Die Homo faber-Kontroverse1 François Sigaut »Den Kampf ohne Waffen, den Bauern ohne Pflug, die gesamte Gesellschaft ohne Werkzeug zu erzählen, bedeutet leere Ideen zusammenzutragen« (Bloch 1938: 38). Diejenigen, die sich heutzutage für die Technik an sich interessieren, das heißt für ihre Geschichte und ihre Rolle in der Geschichte, beklagen sich häufig, dass man ihnen nicht zuhört. In gewisser Hinsicht ist dies unvermeidlich. In allen Gesellschaften wird denjenigen eher Gehör geschenkt, die sich auf das Reden verstehen. Und diejenigen, die reden können, wissen aus Erfahrung, dass sie – mit Recht – um jeden Preis technische Details, die ihre Hörer abschrecken würden, meiden müssen. Man kann diese Regel auf alle möglichen Bereiche übertragen, sie verändert nur ihre Gestalt. In der Politik wie in der Philosophie, in der Literatur wie in der Geschichte oder der Soziologie ist die Technik ein untergeordnetes, unvereinbares und vor allem langweiliges Thema. Niemand hat dies besser ausgedrückt als Diderot, als er feststellte, dass »eine konstante und regelmäßige Anwendung, die sich auf Erfahrungen und bestimmte, sensible und materielle Objekte richtet, eine Erniedrigung der Würde des menschli- chen Geistes bedeutet; das Praktizieren der mechanischen Künste oder ihr Studium heißt, sich zu Dingen herablassen, deren Erforschung mühsam, deren Betrachtung unwürdig, deren Darstellung schwierig, deren Handel unehrenhaft, deren Zahl un- erschöpflich und deren Wert geringfügig ist.« (Diderot 1751: 714) 1 Der folgende Text wurde von François Sigaut im Jahre 2000 geschrieben und entstammt einer umfassenden Einleitung samt Nachwort zu einer Textsammlung zum Homo faber, die er vorbereitet hatte, aber nicht mehr vor seinem Tode (2012) veröffentlichen konnte. Der übersetzte Text setzt sich aus Teilen der Einleitung und des Nachworts zur online zugänglichen Textsammlung zusammen (Sigaut 2013). Die von Sigaut zitierten Passagen wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Überset- zer des Textes ins Deutsche übertragen. ZfK – Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2|2018 transcript 2018 urn:nbn:de:hbz:6:3-zfk-2018-22278 François Sigaut Vor Diderot gab es Leibniz und es ist wahrscheinlich, dass man, wenn man nur ein wenig sucht, mühelos bis in die klassische Antike eine ununterbrochene Serie ähnlicher Klagen findet. Die Frage ist: Warum bleiben diese Proteste ohne Widerhall? Warum wird heute noch die technische Ausbildung als minderwertiger Teil unseres Bildungs- systems betrachtet? Warum schließt die (fälschlicherweise) allgemein genannte Kultur die Technik weiterhin aus? Diese Frage wird uns zwangsläufig und in mehreren Anläufen immer wieder beschäftigen. Ich schlage keine Antwort vor, aber ich glaube – sollte eine existieren –, dass man die Geschichte zu Rate ziehen muss, um sie zu finden. In dieser Hinsicht mag die Geschichte unser Land begünstigt haben. Denn wenn in Frankreich die Verachtung der Eliten für die Techniken besonders groß war, so waren die Proteste gegen diese Verachtung in Frankreich am heftigsten. Einer dieser Proteste entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Initiative Bergsons im philosophischen Umfeld. Dieser Protest hat eine Debatte über die Frage nach den Techniken ausgelöst, deren Reichweite und Originalität in unserer Geschichte wahr- scheinlich einzigartig sind. […] Bevor wir aber den Dingen auf den Grund gehen, müssen wir über das Vergessen sprechen. Denn in diesem Fall ist das Vergessen kein einfacher und neutraler Mecha- nismus, durch den wir allmählich die Objekte aus dem Blick verlieren, die die Zeit uns entrückt. Die Vergangenheit ist hier sehr nahe. Und vor allem hat sie sich nicht nach und nach entfernt, sie ist wie durch Zauberhand verschwunden. Ist der Zweite Weltkrieg für dieses Verschwinden verantwortlich? Dies ist nicht unmöglich, denn der Einschnitt, den er erzeugte, war auf allen Ebenen des sozialen Lebens in Frankreich tiefgreifend. Was sicher ist, ist dass das Vergessen so umfassend und definitiv war, dass man nicht umhin- kommt, an das Orwellsche memory hole zu denken – wobei in diesem Fall nicht einmal ein Big Brother nötig war. Heute geschieht alles so, als wäre nichts passiert und ich muss zugeben, dass ich selbst bis 1998 nicht den geringsten Verdacht hegte. Alle Texte, die ich hier versammele, waren bis auf drei oder vier Ausnahmen für mich ebenso große Ent- deckungen, die mich alle in großes Erstaunen versetzten, da ich Dinge wiederentdeckte, die niemals hätten vergessen werden dürfen. Dennoch mangelt es der Liste der Autoren nicht an Berühmtheiten. Man findet hier vollkommen unbekannte Namen wie Louis Weber, Louis Basso, Jacques Lafitte oder Julien Pacotte. Aber zwischen Bergson, der die Debatte 1907 mit seinem Homo faber anstieß und Mauss, der sie 1941 abschloss, schiebt sich eine ganze Reihe illustrer Namen: Durk- heim und Halbwachs, Bouglé und Berr, Lévy-Bruhl, Wallon […]. Um die Besonderheit der Situation zu bewerten, genügt es, sie mit der unseren zu vergleichen. Man stelle sich vor, dass die medienwirksamsten Philosophen, unsere berühmtesten Intellektuellen, sich verpflichtet fühlen, zu einer ähnlichen Debatte beizutragen. Die Techniken sind zu einer Angelegenheit für Spezialisten geworden bzw. wieder geworden. Vielleicht ist diese Entwicklung unvermeidlich, aber sie hat uns etwas Wesentliches aus den Augen verlieren lassen. Die Technik ist integraler Teil der menschlichen Natur. Dies war die ursprüngliche Bedeutung der Formulierung Homo faber. Obwohl die Formulierung neu war, ihre Idee war es mitnichten. »Die Kunst, das ist die Natur des Menschen«, sagte Espinas bereits 1878, indem er Joseph de Maistre zitierte, der es wiederum Burke entliehen hatte – ganz zu schweigen vom guten Franklin und 18 | Die Homo faber-Kontroverse seinem nicht weniger berühmten tool making animal (vgl. de Maistre 1870: 189; Espinas 1878: 62; Axelos 1969 [1961]: 77; Burke 1989: 460). Aber trotz dieser Art erster Nachweise (oder vielleicht aufgrund dessen) blieb die Idee in philosophischer Hinsicht wirkungslos. Sie spielte keinerlei Rolle in den großen Systemen, die seit Descartes aufeinander folgten. Bergson war der Erste, der ihr, zumindest in Frankreich, eine Rolle zuwies. Der immense Erfolg des Bergsonismus zwang der sogenannten kultivierten Öffentlichkeit die Frage der Technik fast vierzig Jahre lang auf. Es stimmt, die Zeit gebot es. Es ist alles andere als zufällig, dass La révolution industri- elle von Mantoux 1906 unmittelbar vor der Schöpferischen Evolution (1907) veröffentlicht wurde. Und gleichzeitig hatte die Ur- und Frühgeschichte die traditionelle Vorstellung der Ursprünge der Menschheit auf den Kopf gestellt: La guerre du feu von J.-H. Rosny aîné erschien 1911.2 Man fragt sich daher, ob Espinas’ Werk deshalb so wenig rezipiert wurde, weil es etwas zu früh entstand. Aber die Epoche erklärt nicht alles. Das literarische Talent Bergsons, sein Sinn für die Formulierung, hat den Unterschied gemacht. Welch ein Fundstück ist dieser Homo faber, der so viele unterschiedliche Ansichten vereint, wo Philosophen wie Biologen, Ur- und Frühgeschichtler wie Psychologen alle gleichermaßen auf ihre Kosten kommen! Der Erfolg Bergsons forderte natürlich auch Gegner heraus. Am unbeugsamsten war Julien Benda. Das gesamte Werk Bendas seit Le bergsonisme (1912) bis zu De quelques constantes de l’esprit humain. Critique du mobilisme contemporain (1950) liest sich wie der vollständigste Katalog an Einwänden, die man gegen Bergson vorbringen kann. Die Kritiken Bendas sind häufig stichhaltig, manchmal hart, bisweilen grausam. Es gibt jedoch einen Punkt, über den sich Benda hartnäckig ausschweigt: die Technik. Man kann dieses Schweigen auf zwei Arten interpretieren, die sich allerdings nicht gegenseitig ausschließen. Es mag sein, dass Benda keine Argumente gegen die Idee des Homo faber fand, oder dass er es eines Klerikers für unwürdig empfand, solch niedere materielle Fragen wie die der Technik zu diskutieren. Sein Schweigen ist Ausdruck – sei es, wie es sei – der klassischen philosophischen Tradition. Die Kritik, die uns hier interessiert, kommt aus einer anderen Richtung: von Durkheim und seiner Theorie der Religion. Die menschliche Intelligenz wird für Durkheim nicht in materiellen Aktivitäten, sondern in religiösen Praktiken geboren, ihr Ursprung ist sozial und nicht biologisch. Denn die Gesellschaft ist eine Realität sui generis, die sich nicht aufgrund niedrigerer Realitätsordnungen psychologischer oder biologischer Art erklären lässt. Das Mittel, durch das sich die Gesellschaft den Individuen aufdrängt, ist in den primitiven Völkern die Religion. Religion ist, kurz gesagt, die Verehrung eines höchsten Wesens, das sich die Gruppe selbst gibt und das sie in den Augen jedes ihrer Mitglieder repräsentiert. In den religiösen Praktiken wurde das menschliche Denken geboren und entwickelt. Es verdankt den materiellen Aktivitäten wie dem Sammeln, der Jagd, dem Fischen usw., die bei den Primitiven noch nahezu tierisch sind, nichts. 2 Dieser berühmte Roman ist nicht der erste dieses Genres. Die Gebrüder Rosny haben vorher bereits Vamireh, roman des temps primitifs 1892 publiziert. Es ist jedoch der au- ßerordentliche Erfolg von La guerre du feu (1911), der den tatsächlichen Eintritt der Ur- und Frühgeschichte ins öffentliche Bewusstsein markiert. | 19 François Sigaut Man sieht also einen radikalen Gegensatz zwischen Bergson und Durkheim bezüglich der Rolle der Technik für die Menschwerdung. Unsere gesamte Debatte wird aus diesem Gegensatz und den Versuchen, sie zu lösen, ihren Ausgangspunkt nehmen. * Ich hatte zunächst erwogen, die für diese Sammlung ausgewählten Texte in einer so neutral wie möglichen gehaltenen Ordnung zu präsentieren: der chronologischen Folge ihres Erscheinens. Nach reiflicher Überlegung präferiere ich, sie in vier Teile zu gliedern, denen meines Erachtens vier unterschiedliche Phasen der Debatte recht gut entsprechen. Der erste Teil beginnt daher mit dem der Darstellung der Thesen Bergsons (1907) und Durkheims (1912). Allerdings gibt es eine Asymmetrie zwischen beiden, die Schwierig- keiten bereitet: Während Durkheim ausführlich über Religion spricht, schweigt er sich über die Technik beinahe ebenso aus wie Benda. Daher ist es notwendig, Autoren das Wort zu erteilen, die sich weniger scheuten, über dieses Thema zu sprechen. Gustave Belot (1913) ist ein entschiedener Gegner Durkheims, während Maurice Halbwachs (1920) und Céléstin Bouglé (1922) seine treuesten Anhänger sind. Gemeinsam liefern sie eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was die Durkheimschule von Technik hielt, und auf welche Weise sie rezipiert wurde. Bergson hat es ebenfalls anderen überlassen, seine Ideen des Homo faber weiterzu- entwickeln. Dies unternimmt zum Beispiel Edouard Le Roy (1928). Es stellt sich jedoch heraus, dass die ersten Autoren, die den von Bergson eröffneten Weg eingeschlagen haben, keine Bergsonianer sind. Es handelt sich um Rémy de Gourmont (1908) und vor allem um Louis Weber (1913). Beide sind heute vollständig aus unserem Blickfeld geraten, insbesondere Letzterer, dessen Werk jedoch von grundlegender Bedeutung ist. Wahrscheinlich war Weber der bedeutendste französische Autor der Technikphilosophie zwischen Espinas und Simondon. Zumindest bis in die 1930er Jahre stehen seine Ideen im Zentrum aller Diskussionen. Sein Buch wurde in zwei Sitzungen, was unüblich ist, der Société française de philosophie (1914) diskutiert. Sein Einfluss lässt sich in den Beiträgen von Henri Berr (1921) und Edouard Le Roy ablesen. Im dritten Teil greift wieder eine bekannte Figur, Lucien Lévy-Bruhl, ein. Lévy-Bruhl zeigte kein großes Interesse, ebenso wenig wie Durkheim, an den Techniken, und daher hat sein erstes soziologisches Buch Les fonctions mentales dans les sociétés inférieures (1910) keinen Platz in unserer Debatte. Mit dem Erscheinen seines zweiten Buches, La mentalité primitive (1922), änderte sich die Situation. Die Techniken haben Eingang in die Debatten gefunden und stellen für Lévy-Bruhl eine Schwierigkeit erster Ordnung dar. Denn es gibt ›primitive‹ Techniken nur hinsichtlich ihrer Mittel. So rudimentär diese Mittel auch sein mögen, so ist ihre Verwirklichung, die auf ein bestimmtes Ergebnis abzielt, immer eine rationale Operation. Es gibt keine prälogischen Techniken. Der Psychologe Charles Blondel (1927/1939), der eigentlich ein überzeugter Anhänger Lévy-Bruhls war, kommt zu diesem Schluss. Wenn es Prozesse gibt, die prälogisch erscheinen, dann nur in jenen Bereichen, in denen es keine möglichen materiellen Sanktionen gibt. Dadurch werden andere Interpretationen, wie Bergsons (1932) Hypothese der »fabulatorischen Funktion« oder Henri Wallons (1935) Hypothese des Mythos als imaginäre Industrie, 20 | Die Homo faber-Kontroverse möglich. Die Hypothese Wallons ist das genaue Gegenteil der Hypothese Bouglés, der aus der Industrie eine Art angewandten Mythos macht. Kann man, muss man das eigentlich philosophische Denken verlassen und die Technik zum Gegenstand einer eigenen Wissenschaft erheben? Diese Frage, der sich der vierte Teil unserer Anthologie widmet, wird in den 1930er Jahren zentral. Es ist zwar richtig, dass sie bereits 1897 von Espinas gestellt wurde, aber wie bereits erwähnt, hat man Espinas kein Gehör geschenkt und die Frage tauchte erst 30 Jahre später in den Beiträgen von Louis Basso (1928), Jacques Lafitte (1933) und Julien Pacotte (1934) wieder auf. Diese Namen sagen uns heute nicht mehr viel. Ihre Lektüre wird zeigen, was wir durch ihr Verschwinden verloren haben. Denn als Marcel Mauss 1941 seinen Vortrag Les techniques et la technologie in Toulouse hielt, hat er einige ihrer Ideen aufgegriffen. Es ist ihm zu verdanken, dass vielleicht etwas in der Lehre der Ethnologie in Frankreich passiert ist.3 […] Lassen sie mich […] zum Problem des Vergessens zurückkehren. Vergessen ist oft notwendig. Man kann sich nicht mit allen Überbleibseln der Vergangenheit im Alltag herumschlagen. Aber das philosophische und wissenschaftliche Denken schreibt sich in die Zeit ein. Es ist ein Werden, das sich auf eine Tradition stützt. In dieser Tradition findet der Geist seine Bezugspunkte, in ihr lernt er, sich im Labyrinth der Theorien und der Fakten zu orientieren, um mit Glück und Gespür manchmal ein unkonventionelles Problem zu stellen. Deshalb muss man sich fragen: Was passiert, wenn in einer Disziplin die Tradition verstümmelt oder entstellt wird? Denn zu dieser bedauerlichen Feststellung hat uns diese Arbeit geführt. Lassen sie uns einige Namen in Erinnerung rufen. Durkheim hat einen festen Platz in der Tradition der Sozialwissenschaften: Warum nicht Espinas? Warum Halbwachs und nicht Louis Weber? Warum Lévy-Bruhl und keiner von denen, die, wie Olivier Leroy (1925, 1927), gegen die Irrungen ihrer Zeit protestiert haben? Und warum wurde das Buch von Daniel Essertier, zuerst 1927 veröffentlicht, erst 1968 erneut gedruckt… in den Vereinigten Staaten?4 Es geht nicht darum, die Zweiten an die Stelle der Ersten zu setzen, aber was ist eine Tradition, die auf solch offensichtlich ungerechten Urteilen beruht, wert? […] Wir sind von einem punktuellen Antagonismus zwischen Durkheim und Bergson bezüglich der Technik ausgegangen. Wir können nun diese Konfrontation ausweiten, um sie zu relativieren. Trotz gewisser Erscheinungen verortet sich der Soziologismus Durkheims wie der Vitalismus (oder der Biologismus) Bergsons auf gleicher Ebene. Beide 3 Sigaut führt die ›Anthropologie der Techniken‹ auf Marcel Mauss zurück. André-Geor- ges Haudricourt und André Leroi-Gourhan, die beide Schüler Marcel Mauss’ waren, haben diese Disziplin in Frankreich begründet und Mauss’ Projekt weiterentwickelt. Im deutschen Spricht man von ›Technikanthropologie‹, während im französischen der Plural ›Techniken‹ steht. Wir haben uns in dieser Übersetzung dazu entschieden, den Plural beizubehalten, da bereits Mauss nicht nur von einer Technik spricht, sondern be- wusst von den ›Techniken des Körpers‹ (Mauss 2010). Den Ausgangspunkt der Anth- ropologie liefern die unterschiedlichen Techniken in ihrer konkreten Gestalt und nicht bereits ein Begriff der ›Technik‹, der vorausgesetzt wird (Anm. d. Übers.). 4 Es handelt sich um Psychologie et sociologie, essai de bibliographie critique (1927), das in dieser Epoche ein unersetzliches Arbeitswerkzeug ist. | 21 François Sigaut Doktrinen sind in dem Sinne homolog, als sie auf die gleiche Art und Weise – wenn auch mit unterschiedlichen Materialien – konstruiert sind. Beide basieren auf einer sehr genauen Ontologie. Für Bergson gibt es eine transzen- dierende Entität, die das Leben ist, und deren schöpferischer Dynamismus schöpferischer Elan5 genannt wird. Für Durkheim ist die Gesellschaft die transzendierende Entität und auch wenn der soziale Elan nicht genannt wird, so kann man doch ohne Schwierigkeit seine Anwesenheit in der kollektiven Erregung spüren, die die versammelten Menschen dazu animiert, sich im Feiern ihres kollektiven Seins bewusst zu werden. Das mana, das Gefühl des Heiligen sind die konkreten Manifestationen des sozialen Elans. Für Bergson zwingt das Leben in erster Linie dazu, der Materie in der Handlung entgegenzutreten. Der Mensch, der kein angeborenes Werkzeug oder tierische Instinkte besitzt, muss sich in dieser Konfrontation seiner Intelligenz bedienen. Die Technik ist die spezifisch (im zoologischen Sinne) menschliche Art des Handelns und des In-der-Welt- Seins. Für Durkheim erfordert die Gesellschaft ebenfalls eine materielle Handlungsform, die aber nur scheinbar materiell ist: das Ritual. Die Realität des Rituals besteht darin, eine gemeinsame Handlung zu vollziehen, deren Funktion es ist, den Gläubigen über sich selbst hinauszutragen. Die Religion schafft die grundlegenden Kategorien des Denkens und – so kann man sagen – das Denken selbst. Ebenso schafft sie auch die Institutionen. Die einzige Ausnahme ist die Wirtschaft, weil man im praktischen Leben (das auch privat, profan, individuell genannt werden kann) ebenso wenig wie im tierischen Leben, konzeptuelle Vorstellungen braucht (vgl. Durkheim 2014 [1912]: 613-618; 646-648). Man sieht also bei unseren beiden Autoren vier entgegengesetzte Begriffspaare, in dem Sinne, dass sie sich in den jeweiligen Lehren gegenseitig ersetzen. Man kann dies in folgendem Schema darstellen: Bergson Durkheim Leben Gesellschaft Schöpferischer Elan Kollektive Erregung Materielle Handlung Ritual Technik Religion Muss man die Dinge noch weitertreiben? Ich habe es nicht gewagt, denn es würde die Grenzen dieser Arbeit sprengen. Es ist jedoch nicht unnütz, diesen Vergleich auf den Marxismus auszuweiten. Dieser spielt, wie bereits angedeutet, keinerlei Rolle in unserer Geschichte. Dennoch muss man zugeben, dass er chronologisch trotzdem dazu gehört. Nichts verbietet es, den Marxschen Materialismus auf dieselbe Ebene wie den Bergson- schen Biologismus oder den Durkheimschen Soziologismus zu heben. Seit 1930 fehlt es nicht an Autoren, die im Marxismus eine sehr klassische Metaphysik erkennen (vgl. Weil [1934] 1955; Berdiaev 1938). Marx hat sicherlich im Ausgang von Hegels Geschichts- 5 Die Übersetzung des élan vital mit schöpferischen Elan bezieht sich auf die Neuüberset- zung von Margarethe Drewsen (Anm. d. Übersetzers). 22 | Die Homo faber-Kontroverse auffassung den Geist durch die Materie ersetzt. Die Materie hat er aber sogleich mit den dynamischen und schöpferischen Eigenschaften des Geistes ausgestattet. Fortan tritt der Fortschritt der Produktivkräfte an die Stelle des Bergsonschen schöpferischen Elans. Der Mensch ist wie bei Durkheim das Produkt der Gesellschaft – mit dem Unterschied, dass die Gesellschaft nichts weiter als eine Organisation ist, die mehr oder weniger gut auf den Zustand der Produktivkräfte reagiert. Die grundlegende Institution ist nicht die Religion, sondern die Ökonomie (die Produktionsweise) und die menschliche Aktivität par excellence ist weder das Ritual noch die technische Handlung, sondern die Arbeit. Wir können also zu unserer Tabelle zurückkehren und ihr zwei Spalten hinzufügen: Die eine für die Marxsche Lehre, die andere, um die Ebenen der gemeinsamen Struktur zu bezeichnen, denen jede Triade antagonistischer Begriffe entspricht: Marx Bergson Durkheim Schöpferische Entität Materie Leben Gesellschaft Ihre dynamische Mani- Fortschritt Schöpferischer Elan Kollektive festation Erregung Charakteristische Arbeit (technisch)- Ritual menschliche Aktivität materielle Handlung Grundlegende Ökonomie Technik Religion Institution Wie jede Tabelle ist auch diese das Resultat einer Vereinfachung, die Nachteile mit sich bringt. Die durch sie vorgeschlagene Ähnlichkeit der Struktur zwischen drei Philosophien, die scheinbar wenig gemein haben, ist trotzdem vielleicht nicht gänzlich imaginiert. Man könnte sogar sagen, dass sich die Struktur den Autoren aufgedrängt hat und sie in der Folge nicht mehr tun konnten, als deren Inhalt zu variieren. Materialismus, Biologismus und Soziologismus erscheinen als drei Varianten derselben metaphysischen Art. Die Ergebnisse sind jedoch sehr unterschiedlich. Es ist unnötig, hier zu wiederholen, was bereits über die Gründe gesagt wurde, warum Marx und Durkheim die Technik außer Acht ließen. Wir stellen lediglich fest, dass ihre Fehler nahezu vollkommen symmet- risch sind. Marx reduziert die Gesellschaft auf die Ökonomie, Durkheim reduziert die Gesellschaft auf alles, was nicht ökonomisch ist. Es ist daher unerheblich, ob Ersterer die Technik miteinschließt und Letzterer sie ausschließt. Denn diese beiden (scheinbar) gegensätzlichen Lösungsansätze sind nichts als die Folgen desselben Missverständnisses. Beide reduzieren Technik auf ihre Materialität, wie auch Descartes, Hume und Kant vor ihnen. Einzig Bergson ordnet der Technik ihren angemessenen Platz zu: Sie ist eine grundlegende Institution des Menschseins. Denn Technik ist sowohl im Spiel, in der Kunst (im modernen Sinne des Begriffs), in Ritualen, im Krieg, etc. wie in der Produktion (die nur eine Finalität unter vielen ist) oder in der Arbeit (die nur eine bestimme Form der Aktivität ist) vorhanden. Es gibt keinen Moment in unserem Leben, in dem wir nicht auf irgendeine Geste oder irgendein technisches Objekt zurückgreifen. Die Technik ist die spezifisch menschliche Art und Weise des Handelns und daher des In-der-Welt-Seins. | 23 François Sigaut * Es gibt dennoch eine Gemeinsamkeit zwischen Marx, Bergson und Durkheim. Alle drei bestätigen – oder erkennen zumindest an6 –, dass es eine Einheit der menschlichen Spezies und damit ihrer Intelligenz gibt. Diese Einheit wurde im 19. Jahrhundert von Polygenisten und Rassisten bestritten. Diese haben aber gegen Ende des Jahrhunderts bereits an Einfluss verloren, der, um ehrlich zu sein, in Frankreich nie besonders groß war. Paul Lacombe hat in De l’histoire considérée comme science (1930 [1894], Kap. 17 und 18) keine große Mühe, den trügerischen Charakter der rassistischen Argumente nachzuweisen und man kann davon ausgehen, dass es niemanden mehr gibt, der sich ernsthaft ihrer bedient. Die Sache schien geregelt. Und dennoch markiert der Erfolg Lévy-Bruhls einen unbestreitbaren Rückschritt. Dies ist, wie wir bereits sagten, das Urteil P. Jaccards (1932: 327f). Um aber zu verdeutlichen, an welchem Punkt einige Anhänger Lévy-Bruhls ankamen, halte ich es für sinnvoll, die Kritik, die Halbwachs an Olivier Leroy7 richtete, zu zitieren: »Er glaubt, dass die menschliche Natur an jedem Ort und zu jeder Zeit dieselbe ist. Für ihn sind die Wilden weder egoistischer, noch grausamer, noch sorgloser der Zukunft gegenüber, noch weniger respektvoll dem Eigentum gegenüber, noch fauler als zivi- lisierte Menschen ...« (Halbwachs 1927: 154f.). Ich hatte bereits Gelegenheit zu sagen, wie unverständlich mir der Erfolg Lévy-Bruhls im Lichte meines Wissens (oder meines Unwissens) über den Gegenstand und die Epoche scheint. Ich frage mich, ob es nicht auch hier nötig ist, die Perspektive zu erweitern, um zu versuchen die Dinge noch klarer zu machen. Es geht nicht nur um die Frage der Einheit der menschlichen Gattung. Es geht auch um die Frage der Kontinuität in der Entwicklung der Zivilisationen. Durkheim, Bergson und zahlreiche ihrer Nacheiferer betrachteten die Kontinuität als Evidenz, da ja jeder Schritt in dieser Entwicklung das Werk derselben menschlichen Genialität war. Des Weiteren, erklärt Henri Berr (1953: 26), »das Chaos hat keine Geschichte«, was soviel heißt wie: Veränderung ohne Kontinuität hat keinen Sinn. Diese Annahmen werden von Lévy-Bruhl in Frage gestellt. Er glaubt, dass die Kluft zwischen wildem Zustand und zivilisiertem Zustand zu groß ist, um ohne radikale mentale Umbrüche überbrückt worden zu sein. Nun findet man diesen Diskontinuismus (man verzeihe mir diesen allzu hässlichen Neologismus) in der Wissenschaftsphilosophie wieder, wo ihr berühmtester Vertreter Bachelard ist. Bachelards Fachgebiet unterscheidet 6 Was Marx betrifft, bin ich mir nicht ganz sicher, es gälte dies zu verifizieren. Aber was die Marxisten betrifft, gibt es keine Zweifel. 7 Halbwachs Kritik entstammt der Rezension des Buches Essai d’introduction critique à l’étude de l’économie primitive (Leroy 1925). Leroy war ein Ökonom und Politologe, der sich für primitive Gesellschaften interessierte und kann – obwohl er heute nahezu voll- ständig in Vergessenheit geraten ist – als Vorläufer der Wirtschaftsethnologie bezeichnet werden (Gastellu 1975: 315- 317). In seinem Werk kritisiert er, wie Sigaut ebenfalls an- merkt, Lévy-Bruhls Auffassung der ›primitiven Mentalität‹ und Karl Büchers Materialis- mus (Anm. d. Übers.). 24 | Die Homo faber-Kontroverse sich so stark von Lévy-Bruhls, dass es zunächst schwer fällt, mögliche Gemeinsamkeiten zu erkennen. Das Werk Bachelards scheint im Wesentlichen eine Hymne auf die jüngsten Eroberungen des Rationalismus zu sein. Hier setzt die Frage Julien Bendas ein: Impliziert der Fortschritt der Wissenschaft auch Veränderungen der Natur der Vernunft?8 Lautet die Antwort nein, dann wird man auf den Standpunkt der Verteidiger der Kontinuität zurückgeführt. Wenn die Antwort jedoch ja lautet, muss man benennen, was diese Verän- derungen sind, die offenbar weder in den Methoden noch in den Begriffen liegen können, denn beide sind lediglich Instrumente der Vernunft und nicht ihre Attribute. »Dies ist eine Frage, die ich zwanzig Mal erfolglos gestellt habe«, schreibt Benda am Ende seines Briefes. »Vielleicht habe ich ja heute bei unserem berühmten Redner mehr Glück.« Nichts dergleichen. Bachelard antwortet lediglich mit Ausrufen (»die Quantenmechanik! Die ganze Quantenmechanik ist hier! Oder die Kernphysik!«). Man hat den Eindruck, dass Bachelard zu sehr von den Wundern des Rationalismus (des »Surrationalismus«) fasziniert ist, um die Frage Bendas ernst zu nehmen. Nun, es verhält sich ebenso mit Lévy-Bruhl. Auch er ist fasziniert von den Wundern der primitiven Mentalität – Wie wild sein? Wie gelehrt sein? Wie Perser sein? – bis zum Punkt, an dem er völlig von einem nicht abzu- schließenden Unternehmen der Beschreibung aufgesogen wird, in dem die Erklärung im selben Maße schwindet, in dem man fortschreitet. Es stimmt: Beide Faszinationen sind gegensätzlich. Diejenige Bachelards ist bewundernd, diejenige Lévy-Bruhls ist bestürzt. Aber beide führen zum selben Resultat, sie führen zu einer unzulässigen Reifikation ihres Gegenstandes. Jede Wahrnehmung beginnt mit einer Dichotomie, weil man A von Nicht-A unterscheiden muss. Der Fehler besteht darin, Nicht-A so zu behandeln als wäre es ebenfalls eine Sache/ ein Ding. Der Begriff der primitiven Mentalität hätte nützlich sein können, um die Aufmerksamkeit auf ein sehr reales Problem zu lenken, nämlich die reziproke Unmög- lichkeit der Verständigung zwischen Europäern und Indigenen in den Kolonien.9 Sobald man sie vergegenständlicht, liegt man falsch. Lévy-Bruhl verpflichtet sich, ihr eine von Natur aus logische, zivilisierte Mentalität entgegenzusetzen. Seine Kritiker konnten de- ren Unhaltbarkeit problemlos zeigen. Bachelard ist auf gleiche Weise verpflichtet, dem Rationalismus einen Irrationalismus entgegenzusetzen. Man kann jedoch nicht genau erkennen, worin er besteht, außer aus einer bunt zusammengewürfelten Ansammlung aller Dinge, die dem Rationalismus gegenläufig zu sein scheinen: epistemologische Hindernisse, Wahnsinn (vésanie) (ein Begriff den Bachelard besonders mag), ja sogar der Rationalismus selbst, wenn er zum Hindernis seines eigenen Übersteigens wird (durch den Surrationalismus, dieser wiederum auf seine Weise …). Von alledem finden 8 Diese Frage war Gegenstand eines Briefes, den Julien Benda an die Société française de philosophie anlässlich ihrer Sitzung am 25. März 1950 mit dem Titel »De la nature du rationalisme« (Über die Natur des Rationalismus), die von Bachelard gestaltet wurde. Die Zusammenfassung ist im Bulletin der Gesellschaft ebenso veröffentlicht worden wie in L’engagement rationaliste, eine posthume Zusammenstellung von Artikeln Bachelards, die Georges Canguilhem herausgegeben hat (1972). 9 So versteht es Raoul Allier (1927). Mit D. Essertier, O. Leroy, P. Jaccard und anderen ist Allier einer jener Autoren, die nicht nur zu Unrecht, sondern zur Schmach der heutigen Universität in Vergessenheit geraten sind. | 25 François Sigaut einzig die Träumereien Gnade in seinen Augen, weil es möglich ist, sie auf eine andere Ordnung, die der Poesie, zurückzuführen. Alles andere ist jedoch ein Durcheinander an Dingen, die nur aufgrund ihrer negativen Eigenschaften existieren. Die beiden Vorgehensweisen von Lévy-Bruhl und Bachelard sind symmetrisch und führen dazu, dass der gesunde Menschenverstand mit streng widersprüchlichen Charakteristika ausgestattet wird. Im Gegensatz zur primitiven Mentalität des Ersten ist der Gemein- sinn des Letzteren (der Zivilisierten, die wir sind) im Großen und Ganzen logisch und vernünftig. Im Gegensatz zum Rationalismus des Letzteren, ist der Gemeinsinn (der Nicht-Wissenschaftler, die wir sind) lediglich ein Sammelsurium, von dem sich das wis- senschaftliche Denken lösen muss. In der Notwendigkeit, den Gemeinsinn zu entstellen, zeigt sich meines Erachtens jener Fehler am deutlichsten, der beiden Lehren gemein ist. […] * Wir haben alles andere als mit Bergson abgeschlossen. Um Durkheim als Soziologen zu verstehen, war es notwendig, Durkheim wieder als Philosoph, dessen Existenz man ein wenig aus den Augen verloren hatte, anzuerkennen. Bei Bergson ist die entgegengesetzte Operation notwendig. Der Philosoph ist bekannt, aber man muss den Soziologen, oder besser gesagt: den Anthropologen, wieder anerkennen. Claude Lévi-Strauss hat uns gezeigt, wie dies geht. Er offenbart uns in Le totémisme aujourd’hui (1962, Kapitel V), dass Bergson das ›Problem des Totemismus‹, das bis dahin vor allem von Durkheim auf so bedauerliche Weise verworren gestellt wurde, bereits 1932 gelöst habe, also zwanzig Jahre vor der offiziellen Entdeckung der Lösung durch Radcliffe-Brown. Ist ihm gelungen, woran die Soziologen, die am meisten auf Belesen- heit und Methode bedacht waren und so lange gescheitert waren, weil der Philosoph »wie ein Wilder denkt« (der Ausdruck stammt von Lévi-Strauss)? Bergson selbst, der nie zögerte, den Gemeinsinn für sich in Anspruch zu nehmen, hätte diese Erklärung zweifelsohne nicht abgelehnt. Man sagt: »Die Methode ist der begangene Weg«.10 Im Bestreben, der Soziologie eine im Voraus bestimmte Methode zu verleihen, versagte sich Durkheim wirkliche Entdeckungen, die ihrem Wesen nach unvorhersehbar sind (wenn sie es nicht wären, dann würde man sie nicht als solche erachten). Bergson säte, indem er seinen Gedanken freien Lauf ließ, auf seinem Weg eine Vielzahl an Bemerkungen und Beobachtungen, deren Bedeutung einem oft entgeht, weil sie lediglich als Nebenbemer- kungen einer Argumentation erscheinen, die auf andere Ziele gerichtet ist. Die Passage, in der Bergson das totemistische Problem löst, ist nur ein kurzer Exkurs in den Beiden Quellen. Um dessen wirkliche Bedeutung zu ermessen, fehlten sowohl seinen Lesern als auch Bergson selbst wahrscheinlich die Mittel. Dies erforderte das geschulte Auge eines Lévi-Strauss. Aber nehmen wir ein anderes Beispiel: die Langeweile. »Ist der Mensch von der Gesellschaft getrennt oder nimmt er nicht genügend an ihrem Schaffen teil, so leidet er an einer … bisher noch wenig untersuchten Krankheit, die man Langeweile 10 Um genauer zu sein: »Die Methode ist der Weg, nachdem wir ihn gegangen sind.« Der Ausspruch findet sich bei Dumezil (1940), der ihn wiederum von Marcel Granet lieh. 26 | Die Homo faber-Kontroverse nennt« (Bergson 1933 [1932]: 102), sagt uns Bergson an einer anderen Stelle der Beiden Quellen […]. Man erkennt schnell, warum die Langeweile so wenig erforscht wurde. Sie ist weder eine Institution (für die Soziologen), noch ein Verhalten oder eine Pathologie (für die Psychologen), noch eine identifizier- und zählbare Tatsache wie der Selbstmord. Die Langeweile ist dennoch ein wirkliches Leiden, das auf Dauer unerträglich werden kann. Bereits Voltaire sagte irgendwo: »die Arbeit schützt uns vor drei Hauptübeln: vor Langeweile, Laster und Not« – diese Reihenfolge ist bezeichnend. Denn das Laster (das übrigens aus der Langeweile entstehen kann) und das Bedürfnis sind nur Teilstörungen, so unerfreulich und verwerflich sie auch sein mögen. Die Langeweile ist ein grundlegenderes Übel, weil es das Menschlichste im Menschen berührt, das Bedürfnis, sich in Aktivitäten zu realisieren, die einen Sinn haben. Die Langeweile ist das Leiden, das dem Homo faber zugefügt wird, wenn ihm die Möglichkeit genommen wird, sich als faber zu realisieren. Es ist natürlich unmöglich alle Gedanken Bergsons, deren wahrer Wert noch nicht erkannt wurde, gerecht zu werden. Es ist dennoch nicht unnütz, auf einige der erfolg- reichsten zurückzukommen und ihre Entwicklung nachzuverfolgen. Homo faber ist mit Sicherheit eines der besten Beispiele. Der Erfolg lässt sich nicht alleine auf die Formulierung zurückführen, sondern ist auch an die Allianz mit der Ur- und Frühgeschichte geknüpft, dank derer es möglich war, die Pforten der philosophischen Hochburg zu öffnen, um der Technik Einlass zu gewähren. Diese Allianz war unumgänglich, sie bleibt es auch noch heute und es gibt keinen Grund, sie in Frage zu stellen. Aber sie hatte eine unglückliche Folge: Der Homo faber wurde zu einer Spezies des prähistorischen Menschen, zu einem Vorläufer des Homo sapiens. Dies entsprach nicht der Idee Bergsons. Homo faber war für ihn ein anderer Name des Homo sapiens, der aufgrund der wesentlich herstellenden Natur seiner Intelligenz gerechtfertigt war. Wir sind der Homo faber. Dieser Fehler, der mindestens bis zu Edouard Le Roy zurückreicht, wird [große] Geister circa fünfzig Jahre lang in die Irre führen. Die folgenden Zeilen Georges Batailles offenbaren den Allgemein- platz, den dieser Fehler in den fünfziger Jahren einnahm: »Die Anthropologen bezeichnen mit dem Namen Homo faber den niedrigeren paläoli- thischen Menschen, der noch nicht die aufrechte Haltung erlangt hatte, noch sehr weit von unseren vielfältigen Möglichkeiten entfernt war und nichts mit uns gemein hatte, als die Fähigkeit, Werkzeuge herzustellen. Einzig der Homo sapiens ist uns ähnlich, gleichzeitig durch seine Schädelkapazität als durch die Fähigkeit, Werke zu erschaffen, die, über die unmittelbare Nützlichkeit der Werkzeuge hinausreichend, seine Sensibilität zum Vorschein bringen« (Bataille 1988 [1953]: 260). Denn es ist klar, dass dieser ›alternative‹ Homo faber nichts weiter ist, als ein Unter-Homo sapiens, dem ein wesentlicher Teil der (unserer) Intelligenz des Homo sapiens fehlt und der nur im Kontrast zum Homo sapiens existiert. Dies heißt, dass er überhaupt nicht existierte. Und tatsächlich fanden Archäologen keinerlei Spur von ihm. Die abschließende Forschungsmeinung wird 1952 von André Leroi-Gourhan gegeben: »Verfolgt man also die Wege der Technologie, so gibt es nichts, was erlauben würde, einen Homo, der faber wäre, von einem der sapiens wäre, zu unterscheiden. … Die Trennung | 27 François Sigaut zwischen faber und sapiens wäre eine trügerische Trennung und hilft wenig, um die Ursprünge des Menschen zu verstehen« (Leroi-Gourhan 1952: 92f.). Auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen, betonen wir ein letztes Mal, dass diese trügerische Unterscheidung nicht von Bergson getroffen wurde, sondern von einigen, die ihm folgen wollten oder glaubten, ihm zu folgen. So ist es selbst für überzeugte Bergso- nianer schwierig zuzugeben, dass die Intelligenz, wie sie sich in den Techniken äußert, nicht einfach eine minderwertige Form der Intelligenz sei – eine Art Unter-Intelligenz. In einem ganz anderen Bereich, der Psychologie, gibt es eine ziemlich merkwürdige Geschichte, die, wenn sie besser bekannt wäre, vielleicht einen analogen Verlauf zeigen würde. Es handelt sich um die Geschichte des Adjektivs sensomotorisch (sensori-moteur; sensori-motrice). Man hat mit Sicherheit bemerkt, wie oft es in Intelligence et techniques von Charles Blondel, ein Artikel, den wir auch in unsere Anthologie aufgenommen haben, auftaucht. Wir erinnern daran, dass dieser Text 1927 geschrieben worden ist. Und Blondel ist nicht der Einzige; Piaget und andere benutzen diesen Begriff sehr häufig. Aber was bedeutet er eigentlich? […] Auf die Gefahr hin, uns vom Schein trügen zu lassen, kann man indessen sagen, dass Aktivitäten oder Verhaltensweisen sensomotorisch genannt werden, wenn sie nicht (oder wie beim Kind noch nicht) intelligent im vollen Sinne des Wortes sind. Der Begriff kann sich auf Fragen der sensomotorischen Intelligenz, wie bei Piaget, beziehen. Dann handelt sich es aber darum, die primitiven oder unvollständigen Formen der Intelligenz zu bezeichnen, in denen es an Begriffen, Symbolen, etc., das heißt an den Charakteristika der entwickelten Intelligenz, fehlen soll. Wir sind jetzt zu sehr vor den Gefahren negativer Begriffe gewarnt, dass nicht unser Misstrauen geweckt wäre. Könnte es sein, dass ›sensomotorisch‹ ebenso wie der ›alternative‹ Homo faber nur eine Pseudoidee ist? Um ihr auf den Grund zu gehen, müsste man wissen, woher der Begriff kommt, wer ihn erschaffen hat, wer ihn in der Folge benutzt hat und in welchen Kontexten, mit welchen Zielen usw. er gebraucht wurde. In Ermangelung des Korpus, der uns wirkliche Antworten erlauben würde, stelle ich hier die Elemente dar, die mir zur Verfügung stehen. Es waren sicherlich weder Blondel noch Piaget, die den Begriff geprägt haben. Pi- aget leitete am 17. Mai 1928 eine Sitzung der Société française de philosophie über »die Beziehungen des Geistes und der motorischen Intelligenz«. Einer der Referenten, H. Delacroix sprach mehrmals von sensorisch-motorischer Intelligenz und von sensorisch- motorischem Verhalten. Aber Piaget selbst benutzte diese Begriffe nicht, sondern blieb bei seiner motorischen Intelligenz. Dies könnte bedeuten, dass der Begriff des Sensorisch- Motorischen noch nicht allgemeine Verwendung fand. So fand ich mit gewisser Überraschung den Begriff in Materie und Gedächtnis, das bereits dreißig Jahre früher (Bergson 2015 [1896]) veröffentlicht worden war. Die Über- raschung vergrößerte sich, als ich bemerkte, dass er dort einen völlig anderen Sinn hatte. Im Folgenden sehen wir, wie Bergson diesen Begriff einführt: »Das, was ich meine Gegenwart nenne, ist meine Haltung gegenüber der unmittelbaren Zukunft, meine unmittelbar bevorstehende Handlung. Meine Gegenwart ist also sehr wohl sensomotorisch« (Bergson 2015 [1896] : 180). 28 | Die Homo faber-Kontroverse Um Verhaltensweisen, die mehr oder weniger intelligent sind, geht es Bergson gerade nicht. Was ihn vornehmlich beschäftigt, ist, Gegenwart und Vergangenheit, Wahrnehmung und Erinnerung gegenüberzustellen. Es ist richtig, dass es beim Menschen keinen reinen sensomotorischen Zustand gibt. Dies würde die Auslöschung des gesamten Gedächtnisses bedeuten und daher das Verhalten auf reine Reaktivität reduzieren. Aber der entgegen- gesetzte Zustand, der in der Auslöschung jeder Handlungsbereitschaft zu Gunsten der alleinigen Kontemplation der Erinnerungen bestünde, existiert ebenso wenig – außer in Traum und Wahnsinn. Beide Zustände sind nicht trennbar, wenn sie analysierbar sind. Und der Normalzustand ist eine Mischung aus beidem. In dieser Konzeption macht es keinerlei Sinn, die Intelligenz dem sensomotorischen Zustand gegenüberzustellen, weil sie ein Teil von ihm ist. Die Intelligenz ist jene Fähigkeit, die uns erlaubt, nützliche Erinnerungen schnell und richtig auszuwählen, um uns in unserem gegenwärtigen Handeln zu leiten. War es Bergson, der das Adjektiv ›sensomotorisch‹ geschaffen hat? Ich weiß es ebenso wenig, wie das, was aus [dem Adjektiv] zwischen 1896 und 1927 geworden ist. Auf die Gefahr hin, ein nachträgliches Dementi zu geben, glaube ich, eine verstörende Ähnlichkeit zwischen dieser Geschichte und der des Homo faber entdecken zu können. In beiden Fällen wohnt man dem Erfolg einer Idee und einer Formulierung, die sie ausdrückt, bei, aber vor allem die Formulierung ist erfolgreich, die Idee wird hingegen unkenntlich gemacht. Man wird nie so gut betrogen, wie durch die Seinen. * Was bleibt heute von unserer vergessenen Geschichte? Zunächst gilt es, die Frage nach den jeweiligen Nachfolgern Durkheims und Bergsons zu stellen. Auf Seiten Durkheims gibt es sicherlich Marcel Mauss, den unbestrittenen Gründungsvater dessen, was heute bisweilen die französische Schule der Technologie genannt wird. Aber Mauss übernahm diese Rolle nur aufgrund einer langen persönlichen Entwicklung, deren Analyse hier keinen Platz finden konnte. Wir beobachten lediglich, dass Mauss am Ende dieser Entwicklung nicht mehr Soziologe, sondern Ethnologe geworden ist und die Soziologie im eigentlichen Sinne (wie sie als Disziplin im universitären Milieu identifiziert wird), die Techniken weiterhin ignoriert, als wäre nichts geschehen. Von Zeit zu Zeit wird diese Ignoranz kritisiert, mal von Objektsoziologen mal von Wissens- soziologen. Wie heftig diese Kritiken auch sein mögen, so hat man nicht den Eindruck, dass sie die Mehrheit der Disziplin erreicht. Man muss nur nach dem Zufallsprinzip in soziologischen Werken und Zeitschriften blättern, um festzustellen, dass die Technik nicht nur fehlt, sondern vor allem, dass diese Abwesenheit nicht als Problem erkannt wird. Durkheims Konzeption hat sich in dieser Hinsicht durchgesetzt. Die Technik liegt weit außerhalb des Feldes der Soziologie. Was Bergson betrifft, so hat er keine Schule geschaffen, die der Durkheimschule der Soziologie vergleichbare wäre. Sein Einfluss, der äußerst hoch war, vollzog sich zunächst durch direkte Verbreitung seiner Ideen, die alle Kreise – auch das Militär – erreichten. Bergson ist wahrscheinlich der einzige Philosoph, dem man bis ins Zentrum Joffres Generalstabs Anhänger nachsagen konnte (vgl. Pierrefeu 1923). Aber er hatte auch eine Vielzahl dezidierter Schüler. Ich nenne nur zwei von ihnen, aus einem Bereich, der uns | 29 François Sigaut direkter betrifft, den der Ur- und Frühgeschichte: Pierre Teilhard de Chardin (S.J.) und André Leroi-Gourhan. Es genügt, daran zu erinnern, dass der Erstgenannte in ausge- zeichneter Weise für den mystischen und spirituellen Aspekt des Bergsonschen Denkens steht und dass er seinen größten Erfolg in den fünfziger Jahren hatte. Es wäre überflüssig, hier an die Buchtitel des Letzteren zu erinnern. Wir sagen lediglich, dass er in ebenso ausgezeichneter Weise für den anderen, realistischen Aspekt des Bergsonschen Denkens, das seine Aufmerksamkeit auf die konkreten und bedeutsamen Details des Alltagslebens richtet, steht. Die Ausarbeitung dieser Textsammlung hat mich dazu veranlasst, die Idee, die ich mir von seinem Werk gemacht hatte, zu erneuern, wobei mir die Bergsonschen Quellen nun wie Beweise klar vor Augen stehen. Ein weiterer Beweis betrifft die Philosophie selbst. Man muss sich kaum daran erin- nern, wie sehr sich die philosophische Landschaft nach dem Zweiten Weltkrieg verändert hat. Der Existentialismus, der Marxismus, der Strukturalismus usw. drängen nun in den Vordergrund. Man hat über Bergson nur noch mit einem ironischen Lächeln gesprochen und die Frage der Technik wurde in den untersten Keller verbannt. Es ist nicht so, dass die vor dem Krieg begründete Tradition ausgelöscht worden wäre; sie wurde von Georges Canguilhem und einigen anderen fortgeführt. Aber sie hatten nicht mehr den gleichen Bekanntheitsgrad. Wenn man die großen philosophischen Figuren nach dem Krieg betrachtet, die die Berühmtheit eines Bergsons erlangten, so sieht man niemanden, der diesem Thema das Gewicht seiner Autorität verlieh. Das Verteidigungssystem, von dem Simondon spricht, hat sich wieder geschlossen. Oder vielmehr: es hat sich reformiert. Denn ein Organismus besitzt immer zwei Ver- teidigungsstrategien gegen Fremdkörper: Abstoßung und Einkapselung. Und es scheint als habe die zweite Strategie mit Simondon in der Doppelrolle ihres ersten Akteurs und (ungeachtet seiner) als ihr erstes Opfer die Oberhand gewonnen. In der Tat kann man sagen, dass er die Technikphilosophie in Frankreich begründet hat. Aber er hat sie als Spezialdisziplin begründet und genau darin liegt das Problem. Es stimmt zwar, dass sich diese Spezialdisziplin gut entwickelt hat und dass man, wenn man die Philosophen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessante Arbeiten über die Techniken ge- schrieben haben, zählen würde, auf etwa fünfzehn kommen würde. Man müsste wissen, ob diese Entwicklung das Gros der Disziplin verändert hat oder nicht – und wenn, wie zu befürchten ist, die Antwort nein lautet, dann bleibt nichts Substanzielles. Das Problem ist für die gesamten Sozialwissenschaften, insbesondere für die Anthro- pologie und die Geschichte, genau das gleiche. Es gibt eine [historische] Spezialdisziplin, »die Geschichte der Techniken« deren Begründer Maurice Daumas und Bertrand Gille waren, ebenso wie es eine [anthropologische] Spezialdisziplin, die ›Anthropologie der Techniken‹, die von André-Georges Haudricourt und André Leroi-Gourhan begründet wurde, gibt. Und es war wünschenswert, notwendig und unvermeidlich, dass diese Spezialdisziplinen geschaffen worden sind. Aber ihre Schöpfung hatte einen pervertie- renden Effekt, der es den Historikern und Anthropologen (ich benutze diesen Begriff aus Ermangelung eines Besseren) aufs Neue ermöglichte, das Interesse an den Techniken zu verlieren. Wir sind sehr weit von den Zeiten entfernt, in denen Marc Bloch und Lucien Febvre aktiv in den Annales dafür kämpften, dass sich alle Historiker – ob Spezialisten oder nicht – für das Problem der Technik öffnen. 30 | Die Homo faber-Kontroverse Dies scheint mir das Maß für den völlig außergewöhnlichen Erfolg Bergsons zu sein. Bergson hat keine Spezialdisziplinen geschaffen. Er hat die Frage der Technik dort verortet, wo sie hingehört, das heißt im Zentrum all unseres Fragens nach der conditio humana. Und das Außergewöhnliche ist, dass er seit zwanzig oder dreißig Jahren Gehör findet. Einige der führenden Wissenschaftler, obschon sie keine Spezialisten sind, erachten es nicht als unwürdig, sich über Technik zu äußern. Das scheint mir die tiefe Bedeutung der Formulierung Homo faber zu sein. Wir haben gesehen, wie durch den Erfolg der Formulierung diese Bedeutung verloren ging. Es ist an uns allen, sie heute wiederzufinden. Aus dem Französischen von Johannes F.M. Schick Literatur Axelos, Kostas (1969 [1961]): Marx penseur de la technique. De l’aliéntation de l’homme à la conquête du monde, Paris: de Minuit. Bachelard, Gaston (1950): »De la nature du rationalisme«. In: Bulletin de la Société fran- çaise de philosophie 44: 2. Basso, Louis (1928): »La technique et sa philosophie«. In: Revue Philosophique de la France et de l’Étranger 106, 357-386. Bataille, Georges (1988 [1953]): »Le passage de l’animal à l’homme et la naissance de l’art«. In: Ders.: Œuvres complètes XII. Articles 2: 1950-1961, Paris: Gallimard, 259-277. (Zuerst veröffentlicht in: Critique 71, 312-330). Belot, Gustave (1913): »Une théorie nouvelle de la religion«. In: Revue Philosophique de la France et de l’étranger 75: 4, 329-379. Benda, Julien (1912): Le bergsonisme ou une philosophie de la mobilité, Paris: Mercure de France. Benda, Julien (1950): De quelques constantes de l’esprit humain. Critique du mobilisme con- temporain (Bergson, Brunschvicg, Boutroux, Le Roy, Bachelard, Rougier), Paris: Gallimard. Berdiav, Nicolas (1938): Sources et le sens du communisme Russe, Paris: Gallimard. Bergson, Henri (1933 [1932]): Die beiden Quellen der Moral und der Religion, übers. v. Eugen Lerch, Jena: Eugen Diederichs. Bergson, Henri (2007 [1907]): L’évolution créatrice, Paris, Presses Universitaires de France Bergson, Henri (2008 [1896]): Matière et memoire – Essai sur la relation du corps à l’esprit, Paris: Presses Universitaires de France. Bergson, Henri (2008 [1932]): Les deux sources de la morale et de la religion, Paris: Presses Universitaires de France. Bergson, Henri (2014 [1907]): Schöpferische Evolution, hg. u. übers. v. Margarethe Drew- sen. Hamburg: Felix Meiner Verlag. Bergson, Henri (2015 [1896]): Materie und Gedächtnis – Versuch über die Beziehung zwi- schen Körper und Geist, hg. u. übers. v. Margarethe Drewsen. Hamburg: Felix Meiner Verlag. Berr, Henri (1921): »La main et l’outil«. In: L’humanité préhistorique, hg. v. Jacques de Morgan, Paris: La Renaissance du livre, V-XVI. | 31 François Sigaut Berr, Henri (1953): La synthèse en histoire son rapport avec la synthèse générale, Paris: Albin Michel. Bloch, Marc (1938):  »Technique  et evolution sociale, reflexion d’un historien«. In: L’homme, la technique et la nature, hg. v. Jean Cassou, Paris: Rieder, 29-38. Blondel, Charles (1938): »Intelligence et techniques«. In: Journal de Psychologie normale et pathologique, 35, 325-367. Bouglé, Célestin (1922): Leçons de sociologie sur l’évolution des valeurs, Paris: Colin. Burke, Edmund (1989): Réflexions sur la révolution de France, Paris: Pluriel. Canguilhem, Georges (Hg.) (1972): L’engagement rationaliste, Paris: PUF. Diderot, Denis (1751): »Art«. In: Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts, et des métiers. Tome Premier, hg. v. Dennis Diderot/Jean Le Rond D’Alembert, Paris: Briasson, David, Le Breton, Durand, 713-717. Dumézil, Georges (1940): Mitra-Varuna, essai sur deux représentations indo-européennes de la souveraineté, Paris: Presses Universitaires de France. Durkheim, Émile (1909): »Sociologie religieuse et théorie de la conaissance«. In: Revue de Métaphysique et de Morale 17, 733-758. Durkheim, Émile (1912): Les formes élémentaires de la vie religieuse – Le système totémique en Australie, Paris: Presses Universitaires de France. Durkheim, Émile (2014 [1912]): Die elementaren Formen des religiösen Lebens, übers. v. Ludwig Schmidts, Berlin: Verlag der Weltreligionen. Espinas, Alfred (18782): Des sociétés animales, Paris: Germer Baillière et Cie. Espinas, Alfred (1897): Les origines de la technologie: étude sociologique, Paris: Félix Alcan. Essertier, Daniel (1927): Psychologie et sociologie. Essai de bibliographie critique, Paris: Félix Alcan. Gastellu, Jean-Marc (1975): »Un économiste fourvoyé en anthropologie: Olivier Leroy«. In: Cahiers Internationaux de Sociologie (Nouvelle Serié) LIX, 315-336. Gourmont, Rémy de (19082): Promenades philosophiques, Paris: Mercure de France. Halbwachs, Maurice (1920): »Matière et société«. In: Revue philosophique de la France et de l’étranger 90, 88-122. Halbwachs, Maurice (1927): »Essai d’introduction critique à l’étude de l’économie primi- tive. Les théories de K. Buecher et l’ethnologie moderne de O. Leroy«. In: Revue philoso- phique de la France et de l’étranger 103, 154-155. Jaccard, Pierre (1932): Le sens de la direction et l’orientation lointaine chez l’homme, Paris: Payot. Lacombe, Paul (1930 [1894]): De l’histoire considérée comme science, Paris: Libraire Hachette. Lafitte, Jaques (1933): »Sur la science des machines«. In: Revue de synthèse VI, 2, 143-158. Le roy, Edouard (1928): Les origines humaines et l’évolution de l’intelligence, Paris: Boivin. Leroi-Gourhan, André (1952): »Homo faber – Homo Sapiens«. In: Revue de synthèse XXX (Nouvelle Série), 79-102. Leroy, Olivier (1925): Essai d’introduction critique à l’étude de l’économie primitive, Paris: P. Geuthner. Leroy, Olivier (1927): La raison primitive, Paris: P. Geuthner. Lévi-Strauss, Claude (1962): Le totémisme aujourd’hui. Paris: Presses Universitaires de France. 32 | Die Homo faber-Kontroverse Lévy-Bruhl, Lucien (1910): Les fonctions mentales dans les sociétés inférieures, Paris: Pres- ses Universitaires de France. Lévy-Bruhl, Lucien et al. (1923): »La mentalité primitive«. In: Bulletin de la Société fran- çaise de philosophie XVIII, 17-48. Maistre, Joseph de (1870): Œuvres inédites, hg. v. Charles de Maistre. Paris: Vaton Frères. Mantoux, Paul (1906): La révolution industrielle au XVIIIe siècle. Essay sur les commence- ments de grande industrie moderne en Angleterre, Paris: Édouard Cornély. Mauss, Marcel (1941): »Les techniques et la technologie«. In: Journal de Psychologie nor- male et pathologique 41, 71-78. Mauss, Marcel (2010): »Die Techniken des Körpers«. In: Ders.: Soziologie und Anthropo- logie. Band 2, übers. v. Henning Ritter, München: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 197–220. Pacotte, Julien (1934): »L’idée de science de la technique«. In: Ders., La connaissance – Mathématique – Technique – Humanisme – Métaphysique, Paris: F. Alcan, 105-134. Pierrefeu, Jean de (1923): Plutarque a menti, Paris: Bernard Grasset. Radcliffe-Brown, Alfred Reginald (1952): Structure and Function in Primitive Societies – Essays and Adresses, London: Cohen & West. Rosny aîné, Joseph-Henri (1892): Vamireh, roman des temps primitifs, Paris: Ernest Kolb. Rosny aîné, Joseph-Henri (1911): La guerre du feu, Paris: Fasquelle. Sigaut, François (2013): »Homo faber documents. Ouvrage inédit«, http://francois-sigaut. com/index.php/inedits/53-ouvrages-inedits/527-homo-faber-documents (06.03.2018). Wallon, Henri (1935): »Le réel et le mental«. In: Journal de Psychologie normale et patho- logique 32, 455-489. Weber, Louis (1914): »Y a-t-il un rythme dans le progrès intellectuel?«. In: Bulletin de la Société française de philosophie XIV, 61-140. Weber, Louis (1930): »Civilisation et technique«. In: Civilisation, le mot et l’idée, Paris: La Renaissance du livre, 131-143. Weil, Simone (1955 [1934]): Réflexions sur les causes de la liberté et de l’oppression sociale, Paris: Gallimard. | 33