu stürmen (Abb. 5), wird dem Zuschauer klar, dass letzteres als ‚Alamo’ angemessener bezeichnet worden wäre und dass es Wayne mit seinem Film in nicht unwesentlichem Maße darum ging, ganz im Sinne Johnsons den Vietnamkrieg simplifizierend in ein Alamo-Szenario umzugießen. Da passt es denn auch durchaus, dass The Green Berets genau genommen als Fort- führung bzw. Ausformulierung jener von Wayne in seinem Brief an Johnson angespro- chenen Schlüsselszene aus The Alamo gelten darf – jener Szene also, in der der Schau- spieler als Davy Crockett seine bezüglich des Kampfeinsatzes skeptischen Landsleute von dessen Notwendigkeit überzeugt. Auch in seinem zweiten Film nämlich gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten. Allerdings erweist sich die zu überzeugende Fraktion, verkörpert in der Figur des Journalisten Beckworth, als erheblich resistenter gegen- über den den Einsatz fordernden Argumenten als die sogleich kampfeswilligen Tennes- seans aus The Alamo. Denn mögen in der angesichts ihrer didaktischen Penetranz zweifellos spektakulären Eingangsszene, die uns einer Art öffentlichen Selbstpräsen- tation der Green Berets beiwohnen lässt, Sergeant McGee und Sergeant Muldoon Beck- worth und den anderen Pressevertretern auch hinreichend triftige Gründe dafür lie- fern, dass das US-Engagement in Vietnam absolut erforderlich ist – schließlich könne man nicht tatenlos zusehen, wie unzählige Südvietnamesen ermordet würden und die „communist domination of the world“ Wirklichkeit werde –, so gelingt es ihnen den- noch nicht, den skeptischen Reporter zur Einsicht zu bringen. Dies vermag allein die eigene Erfahrung ‚vor Ort’, der sich Beckworth stellt, nachdem ihm Kirby klar gemacht hat, dass nur der, der selbst in Vietnam war, das Recht habe, über den amerikanischen Einsatz dort zu urteilen. Beckworth schließt sich Kirbys Einheit an (Abb. 6), und ein allmählicher Lernprozess setzt ein, der freilich allein durch die unüberbietbar anmu- tende Grausamkeit des fast völlig gesichtslos bleibenden Vietcong ausgelöst wird. Nach dem nächtlichen Kampf um Dodge City ist der Journalist endgültig umgestimmt, und es kommt zu dem folgenden, entscheidenden Gespräch zwischen ihm und Kirby: Kirby: „What are you gonna say in that newspaper of yours?“ Beckworth: „If I say what I feel, I may be out of a job.“ Kirby: „We’ll always give you one.“ Beckworth: „I could do you more good with a typewriter.“ Und in der Tat: Am Ende des Films sehen wir Beckworth, wie er sich, den Feldsack in der linken, die Schreibmaschine in der rechten Hand, einer anderen an die Front ge- henden Einheit anschließt. Seinen hellen Anzug hat er, als äußerliches Zeichen seiner Konversion, gegen die grüne Uniform der Truppe eingetauscht, und es ist nur zu of- fensichtlich, dass eben dies, zumindest mental, auch der Zuschauer von The Green Be- rets tun soll (Abb. 7). Ob er dies getan hat, das heißt ob Waynes politisches Lehrstück tatsächlich Kriegs- gegner in Kriegsbefürworter hat verwandeln können, ist trotz des Erfolges des Filmes höchst fraglich. Sicher ist indes, dass sich die Presse ganz im Gegensatz zu Beckworth von der Argumentation Waynes nicht hat überzeugen lassen. Im Gegenteil, fiel sie doch in 88 Jörn Glasenapp Abb. 6 Abb. 7 seltener Einmütigkeit über The Green Berets her, dem sie vor allen Dingen vorwarf, die spätestens seit der Tet-Offensive gänzlich außer Kontrolle geratenen Vorgänge in Viet- nam in unerträglicher Weise zu idealisieren: „There is no room, even in a free society, for the kind of obscenity that this film represents“, schrieb etwa Michael Korda in Glamour, „and I do not know how it would be possible to produce a more revolting motion picture, short of giving Martin Bormann several million dollars to make a technicolor movie sho- wing that Auschwitz was a wonderful place to live.“48 Von vergleichbarer Schärfe war auch der in der New York Times abgedruckte Verriss Renata Adlers. Ihr zufolge sei Waynes Film „so unspeakable, so stupid, so rotten and false in every detail that it passes through being fun, through being funny, through being camp, through being everything“.49 Im- merhin – dies dürfte Adler einigermaßen befriedigt zur Kenntnis genommen haben – gab es dieses Mal für Wayne nicht einmal eine Oscarnominierung. IV. Etwa um die Zeit, als sich die amerikanische Filmindustrie formierte, begann sie, sich für die Schlacht von Alamo zu interessieren.50 Folglich wurde diese erstmals bereits im Jahr 1911 auf Zelluloid geführt, und zwar in The Immortal Alamo, einer bis auf wenige Stills komplett verloren gegangenen Produktion, welche von Gaston Méliès, dem Bruder des be- rühmten französischen Filmpioniers, gedreht wurde. Auch The Siege and Fall of the Alamo und The Fall of the Alamo, beide 1914 entstanden, überdauerten die Zeit nicht, so dass als erster erhaltener Alamo-Film The Martyrs of the Alamo zu gelten hat. Von William Christy Cabanne gedreht und von keinem Geringeren als David Wark Griffith produziert, gelangte der Streifen 1915 in die Kinos, und bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass er sich, speziell was seinen expliziten Rassismus anbelangt, in höchst unangeneh- mer Nähe zu Griffiths im selben Jahr entstandenen Südstaatenepos The Birth of a Nation (Die Geburt einer Nation) befindet.51 Sind es dort die Afro-Amerikaner, die die weißen amerikanischen Frauen bedrohen, so findet sich ihre Rolle in The Martyrs of the Alamo durch die Mexikaner ersetzt, deren lüsternem Treiben sich die Alamo-Helden und die Sie- 48 Zit. nach Levy 1998, 322. 49 Zit. nach ebd. 50 Die Filmgeschichte von Alamo ist in der Forschung mittlerweile einigermaßen gut dokumentiert. Vgl. hierzu neben Graham 1985-1986 speziell Flores 2002, 95-129. 51 Bei seinem Re-release in den 1920er Jahren firmierte Cabannes Film denn auch bezeichnenderweise unter dem Titel The Birth of Texas. Auseinandersetzungen mit The Martyrs of the Alamo finden sich bei Graham 1985-1986, 46-48 und Flores 2002, 98-108. Vom Kalten Krieg im Western zum Vietnamkrieg 89 ger von San Jacinto entgegenstellen. Die Übernahme von Texas erscheint vor diesem Hintergrund demnach als nichts anderes als eine notwendige eugenische Maßnahme im Dienste der weißen Rasse. Auch in den nächsten Dekaden, mit Filmen wie Davy Crockett at the Fall of the Alamo oder The Heroes of the Alamo von 1926 bzw. 1937, hielt die kinematografische ‚Karriere’ der Ereignisse des Frühjahrs von 1836 an, die ihren Zenit, wie eingangs erwähnt, schließ- lich in den 1950er Jahren erreichte – dies freilich nur, um von da an abrupt abzufallen. Hierfür darf neben dem allgemeinen, sich seit den 1960er Jahren immer offensichtlicher abzeichnenden Niedergang des Westerngenres auch und vor allem der insgesamt nur aus- gesprochen mäßige Erfolg von Waynes Alamo-Projekt verantwortlich gemacht werden, der Hollywoods Studiochefs mehrere Jahrzehnte lang davor zurückschrecken ließ, dem Natio- nalmythos größere Aufmerksamkeit zu schenken. Allein das auf die Bipolarität von Exklu- sion und Inklusion, Überzahl und Unterzahl sowie Gesichtslosigkeit und Individualität abhebende Alamo-Szenario mit seiner Verklärung heroischer Opferbereitschaft lebte fil- misch weiter, und dies sogar sehr gut. Wayne selbst lieferte hierfür mit The Green Berets den besten Beweis, welchen Nicholas Ray mit seinem zur Zeit des Boxer-Aufstandes spie- lenden Imperial-Epos 55 Days at Peking (55 Tage in Peking, 1963), einer impliziten, wenn auch mehr als durchsichtigen Abrechnung mit Maos China, bereits einige Jahre zuvor an- trat.52 Aus jüngerer Zeit wäre an so unterschiedliche Produktionen wie beispielsweise Paul Verhoevens Science-Fiction-Film Starship Troopers (1997), Steven Spielbergs Invasions- drama Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998) oder John McTiernans Wikinger- film The 13th Warrior (Der 13te Krieger, 1999) zu denken, welche zudem die enorme Flexi- bilität und Transformationsfähigkeit des Alamo-Szenarios eindrucksvoll unterstreichen. Dass letzteres jemals wieder gewissermaßen im ‚Original-Gewand’ auf die Großbild- leinwand zurückkehren würde, schien lange Zeit fraglich. Doch im April 2004, also 44 Jahre nach Waynes Film, war es soweit: John Lee Hancocks The Alamo, von den konser- vativen Disney-Studios produziert und mit Dennis Quaid als Sam Houston und Billy Bob Thornton als Davy Crockett prominent besetzt, feierte Premiere. Man muss nicht lange nach den Gründen dafür suchen, warum es gerade zu diesem Zeitpunkt zu einer, und noch dazu im großen Stil betriebenen, kinematografischen Revitalisierung des Mythos kam. Zu evident ist die von Disney sogleich erkannte Tatsache, dass sich der Kampf um Alamo bestens und damit potentiell gewinnbringend in eine durch die Ter- roranschläge vom 11. September 2001 grundlegend verwandelte politische Diskurs- landschaft einpassen ließ – eine Diskurslandschaft, die, bestimmt von der neo-konservativen Bush-Administration und getragen vom Gros der US-Bevölkerung, die manichäische Falle des amerikanischen Sendungsbewusstseins als erneut besetzt ansah, und zwar durch den internationalen Terrorismus.53 Gegen diesen hatte man sich in einer „coalition of the willing“ unter Führung der Vereinigten Staaten zur Wehr zu setzen, und zweifellos konnte hierbei als nachahmenswertes Vorbild die „coalition of the willing“ von 1836 und ihr Kampf gegen Santa Anna dienen. Kein Wunder also, dass 52 Eine scharfsichtige Deutung von Rays Film, die dessen außenpolitischen Implikationen besondere Aufmerksam- keit schenkt, bietet Slotkin 1992, 506-510. 53 Vgl. hierzu Junker 2005, 208-223 sowie ders. 2003, 151-174. 90 Jörn Glasenapp letzterer in Hancocks Film eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Saddam Hussein auf- weist. Was letzten Endes dazu führte, dass sich The Alamo als spektakulärer Flop heraus- stellte, ist schwer zu sagen. War es die bemerkenswert altmodische Inszenierung der Ereignisse, die speziell das junge, Special Effects-verwöhnte Publikum abschreckte? War es der Verzicht auf eine tragfähige Liebeshandlung, die sich – Waynes Film ist hier das beste Beispiel – nur äußerst schwer in den männerdominierten Alamo-Plot instal- lieren ließ? Oder war es die erstaunliche politische Unentschlossenheit des Films, des- sen implizites Eintreten für die Interventionspolitik der Bush-Regierung mit den im- mer wieder aufscheinenden revisionistischen Ambitionen Hancocks in der Tat nicht recht zusammenpassen will?54 Für welche Antwort man sich auch immer entscheiden mag, eines dürfte einigermaßen klar sein: nämlich, dass das Scheitern der neuen Ala- mo-Version an der Kinokasse dafür sorgen wird, dass wir das Ende von Crockett, Bowie und Travis so bald nicht wieder auf der Leinwand erleben werden. 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Man schien sich ihm nur metaphorisch, im Kleid des ‚Kritischen Western’, nähern zu können, ei- nem Zerfallsprodukt des Genres, in dem die Legenden der Zivilisierung Amerikas an der historischen Wahrheit gemessen werden sollten. So meinte das Massaker, das die US-Army in einem Indianerdorf am Ende von Soldier Blue (Das Wiegenlied vom Tot- schlag, 1970) anrichtete, My Lai. Das US-Kino hat immer wieder Bilder erfunden, die der Heilung und Milderung des zum ‚nationalen Trauma’ verklärten Krieges dienlich waren. Bis Mitte der 1970er Jahre schwieg Hollywood (oder es blieb metaphorisch). Dann in den zerrissenen, verzweifelten Helden in The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen, 1978) und Apocalypse Now (1979) spiegelte sich die moralische Neubesinnung der Carter-Ära. Figuren wie Rambo suggerierten Mitte der 1980er Jahre, entsprechend Reagans Rhetorik, einen späten Ersatzsieg im Dschungel. Etwa Anfang der 1990er en- det das Genre nicht zufällig parallel mit dem Golfkrieg, dem ersten großen Krieg der USA seit Vietnam, dem Krieg, in dem Generäle wieder wie Patton reden konnten und in New York Siegesparaden veranstaltet wurden. US-Präsident Georg Bush meinte da- mals, dass „die Schmach von Vietnam im irakischen Wüstensand“ getilgt worden sei. Seitdem scheint das Genre als Therapeutikum überflüssig geworden zu sein. Soweit ein erster Überblick.1 In diesem Zusammenhang lassen sich auffällige Veränderungen in der Inszenie- rung von Heldenfiguren beobachten. In den 1970er Jahren sind die Helden durchweg Verzweifelte, die Grenzerfahrungen zu durchstehen haben, die ihre Möglichkeiten überschreiten. Diese Figur findet man bereits in Filmen wie Go Tell the Spartans (Die letzte Schlacht, 1978) unter der Regie von Ted Post, der versucht, in den Genremustern des Weltkrieg-II-Films von Vietnam zu erzählen. Der Held, Major Barker, verkörpert von Burt Lancester, ist nach jenem Muster tapferer Vateroffiziere gestrickt, die man aus 1 Siehe zum Vietnamkriegsfilm ausführlich: Reinecke 1993. 94 Stefan Reinecke US-Kriegsfilmen kennt. Aber am Ende steht ein Opfer ohne Sinn. Barker und sein pla- toon gehen in den Tod, obwohl Barker weiß, dass dies militärisch nutzlos ist. Den un- lösbaren Konflikt zwischen dem Ziel des Krieges und dem Tod des Einzelnen, der in vielen US-Filmen über den Zweiten Weltkrieg verhandelt wird, gibt es hier auch – aber er wirkt wie verschoben. Weil das Ziel des Krieges in Vietnam unklar ist, weil auch Bar- ker nicht zu sagen weiß, wofür er kämpft, ist das Opfer leer. Im Vietnamfilm der 1970er gibt es noch einen weiteren Bruch mit dem Weltkrieg-II-Film. Die Beziehung zwischen dem militärischen Kollektiv und dem Individuum verändert sich radikal: die kollektive Ordnung verschwindet, das Individuum rückt ins Zentrum. In Apocalpyse Now, der unsere Bilderwelt dieses Krieges als Rock’n’Roll- und Drogen-Krieg wie kein zweiter geprägt hat, sehen wir in der erste Szene Captain Willard (Martin Sheen), der betrunken in einem Hotelzimmer in Saigon mit blutiger Faust sein Spiegelbild trak- tiert. Der Krieg ist keine Schlacht mehr, dieser Krieg ist ein Kampf mit sich selbst. In den beiden zentralen Filmen des Genres in den 1970ern – Michael Ciminos The Deer Hunter und Francis Ford Coppolas Apocalypse Now – hat das Militär aufgehört, als eine funktionierende soziale Organisation zu existieren. Das imperialistische Abenteuer, das die Kolonisierten mit den Segnungen westlicher Zivilisation beglücken sollte, er- scheint als grausames Gemetzel, das auch die Besatzer zerstört zurücklässt, metapho- risch dargestellt in Colonel Kurtz’ (Marlon Brando) alptraumhaft entgrenztem Dschun- gelreich sowie dem Russischen Roulette, dem Nick (Christopher Walken) in The Deer Hunter todesfasziniert verfällt. So wie das Militär als soziale Struktur verschwindet, so löst sich auch die Idee von Sieg und Niederlage auf. Die Eroberung des Landes, die im Western und im Kriegsfilm Sinn stiftet, gibt es in Apocalypse Now nicht mehr. Willards Reise führt in einen Dschungel, der umso irrealer erscheint, je weiter er in ihn ein- dringt. Der Feind ist unsichtbar, die militärische Maschine zerfällt, die GIs scheinen sich in der Natur selbst aufzulösen (und der einzige Feind, den die US-Soldaten je wirklich zu Gesicht bekommen, ist – welche Ironie – ein Tiger). Die Vorstellung von ei- nem glücklichen Sieg der Kultur über die Natur wie im Western oder von einem strate- gischen Gewinn von Territorium, der militärischen Sinn machen würde, wird so de- montiert. Diese Umkehrungen von Genremustern gehen in Apocalypse Now noch wei- ter. Willards Reise führt nicht, wie im Abenteuerfilm, in die Welt hinaus, sondern ins Innere, nicht in die Fremde, sondern in die Fremdheit des eigenen Ichs. Apocalypse Now macht nicht das Fremde vertraut, sondern das Vertraute fremd. Der Höllentrip ge- staltet sich als Reise durch die US-Popkultur: Kilgores Surfwahn zitiert die kaliforni- sche Jugendkultur, die Bunny-Show ein Musical in Las Vegas, die mit farbigen Glüh- birnen illuminierte Do-Lung-Brücke erscheint den drogenumnebelten GIs wie Disney- land. Vietnam ist in Apocalypse Now auf eine radikale Weise nicht existent. Es ist eine Kulisse für die Tragödie des weißen Mannes. Dies führt zu einem zweiten zentralen Themenkomplex des Vietnamfilms: Sexualität und das Weibliche. In dem um 50 Minuten verlängerten, Apocalypse Now Redux betitelten directors cut gibt es eine knappe neue Szene, kurz bevor die GIs die vietnamesischen Zivi- listen auf ihrem Sampan töten. In einem schlammigen Nachschubdepot treffen Willard und die GIs auf die „somewhere in nowhere“ gestrandeten Bunnies. Ein Fick gegen Diesel für den Hubschrauber, so lautet der Deal. Die Mädchen erscheinen als verträumte Naive, Der Vietnam-Krieg im US-amerikanischen Kino – Rückblick auf ein Genre 95 die in dieser Wüstenei nichts verloren haben und wie Backfische von der großen Liebe re- den – den GIs fällt nichts anderes ein, als sie zu kostümieren, bis sie genau so aussehen wie auf den Playboy-Fotos. In Stanley Kubricks Full Metal Jacket (1987) verwandelt sich das weiblich Codierte zur Störung der militärischen Utopie. In der militärischen Soziali- sation muss das Schwache, Weiche, in der Figur des Privat Pyle weiblich Codierte, ausge- sondert und vernichtet werden. Diesen Mechanismus hat Kubrick mit kaltem Blick in Full Metal Jacket analysiert. In Apocalypse Now Redux ist die Frau etwas anderes: kein Gegen- prinzip, sondern eher der Spiegel männlicher Deformation. Für die GIs gibt es die Frau nur als Bild. Ihr Körper an sich scheint nicht zu existieren (so wenig wie Vietnam exis- tiert), begehrenswert ist die Frau nur als Teil einer industriell hergestellten, codierten Inszenierung. So scheint ein gerader Weg von der Sprachlosigkeit dieser ‚Liebesszene’ zu der Sprachlosigkeit des Massakers zu führen, das die GIs auf dem Sampan anrichten. In- teressanterweise erzählen auch die Rambo-Filme (1982-1988) und die reaktionären Pri- soner-of-War-Movies der 1980er Jahre etwas über die Produktion des Soldatischen und den Terror und die Abspaltungen in diesem Prozess. Ich möchte das an einer Szene aus Rambo – First Blood Part II (Rambo II – Der Auftrag, 1985) verdeutlichen. Der Held John Rambo, übrigens Kind deutsch-indianischer Eltern, will gefangene US-GIs befreien. Da- bei gerät er selbst in Gefangenschaft und wird von einem russischen Soldaten – einem Muskelmann ähnlich dem von Stallone verkörperten – schrecklich gefoltert. Wir sehen die sich dehnenden, zitternden, bebenden Muskeln Rambos unter der Folter. In Full Metal Jacket sehen wir wie im Drill das Individuum ausgelöscht wird und der Soldat geboren wird. Verbunden ist dies mit der Abspaltung des Weiblichen. Die Folterszene in Rambo – First Blood Part II erzählt etwas Ähnliches: die Entstehung des maskulinen Körperpan- zers. Die Folter ist die sadomasochistische Urszene dieser Figur. Der Körperpanzer ent- steht unter Schmerzen, so wie auch der Drill des Soldaten im Kern eine sadomasochisti- sche Szene ist. Die Folterszene, die es in fast allen Prisoner-of-War-Movies gibt, ist das Zeichen für die Geburt der Körpermaschine: „Schön ist, was weh tut“ – dies hat Thewe- leit2 als Motto der Erziehung in den preußischen Kadettenanstalten ausgemacht. Zurück zu der Szene in Rambo: Parallel zu der Folter sehen wir Co Bao, Rambos Gefährtin, die sich als Prostituierte verkleidet, um sich so in das Lager zu schleichen und Rambo zu Hil- fe zu kommen. Hier gibt es zwei Bilder: Rambos gefolterter Körper und Co Bao im roten Kleid mit geschminktem Gesicht. Kann es sein, dass die Gefahr, die hier abgewehrt wird, nicht die Folter, sondern die Hure im roten Kleid ist? Die Antwort gibt die folgende Sze- ne: Co Bao wird von den Feinden hinterrücks ermordet. Die Bedrohung des Weiblichen ist abgewendet. Jetzt erst kann Rambos Rachefeldzug richtig beginnen. Das ist die Kopie des Musters des faschistischen Charakters. Das sexuelle Begehren bzw. die Verschmel- zung ist, wie Theweleit in Männerphantasien schreibt, „zwanghaft mit einem Gewaltakt gekoppelt“ Alles Erotische wird in einen Tötungsakt und eine Zerstörungsorgie verwan- delt. So viel zur Körperpolitik und Sex im Genre. Ein anderer Aspekt der Inszenierung der Körperhelden in den 1980er Jahren be- trifft den Zusammenhang mit ökonomischen und soziokulturellen Veränderungen. Na- türlich war der Erfolg von Rambo – First Blood Part II eine nationale Rachefantasie im 2 Theweleit 2000, Bd. II, 151. 96 Stefan Reinecke Comicformat. Damit radikalisierten die Körperhelden, die nicht nur gegen den Feind, sondern auch gegen US-Politiker und Militärs kämpfen, die Erosion der militärischen Maschine, die Apocalypse Now beschrieb. In Rambo war der Krieg zur Privatsache ge- worden. Die Körperhelden der 1980er Jahre wüteten gegen Computer oder legten eine US-Kleinstadt in Schutt und Asche. Diese Privatisierung des Krieges funktionierte auch nach innen: Der Einzelkämpfer ist, trotz seiner Abneigung gegen Technik, selbst so etwas wie eine Armee geworden. Die Rambo-Figuren waren nicht nur an Vietnam gekoppelte narzisstische Erlösungsfantasien – sie waren auch Antworten auf die Ent- wertung körperlicher Arbeit in der US-Industriegesellschaft der 1980er Jahre. Auf die brutalen Modernisierungen der Reagan-Ära reagierte der proletarische Männerkörper im Kino mit der Perfektionierung der Tugenden, die in computerisierten Wirklichkei- ten immer weniger zählten. Je mehr Vietnamfilme man sieht, desto mehr verdichtet sich der Eindruck, dass das mit ein paar gängigen Zeichen (Dschungel, Hubschrauber, Rockmusik) hinreichend skizzierte Terrain eigentlich im Herzen Amerikas liegt: Viet- nam ist ein fiktiver Ort, an dem Männer, die zu Hause nicht mehr gebraucht werden, ihre Neurosen ausleben. Dieses Film-Vietnam ist ein „Traumland des Spätkapitalis- mus“3, in der überflüssige proletarische Männerkörper noch etwas gelten, ein weiblich codierter Raum, in dem der Held auf die Suche nach sich selbst gehen kann. Ich möchte nun noch zwei wesentliche Motive des Genres streifen: Das Feindbild und das Verhältnis des Genres zum Western. Ich möchte mit einem Zitat von Jean Luc Godard beginnen. Godard sagt: „Zumindest während des Koreakrieges zeigten die Amerikaner den Feind, sie stellten ihn sich vor. Man nahm mexikanische Komparsen oder Chinesen. Vietnam haben sie nie gezeigt. Man schämte sich, man wollte den Feind ignorieren und sozusagen ge- gen das Unsichtbare kämpfen. Daran ist etwas zutiefst Ehrloses.“4 Das ist apodiktisch, aber im Kern richtig. Dass der Feind in Kriegsfilmen nicht in sei- ner Subjektivität gezeigt wird, dass er gar nicht als Subjekt auftaucht, gehört zu den Stereotypen des Genres. Und vielleicht ist die Idee, dass dies anders sein müsste eine allzu pädagogische Idee. Der US-Vietnamfilm hat diese Genreregel allerdings radikali- siert. Er hat den Feind unsichtbar gemacht. Der Feind – das ist in fast allen Vietnam- filmen, von Ausnahmen wie Good Morning Vietnam (1987) abgesehen, ein böser Geist des Dschungels, ein Teil der bösen Natur. Wo er ein Gesicht hat, wie etwa in The Deer Hunter ist es das eines Unmenschen, eines Folterknechtes, aber nicht das eines geg- nerischen Soldaten. Das Bild des Feindes ist gewissermaßen das statischste pattern des Genres – und das hat einen Grund. Der Vietnamkriegsfilm ist eine Genremischung: Er speist sich aus Stereotypen des Kriegsfilms und des Abenteuerfilms. Und der Vietnamfilm war von The Green Berets über Apocalpyse Now, The Deer Hunter bis zu Platoon immer auch ein Wes- tern: eine Erzählung, in denen weiße Subjekte in die feindliche Natur gehen müssen, an dieser frontier bestehen müssen und dabei sich selbst finden oder verlieren. So 3 Seeßlen 1993, 155. 4 Godard, zit. nach Reinecke 1993, 142. Der Vietnam-Krieg im US-amerikanischen Kino – Rückblick auf ein Genre 97 konnte der US-Film, gleich ob kritisch oder affirmativ, von Vietnam nur erzählen, in- dem er den Krieg als Western (oder Antiwestern) deutete: als Kampf um die „Grenze“, an der Zivilisation und dämonische Natur aufeinander stoßen, als Konfrontation des westlichen Individuums mit der Natur, die ebenso verführerisch wie gefährlich er- scheint. Als „Vietnam“ wurde dabei ein Raum codiert – meist der Dschungel –, der von einer rätselhaften, in Apocalypse Now und The Deer Hunter todessüchtigen und unver- ständlichen Kultur bevölkert war. Diese Inszenierung war eine Erklärung dafür, wes- halb die USA, die militärisch und logistisch dem Gegner so sehr überlegen waren, den Krieg verloren hatten. Die USA waren, folgt man dieser Inszenierung, an eben diesem Raum gescheitert. Niemand hat diesen Raum so perfekt inszeniert wie Oliver Stone in Platoon (1986). Platoon brachte das Paradox zustande, den Feind, von dem im Genre nie viel zu sehen war, militant wie nie zuvor zu verdrängen und doch allgegenwärtig erscheinen zu lassen. Der Blick in das nassgrüne Unterholz, einen verwunschenen Zauberwald, aus dem jederzeit MG-Salven hervorbrechen können, lässt die GIs zu Op- fern einer umfassenden Gefahr werden. Gleichzeitig erklärt die Story, dass die Ameri- kaner nicht am Feind, sondern an sich selbst, ihrer Zerrissenheit und Uneinigkeit, ver- körpert in zwei gegensätzlichen Charakteren, einem guten und einem bösen Offizier, gescheitert sind – „Vietnam – the way it really was on film“ titelte Time Magazine.5 Bei Stone wurde Vietnam im Kino zu einer Tragödie, die Amerika durchleiden musste, um zu sich selbst zurückzufinden. Die Geschichte des Vietnamfilms ist auch eine von Rückkoppelungen zwischen My- then und Realem, Bildern und Wirklichem. So taucht in der vielfältigen biografischen Erinnerungsliteratur US-amerikanischer Vietnam-Veteranen immer wieder ein Motiv auf: The John Wayne Thing. Das war die Illusion, dass es in Vietnam so zugehen würde wie im Kino der 1950er und 1960er Jahre. Dort die bösen Wilden (Indianer oder Kom- munisten), hier die Guten (die weißen Amerikaner). Und klar war, dass sie wie John Wayne siegen würden, weil sie die Guten, Anständigen, Zivilisierten waren, und der Feind nichts als barbarisch. Vietnam erlebten, wenn man vielen Veteranen-Biografien glauben darf, alle GIs als Schock. Nichts war so wie im Kino. Warum man hier eigent- lich kämpfte, konnte sogar die eigene Führung nicht sagen. Wer hier Freund, wer Feind war, war auch nie zu erkennen. Die GIs fühlten sich als Opfer. Und dieses Bewusstsein, Opfer zu sein, beschleunigte die Entgrenzung, den Terror und das Bewusstsein, alles zu dürfen – und schließlich My Lai. Das (Western-)Kino hat vorgeprägt, wie viele GIs Viet- nam wahrgenommen haben. Hollywood hat diese Wahrnehmung vieler GIs im Kino, vor allem in Platoon, wiederum als authentische Erfahrung zu einem gültigen Bild des Krieges, zu einem Kino-Mythos stilisiert. So ergibt sich das Bild einer Schleife: Die (Western-)Bilder haben eine – authentische – Wahrnehmung mitgeprägt und diese Wahrnehmung wurde wiederum zum Stoff, aus dem die Bildersprache des Vietnamfilm- genres gewebt wurde. Dass Hollywood von Vietnam nur in den Bildern und Gegenbil- dern des Western erzählen konnte, war eine Art endloser Selbstreflexion, die sich mit der Wirklichkeit verwechselte. Nur Stanley Kubrick hat mit Full Metal Jacket diese Rückkoppelung der populären US-Kultur außer Kraft gesetzt. Dort war der Krieg schon 5 Corliss 1987. 98 Stefan Reinecke bildlich kein Western im Reisfeld mehr, sondern ein chaotisches Gemetzel in den Be- tonruinen von Hue. Keine Naturmetaphorik mehr, keine verzweifelten Imperialisten mehr wie in Apocalypse Now und keine mannhaft-tragischen Helden wie in Platoon. Sondern nur banales Sterben. Und ein leerer Held, der am Ende nur eine Botschaft hat: Dass es besser ist, zu leben als tot zu sein. Full Metal Jacket entrümpelte den ideologischen Bilderschrott des Genres. Und blieb solitär. Und jetzt? Der Vietnamfilm ist tot und es spricht nicht viel dafür, dass er ein Revi- val erleben wird. Die Körperhelden der 1980er Jahre sind passé – und das ist kein Ver- lust. Sie waren zu eindimensional, um weiterentwickelt werden zu können, und kom- plett unfähig zu jener Selbstironie, mit der eine Figur wie James Bond lange über sein Verfallsdatum gerettet wurde. Ironie, die ja so etwas wie Selbstreflexion voraussetzt, hätte Rambo & Co. von innen zerstört. Aber es gibt Bilder, dramaturgische Bruchstü- cke, Motive aus dem Vietnamfilmgenre, die im Kriegsfilmgenre weiter existieren, nicht eins zu eins, sondern umformuliert, gebrochen, auch dementiert. Nehmen wir drei Fil- me: Clear and Present Danger (Das Kartell, 1994), ein Agenten-Action Film, eher am Rande so etwas wie ein Kriegsfilm, der Weltkrieg-II-Film The Thin Red Line (Der schma- le Grat, 1998) und die Golfkriegskomödie Three Kings (1999). Das ist eine eher zufälli- ge Auswahl – aber doch eine aufschlussreiche. Clear and Present Danger von Phillip Noyce ist ein ziemlich uninspirierter Agententhriller nach einer Vorlage von Tom Clan- cy. Es geht um eine finstere Intrige im Weißen Haus, das mit Drogenbaronen Geschäfte macht. Im Zentrum steht ein geradezu klinisch guter Held, dargestellt von Harrison Ford, und es geht um illegale Militäraktionen der USA gegen kolumbianische Drogen- händler. Willem Dafoe spielt den Anführer des Trupps von US-Soldaten, die in einen Guerillakrieg gegen die Drogenbarone im kolumbianischen Regenwald geschickt wer- den. Sie kämpfen effektiv für das Gute und gegen das Böse – werden von whi- te-collar-Vorgesetzten im CIA-Apparat verraten, die zulassen, dass sie abgeschlachtet werden. Tapfere Soldaten, von feigen Politikern ans Messer geliefert werden, sounds familiar. Dieser Plot und auch die Bilderwelt – Dschungel, die US-Soldaten als Guerilla- kämpfer – ist ein Echo der Prisoner-of-War-Vietnam-Movies, in denen Stallone und Chuck Norris stets von ihren Vorgesetzten verraten werden mussten, um irgendeinen Grund für ihre Rachefeldzüge zu haben. Ich glaube dieses Motiv, der von Militärs und Politik verratene Einzelkämpfer, der zur Rachemaschine wird, ist eine originale Hervor- bringung des Vietnamfilms. Offenbar ist dieses hoch neurotische Motiv nun auch in ganz andere dramaturgische Architekturen einbaubar. Clear and Present Danger ist ein Beispiel für die Übernahme eines Musters, einer Erzählfigur, eines Klischees. Anders verhält es sich mit Terrence Malicks The Thin Red Line, der eher assoziativ mit dem Vietnamfilmgenre verbunden scheint. Man kann ihn als eine Variation zu Coppolas zwanzig Jahre zuvor entstandenen Apocalypse Now lesen. Er verhandelt ähnliche Su- jets, der Krieg wird überhöht, stilisiert, mythisiert, eingewoben in eine Reflexion über Natur, Zivilisation und Zivilisationskritik. Bei Coppola sieht man im ersten Bild die ex- plodierenden Baumreihen am Strand, ein Bild, in dem Schrecken und Schönheit inein- ander fließen, und das ja doch vor allem von der Schändung der Natur durch den Krieg und die Zivilisation erzählt. Malicks The Thin Red Line schwelgt geradezu in Naturbil- dern, die nicht frei von Kitsch sind und doch seltsam ambivalent scheinen: Einerseits Der Vietnam-Krieg im US-amerikanischen Kino – Rückblick auf ein Genre 99 sind die Südseebilder der verklärte Gegenpol zum industriell geführten Krieg, der über die unberührte Schönheit hereinbricht wie ein Tsunami, andererseits erscheint, ganz gegen Rousseau, im Off-Text die Natur als wahrer Grund für den Krieg. Wie Coppola löst Malick alles in eine Kette von Ambivalenzen auf. The Thin Red Line ist ein Film vol- ler new age inspirierter Botschaften, aber er hat keine Moral. Insofern kann man ihn als Gegenentwurf zu Spielbergs Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998) be- greifen, der im Kern ein unlösbares moralisches Problem auf eine rationale Art und Weise zu verhandeln sucht – nämlich dass kein noch so berechtigtes Ziel eines Krieges den Tod des Individuums rechtfertigt. Die faschistische Lösung dieses Problem, könn- te man sagen, ist die Idee des Opfers des Individuums, die völlige Subsumierung sei- ner Auslöschung unter das kollektive Ziel – die demokratische Lösung ist es, den Wi- derspruch zu zeigen und das Sinnlose, Skandalöse des Todes des Einzelnen nicht zu verschweigen oder in einem Opfermythos zu entsorgen. Das tut Spielberg, wie auch viele US-Kriegsfilme über den Zweiten Weltkrieg. Bei Malick und Coppola hingegen scheint alle Ethik und Vernunft von ihrem Gegenteil, von Terror, Tod und Selbstzerstö- rung, infiziert zu sein. Pointiert gesagt: In den Vietnamfilmen gibt es keine sinnvolle Erörterung moralischer Fragen mehr, im Weltkrieg-II-Genre hingegen schon. The Thin Red Line verhält sich zu Saving Private Ryan wie das Vietnamfilmgenre zum Welt- krieg-II-Genre. Ein drittes und letztes Beispiel: Three Kings ist eine Komödie über den ersten Irak- krieg, die als fulminante Groteske à la M*A*S*H (1970) beginnt und als klebrige Moral- fabel endet. Vier Soldaten rauben irakisches Gold und opfern am Ende dieses Gold, um irakische Flüchtlinge vor Saddam zu retten – eine deutliche Korrektur der Geschichte, die 1991 damit endete, dass die USA es zuließen, dass Saddam aufständische Kurden und Schiiten abschlachten ließ. Ein Film als Korrekturzeichen zur wirklichen Geschich- te – das kennt man aus den Vietnamfilmen, die als Genre auch das waren: der Versuch, die Niederlage der USA umzuschreiben. In Three Kings rasen die vier Helden in einer Szene im Jeep durch die Wüste, dazu hört man Bach. Den Jeep schmückt eine Homer Simpson Figur, sie reden über Baseball und schießen mit Sprengstoff gefüllte Base- ball-Bälle ab. Dann steigen sie aus, schauen fassungslos auf eine Leiche, die am Stra- ßenrand liegt – und stellen verwundert fest, dass der Krieg, den sie nur aus CNN ken- nen, in Wirklichkeit anders aussieht. Dann scheuchen sie eine Kuh weg, die dabei auf eine Mine tritt. Die vier Soldaten sind über und über voller Kuhblut, während der Kopf der Kuh im hohen Bogen auf der Motorhaube ihres Jeeps landet. „Wow“, sagt einer der Helden, „so was kenne ich nur aus Zeichentrickfilmen.“ So die Szene. Der Krieg als gro- teskes Gemälde – dieses Motiv ist sicher älter als Apocalypse Now, aber es gibt zahlrei- che Verweise auf das Vor-Bild. Etwa die Vermischung von Surfen und Krieg bei Coppola – hier ist es Baseball und Krieg; Three Kings zeigt im ersten Drittel einen Medien- und Rock’n’Roll-Krieg; gleich in der ersten Szene erschießt einer der Helden einen iraki- schen Soldaten mit einer weißen Fahne – und er schaut auf die Leiche so fassungslos wie die US-GIs in Apocalypse Now, die auf dem Sampan ohne Grund ein Massaker an- richten. Die Helden haben den gleichen naiv-faszinierten Blick auf den Krieg, der Irak ist ihnen so fremd wie Coppolas GIs Vietnam. Zumindest bis sie zu den heiligen drei Königen werden, die das Volk vor dem Diktator retten. Im ersten Drittel des Films ist 100 Stefan Reinecke der Krieg eher eine Art satirisch gezeigter, irgendwie dufter Abenteuerurlaub – auch das ist ein Motiv, dass Apocalypse Now entworfen und gebrochen hat. Von den Unterschieden braucht man nicht zu reden, sie sind augenfällig. Aber noch eine letzte Anmerkung: Three Kings erzählt die Geschichte einer, im Kitsch-Ende zu- rückgenommenen, Privatisierung des Krieges, denn die Helden wollen auf eigene Faust Saddams Gold rauben. Die Erosion des militärischen Apparates, die von The Deer Hun- ter über Apocalypse Now bis Rambo eine Kontinuitätslinie des Genres bildete, wird in der Apotheose – die US-Army rettet die Flüchtlinge – ins Gegenteil verkehrt. Die Trup- pe ist wieder vereint, die Moral wieder hergestellt, das Fernsehen ist live dabei. In die- sem Modell ist Three Kings ein Dementi vieler Vietnamfilme, in denen es eines nie gab: das Militär als funktionierender sozialer Kosmos. Literatur Corliss, Richard. „Platoon – Vietnam, the way it really was on film“, in: Time, 26.1.1987, S. 54. Reinecke, Stefan: Hollywood goes Vietnam: der Vietnamkrieg im US-amerikanischen Film. (Reihe „Aufblende“, Bd. 5) Marburg 1993. Seeßlen, Georg: Nachwort. In: Stefan Reinecke: Hollywood goes Vietnam: der Vietnam- krieg im US-amerikanischen Film. Marburg 1993, S. 144-159. Theweleit, Klaus: Männerphantasien [1977/78]. 2 Bde., München, Zürich 2000. 101 Angela Krewani Der männliche Körper und sein Anderes In der Folge feministischer Filmtheorie wie auch der Gender Studies ist der männliche Körper ins Blickfeld analytischer Aufmerksamkeit gerückt. Während noch die feminis- tische Filmtheorie mit wenigen Ausnahmen von einem eher monolithischen Konzept von Männlichkeit ausging, relativierten die Gender Studies durch ihre Betonung der Konstruktivität des Körpers dessen scheinbare Eindeutigkeit. Vor allem die US-ame- rikanischen Masculinity Studies entwickelten eine Reihe von methodischen Ansätzen, die Codierungen von Männlichkeit im Film einer kritischen Überprüfung zu unterzie- hen.1 Als zentrales Ergebnis der teilweise methodisch deutlich divergierenden Ansätze lässt sich die Abkehr von der von Laura Mulvey behaupteten Inszenierung des weibli- chen Körpers für den männlichen Blick festlegen.2 Auch der männliche Körper wird im Film für den – männlichen wie weiblichen Blick – als visuelles Spektakel dargeboten. Allerdings verharren die Masculinity Studies im Gegensatz zur feministischen Film- theorie nicht bei der Feststellung dieses Sachverhalts, sondern sie fokussieren die strukturellen und kulturellen Bedingungen dieser Inszenierung. Im Rahmen der skizzierten theoretischen Ausgangsbedingungen sollen im Folgen- den Rambo – First Blood Part II (Rambo II – Der Auftrag, 1985), Stanley Kubricks Full Metal Jacket (1987) und Steven Spielbergs Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998) auf ihre Inszenierungsstrategien des männlichen Körpers hin überprüft werden. Dargelegt werden sollen neben den differierenden Inszenierungsstrategien auch die unterschiedlichen historischen Ausgangsbedingungen der Filme sowie die jeweiligen theoretischen Konzepte, die die Analyse leiten. Neben der Reflexion der Repräsentati- on von ‚Männlichkeit’ ergeben sich auch Rückschlüsse auf die Konstitution des Genres. Meine vorläufige These lautet, dass spezifische Körperkonstruktionen über Funktions- weisen und Transformationsprozesse des Genres Auskunft geben. Rambo – First Blood Part II Als einer der ersten formulierte Klaus Theweleit seine Überlegungen zur Männlichkeit, wie sie sich zwischen den Weltkriegen in der soldatischen bzw. faschistischen Litera- tur formierte.3 Grundgedanke Theweleits ist die Verfasstheit des faschistischen Solda- ten als gestählter, harter Körper, der seine weniger kontrollierbaren Charakteristika verdrängen muss und dementsprechend auf den politischen Gegner zu projizieren sucht. Bezeichnenderweise kommt Theweleit zu dem Ergebnis, dass das verbotene An- dere des militärischen Körpers mit politischen und geschlechtstypischen Attributen 1 Einen Überblick über den Stand der Forschung bieten Powrie (2004) und Traister (2000). 2 Mulvey 1975. 3 Theweleit 2000. 102 Angela Krewani belegt ist. Es sind „Weiblichkeit“ und „Kommunismus“, die gleich konnotiert sind und als das Andere des faschistischen Köpers vernichtet werden müssen. Die grundlegende Differenz zwischen dem harten, männlichen Körper und dem ver- drängten Anderen, zumeist Weiblichen ist in den Kriegsfilmen der hard bodies aufge- griffen und theoretisch nochmals mit einem anders gearteten Hintergrund formuliert worden.4 Als hard bodies bezeichnet Susan Jeffords die Körperdarstellungen der Kriegs- und Kampffilme, die in der Reagan-Ära entstanden und die prototypisch die aggressive Machtpolitik der amerikanischen Regierung symbolisieren. Symptomatisch hierfür steht die Visualisierung des Körpers in Rambo – First Blood Part II, der zudem eine Re- vision der kritischen Vietnamfilme darstellt.5 Unter Ronald Reagan und George H.W. Bush wird ‚stabile’ Körperlichkeit als Bemühung angesehen, Männlichkeit und damit verbunden ein fest definiertes Verhältnis der Geschlechter sowie konservative Werte zu stärken. Die Rambo-Serie passt damit relativ deutlich in das politische Programm der Wiederbelebung militärischer Männlichkeit. In ihrer Analyse der Filme der Reagan- und Bush-Ära weist Susan Jeffords darauf hin, dass es sich hier um die Filme der unbe- siegbaren, harten und muskulösen Körper handelt, die das Imaginäre der Reagan-Ära ausmachen.6 Im Gegensatz jedoch zu vietnamkritischen Filmen wird das Andere von Abb. 1 Rambos Körper weder symbolisiert noch visualisiert, weil es sich als Zeichen nicht mehr konstituieren kann. Der Körper bleibt – trotz massiver folternder Eingriffe (Abb. 1) – ein Panzer. Obwohl der Panzer nicht aufgebrochen wird, verhält sich der Körper in der Folter dennoch unkontrolliert und es lassen sich Assoziationen zu den Ausbrüchen eines Orgasmus herstellen. Gemäß den Überlegungen Theweleits zur Entladung körper- licher Energien kann auch in Bezug auf Rambos Körper angenommen werden, dass er Entladung nur in zwei Formen erleben kann: Entweder aufgezwungen in der Folter oder als Entladung in Verbindung mit einer Waffe. Zum Komplex ‚Orgasmus mit Waffe’ merkt Theweleit an, dass die Waffe hier etwas leistet, was der gestählte Körper zu leisten nicht mehr in der Lage sei: „Die Geschütze können etwas, was die Soldaten normaler- 4 Jeffords 1994. 5 Young 2003. 6 „The Reagan era was an era of bodies […] in particular the indefatigable, muscular, and invincible masculine body (which) became the linchpin of the Reagan imaginary.” Jeffords 1994, 24f. Der männliche Körper und sein Anderes 103 weise nicht können: entladen und trotzdem ganzbleiben“, so „daß man zugespitzt sa- gen könnte, daß anstelle ihres Körperpanzers das Metall des Geschützrohrs tritt; das Geschützrohr also funktioniert als ihr ‚Ich’.“7 In Umkehr des Elektroschocks der Folter zielt die auf den Körper gerichtete Energie nicht nach Innen und stellt sich als seine Entladung dar, sondern sie wird kanalisiert durch den Lauf der Waffe und fährt nach außen (Abb. 2). Wichtig ist hier, dass der Körper äußerlich unversehrt bleibt: „Das Ge- schützrohr bündelt alle Energie des ‚zischenden’ Blutes zum Ausbruch, zum Geschoß: gerichtet gegen das Universum, seinen ganzen falschen Bau. Aus dem Rohr rasen (das heil bleibt) und in andere Körper eindringen, ist sein einziger Trieb.“8 Abb. 2 Diese Dynamik lässt sich auch für Rambos stählernen Körper feststellen: John Carlos Rowe liest Rambos Körperlichkeit als direkte Kritik an der Technisierung amerikani- scher Kriegsführung.9 Dieses Argument greift jedoch zu kurz: Der Film kontrastiert die Elemente von verweichlichtem militärischem Körper und Rambos Körper, der ähnlich wie die Waffe stählern und unverletzlich scheint. An diesem Punkt spielt die soziale Komponente eine Rolle: In gewisser Weise ist Rambo der underdog, der sich gegen die Gesellschaft und deren Hierarchien zur Wehr setzt und deutlich außerhalb steht. The- weleit merkt hierzu an, dass “Menschen, denen der Zugang zur fortgeschrittenen Technik versperrt ist, mit der Technisierung des eigenen Leibes auf die Produktions- technik und Kriegstechnik einer mächtigeren Schicht, Klasse oder auch Landes ant- worten.”10 In Rambo werden mehrere Dynamiken ausgespielt: Einerseits wird der outlaw ge- gen die etablierte Klasse der militärisch Kämpfenden gesetzt, was die Analogie zur 7 Theweleit 2000, Bd. II, 179. 8 Ebd. 9 Vgl. Rowe, der den Gegensatz von Körper und Technik aufstellt: „In the second film, George P. Cosmatos’s Rambo: First Blood Part II (1985), Rambo’s rage is directed at the CIA’s reliance on high technology rather than human agency. In the concluding scene of the film, John Rambo fires the large automatic weapons he has used on his mission into Vietnam to destroy the computer command center of the CIA in Thailand, and then he relea- ses a primal scream to accompany this ritualized destruction of the new automated warfare he clearly condemns as inhuman. Ironically, the Emersonian self-reliance and natural identity of John Rambo in both films are set in explicit contrast with the automated militarism employed by the Department of Defense and Pentagon in the first and second Gulf wars, which for many people were culturally justified by the revival of militaristic values exemplified by the character of John Rambo.“ Rowe 2004, 582. 10 Theweleit 2000, Bd. II, 200. 104 Angela Krewani Person des damaligen Präsidenten Ronald Reagan erlaubt: Auch dieser war in gewisser Hinsicht ein medial evoziertes Phantasieprodukt: Außenseiter, Kalifornier und Wes- ternheld, der sich gegen eine etablierte Politiker-Bildungskaste der Ostküste durch- setzte, nicht unerheblich mit Hilfe seines im Vergleich zum Konkurrenten präsenteren Körpers. Zusätzlich wird in Rambo die Korrelation von gestähltem Körper und hoch- technischer Waffe vorgeführt: Der Kampf kann nur durch die Verbindung beider Ele- mente gewonnen werden: In dem Sinne könnte man die Frage nach dem Anderen von Rambos Körper, das nicht visualisiert wird, damit beantworten, dass es sich in die brutale, widerspruchslose Ästhetik der High-Tech-Waffe einfügt. Full Metal Jacket Stanley Kubrick inszeniert militärische Körperszenarien in ähnlicher Weise als filmi- sche Spektakel, jedoch wird gleichzeitig die Reflexion auf militärische Verfahrenswei- sen offen gelegt. In diesem Sinne lässt sich sein vietnamkriegskritischer Film Full Me- tal Jacket (1987) zu großen Teilen als Reflexion auf die Überlegungen Theweleits bzw. als Meta-Film lesen. Kubrick illustriert in stärkerem Masse als in den Rambo-Filmen die Koppelung von Körper, Krieg und gender. Positive, erlernbare Eigenschaften des soldatischen Körpers werden als männlich beworben, dem stehen die weiblich konno- tierten Eigenschaften gegenüber, die abzutrainieren sind. Deutlich wird bei Kubrick betont, inwiefern der Staat in Form des Militärs in den Körper des Einzelnen eingreift und ihn mit genauen Vorgaben zu strafen und herzurichten weiß.11 Es verwundert nicht sonderlich, dass die im militärischen Kontext als negativ konnotierten Eigen- schaften allgemeinen Stereotypen von Weiblichkeit entsprechen: Vorrangig diskredi- tiert werden demnach alle Erscheinungsformen von Schwäche und Unkontrollierbar- keit des Körpers.12 Ganz oben steht das unkontrollierte Auswerfen von Körperflüssig- keiten in Form von Sekreten und Blut. Bezüglich der Deutung seiner Körperpolitik kann Full Metal Jacket in zwei Teile auf- geteilt werden, die über das Zustandekommen und Versagen des militärischen Körpers sprechen. Der erste Teil fokussiert die Ausbildung der Rekruten: Wie bereits erwähnt, erfolgt diese durch die Aktivierung von gender-Stereotypen. Im Verlauf der Handlung ist zu beobachten, wie sich die anfänglich divergente Gruppe zu einem militärischen Körper zusammenschließt, da es ihr gelingt, Aspekte und Funktionen des Körpers, die zumeist mit Weiblichkeit assoziiert werden, zu externalisieren. Das sind seine „schwa- chen“, nicht zu kontrollierenden Charakteristika und Funktionen, im Kriegsfilm ist es zumeist das sicht- und unkontrollierbare Austreten von Körperflüssigkeiten. In diesem Sinne deute ich den Amoklauf von Private Pyle als Kontrollverlust über den militäri- schen Körper. 11 Vgl. Foucault 1977, 46f.: Foucault merkt an, dass die Marter auf einer „quantifizierenden Kunst des Schmerzes beruhe“ (46), sie ist eine „differenzierte Produktion von Schmerzen, ein um die Brandmarkung der Opfer und die Kundgebung der strafenden Macht herum organisiertes Ritual.“ (47) 12 Ralph Donald verweist auf die Austauschbarkeit von Sport- und Kriegsmetaphern, die allerdings beide Weib- lichkeit als defizitär auffassen (Donald 2005). Der männliche Körper und sein Anderes 105 Abb. 3 Abb. 4 Theweleit merkt an, dass der einzige Gefühlsausbruch des soldatischen Körpers in der Anwendung der Waffe stattfinden darf. Kubrick lässt es allerdings zu dieser „Perfekti- on“ nicht kommen. Der in der Ausbildung verfertigte militärische Körper versagt, sein Anderes tritt in der Figur Pyles zutage, um sich gegen seine Zurichtung aufzubäumen. Pyle revoltiert vom Ort des Anderen des Körpers, genauer gesagt vom Ort der ver- drängten, nicht kontrollierbaren Charakteristika. Deshalb findet Pyles Amoklauf im Waschraum statt, denn was sind der Waschraum und die Toilettenschüsseln anderes als diskrete Zeichen für die unkontrollierbare Funktionalität des Körpers (Abb. 3 + 4)? Nachdem Kubrick solcherart das Zustandekommen des militärischen Körpers analy- siert und denunziert hat, wird dieser im zweiten Teil auf ein weiteres Versuchsfeld ge- führt: den realen Krieg. Als geschlossene Gruppe werden die Rekruten in der zerstörten Stadt Hue angegriffen. Da sie anfänglich von einer größeren Anzahl von Feinden aus- gehen, fordern sie Verstärkung an, die sie allerdings nicht erhalten. Danach stellt sich heraus, dass die Gruppe von einem Heckenschützen angegriffen wird, der sich im wei- teren Verlauf der Handlung als junge vietnamesische Frau entpuppt (Abb.5 + 6). Aus der Perspektive der militärischen Zurichtung des Körpers wiederholt und präzisiert Ku- brick hier die angesprochene Struktur: Diesmal allerdings wird der Körper nicht nur vom Ort des Anderen her angegriffen, sondern vom Anderen selbst. Äußerst exakt – und in fataler Übereinstimmung mit den Überlegungen Theweleits – führt Kubrick hier Abb. 5 Abb. 6 106 Angela Krewani vor, wie das Andere im militärischen Selbstverständnis konfiguriert ist, als weiblich und asiatisch, also geschlechtlich, ethnisch und kulturell divergent. Im Gegensatz zur ersten Attacke jedoch gelingt es dem militärischen Körper, sein Anderes – repräsen- tiert in der Figur der Heckenschützin – zu vernichten. Die Kosten allerdings sind im- mens. Mit der Vernichtung hat sich der militärische Körper seiner Würde und nicht zu- letzt auch seiner Männlichkeit beraubt: Deutlich wird der Verlust in der fatalen Re- gression, welche die Rekruten nach dem Mord an dem Mädchen erleben: Den Mickey- Mouse-Song intonierend sind sie nur noch zu leeren Hüllen einer infantilisierenden Massenkultur geworden.13 In Hinblick auf die kritischen Vietnamfilme, insbesondere Platoon (1986), The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen, 1978) und Apocalypse Now (1979) liest Annette Brauerhoch die Darstellung halbnackter blutiger Soldaten als die Rückkehr von Weib- lichkeit – wieder symbolisiert durch Sekrete – in den soldatischen Körper.14 Diese Über- legung stimmt mit der militär- und kriegskritischen Position der Filme überein und es lässt sich folgern, dass in ‚kritischen’ Filmen der Körper ent-stählt, d. h. ent- militarisiert wird und sein Anderes zur Schau (und zum visuellen Vergnügen) gestellt werden darf. Zudem markieren die Filme, die vom hard-body-Prinzip abgerückt sind, differente kulturelle Kontexte und bedürfen eines anders konzipierten theoretischen Zugangs.15 Es ist anzunehmen, dass die Inszenierung des männlichen Körpers in den kritischen Vietnamfilmen anders ausfällt als in der Reagan-Ära. Allerdings ist seit den 1980er Jahren eine Vielzahl an Kriegsfilmen produziert worden, die sich sowohl von den kritischen Vietnamfilmen als auch den hard-body-Filmen durch speziellen Patrio- tismus und scheinbare Ablehnung des Kriegs unterscheiden. Saving Private Ryan Der 1998 entstandene Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan) gehört mit The Patriot (2000), We Were Soldiers (Wir waren Helden, 2002), Pearl Harbor (2001) und Black Hawk Down (2001) zu der Gruppe von Filmen, die eine Form des neuen Patriotismus vertreten. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er „celebrates in essence loyality to one’s comra- des in battle, the ability to survive the horrific face of modern hyper-lethal weaponry and warfare, and the shared experience of battle.“16 In der Forschung wird wiederholt darauf hingewiesen, dass anscheinend die Enkel der Soldatengeneration das Bedürfnis verspü- ren, den Krieg und die Aktionen ihrer Großväter noch einmal aufleben zu lassen, in der modischen Form des „World War chic.“17 In Bezug auf patriotische Positionen zeichnen sich die Filme durch eine fast paradoxe Wendung ins Private aus: Die Motivationen eines 13 Vgl. Theweleit 2000, Bd. II, 154ff. 14 Brauerhoch 1997, 85. 15 Vgl. hierzu auch Powrie, der aus dem Blick in den offenen Körper eine andersgeartete Markierung des Geschlech- terverhältnisses ableitet (Powrie, 2004). 16 Wetta 2003, 861. 17 „Now that they are disappearing, their children feel an aching need to atone for the patricidal leaning of their youth. This is why Boomers like Spielberg and Brokaw are architects of World War chic.“ Village Voice, zitiert nach Wetta 2003, ohne Angaben. 107 Angela Krewani 107 einzelnen Soldaten werden in Abgrenzung zur politischen Zielsetzung narrativ fokussiert. Das private, redliche Handeln nimmt in Saving Private Ryan eine zentrale Position ein, da er zur Gruppe derjenigen Filme gehört, die vor dem Hintergrund aktueller amerikanischer Kriegsführung tradierte Werte ins öffentliche Bewusstsein transportieren sollen und die Legitimation US-amerikanischer Kriege nachträglich erneuern. Für Hollywood und die US-amerikanische Politik war der Zweite Weltkrieg immer eine legitime Ausgangsbasis für Anschlussfiktionen. Marilyn Young merkt an, dass “World War II could be reliably in- voked to remind Americans of their own best selves.“18 Spielberg gelingt die rezeptions- lenkende Identifikation mit dem individuellen Soldaten unabhängig von nationaler, eth- nischer oder politischer Couleur.19 Aufgrund der Komplexität seiner historischen Situation ist Saving Private Ryan zu- gleich mehrfach kodiert: Er soll den Krieg wieder rechtfertigen, von der zeitgenössi- schen politischen Situation ablenken und zudem als Antikriegsfilm funktionieren. Vor diesem Hintergrund fällt die Konstruktion des Körpers heterogener aus und ist mit den von Theweleit vorgeschlagenen Kategorien von Selbst und Anderem nicht zufrieden- stellend zu erfassen. Saving Private Ryan beginnt mit zwei widersprüchlichen Sequen- zen, welche die politische Agenda des Films deutlich demonstrieren. In der ersten Se- quenz sehen wir den Veteranen Ryan über einen französischen Soldatenfriedhof lau- fen, das Bild zeichnet sich durch symmetrische Ordnung und Kameraführung aus. So- Abb. 7 Abb. 8 wohl die amerikanische als auch die französische Flagge werden aus der Untersicht ge- zeigt (Abb. 7 + 8). Ein Schnitt bringt einen historischen Sprung mit sich und wir be- finden uns, dokumentiert durch den eingeblendeten Schriftzug, im Jahr 1944 bei der Landung am Omaha Beach. Im dokumentarischen Modus wird die inzwischen berühmte Szene der Landung bebildert, vor allem das Leiden und Sterben der beteiligten Solda- ten. Zwar ist Gewalt in diesen Szenen anscheinend nicht affirmativ besetzt, jedoch de- tailliert inszeniert. Beide Szenen verweisen auf die sorgfältige Inszenierung des solda- tischen Körpers. Die erste Szene symbolisiert – noch im Sinne Theweleits – die rationa- le staatliche (patriarchalische) Macht: Die Inszenierung erfolgt über Symmetrien der Architektur und der Repräsentationsmacht der die Szenerie beherrschenden nationa- len Flaggen. Demgegenüber kann die folgende Sequenz als das Andere patriarchali- 18 Young 2003, 254. 19 Vgl. ebd., 255. 108 Angela Krewani Abb. 9 Abb.10 scher Macht gelesen werden, durchaus in dem Sinne der Feminisierung des Körpers durch Zurschaustellung von Blut und Sekreten, wie ihn Annette Brauerhoch anvisiert: Performativ erscheinen Öffnung und Zerstückelung von Körpern sowie das massenwei- se Austreten von Sekreten. Auf den ersten Blick scheint hier das Gegenbild zur patri- archalischen Macht ins Bild gesetzt, das gemeinhin weiblich konnotiert ist. Über- spitzt gesprochen können einige Szenen auch als Symbolisierung von Geburtsszenen verstanden werden. Damit wendet der Film die männlich konnotierten Bilder zumin- dest in eine Ambivalenz der Geschlechtszugehörigkeit, indem er Krieg und Geburt übereinander schreibt (Abb. 9).20 Weniger eindeutig ist allerdings die Funktion der Szenen: Während die vorangegangenen Körperinszenierungen ihr Anderes deutlich hervortreten lassen, ist in diesem Kontext die Frage nach dem Anderen des soldati- schen Körpers nicht einfach zu beantworten, da der Film den moralisch integren, „pri- vaten“ Soldaten fokussiert – zudem anders besetzt als Sylvester Stallone in Rambo. Es ist davon auszugehen, dass das Theweleitsche Deutungsmuster der Externalisie- rung des eigenen Innenlebens und dessen Projektion auf ein Feindbild hier nicht funktio- niert. Stattdessen muss angenommen werden, dass beide Elemente - die staatliche Ord- nung mit ihren geregelten Symbolen und die zerstückelten Körper der Landeszene - am selben Diskurs partizipieren. Das wird offensichtlich durch die nachfolgende Sequenz des Besuchs der Militärsvertreter bei Mutter Ryan: Im Haus in der amerikanischen Steppe be- findet sich die Frau im Innenraum des Hauses und schaut auf das sich dem Haus nähernde Militärfahrzeug: In der Scheibe - gedeutet als Trennung zwischen Innen und Außen - spiegeln sich sowohl das Gesicht der Mutter als auch das Fahrzeug: Beide sind auf einer Repräsentationsfläche vorhanden – partizipieren demnach am selben Diskurs (Abb. 10).21 Ausgehend von der diskursiven Geschlossenheit der Repräsentation sowohl vom diszipli- nierten Körper des Soldaten als auch der blutigen Zerstückelung desselben, können diese nicht mehr als These und Antithese von männlicher Rationalität und weiblicher Geburts- fähigkeit begriffen werden, sondern sie stehen in einem intensiven Austauschverhältnis, das sich in der Dynamik von gegenseitiger Stabilisierung und Destabilisierung befindet.22 20 Vgl. hierzu Vaheed Ramazani: „War it seems, is the male’s way of giving birth. The atomic bomb springs forth as ‚Oppenheimer’s Baby’. Revolutions are labor pains announcing new societies […] Nations […] lie fallow, turn barren, or risk falling ‚sterile’.“ Ramazani 2003, 26. 21 Vgl. Seidl, 2001. 22 „In popular, political, and philosophical discourses, why, I ask, is the birthing body of ‚woman’ invoked as the antithesis of metaphysical reason? Biologically, cognitively, socially, and psychoanalytically, what is it about Der männliche Körper und sein Anderes 109 Statt die Opposition der Elemente anzunehmen, möchte ich von einem intensiven Wech- selverhältnis von Kriegsrepräsentationen, Körperzerstückelung und Fetischisierung der Bilder ausgehen.23 Grundlage folgender Überlegungen sind Julia Kristevas Annahmen zum „abject“ – was sich mit „widerwärtig“, bzw. „Faszination am Ekelhaften“ übersetzen lässt.24 Abjection geschieht Kristeva zufolge bei der Konstitution des Subjekts im Zuge der physischen und psychischen Ablösung von der Mutter. Da die Trennung von der Mutter nicht vollständig vollzogen werden kann, bleiben die zu überwindenden Elemente be- stehen und formieren sich als Voraussetzung für die Faszination am Ekel. Damit fun- gieren sie als Grundlage des Subjekts,25 das nicht mehr als Entität begriffen werden kann, sondern als hochgradig instabile psychische Formation, die von dem abject durchgängig attackiert ist und deshalb nicht vollständig in rationalen Formen aufge- hen kann.26 Theweleit hat ein Verhaltensmodell des Staates gegenüber dem Weiblichen aufgezeigt, innerhalb dessen sich jedoch noch eine klare Trennung zwischen den Ele- menten vollziehen kann, damit ungewünschte Bestandteile externalisiert und proji- ziert werden können. Da das abject bei Kristeva allerdings die konstitutive Grundlage für Subjektivität und Rationalität bietet, kann es nicht nach außen verlagert werden, es muss im System einen Ort finden, an dem es integriert und gleichzeitig kontrolliert werden kann.27 Ich folge hier den Überlegungen Vaheed Ramazanis zum Fetischismus: Ramazani liest das abject dahingehend, dass es das Subjekt nicht von dem abtrenne, was es erschrecke, sondern die Verbindung aufrecht erhalte.28 Das Konzept ‚Staat’ ist in vielerlei Hinsicht eine Fiktion mit Fetischcharakter – und die Fetischisierung von Ge- walt gehört zu den Grundlagen des Krieges wie auch der Politik. Gewalt in der beunru- higenden Funktion des abject muss also zum Fetisch des Staates werden, um von die- sem kontrolliert und verharmlost werden zu können: Auf der Ebene der Repräsentation von Staat und Rationalität findet sich dieser Umstand in den Symbolfiguren für den this imaginary body that a masculine sublime of ‚rational’ violence disavows on the one hand, yet on the other hand appropriates, incorporates, and projects in abstract and ‚self-evident’ metaphors of Truth?“ (Ramazani 2003, 26) 23 Ebd. 24 Kristeva 1982, 11. 25 „Abjection preserves what existed in the archaism of pre-objectal relationship, in the immemorial violence with which a body becomes separated from another body in order to be – maintaining that night in which the outline of the signified thing vanishes and where only the imponderable affect is carried out.“ (Kristeva 1982, 10.) 26 „If, on the account of that Other, a space becomes demarcated, separating an abject from what will be subject and its objects, it is because a repression that one might call ‚primordal’ has been effected prior to the springing forth of the ego, its objects and representations. The latter, in turn, as they depend on another repression, the ‚secondary’ one, arrive only a posteriori on an enigmatic foundation that has already been marked off; its return, in a phobic, obsessional, psychotic guise, or more generally and in more imaginary fashion in the shape of ab- jection, notifies us of the limits of the human universe. […] There is no unconscious, […] We are no longer within the space of the unconscious but at the limit of primal repression that nevertheless has discovered an in- trinsically corporeal and already signifying brand, symptom, and sign: repugnance, disgust, abjection. There is an effervescence of object and sign – not of desire but of intolerable significance; they tumble over into non-sense or the impossible real, but they appear even so in spite of ‚myself’ (which is not) as abjection.“ (Kris- teva 1982, 10f.) 27 „Abjection is above all ambiguity – a border, that does not cut off the subject from what it threatens it.” (Kriste- va 1982, 10.) 28 Kristeva 1982, 46. 110 Angela Krewani Staat bzw. Rationalität wieder, die zumeist weiblich konnotiert sind. Das Abjekte, nicht Kontrollierbare, wird zum Fetisch des patriarchalischen Gesetzes und damit kon- trolliert. Deutlich wird dieser Umstand auch in den Symbolfiguren des Staates, die zu- meist Frauen darstellen: Athene, die Amazonen, die Siegesallegorien und nicht zu- letzt auch die Weiblichkeitsdarstellungen von Revolution (Abb. 11). Abb. 11: Eugène Delacroix: La liberté guidant le peuple (Die Freiheit führt das Volk an, 1830) Doch zurück zu Stephen Spielbergs Saving Private Ryan: Drei Momente des Films ver- weisen auf die Fetischisierung von Gewalt: die Repräsentation von Staat und Gewalt durch Gräber und Fahnen, die daran anschließende Zerstückelungsorgie und eine Spiegelung, die beide Szenen dem gleichen Diskurs zuordnet. Es drängt sich die An- nahme auf, dass Gewalt in Saving Private Ryan zum Fetisch geworden ist, der die Macht des Nationalstaates unterstützen und repräsentieren soll. In diesem Sinne fin- den sich keine Körper, an denen ein Anderes durchexerziert wird, sondern die Vorbe- dingung des soldatischen Selbst, dessen Anderes durch Fetischisierung kontrolliert und an die Funktionsweisen nationalstaatlicher Macht zurückgebunden wird. Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Repräsentationen des Staa- tes und männlicher Macht nicht auf der Ausgrenzung von Weiblichkeit – so ein Denk- muster Theweleits – basieren, vielmehr wirkt kontrollierte Weiblichkeit bzw. das kon- trollierte Andere an der Konstitution des Staates mit. Dem Staat liegt demnach etwas konstitutiv zugrunde, was er auf der Ebene seiner Repräsentationen heftig dementie- ren muss. Vor diesem Hintergrund kann die Funktionsweise des Genres „Kriegsfilm“ da- hingehend ausgelegt werden, dass es mittels der Konstitution von Körperlichkeit die Mechanismen von Rationalität, staatlicher Macht und deren Gegenüber verhandelt und deren Konfigurationen vorführt.29 29 „Never will be thought outside of some abstract, figural language.“ (Ramazani 2003, 32.) Der männliche Körper und sein Anderes 111 Die hier vorgeschlagene strukturelle Lesart des Genres, die narrative Botschaften in den Hintergrund stellt, hebt ab auf seine kulturelle Funktion. Damit wäre die Frage nach der Legitimation von Kriegsfilmen nicht mehr zu stellen, somit auch die Frage nach dem Verhältnis von visueller Repräsentation und inhaltlicher Botschaft bei Sa- ving Private Ryan obsolet. Stattdessen rücken die Repräsentationen des Körpers sowie die Figurationen seines Anderen in den Vordergrund. Anhand dieser Dynamiken lässt sich entscheiden, welches Verhältnis der Film zu den Werten „Nation“, „Militär“ und „Gewalt“ einnimmt: Entgegen seiner pazifistischen Botschaft funktionalisiert Saving Private Ryan den zerstückelten Körper als Legitimation für die Kriege des National- staats – und zwar nicht für die Kämpfe des Zweiten Weltkriegs, sondern für die zeitge- nössischen. Literatur Brauerhoch, Annette: „Sexy Soldier – Kriegsfilme und weibliches Publikum“, in: Frauen und Film, Nr. 61, 1997, S. 85-100. 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Young, Marilyn Blatt: „In the Combat Zone“, in: Radical History Review, 2003, Nr. 85, S. 253-264. 113 Thomas Koebner Schlachtinszenierung „Er war ein Held, und das heißt, er war bereit, ein eigenes Leben für das Vergnügen zu opfern, das Leben von tausenden anderer Menschen zu vernichten [...].“ William Hazlitt (1817) über Shakespeares Henry V Bei keiner von Menschen geschaffenen Prozedur fällt der Schritt von der zeremoniös ge- ordneten Spielanlage zum katastrophalen Chaos so knapp und furchtbar aus wie bei einer Schlacht – als gelte es, die verheerendste Apokalypse gleich auf Erden stattfinden zu las- sen. Keine theologisch ausgedachte Höllenvision reicht an das Szenario heran, dass als entscheidender Kraftakt im Konflikt konkurrierender Mächte gilt. Das frühe Schulerlebnis der 1950er Jahre, selbst in der Nachkriegszeit, ließ Geschichte, beginnt sie einmal, in ei- ner Folge von Schlachten sichtbar werden. „333 bei Issos Keilerei“ – das kollektive Gym- nasialbewusstsein kennt die fröhliche Untertreibung des Grauenhaften, eine Verdrän- gung, die von einer Geschichtsauffassung geteilt wird, nach der es am Ende auf den Kampf ankommt, der Sieger und Besiegte unterscheiden lässt. In der Tat, der strengste Pazifismus, der den Ausgleich der Interessen regeln will, muss vor der Eroberungs- und Zerstörungswut derer klein beigeben, die sich mit Gewalt über die Rechte anderer hinweg setzen. Hitler war durch Gebete nicht unterzukriegen, sondern nur durch Gegengewalt. Solange sich Herrschaftsansprüche durch den Aufmarsch waffenstarrender Soldaten kund- geben, die der Angriffslust zur Verfügung stehen, liegt die Gefahr nahe, dass man die Sol- daten auch ausschickt, jeder zivilen Ordnung widersprechende Handlungen zu vollbrin- gen. Eine Voraussetzung für solches Handeln ist die Erfindung eines grausamen Schreck- bilds vom Feind, in den all das projiziert wird, was man von sich selbst als negative Triebe abschieben will – der sich vielleicht tatsächlich als menschenverachtendes Monstrum ge- bärdet. Selbst die Lösungen brachialer Art zwingen zur Erkenntnis, dass die bessere Sa- che, die friedliche Absicht, das sanfte Prinzip der Versöhnung sich selten mit roher Kraft vereinigt haben. Siegimaginationen entspringen oft realer Unterlegenheit, die Rache- und Vergel- tungswünsche der Verlierer können gefährliche Munition bilden und illusionäre Über- legenheitsphantasien züchten. Man denke an die verstörten Deutschen nach dem Ers- ten Weltkrieg, die anscheinend einen Hitler brauchten, um den durch die Niederlage 1918 beschädigten alten Stolz zu restaurieren. Siegimaginationen entspringen ebenso oft auch dem Glauben, dass jetzt nicht mehr viel fehle, um sich endgültig und für im- mer durchzusetzen, als gebe es eine letzte Schlacht, die dem Sieger für immer Sicher- heit verschaffe. Wie erlebt der einzelne die Schlacht, der griechische Gefolgsmann des Agamemnon in der staubigen Hitze vor Troja, der römische Legionär im morastigen Teutoburger Wald, der christliche Knappe in den Wüsten auf dem Weg nach Jerusalem, der Söldner 114 Thomas Koebner eines Renaissanceheeres, der gedungene Infanterist unter dem Befehl Friedrich II. von Preußen, der einfache Soldat in französischer oder deutscher Uniform vor Verdun im Ersten Weltkrieg, der im Eis erstarrte Wehrmachtsgefreite vor Stalingrad, der in die Uniform gezwungene Iraker vor dem Ansturm der amerikanischen Panzer im ersten Golfkrieg? Die Angst muss in der Schlacht ihren Mut zersetzt und ihren Blick getrübt haben, Schweiß und Tränen sind vielleicht hinzugekommen. Das eingeübte Schlagen, Stechen und Schießen hat ein Ende, wenn sie selbst so schwer getroffen werden, dass Menschenmassen, Pferde, Wagen die Niedergeworfenen überrollen. Dann findet die fatale und durch Propaganda verstärkte Zuversicht in die eigene Bewährung, „von Ju- gend auf zum streitbaren Mann erzogen“, in die eigene Unversehrbarkeit oder Sieges- chance ein Ende. Die aufbauenden, furchtübertönenden Parolen und Predigten, Phra- sen, Geschrei und Galgenhumor, die die eigene Gruppe vor dem Kampf zusammen- schweißen, die vorausleuchtenden Ideale: Patriotisches Glühen, blinder Hass auf den jeweiligen Feind, übersteigerte Selbstwert-Beteuerung, selbst der Gedanke an einen ‚gerechten Krieg’, Teil eines Kreuzzugs gegen das Böse zu sein, halten schwer Stand gegen den Schmerz der Wunde, das Verdunkeln des Bewusstseins, den Anblick des ver- stümmelten eigenen Körpers und die Erwartung des unausweichlichen Endes. Kann das so genannte Schlachtenglück, ohnehin wankelmütig und unberechenba- rer als jede zivile Fortuna, zwischen den Reinen im Herzen und den Unreinen, zwischen den Gerechten und Ungerechten, den Weisen und den Dummen, selbst den Tapferen und den Feigen unterscheiden? Welch rhetorische Frage angesichts einer Situation, in der die meisten ziemlich schutzlos schwirrenden Pfeilen, Kugeln oder Granaten, der fern hin tötenden Bomben oder Raketensprengköpfen aus den Fabriken moderner Kriegstechnik ausgesetzt sind – oder dem allseitigen Gemetzel der miteinander rin- genden Kader. Welche Hoffnung auf ein Dasein danach dürfen die ersten Reihen von Soldaten haben, die gegen das gegnerische Feuer vorrücken? – Sie marschieren stumm in der Gewissheit, in der Statistik der Gefallenen als ‚Kanonenfutter’ abgerechnet zu werden. In Stanley Kubricks Barry Lyndon (1975) kommt es zu einer solch lakonisch in- szenierten Schlachtszene. In schöner Sommerlandschaft, die für bäuerliche und bür- gerliche Pastoralen geeignet ist, bewegen sich die Rotröcke, unter ihnen der Held, auf- recht und im Gleichschritt auf die Front der Gegner zu – sie rennen förmlich in die Ge- wehrsalven hinein, die sie in kürzester Zeit dezimieren. Links und rechts fallen die Ka- meraden zuhauf. Selten ist in der Filmgeschichte die Idiotie und mörderische Gering- schätzung der eigenen Leute bei einer in Europa lange Zeit weit verbreiteten Schlacht- ordnung anschaulicher vor Augen geführt worden als in dieser Sequenz. Wer bei der offenen Feldschlacht oder Stellungskämpfen weit hinten platziert ist und rechtzeitig den Schauplatz räumen kann, darf als bevorzugt gelten. Wie sich für den einfachen Mann im modernen Heer mindestens zwei Positionen extrem geringer und maximaler Bedrohung unterscheiden lassen, Etappe und Front, so sticht seit alters die Perspektive des relativ sicheren Feldherrenhügels ab von der Perspektive der vor- dersten Kampflinie. Nicht viele ranghohe Anführer gingen oder ritten ihren Leuten voraus, auch Kommandierende besiegter Truppen überleben mehrheitlich, seit es nötig ist, große Massen in den Schlachten zu lenken (‚Schlachtenlenker’). Vielleicht gab es sogar ein die Kriegsparteien einigendes Tabu, das den folgenschweren Totschlag am Schlachtinszenierung 115 ‚Häuptling’ der Gegenseite aufschob oder nur ranggleichen Personen vorbehielt? Ein verbreiteter Topos will uns davon überzeu- gen, dass mit dem Tod des Anführers einer- seits die Schlacht zu Ende sei, als löse sich mit dem Tod der dominanten Figur der Pakt mit den bis dahin Getreuen auf oder es bestehe ein magischer Zusammenhang zwischen der Kraft von Herr und Knecht. Womöglich hört die Schlacht auf, aber nicht das Schlachten der Flüchtigen und Wehrlosen, des zivilen Trosses einer Ar- mee, die den Kürzeren gezogen hat. „Wehe den Besiegten.“ Es ist zu zweifeln, ob sich die literari- sche Schlachtbeschreibung seit je, seit Ho- mers Ilias (ca. 750 v.Chr.), der Treue zur Wirklichkeit verpflichtet gesehen hat. All- zu sehr ist der Erzähler heroischer Taten an Abb. 1: Albrecht Altdorfer: Alexanderschlacht. der Ausmalung und Überhöhung von Hel- denleben und Heldentod interessiert. Auch das mittelalterliche Epos (man blättere einmal in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Kudrun) lässt ausgewählte Recken so reindreschen, dass ganze Haufen von Leichen um sie herum anwachsen und Zeugnis für ihre übermenschliche Kämpfer- natur ablegen. Die Dichter heldenhafter und heldenmütiger Akte wollen keine Er- zähler des realen Schreckens sein – selbst die Bildhauer, die auf dem Pergamon-Fries Abb. 2: aus Francisco de Goyas Bilderzyklus Desastresde la guerra. die Opfer von Titanen-Schlachten model- lieren, scheinen dem kunsteigenen Zwang zur Abstraktion und Stilisierung unterwor- fen zu sein (es sei denn, ein Betrachter wie Peter Weiss im ersten Teil seines 3-teiligen Roman Ästhetik des Widerstands, 1975, kann Schrecken und Jammer in die erstarr- ten Skulpturen hineinprojizieren). Indes, da fließt kein Blut aus den getöteten Lei- bern. Erst die Maler die Renaissance wag- ten, den Sterbenden ins Auge zu sehen (vie- Abb. 3: aus Otto Dix’ Bilderzyklus Der Krieg. le bleiben noch abgewandt vom Betrachter, man denke an die Schlachtszenen an der Milvischen Brücke – Konstantin siegt im Zeichen des Kreuzes – aus den vatikanischen 116 Thomas Koebner Stanzen, entworfen vom milden Raffael). Und der Gedanke, dass im Tod die Gefolg- schaft einerlei ist, weil er die einen wie die anderen empfängt, durchsticht allmählich auch die propagandistische Planung von Veduten, die den Gegner selbst noch als Ge- schlagenen und Erschlagenen verachten wollen. Während in Albrecht Altdorfers Kon- zept die Alexanderschlacht (1529, Abb. 1) – filmästhetisch gesprochen – soweit ent- fernt stattfindet, dass der Betrachter das Getümmel der Pferde, Uniformen, flattern- den Fahnen, wippenden Helmbüsche und das feingezeichnete Stakkato der Lanzen nur als gloriose Supertotale unter einem Himmel mit dramatisch kreisenden Wolken sieht, eine imposante Schrifttafel mitten im oberen Teil plakatiert zudem die Bot- schaft, – rückt Francisco de Goya in seinem Radierungen- Zyklus Desastres de la guerra (Die Schrecken des Krieges, 1810-1820, Abb. 2) nahe an die Gräuelfolgen des Krieges heran: die Missachtung des Lebens, selbst hilfloser Frauen und Männer, die zufällig im Wege waren. Von ähnlich radikaler Empathie, Einfühlung bestimmt: die Schützengra- ben-Bilder des Otto Dix mit vergasten Soldaten und Leibern, die sich flimmernd in Ma- terie auflösen (Abb. 3). Goya nimmt die Position unerschrockener Zeugenschaft ein, Dix richtet den Blick auf die Destruktivität der Kampfhandlungen selbst. Zwischen Altdorfer und Dix, die hier zur Illustration moralischer und ästhetischer Eckpunkte be- nutzt werden, entfaltet sich das Panorama der literarischen, bildkünstlerischen und vermutlich auch filmischen Schlachtschilderung: zwischen äußerster Distanzierung aus der Sicht eines ungerührten Chronisten, der das Ereignis zum strategischen Spiel- zug oder zur Anekdote im unendlichen Fluss der Geschichte verringert, und äußerster Annäherung, die die Verengung des Horizonts um den sich schlagenden und ducken- den, in den Tod vorausrennenden, keuchenden Menschen in seiner Not und besin- nungslosen Wut rekonstruiert. Die Darstellung einer Schlacht auf der Leinwand folgt gewissen Regeln, die erlauben, hier von einer durch Stereotype geprägten Standardsituation im filmischen Erzählen zu sprechen. Standardsituationen, die wiederkehrende Baumuster, um ein anderes Bild zu bemühen: spezifische Grundrisse, aufweisen, unterliegen ebenso wie Motive unterschied- lichen kulturellen Prägungen und historischem Bedeutungswandel. Der anschließende Katalog von Beispielen soll nicht als Sammelsurium verstanden werden, sondern als Rei- he, die die verschiedenen Ausdrucks-Potenzen der Standardsituation verdeutlicht. * Obwohl David W. Griffith in seinem Epos über den amerikanischen Bürgerkrieg Birth of a Nation (Die Geburt einer Nation, 1915) oft unzweideutig Partei für den Süden nimmt, wählt er bei der Schilderung einer Schlacht doch eine neutrale Perspektive: den top shot von größter Höhe – in gleicher Weise ungefährdet wie der Blick vom Feldherrnhügel hinter einer Armee. Links und rechts ziehen sich nach hinten die Bar- rikaden der Konföderierten und Unionstruppen. Immerhin, die Männer des Südens sind aktiver und stürmen, wenngleich vergeblich, auf die feindlichen Bastionen los. Bei den Gefechten fallen Menschen auf allen Seiten, zu viele – man gewinnt die bitte- re Einsicht, dass sich eine ganze Generation junger Männer hier gegenseitig vernich- tet. Die Rauchwolken der Geschütze treiben als künstlicher Nebel über dem Schlacht- Schlachtinszenierung 117 feld: ein atmosphärisches Element, das in vielen späteren Schlachtschilderungen aufgegriffen wird. Der Abstand zwischen den ‚Feinden’ ist so gering, dass die Rechten sehen können, wie ein Offizier der Linken einem verwundeten gegnerischen Soldaten Wasser reicht, dankbarer Jubel bei den Unionisten. Spätestens jetzt wird klar, dass eigentlich Nachbarn im Kriege miteinander liegen, die Anführer der Konföderierten indes über großmütige Humanität und mehr Courage verfügen. Ein (sinnlos) mutiger Leutnant der linken Partei ergreift die Fahne und stürmt auf die rechte Schlachtlinie zu, um die Stange der Fahne in ein Kanonenrohr zu stopfen – natürlich bringt dieser Ausfall keinen Vorteil, fordert nur das Opfer dessen, der diese verwegene Attacke ris- kiert hat. * Solche Bravourstücke fehlen in Lewis Milestones amerikanischer Filmversion (1930) des Erfolgsromans Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque. Jeder Angriff aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs hinaus, über Stacheldraht-Verhaue, bricht im gegnerischen Feuer zusammen. Bei dichten Einschlägen der Artillerie auf eine granatenzerwühlte Erde – diese leibzerfetzenden, kraterauswerfenden Explosio- nen sind so inszeniert, das sie selbst auf Kriegsteilnehmer authentisch wirkten – las- sen es zum bloßen Zufall werden, wer getroffen wird, wer nicht, gleich ob es ein tap- ferer oder weniger engagierter Soldat sei. Ernst Jünger fand später für diese Verkür- zung des einzelnen Verdienstes auf nichts, diese Gleichmacherei im Bombardement des technischen Krieges den zynischen, doch zutreffenden Satz: „Man fällt nicht mehr, man fällt aus.“1 In der strikt eingenommenen Sicht einfacher, überwiegend jun- ger Menschen in Uniform verfälscht kein patriotischer Impuls auf Dauer die Erfahrung absurder Ausgesetztheit: gleichsam auf ‚verlorenem Posten’ im Detonationslärm eines sinnberaubenden Terrors. Milestones Film nimmt die wichtigste Erkenntnis vorweg, die die Standardsituation Schlachtinszenierung präsentieren kann: die maßlos ent- würdigende Destruktion des Individuums, des Menschen in seiner Besonderheit, durch militärischen Drill und die Amputation der Schicksale in der Schlacht – ohne Ansehen der Person. Dennoch kann diese Erkenntnis, zugehörig zur Erlebnisperspektive der nichtprivi- legierten Soldaten, durch politischen Auftrag wieder an den Rand gedrängt werden, etwa in Sergej Eisensteins patriotischer ‚Ballade’ Alexander Newsky (1935). Von Beginn an wird der ‚Feind’ nach Kräften entmenschlicht. Die deutschen Ordensritter werfen ohne zu zucken Kinder ins Feuer. Um die grausamen Eindringlinge zudem als komische Ungeheuer zu kennzeichnen, tragen sie überdies Helme in Eimerform – wenn man da- rauf klopft, ergibt es einen hohlen Ton. Der päpstliche Gesandte, der sie als ideologi- scher Kommissar begleitet, erinnert an ein schrumpfkörperliches Schreckgespenst, in der Gestalt nicht weit ab von F.W. Murnaus Vampir Nosferatu. Sie sind heimtückisch und zumal auf Pferden, mit flatternden Umhängen und langen Lanzen versehen, also von theatralisch mächtigem Umriss, scheinbar im Vorteil. Fürst Alexander Newsky (Ni- 1 Aus: Ernst Jünger: Der Arbeiter [1932], in: Ders.: Essays II, Stuttgart o.J., 118. 118 Thomas Koebner colai Tscherkassow) begegnet in der Vorgeschichte als einfacher Fischer und später erst als genialischer Stratege und Vaterlandsverteidiger. Er muss eine Laienschar von braven Bauern gegen eine kampferprobte Totschlägertruppe führen: Sein Charisma als Führer soll eine Moral einflössen, die die geringe Routine seiner Gefolgsleute im Um- gang mit Waffen wett zu machen hat. In ähnlicher Lage muss Spartacus in Kubricks Film die aufständischen Sklaven zu ihrem Kampf gegen das römische Heer motivieren, Brave Heart (William Wallace) die schottischen Landsleute gegen die siegverwöhnte englische Armee: In diesen Schlachten stehen sich gleichsam von ihrer Sendung über- zeugte Amateure und abgebrühte Professionelle des Kriegshandwerks gegenüber. Newsky lehrt also die zunächst furchtsamen Bauern, mit Hakenlanzen die Ritter vom Pferd zu holen und eifrig auf die nunmehr schwer beweglichen Herabgestürzten ein- zudreschen. So treffen alle Reiterattacken der Feinde auf erbitterten Widerstand. Die folkloristisch-burleske Komponente: Zwei handfeste Kerle zeichnen sich vor allem aus – eine junge Frau soll der Lohn des Einsatzes beider Rivalen sein. Sie überleben, der eine schwer verletzt – die Liebe je einer Frau wird jedem zu Teil. Alexander leitet das Geschehen zunächst von einer Anhöhe, dann mischt er sich in das Getümmel und überwältigt im Zweikampf den Anführer, den „Magister“, den Chef der Feinde. Wenn am Schluss die restlichen Deutschritter mit ihren Pferden durch die allzu dünne Eisde- cke des Peipus-Sees einbrechen (oft von oben fotografiert), erinnert das Ereignis an alttestamentarische Strafmaßnahmen, an grausam unbarmherzige Gottesurteile – so muss die dem Herrn ungefällige Rotte Korah in den sich öffnenden Schlund der Erde gestürzt sein. Alexander Newsky führt nicht nur die komplette Vernichtung des alten bösen Satans in Menschengestalt drastisch vor Augen, der Triumph des ‚gerechten Verteidigungskrieges’ muss vollkommen sein und seine Darstellung darf offenbar nicht in der Andeutung stecken bleiben. So verhehlt diese Schlachtschilderung auch nicht „Blut, Schweiß und Tränen“ (Winston Churchill) des vaterländischen Befrei- ungskrieges: ein von schrägem Lichteinfall düster beleuchtetes Schlachtfeld nach Einbruch der Nacht mit tausenden verwundeter und toter Leiber. Eisenstein legt bereits die oft wiederholte Periodik der filmischen Schlachtinsze- nierung fest, deren Ausdruckscharakter ich durch musikalische Begriffe unterstreiche, als handle es sich um die Sätze einer Sinfonie: (I) Andante, langsame Vorbereitung: der herausragende Anführer schwört die Kämpfer ein, zumal die, die nicht von vornherein zum Sieg disponiert scheinen. (II) Vor dem Sturm, accelerando bis molto agitato: die Schlacht selbst, bei der die Sympathieträger, die ein höheres Recht auf ihrer Seite zu haben scheinen, oft (nicht immer) Aufständische, Revoltierende, bei wechselndem Schlachtenglück mehrmals in Bedrängnis geraten – Massenbewegung, Tempo, mitge- rissene Kamera. (III) Ritardando, verlangsamende Intermezzi: einzelnen Personen, ih- rem Treiben, ihren Sichtweisen gilt erhöhte Aufmerksamkeit, dem Chef, aber auch klei- nen, manchmal sogar komischen Chargen. Neben dem Hauptstrang der oft rasanten und Einzelschicksale nur streifenden Kampfschilderung bilden sich Episoden, in denen kleinere Streitereien oder Handgemenge, auch Ruhemomente Platz finden. (IV) Furio- so: der Ausgang der Schlacht muss Sieger und Besiegte unterscheiden lassen, Jubel oder Jammer evozieren: der kollektive Tod, die kollektive Flucht. (V) Lamentoso: beim Anblick des Schlachtfeldes mit Erschlagenen und Sterbenden setzt sich der Affekt der Schlachtinszenierung 119 bitteren Klage durch, die sich zur tragischen Weltklage und umgreifenden Existenz- verwünschung ausweiten kann. * In Spartacus (1960) schickt Stanley Kubrick das Heer der Freiheit beanspruchenden Sklaven, darunter alte Männer und Frauen, viele schlecht oder mit einfachsten Waffen ausgerüstet, doch verzweifelt entschlossen, weil sie um ihre Menschenwürde kämp- fen, gegen die disziplinierte Legionärsmacht des Crassus: Das Sklavenheer unterliegt, soweit folgt der Film der historischen Überlieferung eines bedeutsamen Aufstands der Unterdrückten. Der Peipus-See und dessen Ränder als Schauplatz gewähren Eisens- teins Alexander Newsky die Option, die Schlacht auf offener weiter Fläche zu arran- gieren, ohne im Hin und Her der Kampfbewegung präzise Ortsangaben machen zu müssen. Kubrick wählt eine abgeweidete Graslandschaft, von einem Hügel aus hält Spartacus (Kirk Douglas) eine befeuernde Anrede an die seinen, von dort aus beob- achten alle sorgenvoll die Sonnenreflexe auf den Schildern der Gegner, von dort aus ergießt sich das Sklavenheer mit Gebrüll in die Tiefe auf ihre Verfolger, die ersten Ko- horten weichen, doch zuvor schon verkündet ein Himmel voller zerklüfteter Wolken – ein natürliches Bildzeichen für die drohende Wendung – über heranrückenden römi- schen Truppen die Übermacht des staatlichen Militärapparats. Die in der Fiktion übli- chen Phasen der Schlacht, beginnend bei der Formierung der einander gegenüber ste- henden Massen, werden beinahe formelhaft durchdekliniert – selbst bei Kubrick. Auch alle weiteren Bilder entsprechen einem oft repetierten Muster: Pferde stürzen, ein Kampf Mann gegen Mann auf gleicher Augenhöhe und mit dem Kurzschwert ent- flammt. Spartacus ficht vehement, schlägt einem Legionär den Arm ab (nur kurz zu sehen), im Vordergrund wischen, vor dem Objektiv der Kamera, Körper vorbei, um den Standort des Betrachters – reduziert auf ein registrierendes Auge – mitten im Getüm- mel zu lokalisieren: Die Kamera ist gleichsam eingebettet in die Kampfhandlung. Doch nach dem heftigen ‚Nahkampf’ transportiert ein Schnitt in die beängstigend ru- hige Lamentoso-Phase, zwei Pferde laufen nacheinander auf eine Hügelmulde zu, von der aus aufgenommen wird: Ihre ehemaligen Reiter, so ist die Erscheinung zu deuten, liegen vermutlich erschlagen auf dem Boden. Die reiterlosen Pferde als Signal für eine Niederlage kehren in späteren Schlachtinszenierungen immer wieder. Crassus und ein Offizier, offensichtlich die Sieger, denn sie gehen ohne Begleitung, überqueren das verwüstete Schlachtfeld. In einem lang hingestreckten Graben häufen sich dicht bei- einander die Leichen, auch von Greisen und Frauen, vom Staub des Gefechts bedeckt, besonders schockierend: mit starren, offenen Augen (niemand war da, um sie ihnen zuzudrücken). Dieser verstörende Anblick eines Massengrabes weckt Assoziationen an die Berge der Toten, die sich in den Vernichtungslager der Nazis fanden. Es könnte sich außerdem der Gedanke aufdrängen, es werde ein ‚schauriges Andachtsbild’, ein Tableau von Märtyrern des menschlichen Freiheitswillens vor Augen gestellt. Über das Schlachtfeld hallt Babygeschrei (der Sohn des Spartacus): Urklage und Verheißung neuen Lebens zugleich und der Parole: „Der Kampf geht weiter“. Die überlebenden Männer weigern sich, ihren Anführer Spartacus zu verraten. Selbst in der Niederlage 120 Thomas Koebner bleibt die Solidarität bestehen. So werden sie alle an Kreuz genagelt: Vordeutung auf eine dem christlichen Publikum vertraute Passion, vielleicht sogar eine kühne Gleich- ordnung beider Leidensgeschichten, der des Spartacus und der des Sozialrebellen Je- sus Christus. Kubrick besetzt die Schlachtinszenierung politisch (wenngleich nicht patriotisch und plakathaft wie einst Eisenstein seinen Alexander Newsky): Spartacus offenbart als moralisches Zentrum die Anklage gegen die Aufteilung der Welt in Her- ren und Knechte und fordert unantastbare Menschenwürde als höchsten Wert ein (ähnlich wie die bittere Kritik am ‚Kriegsspiel’ der Mächtigen in seinem früher produ- zierten Film Paths of Glory, 1957). * Lawrence of Arabia (1962) hat in der Schlacht zwischen Araber- und Türkenarmee (im zweiten Teil) vor allem zum Ziel, den strahlenden Helden Lawrence von Arabien, der bis dahin mit einer geradezu messianischen Aura umgeben ist, zu entzaubern. Drei hand- lungsauslösende Ereignisse begründen – rechtfertigen noch nicht – das Massaker an einer halbverdursteten Truppe der in dieser Situation als imperialistische Macht angegriffenen türkischen Besatzung. (a) Die Türken selbst haben zuvor die Einwohner eines arabischen Dorfes ermordet (sogar geschändet?) und den Ort geplündert – ein kriegsverbrecherischer Akt. Die Kamera fängt in wenigen Bildern die trostlose Stätte der gerade verübten Ge- walttaten ein. (b) Lawrence war (Tage?) zuvor der Folter türkischer Soldaten ausgesetzt gewesen, einer Misshandlung, deren Charakter nur angedeutet wird, die ihn mit seiner Schwäche (auch seiner homoerotischen Identität?) konfrontiert. (c) Ein junger Araber, dessen Familie im erwähnten Dorf umgekommen ist, stürmt voraus, der Staubfahne nach, die die türkischen Soldaten aus dem Wüstensand aufwirbeln: ein aus verständlicher Ver- geltungswut geborener Angriff. Er kollabiert unter den Schüssen der türkischen Nachhut. Militärtechnisch soll es unnötig sein, dieser Horde nachzusetzen – doch Lawrence (Peter O’Toole) schüttelt ein Selbstzerwürfnis, das sich in seinem bebenden Körper, in Zuckun- gen seines Gesichts äußert. Endlich entlädt es sich in einer irrationalen Wut, in seinem Schrei zum Angriff und der Aufforderung, keine Gefangenen zu machen. Selbst ein Freund, der Scheich, er ist ein Warner, lässt sich für eine kurze Weile wie von einer Mas- senhysterie anstecken und mitreißen. Aus dem erbarmungslosen Hauen und Stechen taucht Lawrence in einer halbnahen Einstellung wieder auf: Wie ein Wahnsinniger er- schießt er selbst Männer, die sich ergeben. Dann: an seiner Hand hängt ein blutiger Krummdolch, als alles vorbei scheint, der nackte blutige Arm ragt aus dem befleckten, zuvor schneeweißen Burnus obszön heraus. Es gibt mehrere Lesarten dieser vieldeutigen Pose: Das beschmutze Gewand ist ein leicht deutbares Sinnbild für verlorene Unschuld; der Krummdolch bezeichnet die völ- lige Assimilation des Europäers Lawrence an die arabische Mentalität – sein Sondersta- tus geht dadurch verloren; der nackte, blutverschmierte Unterarm erscheint wie ein phallisches Werkzeug der Vergewaltigung. Diente Lawrence die Abschlachtung des Feindes als Ritual, das seine, ihm selbst verdächtig gewordene Männlichkeit bestätigt? Die Schlacht hat offenbar nicht nur als Ausbruch maßloser Rache gedient nach dem Gesetz, dass Mord nur durch Mord ausgeglichen werden könne, sondern auch unklare Schlachtinszenierung 121 Sexualimpulse in rabiaten Tötungsfuror umgeleitet. Der Eindruck ist kaum von der Hand zu weisen, dass archaisches Verständnis die Schlacht seit je auch als Initia- tions-Passage, als ‚Feuertaufe’ begreift, aus der – wenn der Kombattant es überlebt – der ‚gehärtete’ Mann hervorgeht. * Wojna i mir (Krieg und Frieden, 1967): Die sowjetische Monumentalproduktion unter der Regie von Sergej Bondartschuk hatte augenscheinlich den Ehrgeiz, hinter die ‚Üppigkeit’ der Schlachtbeschreibung aus Leo Tolstois Roman Krieg und Frieden (1868) nicht zurück zu fallen und die am Ende wohl unentschiedene Schlacht von Borodino zwischen dem An- greifer Napoleon und seiner zusammengestückelten Invasionsarmee und den russischen Verteidigern unter Marschall Kutusow in einem grandiosen filmischen Historienbild, ei- nem kinematografischen Schlachtgemälde ohne Vorbild einzufangen, das an Zahl der Ein- stellungen, an aufwändigen Geschehnissen und an Länge alle anderen Varianten der Standardsituation in der früheren Filmgeschichte übertrifft. So hält sich der Film nur vor- übergehend an zwei Leitfiguren: Andrej Bolkonski, der durch eine Granate schwer verletzt wird, und Pierre Besuchow, der in schneeweißem Anzug und passendem Zylinder durch die Schlachtenreihen wie ein Besucher und ein Fremdkörper irrt, behilflich sein will, heil aus allem heraus kommt, nur mit geschwärzter und zerrissener Kleidung: Die Veränderung seines Äußeren markiert (ähnlich wie in Lawrence of Arabia) die Erfahrungsreise, die auch in Pierres Innerem Spuren hinterlässt. Bondartschuk inszeniert absichtsvoll das große Durcheinander, das Chaos der Schlacht – selbst die russischen Feldherren verlieren den Überblick. Da schieben sich Infanteristen ins Bild, dort stürmt die Kavallerie in breiter Front voran, auch das Ge- dränge bunter Uniformen erschwert dem Unkundigen prompte Orientierung: Staub und Dreck und Pulverdampf wälzen sich über alle, nehmen die Sicht, von überall her fallen Schüsse, werfen Soldaten um, Artilleriegeschosse lassen Erde umherspritzen. Wie im- mer bei Schlachtinszenierungen, ein scharf gesehenes Detail: Einem Artilleristen wird ein Bein abgerissen. Ob ein abgeschlagener Arm bei Kubricks Spartacus oder ein Bein bei Bondartschuk oder wieder ein Arm in Kurosawas Ran (1985): Die grauenhafte Ab- trennung von Gliedern demonstriert real und gleichnishaft die wie zufällig und im un- vorhersehbaren Augenblick zustoßende Zertrümmerung des Körpers in der Schlacht. Wiederholt verliert die Kamera die bekannten Helden aus den Augen, um sich zu ver- selbständigen, wieder wie ein untreffbares, registrierendes Auge. Dann schwebt sie gleichsam über zerbombte Bastionen hinweg, über Gräben voller Leichen und Pferde- kadavern, beobachtet, wie Kanonen Hänge hinabrutschen, folgt Soldaten, die in ein Haus eindringen. Kaum scheint sie dem Bann des Schlachtens, der Menschen gegen Menschen treibt, entrinnen zu können. Zwei Mal gelingt ihr die Flucht in die stille Ge- genwelt der anscheinend ewigen Natur: (a) als Andrej von der Granate getroffen wird, rutschen Ausschnitte aus Landschafts-Szenerien in das Kaleidoskop des ‚Terrortori- ums’: Birken und Gras im Wind – Erinnerungen an eine friedliche und leise Welt jen- seits des Kampfplatzes. (b) Zum Schluss erhebt sich die Kamera in eindrucksvollem Steigflug über riesige Rauchwolken, die von dieser ‚Wallstadt’ aufsteigen, hinweg in 122 Thomas Koebner ‚höhere Regionen’. Über den Wolken ist Ruhe, als wähle die Inszenierung den Stand- punkt subspecie aeternitatis, auch in zeitlicher Dimension, mag sein, abgehoben vom längst verhallten Lärm eines verbissenen Kampfes, in einer unberührbaren sanften Sphäre, aus der kein scharfer Blick mehr auf das entfesselte mörderische Menschen- werk da unten möglich ist. Diese Gegensatz-Bildung in der Schlacht-Inszenierung aus Krieg und Frieden gleicht sich der seit der Antike vertrauten Polarität von Heroik und Idyllik an: die Anti- thetik kämpferischer Ideale in einer patriarchalischen Wertordnung, die den Krieg zum ‚Vater aller Dinge’, zum ‚Motor der Geschichte’ erklärt, und einer oft mit Natur-Euphorie verbundenen Friedensethik, ursprünglich einer Hirten-Gesellschaft zugesprochen, die auf historische Taten verzichtet und den zu fürchtenden Vorwurf der Weltflucht mit dem Argument abwährt, es sei weiser, sich an den Händeln der ‚Könige’ nicht zu betei- ligen. Ich will nicht behaupten, dieses Entweder-Oder sei die dezidierte Botschaft der Schlachtinszenierung Bondartschuks, doch zeichnet sich die Kontrapunktik alternati- ver Vorstellungen als Schattenmuster im Hintergrund ab. Eine Parallele zu aktuellen politischen Konflikten der Zeit (Napoleon könnte für den Westen stehen, Kutusow für Russland) ist zu ahnen. Dass (wie bei Tolstoi) die Anteilnahme an der russischen Sache größer ist, sollte nicht weiter verwunderlich sein bei einer sowjetischen Produktion und bei einem historischen Exempel, dessen Positionen sich mit leichten Korrekturen auf die Gegenwart übertragen lassen. Doch die Auffassung der Schlacht als eines tödli- chen Chaos, das allseitiges Entsetzen hervorruft und kaum Anlass für die Proklamation von Phrasen bietet, ist stärker ausgebildet als die in diesem Fall begreifliche Partei- lichkeit für die Menschen, die sich gegen einen martialischen Eroberer und unersättli- chen ‚Kriegsherrn’ zur Wehr setzen. * In Waterloo (1970) knüpfte Bondartschuk an seine ‚abschreckende’ Schlacht-Konzeption von Krieg und Frieden an. Wenn der englische Feldherr Wellington, der 1813 mit den Preu- ßen gemeinsam den wiedererstarkten Napoleon endgültig bei Waterloo besiegt, am Ende der Kämpfe wie eine allegorische Todesfigur vor dem dunklen Abendhimmel durch die schier endlosen Gassen der aufgebahrten Toten reitet (wie einst Crassus zu Fuß in Sparta- cus), ist ein sinnfülliger Ausspruch zu hören (von dem ich nicht weiß, ob er tatsächlich vom historischen Wellington stammt): „Das Schlimmste ist, außer einer verlorenen Schlacht, eine Schlacht gewonnen zu haben.“ Einmal tritt ein englischer Soldat aus der Reihe heraus und schreit: „Warum töten wir uns? Wir sind uns noch nie begegnet.“ Diese Sätze klingen gegen Schluss wie ein raunendes Echo nach – der sie gesprochen hat, liegt indessen hingestreckt neben unzähligen Toten. Mit Ausnahme dieser Obertöne eines be- greiflichen Zweifels an jeglicher Legitimität einer Schlacht: Angesichts des unverzeihli- chen und nie zu rechtfertigenden ‚Blutzolls’, mit Ausnahme auch der in Krieg und Frieden auffälligen Fluchten in die Naturbilder als einer Kontrastkategorie, symbolisch für ein an- deres Leben, arbeitet Bondartschuk im Wesentlichen mit den selben Mitteln, um die Schlacht als Chaos zu präsentieren – wobei die Indizien nicht zu übersehen sind, die auf die chronikalisch getreue Rekonstruktion des Geschehens verweisen: Zum Beispiel, dass Schlachtinszenierung 123 Napoleon zu siegen droht, bevor die Preußen unter Blücher auftauchen. Weshalb Bon- dartschuk ein zweites Mal eine Schlacht inszeniert, die den Mythos des unbesiegten Franzosen-Kaisers demontiert, mag produktionstypischen Zufällen oder einem tiefer ver- ankerten Interesse des Regisseurs zuzuschreiben sein, der den Typus des selbstherrlich ländererbeutenden Eroberers im Moment des Scheiterns zeigt und die Kosten – die Toten – seiner Gewaltpolitik eindringlicher betrachtet als den genialischen Strategen selbst. Heldenverehrung propagandistischer Art lässt Waterloo nicht zu. Er zeigt auch Ge- neräle als sterblich, wenn ihr Pferd im Schlamm stecken bleibt – und bestätigt zu- gleich das Tabu, das die Anführer als Kaste der Unberührbaren zum Teil wenigstens be- schützt, wenn die Figur Wellington etwa sarkastisch bemerkt, dass Kommandeure an- deres zu tun hätten, als sich gegenseitig zu erschießen. Man könnte Bondartschuk vorwerfen, dass ihm – vielleicht im Widerspruch zu solch kritischen Aufhellungen des dumpfen Massakers – viel am Umgang mit Massen und Effekten liegt: an schier endlo- sen Ketten in Linie angreifender Reiter, Aufmärschen tausender von Komparsen, an immensen sichtverhindernden Rauchwolken über weiten Flächen, an Legionen unter dem Kugelhagel krepierender Soldaten, an virtuosen und sogar extravaganten Kame- ra-Perspektiven. Der top shot von relativ weit oben gewährt den Schein-Überblick über brodelnde Gefechte. Die Kamera steht mitten im turbulenten Konflikt, so dass wie bei Spartacus etliche Körper am Objektiv vorbeiwischen, slow motion schafft Stille und nimmt mit dem Anblick der langsam und unweigerlich aufeinander zustürzenden Sol- daten die Klage der hilflosen Betrachter, nicht eingreifen zu können, das Lamentoso der Schlussphase vorweg. * Ende der 1960er Jahre dient der Vietnam-Konflikt im öffentlichen Bewusstsein Ameri- kas und Europas als Exempel eines Krieges, der von der westlichen Leitmacht, den USA, aus fragwürdigen Gründen geführt wird. Die Autorität der Regierenden und Kom- mandierenden gerät in eine schwere Krise, korrespondierend zum allgemeinen Miss- trauen gegenüber herkömmlichen Machtansprüchen und Machtstrukturen. Die Gegen- kultur (counterculture) der jungen Generation in den 1960er Jahren beruht auf dem vehementen Bruch mit überlieferten Normen, auf der Revolte gegen sinnenfeindliche Disziplin und triebunterdrückende Leistungsgesellschaft und auf der Neuentdeckung der Körper (und ihrer Sexualität). Das sind einige Stichworte, nur zur Erinnerung zu- sammengefügt, um den Horizont zu beleuchten, in dem auch die Schlachtinszenie- rung neue Aspekte erschließt. Zwei dieser Aspekte will ich hervorheben, die einen neuen, geradezu ‚fundamentalistischen’ Pazifismus markieren: (a) den Verdacht, dass die Welt ohne ausreichende Vernunft regiert werde, dass auch die alte Militärlogik vor der Realität versagen müsse; (b) die Erfahrung, dass der Leib verletzlich ist, da er eben mehr aus weichem Fleisch als aus harten Knochen besteht. In The Charge of the Light Brigade (Angriff der leichten Brigade, 1968) betont der Regisseur Tony Richardson den erstgenannten Aspekt. Das aus dem Krimkrieg des 19. Jahrhunderts bezeugte leichtfertig zugelassene Massaker an einer ganzen englischen Kavalleriebrigade hat obrigkeitskritische Phantasie mehrmals beschäftigt. Als Beispiel 124 Thomas Koebner einer irrsinnigen militärischen Aktion wurde der Fall auch für das Kino bearbeitet. Ri- chardson hat auch an Vietnam gedacht – Zeitgenossen durften das unterstellen –, wenn er zeigt, wie aus Hochmut, Ehrgeiz und Dilettantismus Befehle erteilt werden, die Abhängige gegen die gegnerische (türkische) Artillerie und damit in den Tod trei- ben. Granaten schlagen in die vorangaloppierende Truppe ein und dezimieren sie in Kürze. Auf dem Feldherrnhügel greift unter den unfähigen Gentlemen, die Generäle sein wollen, fassungsloses Unverständnis um sich, von der Masse der Gefallenen kün- den zum Teil ungesattelte herrenlose Pferde (wie in Spartacus), die durch das wüsten- hafte Tal des Massakers zurück traben. Andere Pferde bedecken tot die Erde. Die letzte Einstellung der Schlachtsequenz gilt solch einem Kadaver. The Wild Bunch (Sie kannten kein Gesetz, 1968) von Sam Peckinpah bezeichnet in gewisser Hinsicht eine Wende in der Geschichte des Western-Genres. Das typische shooting out zwischen den Guten und Bösen, Protagonisten und Antagonisten, hat als individuelles Duell, auch wenn es um Leben und Tod geht, wenig Ähnlichkeit mit dem kollektiven Ansturm von Truppen in einer Schlacht. Daran ändert auch die künstliche Dehnung dieser Standardsituation in den Italowestern nichts (man denke an die lange, fast opernhafte Sequenz des letzten Schießduells zwischen Harmonica und Frank in Sergio Leones C’era una volta il west (Spiel mir das Lied vom Tod, 1968) – eher entsteht durch diese Überspannung eine Szene, die ihren künstlichen Spielcharakter offenbart. Die ästhetisierende Formalisierung eines Akts, in dem ein Mensch einen anderen um- bringt, nimmt Peckinpah wieder zurück und erneuert das Schockierende als Schlusslö- sung im Western: Erstens durch die Ausweitung des Duells zwischen der Gruppe der Helden und Bataillonen von (mexikanischen) Soldaten, zweitens durch die Vergegen- wärtigung des Ausblutens und Sterbens vielfach verwundeter Körper. Gegen Ende von The Wild Bunch müssen sich die höchst ambivalenten Hauptfiguren gegen eine Über- macht zur Wehr setzen, auch mit Hilfe eines Maschinengewehrs. Mittels slow motion und raffinierter Tricktechnik lässt der Film in Zeitlupe das Blut aus den Getroffenen he- raus spritzen: weniger ein Grand-Guignol- oder Splattereffekt als eine Versinnlichung dessen, wie Kugeln den Leib förmlich durchlöchern und zerreißen, wie erbärmlich we- nig den Menschen gegen die übermäßige Zerstörungskraft der mechanisierten Waffen- technik schützen kann. Peckinpah treibt diesem Schauspiel die Simulation des ‚Piff-Paff’, des ‚Ballerspiels’ aus – in einer Epoche, in der eine Film-Reportage um die Welt geht, in der ein südvietnamesischer General einen mutmaßlichen Vietkong auf of- fener Straße erschießt, erscheint es als verlegenes Ausweichmanöver, als feige Abkehr von der Realität, als Verleugnung der ‚Wahrheit’, eine abstrakte Inszenierung der Ge- walt zu befürworten. (Dass die abgehobene ‚Entwirklichung’ des Tötens und der Verlust der Leibwahrnehmung im Egoshooter-Bildschirmspiel wieder zurück kehrt, ist beängs- tigend – für alle, die der Sinn für die Außenwelt auch im Bereich der Fiktion nicht ver- lässt.) Überdies gewährt Peckinpah seinen letzten Helden nicht einmal das Ende durch einen überlegenen oder würdigen Gegner. Eine Art Kindersoldat knallt sie ab. Solch ein niedriges Geschick, das nicht einmal Rücksicht auf das Ansehen der Person nimmt, kann einem vorzugsweise in einer Schlacht widerfahren. Schlachtinszenierung 125 * Einschränkung: Ich will nicht behaupten, dass das Schrecklich-Erhabene der Schlacht, das den einzelnen in seiner Nichtigkeit so bloßstellt, dass diese Wahrnehmung nicht gleich mit läuternder Reflexion umkreist und verdolmetscht werden kann, dass diese Reaktion des stumm bleibenden Entsetzens beim sensitiven Publikum nur durch Annäherung an do- kumentierte Kriegs-Erfahrung erreicht wird. Es gibt zumindest zwei Wege zu suggestiver Präsenz dessen, das sich ziviler Phantasie entziehen will. Der Vergleich mag aufschluss- reich sein: Wie die Hand vom brennenden Feuer zurückzuckt, so die Vorstellungskraft vor den Bildern des Ungeheuerlichen. Man könnte von Schutzmechanismen einer Art Rezep- tions-Biologie sprechen, Schutzmechanismen, die auch bei der Schlachtinszenierung durchbrochen werden (müssen), wenn man sich nicht mit flüchtigen Andeutungen, also Abstraktionen, zufrieden geben will: (a) die eingreifende Methode der Verfremdung und Entfremdung, (b) die realitätsnahe und/oder detailgetreue Rekonstruktion. Denkwürdige Methoden der Verfremdung und Entfremdung finden sich selten in der neueren Filmgeschichte, immerhin bei zwei außerordentlichen Produktionen: Ran (1985) von Akira Kurosawa und The Thin Red Line (Der schmale Grat, 1998) von Terren- ce Malick. Als Beispiele für die epische Rekonstruktion will ich kurz noch Brave Heart (1994) von Mel Gibson sowie Gladiator (2000) und Kingdom of Heaven (Königreich der Himmel, 2005) von Ridley Scott aufgreifen, schließlich als Fall, der eine jüngere histo- rische Schlacht gleichsam punktgenau nachformt – im Genre des Kriegsfilms – Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998) von Steven Spielberg. Ran ist eine filmische Abwandlung von Shakespeares King Lear (1605). Was der Bühne verwehrt bleibt, breitet der Film aus: den Aufmarsch der Armeen in je eigenen Farben und die wüste Schändung des Menschen in Schlachten. Tiefe Verstörung löst die Attacke auf die Burg aus, in der Hidetora (Tatsuya Nakadai), der King Lear ähnliche Fürst, mit seinem Gefolge Zuflucht gefunden hat. Sein ältester Sohn bricht ein und belagert den Turm, in dem sich sein Vater aufhält – doch er, der Abtrünnige, wird aus dem Hinterhalt selbst er- schossen, der zweite Sohn übernimmt das Regiment in jedem Sinne und steigert den An- griff. Die Verteidiger fallen zuhauf, Hidetoras Frauen erstechen sich gegenseitig in lieben- der Umarmung und fallen tot um, Pfeile und Schüsse umsausen das Greisenhaupt des al- ten Königs, der irren Blicks ein Schwert sucht, um Harakiri zu begehen, aber keines fin- det. Schließlich tritt er barfuss auf die lange Treppe, die aus dem Turm in den Hof hinab führt – ein Rest von unantastbarer Maiestas umhüllt ihn, so dass die Soldaten Platz ma- chen und ihn aus der Burg ins Freie gehen lassen: als Wahnsinnigen, der auf sturmumtos- ter Heide Gräser und Blumen ausreißt und an sich rafft. Kurosawa trennt die Komponenten der filmischen Mitteilung. Er illustriert in einzel- nen Einstellungen die ‚Vernichtungen’ des Krieges: aufgespießte Körper, blutüberströmte Leiber, die über Schanzen hängen, Haufen fast nackter Leichen, einen Mann, der seinen abgeschlagenen Arm vor sich hält, einen anderen, dem ein Pfeil im Auge steckt, einen Dritten, der von den Hufen der Pferde zertrampelt wird. Kurosawa unterbricht diese Abfol- ge an ‚Stilleben’ durch Zwischenschnitte auf dunkel dräuende Wolken am Himmel und grundiert – das ist der eigentliche Akt der Dekomposition der natürlichen Wahrnehmung – diese Ansicht mit einer tragisch elegischen Orchestermusik, eben einem sinfonischen La- 126 Thomas Koebner mentoso. Keine Geräusche, keine Atmos infiltrieren diese melodramatisch eingreifende Synthese von stummem Bild und Klagegestus der kommentierenden Musik, eine Art Eng- führung der aufrüttelnden Botschaften, die an das reflektiert Mahnende und Erschüt- ternde eines Bachschen Passions-Chorals grenzt. Mit dem hinterhältigen Schuss auf den untreuen Sohn ändert sich schlagartig das Ton-Design. Die Musik bricht ab, Gewehrsalven und Geschrei werden hörbar: die Ge- räuschkulisse der Schlacht. Doch auch hier steigert Kurosawa den Eindruck ins Surrea- le: Wenn Pfeile und Kugeln am Kopf des Hidetora vorbei fliegen und ihn verschonen, wirkt dies zugleich wie ein gespenstisches Gitter von Einschlägen, die den Mann förm- lich umnetzen und dem Wahn anheim geben. Kurosawa scheut nicht die Farbe des Blu- tes, das sich überall, zumal über die Körper, ergießt. Die dem Schauplatz übergeblen- dete und ausufernde ‚Architektur’ der roten Farbe verleiht – schon als Phänomen, nicht einmal als Symbol – dem Geschehen tragische Dimension. Die koloristische Symboli- sierung des ausfließenden oder ausgeflossenen Lebens ist umso auffälliger, als Kurosa- wa in seinen früheren Samurai-Filmen (zum Beispiel in Die sieben Samurai, 1953) töd- liche Kämpfe nur choreografierte, aber den Realismus nicht so weit trieb, klaffende Wunden und austretendes Blut zu zeigen. Jetzt schießt er gleichfalls über die Regeln des Realismus hinaus, als könnten die Gräuel der Schlachten nur durch verfremdende, entfremdende Darbietungsweise künstlerisch wiedergegeben werden: als entziehe sich dieses Menschenwerk, das kollektive Gemetzel, bei der Abbildung jeder konventionel- len Vergrößerung oder Verkleinerung. Kurosawa forciert in Ran wiederum das Arrangement der Reiterschlacht ins Orna- mentale, wenn er die Reiter in Wellen wiederholt gegen die im Wald verborgenen Schützen vorpreschen und die getroffenen Angreifer beinahe stereotyp aus dem Sattel kippen lässt: Die Wiederholung des visuellen Vorgangs erinnert an ein Muster in Serie. Im Vergleich zur Schlacht um die Burg kann diese repetierte, beinahe malerische Im- pression als kältere Inszenierung gelten, beinahe den Standards der traditionellen ja- panische Farblitografie nachempfunden. Es sind vorwiegend anonyme Figuren, die in dieses Gefecht verwickelt sind: eine Nebenhandlung, die die Hybris, die Selbstüber- schätzung eines der Usurpator-Söhne demonstrieren soll. Das Ergreifende an der Inszenierung der Schlacht um die Burg rührt nicht nur von der neuen und konkordanten Synthese der Komponenten Bild und Musik her, sondern auch von der Beobachtung einer beinahe völlig verwüsteten Wertordnung: Es handelt sich um eine Welt, in der ständige Kriege – und der Eroberer Hidetora selbst war daran schuld, er erntet, was er gesät hat – beinahe alle Loyalitäts-Verhältnisse, die Grundla- gen des Friedens also, aufgelöst haben. Söhne werden zu Verrätern am eigenen Vater, die von Sohn zu Sohn wechselnde Frau Kaide, die große Intrigantin, führt hinter der Maske der Zuneigung Rache gegen die ganze Familie im Schilde, der eine wahre für- sorgliche Sohn sieht sich zu Unrecht der Untreue verdächtigt und muss Hilfe außerhalb der Grenzen suchen, treu ergeben ihrem jeweiligen Herrn sind nur wenige Vasallen, ein Narr, ein finsterer General (ein japanischer Hagen von Tronje). Die Soldaten am Ende sind willige Bauern im Schachspiel, leichte Opfer von enthemmter Besitzgier, schließ- lich bleiben nur auf Beute scharfe Nachbarfürsten übrig. Ran heißt übersetzt Chaos. Der Sturm auf die Festung offenbart dieses Chaos umfassender, bestürzender als die Schlachtinszenierung 127 entsprechenden Sequenzen in den Filmen von Bondartschuk: Alle Verträge, Vereinba- rungen auf Treu und Glauben scheinen ungültig geworden zu sein, die meisten Anhän- ger retten sich in den Tod, Hidetora bleibt nichts anderes übrig, als in diesem bluti- gen ‚Sturm’ wahnsinnig zu werden – wie einst King Lear – an der Stelle aller, ob sie nun selber schuldig oder unschuldig sind, die Ähnliches erfahren, den „Zerfall der Werte“, für den die Schlacht zum Ausdruck wird. Terrence Malicks The Thin Red Line erzählt, nach dem Drehbuch von James Jones, in dem ersten dichteren Teil von der Erstürmung einer japanischen Kampfstellung und eines Lagers auf dem Hügel einer Pazifikinsel, auf dem Eiland Guadalcanal 1943, also im Zwei- ten Weltkrieg. Ein intellektueller amerikanischer Captain weigert sich, gegen den Befehl eines raubeinigen und ehrgeizigen Oberst, seine Leute bei einem Angriff auf offener Flan- ke den Schüssen der Gegner preiszugeben. Allmählich schieben sich die amerikanischen Soldaten unter starken Verlusten die Anhöhe hinauf, erobern die gegnerische Batterie, werfen Handgranaten in die Unterstände und nehmen zitternde japanische Soldaten fest: eine erfolgreiche Aktion, nicht ganz der Größendimension einer Schlacht entsprechend, doch der Periodik der Standardsituation Schlachtinszenierung gemäß entwickelt. Die Ver- fremdung in Malicks Film: Er beschränkt sich nicht, wie im herkömmlichen Kriegsfilm, auf die äußere Handlung. Erstens durchstößt er die Oberfläche durch Einschübe, die einen an- deren als den aktuellen Zeitraum eröffnen: sowohl durch eine philosophierende Kommen- tarstimme, die mit ihren bedächtigen Reflexionen einen der energetischen Kampfhand- lung völlig konträren Gestus aufweist; als auch durch Erinnerungsbilder aus der Vergan- genheit eines der Soldaten: von einem Sommer der Liebe zu einer Frau, Vorhänge, die im Sonnenlicht in das Zimmer hinein wehen, in dem sie sich auf dem Bett gegenseitig erken- nen. (Später wird sie ihn in einem Brief bitten, sie frei zu lassen, sie habe sich in einen anderen verliebt: in der Literatur vielfach beschriebene Angstvorstellung der Soldaten, zu Hause vergessen und abgeschoben zu werden.) Zweitens erschöpft sich die Kamera nicht darin, nur das Hintereinander der militä- rischen Einsätze zu bezeugen – vielmehr ruht sie förmlich auf dem hoch stehenden, wehenden Gras, in dem sich die Soldaten bergen, auf dem Wechsel von Sonne und Wol- ken. Naturbilder, die ewige Ruhe zu versinnbildlichen scheinen, werden von Explosio- nen abgelöst und Schüssen, als bräche der von Menschen produzierte todbringende Schlachtenlärm in eine still geordnete Friedens-Landschaft ein und verletze sie. Doch gelingt dies wohl nur für kurze Zeit, denn im Film mehren sich die Szenen, die pointie- ren, dass diese Welt (es gehören die Eingeborenen hinzu) die Eindringlinge ablehnt, sogar abstößt. Ein ähnliches Gegeneinander von heiler Natur und unheiler Geschichte – die Kriegshandlung – findet sich schon in Bondartschuks Schlachtinszenierung bei Krieg und Frieden. Malicks Entdeckung einer a- und überhistorischen Zone, im Grunde unberührbar durch Streit und Totschlag, bringt ihn auch dazu – in überraschender Übereinstimmung mit der Tradition mancher Kriegsfilme –, seine Helden, aufdringliche Störenfriede, zu entindividualisieren. Unter dem Helm verlieren sie einen Teil ihrer spezifischen Persönlichkeit. Deutlicher als sein Vorgänger Bondartschuk will Malick Natur zur überlegenen sanften Macht erklären, die am Ende die Toten in Sand und Dschungel verschluckt. Das ist ein betont anti-heroisches Verständnis des Weltlaufs, das auf der Erfahrung beruht, dass bisher fast jede Schlacht keine Spuren hinterlassen 128 Thomas Koebner habe, die nicht allmählich zugewachsen seien. Aber gilt diese Regenerationsfähigkeit der Natur auch für die Zukunft? Und gilt das Gedächtnis des Menschen, das den mör- derischen Exzess der Schlacht als Unvergessliches bewahrt, so viel weniger als der Verdrängungsprozess der grünen Welt? Die Malicks Film zugrunde liegenden These vom ‚längeren Atem’ der Natur und des Friedens entbehrt nicht eines gewissen Wunschdenkens. * An den epischen Rekonstruktionen von Schlachten in jüngeren und jüngsten amerika- nischen Produktionen fällt eine zunehmende Steigerung der Grausamkeit ins Orgiasti- sche auf, gleich ob es sich um fiktive oder überlieferte Waffengänge aus früheren Zei- ten handelt oder um solche des zwanzigsten Jahrhunderts. Ridley Scott versetzt den Schlachtort in Gladiator auf eine Lichtung vor einen dunklen Wald, es ist ein blau-grauer Morgen, aus dem Dickicht dringen in Felle gehüllte Germanen wie eine blutgierige und gesichtslose Urzeit-Horde brüllend hervor, während die Römer in logi- scher Ordnung verfahren, zunächst mit Feuerbällen und brennenden Pfeilen die Bäu- me in Brand schießen, dann streng geschlossene Gruppen von Fußtruppen mit großen Schilden voran rücken lassen, um schließlich unter Führung des offenbar souveränen (erfundenen) Feldherren Maximus (Russell Crowe) mit der Reiterei durch den Wald von hinten auf die Halbmenschen einzuschlagen. Maximus, der schon vor der Schlacht da- durch auffiel, dass er nicht wie ein Leiter und Planer auf dem Feldherrnhügel hohe Herren um sich schart, sondern wie ein Volksheld (vielleicht dem Vorbild von Kubricks Spartacus oder dem des schottischen Freiheitskämpfers William Wallace in Brave He- art folgend) zu seinen Leuten halb vertraulich, halb scherzhaft beruhigend spricht, während er die Reihen abreitet. Er mischt sich auch in das Geschehen ein. Wie Sparta- cus verliert er im Kampf sein Pferd, einmal sogar sein Schwert, und muss vom Boden aus nach allen Seiten fechten, in rasanter Behändigkeit, eine aufgedrehte Kampfma- schine, vor düsterer und flammender Kulisse: Scott inszeniert einen Höllenort. Nach dem Sieg der Römer bei diesem Schlachten wird das Leichenfeld nur andeutungsweise gezeigt – gleich folgt der Umschnitt auf das Gesicht des greisen Kaisers, der erleich- tert reagiert. Er schätzt seinen General, der ihm in der Chronik der römischen Trium- phe einen weiteren Sieg erfochten hat. Doch die Verhältnisse im Reich der Sieger sind äußerst labil, so dass Zukunft Angst oder Tod verheißt. Was der Kaiser noch nicht ahnt: dass sein eigener ehrgeiziger Sohn ihn erwürgen und Rom in eine faschistische Diktatur verwandeln wird, in der Maximus seine Familie durch eine schwarze ‚SS-Prätorianer’-Garde verlieren und zum elenden Kampfsklaven, zum Gladiator, zum Toten schon zu Lebzeiten herabsinken wird. Wenn das römische Imperium traditionell in Hollywood als Präfiguration der amerikanischen Weltmacht begriffen wurde, wirft dieser illegitime Umsturz des Regiments, Mord, Verrat und Verfolgung des Helden in Gladiator ein düsteres Licht auf das zeitgenössische Amerika. Politischer noch entwirft Ridley Scott seinen Film Kingdom of Heaven, der von der Endzeit der christlichen Herrschaft über Jerusalem handelt, einer Apokalypse, die durch Hochmut und Intoleranz, Arroganz und Ignoranz von christlichen Kriegshetzern herbei- Schlachtinszenierung 129 geführt wird. Der eine untadelige Held rennt in seiner ersten Schlacht in eine Übermacht hinein, derer er nicht Herr wird. Extreme Kameraperspektiven begleiten diese Reiteratta- cke – ganz von oben, dann seitlich, um die Dynamik dieses Vorstoßens zu vergegenwärti- gen, dann auf Bodenhöhe, als der Ritter ohne Furcht und Tadel vom Pferd stürzt und sich sogar ein Kampf zwischen Liegenden und Stehenden zu einem heftigen Gewühl entwi- ckelt. Dennoch ist diese Schlacht ein Vorspiel nur, um den außerordentlichen Kampfgeist des Helden kund zu tun: eines David, der unbekümmert einem Goliath in die Fänge läuft, daher noch lernen muss. Die eigentliche Schlacht um Jerusalem folgt später: verlust- reich, doch mit ingeniöser Kriegskunst und technischer Raffinesse auf beiden Seiten ge- führt, von der in Jerusalem verbliebenen Bürgerwehr unter der Leitung des charismati- schen jungen Mannes und der überwältigenden Mehrheit der Truppen Saladins. Am Ende steht kein Sieg, sondern ein Kompromiss: der freie Abzug der verbliebenen Christen und die Aufgabe Jerusalems, der letzten Stellung im heiligen Land. Der Held – einst ein Huf- schmied – kehrt mit seiner orientalischen Braut zurück ins heimische Frankreich, in den Frieden, er hat genug von den Kreuzzügen und lässt die britischen Ritter unter König Ri- chard Löwenherz unbeirrt vorbeiziehen, die wieder nach Osten eilen, um einen Krieg ge- gen die dort einheimischen Araber fortzusetzen, der nicht zu gewinnen ist. Angriffsschlachten erscheinen unter der Perspektive dieses Films als Überfälle, als verbrecherische Verletzung eines empfindlichen Gleichgewichts zwischen den politi- schen Kräften, den koexistierenden Ethnien – allenfalls der Gegengewalt, die der Ver- teidigung von Zivilisten gilt, wird höheres Recht zugesprochen. Dass alle Schlachten aber vergeblich sein könnten, ein sinnloses Opfer von oft tapferen, oft irregeleiteten Menschen, eine Sisyphos-Arbeit ohne bleibenden Erfolg, zu ewiger Repetition ver- dammt, taucht als grimmige Erkenntnis am Gedanken-Horizont von Scotts Filmen auf. Sicherlich ein pazifistischer oder resignierender Reflex auf Eindrücke, die – wer weiß es? – von militärischen Kampagnen der Regierung G.W. Bush im Kampf gegen interna- tionalen Terrorismus hervorgerufen sein könnten. * Bei den letzten zwei Filmen, von denen hier die Rede sein soll, ist die Motivation zur Schlacht noch ungebrochen und unbezweifelbar – sie stammen auch aus den 1990er Jahren: Brave Heart und Saving Private Ryan. Brave Heart von Mel Gibson, der auch die Hautrolle des schottischen Helden spielt, verteilt die Qualitäten gut und böse, charak- teristisch für nationale Befreiungslegenden, auf einfältige Weise: Gut sind die eige- nen, gegen die Tyrannei aufbegehrenden Schotten, und böse die anderen, die engli- schen Unterdrücker, gut sind die einfachen und aufrechten Menschen, die ihr Leben in die Schanze werfen, und böse, zumindest wankelmütig und bestechlich die Barone selbst der eigenen Seite. So werden auch die Schlacht-Sequenzen strukturiert. Erstes Stereotyp: gegen die Übermacht der kampferprobten britischen Truppen (in Spartacus waren es römische Legionäre) müssen die Bauern aus High- und Low-Lands trickreich streiten – Brave Heart rät zu langen, dichten Lanzenformationen, an denen die Pferde der Gegner aufgespießt werden. Das entkräftet die Reiterei, breite Schilde können vor dem Pfeilhagel der Bogenschützen schützen. Zweites Stereotyp: nicht in si- 130 Thomas Koebner cherer Höhe auf dem Feldherrnhügel wie die Königlichen, sondern mitten unter den Seinen steht und streitet der auserwählte Recke, der tapferste und wildeste von allen. Drittes Stereotyp: Geradezu eine Bildformel des ‚we will overcome’ sind die in breiter Front unter vorwegnehmenden Triumphgeheul vorwärts stürmenden Schotten. Die Schlacht selbst – aus der Sicht der eingebetteten, dabei unantastbaren Kamera dreht sich die Wallstatt förmlich, Feinde von allen Seiten – inszeniert Gibson als das größte Blutbad, das bisher wohl auf der Leinwand zu sehen gewesen ist. Zumal den hochge- rüsteten Rittern geht es zu Leibe, da gegen den scheinbar überlegenen Popanz jede Abwehrform erlaubt wird. So fahren die Schwerter in die Sehschlitze der Helme hin- ein, die Schneiden werden durch die Beine der Gegner hindurch gezogen, Köpfe abge- schlagen, der rote ‚Saft’ spritzt durch die Gegend. Es mag dieses Spektakel die Schlacht-Realität von damals zuverlässig abbilden, doch der Film ist nicht zur gering- sten Dämpfung bereit (anders als die Schlachtinszenierungen von Ridley Scott), so dass man sich des Gefühls nicht erwehren kann, es sei bei dieser Performance auch sa- distische Phantasie mit im Spiel. Ein Vorwurf, den später auch die ausgedehnten Mar- terszenen in Mel Gibsons Christus-Film auf sich ziehen. Vor der zweiten großen Schlacht gegen die Engländer wird der Gegner mehr Stärke behaupten. Die Inszenierung besinnt sich auf ein viertes Stereotyp, das ebenfalls seit Spartacus verwendet wird, um das Fürchten vor der feindlichen Macht zu lehren: Die Sonne glänzt auf unzähligen blitzenden Metallhelmen und Rüstungen, die Fahnen knattern im Wind, die hochgestellten Lanzen der Reiter wirken wie ein feinliniger Fries, unabsehbar in ihrer Zahl. Das Schaugepränge der militärischen Front gehört zu den Mitteln der Kriegsführung. Es dient der Einschüchterung der Truppen auf der ande- ren Seite, hier der glanzlosen Schotten, und informiert zudem den Zuschauer, dass der Ausgang dieses Treffens nicht so leicht abzuschätzen sei. Saving Private Ryan von Steven Spielberg greift auf den D-Day zurück, den 6. Juni 1944, an dem die Alliierten in der Normandie landeten und die Westfront der Nazi- Wehrmacht durchbrachen. Besonders verlustreich für die Amerikaner waren die Kämpfe im Abschnitt Omaha-Beach – und hier setzt die Retrospektive des Films ein, nach dem Auftakt einer Rahmenhandlung. Eine Gruppe von Soldaten in einem Landungsboot: sie haben unaussprechliche Angst – und zwar zu Recht. Die Wenigsten erreichen das Ufer. Die ersten sterben im Kugelhagel als die Rampe nach unten kippt, die meisten kom- men auf der kurzen Strecke zur Küste im Dauerfeuer der MG-Schützen um, auch unter Wasser treffen die Einschläge, nur leise. Die vorübergehende Wegnahme des Tons ver- fremdet und verstärkt zugleich den Eindruck des Optischen – als könne man jetzt erst recht nicht vor der ‚Wahrnehmung’ des Katastrophischen die Augen schließen (wie in anderer Weise bei Kurosawas Ran). Zunächst nimmt die Kamera die Perspektive der Deutschen ein, ohne sie im Bild auftreten zu lassen: um die unglaublich schnell wach- sende Zahl der Toten aus erhöhter, bald auch aus naher Sicht zu registrieren. Ein bluti- ger Ozean voller Leichen, der Strand übersät mit leblosen Körpern. Einer schleppt – ein charakteristisches Detail für die Gräuel des Krieges, ich brauche nicht zu wiederholen, dass es sich dabei um ein Stereotyp handelt – einen anderen mit sich und entdeckt, dass er nur einen menschlichen Torso gerettet hat. Ein zweiter wird am Helm getrof- fen, nimmt ihn erstaunt ab und erhält einen tödlichen Schuss in die Stirn. Doch das Schlachtinszenierung 131 fast Unmögliche gelingt: die Erstürmung der Höhe und der Sieg. Einige Einstellungen – und mit dieser Ästhetik der nachprüfbaren Wirklichkeitsabbildung knüpft Spielbergs Film an All Quiet on the Western Front an – könnten dokumentarische Aufnahmen sei- nerzeit anwesender Bildberichterstatter sein. Das eigentlich unbeschreibliche Chaos der Schlacht zersetzt die Kommando-Struktur der Truppe: Keiner weiß eine Zeit lang, wer welche Befehle zu erteilen und zu befolgen hat. Diese Schlachtsequenz ist sicherlich die frühe Klimax des Films, obwohl das Publi- kum noch keine Zeit hatte, die Protagonisten allesamt auszumachen (vom Hauptdar- steller Tom Hanks abgesehen). Aber die Tatsache, dass man zitternden Menschen in größter Pein und Panik begegnet, die in ihrer Mehrheit nur mehr kürzere Zeit zu leben haben, hebt ihre Anonymität auf. Ihre Not ist unmittelbar nachfühlbar, und ihr jähes Ende erweckt teilnehmenden Schmerz. Der plötzliche Übergang von Leben zu Tod – selbst so vieler hintereinander – stumpft und stößt nicht ab, sondern steigert das Ent- setzen, das sich (ich erwähnte es bereits) jeder prompten rationalen Kontrolle ent- zieht. Die ‚realistische’ Rekonstruktion der Schlacht veranschaulicht Ungeheuerliches, das jede Einbildungskraft übersteigt. Mindestens drei Fragen stellen sich: Welche Zukunft hätten diese Lebensläufe im Frieden gehabt? Welch absurdes Auswahlprinzip lässt die einen krepieren und ver- schont die anderen (vorläufig)? Wie tief reichen die Beschädigungen der Seele bei de- nen, die zufällig davon gekommen sind? Doch Spielbergs Film räumt nicht die Zeit ein, über diese Fragen zu grübeln. Er behilft sich im Folgenden mit einem (nicht nur ameri- kanischen) Klischee: Der Suchtrupp, der nach dem verschollenen Private Ryan forscht, darf sich auf seine Professionalität verlassen – das heißt, er funktioniert wie einge- drillt. Auch ihnen bleibt keine Zeit zum Nachdenken., sie gehorchen einem Auftrag. So neutralisiert die Dramaturgie schleunig die Erschütterung, die von der Schlachtse- quenz ausgelöst worden ist. Das Lamentoso schiebt Spielberg an den Beginn und an den Schluss seines Films. Dabei ist eines unbestreitbar: Der kriegerische Aufwand war prinzipiell nicht um- sonst, denn es galt, eine der bösartigsten Aggressionen der jüngeren Geschichte, die Expansion von Nazi-Deutschland, einzudämmen und einen in seinen Plänen wahnwit- zigen Gegner niederzuringen. Dennoch: Der Anblick der vielen, die umkommen, nicht „ausfallen“, so viele Kinder so vieler Mütter und Väter, wird stets Widerspruch erwe- cken. Denn die Schlacht macht alles zunichte: Nichts gilt mehr, was vorher gegolten hat, der Prozess der Zivilisation bricht ab, ein Abgrund tut sich auf, und das Treiben ei- nes wilden Todes wütet über radikal hilflosen Menschen. Jede filmische Schlachtinsze- nierung wird dieser ‚Grenzsituation’ gerecht, wenn sie dem Erlebnis derer nahe kommt, die die Schlacht nicht überstehen (und das sind die meisten). 132 Peter Riedel Die Metastasen des Krieges Über den Kriegsfilm als Genre und den Anachronismus der Sinne „Ich legte mich auf den Boden und hörte die Welt ihre Runden drehn im Gleichschritt der Verwesung.“1 Krieg, um leben zu können, braucht Bilder. Soll ein Mensch in Bewegung sich setzen, nicht durch Befehl allein, sondern durch Suggestion eines souveränen Aktes, einer in- dividuellen Entscheidung für den Krieg, muss eine Vorstellung abrufbar sein von der Natur seines Feindes, seiner selbst als Teil eines Volkes, einer Rasse, eines Staates oder einer Nation; ein Bild vom Zweck des Krieges, seinem denkbaren Ziel; bedarf es der moving pictures, bewegt-bewegender Bilder, als Mittel der Verfestigung und Steuerung imaginärer Mobilmachung. Nicht weniger bedeutend ist die gegenläufige Tendenz. Spätestens seit dem zwei- ten Golfkrieg lässt sich angesichts der Nachrichtenbilder mit gleichem Recht von einer Demobilisierungsfunktion sprechen, das heißt vom Versuch, die Bildung organisierten Protestes durch ein Höchstmaß an informativer Steuerung, durch Bildregulierung, zu verhindern oder wenigstens einzudämmen. * Selbst wenn wir hierzulande nur bedingt und in postheroischer Geisteshaltung in Kriegsgeschehen involviert sind, gehen wir doch permanent mit Bildern des Krieges um, verhalten uns zu ihnen und mit ihnen zur Wirklichkeit; konsumieren wir Genre- produktionen, deren Schematismen zunächst keine Verbindung mit einem wie auch immer gearteten Erfahrungsgehalt hiesiger Zuschauer eingehen zu können scheinen. Ihre Differenzbasis besteht aus einem mehr oder weniger breit abgesteckten Feld öf- fentlich kursierender Meinungen – den Signifikaten einer Gesellschaft – wie einer Vielzahl sozialer Ausdrucksformen, die von der Kriegsliteratur und Oral History über die tagesaktuelle Berichterstattung bis zum Kriegsfilm reichen, zum Dokumentarfilm, den Genreproduktionen einschließlich ihrer Parodien und nicht zuletzt zu essayisti- schen Eingriffen wie etwa Loin du Vietnam (Fern von Vietnam, 1967). Reale Kriegser- fahrung hingegen, die für die Gestaltung vieler Produktionen, wie verzerrend auch 1 Müller 1977, 41. Die Metastasen des Krieges 133 immer, als Authentizitätsgarant von enormer Bedeutung ist, entfällt faktisch für ei- nen Großteil der Zuschauer als Bezugsgröße. * Nun scheint sich am Begriff des Krieges in den letzten Jahrzehnten eine Veränderung vollzogen zu haben, die sein Bild oder wenigstens dessen Auffassung durch das Publi- kum – einschließlich der analytischen Haltung – nicht unangetastet lassen kann. Eine zunehmende Konkretisierung jenes Diskurses scheint sich zu vollziehen, dessen Gene- se Michel Foucault in seiner Vorlesung In Verteidigung der Gesellschaft nachzeichnet, und demzufolge „die zivile Ordnung – an ihrer Basis, in ihrem Wesen, in ihren wesent- lichen Mechanismen – eine Schlachtordnung ist“2. „Die Politik ist der mit anderen Mitteln fortgesetzte Krieg.“3 Clausewitz’ berühmte Formel, so Foucault, sei nur die Umkehrung dieses seit dem 17./18. Jahrhundert sich im Umlauf befindlichen Topos, der zunächst auf einen permanent schwelenden Rassenkampf zielte, späterhin aber Umkodierungen etwa in der dialektischen Geschichtsauffassung, im Modell des Klas- senkampfes fand.4 Die wesentliche Aufgabe bestünde darin, dass man „aus dem Frie- den den Krieg herauslesen muss.“5 Anfang der 1990er Jahre versuchte sich Hans Magnus Enzensberger mit seinem Essay Aussichten auf den Bürgerkrieg an einer pointierten, mitunter vielleicht ein we- nig überspitzten Aktualisierung des Topos vom lediglich schwelenden Krieg, der die Gesellschaft durchziehe, von innen her zersetze, und der als solcher erst entziffert werden müsse. Enzensberger zielte auf eine Engführung der Charakteristika der neuen Kriege, wie sie sich im ehemaligen Jugoslawien oder in Ruanda zutrugen, mit den Zer- fallsprozessen in den westlichen Staaten, vom alltäglichen Vandalismus über die Aus- schreitungen des rechtsradikalen Pöbels bis zu den Rassenunruhen in Los Angeles.6 Ein globaler Bürgerkrieg sei im Gange, in sich ohne Ziel, ausgehend vom durchaus auch selbstzerstörerischen Widerstand der Verlierer der Globalisierung. „Vom heroischen Heiligenschein der Partisanen, Rebellen und Guerilleros ist nichts übriggeblieben. Einst ideologisch hochgerüstet und mit fremden Verbündeten im Rücken, haben sich Guerilla und Antiguerilla verselbständigt. Übriggeblieben ist der bewaffnete Mob.“7 Diese barbarisierte Variante des Bürgerkriegs habe längst schon Einzug in die Metropo- len gehalten. „Seine Metastasen gehören zum Alltag der großen Städte.“8 Wir stoßen auf eine Entfesselung der Kriegsmaschine im urbanen Milieu. Ein im engeren Sinne po- 2 Foucault 2001, 63. 3 Ebd. 4 Ebd., 99f. 5 Ebd., 67. Eine prominente konservative Spielart dieses Diskurses findet sich bei Carl Schmitt: Der Begriff des Poli- tischen (1932) und Theorie des Partisanen (1963). Auch die noch zur Zeit des Kalten Krieges getätigte Äußerung Paul Virilios, „dass der totale Frieden der Abschreckung die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist”, stellt lediglich eine weitere Variante dar. Siehe Virilio/Lotringer 1983, 29. 6 Aus der jüngsten Zeit bieten sich die Unruhen in Frankreich und Australien als Beispiele an, ebenso die Gewalt- ausbrüche nach der Flutkatastrophe in New Orleans. 7 Enzensberger 1993, 17. 8 Ebd., 18. 134 Peter Riedel litisches Bewusstsein existiert nicht mehr. Ideologien sind allenfalls noch äußerli- ches Etikett, „bloße Fetzen aus dem historischen Kostümfonds“9, „Faksimiles“10. Es geht buchstäblich um nichts, der Kampf ist zum Selbstzweck und Selbstläufer gewor- den. Die Asymmetrisierung des Krieges, das Fehlen einer klaren Grenze zwischen Krieg und Frieden wie auch klar definierbarer Kriegsziele, das Verwischen der Differenz zwi- schen Kombattanten und Non-Kombattanten wie auch jener zwischen Front und Nicht-Front, die Tatsache also, dass die Kampfhandlungen nicht auf einen definierba- ren Geländeabschnitt beschränkt bleiben, sondern prinzipiell überall aufflackern kön- nen – all diese Kennzeichen der neuen Kriege11 finden sich auch hier, in der zum äu- ßersten getriebenen Parzellierung des Kampfgeschehens, um zugleich die Möglichkeit einer emotiven Übersetzung der Bilder aus dem fernen Kriegsgeschehen in eigene Er- fahrungszusammenhänge zu eröffnen. Es mögen dies abstrakte Verbindungsglieder sein; gleichwohl gewährleistet gerade die Unbestimmtheit des Geschehens, der mör- derische Abstraktionsprozess selbst das Knüpfen dieser Verbindung. Konnte Walter Benjamin im Ersten Weltkrieg noch einen „Versuch zu neuer, nie er- hörter Vermählung mit den kosmischen Gewalten“12 erkennen, so glitte jeglicher Über- höhungsversuch an den heutigen Erscheinungsformen des Krieges ab. Seine Patholo- gie hat sich von Grund auf verändert. „In den Vernichtungsnächten des letzten Krieges erschütterte den Gliederbau der Menschheit ein Gefühl, das dem Glück der Epileptiker gleichsah.“13 Ein Abgrund trennt die neuen Kriege von solcher Emphase der Vernich- tung. Eher ließe sich von einem Verwesen sprechen denn von einem epileptischen An- fall, ließe sich eine Intoxikation der Menschheit diagnostizieren; erfahrbar hierzulan- de – vielleicht – im molekularen Krieg. Also Entropie statt kosmischer Gewalten. * Das Bild der klassischen Schlacht, des Heldentums an der Front, bietet nur noch eine merkwürdige Verdrehung dieses Umstandes. Selbst Ridley Scotts Black Hawk Down (2001), dem man gewiss keinen Mangel an Heroisierung vorwerfen kann, lässt dies durchscheinen. Die Fokussierung auf eine unübersichtliche Militäraktion, die die Be- teiligten den Überblick verlieren, sich buchstäblich im Kreis bewegen lässt, mündet schließlich in die Bemerkung eines Soldaten, am Ende gehe es immer um „the man next to you. And that’s it.“ Das eigentliche Ziel des Einsatzes, die Gefangennahme des Aidid-Kabinetts tritt demgegenüber in den Hintergrund, das nationale Pathos stellt nur noch die Überformung einer unmittelbaren Kontiguitätsbeziehung dar. Noch in anderer Hinsicht ist Black Hawk Down von Interesse: Als Film über einen der neuen Kriege steht er in einer anderen Relation zum historischen Bildervorrat als 9 Ebd., 23. 10 Ebd., 25. 11 Siehe hierzu ausführlich Münkler 2004. 12 Benjamin 1955, 124. 13 Ebd., 126. Die Metastasen des Krieges 135 etwa Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998). Zwar kann dieser als Gegen- modell zur sterilen medialen Berichterstattung aus den letzten Kriegen verstanden werden, als Versuch einer neuen Versinnlichung, einer Verleiblichung des Krieges14, so dass auch er qua Negation an die Bildtypen jüngerer Generation gebunden ist. Black Hawk Down jedoch muss sich zugleich zu einer weiteren Variante medialer Kriegsfüh- rung verhalten, die unmittelbar der asymmetrischen Ausrichtung der neuen Kriege entspringt. Am schärfsten trat sie in den Bildern vom 11. September, von Madrid oder London hervor, aber auch in jenen der diversen Geiselnahmen, vornehmlich im Irak und in Afghanistan, deren verstörte und verschreckte Opfer einer Weltöffentlichkeit vorge- führt wurden. Der Berliner Politologe Herfried Münkler spricht von einer doppelten Adressierung solcher Bilder: Sie zielen zum einen auf die Demoralisierung der Bevölke- rung jener Länder, die im Fadenkreuz der Terroristen stehen; zum anderen auf einen „als interessiert unterstellten Dritten“, das heißt auf sympathisierende Bewegungen, denen die Möglichkeit eines Kampfes gegen die USA und somit deren prinzipielle Ver- wundbarkeit vorgeführt werden soll.15 Den Bildern der nackten und verstümmelten US-Soldaten, die 1993 durch die Stra- ßen Mogadischus geschleift wurden, Bildern, die schließlich zum Abzug der US-Truppen führten, kam eine solche Signalwirkung zu. So zitiert der Londoner Inde- pendent im Jahr 1997 Osama Bin Laden mit folgenden Worten: „Die Mudschaheddin waren erstaunt über den Zusammenbruch der amerikanischen Moral. Das hat uns über- zeugt davon, dass Amerika ein Papiertiger ist.“16 Black Hawk Down, der eben diesen Einsatz zum Thema hat, bietet für jene demütigenden Aufnahmen im Grunde kein Äquivalent; der traumatische Kern des Geschehens, der auch die Arbeit an diesem Film initiierte, wird ausgeblendet. Der Film steigt aus, als die Menge einen der toten Solda- ten ergreift. Damit reduziert Black Hawk Down das Kriegsgeschehen auf die militäri- sche Intervention, während die Hauptwaffe des Gegners, die Bilder, mit denen die Übermacht schließlich in die Knie gezwungen wurde, verdrängt wird. * Wie verhält es sich nun aber mit anderen, parzellierten Formen des Kampfes, die auf keiner direkten Konfrontation bewaffneter Kämpfer mehr beruhen? Auf die jüngeren Formen terroristischer Kriegsführung wurde bereits verwiesen. Mit ihnen ist die „pri- vilegierte Alleinverfügung des Militärs über die Gewalt des Krieges, wie sie für die eu- ropäische Kriegsgeschichte vom 17. bis 20. Jahrhundert kennzeichnend war“, defini- tiv zu ihrem Ende gekommen.17 War aber nicht schon die Stadtguerilla Exempel eines in seiner Erscheinungsform grundlegend veränderten internationalen Kriegsgesche- hens? Wie ließe sich rechtfertigen, einen Film über die Rote Armee Fraktion nicht als 14 Vgl. Paul 2003, 57 und 59. 15 Münkler 2004, 199. 16 Zitiert ebd., 52. 17 Ebd., 189. 136 Peter Riedel Kriegsfilm einzustufen – vorausgesetzt, man möchte nicht bei einer Taxonomie der Oberflächenerscheinungen stehen bleiben und damit das Bild des Krieges, das im Genre-Kino produziert wird, analytisch verfestigen? Vielleicht lässt sich, gerade in Würdigung des molekularen Kriegs, eine Perspektive entwickeln, die in Rechnung stellt, dass die neuen Kriege eher mit den vormodernen als mit den modernen zwischenstaatlichen Kriegen verwandt sind.18 Dies aber impli- ziert auch ein divergierendes Bild des Kriegers. Mit der Verstaatlichung des Krieges, in deren Gefolge sich jener Diskurs vom im Frieden lediglich kaschierten Krieg herausbil- dete, ging zugleich die Disziplinierung des Kriegers einher19, seine Normierung und Un- terordnung in der Armee als fester Institution; so wie nun umgekehrt der Zerfall der Staaten mit den neuen Kriegen auch die Entdisziplinarisierung der Bewaffneten nach sich zieht, die Dominanz marodierender Banden.20 Gilles Deleuze und Félix Guattari entwickelten aus dieser ursprünglichen Äußer- lichkeit der Kriegsmaschine gegenüber dem Staat den Mythos von der „nomadischen Kriegsmaschine“, sahen in ihr eine Gewalt am Werk, die sich gegen grundsätzlich jede Ordnung richte, und deren disziplinierte Variante stets abkünftig sei: „Man kann sicher nicht behaupten, dass die Kriegsmaschine durch Disziplin charakterisiert wird. Diszi- plin wird erst dann zum Charakteristikum von Armeen, wenn der Staat sie sich ange- eignet hat. Die Kriegsmaschine aber gehorcht anderen Regeln, von denen wir nicht be- haupten, dass sie besser sind, sondern dass sie die grundsätzliche Disziplinlosigkeit des Kriegers fördern, das Infragestellen der Hierarchie [...].“21 Welche Stellungen des (Kriegs-)Films zur Kriegsmaschine lassen sich nun unter- scheiden, begreift man letztere als anti-hierarchische Negativität? Hier scheinen sich drei Tendenzen abzuzeichnen, von denen sich zumindest die ersten beiden von selbst verstehen mögen. Setzen wir zunächst an der äußersten Verkehrung an, der maxima- len Einbindung in ein Ordnungssystem und eine klare Aktionslinie: Sie findet sich (tri- vialer Weise) vornehmlich in Kriegsfilmen, die mit territorialem Gestus operieren, Hie- rarchien und Segmentarität in Form geschlossener militärischer Einheiten, einer standhaften, schlagkräftigen Nation und ähnlichem propagieren. Nicht wenige Filme scheinen gleichwohl Ambivalenzen aufzuweisen, indem sie zwar an der Notwendigkeit von Kommandostrukturen festhalten, diese aber ,vermenschlichen’, an individuelles Führungsvermögen zu binden suchen. Dabei kann die Befehlsverweigerung im Dienste zieladäquater Flexibilität (und Effektivität) als Option verteidigt werden, wenn zum Beispiel die Unfähigkeit eines Befehlshabers oder die Fehleinschätzung einer Situati- on eine Mission zu gefährden droht. So in Robert Aldrichs Attack! (Ardennen, 1956) oder, in jüngerer Zeit, in Terrence Malicks The Thin Red Line (Der schmale Grat, 1998). Grundsätzlich speist sich diese erste Variante aus der Engführung von Konformis- mus, Unterordnung und – idealiter – ihrer absoluten Negation. Im Durchgang durch das Eine wird das Andere erreicht, werden Lebenswelten in Schutt und Asche gelegt – 18 Ebd., 59-89. 19 Ebd., 74 und 101f. 20 Ebd., 30. Vgl. Enzensberger 1993, 13. 21 Deleuze/Guattari 1992, 492. Die Metastasen des Krieges 137 aber stets mit dem Versprechen künftiger Ordnung. Eine klassische Kompromissbil- dung, die widerstrebende Interessen im selben Syntagma zu binden versteht. Die um- fassende Zerstörung braucht einen noch umfassenderen Sinn, der ihre Kodifizierung ermöglicht, ihr die affektive Spitze nimmt. Am entgegen gesetzten Pol steht der Anti-Kriegsfilm im engeren Sinne, der wohl wesentlich als Anti-Kriegsfilm-Film gedacht werden kann, das heißt als Film, der die filmische Ästhetik des Krieges attackiert: Er negiert das Einfangen, die heroische Überformung der Kriegsmaschine durch narrative und ideologische Schemata, sei es mittels satirischer Dekonstruktion in Genreparodien oder durch Überschreitung auf essayistische Ausdrucksformen wie in den Filmen Loin du Vietnam und Krieg und Frie- den (1982). Die Funktion des letzteren sah Alexander Kluge darin, „dem Krieg Bilder zu nehmen, nicht ihm welche zu geben.“22 Dies Nehmen der Bilder meint, sie von der blo- ßen Darstellung abzulösen, um sie in ihrer Funktionalität und somit in ihrer pragmati- schen Dimension aufscheinen zu lassen. Sie sind nicht das Reale – außer für diejeni- gen die in ihnen denken23 – aber man kann Realität mit ihnen gestalten. Sie sind nicht einfach Mittel der Repräsentation von Geschichte, sondern als Auslegung des Gesche- hens sind sie Eingriff, Mittel der Produktion und Umproduktion realer Geschichte (nicht: ihrer Darstellung). Diese Rückbindung an außerfilmische Bewegungen, das heißt der pragmatische Zusammenhang, die Verkettung mit einer eigenen kleinen Kriegsmaschine: den Pro- testbewegungen, mag als zumindest eine notwendige Bedingung für das Funktionie- ren des Anti-Kriegsfilms gelten. Eine Repräsentation als solche könnte kaum ernsthaft als Widerpart gesellschaftlicher Praxis fungieren. Der so verstandene Anti-Kriegsfilm fände seine wesentliche Differenzbasis im soziopolitischen Feld, wobei die Parodie den Akzent stärker auf genreimmanente Kriterien zu legen scheint, während der Essay-Film sich gänzlich außerhalb des Genres situiert. In jedem Fall bedarf es einer Aktivierung des Films als Element eines sozialen Gefüges. Eine dritte Stellung des Kriegsfilms zur Kriegsmaschine setzt diese frei als anarchi- sche Kraft, inszeniert ihre zersetzende Dynamik, auch ihre Schrecken, als abstrakte Utopie der Freiheit, ohne sich einer propagandistischen Übercodierung zu beugen. Hier ist an Apocalypse Now (1979) zu denken, der den Krieg ins schöpferische Delirium überführt, um seine nihilistische Dimension als Weg der Existenzerhellung zu erschlie- ßen. Das Phantasma einer umfassenden Negation, einer Zerschlagung aller zivilisato- rischen Sinnzusammenhänge wird nicht durch den Bezug auf eine höhere Ordnung, auf Heldentum oder ein hehres Kriegsziel sublimiert, wie es im affirmativen Kriegsfilm der Fall ist. Doch auch einer generellen Verwerfung des Krieges wird nicht das Wort gespro- chen, nicht Stellung ,gegen den Krieg’ bezogen, sondern das Faszinosum der Zerstö- rung in der Versicherung des Anderen der Zivilisation als solches bewahrt. Eben dieser Traum von der ursprünglichen, undisziplinierten, keinen Reglementie- rungen unterworfenen Arbeit der Kriegsmaschine lebt nun, wenngleich in kleinerer Münze, auch in diversen Produktionen fort, die nicht auf das eigentliche Kriegsgesche- 22 Kluge 1984, 322. 23 Ebd., 375: „Also: die Bildsequenzen sind etwas Reales für alle diejenigen, die in den Bildsequenzen denken.“ 138 Peter Riedel hen fokussieren: als Lebensform oder Ausdruckspotential, als das Negativ der Diszipli- nierung. So in Ted Kotcheffs Rambo – First Blood (Rambo, 1982): Der Vietnamveteran John Rambo, der sich der Willkür eines Kleinstadt-Sheriffs ausgesetzt sieht, richtet sein kriegerisches Know-how gegen die lokale Ordnungsmacht, lebt das Vietnamese- Werden eines amerikanischen Elitesoldaten. Die einst über die Disziplin gegen den Soldaten gerichtete Gewalt24 entäußert sich gegen ihren gesellschaftlichen Träger – eine Wiederaneignung der Kriegsmaschine. Vergleichbares geschieht im ersten Teil von Full Metal Jacket (1987), in dem am Ende einer brutalen, entwürdigenden Ausbil- dung die Rache des gedemütigten Private Pyle steht, der den Drill, die ihm widerfah- rene Gewalt in einen Akt der Vernichtung gegen den Repräsentanten der Ordnung sich entladen lässt (ein Akt, der hier allerdings unmittelbar in Selbstzerstörung um- schlägt). Eine Variation dieses Topos bietet Falling Down (1993), der den Rachefeldzug eines vom Leben im Allgemeinen wie von seiner Frau im Besonderen enttäuschten Ex- Angestellten eines Rüstungskonzerns in Szene setzt. Die Stätten alltäglicher Zermür- bung werden mit Waffengewalt bekämpft, vom überteuerten Kleinladen über kriminel- le Straßengangs bis zur Verschwendung von Steuergeldern im Straßenbau. Es ist dies ein Film, der den bewussten Eintritt in den molekularen Krieg inszeniert, die individu- elle Realisierung eines Krieges, der schwelend schon im Gange war, um nun, wenn auch im Alleingang, mit offener Gewalt geführt zu werden.25 Falling Down ist sicher ein Film in einem kategorialen Grenzbereich. Über seinen Protagonisten ist er noch an das militärische Paradigma gebunden, der Kampf selbst jedoch ist unspezifisch, ziellos, erschöpft sich in singulären Aktionen. Er markiert den Übergang zu einem diffusen Gebiet, in dem die Kriegsmaschine in keine Strategie mehr eingebunden ist, um, anders als etwa in Filmen über terroristische Aktivitäten, weitgehend selbstbezogen zu operieren. Nicht wenige Action-Filme mögen in ihrem Kern entmilitarisierte Kriegsfilme sein, die auf zivile Kriegsmaschinen setzen. Man denke etwa an Die Hard (1988) und seine Sequels. * Nun wird man einwenden, dass all dies mit dem Genre des Kriegsfilms nichts mehr zu tun habe, dass man hier allenfalls von einer symptomatischen Lektüre sprechen kön- ne. Andererseits jedoch gehen bei Kriegsfilmen im engeren Sinne meist die Zusam- menhänge verloren, werden verbogen, verschwindet der konkrete einzelne Krieg hin- ter ,dem Krieg’ als a-historischem Verderben.26 Auch diese Filme sind nur Chiffren, müssen selbst symptomatisch gelesen werden.27 Und entwirft am Ende nicht Danny 24 Münkler 2004, 74. 25 Ein klassischer Vertreter dieses Typus ist natürlich Taxi Driver (1976). 26 Vgl. Paul 2003, 42, 57 und 61. 27 Nicht mehr und nicht weniger übrigens als die Darstellungen antiker oder fiktiver Schlachten. Da nun Filme, die reale, moderne Kriege zum Gegenstand haben, diese so weit fiktionalisieren, dass es bei äußeren, oberflächli- chen Authentizitätszeichen bleibt, scheint letztlich nichts gegen die Integration solcher Arbeiten in den Genre- begriff zu sprechen. Die Metastasen des Krieges 139 Boyles 28 Days Later (2002) ein präziseres Bild der neuen Kriege, als die meisten au- genscheinlich realistischen Kriegsfilme? Natürlich orientiert sich das „lebendige Genrebewusstsein“28 gerade an überkom- menen Schemata, an stereotypen Situationen wie dem Schlachtgeschehen. Ihm könn- te man Filme wie Stammheim (1986), Falling Down oder eben 28 Days Later schwerlich als Kriegsfilme ,verkaufen’. Und eben hier liegt das Problem: Die Kategorie ist zu ab- strakt, kann den Krieg in seinen vielgestaltigen Ausformungen und das heißt auch: in seinen Parzellierungen nicht fassen. Bereits die Konzentration in Raum und Zeit29, die ihn für eine kompakte Darstellung zu prädestinieren scheint, ist lange schon hinfällig. Dass Krieg etwas Anschauliches sei, ist allenfalls ein Gerücht. Das „lebendige Genrebe- wusstsein“ ist bereits auf der Ebene der Wahrnehmung hochgradig beschädigt. Oder zumindest begriffsstutzig, dergestalt, dass die Sinne nicht auf die neuen Kategorien eingestellt sind. Dass man Filme über den Terrorismus, aber zum Beispiel auch Spiona- gefilme nicht als Kriegsfilme wahrnimmt, ist nur Zeichen eines sensitiven oder perzep- tiven Anachronismus, eines Anachronismus der Sinne. Es geht also nicht allein um Repräsentationen: ,Wie wird Krieg dargestellt?’, son- dern auch und wesentlich um das Sprechen und Schreiben über Kriegsfilme, um die Ar- beit an der Wahrnehmung. Das Bild des Krieges ist in eine Konstellation einzurücken, die quer steht zu den gängigen Genrekategorien, jener Blick zu relativieren, der den Krieg nur in seiner militärischen Erscheinung erfasst, andere Artikulationsformen ignoriert, und der im „lebendigen Genrebewusstsein“ seinen emotiven Sitz hat. Wer den Kriegsfilm nur als Genre begreift, ihn mit diesem zur Deckung bringt, wird den Krieg mit Hilfe des Films nicht begreifen. Aber gerade darum geht es: Dass Wirklichkeit (Krieg) im Film nicht nur mehr oder weniger treffend abgebildet, sondern artikuliert ist – und dies nicht im Genre des Kriegsfilms allein.30 Und: Die Inszenierung historischer Schlachten, so sie nicht unmittelbar pragma- tisch gebunden ist – als Propaganda- oder Protestpartikel – ist vielleicht, allem Realis- musversprechen zum Trotz, nur Ausdruck jener Negativität, die als Drängen einer Ge- genwelt, anti-realistisch, womöglich alle Genres trägt; verflüchtigt in die abstrakte Gestalt der Vernichtung; Widerschein jener Furie, von der Enzensberger in einem Ge- dicht schreibt, dass ihr, „die nicht auf uns hört“, alles gehört: „Hoffnung, denkt sie, / unendlich viel Hoffnung, / nur nicht für euch; / [...] / sie allein bleibt, ruhig, / die Fu- rie des Verschwindens.“31 28 Vgl. Schweinitz 1994. 29 Vgl. Clausewitz 1980, 469: „In einem Punkt des Raums und der Zeit ist hier alles Handeln zusammengedrängt [...].“ [Herv. im Text]. 30 Darauf verweist schon Knut Hickethier in Bezug auf die Darstellung klassischer (symmetrischer) Kriege. Siehe Hickethier 1989, v.a. 50-52. Anstatt nun Filme, die sich den tradierten Genrekonventionen verweigern (bzw. die in der Darstellung des Krieges nicht auf Kampfhandlungen im engeren Sinne fokussieren) aus dem Begriff des „Kriegsfilms“ auszuschließen, wird hier eine Perspektive angedacht, die die Ausschlussmechanismen des Genres wie der Genreanalyse gleichermaßen zu konterkarieren versucht. 31 Enzensberger 1980, 86. 140 Peter Riedel Literatur Benjamin, Walter: Einbahnstraße [1928]. Frankfurt/M. 1955. Clausewitz, Carl von: Vom Kriege [1832-1834]. Hg. von Werner Hahlweg. Bonn 191980. Deleuze, Gilles, Félix Guattari: Tausend Plateaus [1980]. Berlin 1992. Enzensberger, Hans Magnus: „Die Furie“, in: Ders.: Die Furie des Verschwindens. Ge- dichte. 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Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen. Berlin 1963. Schweinitz, Jörg: „,Genre’ und lebendiges Genrebewusstsein. Geschichte eines Begriffs und Probleme seiner Konzeptualisierung in der Filmwissenschaft.“ In: montage/av, Jg. 3, Nr. 2, 1994, S. 99-118. Virilio, Paul, Sylvère Lotringer: Der reine Krieg [1983]. Berlin 1984. 141 Burkhard Röwekamp „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen I. Problemaufriss Antikriegsfilme haben ein Problem. Die strukturelle und semantische Widersprüchlichkeit von narrativer Sinnproduktion und erzähltem Sinnverlust steht vor allem in Kriegsfilmen, die in der öffentlichen Diskussion als Antikriegsfilme wahrgenommen werden, in einem vertrackten Spannungsverhältnis. Stellvertretend für die zahlreichen Stimmen, die darin das größte Dilemma dieser Filmsorte sehen, hat etwa Knut Hickethier mit Bezug auf die deutsche Produktion Die Brücke aus dem Jahr 1959 angemerkt, dass trotz seiner großen Akzeptanz als Antikriegsfilm „auch dieser Film aus dem grundsätzlichen Dilemma des An- tikriegsfilms, immer auch den Krieg zeigen zu müssen, den man eigentlich bekämpft, nicht heraus [kam]“.1 Die Form filmischer Kritik am Krieg hat also offenbar eine Schwach- stelle. Für die filmwissenschaftliche Diskussion stellt sich daran anknüpfend die Frage nach dem Umgang mit dem Befund gerade auch mit Blick auf die Unterscheidung zum Kriegsfilm und der zugehörigen Genreformation. Um der postulierten Crux des Antikriegs- films zu entkommen, könnte es hilfreich sein, zunächst die Perspektive umzukehren: Wel- che Zugewinne ließen sich für die wissenschaftliche Beschreibung des Antikriegsfilms verzeichnen, machte man aus dem oben beschriebenen Dilemma eine Tugend und nähme probeweise an, die vielfach beobachtete paradoxe Konfiguration sei weniger ein Problem, als vielmehr narrative Funktionsstelle des Antikriegsfilm, seine Sollbruchstelle. Damit lie- ße sich der Blick zunächst auf Gestaltungsprinzipien der Paradoxie des Antikriegsfilms lenken und fragen, welche Poetiken des Paradoxen im Anti-Kriegsfilm vorliegen, und weil wir es mit Spielfilmen zu tun haben: in welchem Modus und in welchen Kontexten sie er- zählt werden. Ausgehend von diesem Fragekomplex befasst sich der folgende Beitrag mit paradoxen Funktionslogiken als Mittel filmischer Textstrategien des Antikriegsfilms. Er gliedert sich in drei Abschnitte: Nach einer Problemskizze im Einleitungsteil wird der Ver- such unternommen, kulturelle Kontexte bzw. Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Antikriegsfilms zu benennen, um schließlich vor diesem Hintergrund einen Vorschlag für eine semiopragmatische Lesart des Phänomens Antikriegsfilm zu unterbreiten: Wel- chen Sinn macht in historischer und analytischer Hinsicht also die Rede vom Antikriegs- film? Genreversprechungen Es gibt freilich ein vorgängiges Problem: In ungezählten Publikationen zum Kriegs- film2 und vergleichsweise wenigen zum Antikriegsfilm3 haben Genrebetrachtungen 1 Hickethier 1995, 376. 2 Siehe u.a. Baier 1984, Basinger 1986, Davenport 2004, Klein et al. 2006. 142 Burkhard Röwekamp den mit den Mitteln des Films erzählten Krieg immer wieder anhand zwar evident scheinender, aber die Komplexität des Phänomens ebenso verfehlender Unterschei- dungskriterien festzumachen versucht. Denn gleichgültig ob historische (z. B. die modernen Kriege des 20. Jahrhunderts) oder motivische (z. B. die Schlacht, das sol- datische Individuum) zur Systematisierung des Genres dienen: Inhaltlich-formale Ty- pologisierungen oder endlose Filmlisten lassen oftmals nicht nur die Reflexion des eigenen Beobachterstandpunktes vermissen, die horizontale Betrachtung übersieht immer wieder auch die Einbindung solcher – auch der eigenen – Zuschreibungspra- xen in gesellschaftliche Verwendungszusammenhänge, also ihre vertikale Integrati- on. Der Kontingenz des Phänomens werden sie auf diese Weise weder in historischer noch in analytischer Hinsicht gerecht. Für eine übergreifende Perspektive scheint es letztlich also unerlässlich, in Bezug auf Genrefragen das ‚Was’ der Bestandssicherung des Antikriegsfilm in das ‚Wie’ seiner historisch sich wandelnden Modi der Bedeu- tungsverdichtung zu überführen. Trotz der damit angedeuteten Neujustierung: Was wir über den Kriegsfilm wissen, verdanken wir nicht nur entsprechenden Filmen, son- dern kulturellen Zuschreibungspraxen, zu denen schließlich auch die Genrepublizis- tik zählt. Immerhin benennen diese Äußerungen eines „lebendigen Genrebewusst- seins“ ganz pragmatisch prototypische Filme im Sinne von Jörg Schweinitz4, also his- torisch erfolgreiche Verdichtungsformen, die kollektive Vorstellungen prägen. Die Lage verkompliziert sich, wenn man berücksichtigt, dass daneben weitere nicht un- problematische, sich überlagernde, konkurrierende, konfligierende oder verstärkende kollektive Zuschreibungspraxen am Werk sind, von wissenschaftlichen Erklärungsver- suchen über Filmkritiken in Massenmedien bis zur Alltagskommunikation. Diese skiz- zenhafte, wenngleich kritische Bestandsaufnahme zielt freilich nicht auf die Ab- schaffung des Kritisierten, sondern plädiert im Gegenteil für eine Veränderung der Laufrichtung: Veröffentlichte Meinungen als integrale Bestandteile kulturellen Aus- tauschs müssen ebenso ernst genommen werden wie Forderungen, auch all jene Fil- me mit einzubeziehen, die in der Masse der jährlichen Filmproduktion seit mehr als hundert Jahren zwar den Weg in die Kinos fanden, aber aus welchen Gründen auch immer von der Filmgeschichtsschreibung bislang noch nicht berücksichtigt wurden – nur: Wie lässt sich das systematisieren? Kritik am Krieg mit aufklärerischem oder erzieherischem Impetus scheint der klein- ste gemeinsame Nenner des Antikriegsfilm-Verständnisses bzw. Genreversprechens zu sein: „Anti-Kriegsfilme wären dann alle Filme, in denen das Leiden der Menschen durch den Krieg, die Forderung nach Abschaffung des Krieges als Mittel der Politik und die Darstellung der wahren Ursachen sowie der Sinnlosigkeit kriegerischer Auseinander- setzungen gezeigt wird.“5 Andererseits unterscheiden sich Antikriegsfilme strukturell auf den ersten Blick gar nicht so sehr von ihrer Verwandtschaft, etwa Propaganda- und Kriegsfilmen, aber auch nicht von anderen Genreformationen wie z. B. Actionfilm, Me- lodram, Western oder Horrorfilm: Agitation, Psychologisierungs- und Emotionalisie- 3 Siehe Rauhut 1977. 4 Vgl. Schweinitz 1994. 5 Baier 1984, 38. „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen 143 rungsstrategien, sensationelle Bewegungsbilder, Realismus der Gewaltdarstellung oder audiovisuelle Schocks zählen allenthalben zu Genrestandards. Selbst hinsicht- lich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg kann der Antikriegsfilm keine Exklusivität behaupten. Hier konkurrieren Antikriegsfilme z. B. mit Komödien wie Charles Chaplins Shoulder Arms (Gewehr über, 1918) oder Autobiografien wie John Boormans Hope and Glory (Hope and Glory – der Krieg der Kinder, 1987), ganz zu schweigen von all den Filmen, die das Kriegs-Sujet weit über die engen Grenzen des Militärischen hinaus ausloten, wie Peter Riedel in seinem Aufsatz „Die Metastasen des Krieges. Über den Kriegsfilm als Genre und den Anachronismus der Sinne“ in diesem Band zeigt. In Anbetracht dieser Gemengelage scheint es ratsam, den Blick weg von Einzelphä- nomenen und hin zu ihrer Verbindung unter funktionalen filmischen Gesichtspunkten zu lenken, an denen die öffentliche Wahrnehmung kondensiert: In formaler Hinsicht markieren Antikriegsfilme einerseits eine narrative Differenz zu anderen Gen- re-Dialekten bzw. filmischen Wahrnehmungsformen, indem sie die Widersprüche des Krieges erzählbar, d. h. im formalen Arrangement sinnlich erfahrbar machen. An diesen Formenspielen haben sich andererseits kulturhistorisch bestimmbare Semantiken an- gelagert und diskursiv verdichtet, die im Unterschied zu anderen Bezeichnungspraxen als „Anti“ qualifiziert worden sind. Grad und Funktionalität der Differenzqualität die- ses „Anti“ lässt sich wiederum pragmatisch und poetologisch in historischen Verwen- dungszusammenhängen bestimmen. Zur Beschreibung dieses dynamischen Prozesses und um methodisch-theoretisch nachvollziehen zu können, auf welche Weise filmische Strukturen und kulturelle Bedeutungsproduktion miteinander gekoppelt sind, bedarf es eines Modells, das in der Lage ist, historische Poetik und historische Pragmatik un- ter funktionalen Aspekten zusammenzuführen. Semiopragmatik Roger Odins semio-pragmatischer Zugang leistet genau dieses.6 In Odins Modell wer- den Produktion und Rezeption, directing space und reading space, als zwei Seiten ei- ner kulturellen Institution zur Kanalisierung und Limitierung von Bedeutungen konzi- piert. Antikriegsfilm lässt sich in diesem Zusammenhang als Modus verstehen, die Austauschbeziehungen zwischen beiden Seiten zu regulieren: Filmische Kritik am Krieg wird auf diese Weise als Teil der kulturellen Selbstverständigung über den Wi- dersinn des Krieges lesbar. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Genealogie der in- stitution (Odin) Anti-Kriegsfilm ebenso ermitteln wie eine Kritik ihrer kulturellen, po- litischen und ökonomischen kurzum: gesellschaftlichen Funktion. Die Kategorie Anti- kriegsfilm entsteht nicht im diskursfreien Raum oder per definitionem, sondern in be- schreibbaren Umgebungen. Begriffen als Teil eines übergreifenden kommunikativen Prozesses (als dreistellige Verdichtung von Information, Mitteilung und Verstehen) scheinen auf formaler Ebene die narrativen Prinzipen des Antikriegsfilms – verstan- den als Instanz der Vermittlung – seine filmhistorische Institutionalisierung maßgeb- 6 Vgl. Odin 2000. 144 Burkhard Röwekamp lich vorangetrieben zu haben. Ein semiopragmatischer Zugriff ermöglicht es letzt- lich, Narration als Form des Zeichengebrauchs in historischen Verwendungszusam- menhängen lesbar zu machen. II. Frontverläufe im reading space: Zur Pragmatik des Antikriegsfilms Realgeschichte Der historische Kontext, in dem die Kategorie Antikriegsfilm massenwirksam ent- steht, fällt in die Zeit des Beginns des 20. Jahrhunderts. Auch wenn die These, Krieg und Kino bedingten sich gerade in diesem Zeitraum gegenseitig7, leichtfertig wichtige Kontexte der Entstehung des neuen Mediums – aber auch: des Krieges – ausblendet, lässt sich feststellen, dass sich in dieser Zeit erste ebenso kritische wie publikums- wirksame filmische Auseinandersetzungen mit dem Krieg beobachten lassen (Vervlo- ekt Zij De Oorlog [Verflucht sei der Krieg] von Alfred Machin, 1914; Civilization von Re- ginald Barker und Thomas H. Ince, 1916; Ned med Vaabnene! [Nieder mit den Waffen!] von Forest Holger-Madsen, 1915). Die Zeit der Unsicherheit und Umorientierung zwi- schen den Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts begünstigte Polarisierungen al- ler, auch filmischer Art, und verstärkte den Wunsch nach Erklärungs- und Deutungs- angeboten in Zeiten kollektiver Verunsicherung, wie sie diese Filme zur Verfügung stellten. Die öffentliche Suche nach Erklärungen für die Katastrophe begünstigte die kritische Auseinandersetzung mit Institutionen des Krieges, vor allem der militäri- schen Führung, ebenso wie die Frage nach der Rolle des Individuums und den Folgen des Krieges. Dies gilt grundsätzlich auch heute noch. Das Kriegs-Sujet hat nichts an seiner diskursiven Kraft eingebüßt, eher im Gegenteil. Und jetzt, da sich die Kriege verändern, wie Herfried Münkler beschreibt8, erscheinen die etablierten Formen des Antikriegsfilms seltsam antiquiert: Quo vadis Antikriegsfilm? Hinsichtlich politischer Kontexte haben politisch-ideologisch motivierte Reaktio- nen wie Zensurmaßnahmen und Stellungnahmen politischer Institutionen nicht nur die öffentliche Neugier verstärkt, sie befestigten zugleich die Vorstellung, dass Anti- kriegsfilme tatsächlich gegen offizielle Kriegsdoktrinen opponierten. Boykott und Zensur sowie politische und intellektuelle Anfeindungen von All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues, 1930) und Westfront 1918 (1930) bis Paths of Glory (Wege zum Ruhm, 1957), Full Metal Jacket (1987) oder Starship Troopers (1997) spre- chen eine deutliche Sprache. Solche öffentlichkeitswirksamen Reaktionen manifestie- ren entgegen ihren Absichten kollektive Vorstellungen jenes „Anti“ des Kriegsfilms, dass auch gegenwärtig noch für öffentliche Irritation und Aufmerksamkeit sorgt. Die Deutung als Anti-Kriegsfilm hängt also in starkem Maße von dessen politischer Inter- pretation und Indienstnahme ab. Sie verstärkt Antikriegsfilm-Semantiken in der Regel gegen offizielle politische Interessen. Selbstredend fügen sich Antikriegsfilme auch ökonomischen Interessen. Antikriegsfilme werden unter marktstrategischen Gesichts- 7 Vgl. Virilio 1989. 8 Münkler 2002. „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen 145 punkten produziert und platziert. Anderer- seits hat gerade der ökonomische Erfolg der Institutionalisierung des Anti-Kriegs- film-Schemas Vorschub geleistet – und das paradoxerweise, obwohl die Filmindustrie nicht eben im Verdacht stand und steht, gegen offizielle militärische Doktrinen zu opponieren. Geschichte der Künste Das Medium Film schreibt mit so genann- ten Antikriegsfilmen andererseits eine lan- ge Tradition in der künstlerischen Ausein- andersetzung mit dem Krieg fort: Von der Antikriegsmalerei Pieter Bruegels dem Äl- teren oder Hieronymus Boschs etwa bis zu Francisco de Goya (Erschießung der Auf- ständischen am 3. Mai 1808 in Madrid [O Três de Maio de 1808 em Madrid: Os fuzila- mentos na montanha do Príncipe Pio], 1814; die Serie der Schwarzen Bilder [Pintu- ras negras, Abb. 1] 1821-23; der Zyklus Die Schrecken des Krieges [Desastres de la Guer- ra], ca. 1810-14); und von Otto Dix’ Zyklus Der Krieg (1924) über Picassos Guernica Abb. 1: Szene aus Goyas Pinturas negras: Saturn ver- (1821-1823). (1937) bis zu Jeff Walls großformatigem, inschlingt eines seiner Kinder einem Leuchtkasten präsentierten Farbdi- apositiv Dead Troops Talk (1992). Die Tradition der bildlichen Vermittlung des Krieges setzte sich in der Fotografie fort, vor allem in den Kriegsfotografien Roger Fentons vom ersten mit modernen Mitteln geführten Krieg, dem Krimkrieg von 1853 bis 1856. Dass Fotografie auch als Mittel der Agitation gegen den Krieg eingesetzt werden konnte, stellte Ernst Friedrich mit seinem Antikriegsbuch Krieg dem Kriege!, das 1924 für internationale Aufmerksamkeit sorgte, unter Beweis (Abb. 2). Sowohl Malerei als auch Fotografie nutzten neben dramatischen Farb- und Raumkompositionen vor allem die Darstellung grausam entstellter und verstümmelter Körper zur Kritik am Krieg, eine Strategie, die spätere Antikriegsfilme aufnahmen und den medialen Gegebenhei- ten anpassten. In gleichem Umfang adaptierten Antikriegsfilme immer wieder Kriegs-/Antikriegsliteratur, von Humphrey Cobbs Paths of Glory (1935) bis Anthony Swoffords Jarhead (2003). Besonders die Verfilmung des Romans von Erich Maria Re- marque Im Westen nichts Neues (1929) profitierte zugleich vom internationalen Erfolg der literarischen Vorlage. Aber auch Karl Kraus’ Antikriegs-Drama Die letzten Tage der Menschheit (1918/1919), dessen Vertonung Radiogeschichte geschrieben hat, oder Claude Simons nouveau roman gegen den Krieg Die Akazie (1989) ließen sich hier 146 Burkhard Röwekamp Abb. 2 nennen. Sie stehen stellvertretend für eine lange literarische Tradition in der kriti- schen Auseinandersetzung mit dem Krieg, die mit dem bereits 1668 erschienen, im Dreißigjährigen Krieg spielenden Schelmenroman von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen Der abenteuerliche Simplicissimus (Teutsch) einen frühen populären Vertreter hat. Gestaltungselemente literarischer Vorlagen – z. B. episodale Erzähl- strukturen, Realismus oder Ironie – haben die Filmsprache des Antikriegsfilms sicht- lich beeinflusst. Der Zusammenhang der hier skizzierten kunsthistorischen Bild- und Erzähltraditionen mit der Entwicklung des Antikriegsfilms wäre noch zu erhellen, und zwar sowohl hinsichtlich filmischer Gestaltungsprinzipien des Antikriegsfilms als auch im Hinblick auf ihren Beitrag zur Präfiguration des kollektiven Verständnisses von Antikriegskunst generell. Produktionsgeschichte Nicht zuletzt limitieren Produktionskontexte Entstehung und Entwicklung des Anti- kriegsfilms. Bewegliche Aufnahmeapparaturen und Filmton bereiteten der massen- wirksamen Institutionalisierung des Antikriegsfilms in den 1930er Jahren den Weg. Sie erweiterten den Rahmen realistischer Darstellung radikal. Die ästhetische Aufrü- stung steigerte das filmische Schockmoment in ungekanntem Maße. Der Krieg wurde endgültig filmisch, d. h. auf der Ebene audiovisueller Qualitäten unmittelbarer und scheinbar nachvollziehbarer als je zuvor – aber eben auch abschreckender. Endlich konnte die Öffentlichkeit dessen ansichtig werden, was man zuvor nicht zu Gesicht bekommen hatte und was die alten Vermittlungsformen des Krieges, Kriegsfotografie, „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen 147 -malerei und -literatur in dieser Intensität nicht liefern konnten. Verstärkend wirkte der Umstand, dass einige verantwortliche Filmleute selbst Augenzeugen von Kriegen waren und ihre Erfahrungen in die Produktion von Kriegsfilmen einbrachten: Lewis Milestone etwa arbeitete als Fotograf bei einem Fernmelderegiment der US-Armee während des Ersten Weltkrieges; Oliver Stone war Soldat in einem platoon im Viet- namkrieg usw. Das auf diese Weise zu Beginn des 20. Jahrhunderts installierte realistische Pro- gramm besitzt im Großen und Ganzen auch im Antikriegsfilm heute noch Gültigkeit. Realistische Effekte werden unverändert dazu genutzt, die zerstörerische Wirkung des Krieges sichtbar und fühlbar zu machen. Auf diese Weise hat sich im Lauf der Filmge- schichte eine filmische Ikonografie ausgebildet, die zunehmend das kollektive Kriegs- bild an die Beschränkungen des Mediums gebunden hat. Die kollektive Kriegserfah- rung entfernt sich damit indes paradoxerweise immer weiter von den Fakten realer Kriege. Auch deshalb wäre wohl zu fragen, welche Rolle der Bezug auf realhistorische Kriege im Kriegs- bzw. Antikriegsfilm überhaupt spielt. Im Folgenden steht indes eine andere Frage im Mittelpunkt: Wie funktionieren Antikriegsfilme innerhalb dieser his- torischen und kulturellen Rahmung? III. In den Schützengräben des directing space: Zur Poetik des Antikriegsfilms Um herauszufinden, wie sich das „Anti“ des Kriegsfilms filmsprachlich zu verstehen gibt, lohnt zunächst ein Blick auf die Form filmischen Erzählens im fiktionalen Film, die Narration. In funktionaler Perspektive wird mit Narration die Interaktion der Sub- systeme Stil (audiovisuelle Struktur) und Plot (Informationsstruktur von Raum und Zeit) bezeichnet, deren Zusammenwirken die Fabula (Inhaltsstruktur) hervorbringt, die von Zuschauern als Geschichte (Bedeutungsstruktur) interpretiert wird.9 Ein Infor- mationsvermittlungsprozess also, der durch die Einbeziehung aller Funktionsstellen des Filmischen vom materiellen Substrat des Films bis zum Zuschauer als kommunika- tiver und somit als gesellschaftlicher Austauschmechanismus verstanden werden kann, in dem sich kulturelle Überzeugungen verdichten. Die Entwicklung dieses Ver- dichtungsprozesses von audiovisuellen Strukturen, Erzählstrategien, Inhalten und daran kondensierenden Semantiken lässt sich schließlich auch mit Blick auf so ge- nannte Antikriegsfilme historisch und analytisch erfassen. Als diskursive Größe kann die Kategorie „Antikriegsfilm“ freilich nicht länger als definierbare Entität, sondern nur als Kontingenzformel angegeben werden. Solche Kontingenzformeln haben sich historisch in kulturellen Austauschprozessen als funktionale Erwartungsstrukturen bzw. Institutionen im Sinne Odins bewährt. Sie werden traditionell als Genres be- schrieben. 9 Vgl. Bordwell 1985. 148 Burkhard Röwekamp „Draw a distinction“10 Die historische Pragmatik des Antikriegsfilm ist untrennbar mit bestimmten Formen- spielen des Filmischen, d. h. mit seiner historischen Poetik verbunden, die sich von derjenigen anderer Formationen unterscheidet. Antikriegsfilm bezeichnet also einen Unterschied auf der Ausdrucksebene, der einen Unterschied auf der Ebene des Verste- hens macht. Und: beides lässt sich historisch und analytisch nachzeichnen. Während sich die Verstehensebene von Film zu Film z. B. anhand veröffentlichter Meinungen rekonstruieren lässt, lassen sich filmische Verfahren anhand signifikanter innerfilmi- scher Abweichungen ermitteln. Vor allem um letzteres soll es abschließend gehen. Folie für die Ermittlung poetischer Differenzqualitäten sind hier Darstellungs- und Er- zählkonventionen dessen, was üblicherweise als Kriegsfilm gilt. Die folgenden Über- legungen zum Antikriegsfilm gehen außerdem von bekannten, d. h. dem kollektiven Gedächtnis nachhaltig eingeschriebenen Antikriegsfilmen aus. Diese doppelte Ein- schränkung folgt indes lediglich unmittelbar pragmatischen Überlegungen, sie beein- trächtigt nicht die Perspektive des Ansatzes, der dezidiert für eine offene Konzeption plädiert und anstelle von Ein- und Ausschlusskriterien historisch variable Verdichtun- gen benennen möchte, die zugleich die erstaunliche funktionale Anpassungsfähigkeit des Antikriegsfilms an unterschiedliche Bedingungen hervorhebt. Audiovisueller Stil Im Hinblick auf die Gestaltung der audiovisuellen Ebene dominiert eine Strategie, die das „Anti“ in Form eines ästhetisch überhöhten, expressiven filmischen Realismus verdichtet – wie es scheint, ist auch nach etwas mehr als einhundert Jahren Film- und moderner Kriegsgeschichte das kulturelle Bedürfnis nach hochgradig verdichtetem Abbildrealismus bzw. Kriegsnaturalismus ungebrochen. Dies schlägt sich nieder in der Inszenierung kriegerischer Handlungen, zumeist in der Zerstörung männlicher Körper, die den Zuschauer auf Bild- und Tonebene physisch-physiologisch in das Geschehen einbeziehen und den Krieg auf diese Weise in eine körperlich-sinnliche Erfahrung übersetzen. Die Stilisierung des Tötens, Mordens und Sterbens erreicht im Antikriegs- Abb. 3 Abb. 4 10 Spencer Brown 1977, 3. „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen 149 film oftmals einen Grad der Verdichtung, der über das aus herkömmlichen Kriegsfil- men Gewohnte hinausgeht – scheinbar pa- radox, denn will man nicht eigentlich das kritisieren, was man zeigt? Das „Anti“ for- muliert sich in dieser Hinsicht also als Sti- lisierung und Überdehnung, als zynische Über-Affirmation von Kriegsfilm-Strate- gien, sinnfällig etwa in der exzessiven Schützengraben-Sequenz in All Quiet on the Western Front (Abb. 3 + 4) oder in den Abb. 5 Zeitlupenaufnahmen der Tötung der Solda- ten in den Trümmern der Stadt Hue in Kubricks Full Metal Jacket (1987, Abb 5). Der Mehrwert solch exzessiver Arrangements umfasst nicht nur Möglichkeiten der Affektsteuerung. Die „Freisetzung der Materialität des Signifikanten gegen das Sys- tem“, wie Peter Riedel dies in Bezug auf den Horrorfilm beschrieben hat11, hat vielmehr auch die Funktion, Sinnentleerung an der materiellen Oberfläche anschaulich werden zu lassen. Die Stilisierung etwa mit Hilfe von Großaufnahmen, Farbqualitäten, Zeitlu- pe, Kameraperspektive, Bewegung und kontrastierenden Gegenüberstellungen hebt das Dargestellte aus dem narrativen Fluss und entkoppelt es von der laufenden Sinn- produktion. In der Kontradiktion von ästhetischem Genuss und inhaltlicher Sinnlosig- keit formuliert sich auf der Bildebene gleichzeitig eine filmische Ausdrucksform für Sinnentleerung und -zerstörung im Hinblick auf das Thema Krieg. Innerhalb narrativer, also sinnproduzierender Systeme ist solcher formaler excess12 eine Form, Paradoxien er- zählbar zu machen. Antikriegsfilme haben immer wieder solch formalen excess zum Be- deutungsträger unter der Maßgabe der Widersinn-Produktion gemacht. Ob dies als ,un- zulässiger‘ ästhetischer Genuss oder als erzählerisches Mittel eines „Anti“ wahrgenom- men wird, entscheidet freilich nicht der Film. Filme sind schließlich nur in der Lage, Bedeutungen zu kanalisieren und limitieren, Bedeutungsproduktion anzuregen, nicht festzulegen. Dies kann in der öffentlichen Wahrnehmung als mehr oder weniger gelun- gen gelten. Die Macht des Narrativen ist also durchaus beschränkt. Festzuhalten ist, dass dergestalt exzessive Ausdrucksformen dem Zusammenhang von Krieg und Sinn- zerstörung einen audiovisuellen Ausdruck verleihen, der im Zusammenhang des Film- ganzen „Anti“-Sinn produziert. Die große Mehrheit der als Antikriegsfilme geltenden Produktionen beinhaltet solche exzessiven Ausdrucksformen, die vielfach zu Schlüs- selbildern der kollektiven Kriegswahrnehmung geworden sind (Abb. 6 + 7) Die Aufzählung audiovisueller Strategien, die die paradoxe Struktur sinnförmig er- zählter Sinnzerstörung im filmischen Verfahren bewusst machen, ist mit dem Hinweis auf exzessive Darstellung unvollständig erfasst. Hier müssen Untersuchungen an- schließen, die weitere Strategien ermitteln, wie Antikriegsfilme ihr „Anti“ im audiovi- suellen Arrangement wahrnehmbar machen. Prinzipiell lassen sich solche Strategien 11 Riedel 2004, 293. 12 Vgl. Thompson 1977. 150 Burkhard Röwekamp Abb. 6: Granatentrichter-Szene aus All Quiet on the Abb. 7: Waschraum-Szene aus Full Metal Jacket. Western Front. mit Blick auf andere filmisch-künstlerische Verdichtungsformen desselben Sujets dif- ferentiell bestimmen. Figurenzeichnung Wie die Beispiele aus All Quiet on the Western Front und Full Metal Jacket gezeigt ha- ben, manifestiert sich im Antikriegsfilm wie im Kriegsfilm auf der Ebene des überbor- denden Abbildrealismus ein besonderes Interesse für die Inszenierung der Zerstörung des Körpers, während im Hinblick auf psychologische Dispositionen von Hauptfiguren ambivalente Charaktere dominieren. Der Fokus auf Körperhaftigkeit und psychische Disposition der Figuren, die Inszenierung von Körper und Geist als Austragungsorte des Krieges, reduziert das Thema Krieg auch im Antikriegsfilm auf Aspekte individuel- ler, existenzieller Bedrohung. Der Zusammenhang von körperlicher und psychischer Versehrung und Deformation wird im Antikriegsfilm als Problem des Individuums in der chaotischen Situation des Krieges begriffen und kaum einmal auf übergreifende Rahmenbedingungen zurückgeführt. Allerdings nehmen existenzielle Bedrohungssze- narien im Antikriegsfilm selten einen positiven Verlauf, sie münden zumeist in Appel- le, führen zur Läuterung oder in unsichere, offene Situationen. Entsprechend sind An- tikriegsfilme bevölkert von gebrochenen Helden und Anti-Helden. Andererseits ent- stehen gerade an der audiovisuellen und erzählerischen Inszenierung der Beschädi- gung des menschlichen Körpers und Geistes unter Kriegsbedingungen oftmals die ra- dikalsten Brüche mit bestehenden Bildtabus ausgerechnet im Antikriegsfilm. Erzählstrategien Im Laufe der Filmgeschichte haben sich immer wieder episodale Plotstrukturen als narrative Mittel in Antikriegsfilmen bewährt – siehe etwa die DEFA-Produktion Ich war 19 (1968). Sie lösen die Geradlinigkeit herkömmlicher Erzählungen tendenziell auf, lösen die Lebensräume der Figuren strukturell in Disparitäten auf und lockern so die Bande erzählerischer Ökonomie, wie sie für viele andere Genres üblich sind. Auf diese Weise verändert sich die narrative Produktion von Sinn, verliert ihre herkömmli- che Ausrichtung auf ein zu erreichendes Ziel. Wie sich überhaupt die für klassische Er- „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen 151 zählstrategien typischen Merkmale wie Zieldefinition und Zielerreichung oder die Wiederherstellung von Ordnungssystemen im Antikriegsfilm tendenziell in Auflösung befinden. Die Problem- bzw. Fragestellung eines anfänglich installierten Konflikts wird im Antikriegsfilm in der Regel am Ende nicht gelöst, sondern weitergereicht an das Publikum wie in All Quiet on the Western Front (Abb. 8), agitatorisch zuge- spitzt wie in Westfront 1918 (Abb. 9), in mythischen Nebeln aufgelöst wie in Apo- Abb. 8 calypse Now (Abb. 10), oder offen gelassen wie etwa in No Man’s Land (2001, Abb. 11). Zumindest was die Enden von Anti- kriegsfilmen angeht, lässt sich filmhisto- risch also eine Veränderung beobachten, die be- oder anklagende Appellstrukturen zurücknimmt zugunsten eher offener Re- flexionsräume, die den Zuschauer als Be- deutungskonstrukteur aktiv mit einbezie- hen. Die Hintergründe dafür wären noch zu ermitteln. Daneben erzählen Brüche in der Narra- Abb. 9 tion und Wechsel des Erzähltempos, Retar- dation und Beschleunigung wie etwa in The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen, 1978) die Zerstörung vertrauter Lebens- welten, den Kollaps von Raum und Zeit durch den Krieg (Abb. 12 + 13). Mit sol- chen erzähltechnischen Aberrationen der Konventionen linearen Erzählens werden herkömmliche Muster filmischer Sinnpro- Abb. 10 duktion unterlaufen. Solche Plot-Kon- struktionen verlangen überdies andere Strategien der Sinnproduktion auf Seiten des Zuschauers. Sie stören gewohnte Wahr- nehmungsmuster, sie laufen Sehgewohn- heiten zuwider, produzieren formalen Wi- dersinn. Abb. 11 Neben solchen Abweichungen von er- zählerischen Standards soll abschließend noch auf den Modus selbstreflexiven Erzäh- lens als weitere paradoxe Erzählstrategie hingewiesen werden. Paradox deswegen, weil diese Strategie entgegen unseren Erfahrungen und Erwartungen die Fiktion eines ge- 152 Burkhard Röwekamp Abb. 12: Der Riss in der Welt .... Abb. 13: … übersetzt in einen narrativen Bruch in The Deer Hunter schlossenen Weltzusammenhangs durchbricht, also diegetischen Sinn zur Disposition stellt, indem sie Sinnverweise auf ein Außerhalb der filmischen Fiktion bereitstellt. Filmische Selbstreflexivität im Antikriegsfilm äußert sich sowohl inhaltlich wie z. B. die Fernsehteams in Apocalypse Now (Abb. 14) oder Full Metal Jacket (Abb. 15), als auch genrereflexiv wie in Les Carabiniers (Die Karabinieri, 1963, Abb. 16), der im Wort- sinn ein Anti-Kriegsfilm ist , oder medienreflexiv wie in Starship Troopers (1997, Abb. 17). Die Ausstellung der Gemachtheit des filmischen Arrangements, die Preisgabe der Fiktion bietet also neben ästhetizistischen Strategien eine weitere Möglichkeit kriti- scher Distanznahme. Themen Bewaffnet mit diesem Instrumentarium filmischer Verfahren behandeln Antikriegsfil- me die gleichen Thematiken und Inhalte wie herkömmliche Genreerzählungen, nur eben in einem anderen Modus: Gewaltsamer Tod, Grausamkeit, Kameradschaft, exis- tenzielle Angst oder Männlichkeit – kaum aber: historisch-politische Zusammenhän- ge. Im Unterschied zu anderen Bearbeitungsmodi des Themas Krieg betonen Anti- kriegsfilme die destruktive Wirkung des Krieges vor allem auf Individuen. Hier gibt es tendenziell weder Siege moralischer, psychologischer oder physischer Natur noch das Versprechen einer Wiederherstellung der alten Ordnung. Antikriegsfilme betonen ten- denziell das Scheitern von Wertvorstellungen und Ordnungssystemen und befragen deren Sinngehalte. Der Unterschied zu herkömmlichen Kriegsfilmen mit vorwiegend unterhaltender Funktion und Propagandafilmen manifestiert sich innerfilmisch dann über das Scheitern entsprechender Hand- lungsmotivationen und psychologischer Dispositionen. Die Abweichungen sind da- Abb. 14 Abb. 15 „Peace Is Our Profession“ – Zur Paradoxie von Antikriegsfilmen 153 bei mehr oder weniger ausgeprägt. Den- noch müssen sie evident und das heißt im Gesamt des filmischen Zeichens für die Stabilisierung der Dominante des Anti- kriegsfilms Sorge tragen: für die Limitie- rung von Zuschreibungsmöglichkeiten in der Produktion von Widersinn. Die Reali- sierung von Bedeutungen vollzieht sich indes im reading space. Sie bedarf einer Öffentlichkeit, die aus dem filmischen Kommunikationsangebot unter histori- schen Bedingungen kultureller Kontexte Abb. 16 Semantiken kondensiert und dem kollekti- ven Gedächtnis zuführt. IV. „La guerre est finie“ Das zuvor vorgestellte, an inner- und au- ßerfilmischen Funktionen orientierte Ana- lyseschema scheint diejenige filmhistori- sche Institution beschreibbar zu machen, Abb. 17 auf die sich die Rede vom Antikriegsfilm bezieht. Methodisch handelte es sich bei dem zuvor Umschriebenen um den Versuch, filmisches Verfahren und dynamische Bedeutungszuschreibungsprozesse zusammen- zudenken. Dieser Ansatz interessiert sich mehr für die Mechanismen der Veränderung als für die Feststellung von Zugehörigkeiten, mithin für die Rückkoppelung von Gen- reformierungen an kulturelle Funktionen. Es geht darum aufzuzeigen, dass gerade die Variabilität filmischer Strukturen und Verfahren notwendige Bedingung zum Erhalt der kulturellen Funktion des Antikriegsfilms unter historisch sich wandelnden Gege- benheiten ist. Erst in der Modellierung dieses Zusammenhangs lässt sich zeigen, wie sich die symbolische Generalisierung „Antikriegsfilm“ unter wechselnden histori- schen, politischen, ökonomischen und filmästhetischen Bedingungen bewährt hat. Diese Verknüpfung blieb in dem zuvor Gesagten zwar noch Skizze und Entwurf, wichti- ge Verbindungslinien, so die Hoffnung, sind indes erkennbar geworden. Literatur Baier, Eberhard: Der Kriegsfilm. Aachen 1984. Basinger, Jeanine: The World War II Combat Film: Anatomy of a Genre. New York 1986. Bordwell, David: Narration in the Fiction Film. Madison 1985. Davenport, Robert: The Encyclopedia of War Movies. The Authorative Guide to Movies about Wars of the 20th Century. New York 2004. Hickethier, Knut: „Die Brücke“, in: Thomas Koebner (Hg.): Filmklassiker (Bd. 2). Stutt- gart 1995, S. 371-376. 154 Burkhard Röwekamp Klein, Thomas, Marcus Stiglegger, Bodo Traber (Hg.): Filmgenres: Kriegsfilm. Ditzingen 2006. Münkler, Herfried: Die neuen Kriege. (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 387), Reinbek bei Hamburg 2002. Odin, Roger: „For a Semio-Pragmatics of Film“, in: Robert Stam, Toby Miller (Hg.): Film and Theory. An Anthology. Malden (Mass.) 2000, S. 54-66. Rauhut, Franz: Filme gegen Krieg. Gerolzhofen 1977. Riedel, Peter: „It’s nothing personal babe – Andenken an den Horrorfilm“, in: MEDIEN- wissenschaft. Rezensionen – Reviews, Nr. 3, 2004, S. 284-295. Schweinitz, Jörg: „Genre und lebendiges Genrebewusstein“, in: montage/av, Jg. 3, Nr. 2, 1994, S. 99-118. Spencer Brown, George: Laws of Form. New York 1977. Virilio, Paul: Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung [1984]. Frankfurt/M. 1989. Thompson, Kristin: „The Concept of Cinematic excess“, in: Ciné-tracts, Nr. 2, 1977, S. 54-63. 155 Matthias Steinle ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? Chaplin, Sennett, Langdon, Keaton, Laurel & Hardy und die Marx-Brothers im Krieg „Nicht immer war es möglich, diesen Krieg ernst zu nehmen. Vor allem konnte ich nicht verstehen, warum wir, die Franzosen und die Engländer gegen die Deutschen und die Österreicher kämpften.“ (Buster Keatons Erinnerung als Soldat an den Ers- ten Weltkrieg)1 Krieg und Komik Betrachtungen zum Verhältnis von Krieg und Komik wenden sich dem Thema zumeist unter der Frage nach der Unvereinbarkeit von der Katastrophe Krieg und dessen Re- präsentation im Modus des Komischen zu.2 Im Bereich des Films geraten dabei haupt- sächlich der Zweite Weltkrieg mit zeitgenössischen Klassikern wie The Great Dictator (Der große Diktator, 1940) und To Be or Not To Be (Sein oder nicht sein, 1942) oder po- puläre Nachkriegsproduktionen wie La grande vadrouille (Die große Sause, 1966), The Producers (Frühling für Hitler, 1968), Which Way to the Front? (Wo bitte geht’s zur Front?, 1970) und Catch-22 (Catch 22 – der böse Trick, 1970) in den Blick. Am Ende des „Zeitalters der Extreme“ (Eric Hobsbawm) ist auch die Judenvernichtung ein mög- liches Thema der Komödie geworden, wobei sowohl La vita è bella (Das Leben ist schön, 1997) als auch Train de vie (Zug des Lebens, 1998) bewusst auf bur- lesk-groteske Stilmittel rekurrieren. Lachen über Hitler und den Nationalsozialismus wird als Streit über Kunst und Moral unter der Frage: ‚Darf man darüber lachen?’ disku- tiert.3 Darüber hinaus werden noch der Koreakrieg als Folie für den Vietnamkrieg dank M*A*S*H (1970, TV-Serie 1972-1983) und ansatzweise der erste Golf-Krieg mit Three Kings (1999) wahrgenommen, führen aber wie Komödien generell in Kompendien und Genredarstellungen zum Kriegsfilm bestenfalls eine Randexistenz.4 Die frühe Filmge- schichte bleibt dabei ebenso unterbelichtet wie der Erste Weltkrieg, dem eine komi- sche Behandlung erst mit Mario Monicellis La Grande Guerra (Man nannte es den gro- ßen Krieg, 1959) und Richard Attenboroughs Oh! What a Lovely War (1969) zugespro- 1 Keaton 1986, 115. 2 Vgl. Schulz 2006. 3 Frölich 2003. TV-Dokumentation: Lachen über Hitler. Ein Streit über Kunst und Moral von Nathan Jariv (ZDF: 25.5.1988). 4 Selbst in Filmografien zum Ersten Weltkrieg sucht man die meisten Filme vergebens, auch wenn diese nach Genres und thematisch gegliedert sind wie bei Herman 1997. 156 Matthias Steinle chen wird.5 Freunden des britischen Humors mögen noch zahlreiche Sketche aus Mon- ty Python’s Flying Circus (1969-1974) oder Rowan Atkinsons Blackadder Goes Forth (The Black Adder – An der Westfront 1917, 1989) bekannt sein. Doch bereits in klassischen Slapstick-Komödien wurde das Thema aufgegriffen. Mit diesen möchte ich nicht nur vor dem Großen Diktator ansetzen, sondern auch die Perspek- tive einmal umdrehen. Anstatt von einem generellen Widerspruch auszugehen, sei auf Parallelen zwischen Krieg und Burleske verwiesen: ein prinzipiell chaotischer Charakter, die Entwicklung einer Eigendynamik mit nicht kalkulierbaren Folgen, Kontrollverlust der vermeintlichen Akteure, maximale Zerstörung der Umwelt und Deformation/Destruktion des menschlichen Körpers6, Verselbständigung der Dingwelt und Maschinisierung des Le- bendigen – Eigenschaften, die sowohl auf den Krieg wie auf Slapstick-Filme zutreffen. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch im Begriff ‚Lachbomben’ wider. Dieser geistert nicht nur durch die Literatur zum Slapstick und dient einer Publikation sogar als Titel für die nostalgische Erinnerung an „Die großen Filmkomiker“.7 ‚Lachbomben’ verweist auch auf die Kommunikation zwischen Film und Publikum, charakterisiert durch die notorische Unberechenbarkeit des Lachens, in das wir ausbrechen oder das gewaltsam aus uns herausplatzen kann.8 Den physiologischen Aspekt des Lachens hat Klaus Krei- meier dementsprechend als „Ekstase oder eine Katastrophe unseres Körpers“ beschrie- ben, eine zuweilen extremistische, ja terroristische Veranstaltung.9 Hat die Burleske bei den – auf den ersten Blick verführerischen – Analogien eine Kernkompetenz in der medialen Repräsentation des Krieges? Dafür spricht die zentrale These von Gerhard Paul, wonach die modernen Bildmedien versuchen, „das katastro- phisch antizivilisatorische Ereignis des Krieges zu einem zivilisatorischen Akt umzu- formen, ihm eine Ordnungsstruktur zu verpassen, die dieser per se nicht besitzt“, so dass „die medial generierten Bilder des Krieges zur immer wieder neuen Illusion seiner Plan- und Kalkulierbarkeit“ beitrügen.10 Programmatisch betreibt die Burleske das Ge- genteil, indem sie eine „als einheitlich unterstellte Welt zerstückelt“ und die Autorität des Staates und seiner Vertreter ebenso wie die Autorität konventioneller Narration und Repräsentation lustvoll unterläuft und hintertreibt.11 Ist dementsprechend die an der Errettung des Burlesken arbeitende Slapstick-Komödie nicht nur der mögliche An- ti-Kriegsfilm jenseits der Aporie, dem Kritisierten durch die Darstellung Struktur und Realität zu verleihen, sondern auch der eigentliche Kriegsfilm?12 Oder greift nicht auch eine Apologie der Burleske zu kurz? Bei aller narrativen und gestalterischen Freiheit ist auch diese durch Genre-Grenzen und Wahrnehmungskon- ventionen gerahmt. Genre-konstitutiv ist das Lachen des Publikums. Grundlage dafür 5 Es handele sich um „[…] burlesque stories, which, for the first time, made fun of the conflict.“ Sorlin 1999, 23. 6 Bereits Méliès löst Gestalten buchstäblich in Rauch auf und amüsiert sich bspw., seinen Kopf aufzupumpen und platzen zu lassen wie in L’homme à la tête de caoutchouc (Der Mann mit dem Gummikopf, 1901). Vgl. Michaud 2004, 61f. 7 Giesen 1991. 8 Visarius 1997, 10. 9 Kreimeier 1997, 32. 10 Paul 2004, 11. 11 Brandlmeier 1983, 20. 12 Siehe den Artikel von Burkhard Röwekamp im Band. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 157 ist die „zeitweilige Anästhesie des Herzens“, wie Bergson jene notwendige „Gefühllo- sigkeit“ nennt, um über das Leid anderer lachen zu können.13 Das Komische wende sich an den „reinen Intellekt“, das Lachen vertrage „sich nicht mit Gemütsbewe- gung“.14 Billy Wilder hat diese Grenzen folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „[E]in Mann, der die Straße langläuft, hinfällt und wieder aufsteht ist komisch. Einer der hinfällt und nicht mehr aufsteht, ist nicht mehr komisch. Das ist ein tragischer Fall.“15 Wilders treffende Definition verweist auf ein zentrales Tabu der Burleske in der Kombination von Krieg und Komik, das auf den menschlichen Körper und dessen Wahrnehmung zielt: Eine realistische Darstellung von Schmerz oder Tod ist mit dem Genreversprechen nicht vereinbar: „Despite all the violence, the chases, the slug- gings, the caddishness, the deformities, the shootings, and all the improbable viola- tion of natural laws – nobody is hurt, no one continues to suffer, no one goes hungry, no one cries, and no one ever dies.“16 Wie geht der Slapstick mit dem Widerspruch um, unverwüstliche Körper von comichafter Regenerationsfähigkeit mit einem Ereignis zu konfrontieren, das auf die reale Zerstörung von Leben zielt? Fragmentarischer Rückblick Bereits 1897 bot Méliès den Film Corvée de quartier accidenté als „scène militaire co- mique“ an.17 Eine komische Behandlung des Krieges selbst ist allerdings im frühen Kino nicht ausfindig zu machen. Was sich heute noch finden lässt sind anekdo- tisch-heitere Darstellungen des Militärischen, wie sie dann genrekonstitutiv für den Militärschwank geworden sind. Im Militärschwank wird generell die eigentliche Funk- tion des Militärs, ganz banal Kriegführen und Töten, nicht thematisiert und das Sol- datendasein als lustiges Kasernenleben mit amourösen Abenteuern romantisiert. Mit Blick auf den deutschen Militärschwank hat Knut Hickethier das Militärische als den „schwarzen Bodensatz des Kinos“ beschrieben, was auf „die Dominanz des militäri- schen Geistes, des alltäglichen Befehlstons und Gehorsams, der Uniformen und des Kasernenhofdrills im normalen Leben“ zielt.18 Aber auch in anderen nationalen Kine- matografien sind Filme, die militärische Abenteuerromantik und Männerbilder iro- nisch-subversiv brechen, wie beispielsweise Ernst Lubitschs Die Bergkatze (1921) oder Jean Renoirs Tire-au-flanc (Drückeberger, 1928) die Ausnahme.19 Komische Darstellungen in Kriegszeiten galten unter den Vorzeichen der Verun- glimpfung zumeist dem Gegner. Im Ersten Weltkrieg verbreiteten vor allem russische20, französische21 und US-amerikanische Filme „Hate-the-Hun propaganda“22, die die Deut- 13 Bergson 1948, 8f. 14 Ebd., 77. 15 Zit. nach Marschall 1999, 756. 16 Sufrin 1956, 22. Vgl. Mast 1979, 50. 17 Filmografie in Malthête 1996. 18 Hickethier/Bier 2000, 71. 19 Vgl. die französischen „vaudevilles militaires“, die vor allem in den 1930er Jahren populär waren. Moine 2002, 143f. 20 Gheorghiu-Cernat 1983, 85f.; Youngblood 1999, 174. 21 Daniel 1972, 37ff. 158 Matthias Steinle schen als barbarische Hunnen mit Pickelhaube anprangerte. Dieser Gräuelpropaganda zufolge zogen die wilhelminischen Truppen heimtückisch mordend, belgische Nonnen vergewaltigend und Babys aus dem Fenster werfend durch die besetzen Länder.23 Gro- teske Elemente und komische Effekte dienten dazu, den Gegner zu diffamieren und der Lächerlichkeit preiszugeben. Die britische staatliche Filmpropaganda enthielt sich solcher Feindbilder.24 Ebenso die deutsche, wobei „feldgraue Humoresken“ wie Ulanenstreiche (1914), Ein Unteroffizier und zwei Mann (1914) sowie Wir Barbaren (1915) explizit Klischees der gegnerischen Gräuelpropaganda aufgriffen, um „in sati- rischer oder ,heiterer Form’ die dort gezeigte Brutalität der deutschen Soldaten als Vorurteil und Lüge zu entlarven.“25 Pathetisch-heroische Dramen dominierten die na- tionalen Filmproduktionen. Allerdings spielten die Leinwandkomiker in den romani- schen Ländern auch mit dem und im Krieg: In Italien beispielsweise André Deeds in Cretinetti e le aeromobili nemiche (Cretinetti and the Enemy Planes, 1915) oder Ray- mond Frau als Kri Kri in Kri Kri contro I gas asfissianti (Kri Kri against the Poison Gas, 1916).26 In Frankreich inszenierte Louis Feuillade Ende 1914 den jungen René-Georges Poyen in der Lausbubenfigur des Bout-de-Zan, der sich zum Militär melden will (Bout-de-Zan veut s’engager), als Krankenpfleger arbeitet (Bout-de-Zan infirmier), in den Krieg zieht (Bout-de-Zan s’en va-t-en guerre) und dort weitere Abenteuer besteht (Bout-de-Zan et l’espion, sowie 1915: Bout-de-Zan et l’embusqué, Bout-de-Zan et le poi- lu).27 Max Linder kämpfte zunächst als Soldat und nach mehrfacher Verwundung an der Propagandafront weiter: auf Tourneen sowie im Film Max et l’espion (1917) gegen ei- nen feindlichen Spion.28 Shoulder Arms (1918): Chaplins Modell für den Grabenkrieg Charles Chaplins Haltung zum Krieg war widersprüchlicher als die seines ‚Profes- sors/Lehrers’, so seine berühmte Widmung an Max Linder. Einerseits litt er unter der „Religion des Krieges“ und der bellizistischen „Hysterie“ in den Vereinigten Staaten, die er rückblickend in seiner Autobiografie anprangert, andererseits beteiligte er sich aktiv an der offiziellen Propaganda.29 Dieser Widerspruch hat sich auch in Shoulder Arms (Gewehr über, 1918) eingeschrieben, der nicht nur unter der Fragestellung Krieg und Komik ein Schlüsselfilm ist, sondern darüber hinaus Grundlagen der Narration und der mise-en-scène für Filme über den Ersten Weltkrieg generell entwickelt hat. Weil der Brite Chaplin sich nicht freiwillig melden wollte, wurde bereits 1914 der Vorwurf des Drückebergers laut und mit dem Kriegseintritt der USA 1916 setzte sogar 22 DeBauche 1997, 36; DeBauche 1999, 140f. Zum Krieg in Nachkriegskomödien ebd., 153f. Siehe auch die vom SDR produzierte Dokumentation Der Deutsche als Hunne. Hollywoods Feindbild im Ersten Weltkrieg (1995) von Hans Beller. 23 Zur Realität der Vorwürfe siehe die detaillierte Studie von Horne/Kramer 2004. 24 Reeves 1999, 32ff. 25 Korte 1994, 311. 26 Auch Farulli si arrulo (Farulli Enlists, 1916). Vitelleschi 1999, 163ff. 27 Daniel 1972, 43; Inhaltsangaben in Lacassin 1995, 178, 181ff. 28 Daniel 1972, 49; Gheorghiu-Cernat 1983, 78. 29 Chaplin 1977, 221, 227. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 159 eine politisch motivierte Kampagne gegen ihn ein. Um dies zu konterkarieren unter- stützte Chaplin die britischen Kriegsanstrengungen finanziell. Auch ließ er in einer Presseerklärung im Juni 1917 verlauten, dass er vom Rekrutierungsbüro wegen Unter- gewicht wieder nach Hause geschickt worden sei. Vor allem aber war er an der Heimat- front aktiv, indem er an Kampagnen zur Unterzeichnung von Kriegsanleihen mitwirk- te30: Auf einer Liberty-Bond-Tournee im April 1918 mit Douglas Fairbanks, Mary Pick- ford und Rob Wagner erklärte Chaplin bei einer Ansprache in New York: „In dieser Mi- nute sind die Deutschen in der stärkeren Position, und wir müssen die Dollars zusam- menkriegen. Das Geld muß unbedingt rüber, damit wir diesen alten Teufel von einem Kaiser aus Frankreich vertreiben können!“31 Im Mai drehte Chaplin The Bond, einen zehnminütigen Werbefilm für Kriegsanleihen, den er der Regierung kostenlos zur Ver- fügung stellte. Dieser „seltsame kleine Film“ mit „proto-expressionistische[m] An- strich“ endet mit Charlie, der den Kaiser von hinten mit einem überdimensionierten Hammer außer Gefecht setzt (Abb. 1-3).32 Für The Bond nutzte Chaplin u. a. die Kostü- me aus Camouflage, wie der Arbeitstitel zu Shoulder Arms lautete, dessen Dreh er An- fang Mai 1918 begonnen hatte. Abb. 1-3 „De Mille sagte: ‚Es ist gefährlich, sich in dieser Zeit über den Krieg lustig zu machen.’ Gefährlich oder nicht, ich fand den Gedanken aufregend.“33 Trotz der Warnung von Freunden drehte Chaplin eine Komödie im Krieg über den Krieg, die zwei Wochen vor Unterzeichnung des Waffenstillstands in New York anlief.34 Shoulder Arms wurde einer der erfolgreichsten Filme Chaplins und war in mehrfacher Hinsicht stilbildend: Dies betrifft vor allem die narrative Struktur, die zentrale Stationen markiert: Gezeigt wird der Weg vom Ausbildungslager in den Kriegsalltag, der Kampfeinsatz im Graben, die Bewährungsprobe im Niemandsland, der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung bis hin zum gefeierten Kriegsende.35 Die Rahmenhandlung, die die Fronterlebnisse als Traum eines einfachen Rekruten markiert, rechtfertigt die Wunschfantasie ebenso wie das Heldentum des komischen Anti-Helden, der den Kaiser gefangen nimmt. Shoulder Arms präsentiert eine Reihe von Themen mit spezifischen Darstellungsformen, die 30 Maland 1989, 35f.; DeBauche 1997, 155f. 31 Zit. nach Robinson 1989, 285. 32 Ebd., 292. 33 Chaplin 1977, 221. 34 Hintergründe zur Aufführung und Werbung für den Film in den letzten Kriegstagen in DeBauche 1997, 148ff. 35 Die ursprüngliche Struktur sah drei Akte vor, beginnend mit einer Szene im Zivilleben, wobei die Ehe mit einem Hausdrachen das – nicht gerade patriotische – Motiv für die Meldung zur Front ist. Vgl. Robinson 1989, 289. Eine Sequenzgrafik findet sich in Korte 1994, 316. 160 Matthias Steinle sich im Folgenden zu Genrebausteinen des (Anti-)Kriegsfilms verfestigt haben: den militärischen Drill der Ausbildung, die unmenschlichen Lebensbedingungen im Krieg speziell im Schützengraben (Ungeziefer, schlechtes Essen, Heimweh, Scharfschüt- zen, Schlamm, Überschwemmung), Post aus der Heimat, den unfreiwilligen Einsatz für ein Himmelfahrtskommando, den ‚guten’ Geheimagenten hinter den feindlichen Linien, die heimtückisch-primitiven Feinde, die Lovestory mit der schönen Einheimi- schen, Sieg gegen die Überzahl dank List usw. Dass der Film so breit anschlussfähig ist, liegt an der Kombination aus realistischen und absurd bis surrealistischen Elementen bei gleichzeitig humanistischem Pathos. Der Realismus von Chaplins Grabenrepräsentation wurde von ihm selbst betont, als er den Film nach mehr als 50 Jahren neu herausbrachte und diesem dokumentarische Bilder vor- anstellte, um die authentische Qualität der Kulissen vorzuführen.36 Weniger authentisch ist die Darstellung der Deutschen, die den Feindbildern alliierter ‚Hunnenfilme’ entspre- chen: Einerseits die hünenhaften, vollbärtigen und leicht tumben Soldaten mit Pickel- haube (die im Grabenkrieg längst der weniger auffällige Stahlhelm abgelöst hatte), die von Charlie gefangen genommen werden – auf die Frage, wie Charlie 13 Gegner alleine überwältigen konnte, antwortet er: „I surrounded them.“ – und sich von seiner Verklei- dung wahlweise als Baum oder deutscher Chauffeur hinters Licht führen lassen. Anderer- seits die Offiziere: der eine klein und gemein, wie der Führer der gefangen genommenen Gruppe, der andere lüstern und auf die Vergewaltigung des Mädchens aus (Abb. 4). Und nicht zuletzt der naive Kaiser, der sich so einfach entführen lässt (Abb. 5). Dabei sind die Figuren so überzeichnet, dass die Grenze zwischen Klischee und der Karikatur des Kli- schees schwer zu bestimmen ist37 – wovon entscheidend die Wahrnehmung als Kriegs- oder Antikriegsfilm abhängt. Die eingangs erwähnte widersprüchliche Haltung Chaplins zum Ersten Weltkrieg findet in dem Nebeneinander zwischen Antikriegspathos und kriegs- kompatiblen Feindbildern ihren Ausdruck. Diese Polyvalenz, die im Werk – bewusst oder unbewusst – angelegt ist, zeigt sich auch darin, dass im Zweiten Weltkrieg die US-Army um Kopien von Shoulder Arms nachsuchte. „Chaplin war sehr erfreut, daß man sich von diesem fünfundzwanzig Jahre alten Film immer noch einen Wert für die Kampfmoral ver- Abb. 4 Abb. 5 36 Robinson 1989, 291. 37 Helmut Korte sieht in der „maßlosen Übersteigerung eine satirische Umkehrung der offiziellen ‚Hunnenfilme’“. Korte 1994, 320. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 161 sprach“.38 In der Weimarer Republik blieb Shoulder Arms verboten und in der Bundesre- publik wurde er erst Anfang der 1970er Jahre gezeigt.39 Ein deutscher Pädagoge merkte dazu – noch 1984! – an: „Und außerdem finden sich in ‚Gewehr über’ einige Szenen, in denen die Deutschen wirklich nicht gut wegkommen und so beim Publikum lächerlich ge- macht werden.“40 Neben den Feindbildern, die Chaplin ironisch bricht und/oder affirmativ bedient, steht das Motiv des ‚kleinen Mannes’, der zum Opfer der Mächtigen wird. Deutlich zeigt dies die Szene mit dem ‚Gartenzwerg-Offizier’, der nach der Gefangennahme die von Charlie angebotene Zigarette nur annimmt, um sie verächtlich wegzuwerfen, worauf Charlie ihn zur Freude der deutschen Soldaten übers Knie legt.41 Damit etablierte Cha- plin einen diskursiven Topos des Anti-Kriegsfilms: Über die Schützengräben hinweg herrscht Mitgefühl unter den einfachen Soldaten, die dem Geschehen und der Willkür ihrer Vorgesetzten hilflos ausgeliefert sind. So war es dann möglich, dass Milestone in All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues, 1930) Deutsche, obwohl laut Versailler Vertrag die ‚Schuldigen’ des Krieges, als universelle Opfer zum Sinnbild des Anti-Kriegsfilms erheben konnte. Und die Figur des Landsers als Opfer der Nazis war auch nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland perfekt anschlussfähig, so wie das Motiv des guten Krieges mit schlechten Führern die zeitlos reaktionäre Seite des Kriegsfilm-Genres bildet. In der Szene, die ein Zwischentitel mit „Two of a kind“ ankündigt, sieht man Char- lie, wie er das gegnerische Gewehrfeuer zum Weinöffnen und Zigaretteanzünden nutzt, um dann umgeben von Explosionen ungestört zu essen. Chaplin verwendet hier die Methode burlesker Funktionsverkehrung, um damit Herr einer fremdbestimmten Situa- tion zu werden. Was in dieser Szene das Potential des Slapstick kreativ nutzt, ist zum Klischee des coolen Kriegers geronnen, wie ihn beispielsweise Humphrey Bogart in der Eingangssequenz von The Roaring Twenties (Die wilden Zwanziger, 1939) gibt, in der er als Soldat Zigarette rauchend und Sprüche klopfend im Bombentrichter den Kugelhagel über sich ergehen lässt. Was Shoulder Arms einen reflexiven Charakter verleiht, ist das Vorführen von Wahr- nehmungsdispositiven des modernen Krieges, der vor allem durch den Verlust jeglicher (vor allem visueller) Erkenntnismöglichkeit charakterisiert ist: Gerade der Grabenkrieg entzog sich der filmischen Abbildbarkeit und Chaplin geht soweit, die Szenerie vollkom- men in Staubwolken explodierender Granaten zu hüllen (Abb. 6), so dass der Zuschauer ähnlich den Protagonisten nichts mehr erkennen kann. Dementsprechend ist es unmög- lich, einen Überblick zu gewinnen und der Film gewährt auch keinen Blick aus dem Gra- ben heraus – eine Perspektive vom Feldherrenhügel ist nicht mehr möglich.42 Der Angriff wird elliptisch gezeigt, was zwischen dem Sturm aus dem eigenen und dem eroberten 38 Robinson 1989, 599. 39 Korte 1994, 320. 40 Baier 1984, 99. 41 Dabei handelt es sich um ein Argument der Kriegspropaganda auf beiden Seiten: So zeigt sowohl der britsche Film Battle of the Somme (1916) wie auch die deutsche Antwort auf diesen Bei unseren Helden an der Somme (1917) Soldaten, die den Gefangenen Zigaretten reichen. „Die Botschaft war und ist eindeutig: Sobald der Kampf zu Ende ist, ist auch die Feindschaft vorüber.“ Brandt 2001, 271. 42 Köppen 2005. 162 Matthias Steinle deutschen Graben passiert, bleibt ausgeblendet. Das entspricht der Wahrnehmung zeit- genössischer Kameramänner an der Front, weswegen auf nachgestellte Bilder zurückge- griffen werden musste, wollte man Kampfszenen zeigen. Um überhaupt einen Blick auf das Schlachtfeld werfen zu können, benötigt Charlie als technische Sehhilfe eine Art Pe- riskop (Abb. 7), um dann via Zielfernrohr auf Distanz zu töten (Abb. 8). Auch hier wird das Resultat nur durch seine Treffer markierenden Kreidestriche angedeutet, der Tod bleibt den Genrekonventionen gemäß ausgeblendet. Abb. 6-8 Nicht wahrnehmbar zu sein ist von vitaler Bedeutung, wie auch die Sequenz hinter den deutschen Linien verdeutlicht: In seiner Tarnung als Baum bleibt Charlie für die Deutschen unsichtbar bzw. als er sich dann zu erkennen geben muss und flieht, er- kennt der ihn im Wäldchen verfolgende Deutsche sprichwörtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Verlust des Überblicks, technische Wahrnehmungshilfen, Camouflage – Paul Virilio hätte auch Shoulder Arms als Beleg für seine These heranziehen können, dass im Ersten Weltkrieg als erstem „mediatisierte[n] Krieg der Geschichte“, die Rea- lität der Kriegslandschaft kinematisch und der Gegner unsichtbar geworden ist.43 Yankee Doodle in Berlin (1918): Sennetts patriotischer Knallfrosch In der Endphase des Krieges 1918 drehte F. Richard Jones für Mack Sennett mit des- sen Truppe (u. a. Marie Prevost, Ben Turpin, Ford Sterling, Edgar Kennedy, Chester Conklin) Yankee Doodle in Berlin. Wahrscheinlich scheute Sennett die Gleichzeitigkeit von Krieg und Burleske, so dass der Film erst Anfang 1919 in die Kinos kam.44 Die Tat- sache, dass der Stoff nicht im Format eines two-reelers verarbeitete wurde, sondern als five-reeler von 58 Minuten Länge, spricht für das Potential, das der King of Come- dy45 dem Projekt zumaß. Yankee Doodle in Berlin erregte allerdings keine große Auf- merksamkeit und findet auch in Sennetts Autobiografie keine und in der Literatur be- stenfalls nur kursorische Erwähnung, was angesichts des Themas und Sennetts film- historischer Bedeutung überrascht.46 43 Virilio 1989, 156f. 44 Anlaufdatum: 20.3.1919. Sherk 1998, 225. 45 Sennett 2000, 135. Zur Rolle Sennetts vgl. Mast 1979, 45. 46 Von einer gut aufgenommen Vorführung berichtet die Zeitschrift Variety (14.3.1919), in: < www.silentsaregol- den.com > (17.1.2006). Vgl. Sennett 2000; Luvish 2003, 190. Längere Ausschnitte des Films finden sich in den Dokumentationen The Moving Picture Boys in the Great War (1975) von Larry Ward und Der Deutsche als Hunne (1995) von Hans Beller. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 163 Die Story klingt krude – und der Film ist es umso mehr: Die Amerikaner schicken ei- nen Spion nach Deutschland, der die Kriegspläne auskundschaften soll. Dabei handelt es sich um Captain Bob, gespielt von Bothwell Browne, seinerzeit ein bekannter Frau- endarsteller. Bobs Plan ist es, sich in Frauenkleidern in den Kaiserpalast einzuschlei- chen und die gegnerischen Pläne herauszufinden. Der Husar(inn)enstreich gelingt – nebenbei befreit der amerikanische Held eine versklavte junge Belgierin –, so dass die USA am Ende auf dem Schlachtfeld einen glorreichen Sieg erringen können. Die Handlungselemente sind dem Genre des Spionagefilms entlehnt, das im Ersten Weltkrieg bei allen beteiligten Staaten Konjunktur hatte. Sennett bedient dabei sämt- liche Klischees des Deutschen als Hunnen: Der leicht dümmliche Kaiser mit adlerbe- setzter Pickelhaube schummelt beim Cricket (Abb. 9), seine matronenhafte Ehefrau leert riesige Bierhumpen zum „five o’clock Bier“ (Zwischentitel, Abb. 10), der Kron- prinz ist ein schmächtig-hinterhältiger Kerl und streitet sich mit „Hindy“ Hindenburg und seinem Vater um die schöne Unbekannte, in der natürlich keiner den verkleideten Spion ahnt. Das omnipräsente Eiserne Kreuz ist überdimensional groß, wird inflationär verliehen und zwischendurch sogar von einem Bauchladenverkäufer angeboten – aller- dings nur zweiter Klasse (Abb. 11). Abb. 9-11 Die deutschen Soldaten sind einfältig und/oder feige und/oder brutal und/oder hin- terhältig, peitschen wehrlose Frauen aus, wenn sie sich nicht gerade notgeil auf diese stürzen, und die Offiziere vereinigen als ordenüberladene Hampelmänner sämtliche Stereotype (Abb. 12-14). Abb. 12-14 Den Großteil des Films machen die Karikaturen der Hohenzollern und des Oberkom- mandos der Wehrmacht aus. Zumeist prügeln sie sich in bester Slapstick-Tradition un- tereinander, wobei schon mal der Kronprinz die Kaiserin festhält, damit der Kaiser ihr mit einem Faustschlag ins Gesicht beweisen kann, wer der Herr im Hause ist – meist flieht er aber vor der sämtliches Mobiliar zerstörenden Matrone. Szenen wie diese ver- 164 Matthias Steinle weisen auf das verstörende Potential der Burleske, die austestet, wie weit sie zu weit gehen kann. Auf dem Exzess gründen einige komisch-abstruse Bilder im bewussten Anschluss an die nicht-sinnhafte Struktur der Slapstick-Filme vorheriger Jahre.47 So werden zwar sämtliche Feindbilder bedient, aber es stellt sich ähnlich wie bei Cha- plin die Frage, inwieweit diese überzeichneten Karikaturen als Feindbilder taugen. Im Gegensatz aber zu Chaplin sind Komik und Lächerlichkeit einseitig verteilt: Den tumben Deutschen stehen die wackeren Alliierten gegenüber: allen voran der mutig- listige Held Bob mit seinem furchtlosen Helfer, die auf deutsche Hiebe zurückschla- gende Belgierin (Zwischentitel: „The spirit of Belgium“) und nicht zuletzt der gefange- ne irische Soldat, der respektlos die Deutschen beleidigt und sich in die Reichskriegs- flagge schnäuzt. Es ist diese manichäische Gegenüberstellung von positiven und ne- gativen Klischees, die der burlesken Subversion die Spitze nimmt. Gibt es bei Chaplin eine zivile Eigenlogik, die sich gegen das Militärische sperrt sowie einen humanisti- schen Diskurs, der auch die stereotyp gezeichneten Feinde einschließt, werden der Krieg und seine Mittel in Yankee Doodle in Berlin nicht in Frage gestellt oder zum Ge- genstand des Spottes. Im Gegenteil, die Zwischentitel präsentieren die US-Soldaten als „messengers of democracy“ und verherrlichen die Kampfhandlung. Der Krieg auf dem Schlachtfeld wird nur in einer kurzen, knapp zweieinhalb-minü- tigen Szene gezeigt, die aber den ästhetischen und propagandistischen Höhepunkt des Films darstellt: Während Chaplin den Grabenkrieg nur elliptisch und den Kampf Mann gegen Mann als Kunst der Tarnung und Verstellung inszeniert, zeigt Yankee Dood- le in Berlin den Krieg als großes Schlachtengemälde, bei dem in hoher Schnittfrequenz verschiedene Ebenen geschickt miteinander verbunden werden: Nachdem ein Zwi- schentitel „Americas answer“ ankündigt, sind aus Obersicht vorwärts stürmende US- Soldaten zu sehen, Bilder von Flugzeugen in Augenhöhe und aus der Froschperspekti- ve sowie Blicke auf das Schlachtfeld aus der Vogelperspektive und Totalen mit kämp- fenden Soldaten. Während die ästhetisierten Bilder der Flugzeuge und der Voranstür- menden – am Ende wird auch noch die US-Flagge durchs Bild getragen – den Krieg glorifizieren, zeigen die Totalen, wie die Burleske das Tabu des Todes respektiert: Die Kämpfe der miteinander ringenden Soldaten werden durch Tritt in den Hintern oder K.O.-Schlag zugunsten der Amerikaner entschieden. Mehrfach wird eine Szene im Zeit- raffereffekt eingeblendet, in der ein amerikanischer Soldat hinter zwei fliehenden Deutschen herrennt, kommentiert zunächst mit dem Zwischentitel „Leaving France“ und kurz darauf „Twenty-five miles nearer Berlin“. Die wohl bekannteste Szene aus dem Film bringt dann die bisher getrennt voneinander stattfindenden Kämpfe durch ein paralleles Motiv und gleiche tricktechnische Bearbeitung zusammen: Der Palast wird bombardiert und Kaiser, Kronprinz und Hindenburg fliehen aus diesem, verfolgt von einer waagrecht hinter ihnen fliegenden Granate mit der Aufschrift „U.S.“ (Abb. 15). Die drei rennen seitenverkehrt zur vorherigen Fluchtszene ebenfalls filmtechnisch beschleunigt davon. Als sie Schutz in einer Hütte suchen, explodiert die Bombe darin, worauf sie den Gesetzen des Genres folgend leicht lädiert aus den Trümmern schauen und ein Zwischentitel ironisch verkündet: „Going to a warmer climate. (Abb. 16)“ 47 Ballo 1989, 38. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 165 Abb. 15 Abb. 16 Sind nur die ‚Bösen’ lächerlich, haben die ‚Guten’ zumindest ein Anrecht auf einige komische Effekte, die vor allem mit dem Travestie-Motiv48 verbunden sind, dass Yankee Doodle in Berlin für beide Geschlechter durchspielt: Wie bei Chaplin verkleidet sich auch hier die junge Frau auf der Flucht als deutscher Soldat. Als sie Bobs Gehilfen aufsucht, sitzt dieser gerade auf einem Baum und beim Herabsteigen stößt er mit sei- nem Hinterteil an die Bajonettspitze ihres Gewehres. Nach dieser Verkehrung von phallischer Symbolik und angedeuteter Kastrations-/Penetrationsangst erfolgt quasi als Antwort auf diese Erniedrigung des Männlichen in der nächsten Szene eine sexuell aufgeladene Rache am Gegner: Zwei vorbeikommende deutsche Soldaten werden von der Belgierin und dem US-Soldaten gefangen genommen, woraufhin der Amerikaner ihnen die Hosenträger abschneidet, jeweils eine scharfe Bombe (Zwischentitel „Ten second bombs“) in die Hose schiebt und sie so gehandicapt zurücklaufen lässt. Diese Sequenz ist charakteristisch für den Humor des Films, der seinem subversiven Poten- tial die Spitze nimmt, indem die Triebabfuhr einseitig über die ‚Bösen’ erfolgt. Der Kleidertausch der Frauen hat bei Chaplin und Sennett nur die Funktion der tak- tischen Verkleidung. Provokant ist das Travestie-Motiv demgegenüber in Yankee Dood- le in Berlin, indem es der Mann souverän als Geschlechtertausch spielt (Abb. 17-19). Um den gender trouble, den ein als – äußerst attraktive – Frau verkleideter Kriegsheld provozieren könnte, zu relativieren, betonen Zwischentitel mehrfach, dass Bob wisse, was er tue und dies der einzige Weg sei, an die Pläne im Kaiserpalast zu gelangen. Die Erklärung des Geschlechtertauschs als rein strategisches Mittel steht teilweise konträr zur Bildebene, etwa wenn Bothwell Browne seinen berühmten Salome-Tanz aufführt und seine Performanz als ‚Frau’ eindeutige Geschlechtszuweisungen ad absurdum führt. Abb. 17-19 48 Rex Ingrams The Four Horsemen of the Apocalypse (Die vier apokalyptischen Reiter, 1921) enthält eine der be- kanntesten Travestie-Szenen im Kriegskontext, allerdings sind es hier deutsche Soldaten, die sich als Frauen verkleidet einem grotesk-widerwärtigen Spektakel in Tradition der ‚Hate the Hun’-Propaganda hingeben. 166 Matthias Steinle Trotz dieser Irritationen und ins Surreale gesteigerten Feindbilder sind in Yankee Doodle in Berlin fast alle Elemente und Gags funktional in die Logik vorgefertigter Propa- gandadiskurse eingebunden. Es scheint, als hatte Sennett Angst vor der eigenen Courage und hat dementsprechend in vorauseilendem Patriotismus die burleske Sprengkraft auf nationales Knallkörperniveau entschärft. Statt die Klischees vorzuführen und im besten Fall zur Kenntlichkeit zu entstellen, reitet der Film sie – wenn auch lustvoll – tot. Langdon im Kriegssetting: formale Experimente jenseits nationaler Ranküne Mack Sennett nannte Harry Langdon einen größeren Künstler als Chaplin49, aber als forgotten clown sind auch seine Filme, die im und mit dem Krieg spielen, in Verges- senheit geraten – und kein anderer Komiker findet sich so oft im Setting des Ersten Weltkriegs wieder wie Langdon. Auch dies ein Hinweis auf die „dunkle Seite“ des stil- len Clowns.50 1924 produziert Mack Sennett den zehnten two reeler mit Langdon: All Night Long (Eine ganze Nacht) unter Regie von Harry Edwards, für den Frank Capra und Arthur Ri- pley die Story entwickelt hatten. Die Rahmenhandlung zeigt Harry Hall, wie er um ein Uhr morgens im Theatersessel aufwacht. Auf seiner Brust ein Zettel: „Dear Hubby: Pleasant dream a widewake gentleman bring me home. Nanette.“ Als Harry das Kino verlassen will, trifft er auf Einbrecher und erkennt in einem seinen ehemaligen Vorge- setzten Sergeant Gale Wyndham (Vernon Dent) aus dem Krieg. Ihre Erinnerungen an die gemeinsame Soldatenzeit füllen als eigentlicher Filminhalt eine ganze Nacht. Die Binnenhandlung folgt den Stationen von der Etappe an die Front, wobei auf Genrebausteine aus Kriegsromanze und Militärschwank zurückgegriffen wird, wie z. B.: • der Küchendienst als Strafe und Erniedrigung – die Kriegsepisode beginnt mit Harry, der vor einem riesigen Berg zu schälender Kartoffeln sitzt; • der Brief aus der Heimat mit einem Foto der Freundin; • Kommunikationsschwierigkeiten mit der einheimischen Bevölkerung, was für komi- sche Effekte genutzt wird (z. B. ein Zwischentitel: „Can you parley voo?“); • Romanze zwischen Soldaten und schöner Belgierin; • und nicht zuletzt die Heldentat, die zur Beförderung und definitiven Eroberung der Frau führt. Zusätzlich zur kindlich-femininen Figur Harry Langdons, die das militärische Männer- handwerk der Lächerlichkeit preisgibt, werden die meisten Motive ironisch gebro- chen, wie etwa die Kriegspost, in der die Freundin in den USA erklärt, stolz auf Harry zu sein und berichtet, beim Ausgehen mit der homeguard nur an ihn zu denken. Au- ßergewöhnlich und besonders interessant ist die Inszenierung des Krieges sowohl auf der narrativen wie auf der visuellen Ebene: Harry und sein Vorgesetzter finden sich an 49 Dreiser 1928, 126. 50 Siehe das Kapitel „Footnote: Arthur Ripley and the Dark Side of Langdon’s Comedies“ in Rheuban 1983. Zu kurz greift auf jeden Fall die verniedlichende Charakterisierung von Langdon als „kleine Elfe“, wie es der Grundtenor ist bei Schelly 1982, 34ff. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 167 vorderster Front in typischer Erster Weltkriegs-Ikonografie mit Stacheldraht, Gräben, Bombenkratern, ödem Niemandsland, zerstörten Gebäuden und dem Aufblitzen von Geschossen wieder. Die technischen Möglichkeiten des Mediums werden für komische Effekte genutzt, wenn die auf allen Vieren kriechenden Soldaten im Zeitraffer sich im Bombentrichter in Sicherheit bringen. Die burlesk-surreale Verkehrung der Funktio- nalität von Gegenständen regiert, wenn Harry versucht, sich mit Hilfe einer scharfen Handgranate vom Stacheldraht zu befreien (Abb. 20). Als diese explodiert, sieht man ihn in einem Erdhaufen stecken, aus dem fast senkrecht vor seinem Oberkörper Beine herausragen (Abb. 21). Zunächst entsteht der Eindruck, dass Harrys Körper in Mitlei- denschaft gezogen wurde, und die aus der Erde ragenden Beine zu ihm gehören – nach der Logik des Slapstick ließe sich das wieder ‚einrenken’, dann aber wird ein zweiter, lebloser Körper herausgezogen, zu dem die Beine gehören – doch ein Toter? –, der sich letztendlich als sein noch lebender Vorgesetzter entpuppt (Abb. 22). All Night Long verweist mit schwarzem Humor auf die Zerstörung des Körpers im Krieg und treibt diesbezüglich ein zynisches Spiel mit den Genrekonventionen und der Zu- schauerwahrnehmung.51 Abb. 20-22 Um sich an Harry zu rächen, weil der ihm Nanette ausgespannt hat, schickt der Serge- ant ihn auf einen Posten, den das Schild „Suicide Post“ krönt. Auf seinem Weg dort- hin wird er von einem Scheinwerfer erfasst, worauf er einen Stein in dessen Richtung schmeißt. Als Antwort fliegt eine Rakete an ihm vorbei. Auf der Flucht klettert Harry auf einen Pfahl, der mit Granaten beschossen wird, die diesen beschädigen und schließlich zu Fall bringen. (Abb. 23-25) – Diese Szene ist auch als „Selbstkastrati- on“52 beschrieben worden, ein symbolischer Akt, in dem Langdons Angst vor Frauen zum Ausdruck komme53. – Ähnlich wie Shoulder Arms charakterisiert All Night Long Wahrnehmungsdispositive im Krieg: Harrys Versuch, einen Überblick zu gewinnen, scheitert und macht ihn im Gegenteil zur Zielscheibe des Gegners. Der Feind ist in All Night Long nur immateriell durch die Lichtkegel der Scheinwerfer oder kinetisch in Form von vorbeifliegenden Granaten präsent. Auffällig in dieser Szene wie für den ganzen Film ist die völlige Abwesenheit von Feindbildern. Der Krieg entzieht sich jeder raum-zeitlichen Logik und damit jeder verstehenden Wahrnehmung, wie die folgende Szene verdeutlicht, die sich erst nach mehrmaligem 51 Joyce Rheuban spricht sogar im bewussten Rekurs auf den später entstandenen Genrebegriff von „film noir“. Rheuban 1983, 226. 52 Král 1986, 251f. 53 McBride 1993, 150. 168 Matthias Steinle Abb. 23-25 Sehen erschließt: In völliger Dunkelheit lassen Lichtblitze Truppenbewegungen erah- nen. Als eine Bombe Harrys Posten trifft wird er durch die Luft gewirbelt und im Flug fällt ihm ein Colonel auf den Rücken, den Harry darauf in der Waagerechten rennend an fünf weiteren Explosionen vorbei trägt. Dies ist fast nur als „musikalisch- rhythmisiert aufblitzende helle Flächen“54 wahrzunehmen. In den Worten Alfred Pol- gars könnte man sagen: „Die Schwerkraft ist ziemlich aufgehoben... Der Terror der Wahrscheinlichkeit ist gebrochen.“55 – das Prinzip der Burleske siegt über die Realität des Krieges. Ungewöhnlich sind auch die Geschlechterkonstruktionen: Kontrastierend zu Langdons Eigenschaften, die traditionell Frauen zugeschrieben werden – Zurückhaltung, Passivität, Stille – sind die weiblichen Rollen sichtbar, aktiv und laut.56 So auch Nanette (Natalie Kingston), die als erste Harry küsst und selbstbewusst mit ihm flirtet. Auch wird sie nicht zum Opfer vergewaltigungslüsterner Hunnen wie bei Chaplin. Vielmehr blickt sie souverän auf eine infantile Männerwelt hinab, wie es das Filmende auf den Punkt bringt: Nachdem der Sprengstoff der Einbrecher explodiert ist, zeigt eine Ellipse die beiden Männer am ganzen Körper bandagiert in einem von Nanette geschobenen Kinderwagen-ähnlichen Gefährt. Begleitet werden sie von drei Kindern, von denen eines Harrys Kriegskameraden, d. h. ihrem vorherigen Liebhaber, ähnelt und sogar nach diesem benannt ist, was einen souveränen Umgang mit fremder Vaterschaft signalisiert. Nachdem die Filmhandlung Kriegsheldentum als akzidentell vorgeführt hat, wird auch das Militärische bzw. dessen glorifizierende Präsentationsform visuell lächerlich gemacht: Die Schlusssequenz zeigt Dokumentaraufnahmen einer Militärparade, zu der die beiden ‚Verwundeten’ sich erheben und aufgrund verbundener Gliedmaßen vogel- scheuchenhaft salutieren (Abb. 26-28). Ein intellektueller Montageeffekt vereinigt dokumentarische Bilder vom Militär und verwundete Körper, was in den Kampfhand- lungen noch als Gag umgangen wurde. Die Szene liest sich wie ein ironischer Kommentar auf die Parade, die King Vidor 1925 zum Ausgangspunkt von The Big Parade (Die große Parade) machte. Auf die Spit- ze getrieben hat das Motiv Ernst Lubitsch 1931 in The Man I killed / Broken Lullaby (Der 54 Ellenbruch 2005, 61f. Peter Ellenbruch weist in diesem Zusammenhang auf die Nähe der Slapstick-Komödie zum Experimentalfilm hin, da es „weniger um eine nachvollziehbare Handlung geht, sondern um eine mitvollziehba- re Bewegungskomposition, die den Betrachter fesselt“ (ebd.). 55 Zit. nach Brandlmeier 1983, 26. 56 Rapf 2005, 31f. Gerald Mast beschreibt Langdon als „a combination of clown, infant, and hermaphrodite“. Mast 1979, 166. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 169 Abb. 26-28 Mann, den sein Gewissen trieb) mit Bildern einer Militärparade, die die Kamera hinter der am Straßenrand jubelnden Bevölkerung auf Kniehöhe einfängt und die nur zu se- hen ist, weil das fehlende Bein eines Kriegsversehrten den Blick auf die Vorbeipara- dierenden freigibt. Für den Erfolg von All Night Long spricht ein Remake aus dem Jahr 1935 von Arthur Ripley als Columbia-Kurzfilm: In The Leather Necker spannt Harry diesmal als marine in Südamerika dem Sergeant die Frau aus.57 1926 drehte Langdon mit dem gleichen Produktionsteam einen three reeler, dessen Titel auf den Inhalt verweist: Soldier Man. Der Film verwendet den Ersten Weltkrieg al- lerdings nur als Ausgangspunkt der Handlung: Harry ist bei seinem ersten Fronteinsatz gleich von den Deutschen gefangen genommen worden, wie aus seinen Tagebuchein- tragungen hervorgeht. Am Tag des Waffenstillstands gelingt ihm die Flucht, so dass er vom Kriegsende nichts mitbekommt. Obwohl er seine Truppe nicht mehr findet – Zwi- schentitel: „Hey army!“ – hält er monatelang die Stellung. Harry befindet sich im Kö- nigreich Bomania (vgl. Chaplins Tomania im Great Dictator, in Soldier Man verweist das Setting aber eher auf die Donau-Monarchie) und setzt den Kampf fort, jetzt gegen ei- nen Bauern, der Sprengstoff benutzt, um Baumwurzeln aus der Erde zu entfernen. Im Palast des versoffenen King Strudel, gespielt von Langdon in einer Doppelrolle, gerät Harry in eine Intrige des Militärs. Die Armee will verhindern, dass der König eine Re- volte stoppt, denn sonst „We all have to go to work“, wie ein Zwischentitel ironisch das parasitäre Selbstverständnis der Offiziere präsentiert. Harry findet sich auf dem Platz des Königs wieder und erobert die mordlüsterne Königin, bevor sich die Hand- lung als Traum entpuppt. Von seiner Freundin geweckt, bekommt er die Gamaschen ge- schnürt, um an einer großen Siegesparade teilzunehmen. Vor der operettenhaften Ku- lisse von Soldier Man stechen die visuellen Schockbilder, formalen Experimente und narrativen Freiheiten von All Night Long umso mehr hervor. Beim Publikum erwies sich Soldier Man als „box-office hit“.58 Im gleichen Jahr wie Soldier Man realisiert Langdon jetzt als sein eigener Produ- zent unter Regie von Frank Capra den abendfüllenden Film The Strong Man (Der starke Mann). Auch dieser wählt den Ersten Weltkrieg als Ausgangspunkt der Handlung und setzt ein mit typischen Kriegsbildern (zerstörte Häuser, angreifende Soldaten im Feld, Kanonen, Fliegerstaffel) unter Verwendung zeithistorischer Dokumente. An vorderster Front im Niemandsland steht Langdon als belgischer Soldat Paul Bergot einem bulligen 57 Rheuban 1983, 52. 58 Schelly 1982, 46. 170 Matthias Steinle Deutschen (Arthur Thalasso) gegenüber, der mit einer Pistole auf ihn schießt. Doch anstatt mit dem Maschinengewehr zu antworten, beschießt Paul den Feind per Stein- schleuder mit Zwieback und Zwiebeln aus der Verpflegungstasche und vertreibt ihn zunächst (Abb. 29-30). Abb. 29-31 Der deutsche Soldat mit Stahlhelm und grimmigem Blick wird dem Hunnen-Klischee entsprechend inszeniert, bis eine überraschende Wendung erfolgt: Dem Deutschen ge- lingt es, sich von hinten an Harry/Paul heranzuschleichen, ihn gefangen zu nehmen und mit ihm unter dem Arm sich hinter die eigene Front zurückzuziehen (Abb. 31). Schnitt: ein Zwischentitel kündigt das Kriegsende an und Schlüsselbilder aus New York signalisieren einen Ortswechsel. Die beiden ehemaligen Kriegskontrahenten be- finden sich in den USA, wo der Deutsche als ‚starker Mann’ Zandow the Great assistiert von Paul auftreten will. Letzterer ist zudem auf der Suche nach der attraktiven Auto- rin von Briefen, die sie ihm als Rote Kreuz-Post an die Front geschickt hatte. Da er nur ihr Foto hat und nicht mehr als ihren Namen kennt, ist der Weg zum Glück mit allerlei burlesken Komplikationen verbunden. Überraschend ist, wie natürlich die anfangs zi- tierten Feindbilder der Gräuelpropaganda als gegenstandslos vorgeführt werden. In der eigentlichen Filmhandlung spielt dann weder der Krieg noch die Kriegserfahrung eine Rolle. Auch Langdons letzter, verloren gegangener Film in eigener Regie Heart Trouble (1928) spielt im Krieg: Harry Von Housen, Sohn deutscher Einwanderer, will seiner An- gebeteten beweisen, dass er ein echter Amerikaner ist, indem er in die Armee eintritt. Aufgrund seiner Größe, zu geringem Gewicht, Kurzsichtigkeit, Plattfüßen und Schup- pen wird er aber abgewiesen. Versehentlich stößt der niedergeschlagene Harry auf eine von Agenten betriebene U-Boot-Basis der Deutschen. Dort rettet er dem Rekrutie- rungsoffizier, mit dem er sich zuvor angelegt hatte, das Leben und sprengt den Spiona- gering nebst Basis in die Luft, um am Ende als hochdekorierter Kriegsheld in Uniform dazustehen.59 Die Feier ihm zu Ehren verpasst er, weil er zu sehr mit seinem Mädchen beschäftigt ist.60 Wie schon in All Night Long sind die Heldentaten ein Produkt des Zu- falls und gelingen eher trotz als Dank der Fähigkeiten der Hauptperson. Auch von He- art Trouble wurde unter Regie von Jules White 1943 ein Remake produziert, The Blitz on the Fritz, das nun im Zweiten Weltkrieg spielte. 59 Ebd., 133ff. Filmstills in Rheuban 1983, 60f., 98ff., 186f. 60 Kommunales Kino 1972, 85. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 171 Die neuen Möglichkeiten des Tons wurden 1930 dann auch für eine Musikkomödie genutzt: In seinem ersten Tonfilm für Warner Bros. A Soldier’s Plaything spielte Lang- don unter Regie von Michael Curtiz einen jungen Soldaten im Ersten Weltkrieg und hinter Ben Lyon die zweite Geige. Der Film zeigt die unterschiedlichen Motivationen junger Männer in den Krieg zu ziehen, kam aber weder beim Publikum noch bei der Kri- tik an.61 Mitte der 1920er Jahre setzt in der filmischen Auseinandersetzung mit dem Krieg, ange- fangen mit King Vidors The Big Parade, die „nostalgische Periode“ ein, in der Liebesge- schichten im Kriegssetting das Genre romantisieren und mit Glamour versehen.62 Ob dies einer burlesken Behandlung des Themas entgegenstand, sei dahingestellt, auf jeden Fall verschwand damit der Erste Weltkrieg als Sujet im Slapstick bis Anfang der 1930er Jahre. Dafür wurde der amerikanische Bürgerkrieg als Thema entdeckt: 1926 entstand The Old War-Horse von Hal Roach, in dem sich zwei Freunde auf den entgegengesetzten Seiten der Front wiederfinden. Im gleichen Jahr erschien zum gleichen Thema auch Hands Up! von Clarence Badger mit Raymond Griffith über einen konföderierten Spion, der auf eine scheinbar hoffnungslose Mission geschickt wird. Und mit The General drehte Buster Keaton 1927 einen Klassiker der Stummfilmkomödie. Keaton: vom geordneten Bürger zum chaotischen Grabenkrieg Obwohl Keaton Soldat im Ersten Weltkrieg war, kannte er diesen nur aus der Etappe. Nachdem er sich schon zum Kriegseintritt der USA freiwillig gemeldet hatte, wurde er auf- grund von Plattfüßen und eines verkrüppelten Abzugsfingers erst im Juni 1918 eingezo- gen und nach Frankreich geschickt, wo er jedoch nicht mehr zum Einsatz kam.63 Bereits der Filmtitel The General transportiert – zumindest in der heutigen Wahr- nehmung – das Genreversprechen Kriegsfilm. Ironischerweise verweist der Titel aber auf die erste Liebe der Hauptperson: Seine „General“ getaufte Lok, die Rudolf Arnheim aufgrund ihrer Rundungen als „tuntige Maschine“64 charakterisiert hat, was ein Licht auf den zweischneidigen Charakter des kriegerischen Gehalts von The General wirft. Wenn man das Kriegsfilm-Genre mit „den Darstellungen der Schlachten des 20. Jahr- hunderts und deren Auswirkungen“ verbindet65, fiele The General, der im amerikani- schen Bürgerkrieg 1861 spielt, aus der Betrachtung heraus. Ein, zumindest nach Ro- bert Stam, besseres Argument für einen Ausschluss wäre das Wie seiner Darstellung des Krieges.66 So entwirft der Film ein Bild vom Krieg, das nicht dem Wahrnehmungs- dispositiv moderner Kriege entspricht: Auf der geometrisch angeordneten Jagd von Johnnie nach seiner von Nordstaatlern entführten Lok, in der sich zudem auch noch 61 “[…] an unfortunate doughboy comedy with an oddly suggestive title. […] The critics blasted it, and the public stayed away.“ Schelly 1982, 157. 62 Butler 1974, 32. 63 Tichy 1983, 28. Keaton 1986, 114ff. 64 Arnheim 1977, 190. 65 Stiglegger 2002, 322. 66 Stam 2000, 151. 172 Matthias Steinle seine Geliebte befindet, gibt es klare Fronten und eine klare Frontlinie. Dem Zuschau- er ist – nicht zuletzt durch den Einsatz der Tiefenschärfe – ein klarer Überblick über die Truppenbewegungen und das Geschehen gegeben, ganz im Gegensatz etwa zum Orientierungsverlust vor allem in den nächtlichen Kampfszenen von Birth of a Nation (1915).67 Mit Griffiths Film verbindet The General hingegen die Konstruktion des, wohlgemerkt weißen, Gegners: Man bekämpft und tötet sich, aber man respektiert sich. Dementsprechend ist die versehentlich entführte Frau auch nicht Objekt lüster- ner Männer, wie für Griffiths Schwarze oder Chaplins Hunnen. Aus zwei Gründen soll The General an dieser Stelle ausführlicher erwähnt werden: Erstens ist die Reaktion auf das Projekt charakteristisch für den angenommenen Wi- derspruch von Krieg und Komödie: Der Film sollte in Tennessee an Originalschauplät- zen spielen – die Geschichte basierte auf einer authentischen Begebenheit –, doch als bekannt wurde, dass die legendäre Episode als Stoff einer Komödie diente, wurden alle Drehgenehmigungen wieder entzogen und Keaton musste nach Oregon ausweichen.68 Zweitens zeigt der Film auf der Inhaltsebene als einzige Slapstick-Komödie das Töten und Sterben im Krieg. Der Akt des Tötens wird von Keaton nicht nur elliptisch ange- deutet – wie bei Charlies Einsatz als Scharfschütze – sondern konkret im Bild unter ko- mischen Vorzeichen ausgespielt: Die Schlacht am Fluss tobt. Während Johnnie neben einer Kanone verzweifelt versucht seinen Säbel zu ziehen, erschießt ein im Zwischen- schnitt eingeblendeter gegnerischer Soldat einen Kanonier nach dem anderen, die wie Schießbudenfiguren umfallen. Als Johnnies Säbel endlich aus der Scheide gleitet, fliegt im Schwung der Bewegung die Klinge von dannen und landet gut sichtbar im Rü- cken des Scharfschützen (Abb. 32-34). Wie sämtliche Heldentaten des Protagonisten ist auch hier der Akt des Tötens – und dadurch des eigenen Überlebens – Zufall. Abb. 32-34 Das Sterben der Soldaten ist durch den Schießbuden-Charakter relativ abstrakt gehal- ten und Johnnies Säbelrasseln ironisiert die Szene, verwirrt aber als Bruch mit den Konventionen des Slapstick, nach denen der (Hin-)Gefallene wieder aufstehen muss. So brachte dieser „mörderische Gag“ Keaton den Vorwurf der blasphemischen Über- schreitung von Stilgrenzen ein gemäß der Logik: „Wenn sich der Komödiant auf ein wirkliches Schlachtfeld verliert, beginnt die Glaubwürdigkeit zu leiden.“69 Auch film- immanent stellt diese Szene einen Bruch dar, ist Keaton ansonsten doch um größt- 67 Vgl. Köppen 2005. 68 Tichy 1983, 74, S. 128. 69 Penelope Huston in Sight and Sound, Juni/April 1953, zit. nach Benayoun 1985, 21. Vgl. die zeitgenössische Kritik von Robert Sherood in Life, 24.2.1927, in Kaufmann 1972, 183. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 173 möglichen Realismus bemüht: Die meisten Szenen wurden in realen Dekors gedreht und nicht nur bei den Kostümen hatte er Wert auf Authentizität gelegt; auch waren echte Soldaten als Statisten engagiert worden.70 „Gerade diese Ambivalenz ist es aber, die den Film heute so modern erscheinen läßt, während der naive Humor vieler anderer Stummfilmgrotesken veraltet wirkt und oft eher belächelt wird als Gelächter erzeugt.“71 Mit dem Zivilisten, der sich in einen Uniformierten verwandelt hat und nun endlich sein Mädchen im Arm hält, scheint vordergründig Top Gun-Ideologie bedient zu wer- den. Gleichzeitig macht sich der Film aber auch über den Uniformfetischismus von An- nabelle Lee lustig, indem die Austauschbarkeit von Uniformen durch deren strategi- schen Wechsel von den Lok-Entführern ebenso wie von Johnnie vorgeführt wird. Der Krieg erscheint in The General eher als „ein fröhliches Durcheinander, als ein Zwei- kampf von Mann zu Mann“72, seine Kriegsdarstellung erscheint „unparteiisch und dis- tanziert“73, wobei Keaton auf dehumanisierende Feindbilder verzichtet. Stattdessen gibt er das Militär in Form seiner Führer der Lächerlichkeit preis: Etwa den Nordstaa- ten-General, der die brennende Brücke für stabil erklärt oder den Südstaaten-General, dem Johnnie mit der eigenen Fahne im wörtlichen Sinn auf dem Kopf rumtanzt. Vor al- lem aber führt der Film den Krieg als eine Unterbrechung der Ausgangssituation und damit für den Helden als Zeitverschwendung vor, was formal in der Kreisstruktur ange- legt ist: „Wenn hier also der Anfang auch schon das Ziel markiert, dann gähnt hinter dem Mechanismus, der die Geschichte gleich einer Feder wieder in die Ruheposition zurückzieht und der sich in den Symmetrien von Handlungsablauf und Gagaufbau spie- gelt, […] die Vergeblichkeit, die Sinnentleertheit, das Absurde.“74 Vielleicht war The General auch deswegen kein Erfolg beim zeitgenössischen Publikum. 1930 begab sich Buster Keaton mit Doughboys75, seinem zweiten MGM-Tonfilm un- ter Regie von Edward Sedgwick, in den Ersten Weltkrieg. Auch dieser Film folgt den etablierten Stationen: Heimat, Ausbildungslager, Front, zurück in der Heimat. Aus- gangspunkt ist aber nicht der ‚kleine Mann’, sondern mit Elmer J. Stuyvesant ein rei- cher, schnöseliger Fabrikantensohn, der sich beim Versuch einen neuen Chauffeur ein- zustellen ungewollt freiwillig meldet. Im Ausbildungslager fühlt er sich entsprechend unwohl – „I don’t think I stay in the army. They don’t recognize my social position.“ – und aus der sozialen Schieflage resultieren einige Gags, wobei das Szenario die Figur nicht der Lächerlichkeit preisgibt und statt der Gesellschaftssatire den Ton der roman- tic comedy wählt. Dementsprechend folgt die obligatorische Lovestory mit den MGM-üblichen Großaufnahmen im Weichzeichner: Dank der Uniform findet eine Frau, natürlich heißt sie Mary (Sally Eilers), Gefallen an Elmar, der ihr im zivilen Leben zuvor erfolglos den Hof gemacht hatte. Und natürlich konkurriert sein Ausbilder um die Gunst von Mary, mit dem er sich dann in der Frontetappe eine Schlammschlacht im Tor- 70 Vgl. Jansen/Schütte 1975, 118; Magny [o.J.], 6. 71 Tichy 1983, 79. 72 Ebd., 123. 73 Magny [o.J.], 17. 74 Stiasny 2005, 79. 75 ,Doughboy’ ist die Bezeichnung für Infanterie-Soldaten. 174 Matthias Steinle tenschlacht-Stil liefert. Und natürlich ‚kriegt’ Elmar die Frau am Ende, das ihn als Uku- lelen-Fabrikanten zeigt. Einer der raren komischen Höhepunkte des Films ist eine Travestienummer, in der Kea- ton seine stummfilmbewährte Körperkomik ausnahmsweise ausspielen kann: Um Mary begegnen zu können, schmuggelt sich Elmar in die Tanznummer eines Fronttheaters, die von Männern in Frauenkleidern bestritten wird. Im kurzen Röckchen steppt er über die Bühne, um dann mit einem Mann eine Solonummer zu tanzen, die in eine surreale Prügel- szene ausartet (Abb. 35-37). Dabei wirft er seinen Partner wie einen Strohsack durch die Luft und gegen die Wand. Es scheint, als ob sich hier durch die Zwänge des Militärischen (ebenso wie die des Tonfilms?) aufgestaute Wut und unterdrückte Energien als unkontrol- lierter Protest gegen eine (uni-)formierte Körperlichkeit Bahn brechen. Ansonsten sind die Geschlechterrollen im Gegensatz etwa zu Langdon festgefügt. Abb. 35-37 Wie bei Chaplin ist auch in Doughboys die existentielle Unfähigkeit des Individuums zum Militärischen ein zentrales Element, was sich nicht auf den reichen und verzärtel- ten Elmar beschränkt: Beim Exerzieren wird in jede nur nicht die richtige Richtung marschiert und als der derbe Spieß erklärt, wie man mit dem Bajonett den Bauch des Gegners korrekt aufschlitzt, fallen alle Rekruten in Ohnmacht. Die kriegerische In- kompetenz setzt sich an der Front fort, wenn Elmar statt eines Deutschen den eige- nen Späher im Niemandsland k.o. schlägt. In diesem Kontext finden sich auch drama- tische Momente: Als Elmar mit aufgesetzter Gasmaske loszieht, ist auf der Tonebene nur sein schwerer, schnorchelnder Atem zu hören, was einen Effekt zwischen Bedro- hung wie in 2001: A Space Odyssee (2001 – Odyssee im Weltraum, 1968) und Realsati- re produziert. Und als er in den gegnerischen Graben stürmt, rammt er einem Feind das Bajonett wie antrainiert in den Bauch. Aber das Komödiengenre behält die Ober- hand: Es handelt sich nur um eine Attrappe, die deutschen Soldaten sitzen ohne Mu- nition hungernd im Unterstand und ergeben sich willig. Dort trifft Elmar seinen Chauffeur Gustave wieder, der aufgrund seiner Abstammung auf deutscher Seite kämpft. Mit den Essensbestellungen der deutschen Soldaten bei Elmar – „Schnitzel, Pumpernickel, Schmierkäse“ – werden zwar nationale Klischees bedient, aber Doughboys verzichtet auf Feindbilder. Der eigentliche Feind ist vielmehr der Krieg mit seiner sich verselbständigenden Technik. Dass am Ende der Schleifer aus der Armee für Elmar und seine Freunde aus der Schützengrabengemeinschaft arbeitet, sie leiten eine Ukulelen-Fabrik, verweist noch mal auf die Überlegenheit des Zivilen. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 175 Stan & Ollie oder: So schlimm wie der Ehe- kann der Grabenkrieg nicht sein Stan Laurel und Oliver Hardy haben relativ häufig Krieg und Militär als Thema oder zu- mindest als Ausgangspunkt ihrer Filme gewählt.76 Bevor sie als Duo gemeinsam die Leinwände eroberten, hatten sie bereits 1927 in der Groteske With Love and Hisses (Mit Gruß und Schuss) ihre Unfähigkeit für das Soldatische in der Rekrutenausbildung unter Beweis gestellt.77 Aber nur ihr zweiter Langfilm aus dem Jahr 1932, Pack Up Your Troubles zeigt die beiden ausführlich im Grabenkampf des Ersten Weltkriegs.78 Natio- nales Pathos sucht man in Zwei Musketiere, so der deutsche Verleihtitel (später auch Vergiss deine Sorgen), vergebens: Der Film setzt ein mit dem Kriegseintritt der USA 1917 und die beiden versuchen sich einer Rekrutierung zu entziehen, indem sie so tun, als hätten sie nur einen Arm. Der Schwindel fliegt auf und sie finden sich zu- nächst im Ausbildungslager wieder, wo sich bereits ihre absolute Untauglichkeit fürs Paradieren im Besonderen und den Kriegsdienst im Allgemeinen zeigt (Abb. 38-40). Abb. 38-40 An der Front versuchen sie einen Rest ziviler Würde zu wahren, beispielsweise indem sie in Nachthemden schlafen, die sie über der Uniform tragen und verschämt auszie- hen. Komische Effekte resultieren wie in Shoulder Arms aus dem Versuch, Normalität im Kriegswahnsinn herzustellen, wozu auch hier die Funktionsverkehrung von Instru- menten verwendet wird, etwa wenn Stan sich mit einer Gabel kämmt oder ein deut- scher Stahlhelm als Waschschüssel dient. Der Krieg wird in realistischen Kampfszenen eingeblendet, bis die beiden losgeschickt werden, um zwischen den Fronten Gefange- ne zu machen: Unter Beschuss im Niemandsland flüchten sie sich in einen verlasse- nen Panzer, wobei Ollie kopfüber im Einstieg stecken bleibt und Stan im Innern das Fahrzeug aus Versehen in Gang setzt (Abb. 41-42). Angsterfüllt schreiend – und durchaus Mitleid erregend – werden sie im Bauch des Panzers hin und her geschüttelt und sind hilflos im Räderwerk einer sich verselbständigenden Kriegsmaschine gefan- gen, ähnlich hilflos wie Charlie im industriellen Räderwerk der Modern Times fünf Jah- re später. Bei dieser Irrfahrt überrollen sie den gegnerischen Graben und im vom Pan- zer mitgerissenen Stacheldraht verfängt sich eine ganze Kompanie deutscher Solda- 76 Neben den hier erwähnten Filmen noch Beau Hunks (Duell mit den Wüstensöhnen, 1931), The Flying Deuces (Laurel und Hardy in der Fremdenlegion / Fliegende Teufelsbrüder, 1939), Great Guns (Große Kanonen / Dick und Doof – Schrecken der Kompanie, 1941) sowie Air Raid Wardens (Luftschutzwarte / Schrecken aller Spione, 1943). 77 Der Film nimmt den Gag aus Shoulder Arms mit der Gasmaske zum Schutz vor einem stinkenden Käse auf, indem sich Laurel auf einer Zugfahrt auf die gleiche Art vor einem Knoblauch und Zwiebeln essenden Soldaten schützt. Aping 2004, 359f. 78 Blees 1992, 166ff.; Aping 2004, 103ff. 176 Matthias Steinle Abb. 41-43 ten (Abb. 43). In dieser Szene visualisiert Pack Up Your Troubles, was Charlie in Shoulder Arms als absurdes Bonmot geprägt hat: Wie man alleine den Gegner umzin- geln und gefangen nehmen kann. Die intertextuellen Verweise, aber auch die Darstellung des Kriegsalltags zeigen, wie Shoulder Arms, aber auch All Quiet on the Western Front als Folie präsent sind. Lau- rel und Hardy folgen dem klassischen Muster des Wegs zur Front mit den thematischen Genrebausteinen: • Ausbildung mit schreiendem Spieß und Exerzieren; • Küchendienst als Strafe; • entbehrungsreiches, entindividualisiertes Leben an der Front; • gegen den Willen als ‚Freiwilliger’ für ein Himmelfahrtskommando ausgesucht wer- den; • Zynismus der Vorgesetzten bzw. des Militärs, das bedenkenlos Menschen opfert. Die Kriegsthematik nimmt allerdings nur ein Drittel des Films ein und ist Auslöser für die eigentliche Handlung: Ein Freund der beiden stirbt an der Front. Ein Zwischenti- tel verkündet: „November 11, Armistice – Eddie Smith’s little girl is waiting – and lon- ging – for her daddy, who will never return.“ Daraufhin beschließen Stan und Ollie, das Kind aus den Fängen geldgieriger Pflegeeltern zu befreien und zu den Großeltern zu bringen. Von diesen wissen sie nur den nicht gerade seltenen Namen Smith und die Su- che füllt den Rest des Films aus. Wenn auch der Tod des Vaters im Krieg nicht gezeigt wird, so ist er durch das Waisenkind in der zweiten Filmhälfte präsent. Indem das klei- ne Mädchen aber Stan und Ollie umstandslos als Ersatzväter akzeptiert und der Krieg keinerlei Rolle mehr spielt, ist die Gegenwart der Vergangenheit verbannt und es ent- spinnt sich eine harmlose Such- und Verwechslungsgeschichte. Obwohl der Film gänz- lich ohne Feindbilder und Klischees der gegnerischen Soldaten auskommt, urteilte der Völkische Beobachter nach der Berliner Premiere 1933: „trauriges Mischmasch von Ge- waltkomik“.79 Kurze Zeit später kürzte der deutsche Verleih den Film um die Kampf-Szenen im Schützengraben. Kurz sei an dieser Stelle auch noch auf einen weiteren Film verwiesen, der eben- falls im ersten Weltkrieg einsetzt: Block-Heads (Laurel & Hardy – Lange Leitung / Klotz- köpfe) aus dem Jahr 1938. Die Kriegshandlung dauert allerdings nur ca. zwei Minuten: In kurzen Überblendungen wird das Ausrücken aus dem Graben und das Vorrücken der 79 Zit. nach Aping 2004, 107. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 177 Kompanie gezeigt, wobei Stan im Schützengraben allein als Wache zurück bleibt. Dort verschläft er das Ende des Krieges, ähnlich wie Harry in der Anfangssequenz von Sol- dier Man, und wird 20 Jahre später von einem Flieger entdeckt. Wieder in der Heimat erfährt Ollie aus der Zeitung von Stans Schicksal und beschließt, sich seiner anzuneh- men. Aus ihrem Wiedersehen resultieren eine Zerstörungsorgie und ein Ehekrieg zwi- schen Ollie und seiner Gattin, die wesentlich heftiger sind als der nur angedeutete Grabenkampf. In diesem Film nehmen Laurel & Hardy das in Pack up your troubles entwickelte Mo- tiv der Kriegsversehrtheit wieder auf und das mit schwärzestem Humor: Stan sitzt mit angewinkeltem Bein in einem Rollstuhl für Einbeinige, weil er keine andere Sitzgele- genheit gefunden hat. Als Ollie ihn besuchen kommt, bedauert er ihn und schiebt den scheinbar kriegsversehrten Freund durch die Gegend bzw. trägt ihn umständlich, was sich dieser unhinterfragt gefallen lässt.80 Der Zugriff auf die Katastrophe Krieg im All- gemeinen und den Ersten Weltkrieg im Besonderen, die nur als Einstieg in die eigentli- che Story dienen, ähnelt dem von Harry Langdon, der selbst am Drehbuch von Block-Heads und Flying Deuces mitgearbeitet hatte. Duck Soup (1933): Krieg als „karnevalesker Marxismus“ Die Dreharbeiten zu Duck Soup, dem letzten Paramount-Film der Marx Brothers unter Regie von Leo McCarey, der Die Marx Brothers im Krieg zeigt, so der explizite deutsche Titel, standen unter den politischen Vorzeichen des Jahres 1933: Harpo Marx erinnert sich, dass es sein bisher „schwerster Job“ war, weil er Angst hatte schlecht zu spie- len, denn: „Das Unangenehme war Adolf Hitler. Seine Reden wurden in Amerika über- tragen. Jemand hatte ein Radio am Drehort, und zweimal stellten wir die Dreharbei- ten ein, um seinem Geschrei zuzuhören.“81 Das Ergebnis war für den Gründer der Pari- ser Cinémathèque Henri Langlois „genau wie ein Dokumentarfilm von der Zeit, als ich in Frankreich Soldat war. Es war absolut verrückt. Wenn man wissen will, was von Mai bis Juni 1940 in Frankreich passiert ist, muß man sich Duck Soup ansehen.“82 Wobei das zeitgenössische Publikum wohl primär eine Marx Brothers-Burleske und weniger eine (Anti-)Kriegskomödie gesehen hat. Ein Flop an der Kinokasse war Duck Soup, an- ders als häufig zu lesen, jedenfalls nicht.83 Duck Soup zeigt den Aufstieg des windigen Geschäftsmannes Rufus T. Firefly (Grou- cho) zum größenwahnsinnigen Herrscher der Bananenrepublik Freedonia, der zwei Spione (Harpo und Chico) zu seinen engsten Mitarbeitern macht. Diese Regierung steht unter den Zeichen einer „radikal antiautoritären Anarchie“, deren „karnevalesker Marxismus“ im Krieg auf die Spitze getrieben wird84: Firefly fühlt sich vom sylvanischen Botschafter Trentino gekränkt und erklärt dem Nachbarstaat den Krieg, was enthusias- tisch gefeiert und besungen wird. Nach katastrophalem Verlauf der Schlacht kann die 80 Vgl. ebd., 163ff. 81 Zit. nach Marx 1992, 272. 82 Zit. nach Chandler 1995, 236. 83 Mitchell 2003, 104. 84 Heller 1995, 302. 178 Matthias Steinle drohende Niederlage in letzter Sekunde durch die Gefangennahme des gegnerischen Botschafters abgewandt werden. Vinzenz Hediger betont, dass die Marx Brothers weniger die genialen (Kriegs-)Kri- tiker waren, sondern ihr Film vielmehr als „in die Hauptströmungen der Populärkultur ihrer Zeit eingebettet“ zu verstehen ist.85 Gerade darin liegt aber auch ihre Stärke. Füh- ren die Marx Brothers doch die Rolle populärkultureller Phänomene und medialer In- szenierungen vom und für den Krieg lustvoll vor (Abb. 44). So erscheint das Ballett, mit dem „Freedonia’s going to war!“ zelebriert wird, heute als ein düsterer Ausblick auf die Revuen im NS-Film als paramilitärisch organisiertes Ornament der Masse. Vor allem in der Kriegshandlung am Ende werden Versatzstücke des Hollywoodkinos zitiert, wenn etwa Firefly auf die Zerstörung seines Hutes durch eine Granate verspricht: „I’ll show ‘em they can’t fiddle around with old Firefly“, dazu ein Maschinengewehr aus einem Geigenkasten holt, und im Stil des damals jungen Gangsterfilm-Genres wild um sich schießt – auf die eigenen Leute versteht sich (Abb. 45). Die gegnerischen Soldaten sind nur im Zwischenschnitt zu sehen, in extrem kurzen Einstellungen, die aus All Quiet on the Western Front stammen könnten (Abb. 46). Diese Bilder verweisen auf die andere Seite der Front ebenso wie auf Kriegsfilm-Klischees im Kopf des Zuschauers, de- nen sich die Marx-Brothers bewusst verweigern. Stattdessen holen sie den Krieg (sinn-)bildlich zu sich ins Haus und damit auf ihr ureigenes Terrain der Burleske, um ihn dort mit einem Theaterstreich zu gewinnen. Abb. 44-46 Duck Soup ist – zumindest retrospektiv betrachtet – der einzige Film der Zwischen- kriegszeit, der eine offene Satire auf die westliche Militärgeschichte, den Ersten Welt- krieg und den Aufstieg des Faschismus darstellt. Bonmots wie Fireflys Erklärung, dass der Krieg nicht mehr zu verhindern wäre, weil er schon einen Monat Miete für das Schlachtfeld bezahlt habe, verweisen ironisch auf ökonomische Interessen, die die Unausweichlichkeit des Krieges bzw. seine Fortsetzung befördern. Weiter bietet Duck Soup als einzige burleske Komödie mit inkompetenten und egomanisch-korrupten Machteliten auf der einen Seite und nationaler Euphorie auf der anderen Seite eine Erklärung für Ursachen des Krieges an. Dass dabei „die pointierte Kritik sowie die di- daktische und moralische Konsequenz“ zu kurz kommen86, kann als Schwäche aber auch als Stärke betrachtet werden – und hat wohl mit dazu beigetragen, dass Duck Soup heute den Ruf genießt, einer der besten Marx-Brothers-Filme zu sein. 85 Hediger 2005, 131. 86 Filmindex 2003. ‚Lachbomben’ – Ungleichzeitigkeit von Krieg und Burleske? 179 Schluss Obwohl Chaplin 1918 gezeigt hat, dass sich der Erste Weltkrieg mit den Mitteln der Burleske erfolgreich auf die Leinwand bringen lässt, folgten seinem Beispiel nur we- nige.87 Dass alle hier behandelten Filme ausnahmslos aus Amerika stammen, mag nicht zuletzt an der räumlichen Distanz zu den Verwüstungen des Krieges liegen, was eher einen komischen Zugriff ermöglichte als in Europa. In der Stummfilmzeit, dem „golden age of comedy“88 in den USA, fanden sich zudem die dafür notwendigen Struk- turen und Köpfe, solche Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Die Filme, die dem Beispiel von Shoulder Arms folgten, orientierten sich an dessen Struktur und Darstel- lungsstrategien – und das nicht nur im Slapstick. Betrachtet man die Burlesken, fällt auf, dass sie zahlreiche Genre-Bausteine des Kriegsfilms, des Militärschwanks, der Ro- manze und des Melodrams verwenden und diese unterschiedlich ironisieren oder auch nur variieren. Was den Körper- bzw. Gewaltdiskurs betrifft, gibt es selten einen komi- schen oder auch ironischen Umgang mit Verletzung und Tod. Verwundung wird nur als binnen- (Laurel & Hardy) oder außerdiegetische (All Night Long) Täuschung gezeigt, der Tod bleibt visuell mit Ausnahme von The General komplett ausgeblendet. Charak- teristisch dafür ist die Tatsache, dass das Ende im Drehbuchentwurf von Duck Soup verworfen wurde: Vorgesehen war, dass die vier Brüder nach einer Bombenexplosion mit Flügeln gen Himmel fliegen und dabei auf den ebenfalls geflügelten Trentino sto- ßen, worauf der Kampf in den Wolken weitergeht.89 Zwar gibt es Burlesken, in denen am Ende die Protagonisten als Engel verniedlicht gen Himmel schweben, wie Ollie im Laurel & Hardy-Film The Flying Deuces, nur findet dies bezeichnenderweise nicht im Kriegskontext statt. Kampfhandlungen wird nur selten komisches Potential abgewon- nen. Wenn dem so ist, dann handelt es sich zumeist um szenische Höhepunkte. Die ohnehin seltenen und sehr kurzen Kampf-Szenen werden stark elliptisch und – im Ver- gleich zum Rest – oft mit realistischen Zügen gezeigt. Das betrifft vor allem die Geg- ner, die in kurzen Zwischenschnitten eingeblendet werden. Die Komik ist einseitig verteilt, die Komiker haben kein komisches Gegenüber – bestenfalls sind die Gegner grotesk verzerrt wie bei Chaplin oder ausschließlich die Hanswurstfiguren wie in Yan- kee Doodle in Berlin, was aber die Ausnahme bleibt. Die Burlesken haben ihre Komik nicht an die „Destruktionsästhetik“90 des Krieges gekoppelt, sondern halten dieser im Gegenteil ihre eigene entgegen, die sich hauptsächlich im zivil-individuellen Bereich entfaltet. Die Gasmaske etwa dient nicht nur in Shoulder Arms zum Schutz vor dem Gestank von Lebensmitteln, bezeichnend ist auch die Reaktion von Langdon in The Strong Man, die kindlich konnotierte Steinschleuder dem Maschinengewehr vorzuzie- hen und mit dieser viel effektiver den Gegner zu bekämpfen. 87 Chaplins Film war nicht nur ein Beispiel für die Möglichkeit komischer Behandlung des Krieges, sondern für Ka- tastrophen generell – in einer Diskussion mit seinem Produzenten, der in Steamboat Bill Jr. (Wasser hat keine Balken, 1928) keine Überschwemmung zulassen wollte, weil diese mit leidvollen Erfahrungen vieler Menschen verbunden war, verwies Keaton auf Shoulder Arms. Keaton 1986, 204. 88 Brownlow 1970, 500. 89 Script vom 22.6.1933, zit. in Mitchell 2003, 102. 90 Paul 2004, 107. 180 Matthias Steinle Wie in anderen Genres auch verschiebt sich in den 1920er Jahren das Feindbild von den Deutschen hin zum Krieg, der als eigentlicher Feind erscheint.91 Kein Film mit Aus- nahme von Duck Soup nennt Ursachen für den konkreten Krieg, wie es etwa Griffith am Anfang von Birth of a Nation macht. Aber die meisten Slapstick-Filme führen mentale Voraussetzungen für den Krieg und aus diesem resultierende Mechanismen vor wie Her- dentrieb, Uniformfetischismus, hierarchische Befehlsgewalt oder Entsubjektivierung. Eine Verherrlichung des Militärischen oder des Krieges findet außer in Yankee Doodle in Berlin nicht statt. Mit dieser Ausnahme von der Regel geht die Komik immer auch zu Lasten der Vorgesetzten bis ganz oben, im Gegensatz etwa zum deutschen Militär- schwank, der nur die unteren Ränge dem Spott vorbehält.92 Die Filme verweigern sich einer Sinngebung des Krieges und führen dessen Irrsinn in der Verkörperung des Clowns vor. Helden sind sie mehr trotz als Dank ihrer selbst, sie überleben durch List wie Charlie, weil sie den Zufall zu ihrem Verbündeten haben wie Buster Keaton, Harry Langdon und Laurel & Hardy oder weil sie wie die Marx Brothers über die Narration ähnlich selbstherrlich bestimmen wie die Mächtigen der Welt über Krieg und Frieden. Dementsprechend spielen (selbst)reflexive Elemente eine wichtige Rolle: Sei es, dass das Wahrnehmungsdispositiv wie bei Chaplin und Langdon vorgeführt wird oder Me- dienbilder ironisch wie bei den Marx Brothers zitiert werden. Es ist kein Zufall, dass Chaplins filmische Kampfansage an Hitler 1940 mit burlesken Szenen aus dem Ersten Weltkrieg einsetzt: The Great Dictator beginnt mit dem jüdischen Friseur als deutscher Soldat an der Front, der die ,Dicke Bertha‘ bedient. Dem Wahnsinn von 1914-18 begeg- net Chaplin mit dem in Shoulder Arms erprobten Widersinn der Burleske und Hitlers Hybris mit deren Formsprache. Eine politische Antwort auf den NS-Wahnsinn mit nar- rativen Mitteln, wie sie etwa Lubitsch in To Be or Not To Be entwickelt hat, fand er nicht. Dem anarchischen Bodensatz der Burleske ist es zu danken, dass sich die Filme dem Genre ‚Kriegsfilm’ ebenso wie dem Label ‚Anti-’ entziehen. Auch wenn sie Momen- te des ersteren bedienen und letzterem näher sind, sperren sie sich letzten Endes lust- voll-widersprüchlich gegen eine solche Vereinnahmung. Bibliografie Aping, Norbert: Das Dick-und-Doof-Buch. Die Geschichte von Laurel und Hardy in Deutschland. Marburg 2004. 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Logistik der Wahrnehmung [1984]. Frankfurt/M. 1989. Youngblood, Denise J.: „A War Forgotten: the Great War in Russian and Soviet Cinema“, in: Paris 1999, S. 172-191. 184 Heinz-B. Heller Groteske Konstruktionen des Wider-Sinns Anmerkungen zu Krieg und Komik seit den 1960er Jahren I. Krieg und Komik: Was zunächst – oberflächlich betrachtet – wie ein Oxymoron anmu- tet, ein Widerspruch sich wechselseitig ausschließender Begriffe, verliert im Horizont der Filmgeschichte, zumal der Geschichte der Filmkomik, ihren scheinbar paradoxen Charakter. Denn wenn Krieg vor allem die physische Vernichtung des ausgemachten Feindes ist und die unmittelbar-sinnlich intensivste Erfahrung menschlichen Leides in der mechanischen Zerstörung des Körpers besteht, dann sind es die Filme von Georges Méliès und die seiner Nachfolger im Slapstick, die geradezu lustvoll die physische De- struktion von Individuen in körperlich zerstückelte Dividuen zelebrieren – und dies auf eine Weise, die seit jeher zum Lachen reizte. Der komische Film kennt keine Sujet- tabus. Dies gilt nicht nur für dieses frühe Kino der Attraktionen, es gilt gleicherma- ßen für spätere szenisch-narrative ‚Konstruktionen des Komischen’, in denen selbst dem Sterben komische Ansichten abgewonnen werden: sei es dem individuellen Tod, der kollektive Erlösung verheißt, wenn etwa der Gekreuzigte auf der Schädelstätte Golgatha das Lied anstimmt: „Always look on the bright side of life“ in Monty Py- thon’s Life of Brian (Monty Python - Das Leben des Brian, 1979), sei es dem kollektiven Tod, wenn etwa Major Kong auf der ausgeklinkten Atombombe in Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben, 1964) seinem eigenen Tod und zugleich der globalen Apokalypse entgegen reitet. Filmkomik, so der nahe liegende Schluss, kennt keine Sujettabus, auch nicht die des Todes, des Sterbens, des menschlichen Leids. Vergegenwärtigen wir uns diese grundsätzliche Indifferenz des Filmkomischen dem Sujet gegenüber, heißt dies nichts anderes, als dass wir das Wesen der Filmkomik in der Einstellung zu suchen haben; und dies im doppelten Wortsinn: zunächst in der Ein- stellung im technischen Sinn, nämlich in der Art und Weise, wie uns der Kamerablick Personen, Objekte und Geschehnisse wahrnehmen läßt, dann aber auch im Sinne der ideellen Perspektivierung, in der sich die Ereignisse und die Aktionen in der erzähleri- schen Form verdichten, welche zugleich immer auch einen Modus der Sinnstiftung dar- stellt (selbst wenn es um die Generierung eines Wider-Sinns zu vorherrschenden Ver- haltens- oder Denkmustern geht). Groteske Konstruktionen des Wider-Sinns 185 II. In einem solchen Horizont, der die Filmkomödie und ihre Geschichte primär unter wahrnehmungsästhetischen Funktionsaspekten sieht (und nicht unter ethischen oder moralischen Imperativen), scheint – so die zentrale These – gerade eine besondere strukturelle Affinität zwischen Krieg und Filmkomik zu bestehen. Dabei wird Krieg hier weniger begriffen als historisches Realereignis, das sich womöglich der eigenen leidvollen, schmerzlichen Erfahrung nachhaltig eingeschrieben hat; vielmehr be- zeichnet Krieg all das, was zunächst als Strategie zur militärisch-gewaltsamen Durch- setzung politischer Ziele, als Konzept oder – wenn man so will – als geplante Drama- turgie allen realen kriegerischen Auseinandersetzungen vorgängig, aber von diesen auch nicht abzutrennen ist.1 Diese strukturelle Affinität zwischen Krieg und Komik tritt besonders deutlich bei der Lektüre eines Klassikers der Kriegstheorie zutage, dessen Eigenart, sich mit seinem Gegenstand auseinanderzusetzen, ähnlich funktional bestimmt ist wie unser Blick auf Filmkomödien. Denn Basis seines Ansatzes ist der instrumentelle Charakter des Krie- ges, nicht die Frage seiner ethischen und moralischen Gewichtung und Wertung. Die Rede ist von Clausewitz und seinem Opus magnum Vom Kriege, das posthum 1832-1834 veröffentlicht wurde.2 Mit einer dem aufklärerischen Denken verpflichteten Rationali- tät des ‚natürlichen Menschenverstandes’ durchleuchtet und modelliert er die seit der Französischen Revolution und den Feldzügen Napoleons neuen Kriegsformen – nicht als etwas „Absolutes“ im Lichte bloß abstrakter philosophischer Gedankensysteme3, sondern in ihrer realen Gestalt als von „Modifikationen in der Wirklichkeit“ bestimmt gesehen.4 Damit grenzt sich dieses Buch aber zugleich auch von pragmatischen Hand- büchern ab, die Krieg und Kriegsführung allein unter dem rein kriegshandwerklichen Aspekt sehen. „Krieg“, so das bekannte zentrale Axiom von Clausewitz, sei „nicht bloß ein politi- scher Akt, sondern ein wahres politisches Instrument [...], eine Fortsetzung des poli- tischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln.“5 Und so präsentiert sich denn seine Studie als ein Reflexionsmodell, das unter Berücksichtigung der Kon- stitution und Anfälligkeiten der drei Hauptkomponenten (“die Streitkraft, das Land, und der Wille des Feindes“)6 sowie unter Einbeziehung historischer Beispiele die Durch- setzung dieser Zweck-Mittel-Relation festzuschreiben versucht; und dies gemäß der Ausgangsprämisse nicht allein in Hinblick auf die militärische Strategie und Taktik, sondern auch auf deren gesellschaftliche Vermitteltheit. „Daß die Richtungen und Ab- sichten der Politik mit diesen [militärischen, H.-B.H.] Mitteln nicht in Widerspruch treten, das kann die Kriegskunst im allgemeinen, und der Feldherr in jedem einzelnen 1 Dies gilt zumindest für Kriege in ihren ‚klassischen’, ‚symmetrischen’ Ausprägungen. Zur Begrifflichkeit vgl. Münkler 2002. 2 von Clausewitz [1832/34] 2005. 3 Vgl. ebd., Kap. I.1.9: „Der Krieg ist mit seinem Resultat nie etwas Absolutes“, 25. 4 Ebd., 20. 5 Ebd., 38f. 6 Ebd., 43 (Herv. im Orig.). 186 Heinz-B. Heller Falle fordern, und dieser Anspruch ist wahrlich nicht gering; aber wie stark er auch in einzelnen Fällen auf die politischen Absichten zurückwirkt, so muß dies doch immer nur als eine Modifikation derselben gedacht werden, denn die politische Absicht ist der Zweck, der Krieg ist das Mittel, und niemals kann das Mittel ohne Zweck gedacht werden.“7 Allein schon auf Grund dieser Einbettung in politische und gesellschaftliche Zu- sammenhänge mit all ihren Unwägbarkeiten, die dem Prinzip einer verlässlichen stra- tegischen militärischen Planung zuwiderlaufen, liest sich Clausewitz’ Studie in weiten Teilen wie eine alle Eventualitäten einschließende Blaupause der Kriegsführung. Erst recht gilt dies angesichts der kaum vorhersagbaren, kaum kalkulierbaren Ausfälle, Zu- fälle oder gegnerischen Einfälle im Kriegsgeschehen selbst: „Der Krieg ist das Gebiet der Ungewißheit; drei Vierteile derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Krieg gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewißheit. [...] Der Krieg ist das Gebiet des Zufalls. In keiner menschlichen Tätig- keit muß diesem Fremdling ein solcher Spielraum gelassen werden, weil keine so, nach allen Seiten hin, in beständigem Kontakt mit ihm ist. Er vermehrt die Unge- wißheit aller Umstände, und stört den Gang der Ereignisse.“8 Es ist der Schlüsselbegriff der „Friktion“, der bei Clausewitz all das Unkalkulierbare, Zufällige, überraschend Widerständige im Kriegsgeschehen bündelt, das aber gleich- wohl einer rationalen Diskursivierung zugänglich und damit imaginär verfügbar ge- macht werden soll: diese „entsetzliche Friktion, die sich nicht, wie in der Mechanik, auf wenig Punkte kon- zentrieren lässt, [...] überall im Kontakt mit dem Zufall [ist] und […] dann Er- scheinungen hervor[bringt], die sich gar nicht berechnen lassen.“9 Gemeint ist damit all das, was sich als das sozial und individuell Lebendige, Unange- passte, Widerständige oder – um mit Alexander Kluge zu sprechen – als praktischer „Eigensinn“ artikuliert10 und im militärischen Getriebe dysfunktional wirkt. „Friktion ist der einzige Begriff, welcher dem ziemlich allgemein entspricht, was den wirklichen Krieg von dem auf dem Papier unterscheidet. Die militärische Maschine, die Armee, und Alles was dazu gehört, ist im Grunde sehr einfach, und scheint des- wegen leicht zu handhaben. Aber man bedenke, dass kein Teil davon aus einem Stü- cke ist, das Alles aus Individuen zusammengesetzt ist, deren jedes seine eigene Friktion nach allen Seiten behält. […] Das Bataillon bleibt immer aus einer Anzahl Menschen zusammengesetzt, von denen, wenn der Zufall es will, der unbedeutends- te im Stande ist, einen Aufenthalt, oder sonst eine Unregelmäßigkeit zu bewirken. Die Gefahren, welche der Krieg mit sich bringt, die körperlichen Anstrengungen, die 7 Ebd., 39. 8 Ebd., 67. 9 Ebd., 101. 10 Vgl. dazu v.a. Negt/Kluge 1981. Groteske Konstruktionen des Wider-Sinns 187 er fordert, steigern das Übel so sehr, dass sie als beträchtlichsten Ursachen dessel- ben angesehen werden müssen.“11 Das Buch Vom Kriege des Generals Carl von Clausewitz kann und muss auch als Mas- ter-Szenario für eine rational-aufgeklärte Kriegsführung gelesen werden, das diese „Friktionen“ in der Bandbreite ihrer Erscheinungen imaginär antizipiert, um sie dann in der militärischen Praxis unterbinden zu können. Dieses imaginative, an die militärische Vernunft gebundene Potential macht diese Studie Vom Kriege für medienwissenschaftliche Untersuchungen, denen an der Darstel- lung und Verhandlung des Krieges im Film gelegen ist, außerordentlich interessant. Denn wenn man einen Einstellungswechsel vornimmt, der neben der militärisch zweckrationalen auch andere Perspektiven auf den Komplex ‚Militär und Krieg’ zulässt, etwa den der komischen Unterhaltung oder gar der Kritik im Modus des Komischen und Grotesken, dann sind es die von Clausewitz ausgemachten und detailliert thematisier- ten Friktionen, die auf der Sujetebene zugleich als wesensmäßige Elemente des Mili- tär- und Kriegswesens die strukturellen Affinitäten zur Filmkomödie offenbaren. Das gilt für die affirmativen Kriegsklamotten, die vorzugsweise mit der nicht so einfachen militärischen Abrichtung und Disziplinierbarkeit von Menschen spielen, ebenso wie für die ins Grundsätzlichere gehenden Kriegskomödien. Für Bergson, der den Film zu die- sem Zeitpunkt noch nicht kannte, verband sich dereinst mit dem Komischen bekannt- lich „die Ansicht menschlicher Vorgänge, die durch ihre eigenartige Starrheit schlecht- weg eine Imitation des Mechanismus, des Automatismus, kurz der unlebendigen Be- wegung darstellt. [...] also eine individuelle oder kollektive Unvollkommenheit [...], die unmittelbar Korrektur verlangt. Das Lachen ist eben diese Korrektur“12 – und dies im Zeichen des Lebendigen. Ein Bergson unserer Tage würde für eine Poetik der filmi- schen Kriegskomödie in Clausewitz’ Modellierung des Kriegs mit seinen unvermeidli- chen „Friktionen“ ein Master-Szenario mit einer wohl kaum ausgeschöpften Fülle von szenischen Blaupausen von latent komischen, weil von zumeist überraschenden Rei- bungsverlusten bedrohten Konfigurationen finden. Und dies umso mehr, je stärker man die von Clausewitz noch apriorisch vorausgesetzte Zweck-Mittel-Relation von Po- litik und Krieg zusätzlich einem fundamentalen Zweifel aussetzen würde, m. a. W. den von Clausewitz nicht hinterfragten politischen Kontext mit in die Kritik einbezöge. III. Gerade in dieser Hinsicht lassen sich indes seit den 1960er Jahren verstärkt Tenden- zen in der Filmgeschichte beobachten, die Zweck-Mittel-Relation von Politik und Krieg in Zweifel zu ziehen. Der Zeitpunkt ist sicherlich nicht zufällig. Zum einen hat- ten die Berlin-Krise 1961 und ein Jahr später die Kuba-Krise gezeigt, wie wenig der vermeintlich kalkulierbare ‚Kalte Krieg’ vom globalen Atomkrieg trennte. Zum anderen stellte der US-amerikanische Angriff auf Vietnam von Jahr zu Jahr nicht nur zuneh- 11 Clausewitz 2005, 101. 12 Bergson 1948, 50. 188 Heinz-B. Heller mend die Prognosen und Planungen der Militärs auf den Kopf, sondern auch die poli- tische und moralische Legitimität dieses Krieges in Frage. Auch wenn es in den meis- ten der in dieser Zeit entstandenen Kriegsfilme um Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg oder des Korea-Kriegs ging: als Folie der Wahrnehmung fungierte gerade auch der aktuelle Vietnam-Krieg. Pop- und Protestsongs jener Jahre oder Protagonis- ten der Szene wie John Lennon oder Art Garfunkel, die im öffentlichen Bewusstsein als weltweit bekannte Ikonen der Populärkultur der 1960er auch mit der An- ti-Kriegs-Bewegung in Verbindung gebracht wurden, sorgten für entsprechende Refe- renzen.13 Einige Beispiel dieser Zeit sollen exemplarisch die Bandbreite, aber auch die Problematik veranschaulichen, Krieg im Modus des Komischen zu repräsentieren. M*A*S*H (1970) von Robert Altman, der kommerziell wohl erfolgreichste Film je- ner Jahre, offenbart wie kaum ein anderer die Ambivalenz zwischen satirischer Kriegs- groteske und affirmativer Militärklamotte. Bereits der Anfang des Films ist dramaturgi- sches Programm. Irgendwo im Dschungel in Fernost: Während noch die credits laufen, sind diese mit Bildern von leichten Transporthubschraubern im Non-Stop-Einsatz un- terlegt, welche ununterbrochen Verwundete und Tote in ein abgelegenes Feldlazarett transportieren. Das strapazierte Sanitätspersonal kann mit der Frequenz, mit der hier eingeliefert wird, kaum mithalten; in dieser Hektik fällt schon mal das eine oder ande- re Opfer von der Bahre und wird hastig zusammengeklaubt. Über diesen Dauereinsatz von Helikoptern und Sanitätern ist auf der Tonebene ein entspannt-langsamer, verfüh- rerischer Folkrocksong gelegt: „Through early morning fog I see / Visions of the things to be / The pains that are withheld for me / I realize and I can see ... / That suicide is painless / It brings on many changes / and I can take or leave it if I please.“ Und um den seduktiven Gestus dieser suizidalen Einladung zu intensivieren, überlagern zu- sätzlich anschwellende Geigenklänge die appellative Schlusszeile des Songs „... and you can do the same thing if you please.“ Bilden in diesen ersten Eingangsszenen schon jetzt Bild und Ton eine irritierend widersprüchliche Einheit so lässt ein markiger, in Majuskeln gesetzter Zwischentitel „And then there was Korea“ diesen Sequenzteil wie den einen Flügel eines Diptychons erscheinen, dessen anderen Flügel dann die militärischen Grußadressen von zwei US-Oberbefehlshabern ausmachen – sozusagen ein „Willkommen und Abschied“ auf militärische Art: „I have just left your figthing sons in Korea“, sieht man schriftbild- lich Gen. Douglas MacArthur erklären. „They have done their best there, and I can re- port to you without reservation that they are splendid in every way. I now close my mi- litary career and just fade away. An old soldier who tried to do his duty as God gave him the light to see that duty. Good Bye.“ Und der General und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower zeigt sich schriftbildlich entschlossen, das Kommando zu über- nehmen: „I will go to Korea.“ Wenn diese beiden Teile der Eingangssequenz mit einem Dyptichon verglichen wer- den, dann geschieht dies mit Bedacht: nicht nur, weil hier zwei aufeinander bezogene 13 Insofern ist es kein Zufall, dass beide auch Filmrollen übernahmen: John Lennon die des Rekruten Gripweed in Richard Lester: How I Won the War (Wie ich den Krieg gewann, 1967), Art Garfunkel die des Capt. Nately in Mike Nichols: Catch-22 (Catch 22 – Der böse Trick, 1970). Groteske Konstruktionen des Wider-Sinns 189 kontradiktorische Perspektiven auf den Krieg etabliert werden, von denen die eine – zumindest auf der affirmativen Seite – eine religiöse Grundierung aufweist und im weiteren Verlauf des Films wiederholt er- kennbar bleibt. Der Begriff des Flügelbilds wird darüber hinaus gewählt, weil hier gleichzeitig einer der im Camp neu einge- troffenen Protagonisten nonchalant und unbeeindruckt von beiden widersprüchli- chen Ansichten resp. Haltungen konkret ins Bild tritt und sich quasi als Gelenkstelle etabliert, um die sich alles im Widerstreit der beiden Perspektiven drehen wird (Abb. 1-3).14 Denn „Hawkeye“ (Donald Sutherland) ist einer von drei frisch abkommandierten Chirurgen, die in dem völlig überlasteten Feldlazarett wenige Meilen hinter der Front für Entsatz sorgen sollen. Und sie tun dies auf eine Weise, die auf paradoxe Art Alt- mans Blick auf den Krieg kenntlich macht. Abb. 1-3 Dazu gehört, dass Altman – abgesehen von der zeichenhaften Evokation in der Eingangssequenz – keinerlei politische Zusammen- hänge zeigt; auch an der Darstellung von Kampfhandlungen ist er nicht interessiert. Bei ihm konzentriert sich alles auf das Leben im Sanitätscamp als einem militärischen Reparaturbetrieb. Paradox ist seine Modellierung des Krieges, weil einerseits die professionelle Effek- tivität und Sachlichkeit, mit der die Feldchirurgen das angelieferte verwundete, ver- stümmelte, bewusstseinslose Menschenmaterial wie auf einem Autoschrottplatz zu- sammenflicken, ausschlachten oder – wenn Totalschaden vorliegt – aussortieren, die Funktionsmechanismen des Krieges, Menschen zu Menschenverbrauchsmaterial zu ma- chen, auf groteske Weise auf den Punkt bringen. Auf der anderen Seite ist diese profes- sionelle Sachlichkeit, die einher geht mit einem illusionslosen, zotigen Jargon, in- kompatibel mit den streng hierarchischen Regeln des Militärs, seiner Ideologie militä- rischer Tugenden und der kirchlich abgesegneten Moral, die nur dazu dienen, die tat- sächlichen (Über-)Lebenszusammenhänge zu verschleiern. Insofern sind die anar- chisch ausgekosteten Regelverstöße der Protagonisten gegen die militärische Ord- nung sowie das unbändige Ausleben von Sex, Saufen und Sport die beiden Seiten ein und derselben Münze, mit der sich die Army die Effektivität seiner Profis erkauft resp. erkaufen muss. 14 Dass sich dieser Eintritt ins Bild unter dem Hinweisschild „Officer’s Latrine“ ereignet, mag als Zufall erscheinen; für den aufmerksamen Zuschauer jedoch deutet sich damit eine zu gewärtigende Stillage sui generis an. 190 Heinz-B. Heller Die episodische Struktur des Films gibt reichlich Gelegenheit, solche Konfiguratio- nen von medizinischem Sachverstand, anti- autoritärer Insubordination und elementa- ren, nur wenig sublimierten vitalen Bedürf- nissen in ihren grotesken Brechungen und facettenreichen Varianten auszuspielen. Das geht mitunter schon arg ins robust Kör- perliche. Und nicht immer sind die Aktionen vergleichsweise so aufwendig inszeniert, wie in jener Sequenz, in der der Zahnarzt, den der Gedanke, schwul zu sein, in den Selbstmord zu treiben droht, kuriert wird. Abb. 4-5 Hier artikuliert sich sogar die List der Ver- nunft, wenn mit priesterlichem Beistand eine sehr profane In-Version des Wunders der Wiederauferstehung in Szene gesetzt wird – nicht ohne ikonografische Anleihen bei da Vinci und Buñuel und vor allem nicht ohne die praktisch-therapeutische Hilfe der attraktiven Krankenschwester Maria (Abb. 4-5). Diese Sequenz lässt aber auch schon erkennen: Mit zunehmender Dauer zeigt sich in diesem Film die Tendenz, grotesk zugespitzte Situationen und Konfigurationen mit ihren pointierten, schlaglichtartig komischen Brechungen, diskursiv zu entfalten und erzählerisch auszugestalten. Damit wird den knappen, rasch wechselnden, oft kolli- sionsartig montierten Momentaufnahmen ihre Spitze genommen, sie drohen visuell ausformuliert und unter eine narrative Gag-Ökonomie subsumiert zu werden, die dem Lagerleben letztlich den Touch eines anarchischen Freizeitcamps verleiht. Die lange Szenenfolge des Football-Matches zwischen dem Lazarett-Team und einer anderen Mi- litärmannschaft stellt in dieser Hinsicht das markanteste Beispiel dar. Dem entspricht das Ende des Films. Bei und nach dem Fußballmatch scheint sich Altman „an nichts mehr erinnern zu wollen; die schlimmen Erfahrungen seiner Helden spielen keine Rol- le mehr, und zu guter Letzt wird von einem Marschbefehl in die Heimat so wehmütig erzählt, als sei es für die beiden erlösten Männer ein schmerzhafter Abschied aus der großen Lagerfamilie.“15 Im Unterschied zu M*A*S*H weist die Modellierung des Krieges in Catch-22 (Regie: Mike Nichols, 1970) eine größere Reichweite auf und fällt ungleich radikaler aus. Das hat vor allem drei Gründe: Zum einen produziert hier der militärische Komplex aus sich heraus jenen Widersinn, um jene Friktionen, von denen Clausewitz als kriegsgefähr- denden Umständen sprach, auf groteske Weise zu unterbinden. Zum zweiten koppeln Heller/Nichols das Geschäft des Krieges mit dem Prinzip des freien grenzüberschrei- tenden, auch Feindesgrenzen überschreitenden Warenhandels, wodurch sowohl Krieg als auch Geschäft sich wechselseitig am Leben erhalten und in eine zirkuläre Struktur eintreten. Und drittens bedienen sich Roman wie Film einer zirkulären Erzählstruktur, 15 Pflaum 1981, 86. Groteske Konstruktionen des Wider-Sinns 191 die nicht nur auf der Darstellungsebene des Protagonisten reale Wahrnehmung und Alptraum surrealistisch kurzschließt, sondern auch den Leser/Zuschauer wahrneh- mungsästhetisch in diesen Circulus vitiosus einbezieht. Die Grundsituation ist schnell umrissen: Auf der fiktiven US-Luftwaffenbasis der realen Insel Pianosa vor der Küste Italiens wird – wir befinden uns im Zweiten Welt- krieg – die Frequenz der Bombereinsätze ständig erhöht, eine Ablösung des von Ab- schüssen gebeutelten Personals ist ausgeschlossen. Da ist vor allem jener Trick in Pa- ragraph 22 der Dienstvorschrift davor, mit dem sich das Militär vor ‚Vernünftigen’, die diesem Irrsinn wie der Bombenschütz Yossarian zu entkommen versuchen, schützt: Pa- ragraph 22 legt nämlich fest, dass Verrückte nicht in Feindflügen eingesetzt werden dürfen. Aber dieser Paragraph hat einen Haken, einen catch: In der reglementierten Ordnung des Militärs ist zunächst ein Antrag zu stellen; wer aber fähig ist, seine Frei- stellung wegen Verrücktheit zu beantragen, kann nicht verrückt sein und ist mithin weiterhin flug- und einsatzfähig. Da ist es wirklich schwer, nicht verrückt zu werden, zumal diese absurde Logik alle Bereiche, selbst die beiläufigsten des militärischen Lebens auf dieser Basis bestimmt: etwa das Verhalten des Vorgesetzten, der nur in seiner Sprechstunde zu sprechen ist, wobei die Sprechstunde immer dann stattzufinden hat, wenn er nicht da ist. Verstärkt und perpetuiert wird dieser alltägliche Irrsinn durch die Machenschaften des G.I. Milo Minderbinder, der mit allem, was die Basis hergibt, einen letztlich den ganzen Mittel- meerraum umspannenden Handel aufzieht. Für den einzelnen bringt dies nicht immer Vorteile: Etwa wenn die Besatzung auf dem Feindflug feststellt, dass ihr die Fallschir- me an Bord fehlen, weil momentan die Nachfrage auf dem Markt nach Seide besonders hoch sei; oder wenn dem sterbenden Verwundeten kein Morphium verabreicht werden kann, weil sich statt dessen im Sanitätskasten ein Anteilschein für Minderbenders Un- ternehmen M & M befindet. Für das Militär aber bedeutet es auf jeden Fall eine Perpe- tuierung des Kriegsgeschäfts. In diesem Licht ist auch der heimliche Deal mit den Deutschen zu sehen: Deren von Minderbender initiierter und höchstpersönlich koordi- nierter Fliegerangriff auf die eigene US-Basis dient dazu, das Überangebot an momen- tan nicht absetzbarer ägyptischer Baumwolle auf ein marktverträgliches Maß zu redu- zieren. Das Bestechende dieses Films ist, dass Nichols den Wahnwitz dieses Krieges, dem immanent nicht mit Vernunft beizukommen ist, in die filmische Form und das heißt in den sinnlichen Erfahrungsmodus des Zuschauers übersetzt. Wenn wir Yossarian zu Be- ginn wie am Ende des Films im Hospital sehen, traumatisiert durch das hilflose Mit-Ansehen-Müssen eines schwer verwundeten, dahin sterbenden Freundes, so durchmischen sich für ihn Wahrnehmung und alptraumhafte Vorstellung ununter- scheidbar und halten ihn in einem fatalen Kreislauf von Aktualität und Erinnerung ge- fangen (Abb. 6-8).16 Genau so sieht sich der Zuschauer hilflos dem Sog dieser Filmbil- der ausgesetzt, der eine verlässliche Unterscheidung zwischen ‚subjektiven’ und ‚ob- jektiven’ Eindrücken, zwischen Vorstellungsbildern und Wahrnehmungsbildern, un- möglich macht. Dies bedeutet nichts weniger, als dass das Bild und die Idee eines mit 16 Vgl. dazu ausführlich Busch 1993. 192 Heinz-B. Heller sich selbst identischen Subjekts diffundiert und sich verliert in dieser Modellierung des Krieges. Seit Herfried Münklers Studie über Die neuen Kriege hat die Unterscheidung von herkömmlich symmetrischen und neuartig entstaatlichten asymmetrischen Kriegen, wie sie die Guerrillabewegung oder der Ter- rorismus hervorgebracht haben, nachhaltig den kriegstheoretischen Diskurs geprägt.17 Was die immanente Logik des Modells des symmetrischen Krieges im Zeitalter der ato- maren Abschreckung anbetrifft, hat indes deren Axiome schon zuvor keiner so radikal zu einem Ende gedacht wie Stanley Kubrick mit seinem Film Dr. Strangelove or: How I Learned to stop Worrying and Love the Bomb (1964) – und dies zugleich auf mehreren, miteinander verwobenen Ebenen. Kubrick stellt nicht nur die Verhältnisse in der Rela- tion von Krieg und Politik, von Mittel und Abb. 6-8 Zweck, wie sie Clausewitz ausformulierte, auf den Kopf; mit den Mitteln der gnadenlo- sen Filmsatire zeigt er, dass bei dem Nullsummenspiel, auf dem das Kalkül der atoma- ren Abschreckung beruht, die Rechnung nicht aufgeht, sondern konsequent in der glo- balen Apokalypse mündet. Was Clausewitz als Friktionen in der Realisierung militäri- scher Strategien ansah: störend, aber beherrschbar, – das entlarvt Kubrick auf gro- tesk-sarkastische Weise als inhärent selbstzerstörerisches Element militärischer Pla- nung und militärtechnologischer Sachlichkeit selbst. Eros, Inbegriff nicht nur der ei- gentlichen Sexual-, sondern auch der Selbsterhaltungstriebe, und dessen Widerpart Thanatos, die nach innen wie außen gerichteten Aggressions- und Destruktionstriebe, die nach der vollständigen Aufhebung der lebendigen Spannung, nach der Rückfüh- rung des Lebewesens in den anorganischen Zustand streben, – dieser unhintergehbare Dualismus von Eros und Thanatos steht am Anfang und Ende von Kubricks Modellierung des Krieges: am Anfang, wenn das Auftanken eines in der Luft schwebenden Bombers in Verbindung mit der Musik des Schlagers „Try a little tenderness“ unverkennbar Züge eines Kopulationsaktes offenbart (Abb. 9); am Ende, wenn eine Serie von Atompilzen einen sanft beschwingten bildlichen Reigen bildet, den die Sängerin Vera Lynn in va- ger Hoffnung stimmlich begleitet (Abb. 10): „We’ll meet again, don’t know when, don’t know when ... some sunny day.“ 17 Münkler 2002. Groteske Konstruktionen des Wider-Sinns 193 Abb. 9 Abb. 10 Dazwischen liegen die mit fataler Folgerichtigkeit sich entwickelnden selbstzerstöre- rischen Ereignisse, die der US-Luftwaffengeneral mit dem sprechenden Namen Jack D. Ripper lostritt, als er das globale atomare Abschreckungskalkül sexualpathologisch auf schlüpfrige Weise von den Sowjets durch die „Fluoridation“ der Körpersäfte in den USA unterlaufen wähnt und den atomaren Vergeltungsschlag auf die UdSSR auslöst. Dass dieser, der Vergeltungsschlag, ebenso wenig aufzuhalten ist wie die von den Sowjets heimlich entwickelte doomsday machine, eine bei einem Angriff automatisch sich in Gang setzende Weltvernichtungsmaschine, wirft nicht nur ein bezeichnendes Licht auf die Kubricksche Gleichsetzung von Militär und Maschine, sondern vor allem auf deren wesensmäßig inhärenten fremd- wie insbesondere aber auch autodestrukti- ven Charakter. Krieg – so muss man in Ansehung dieses Films von Kubrick sagen – ist mit den Mit- teln einer sinnträchtigen Erzählung nicht mehr beizukommen. Dem Widersinn des Krieges mit der Freilegung und Dekonstruktion seiner Logik zu begegnen und diese Er- fahrung dem Zuschauer sinnlich erfahrbar zu machen, darin liegt wohl das Potential der grotesken Filmkomödie. Literatur Bergson, Henri: Das Lachen [1900]. Meisenheim am Glan 1948. Busch, Frieder: „Montage als beherrschendes Prinzip in Mike Nichols’ Verfilmung von Joseph Hellers Roman Catch-22“, in: Horst Fritz (Hg.): Montage in Theater und Film. Tübingen, Basel 1993, S. 249–273. Münkler, Herfried: Die neuen Kriege. Reinbek 2002. Negt, Oskar, Alexander Kluge: Geschichte und Eigensinn. Frankfurt/M. 1981. Pflaum, Hans Günther: „Kommentierte Filmografie“, in: Judith M. Kass et al. (Hg.): Ro- bert Altman. München, Wien 1981. von Clausewitz, Carl: Vom Kriege [1832/34], in: Kriegstheorie und Kriegsgeschichte. Mit einem Nachwort von Fredmund Malik. Frankfurt/M., Leipzig 2005. 194 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead Einberufung: Der neue Anti-Krieg Nach einer Phase der Rückschau auf den Zweiten Weltkrieg mit Filmen wie dem proto- typischen Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998), Pearl Harbor (2001), Windtalkers (2002) oder Saints and Soldiers (2003), die filmhistorisch zugleich die ungleich kriegskritischeren Vietnamkriegsepen wie The Deer Hunter (Die durch die Höl- le gehen, 1978), Apocalypse Now (1979) oder Full Metal Jacket (1987) abgelöst haben (wenn nicht gar vergessen machen sollten), hat das Kino spätestens mit Three Kings (1999) und Black Hawk Down (2001) oder We Were Soldiers (Wir waren Helden, 2002) Kriege jüngeren Datums ins Visier genommen. Eine prononciert kriegskritische Positi- on jedoch hat erst Jarhead (2005) bezogen, der in Zitat und Struktur immer wieder an die genannten Vietnamkriegsfilme anknüpft und so zugleich das „moral rearmament“1 populärer Weltkrieg-II-Revival-Blockbuster kongenial subvertiert. Mit maliziöser Ver- ve seziert Jarhead die Physiognomie moderner Kriege am Beispiel des zweiten US-amerikanischen Irakfeldzuges und macht auf diese Weise das vergessen geglaubte Trauma militärischen und moralischen Versagens im Genre erneut salonfähig – wenn- gleich mit wichtigen Änderungen gegenüber den Vorbildern. Als Drehbuchvorlage diente Regisseur Sam Mendes (u. a. American Beauty, 1999; Road to Perdition, 2002) der autobiografische Erlebnisbericht des Irakkriegsveteranen Anthony Swofford. Für den gleichnamigen Protagonisten des Films, einen ambitionierten, von Jake Gyllen- haal (u. a. Donnie Darko, 2001 und Brokeback Mountain, 2005) gespielten Scharf- schützen, soll es ein Krieg werden – so die ebenso mehrdeutige wie ironische Per- spektive des Films –, in dem er nie zum Schuss kommen wird. Diese Grundsituation in Verbindung mit der rigorosen Offenlegung des strapazierten emotionalen Haushalts der vor allem sexuell in Bedrängnis geratenen Soldaten liefert entlarvende Einblicke in die Niederungen des militärischen Alltags. Und dies alles unter Bedingungen eines ereignisarmen und mit Blick auf die genreübliche Inszenierungspraxis, in der martia- lische Tötungsakte zum Genre-Inventar gehören, vor allem bilderlosen Kriegsgesche- hens. Gemessen an Genrekonventionen erscheint Jarhead als kurios asymmetrischer Kriegsfilm. Der erzählte Krieg konstituiert sich in Jarhead als mediale Wahrnehmungslücke bzw. in solchen Bildern, die die grosso modo der militärischen Zensur willig folgende Berichterstattung der Massenmedien in ihrer (Bilder-)Not seinerzeit dem kollektiven Kriegsbildergedächtnis noch zuzumuten bereit war: die schwarze Erhabenheit verkohl- ter Leichen und ölverschmierter Tiere in rußverdunkelter Natur wird in Jarhead erzäh- 1 Doherty 2002, 6. Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 195 lerisch verbunden mit adoleszenter Potenzprahlerei und zwanghafter Triebabfuhr, ra- dikaler Bewegungslosigkeit in sengender Wüstenhitze und vor allem tödlicher Lange- weile. Auch die sporadischen Angriffe ändern nichts daran: Ein Feind ist weit und breit nicht sichtbar und im Zweifelsfall sind es die eigenen Flugzeuge, die die eigenen Kameraden angreifen. Und sollte doch einmal etwas mehr zu sehen sein, dann nur noch im Irrealis einer fernen Reflexion, in der der mörderische Feuersturm nur mehr als gebrochene Spiegelung in einer Glasscheibe aufscheint (Abb. 1). Kurzum: Jarhead – so ein vorläufiges Fazit – lässt sich auch in Übereinstimmung mit der Mehrheit film- kritischer Betrachtungen durchaus als Antikriegsfilm verstehen. Abb. 1 Dennoch unterscheidet sich Jarhead in zentralen Punkten von gängigen Antikriegs- film-Strategien. Weder das Episodische als erzählerische Ausdrucksform einer zuneh- mend zerbrechenden soldatischen Lebenswelt wie in All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues, 1939) oder The Deer Hunter (1978) noch die Grenzen beste- hender Bildertabus überschreitende Darstellung kriegerischer Grausamkeit wie in Apo- calypse Now (1979) oder Idi i smotri (Komm und sieh,1985), aber auch nicht die an der Veralberung militärischer Rituale ansetzende Satire wie in M*A*S*H (1968) oder Catch 22 (1970) noch die philosophische Durchdringung der inhumanen Natur des Krieges wie in King & Country (Für König und Vaterland, 1964) oder Johnny Got His Gun (Johnny zieht in den Krieg, 1971) und schon gar nicht die direkte Anklage wie in West- front 1918 (1930) oder J’accuse (1919 und 1937) interessieren Jarhead, so zumindest der erste – trügerische – Anschein. Denn der Film entfaltet seine argumentative Schärfe vermittels virtuoser filmischer Verdichtung und Reflexion der von diesen Vor- bildern konstituierten, filmhistorisch eingeschliffenen Praxis des Antikriegsfilms. Im Folgenden soll mit Blick auf Genrekonventionen und selbstreflexive Strategien ermit- telt werden, auf welche Weise Jarhead eine eigenständige Form filmischer Widerrede gegen den Krieg entwickelt und dabei mit Blick auf historische Realitäten und ihre narrative Diskursivierung zugleich ein verändertes filmisches Bewusstsein für die Bil- derpolitik der „neuen Kriege“2 zum Ausdruck bringt. 2 Münkler 2002. 196 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp Mobilmachung: Der Anti-Krieger im Krieg mit der Ereignislosigkeit So wie die „Desert Storm“ genannte militärische Aktion der USA gegen die Armee des Irak den Vorstellungen der US-Soldaten vom ‚richtigen Krieg’ widersprach, wie sie ihn aus den Medien kannten, subvertiert Jarhead vermeintliche Gesetzmäßigkeiten des Antikriegsfilms. Diesem ist häufig der Vorwurf gemacht worden, vor allem durch die Verwendung von Elementen des Action- und Horrorfilms das Kritisierte zugleich im- mer auch zu ästhetisieren und auf diese Weise das eigene Anliegen zu unterlaufen: „Es gehört zum ‚comment’ des Kriegsfilms, den Krieg zu verachten – und dann eine gute Geschichte darüber zu erzählen.“3 Die filmische Ästhetisierung von Gewalt und Kriegstechnik setze immer auch, so das Argument, ein auf die faszinative Kraft der Bilder gerichtetes, affirmatives Potenzial frei. Jarhead begegnet diesem Vorwurf, in- dem er ein bislang kaum bekanntes Erscheinungsbild des modernen Krieges nutzt: die absolute Ereignislosigkeit. Zwar ist dies filmhistorisch immer wieder Gegenstand des erzählten Krieges geworden, doch mündete das Warten, die Langeweile, das Gefühl der Nutzlosigkeit und Ohnmacht bislang stets in einen sinnstiftenden Akt, in aller Re- gel in Kampf und Schlacht. Dass die konsequente Rücknahme unmittelbarer Kriegsin- szenierungen in der bekannten Form filmischer Schlachtinszenierungen bis zur au- genzwinkernden Selbstverleugnung hingegen ein probates Mittel sein kann, um die filmische Auseinandersetzung mit dem Krieg neu zu definieren, zeichnet Jarheads fil- mische Antikriegs-Strategie aus. Exkurs: Anti-Clausewitz Konnte Carl von Clausewitz noch davon ausgehen, dass „[d]ie Heere […] in unseren Tagen einander an Bewaffnung, Ausrüstung und Übung so ähnlich [sind], dass zwi- schen den besten und schlechtesten kein sehr merklicher Unterschied in diesen Din- gen besteht“,4 so ist diese Bedingung der Kriegsführung als vorherrschendes Paradig- ma zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen spätestens mit Ende des Kalten Krie- ges hinfällig geworden. Dem Verschwinden des Feindes – sei es durch die radikale Zer- störungskraft militärischer Großtechnologien, die Distanzierung Dank moderner Kriegsaufklärung oder unkonventionelle militärische Strategien des feindlichen Ge- genübers – folgt das Verschwinden des kriegerischen Großereignisses der Schlacht. Carl von Clausewitz’ zu Beginn des 19. Jahrhunderts artikulierte Vorstellung des klas- sischen Krieges unterscheidet sich mithin grundlegend von neuen Formen moderner Kriege, wie Herfried Münkler sie beschrieben hat.5 Kennzeichen des modernen Krieges ist laut Münkler eine asymmetrische Struktur, in der eine technologisch hochgerüste- te Seite einem militärisch hoffnungslos unterlegenen Gegner gegenübersteht. Flug- zeugträger, Luftstreitkräfte, Raketensysteme und Nuklearwaffen machen in einem aus dem technologischen Gleichgewicht geratenen Kriegsgeschehen den einfachen Fuß- 3 Augstein 2005. 4 Clausewitz 1832, 5. Buch (1. Kapitel), 4. 5 Vgl. Münkler 2002. Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 197 soldaten prinzipiell überflüssig.6 Mit der soldatischen Lebensrealität in modernen Kriegen lässt sich von Clausewitz’ Auffassung kaum noch vereinbaren, der zufolge „[d]as Gefecht […] die eigentliche kriegerische Tätigkeit [ist]“.7 Auch in Jarhead hat der moderne Frontsoldat im Grunde keine Aufgabe mehr. Die Schlacht, für die er aus- gebildet wurde, erscheint nicht länger in seinem Gesichtsfeld. Er ist ein Anachronis- mus. Die neue militärische Doktrin enttäuscht seine Erwartungen, sie hat ihn um sein ganz persönliches Kriegsereignis betrogen und zum Nichtstun abkommandiert. Davon erzählt Jarhead, während zeitgenössische Kriegsfilme wie Black Hawk Down die Kehr- seite der Medaille zeigen: Der Kampfeinsatz des modernen Soldaten mündet unter Bedingungen asymmetrischer Kriegsführung im militärischen Fiasko, das zumindest in diesem Film zum moralischen Sieg umgewertet wird.8 Wie es auch gedreht und ge- wendet wird: Das Gefecht, wie es sich für den Soldaten bislang darstellte (und wie es filmgeschichtlich längst über das Wünschenswerte hinaus durchdekliniert ist), näm- lich als bewaffnete Form der Auseinandersetzung zwischen Personen, ist dem ange- strebten Ziel des militärischen Sieges radikal äußerlich geworden. Hier bestimmt die unbarmherzige Eintönigkeit von Manöver, Drill und Langeweile den soldatischen Ta- gesablauf: „Sam Mendes neues Werk ist ein Kriegsfilm ohne Krieg. Nicht der Krieg selbst wird thematisiert, sondern das Warten der Soldaten darauf, dass er endlich be- ginnt. Egal wo [sie] auch immer sind, der Krieg ist ihnen immer ein, zwei Schritte voraus.“9 Damit ist zugleich das Hauptproblem der Marines in Jarhead umschrieben: Das Rollenbild des modernen Soldaten hat sich vom todbringenden Kämpfer zum töd- lich gelangweilten Touristen gewandelt (Abb. 2). Abb. 2 Grundausbildung: Die Antikriegs-Erzählung als Austreibung des Krieges aus den Kriegsbildern Die Erzählweise Jarheads unterscheidet sich deutlich von der anderer, so genannter Anti- kriegsfilme. Dies wird bereits mit der Beförderung der Soldaten an die Front dokumen- tiert. Den nicht selten als abenteuerlichen Höllenritt inszenierten Transport ins Kriegsge- 6 Vgl. ebd., 49. 7 Clausewitz 1832, 4. Buch (3. Kapitel), 23. 8 Röwekamp 2006. 9 Kurpanek 2006. 198 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp biet – etwa die Landungsboote am D-Day oder die Helikopterflüge im Vietnamkrieg – in- szeniert Mendes als zynischen Kommentar zur strukturellen Veränderungen der zeitge- nössischen Kriegsführung: Soldaten werden zu Pauschalreisenden im Linienflugzeug transformiert. Nichts als Kriegstouristen mit dem zweifelhaften „Privileg eine Scheiße wie die hier zu sehen“ (Staff Sgt. Sykes) sind die Infanteristen dann auch in diesem von Ereignislosigkeit geprägten Krieg. Tatsächlich wurde die Auseinandersetzung im Irak mit dem Einsatz von Marschflugkörpern, Smart Bombs und schwerer Artillerie aus der Luft und großer Distanz entschieden und ließ mit der Front, d. h. dem Arbeitsplatz des klassi- schen Fußsoldaten zugleich dessen Aufgabe verschwinden. Ihm blieb nur jene „Agonie des Wartens“10, die Jarhead in eine die Erwartungen von Soldaten und Zuschauern glei- chermaßen zunehmend strapazierende, ent-narrativierende erzählerische Struktur trans- formiert. Die sinnstiftende Kraft des erwarteten Kriegs-Ereignisses versickert im Lauf der Erzählzeit in übertragenem Sinne langsam im allgegenwärtigen Wüstensand. Mit dem Nicht-Eintreffen des sicher geglaubten Kriegsereignisses trocknet die narrative Sinnstif- tung zusehends aus und tritt schließlich ebenso auf der Stelle wie die zur Tatenlosigkeit gezwungenen Soldaten – und schlägt um in eine nicht enden wollende, skurrile Num- mernrevue, in der groteske Gags unvermittelt neben gefährlichen Psychosen auftauchen können. Der paradoxe Krieg ohne Krieg vernichtet nicht nur innerdiegetisch die Bedeu- tung von Raum, Zeit und militärischer Handlungsmotivation als Essenzen soldatischen Handelns; die Form seiner narrativ-poetologischen Verdichtung erzählt diesen Sinn-Verlust mit Hilfe von Retardationen, Wiederholungen und Aufschüben und macht ihn auf diese Weise an der filmischen Oberfläche unmittelbar erfahrbar. Die quälende Monotonie des Wartens wird zur filmischen Wahrnehmungsstruktur der Phänomenologie des modernen Krieges. Der Plot des Krieges unterläuft (Genre-)Erwartungen von Zu- schauern und Soldaten gleichermaßen: Lässt der kathartische Effekt – d. h. auch: das sensationelle Moment des Krieges – nur auf sich warten, oder tritt er gar nicht ein? Erst als schemenhaft einige Kameltreiber am Horizont auftauchen, ist die mise en phase von Plot und Erwartungshaltung abgeschlossen und das Spiel scheint zu beginnen. Doch der vermeintliche Feind erweist sich als harmloser, selbst suchender Zeitgenosse. Der offene Bruch mit Erwartungsstrukturen setzt sich nicht nur für die perplexen Soldaten fort, son- dern auch für den nach Auflösung suchenden Zuschauer. Als die Soldaten irgendwann doch noch zum Einsatz gerufen werden, bleibt ihnen nur das entsetzte Staunen ange- sichts der Überreste eines Luftangriffs: Die Soldaten sind angekommen, doch der Krieg ist bereits weiter gezogen. Wieder einmal sind sie nicht zum Schuss gekommen und wir nicht ins erwartete (und deswegen für richtig und wahr gehaltene) Kriegsbild gesetzt worden, sondern in ein anderes, in ein Nicht- bzw. Anti-Bild des Kriegs-Ereignisses – und dies wird auch so bleiben. Vor allem die satirische Erzählstrategie bestimmt sich letztlich aus der Logik militärischer, ökonomischer und politischer Asymmetrisierung: So wie die kriegstechnisch und wirtschaftlich unterlegenen Gegner der USA „Passagierflugzeuge zu Bomben und Bürotürme zu Schlachtfeldern transformieren“11, verwandeln sich Schlacht- felder zu Footballfeldern, Truppenzelte zu Zirkusarenen und Soldaten zu kostümierten 10 Zander 2006. 11 Münkler 2002, 54. Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 199 Narren, versehen mit ironisierenden popmusikalischen Kommentaren zur aussichtslosen Lage (Abb. 3 + 4). Die Absurdität des Krieges wird für den einfachen Soldaten und den Zuschauer des Films zum Ausweis seiner neuen Logik. Abb. 3 Abb. 4 Jarhead hebt die Symmetrien konventioneller filmhistorischer Unterscheidungen des Kriegsfilms auf allen Ebenen des Narrativen sukzessive auf. Der virtuos changierende Plot legt das Geschehen niemals in irgendeiner Form fest bzw. bietet keine Perspekti- ven für mögliche Lösungen des äußeren und inneren Konflikts an und bringt auf diese Weise die mitlaufende Hypothesenbildung aus dem erzählerischen Gleichgewicht, während sich vertraute raumzeitliche Signaturen des soldatischen Lebens im blenden- den Gegenlicht der Wüste (Abb. 5) und schließlich dem Zwielicht der brennenden Öl- felder (Abb. 6) zusehends auflösen, unbekannt und enigmatisch werden und die Welt des Krieges in ein surreales Halbdunkel abtaucht. Der Marsch der Soldaten aus der Hölle des Lagers endet in einem wahrhaft Dante’schem Purgatorium, allerdings ohne jede Aussicht auf das Paradies. Dieses „postmoderne Hieronymus-Bosch-Szenario“12 ohne erfahrbare Dimension von Raum und Zeit, Vergangenheit und Zukunft verwan- delt das Schlachtfeld von einst visuell in eine sinnlich erfahrbare, schrecklich-schöne phantasmagorische Asymmetrie. Unmittelbar an der narrativen Oberfläche erzählt Jarhead also vom Verschwinden eindeutiger, auch genreüblicher Zuordnungen. Das durch die Auflösung raumzeitlicher Filmlogiken entstehende narrative Ungleichge- wicht bzw. die erzählerische Asymmetrie schafft indes Platz für neue Differenzierun- gen, die die entstandenen Leerstellen ausfüllen, letztlich neue Symmetrien. Jarhead erfindet aus diesem Grund geradezu eine neue Anti-Kriegsimagerie voller Sinnbilder des Nicht-Krieges. Abb. 5 Abb. 6 12 Körte 2006. 200 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp Taktik und Strategie: Der reflexive Widerschein des Krieges Zum Sinnbild dieses märchenhaft-grotesken Albtraums wird das Bild eines ölverschmier- ten Pferdes (Abb. 6). Es erinnert einerseits an den von schwarzem Öl verklebten und ster- benden Kormoran, jenem Archivbild, dass das Fernsehen mangels authentischer Bilder von der sich anbahnenden Umweltkatastrophe am persischen Golf während des zweiten Golfkriegs den Zuschauern präsentierte; andererseits verweist die Inszenierungsstrategie des aus dem dunkelbraunen Nichts auftauchenden Pferdes zugleich auf die Mythologie von Märchenerzählungen, in der Einhörner – jene sensiblen Fabelwesen – das Verspre- chen von Glück und Freiheit symbolisieren. Und nicht zuletzt offenbart das zur Gen- re-Ikonographie des Westerns gehörende Pferd das Eigene im nur scheinbar so Fremden. Die selbstbezügliche Form der Inszenierung verweist auf Sinnangebote, die sich nicht aus dem erzählten Handlungszusammenhang ergeben, sondern das Bilderwissen und das Wis- sen des Zuschauers um die mit ihnen zusammenhängenden Erzählungen aktiv mit einbe- ziehen. Und darin besteht eines der zentralen Verfahren des Films, den Widersinn des Krieges erzählbar zu machen, d. h. eine kriegskritische Lesart zu kanalisieren: Anstelle konkreter Kriegsdarstellungen bilden Anspielungen und Zitate in Jarhead eine reflexive Ebene aus, auf der sich das Wider der Kriegserzählung neu formuliert, vergleichbar den filmischen Strategien in Jean-Luc Godards Les carabiniers (Die Karabinieri, 1963) und Paul Verhoevens Starship Troopers (1997). Abb. 7 Besonders eindrucksvoll, vor allem auch weil eine Reihe bekannter Kunstwerke und -codes zitierend, erscheinen die ersten sichtbaren Toten des Krieges in Form einer Armee verkohlter Leichen inmitten zer- störter Fahrzeugwracks im fremden Nie- mandsland einer Natura morte, in der sie wie vom Krieg geschaffene Skulpturen ein enigmatisches Stillleben des Todes formen (Abb. 7). Nicht nur, dass in den verstüm- melten Körpern die Anwesenheit des ab- wesenden Krieges auf makabre Weise auf- scheint, vielmehr konstituiert die Verbin- Abb. 8 dung aus geschmolzenem Metall und ver- branntem Fleisch Opfer-Bilder eines neuen, unzeigbaren Infernos. Eine der gespensti- schen Gestalten erinnert in ihrer Pose an Auguste Rodins Skulptur Le penseur (Der Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 201 Denker, 1880-1882, Abb. 8). Rodins Bildnisstatue zeigt Dante Alighieri, den Autor der Göttlichen Komödie (La Divina Commedia, entstanden um 1307 bis 1327), der als Denker an der Pforte zur Hölle sitzt und in tiefe Melancholie versunken über das Schicksal der Menschheit und ihre Verfehlungen nachdenkt. Jarhead nutzt diese An- spielung nicht nur als Hinweis auf die Notwendigkeit zur Meditation über die Absur- dität des Krieges; Swoffords langes unverständiges Schweigen beim Betrachten der Toten erzählt auch von einem tiefen kulturellen Missverständnis, vom Unvermögen, den eigenen historischen und kulturellen Ort zu bestimmen, vor allem aber, das Fremde als Teil des Eigenen zu begreifen. An diesem surrealen Ort des Nicht-Krieges reflektiert die Erzählung zugleich unsere mediale Kriegserfahrung, denn auch wir konnten der unmittelbaren Bilder des Krieges nicht ansichtig werden, sondern muss- ten uns mit dem begnügen, was von den grünschimmernden Dissimulationsdispositi- ven der allgegenwärtigen Videotableaus der Militärs am massenmedialen Rand noch abfiel. Aus dieser Not macht Jarhead eine Tugend und öffnet vermittels solcher Denk(er)-Bilder unerschlossene Reflexionsräume. Neben solch herausgehobenen Verweisstrukturen thematisiert Jarheads reflexiver Umgang vor allem auch mit Hilfe zahlreicher filmhistorischer Zitate die mediale Verfasst- heit des kollektiven Kriegsverständnisses. So etwa, wenn die vorab instruierten Soldaten in einer fernsehgerechten Inszenierung von einer Kriegs-Reporterin zu ihren Motivatio- nen und Kriegs-Eindrücken befragt werden; so auch, wenn die Soldaten zur Einstimmung auf ihren Einsatz gemeinsam den auch außerhalb der Fiktion weithin als Antikriegsfilm geltenden Apocalypse Now (1979) schauen. Während einer Sequenz, in der eine Armada von Kampfhubschraubern in einer kunstvollen Choreografie, musikalisch begleitet von Ri- chard Wagners Walkürenritt, ein komplettes vietnamesisches Dorf samt Zivilbevölkerung in Schutt und Asche legt, geraten die Rekruten in Extase: Die Faszination, die von den Bildern auch ausgeht, hat sich ihrer bemächtigt. Im Krieg werden sie freilich weder diese Bilder finden noch diese Faszination erleben. Der zutiefst zynisch-amoralische Tonfall der Filmsequenz geht den Soldaten nicht auf, die aufklärerische ,Waffe’ des Antikriegsfilms bleibt zumindest in der Fiktion stumpf. Vielmehr haben die Antikriegsfilm-Bilder die Ein- stimmungsrituale der Vergangenheit – Lieder, Aufmärsche und Paraden – beerbt. Und gleichgültig ob im Modus des Für oder Wider: entscheidende Mobilisierungsgröße ist hier das faszinative Moment. Die Einsicht, die sich hier vermittelt, nämlich dass sich Bedeu- tungsdimensionen als Effekte des Medialen erst in konkreten Verwendungszusammenhän- gen ausbilden, lässt sich auch als Warnung vor der verführerischen Annahme lesen, ein medial konstituiertes Anti ließe sich als unverbrüchliche Größe festschreiben. Die selbst- reflexive Strategie des Films zeigt sich mithin vor allem kritisch in Bezug auf medial er- zeugte Kriegs- und Antikriegsimaginationen. Die ironische Distanz, welche sich in der selbstreflexiven Gestaltung artikuliert, bleibt dem subjektiven Blick der Soldaten freilich verborgen. „Es heißt“, schreibt der Autor der Romanvorlage des Films in seiner Autobiografie, „viele Vietnamfilme seien gegen den Krieg, ihre Botschaft sei, Krieg sei inhuman. […] Eigentlich aber sind alle Vietnamfilme für den Krieg, ungeachtet ihrer vermeintlichen Botschaft und dessen, was Kubrick, Coppola oder Stone beabsichtigten.“ Der Autor räumt zwar ein, dass sich ein Teil der Zuschauer distanziert und kritisch mit dem Gesehenen auseinandersetzt, 202 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp dass sie „weinen und ein für allemal beschließen, dass Krieg unmenschlich und schrecklich ist“; Soldaten wie er hingegen würden „durch genau dieselben Filme er- regt, weil ihre magische Brutalität die schreckliche und verabscheuungswürdige Schönheit ihrer Kampftechniken zelebriert […]. Als ein junger Mann, der mit Filmen über den Vietnamkrieg groß geworden ist, will ich Munition und Alkohol und Dope, ich will mit Huren vögeln und irgendwelche irakischen Mistkerle umlegen“13, meint Swofford und wirft so genannten Antikriegsfilmen Versagen vor.14 Das Selbstzeugnis des Autors verweist freilich auch auf die Kontingenz der ‚Lesekultur’ des Antikriegs- films, auf den schmalen Grat zwischen Kritik und Affirmation. Hier setzt Jarhead an: Indem er das mediale Monument des Krieges, wie es sich vor allem in Genrezusam- menhängen des Antikriegsfilms ausgeprägt hat, dekonstruiert und es in ein Dokument seiner medialen Verfasstheit verwandelt, ohne dabei zu moralisieren, deckt er kultu- relle Wahrnehmungszusammenhänge der Kriegsbildproduktion und -reproduktion auf. Mit Hilfe ironisch-selbstreflexiver Brechungen elaboriert Jarhead die Problematik des öffentlichen Bildergebrauchs des Krieges vor allen in den Erwartungszusammenhän- gen der zugehörigen Genreformation – und erzählt zugleich von ihrem Versagen als Instrument der Aufklärung. Der Fokus verschiebt sich von einer Pädagogik der Aussa- ge – die kaum mehr als eine „pädagogische […] Illusion“15 ist – zu einer selbstaufklä- rerischen Form. Jarhead orientiert sich zumindest in dieser Hinsicht an Full Metal Ja- cket (1997), auch wenn der Film, wie Jan Distelmeyer angemerkt hat, unkritisch popu- läre Kriegsfilm-Ideologien fortschreibt, die offenbar nur in der Lage sind, „den Krieg als Erfahrung von Soldaten zu repräsentieren.“16 Dennoch ist es ein Verdienst von Jar- head, die Filmsprache des Antikriegsfilms veränderten Wahrnehmungsgewohnheiten anzupassen: Er formuliert die schlichte und ernüchternde Erkenntnis, dass das Ver- hältnis von Krieg und Kriegsbild nur als asymmetrisches zu haben ist. Das betrifft vor allem Genreregeln. Genreschemata sind ihm kein Mittel des Zu- griffs auf historische Realitäten, sondern Lieferanten kollektiv geteilter Kriegsan- schauungen. Jarhead erzählt seinen Filmkrieg, indem er die in Genrevorstellungen zir- kulierenden Bilder vom Krieg abbildet – und zwar sowohl mit genauem Blick auf die Formensprache des Genres als auch innerhalb der Fiktion, in der vom Gebrauch der Genrebilder erzählt und so die Kontingenz filmischer Antikriegs-Schemata offen gelegt wird. So in der Sequenz, in der die Rekruten mit Hilfe des als Antikriegsfilm geltenden Apocalypse Now (1979) auf den Krieg eingestimmt werden; so auch in einer Sequenz, in der die Soldaten während eines zweitägigen Fronturlaubs in einem Aufenthaltsraum zusammenkommen, um sich einen Spielfilm anzusehen, den die Ehefrau eines Kamera- den aus der Heimat geschickt hat. Es handelt sich um einen anderen Schlüsselfilm des Vietnam- und Antikriegsfilms, Michael Ciminos The Deer Hunter (1978). Von dem Film, der die Grausamkeit des Krieges in der Metapher eines barbarischen Rus- sisch-Roulette-Spiels verdichtet, bekommen die Soldaten jedoch nichts zu sehen, 13 Swofford 2003, 15f. 14 Vgl. ebd., 16. 15 Schmidt 2006. 16 Distelmeyer 2006. Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 203 denn auf dem Band befindet sich lediglich der Vorspann zu The Deer Hunter, auf den nicht der Film, sondern ein Hardcore-Porno folgt, in dem die sich über ihren Ehemann lustig machende Frau eines Kameraden beim drastischen Sex mit dem Nachbarn zu se- hen ist – der money/meat-shot17 bzw. cumshot ersetzt den headshot. Auch die im Inventar des Kriegsfilmgenres oftmals pathetisch überhöhte Bruder- schaft der Soldaten ist in Jarhead gänzlich abwesend.18 Swoffords Trupp ist eine Zweck- gemeinschaft – zugleich Sinnbild der Agonie jener zweifelhaften „Spaßgesellschaft“, die sich die Kulturkritik der Dekade so gern herbeiphantasiert hat –, die das Ende des ereignislosen Krieges herbeisehnt. Gerade dieser glorifizierende Mythos vom soldati- schen Männerbund ist es aber oftmals, der als eine der wenigen positiv besetzten Ne- benerscheinungen des Krieges formuliert wird. In zahlreichen Kriegsfilmen wird er als Ersatz-Familienmodell präsentiert, in dem sich ein verantwortungsbewusster Vater19 um seine Söhne kümmert und diese wiederum eine verschworene Gemeinschaft bilden. Jarheads Version des Krieges bietet jedoch keinen Platz für solcherlei Pathos und bi- gotte Emotionalität. Folgerichtig wirkt auch die spätere Zusammenkunft der Irak- kriegsveteranen wie ein schizophrenes Familientreffen, bei dem keiner der Anwesen- den weiß, worüber er eigentlich mit seinem Gegenüber reden soll. Diese Soldaten wa- ren nie Brüder. Auch die in der Figur des Staff-Sergant Sykes (Jamie Foxx) angelegte Vaterrolle verweigert ihren Dienst, was spätestens deutlich wird, als der als existen- zieller Erfahrungsaustausch angelegte Dialog zwischen Sykes und Swofford zur in- haltsleeren Belanglosigkeit verkommt, die einzig die amoralische Kriegsdienstfaszina- tion von Sykes sowie Swoffords indifferente Haltung offen legt. Die Vorstellung vom familiären Soldatenbund als einer Geburtsstätte des Heldentums liegt in Trümmern. Und so, wie die Figuren einander und sich selbst fremd bleiben, bleiben sie auch dem Zuschauer fremd, lassen eine Identifikation erst gar nicht zu. Mit Hilfe von Anspielun- gen und Zitaten seziert Jarhead vor allen Dingen das Quellenmaterial solcher Filme, die filmhistorisch als Antikriegsfilme qualifiziert wurden. Die selbstreflexive Kritik des Krieges gerät zu einer Kritik seiner medialen Formierung, erzählt vermittels einer mehrschichtigen mise-en-abîme-Struktur, in der die Beschädigungen sichtbar werden, die der medial determinierte Umgang mit den Bildern des Krieges in der gegenwärti- gen, Wahrnehmung als Konsumgröße favorisierenden Kultur hinterlassen hat. Kampfauftrag: Krieg/Männer/Sex Was für Erzählstrategie und das audiovisuelle Formenspiel gesagt werden kann, gilt auch für die Formierung geschlechtsspezifischer Charakterisierungen. Kultur- und filmhisto- risch traditionell als wohl radikalste Erscheinungsform des Männlichen situiert, unter- 17 Vgl. zur Begrifflichkeit mit Blick auf pornografische Strategien: Williams 1995. 18 Besonders ausgiebig wird dieser Aspekt in Steven Spielbergs Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1997) und mehr noch in der daran angelehnten epischen HBO-Serie Band of Brothers (Wir waren wie Brüder, 2001) the- matisiert. Geht man in der Filmgeschichte weiter zurück, kommen Filme wie The Longest Day (Der längste Tag, 1962) oder The Green Berets (Die grünen Teufel, 1967) ins Gedächtnis, die jene Idealvorstellung von Heldentum und Blutsbruderschaft im Bewusstsein der Gesellschaft einerseits und im Genreinventar andererseits nachhaltig verankert haben. 19 Beispielsweise der von Tom Hanks in Saving Private Ryan verkörperte Captain Miller. 204 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp zieht Jarheads filmischer Blick das Soldatentum einer sarkastischen Re-Lektüre, die die martialische Signatur des Männlichen in traditionellen Soldaten-Bildern ins Absurde wendet. Die Soldaten werden zwar als muskulöse Körpermaschinen im Stil der Rambo-Fil- me20 präsentiert, allerdings wird dieses Bild permanent dadurch konterkariert, dass die Marines regelmäßig in lächerlich wirkenden Verkleidungen zum Zeitvertreib ihre eigene Travestie betreiben, in der sexuelle, homoerotisch konnotierte Ambivalenz zum Spielball wird. Daneben werden die Soldaten von einer mit sexuellen Metaphern und ob- szön-vulgärem Vokabular durchsetzten Sprache kontinuierlich erniedrigt. Die verbal und gruppendynamisch erzwungene Anpassung an ein sexuell überdeterminiertes, vor allem von medialen Stereotypen geprägtes soldatisches Rollenverhalten offenbart die Krise des männliches Selbstverständnis, in die der Krieg die Soldaten stürzt: „Welcome to the suck“, mit diesen Worten begrüßt Troy den Neuling Swofford, als dieser zur Einheit stößt. Das lässt sich hier ebenso mit Sog, Strudel oder Wirbel, den die bevorstehenden Ereignisse des „Desert Storm“ bedeuten, übersetzen, als auch als Vorausdeutung auf die tief greifende Verunsicherung angesichts der drohenden Absorption sexueller Differenz. Vor allem manifestiert sich vermittels der soldatischen Sprache im Filmzusammenhang eine pornografische Metaphorik, die den als Erniedrigung gemeinten Akt oraler Befriedi- gung unmittelbar mit dem Kriegseinsatz verbindet. Die symbolische Funktionalisierung des Sexualtriebes für die Kriegsmotivation erzwingt indes spätestens dann andere For- men der Triebabfuhr, als das versprochene Töten ausbleibt. Die symbolische Überfor- mung mit Hilfe sexueller Konnotationen treibt Jarhead vor allem gegenüber Full Metal Jacket, auf den der Film vielfach anspielt, weiter: Aus dem Mund des jargonhaft als jarhe- ad bezeichneten Marine-Infanteristen wird ein „cum receptacle“, aus den Händen „dickskinners“ und aus dem Soldaten ein „motherfucker“. Der Kriegseinsatz wird auf al- len Ebenen des soldatischen Lebens in dieser „insensitive, sexually frustrated, macho world“21 mit symbolischer Gewalt zum pornografisch inszenierten heterosexuellen Akt umdefiniert, dessen Höhepunkt eben darin besteht, endlich zum Schuss zu kommen. Doch dies lässt dieser Krieg nicht zu. Jarhead formuliert seine Kritik am Krieg letztlich also in der Form einer geradezu antipornografischen Inszenierung, die den triebhaften Blick auf den money shot, der ja das Eintrittsgeld rechtfertigt, verweigert. Der moderne Krieg ist vielmehr eine Coitus-interruptus-Situation, eine radikale, sexuell überdetermi- nierte Asymmetrie, auf die die Soldaten nicht vorbereitet sind. Die militärische Doktrin zweckentfremdet die medial präfigurierten Kriegsvorstellungen der ihrer Lebenswelt ent- rissenen Soldaten, indem sie einen Verblendungszusammenhang von Krieg und Sexuali- tät installiert, der sich in einer quasi-pornografischen, d. h. auf die unmittelbare Erfahr- barkeit von Gewalt in kriegerischen Handlungen gerichteten Erwartungsstruktur vermit- telt (analog zur Inszenierung von Sexualität und Sexualakt mit dem Ziel, den Sexualtrieb des Betrachters vermittels unmittelbarer Anschauung zu stimulieren). Dieser Akt der Transformation männlich konnotierter Sexualität in soldatische Kriegslust erfolgt vor al- lem durch die militärische Anverwandlung und Ausbeutung medial geprägter kultureller 20 Rambo: First Blood (Rambo, 1982), Rambo: First Blood Part II (Rambo II – Der Auftrag, 1985), Rambo III (1988) sowie Derivate wie Commando (1985), Predator (1987), Black Eagle (1988) oder Red Scorpion (1989). 21 Arnold 2005. Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 205 Umgangsformen, Verhaltensweisen und Überzeugungen. Jarhead transformiert diese Zu- sammenhänge letztlich in eine multiperspektivische Inszenierung männlicher Impotenz. Die militaristische Funktionalisierung gesellschaftlich-soldatischer und biologis- tisch-sexueller Männlichkeitsvorstellungen offenbart ihre pervertierende Kraft schließlich in der nekrophilen Schändung des verkohlten Leichnams eines sexuell undefinierbaren Feindes. Als die Soldaten nicht zum versprochenen Schuss kommen können, verschafft sich der arg strapazierte Sexualtrieb schließlich auf andere Art Gelegenheit zur Abfuhr. Das imaginierte Objekt der sexuellen wie kriegerischen Begierde, der Feind, existiert nicht bzw. nicht mehr, denn er hat seine Funktion als martialisches Sexualobjekt bereits für an- dere Männer erbracht: für die Kameraden in den Kampfjets und an den Artilleriegeschüt- zen, die längst zum Schuss gekommen sind und insofern die eigentlichen Kombattanten um den sexuellen Höhepunkt, also die wahren Feinde der Fußsoldaten sind. Aus dieser se- xuellen Anomalie des Krieges gibt es in Jarhead letztlich kein Entkommen. Der nicht sichtbare Krieg, der Anti-Krieg ist aus. Der Abschied aus dem Feindesland, eine Orgie mit Knarren und Zigarren (Abb. 9), ist denn auch kaum mehr als ein hilfloser Versuch, mit phallischen Symbolen und zur Schau gestelltem Machismus die Reste längst verlorener Potenz zu reanimieren. Die Schüsse in den Nachthimmel sind freilich nur ein vorgetäusch- ter Orgasmus, ein blutleerer fake so wie der Krieg. An seinem Ende stehen Irritationen, weil sich der versprochene Krieg als wahrhaftiger Nicht-Krieg, als im Wortsinn Anti-Krieg herausgestellt hat (Abb. 10). Damit hatte keiner der kriegsbegeisterten Rekruten gerech- net – und wir Zuschauer wohl auch nicht. Abb. 9 Abb. 10 Der Krieg ist aus: Kriegs-Bild ohne Kriegsbild Jarhead lässt sich in der Summe als ambitionierter Versuch lesen, die bekannten Dar- stellungsprobleme des Antikriegsfilms zu umgehen und seine Form behutsam verän- derten film- und realhistorischen Bedingungen anzupassen, indem er reflexiv eines der zentralen Bild-Tabus kollektiver Vorstellungen und Konventionen des Kriegsfilms verletzt: Sein Anti formuliert sich in der beharrlichen Weigerung, Bilder des Krieges zu zeigen, sie nur an der Rändern, aus den Augenwinkeln wahrnehmbar zu machen, sie als Bilder im Kopf – ‚Kopfkriegskino’ – entstehen und zugleich stehen zu lassen. Das filmische Wider resultiert aus der provozierenden Absage, das Unmodellierbare für uns zu modellieren22, um uns medial zu entlasten. Jarhead verweigert uns die Befriedi- gung dieses Wunsches, frustriert die eigenen Erwartungen, ignoriert Genreverspre- 22 Vgl. Prümm 2003. 206 Dennis Conrad/Burkhard Röwekamp chen und vor allem die faszinative Sehnsucht nach Abbildung exzessiver Kriegsge- walt. Wir befinden uns folglich in der gleichen misslichen Lage wie die Soldaten in der erzählten Kriegswelt. Der Berichterstatter des Zuschauers, die Kamera, deren Auf- nahme nicht eben zufällig auch als shot bezeichnet wird, und mit ihr wir als Kon- strukteure der Geschichte sind nicht zum Schuss gekommen. Worin besteht also die Gratifikation? Mit Blick auf die unbekümmerte selbstreflexive filmische Strategie lässt sich zumindest eines konstatieren: Im permanenten erzählstrategischen, ästhe- tischen und inhaltlichen Rekurs auf die mediale Durchdringung unserer Vorstellungs- welten und ihrer reflexiven Brechung mit Hilfe von Ironie und Satire, verdichtet Jar- head nicht nur ein den veränderten Formen des Krieges angepasstes Anti-Kriegsbild. Vielmehr macht Jarhead die mediale Bedingtheit kollektiver Kriegs-Bilder und Über- zeugungen selbst zum Gegenstand einer dekonstruktiven Lektüre vor allem massen- medialer Selbstverständigungsdiskurse über den Krieg. Die filmhistorische Symmetrie von Kriegsfilm und Kriegsbild, von Erwartung und Erwartungserfüllung vor allem mit Blick auf Genreversprechen und hier insbesondere des Antikriegsfilms wird dabei lustvoll durchbrochen. Mit Hilfe dieser narrativen Strategie wird einerseits sichtbar gemacht, dass der erzählte Krieg die Asymmetrie zwischen fiktivem und historischem Ereignis notwendig voraussetzt23. Andererseits erweist sich vor diesem Hintergrund eine strukturelle Asymmetrie zu den Vorgaben und Konventionen des Kriegsfilmgen- res als weitaus effektivere Form filmischer Kritik am Krieg: als Kritik seiner Bilderpo- litik. Es gibt also Hoffnung. Der Antikriegs-Film ist tot, es lebe der Anti-Kriegsfilm. Literatur Arnold, William: „Jarhead sends a powerful message about war’s psychological toll“, in: Seattle Post, 4.11.2005. Augstein, Jakob: „Warten, schwitzen, niemals kämpfen. In Sam Mendes’ skandalösem Antikriegsfilm Jarhead kommen die Scharfschützen nicht zum Schuss“, in: Die Zeit, Nr. 52, 21.12.2005. Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Potsdam 1832. [Der vollständige Text von Clausewitz ist im WWW unter http://gutenberg.spiegel.de/clausewz/krieg/inhalt.htm abrufbar – Stand: 26.5.2006.] Distelmeyer, Jan: „Voll der Sinnsprüche. Die vermeintliche Stärke von Sam Mendes’ Verfilmung des Kriegsromans Jarhead – dessen radikale Binnenperspektive – ist lei- der ihre Schwäche“, in: Die Tageszeitung (taz), v. 4.1.2006. Doherty, Tom: „The New War as Moral Rearmament“, in: Cineaste, Sommer 2002, S. 4-8. Körte, Peter: „Der Vater aller Kriege“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1.1.2006, Nr. 52, S. 25. Kurpanek, Carsten: „Warten auf Saddam“, in: Screenshot-Online, WWW: http://www.screenshot-online.com/index.php?id=195 (Stand: 26.5.2006). 23 Die Narration markiert diese Differenz, indem sie das historische Ereignis in ein Zeichen umwandelt. Krieg ohne Krieg – zur Dramatik der Ereignislosigkeit in Jarhead 207 Münkler, Herfried: Die neuen Kriege. (Schriftenreihe Bundeszentrale für politische Bil- dung, Bd. 387), Reinbek bei Hamburg 2002. Prümm, Karl: Modellierung des Unmodellierbaren. NS-Kriegspropaganda im Film und ihre Grenzen. In: Peter Zimmermann, Kay Hoffmann (Hg.): Triumph der Bilder. Kul- tur- und Dokumentarfilme vor 1945 im internationalen Vergleich. (CLOSE UP, Bd. 16.) Konstanz 2003, S. 319-332. Riepe, Manfred: „Jarhead – Willkommen im Dreck“, in: epd Film, Nr. 1, 2006, S. 46. Röwekamp, Burkhard: „Ein langer Film über das Töten: Krieg und excess in Black Hawk Down“, in: Andreas Kirchner, Michael Neubauer, Karl Prümm, Peter Riedel (Hg.): Der Kameramann Slawomir Idziak. Marburg: Schüren 2006 [im Erscheinen]. Röwekamp, Burkhard: „Ein Zitat ist ein zitat ist ein ziTAT“, in: Matthias Steinle, Burk- hard Röwekamp (Hg.): Selbst/Reflexionen. Marburg 2004. Schmidt, Peer: „Porno in Kuwait. Es gibt keine Hollywood-Antikriegsfilme“, in: Junge Welt, 5.1.2006, S. 12. Swofford, Anthony: Jarhead. Erinnerungen eines US-Marines. Köln 2003. Williams, Linda: Hard Core. Macht, Lust und die Traditionen des pornographischen Films [1989]. Basel, Frankfurt/M. 1995. Zander, Peter: „Warten auf Saddam. Der erste Golfkrieg als absurdes Unternehmen: Jar- head – Willkommen im Dreck von Sam Mendes“, in: Berliner Morgenpost, 5.1.2006. 208 Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle „All Quiet on the Genre Front?“ – Ausblick An der ‚Genre-Front’ also nichts Neues? Es wäre vielleicht übertrie- ben zu behaupten, die Tagung hätte bei der Behandlung ihres Su- jets – die Suche nach historisch-pragmatischen Bedingungen des er- zählten Krieges und ih- ren methodisch-theore- tischen Modellierungen, verstanden als filmhis- torische Genrekonfigu- ration – eine rundum befriedigende Antwort geben können. Dazu sind Tagungen wie diese gewiss nicht in der Lage, es ist auch nicht ihr Zweck. Um so mehr haben die Vorträge und Diskussionen indes eines ge- zeigt: Es gibt reges Interesse am Sujet und ein sehr differenziertes Problembewusst- sein im kritischen Umgang mit ihm sowie den drängenden Fragen, die sich damit ver- binden. Die Veranstaltung hat sichtbar gemacht, wie sehr sowohl mit Blick auf Genremo- dellierungen als auch hinsichtlich der kulturellen Funktion filmischer Kriegserzählun- gen eine Neubewertung und möglicherweise Umschrift filmwissenschaftlicher Be- schreibungsmodelle dringend angeraten erscheint. Wie die produktiven und vielfach erhellenden Debatten der Tagung und die hier versammelten Beiträge zeigen, verlangt das Thema nach Öffnung, weg von Fragen der Zugehörigkeit und Stereotypenbildung hin zu Fragen nach Entwicklungslinien seiner historischen Poetik und Semantik im Kontext kulturellen Funktionswandels. Die Diskussionen legen nahe, dass es endgültig herauszutreten gilt aus den längst nutzlosen Schützengräben herkömmlicher Genrezu- schreibungspraxen mit ihren normativen, bisweilen beliebigen Einschluss- Ausschluss-Modellen und einer offenen Beschreibungsstrategie das Feld zu bereiten, die der Vielgestaltigkeit des Phänomens besser gerecht zu werden verspricht. Das be- trifft das Verhältnis von realhistorischem Ereignis und filmischer Diskursivierungslei- stung einerseits, in erster Linie aber das dynamische Wechselspiel der im Genre histo- risch institutionalisierten filmsprachlichen Verkehrsformen zwischen Produktion und Rezeption andererseits. Wann und mit welchen Bildern und Präsentationsformen setzt die Produktion von Kriegsbildern und Kriegserzählungen ein und wie verläuft ihre Aus- „All Quiet on the Genre Front?“ – Ausblick 209 differenzierung? Welche Erwartungsstrukturen und Kriegsimaginationen etablieren sich rund um diese Bilder? Welche Funktion haben sie in kulturhistorischen Selbstver- ständigungsdiskursen? Horst Tonn hat darauf hingewiesen, dass filmische Kriegsimaginationen keines- wegs erst mit der Blüte des Studiosystems Hollywoods massenhaft entstehen und wahrgenommen werden, sondern bereits in der Frühphase des so genannten „cinema of attractions“1 weit verbreitet sind: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich visuelle und narrative Muster filmischer Kriegsdarstellung, die bis in die späten 1920er Jahre „remarkably stable“ blieben.2 Die Ursprünge des Genres scheinen also weit vor denjenigen Filmen zu liegen, die das Symposium favorisierte. Und mehr noch: Zu fragen wäre auch, inwiefern möglicherweise das Kriegssujet Einfluss auf die Ent- wicklung des narrativen Kinos genommen hat.3 Die Filmauswahl der Tagung legt ihrer- seits beredtes Zeugnis davon ab, welche Konfigurationen des erzählten Krieges die ge- genwärtige Diskussion dominieren und das öffentliche Gedächtnis (zumindest in der akademischen Version) nachhaltig prägen. Auffällig ist, dass explizite Kriegsfilme, die zum ‚Genre-Kern’ zählen wie etwa der combat film ebenso weitgehend abwesend sind wie der die Produktion quantitativ dominierende Zweite Weltkrieg. Stattdessen richtet sich das Interesse überwiegend auf die Darstellung des Krieges im Sinne einer Bearbei- tung mit Blick auf ihre soziale Funktion, womit vermehrt vor allem das ‚Anti-’ sowie Filme an den Rändern, hybride Formen und andere Genres (Western, Burleske/Komö- die/Satire) in den Blick geraten. Einzig der Vietnamkrieg ist mit ‘Klassikern’ vertreten – ein Interesse, das wohl nicht zuletzt in der aktuellen weltpolitische Lage gründet: Wird doch der Irak-Vietnam-Vergleich häufig von den Medien bemüht und die Analo- giebildung scheint zumindest in Hinsicht eines immer wahrscheinlicher werdenden Fi- askos durchaus begründet. Auch hat die neue Allianz von Pentagon und Hollywood zu einer Revitalisierung militärischer Heldenposen im blockbuster-Format geführt, die mit an der Umschrift der aus Vietnam resultierenden ‘Lehre’ außenpolitischer Kriegs- abstinenz, munitioniert durch den weltweiten ‚Kampf gegen den Terrorismus’, beige- tragen hat.4 Der neuen Realität „asymmetrischer Kriege“ (Herfried Münkler) beizukommen, die sich klaren Frontlinien ebenso entziehen wie klassischen Darstellungsstrategien, ver- langt neue Denkmuster. Ob Clausewitz mit der Umkehrung seines Diktums dahinge- hend, dass Politik die Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln ist, vom Kopf auf die Füße – oder umgekehrt – gestellt wird, sei dahingestellt: Dass die These Foucaults, wonach das Kriegerische in der zivilen Ordnung der Gesellschaft selbst aufzuspüren sei und von hier aus gedacht werden müsse5, in der Diskussion über Limitationen des Kriegsfilm-Genres auf deutlichen Widerspruch stieß, legte u.U. auch generationenbe- dingte Wahrnehmungsdispositionen offen. Die Rolle des biografischen Resonanzbo- 1 Gunning 1986. 2 Tonn 2006, 147. 3 Ebd. 4 Vgl. Bürger 2005. 5 Vgl. Foucault 2001. 210 Heinz-B. Heller/Burkhard Röwekamp/Matthias Steinle dens, der durch direkte oder zeitnahe Kriegserfahrung gleichzeitig auch ein Genera- tionenphänomen ist, fand so implizit seinen Ausdruck. Hier zeigen sich über film- oder medienwissenschaftliche Fragen hinausgehende Möglichkeiten und Perspektiven für die Beschäftigung an der Genre-Front: Spielen doch filmisch verdichtete Klischees und Versatzstücke eine – wenn auch schwer fassbare, so doch kaum zu unterschätzen- de – erinnerungskulturelle Rolle, wie Harald Welzer in seinen Untersuchungen zum so- zialen Gedächtnis gezeigt hat.6 Die Frage nach Praxis und Theorie des Kriegsfilms stellt sich vor diesem Hinter- grund zwar nicht notwendig neu, aber anders. Wie der Verlauf der Tagung erkennen ließ, scheint es mehr als ratsam, dass sich die Erforschung des erzählten Krieges auf das dynamische Wechselspiel von Entstehung und Entwicklung der Filmsprache des Kriegsfilms im Zusammenhang mit seinen produktionstechnischen, ökonomischen und vor allem soziokulturellen Bedingungen einlässt, jedenfalls sofern sie an Nutzen und Funktion des Genres und seiner filmischen Formensprache als Erwartungsstruktur in- nerhalb öffentlicher Kriegsdiskurse interessiert ist. Dann verschiebt sich die Perspek- tive von Typologien und Aufzählungen zur Arbeit an Funktionsstellen offen texturier- ter Formen und daran kondensierender, veränderlicher Semantiken. Die Ruhe an der ,Genrefront’ ist also trügerisch – das Kräfteverhältnis von Praxis und Theorie des Kriegsfilms muss dringend neu taxiert werden. Literatur Bürger, Peter: Kino der Angst: Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood. Stuttgart 2005. Foucault, Michel: In Verteidigung der Gesellschaft. Vorlesungen am Collège de France (1975/76). Frankfurt/M. 2001. Gunning, Tom: „The Cinema of Attractions. Early Film, Its Spectator and the Avant-Garde“, in: Wide Angle, Jg. 8, Nr. 3/4, 1986, S. 63-70. Tonn, Horst: „Visual Images of War in Early American Cinema“, in: William Uricchio, Su- sanne Kinnebrock (Hg.): Media Cultures. Heidelberg 2006, S. 143-152. Welzer, Harald, Sabine Moller, Karoline Tschuggnall: „Opa war kein Nazi“: Nationalso- zialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Frankfurt/M. 2002. 6 Welzer/Moller/Tschuggnall 2002. Autorinnen und Autoren 211 Autorinnen und Autoren Dennis Conrad, geb. 1977, 2000-2005 Magisterstudium Kunstgeschichte, Neuere deut- sche Literatur und Medien an der Philipps-Universität Marburg, daneben freier Jour- nalist im Bereich Kultur und Medien, seit 2006 Kunsthistoriker M.A. und Doktorand am Institut für Kunstgeschichte der Philipps-Universität Marburg (Thema: „Wissens- bildung und Kulturkontakt in der Frühen Neuzeit“). Derzeit wiss. Mitarbeiter am Stä- del Museum in Frankfurt/M. (konzeptionelle Mitarbeit am Ausstellungsprojekt „Im Garten der Maler“, 11/2006-03/2007). Mail: dennis.conrad@imail.de. Jörn Glasenapp, geb. 1970, Dr. phil., 1997-2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Sonderforschungsbereich 529 („Internationalität nationaler Literaturen“); seit 2000 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Angewandte Medienfor- schung der Universität Lüneburg. Forschungsschwerpunkte: Fotogeschichte und -theorie, Filmgeschichte und -theorie, Visual Studies, Cultural Studies, digitale Kom- munikation, US-amerikanischer Roman des 18. und 19. Jahrhunderts. Buchveröffent- lichungen: Gebrauchte Bilder: Funktionsgeschichtliche Studien zur Fotografie nach 1945 (Habilitationsschrift; im Erscheinen); ‚Prodigies, anomalies, monsters’: Charles Brockden Brown und die Grenzen der Erkenntnis (Göttingen 2000); als Hg.: Cyberfiktio- nen: Neue Beiträge (München 2002), als Mithg.: Liebe als Kulturmedium (München 2002). Mail: glasenap@uni-lueneburg.de. Heinz-B. Heller, geb. 1944, 1973 Promotion, 1983 Habilitation mit einer Studie zum Verhältnis Literarische Intelligenz und Film in der Stummfilmzeit, 1973-1984 Wiss. Assistent an der Universität-GH Wuppertal, seit 1987 Professor für Medienästhetik und Mediengeschichte an der Philipps-Universität Marburg; Gastprofessuren in Aus- tin/TX, Kairo und Moskau. Zahlreiche Veröffentlichungen v.a. zur deutschen und inter- nationalen Filmgeschichte, zum Dokumentarismus in Film und Fernsehen, zu Proble- men und Aspekten der Drehbuchpraxis, zum Komplex ‚Intermedialität‘. Jüngste Buch- veröffentlichung: Filmgenres: Komödie, Hg. (Hg. mit Matthias Steinle Stuttgart 2005.). Mail: heller@staff.uni-marburg.de. Knut Hickethier, geb. 1945, Dr. phil., Professor für Medienwissenschaft an der Univer- sität Hamburg. 1979 Promotion über das Fernsehspiel, 1982 Habilitation. 1982-1994 Radio-, Fernseh- und Filmkritiken vor allem in epd medien, epd Film und verschiede- nen Tageszeitungen. Veröffentlichungen über Medientheorie, Film, Fernsehen und Ra- dio. Zuletzt: Film- und Fernsehanalyse (Stuttgart/Weimar 3. Aufl. 2001); Geschichte des deutschen Fernsehens (Stuttgart/Weimar 1998); Medienkultur und Medienwissen- schaft. Das Hamburger Modell (Hamburg 2001); Einführung in die Medienwissenschaft (Hamburg 2003); Filmgenres: Kriminalfilm, Hg. (Stuttgart 2005); Komiker, Komödian- 212 Autorinnen und Auroren ten, Komödienspieler, Hg. (St. Augustin 2006); in Vorbereitung: Medium Film (voraus. 2007). Mail: hickethier@uni-hamburg.de. Detlef Kannapin, geb. 1969, Dr. phil., Zeit- und Filmhistoriker, zahlreiche Veröffentli- chungen zur deutschen und internationalen Filmgeschichte sowie zu zeithistorischen und politischen Themen. Zuletzt: Dialektik der Bilder. Der Nationalsozialismus im deut- schen Film. Ein Ost-West-Vergleich (Berlin 2005) und „Zur politischen Ästhetik des Films“, in: Topos. Internationale Beiträge zur dialektischen Theorie, Heft 25 (im Er- scheinen). Mail: D.Kannapin@gmx.de. Thomas Klein, geb. 1967, Dr. phil., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Filmwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Veröffentlichungen: Ro- bert Altman. Abschied vom Mythos Amerika, Hg. mit Thomas Koebner (Mainz 2006,); Ernst und Spiel: Grenzgänge zwischen Bühne und Leben im Film (Mainz 2004); Männer – Machos – Memmen: Männlichkeit im Film, Hg. mit Christian Hißnauer (Mainz 2003); Aufsätze u.a. zu Schauspielkunst, Starwesen und Filmgenres; zahlreiche Lexikonarti- kel für die Filmklassiker und die Genre-Reihe bei Reclam. Mail: kleint@uni-mainz.de. Thomas Koebner, geb. 1941 in Berlin, Prägung durch Kriegs- und Nachkriegszeit, seit- her habituelle Abwehr von Gewalt- und Splatterphantasien. Nach der Schule und ‚Lehrjahren’ im Kino und in Filmateliers, in Konzertsälen und im Musiktheater: Studi- um der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in München, zehn Jahre lang Musikkritiker, später neben oder außerhalb der Tätigkeit an der Universität (seit 1967 vorwiegend als Germanist) politische Aufgaben (Entwicklungspolitik), zwischendrin auch Direktor einer Filmhochschule, seit 1993 Filmwissenschaftler in Mainz. Mail: rkern@uni-mainz.de. Angela Krewani, Dr. phil., Professorin für Medienwissenschaft an der Philipps-Univer- sität Marburg. Studierte Anglistik, Anglo-Amerikanische Geschichte und Politologie in Köln. Promotion 1992 in Siegen zu Moderne und Weiblichkeit. Amerikanische Schriftstellerinnen in Paris. 1999 Habilitation ebenfalls in Siegen, Titel der Schrift Hybride Formen. New British Cinema – Television Drama – Hypermedia. Forschungsauf- enthalte und Gastprofessuren in USA und Kanada. Arbeitsschwerpunkte: digitale Me- dien, zeitgenössischer Film, naturwissenschaftliche Bildgebungsverfahren. Mail: krewani@staff.uni-marburg.de. Stefan Reinecke, geb. 1959 in Mülheim/Ruhr, Studium der Germanistik und Politik in Marburg 1979-1987, 1990-1996 Kulturredakteur der Wochenzeitung Freitag in Berlin, 1996-1999 Redakteur der Kommentarseite der taz, 1999-2001 Redakteur der Kom- mentarseite des Tagesspiegel in Berlin. Seit 2001 Autor der taz. Publikationen: Holly- wood goes Vietnam (Marburg 1993), Die letzten Worte des Angeklagten Bucharin (Ham- burg 1997) Otto Schily, Vom RAF-Anwalt zum Innenminister (Hamburg 2003). Mail: reinecke@taz.de. Autorinnen und Auroren 213 Peter Riedel, geb. 1971, Dr. phil., Studium der Philosophie, Literatur- und Medienwis- senschaft. Promotion 2001 zum Thema „Strukturbedingungen photographischer Refe- renz“. Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Neuere deutsche Literatur und Me- dien der Philipps-Universität Marburg. Publikationen zur Photographietheorie, Film- theorie und Filmästhetik. Mail: riedelp@staff.uni-marburg.de. Burkhard Röwekamp, geb. 1965, Dr. phil., Wiss. Mitarbeiter am Institut für Medienwis- senschaft der Philipps-Universität Marburg. Diverse Lehraufträge und Publikationen zu Ästhetik, Geschichte und Theorie des Films (u.a. Film noir, Hollywood, Kriegsfilm, Selbstreflexivität, Semiopragmatik). Mail: roewekam@staff.uni-marburg.de Matthias Steinle, geb. 1969, Dr. phil., Studium Medienwissenschaft, Germanistik und Geschichte in Marburg und Paris, 2002 Promotion im Rahmen einer Cotutelle (Sorbon- ne/Philipps-Universität Marburg). Seit 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Insti- tut für Medienwissenschaft der Universität Marburg. Veröffentlichungen: Vom Feind- bild zum Fremdbild. Die gegenseitige Darstellung von BRD und DDR im Dokumentarfilm (Konstanz 2003); Selbst/Reflexionen, Hg. mit Burkhard Röwekamp (Marburg 2004); Filmgenres Komödie, Hg. mit Heinz-B. Heller (Stuttgart 2005). Mail: matthiassteinle@yahoo.com. Marcus Stiglegger, Dr. Phil. habil., geb. 1971, lehrt Filmwissenschaft an der Universi- tät Mainz. Zahlreiche Buchpublikationen und -beiträge über Filmästhetik, Filmge- schichte und Filmtheorie. Aktuelle Publikation (Mithg.): Pop & Kino (Mainz 2004), Filmgenres: Kriegsfilm (Stuttgart 2006). Habilitation: „Ritual & Verführung. Schau- lust, Spektakel und Sinnlichkeit im Film“ (Ende 2006). Herausgeber von: Ikonen (www. ikonenmagazin.de). Schreibt für Filmdienst, Testcard und Splatting Image, dreht Kurzfilme und Musikvideoclips. Mail: Marcus.Stiglegger@gmx.de. Bodo Traber, geb. 1965 in Pforzheim, Studium der Publizistik und Theaterwissen- schaft. Texte u. a. für Die Welt, Mitarbeit an diversen Filmbüchern. Synchron-, Dreh- buch-, Hörspiel- und Bühnenautor, Mitherausgeber der Reclam-Lexika Filmgenres: Abenteuerfilm (Stuttgart 2004) und Filmgenres: Kriegsfilm (im Erscheinen). Lebt in Berlin. Mail: b.traber@web.de. Hans J. Wulff, geb. 1951, Dr. phil., Professor für Medienwissenschaft an der Universi- tät Kiel. Nach dem Studium acht Jahre kommunale Kinoarbeit, dann zwölf Jahre als Filmwissenschaftler an der FU Berlin. Arbeitet über Fragen der Psychologie des Films und des Fernsehens und der kommunikativen Strukturen der audiovisuellen Kommuni- kation. Neben zahlreichen Aufsätzen Bücher zur Gewaltdarstellung, zu Film und Psychiatrie, zur Spannungsforschung sowie zur Semiotik des Films. Mitherausgeber der Montage / AV und Leitung des Online Projekts Lexikon der Filmbegriffe www.ben- der-verlag.de/lexikon/suche.php). Mail: hwulff@uni-osnabrueck.de. 214 Register der Filmtitel 08/15 51, 53, 58, 60f. Birth of Texas, The 88 Cross of Iron 18f., 24 13te Krieger, Der 89 Bis zum letzten Mann 86 13th Warrior, The 89 Black Adder – An der Westfront 1917, Davy Crockett at the Fall of the Alamo 20. Juli, Der 52, 63 The 156 89 2001 – Odyssee im Weltraum 174 Black Hawk Down 27, 106, 134f., 194, Davy Crockett, King of the Wild Frontier 28 Days Later 139 197, 207 76 55 Days at Peking 89 Blackadder Goes Forth 156 Davy Crockett, König der Trapper 76 55 Tage in Peking 89 blaue Max, Der 16 Deer Hunter, The 21, 23, 85, 93f., Blitz on the Fritz, The 170 96f., 100, 106, 151f., 194f., Abenteuer des Werner Holt, Die 49, Block-Heads 176f. 202f. 51, 54ff., 58, 61f., 65 Blood Alley 78 Démanty noci 70 Air Raid Wardens 175 Blue Max, The 16 Desert Fox, The 17 Alamo, The 25, 76, 78, 80ff., 84, 87, Bombe, Die 42, 62 Diamanten der Nacht 70 89ff. Bond, The 159 Dick und Doof – Schrecken der Kompa- Alexander 14, 25 Boot, Das 16, 48, 52, 62 nie 175 Alexander Newsky 117-120 Born on the Fourth of July 20 Die durch die Hölle gehen 21, 93, 106, All Night Long 166f., 169f., 179 Bout-de-Zan et l’embusqué 158 151, 194 All Quiet on the Western Front 10, 14, Bout-de-Zan et l’espion 158 Die Hard 138 16, 19ff., 27, 29ff., 33-39, 131, Bout-de-Zan et le poilu 158 Dirty Dozen, The 22 144, 149ff., 161, 176, 178, 195 Bout-de-Zan infirmier 158 Donnie Darko 194 Am grünen Strand der Spree 45, 62 Bout-de-Zan s’en va-t-en guerre 158 Doughboys 173f. American Beauty 194 Bout-de-Zan veut s’engager 158 Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Angriff der leichten Brigade 123 Brave Heart 125, 128f. Bombe zu lieben 184 Apa 72 brave Soldat Schweijk, Der 62 Dr. Strangelove or: How I Learned to Apocalypse Now 21ff., 85, 93-100, Bridge on the River Kwai, The 16, 20 Stop Worrying and Love the Bomb 106, 137, 151f., 194f., 201f. Bridge too far, A 20 184, 192 Apocalypse Now Redux 94f. Bright Shining Lie 93 dreckige Dutzend, Das 22 Ardennen 20, 136 Brokeback Mountain 194 Drei Tage im April 54, 62 Arzt von Stalingrad, Der 51, 53, 62 Brücke am Kwai, Die 16 dritte Schlag, Der 66 Asche und Diamant 69 Brücke, Die 14, 20ff., 37, 54, 61f., 65, Dritte Weltkrieg, Der 42, 62 Attack! 20, 136 141 Drückeberger 157 Aufstieg 67f. Bungalow, Der 60, 62 Du warst unser Kamerad 18 Augenblick des Friedens, Der 55, 62 Bunker, The 25 Duck Soup 177-181 Duell mit den Wüstensöhnen 175 Bandolero! 83 C’era una volta il west 124 Durchbruch auf Befehl 20 Barras heute 53, 62 Camouflage 159 Dwadzat dnej bjes wojnui 67 Barrikade von San Antone, Die 76 Camp on Blood Island 17 Barry Lyndon 114 Canaris 52, 62 Einer kam durch 17 Battle of Britain 16 Cannon for Cordoba 83 Eroica 69 Battle of the Somme 15, 161 Carabiniers, Les 152, 200 Es geschah am 20. Juli 52, 62 Beau Hunks 175 Casualties of War 19 Befreiung 67 Catch-22 – der böse Trick 16, 22, 155, Fall Gleiwitz, Der 51, 62 Bergkatze, Die 157 188, 190, 195 Fall of the Alamo, The 88f. Berlin NO 65 54f., 57, 62 Charge of the Light Brigade, The 123 Fall von Berlin, Der 66 Best Years of Our Lives, The 20 Chato’s Land 83 Falling Down 138f. besten Jahre unseres Lebens, Die 20 Citizen Kane 72 Fern von Vietnam 132 Betrogen bis zum jüngsten Tag 54, 62 Civilization 144 Feuerwehrgasse 25 73 Big Jim McLain 78 Clear and Present Danger 98 Flügel 67 Big Parade, The 10, 16, 19, 37, 168, Coming Home 23 Flying Deuces, The 175, 177, 179 171 Corvée de quartier accidenté 157 Fort Apache 86 Birth of a Nation, The 9, 21, 88, 116, Cretinetti and the Enemy Planes 158 Four Sons 37 172, 180 Cretinetti e le aeromobili nemiche 158 From Here to Eternity 21 Register der Filmtitel 215 Frühling für Hitler 155 How I Won the War 18, 20, 22, 188 Laurel & Hardy – Lange Leitung / Full Metal Jacket 17, 19, 21, 24, 34, Hunde, wollt ihr ewig leben 22, 49, Klotzköpfe 176 59, 85, 95, 97f., 101, 104, 138, 51, 53f., 58, 63 Laurel und Hardy in der Fremdenlegion 144, 149f., 152, 194, 202, 204 / Fliegende Teufelsbrüder 175 Für König und Vaterland 195 Ich war neunzehn 54f., 57-60, 63 Lawrence of Arabia 22, 120f. Idi i smotri 23, 68, 195 Leather Necker, The 169 Gallipoli 17 Im Westen nichts Neues 10, 14, 27, Leben ist schön, Das 155 Gans von Sedan, Die 51, 63 38ff., 117, 144f., 161, 195 Letjat shurawli 19, 66 ganze Nacht, Eine 166, 181 Im Zeichen des Kreuzes 42, 63 letzte Brücke, Die 51, 63 Gauner in Uniform (auch: Hauptmann Immortal Alamo, The 88 letzte Schlacht, Die 93 – Deine Sterne) 51, 63 Iwanowo detstwo 67 Little Big Man 83 Geboren am 4. Juli 20 Iwans Kindheit 67f. Loin du Vietnam 132, 137 Geburt einer Nation, Die 9, 21, 88, long dimanche de fiançailles, Un 18 116 J’accuse 195 Longest Day, The 10, 17, 21, 203 gefürchteten Vier, Die 83 Jacobowsky und der Oberst 51, 63 Lotna 69 Gegen Ende der Nacht 54, 63 Jakob, der Lügner 45, 63 Luftschlacht um England 16 gelbe Hölle, Die 17 Jarhead 145, 194-207 Luftschutzwarte / Schrecken aller General, The 171ff., 179 Jet Pilot 78 Spione 175 Generation, Eine 68 Johnny Got His Gun 19, 195 Gesprengte Ketten 17 Johnny zieht in den Krieg 19, 195 M*A*S*H. 22, 60, 99, 155, 188, 190, Gewehr über 9, 15, 25, 143, 158, 161, Journey’s End 37 195 182 Magnificent Seven, The 60, 81ff. Gewissen in Aufruhr 49, 53, 63 Kalte Tage 72 Major Dundee 83 Gladiator 125, 128 Kanal, Der 68 Mama, ich lebe 54, 57, 61, 63 glorreichen Sieben, Die 60, 81 Kanonen für Cordoba 83 Man from the Alamo, The 76 Go Tell the Spartans 93 Karabinieri, Die 152, 200 Man I Killed / Broken Lullaby, The 168 Good Morning Vietnam 96 Kartell, Das 98 Man nannte es den großen Krieg 155 Grande Guerra, La 155 Keine Gnade für Ulzana 83 Man Who Reclaimed His Head, The 37 Grande Illusion, La 20 Killing Fields, The 17 Manfred von Richthofen – der rote Ba- grande vadrouille, La 155 Kinder, Mütter und ein General 54, 63 ron 16 Great Dictator, The 155, 169, 180 King & Country 195 Mann mit dem Gummikopf, Der 156 Great Escape, The 17 Kingdom of Heaven 14, 125, 128 Mann vom Alamo, Der 76 Great Guns 175 Kirmes 54, 63 Mann, den sein Gewissen trieb, Der Green Berets, The 22, 84-89, 93, 96, Kocár do Vidne 71 169 203 Kolberg 44, 63 Martyrs of the Alamo, The 88 große Diktator, Der 155 Komissar 19 Marx Brothers im Krieg, Die 155, 177, große Illusion, Die 20 Komm und sieh 23, 68, 195 181 Große Kanonen 175 Komm und sieh (BRD; DDR: Geh und Mathilde – eine große Liebe 18, 25 große Liebe, Die 44f., 63 sieh) 68 Maudit soit la guerre 10 große Parade, Die 10, 16, 37, 168 Kommandeur, Der 20 Max et l’espion 158 große Sause, Die 155 Kommissarin, Die 19 Men in War 20 grünen Teufel, Die 22, 84, 93, 203 Königreich der Himmel 14, 125 Menschenschicksal, Ein 66 Gunfight at the O.K. Corall 77 Kri Kri against the Poison Gas 158 Merrill’s Marauders 20 Kri Kri contro I gas asfissianti 158 Mikosch rückt ein 51, 63 Haie und kleine Fische 49, 54, 63 Krieg der Welten 25 Mikosch, der Stolz der Kompanie 51, Hands Up! 171 Krieg und Frieden 137 63 Hannibál tanár ur 72 Krieg und Frieden (= Wojna i mir) Mit Gruß und Schuss 175 Hauptmann – Deine Sterne 51, 63 121f., 127 Modern Times 175 Heart Trouble 170 Krieg und Frieden 137 Monty Python – Das Leben des Brian Heaven and Earth 93 Kriegsgericht 54, 63 184 Held von Burma, Der 18 Krylia 67 Monty Python’s Flying Circus 156 Heldenfrühling 54, 57, 63 Monty Python’s Life of Brian 184 Heroes of the Alamo, The 89 L’homme à la tête de caoutchouc 156 Hideg napok 72 Lachen über Hitler. Ein Streit über Napoleon 21 High Noon 77 Kunst und Moral 155 Ned med Vaabnene! 144 Himmel, Amor und Zwirn 51, 63 Land and Freedom 17 Nieder mit den Waffen! 144 Hölle Vietnams, Die 93 Landung in Salerno 20 Niemandsland 37 Hope and Glory – der Krieg der Kinder längste Tag, Der 10, 17, 203 No Man’s Land 17, 151 143 Last Command, The 76 NVA 51, 59f., 62f. 216 Register der Filmtitel o.k. 15 Soldat James Ryan, Der 24, 89, 99, U 47 – Kapitänleutnant Prien 52, 63 Objective, Burma! 18, 20 101, 106, 125, 135, 194, 203 Ulanenstreiche 158 Oh! What a Lovely War 155 Soldier Blue 83, 93 Ulzana’s Raid 83 Old War-Horse, The 171 Soldier Man 169, 177 Under Fire 17 One that Got Away, The 17 Soldier’s Plaything, A 171 Unruhige Nacht 54, 63 Oswoboshdenije 67 Space Odyssee, A 174 Unruhige Nacht (TV) 45f., 63 Spartacus 119-124, 128ff. Untergang, Der 45, 48, 59, 63 Pack Up Your Troubles 175ff. Speer und Er 45, 63 Unteroffizier und zwei Mann, Ein 158 Padenije Berlina 66 Spiel mir das Lied vom Tod 124 Urlaub auf Ehrenwort 52, 63 Paris, 20. Juli 52, 63 Spur der Steine, Die 60 Paths of Glory 16, 18, 29, 37, 120, Stagecoach 86 Vater 72 144f. Stalag 17 17 Verdammt in alle Ewigkeit 21 Patriot, The 106 Stalingrad (TV) 53, 63 Verdammten des Krieges, Die 19 Pearl Harbor 10, 106, 194 Stalingrad 24, 48 Verflucht sei der Krieg 10, 144 Platoon 18, 21, 24, 96ff., 106 Stalingrader Schlacht, Die 66 Vergiss deine Sorgen 175 Pokolenie 68 Stalingradskaja bitwa 66 Vervloekt Zij De Oorlog 144 Popiól i diament 69 Stammheim 41f., 63, 139 Vier Söhne 37 Predator 21, 204 Star Wars Episode III 25 Vier von der Infanterie 37 Producers, The 155 starke Mann, Der 169 vita è bella, La 155 Professionals, The 83 Starship Troopers 21, 24, 89, 144, Professor Hannibal 72 152, 200 Wagen nach Wien 71 Steiner – Das Eiserne Kreuz I 48, 63 Walk in the Sun, A 20 Rambo II – der Auftrag 23, 95, 101, Steiner – Das Eiserne Kreuz II 48, 63 War of the Worlds 25 204 Stern von Afrika, Der 45, 49, 52, 54, Waterloo 122f. Rambo: First Blood Part II 23, 95, 63 We Were Soldiers 24, 106, 194 101ff., 138, 204 Sterne 49, 57, 63 Wege zum Ruhm 16, 29, 144 Rashomon 72 Story of G.I. Joe 17, 20 Welcome to Sarajewo 17 Red Badge of Courage, The 14 Strong Man, The 169, 179 Wenn die Kraniche ziehen 19, 66 Red Baron, The 16 Stunde Null, Die 54, 63 Westfront 1918 16, 29, 37, 144, 151, Rio Grande 77, 86, 91 Sudba tscheloweka 66 195 Road to Perdition 194 Which Way to the Front? 155 Roaring Twenties, The 161 Taegukgi hwinalrimyeo 24 Wie ich den Krieg gewann 18, 188 Rommel, der Wüstenfuchs 17 Tag ohne Ende 20 Wiegenlied vom Totschlag, Das 83, 93 rote Tapferkeitsmedaille, Die 14 Tag, der nie zu Ende geht, Ein 54, 62 Wild Bunch, The 83, 124 Tag, Ein 45, 62 wilden Zwanziger, Die 161 Sands of Iwo Jima 18, 20 Taiga 51, 53, 63 Windtalkers 24, 194 Saving Private Ryan 24, 89, 99, 101, Taxi Driver 138 Wir Barbaren 158 106f., 110f., 125, 129f., 135, Teufels General, Des 52, 63 Wir waren Helden 24, 106, 194 194, 203 They were expendable 20 With Love and Hisses 175 Schlachtgewitter am Monte Cassino 17 Thin Red Line, The 20f., 24, 98f., 125, Wo bitte geht’s zur Front? 155 schmale Grat, Der 20, 98, 125, 136 127, 136 Wojna i mir 121 Schnellboote vor Baatan 20 Three Kings 98ff., 155, 194 Woschoshdenije 67 Schwejk im Zweiten Weltkrieg 63 Time to Love and a Time to Die, A 37 Sein oder nicht sein 155 Tire-au-flanc 157 Yankee Doodle in Berlin 162, 164ff., Shichinin no samurai 81 To Be or Not To Be 155, 180 179f. Shoulder Arms 9, 15, 21, 143, Tora! Tora! Tora! 17 158-162, 167, 175f., 179f. Train de vie 155 Zeit zu leben und Zeit zu sterben 37 Sie kannten kein Gesetz 124 Tretij udar 66 Zug des Lebens 155 sieben Samurai, Die 81, 126 Troja 25 Zwanzig Tage ohne Krieg 67f. Siege and Fall of the Alamo, The 88 Troy 25 Zwei Musketiere 175 Sierra Charriba 83 Tüzoltó utca 25 73 Zwei rechnen ab 77 So weit die Füße tragen 53, 63 Twelve O’Clock High 20 Zwischen Himmel und Hölle 93 217 Personenregister Adler, Renata 88 Chaplin, Charles 9, 15, 143, 155, Fenton, Roger 145 Aldrich, Robert 20, 22, 83, 136 158-161, 164ff., 168f., 172, 174, Feuillade, Louis 158, 182 Altman, Robert, 59 179-183 Flynn, Errol 18 Alighieri, Dante 199, 201 Christoffel von Grimmelshausen, Ford, John 77, 86, 91 Altdorfer, Albrecht 115f. Hans Jakob 146 Foreman, Carl 77 Askoldow, Alexander 19 Chruschtschow, Nikita Sergejewitsch Foster, Norman 76 Assmann, Jan 79, 90 66, 80 Foucault, Michel 104, 111, 133, 140, Atkinson, Rowan 156 Churchill, Winston 118 209f. Attenborough, Richard 155 Cimino, Michael 23, 85, 94, 202 Foxx, Jamie 203 Auster, Albert 86, 90 Clancy, Tom 98 Frank, Horst 54 Ayres, Lewis 21, 28, 38 Clausewitz, Carl von 25, 133, 139f., Frau, Raymond 158 185ff., 190, 192f., 196f., 206, Freund, Karl 32, 38 Badger, Clarence 171 209 Friedrich der II. von Preußen 114 Barker, Reginald 144 Cobb, Humphrey 37, 145 Friedrich, Ernst 145 Barthes, Roland 75, 90 Cobb, William W. 83, 85, 90 Fuller, Samuel 20 Basinger, Jeanine 18, 25, 141, 153 Conklin, Chester 162 Bauer, Josef Martin 53 Coppola, Francis Ford 22f., 85, 94, Gance, Abel 21 Benedek, Laszlo 54, 63 98f., 201 Garfunkel, Art 188 Benjamin, Walter 134, 140 Corkin, Stanley 77, 80, 82, 90 German, Alexej 67 Bergson, Henri 157, 181, 187, 193 Corman, Roger 16 Gibson, Mel 125, 129f. Beyer, Frank 45, 63 Coyne, Michael 82f., 90 Godard, Jean-Luc 96, 200 Bin Laden, Osama 135 Crockett, Davy 75f., 78f., 84, 87, 89f. Goebbels, Joseph 30, 39 Boetticher, Budd 76 Cukor, George 28, 38 Goes, Albrecht 45, 54 Bogart, Humphrey 161 Curtiz, Michael 171 Goldwater, Barry M. 85 Bondartschuk, Sergej 66, 121ff., 127 Cziffras, Géza von 51, 63 Goya, Francisco José de 115f., 145 Boorman, John 143 Green, Rob 25 Bormann, Martin 88 Dafoe, Willem 98 Griffith, David Wark 9, 21, 88, 116, Bosch, Hieronymus 145, 199 Deeds, André 158 180, 182 Bowie, James 75f., 90 Deleuze, Gilles 136, 140 Griffith, Raymond 171f. Boyle, Danny 139 Dent, Vernon 166 Guattari, Félix 136, 140 Brando, Marlon 22, 94 Dix, Otto 115f., 145 Guillermin, John 16 Brauerhoch, Annette 25, 106, 108, Douglas, Kirk 119 Gyllenhaal, Jake 194 111 Dsigan, Jefim 69 Brecht, Bertolt 50 Duras, Marguerite 55 Hagen, Oliver 49, 63 Bredow, Wilfried von 46f., 60 Dwan, Allan 18, 20 Hamilton, Guy 16 Breloer, Heinrich 45, 63 Eberwein, Robert 15, 25 Hampton, Jesse 28 Brenon, Herbert 28 Edeson, Arthur 29, 38 Hancock, John Lee 25, 89f. Breschnew, Leonid Iljitsch 67 Edwards, Harry 166 Hanks, Tom 131, 203 Brooks, Richard 83 Eichinger, Bernd 45 Hansen, Joachim 54 Brothers, Marx 155, 177f., 180 Eilers, Sally 173 Hansen, Rolf 44f., 63 Browne, Bothwell 63, 65 Eisenhower, Dwight D. 188 Hardy, Oliver 175-181 Bruegel der Ältere, Pieter 145 Eisenstein, Sergej 66, 117-120 Harlan, Veit 44, 63 Budjonny, Semjon Michailowitsch 69 Enzensberger, Hans Magnus 133, Harnack, Falk 46, 52, 54, 63 Buñuel, Luis 190 136, 139f. Harvey, Laurence 76 Bush, George H. W. 93 Erfurth, Ulrich 51, 63 Hauff, Reinhard 41f., 63 Bush, George W. 89f., 129 Haußmann, Leander 51, 63 Fábri, Zoltán 72 Hazlitt, William 113 Cabanne, William Christy 88 Fairbanks, Douglas 159 Hediger, Vinzenz 178, 181 Campbell, Joseph 81, 90 Fallada, Hans 36 Heller, Joseph 16, 190, 193 Canaris, Wilhelm Franz 52 Farnsworth, Rodney 78, 91 Hindenburg, Paul von 163f. Capra, Frank 166, 169, 182 Fejos, Paul 28 Hirschbiegel, Oliver 48, 63 Felmy, Hansjörg 54 218 Personenregister Hitler, Adolf 23, 45, 48, 52, 79, 113, Lester, Richard 18, 188 Palma, Brian de 19 155, 177, 180f. Liebeneiner, Wolfgang 51f., 63 Pasolini, Pier Paolo 68 Holger-Madsen, Forest 144 Linder, Max 158 Paul, Gerhard 156, 179, 182 Homer 115 Lloyd, Frank 76 Paulus, Friedrich 49 Houston, Samuel 75, 89 Loach, Ken 17 Peckinpah, Sam 18, 24, 63, 83, 124 Hussein, Saddam 90 Lubitsch, Ernst 157, 168, 180 Penn, Arthur 83 Huston, John 14 Lucas, George 25 Petersen, Wolfgang 16, 25, 52, 62 Ludwig, Edward 78 Petrow, Wladimir 66 Ince, Thomas H. 144 Lyon, Ben 171 Picasso, Pablo 145 Pickford, Mary 159 Jefford, Susan 102, 111 MacArthur, Douglas 188 Pitts, Zasu 29 Jeunet, Jean-Pierre 18, 25 Machin, Alfred 144 Polgar, Alfred 168 Joffe, Roland 17 Malick, Terrence 20, 24, 98f., 125, Post, Ted 93 Johannsen, Ernst 37 127f., 136 Poyen, René-Georges 158 Johnson, Lyndon B. 84-87 Mann, Delbert 20, 31 Prevost, Marie 162 Jones, F. Richard 162 Marx, Chico 177 Prümm, Karl 58, 61, 205, 207 Jones, James 127 Marx, Groucho 177, 181 Pudowkin, Wsewolod 66 Jung-Ahlsen, Kurt 54, 62 Marx, Harpo 177, 182 Jünger, Ernst 21, 117 Mays, Paul 53 Quaid, Dennis 89 McCarey, Leo 177 Quart, Leonard 86, 90 Kachyna, Karel 71 McCarthy, Joseph 77f. Kalatosow, Michail 19, 66 McLaglen, Andrew V. 63, 83 Radtke, Michael 50, 62 Käutner, Helmut 51f., 62f. McNamara, Robert 85 Radványi, Géza von 51, 62 Keaton, Buster 155, 171-174, McTiernans, John 89 Raffael 116 179-183 Meisel, Kurt 54, 63 Ramazani, Vaheed 108-111 Kehlmann, Michael 54, 63 Méliès, Gaston 88 Ray, Nicholas 89 Kellner, Douglas 84, 91 Méliès, Georges 184,156f., 182 Reagan, Ronald 23, 93, 96, 102, 104, Kennedy, Edgar 162 Mendes, Sam 194, 197f., 206f. 106, 111 King, Henry 20, 38 Mercer, Beryl 29 Reinl, Harald 52, 63 Kingston, Natalie 168 Milestone, Lewis 14, 16, 21, 27ff., Reitz, Edgar 54, 63 Klimow, Elem 23, 68 31ff., 36-39, 117, 147, 161 Remarque, Erich Maria 21, 27f., 30f., Kluge, Alexander 137, 140, 186, 193 Mille, Cecil B. De 159 37ff., 117, 145 Knöbl, Wolfgang 14, 25 Monicelli, Mario 155 Renoir, Jean 157 Köhler, Ulrich 60, 62 Monk, Egon 45, 54f., 57ff., 61f. Richardson, Tony 123f. Konwicki, Tadeusz 55 Moore, Robin 85 Ripley, Arthur 166, 169 Korda, Michael 88 Mulvey, Laura 101, 111 Roach, Hal 171 Kotcheff, Ted 138 Munk, Andrzej 69 Rodin, Auguste 200f. Kovács, András 72 Münkler, Herfried 25, 41, 61, 134f., Rommel, Erwin 52 Kracauer, Siegfried 35f. 138, 140, 144, 154, 185, 192f., Rother, Rainer 8, 13 Kraus, Karl 145 195f., 198, 207, 209 Rowe, John Carlos 103, 111 Kreimeier, Klaus 68, 73, 156, 182 Muse, Eben J. 83, 85f., 91 Sadler, Barry 85 Kristeva, Julia 109, 111 Kubrick, Stanley 16, 19, 24, 29, 34, Nadolny, Sten 43, 61 Santa Anna, Antonio López de 75, 37, 59, 85, 95, 97, 101, 104f., Nakadai, Tatsuya 125 79, 81f., 89 114, 118-121, 128, 149, 192f., Naremore, James 9, 13 Sartre, Jean Paul 67 201 Neale, Steve 10f., 13, 25 Sawtschenko, Igor 66 Kunert, Joachim 49, 54f., 62, 65 Nelson, Ralph 83 Stauffenberg, Claus Schenk Graf von Kurosawa, Akira 72, 81, 121, 125f., Nemec, Jan 70 53 130 Nichols, Mike 16, 188, 190f., 193 Schepitko, Larissa 67 Noll, Dieter 55f., 61 Schmidt, Eckart 26, 46f., 51, 53, 62 Laemmle, Carl 28, 38 Norris, Chuck 98 Schmidt, Gunnar 14, 25 Lancester, Burt 93 Noyce, Phillip 98 Schmieding, Walter 43, 52, 54, 62 Langdon, Harry 155, 166-171, 174, Schmitt, Carl 133, 140 177, 179f., 182f. O’Toole, Peter 120 Schoenberner, Gerhard 44, 62 Langlois, Henri 177 Odin, Roger 11, 13, 143, 147, 154 Schweinitz, Jörg 11, 13, 139f., 142, Laurel, Stan 155, 175ff., 179ff. Oserow, Juri 67 154 Lean, David 16, 22 Scott, Ridley 14, 38, 125, 128ff., 134 Lennon, John 188 Pabst, Georg Wilhelm 16, 29, 37, 52, Sedgwick, Edward 173 Leone, Sergio 124 62 Personenregister 219 Sennett, Mack 155, 162f., 165f., Theweleit, Klaus 26, 95, 100-111 Wayne, John 18, 22, 75-93, 97 182f. Thiel, Reinhold E. 51, 62, 65, 74 Wayne, Michael 87 Shakespeare, William 60, 113, 125 Thornton, Billy Bob 89 Weidenmann, Alfred 45, 52, 62f. Sheen, Martin 23, 94 Tolstoi, Leo 121f., 182 Weiss, Peter 115 Simon, Claude 145 Tonn, Horst 209f. Welles, Orson 72 Slotkin, Richard 77, 83, 85f., 89, 92 Travis, William Barret 75 Wellman, William A. 17, 78 Speer, Albert 45 Truman, Harry S. 79, 82 Welzer, Harald 210 Spielberg, Steven 24f., 89, 99, 101, Trumbo, Dalton 19 Wendkos, Paul 83 106f., 110, 125, 130f., 203 Tscherkassow, Nicolai 118 Whales, James 37 Spottiswoode, Roger 17 Tschiaureli, Michail 66 White, Jules 170 Stalin, Josef 66f. Turpin, Ben 162 Wicki, Bernhard 14, 22, 54, 62, 65 Stallone, Sylvester 23, 95, 98, 108 Widmark, Richard 76 Stam, Robert 9f., 12f., 154, 171, 183 Umgelter, Fritz 45, 53, 62f. Wilder, Billy 157, 182 Staudte, Wolfgang 54, 63 Wills, Garry 78, 80f., 84f., 92 Stein, Gertrude 37 Verhoeven, Michael 15 Winner, Michael 83 Sterling, Ford 162 Verhoeven, Paul 24f., 89, 200 Winterbottom, Michael 17 Sternberg, Josef von 78 Vidor, King 16, 168, 171 Wirth, Franz-Peter 45, 54, 62f. Stone, Oliver 14, 18, 20, 24f., 93, 97, Vilsmaier, Josef 24, 48, 63 Wisbar, Frank 22, 49, 63 147, 201 Vinci, Leonardo da 190 Wolf, Konrad 49, 54f., 58, 60f., 63 Storz, Oliver 54, 62f. Virilio, Paul 8, 13, 15, 23, 26, 133, Woo, John 24 Sturges, John Elliott 77, 81f. 140, 144, 154, 162, 183 Worschech, Rudolf 59f., 62 Sutherland, Donald 189 Wyler, William 20 Swofford, Anthony 145, 194, Wagner, Richard 201 201-204, 207 Wagner, Rob 159 Young, Marilyn 102, 107, 112 Szabó, István 72f. Wajda, Andrzej 68ff., 73 Walken, Christopher 94 Zinnemann, Fred 21, 77 Tanovic, Danis 17 Wall, Jeff 145 Zuckmayer, Carl 52 Tarkowski, Andrej 67 Wallace, Randall 24 Taylor, Robert 18 Wallace, William 118, 128 Thalasso, Arthur 170 Walsh, Raoul 18 Aufblende Aufblende Lars Dammann Burkhard Röwekamp Kino im Aufbruch Vom film noir zur méthode noire New Hollywood 1967-1976 Die Evolution filmischer 376 Seiten · 24,90/SFr 41,70 Schwarzmalerei€ ISBN 978-3-89472-435-1 240 S., Pb., zahlr., tw. farb. Abb.€ 19,80/SFr 33,60 ISBN 978-3-89472-344-6 Die Studie lenkt den Blick auf die Jahre zwischen 1967 und 1976, „Das Buch dokumentiert und ana- in denen eine Reihe junger Fil- lysiert die Ursprünge und Ent- memacher alternative Wege des wicklungen des Noir-Films an be- Filmemachens erforschten. Die kannten Beispielen wie John Hus- Ergebnisse der Experimente die- tons The Maltese Falcon, Jean-Luc ser Zeit des New Hollywood lau- Godards A Bout De Souffle, Paul fen heute häufig unter der Be- Schraders Taxi Driver, Roman Po- zeichnung Kultfilme und werden lanskis Chinatown, Ridley Scotts als solche immer wieder in Kino Blade Runner bis hin zu Quentin und Fernsehen gezeigt, z.B. Easy Tarantinos Pulp Fiction in intelli- Rider, Catch 22, Taxi Driver, Apo- genter, anspruchsvoller Form.“ calypse Now und andere. neue braunschweiger Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 www.schueren-verlag.de www.schueren-verlag.de