sen. Beide Kopien erwiesen sich als zeitgenössischund normalabgespielt. In die länge¬ re Kopie (2098 m, Sign. 54.A.18) wurden einige fehlende Meter aus der kürzeren Kopie (1945 m, Sign. 56.A.24) eingefügt;ferner mußten einige schlecht erhaltene Passagen gegen entsprechende bessere aus der zweiten Kopie ausgetauscht werden. Die jetzt un¬ ter der Magazin-Nr. 18605 im Bundesarchiv verfügbare Umkopierung weist eine Länge von 2108 m auf und kommt bis auf 56 m an die Zensurlänge vom Dezember 1932 her¬ an." (Helmut Regel, BundesarcMv-Hlmaichiv) Filmischer Leitartikel Eduard Kubat: Die Meere rufen (DDR 1951) Wiederentdeckt64, Zeughauskino,29. Mai 1998 In Zusammenarbeitmit dem Bundesarchiv-Filmarchivund dem Deutschen Historischen Museum Einführung: RalfSchenk Die Meere rufen aus dem Jahre 1951 lag bisher nur als Nitrokopievor; vor kurzem hat ihn das Bundesarchiv-Filmarchivals letzten DEFA-Spielfilmum¬ kopiert und somit benutzbar gemacht. Das ist ein Grund, ihn in unserer Rei¬ he zu zeigen, obwohldie künstlerische Qualität eher gegen eine Wiederauf¬ führung spricht. Ein anderer, wichtigerer Grund besteht darin, daß es sich bei Die Meere rufen um ein zeitgeschichtliches Dokument handelt: eine Arbeit, die die Phase der Stagnation und des Schematismus bei der DEFA Anfang der fünfziger Jahre so deutlich wie kaum eine andere illustriert - mit Ausnahme vielleicht von Kurt MaetzigsRoman einer jungen Ehe von 1952. Nach ihren relativundogmatischen Anfängen hatte sich die DEFA 1948/49 auf den in der Sowjetunion bis zum Exzeß praktizierten Kurs des „sozialisti¬ schen Realismus" begeben. Niemand wußte, was das eigentlich war, aber die „lernbegierigen Genossen schlingertenzwischen den Versuchen,Theorie und Praxis einigermaßen in Übereinstimmung zu bringen. Wollte ein Filmemacher einen Stoff realisieren,so durchschritt er gewissermaßen einen Gang mit ge¬ heimenKlingelkontakten.Und es klingelte, wenn er in die Nähe kam von: Formalismus, Praktizismus, Opportunismus, Revisionismus,Funktionalismus, kritischemRealismus, Surrealismus, Schematismus, Bürokratismus,Psycholo¬ gismus. Zu bedenken warendazu noch das ,Typische in der Kunst' und die ,Konflikt- losigkeit im Sozialismus', die ,Kunst als scharfe Waffe' und die „Erziehung un¬ serer Menschen'.Die vielen Ismen löschten zunächst viele schöpferischeFun¬ ken. Es gab kaum noch Einfälle und demzufolge keine Drehbücher." (Richard Groschopp im Gespräch mit Ralf Schenk, 1987) II Die Drehbücher, die bei der DEFA entstanden,wurden seit 1950 von der Filmkommission beim ZK der SED auf politische „Sauberkeit"geprüft. Aus Angst vor Fehlern regierte dabei allenthalben die Vorsicht - sowohl in dieser Kommissionals auch in der DEFA-Leitung und den Dramaturgenbüros. Diese Vorsicht und der vorauseilendeGehorsamder Drehbuchverfassergebar freilich keine Kunst, sondern filmische Leitartikel. Jan Petersenund Otto Bernhard Wendler, die Autoren von Die Meere rufen, klaubten zum Beispiel alle Probleme zusammen, die ihnen und ihren Auftrag¬ gebern politisch wichtig erschienen: den Aufbau einer unabhängigenVolks¬ wirtschaft im Osten, hier in Form eines Fischereikombinates;die Anziehungs¬ kraft östlicher Kollektivarbeit auf westdeutsche Einzelfischer, die zudem noch dem ungebremsten Konkurrenzdruck westeuropäischerFischer ausgeliefert waren; die Spionage amerikanischerGeheimdienste in der Sowjetzone; die Gründung von Jugendbrigaden etc. pp. Ost und West wurden unter anderem mit Hilfe der Schicksale zweier Umsiedler-Mädchen gegenübergestellt: Die eine, die nach dem Westen geht, verkommt in dunklen Bremerhavener Ka¬ schemmen und endet als Gespielin eines zwielichtigen Amerikaners; die an¬ dere, im Osten, findet ihre Liebe und das Jugendkollektiv. Zwar macht sie zwischendurch, aus Lust am Abenteuer, bei Nacht und Nebel einen Abstecher nach „drüben", begreift aber bald, wo ihre wahre Zukunft liegt. So wurden alle Fragen „parteilich" zu Ende geführt; und sei es aufdem Wege billigster Kolportage. Zum erregendsten Part in Die Meere rufen hätte der Konflikt des Fischers Ernst Reinhardt (Hans Klering) werdenkönnen, der bei seiner Bewerbung verschweigt,einst Mitglied der NSDAP gewesen zu sein, und seinen Fragebo¬ gen fälscht. Als er die Wahrheit bekennt, vergibt man ihm jedoch schnell: hopplahopp im Sauseschritt wird die Seelenpein des Mannes dramaturgisch glattgebügelt. Die Meere rufen blieb übrigens der einzige DEFA-Film, der den Umgang mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern beim Aufbauder „neuen Gesell¬ schaft" thematisierte. Aber ausgerechnet dieses wichtige Thema wurde in Kri¬ tiken nach der Premiere als „gestrig" abgetan. Für die damalige Regiemannschaft der DEFA spricht, daß zunächst niemand das Drehbuch verfilmen wollte. Schließlich erbarmte sich der altgediente Pro¬ duktionsleiter Eduard Kubat, der bei der Tobis schon Veit Harlans Jugend (1938) betreut hatte, dieses Stoffes. Die Meere rufen wurde das Regiedebüt des Sechzigjährigen. Kubat inszenierte viele Szenen an Originalschauplätzen an der Ostsee, doch selbst dort blieben die Kulissen so hölzern wie die Hand¬ lung. Die Schauspielertrugen teils emphatisch, teils gelangweilt ihre papiere¬ nen Texte vor und agierten vor billigen Rückproaufnahmen. Ernsthaft gefährdetwaren die Dreharbeiten,als kurz vor deren Beginn der als Hauptdarsteller vorgesehene Lutz Moik (Das kalte Herz) aus dem Projekt 12 ausstieg, vermutlichvon dem Gedanken geplagt, mit einem solchen Propa¬ gandaopus im Nacken seine Karriere in Westberlinzu verbauen. Beim Publi¬ kum fiel der Film dann weitgehend durch und wurde schon wenige Wochen nach der Premiere im Dezember 1951 nur noch selten gespielt. Seine staatliche Zulassung verlor Die Meere rufen allerdings erst Anfang der sechziger Jahre. Begründung der Hauptverwaltung Filmbeim Ministerium für Kultur der DDR: „Erstens: Die künstlerische Gestaltungentspricht nicht den heutigen Anforderungen. Zweitens: (...) Die Darstellung des Komplexes Bre¬ merhaven' kann zu unerwünschtenDiskussionen Anlaßgeben." Geschrieben wurde das am 12. Dezember 1962, vier Monatenach dem Mauerbau. Die Meere rufen Produktion: DEFA 1951 Regie: Eduard Kubat Länge: 2355 m = 85', schwarz/weiß Premiere: 14.12.1951,Berlin (Babylon und DEFA-Filmtheater Kastanienallee) Kopie: Bundesarchiv-Fiünarchiv Fabulier-Linien für Rabitzwände Zeichnungen von Hans Poelzigzu Der Golem,wie er in die Welt kam (D 1920, R: PaulWegener) Wiederentdeckt65, Zeughauskino,26. Juni 1998 In Zusammenarbeitmit dem Bundesarchiv-Filmarchivund dem Deutschen Historischen Museum Einführung: GünterAgde Die kleine Sensation ist beinahe untergegangen: das FrankfurterFilmmuse¬ um, das sich immer mehr auf Sammlung und Präsentationdeutscher Film- szenographie spezialisiert,erwarb ein umfangreiches Konvolut von über 70, bislang völlig unbekanntenZeichnungen des bedeutenden deutschen Archi¬ tekten Hans Poelzig (1869 - 1936) und präsentierte sie 1997 in seinen Räu¬ men, begleitet von einem opulenten Katalog, der Poelzigs „Bauten für den Film" detailliertdarstellt. Diese Blätter Poelzigs bilden ein einmaligesZeugnis und einen variantenrei¬ chen und erstaunlich vielgestaltigen Blick in die Werkstatt eines „normalen" und öffentlich erfolgreichen Architekten,der nun für den Film arbeitet. Es sind Schmierskizzen,vage Studien, auch Formenspielereien,quasi „Kritzelei¬ en auf dem Bierdeckel", die das visuelle Denken und architektonischeFabu¬ lieren auf die Film-Schauplätzehin festhalten, allesamt Vor-Formen dessen, 13