330 MEDIENwissenschaft 3/2009 Anja Hartung: Humor im Hörfunk und seine Aneignung durch Kinder und Jugendliche. Eine qualitative Untersuchung München: kopaed 2008, 314 S., ISBN 978-3-86736-032-6, € 19,80 (Zugl. Dissertation am Department Sprache, Literatur, Medien I der Universität Hamburg) Fragt man Heranwachsende, hat das Radio für sie einen eher geringen Stellen- wert. Es läuft nebenher, beim Hören geht man anderen – vermeintlich wichtigeren – Tätigkeiten nach. Dessen ungeachtet ist dieses Medium ein wichtiger Bestandteil in ihrem Alltag. Anja Hartung zeigt auf, dass es dabei nicht immer um Musik- rezeption geht, sondern dass gerade die vermeintlich komischen Elemente zwi- schen den Musikstücken ihren Reiz auf das Publikum ausüben. Ausgangspunkt dieser Dissertation war eine Studie aus den Jahren 2002/2003, die am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig durchgeführt wurde. Diese hatte zum Ziel, die „Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung auditiv vermittelter Gewalt durch Kinder und Jugendliche“ (S.273) zu untersu- chen. Gewissermaßen klassisch im Aufbau eröffnet die Autorin zunächst einen theoretischen Bezugsrahmen, um daran anschließend die empirische Untersu- chung darzulegen. In dieser geht es explizit um das „kontextuelle Verstehen der Medienaneignung“ (S.125). Was ist für Jugendliche komisch? Was ist verletzend? „Amüsement und Betroffenheit liegen nah beieinander.“ (Klappentext) Hartung unterscheidet in ihrer etwas langatmigen Untersuchung zwischen zwei Ebenen: einerseits die Perspektive der Programmverantwortlichen mit dem Schwerpunkt, dass Komikangebote stets ein zentraler Bestandteil bei der Programmgestaltung sind. Andererseits betrachtet die Autorin in einer Aneignungsstudie den Umgang der Nutzer mit diesen Komikangeboten – hier im speziellen Kinder und Jugend- liche im Alter von acht bis sechzehn Jahren. Ihre Ergebnisse sind grob auf zwei Altersgruppen aufzuteilen: die Kindheit sowie das Jugendalter. Als wichtig stellt sich bei der Betrachtung heraus, dass für Jugendliche Komik im Hörfunk stark mit den Moderatoren und Moderatorinnen der Sendungen verwoben ist. Sie suchen in deren teils derben, teils beleidigenden Sprüchen Anregungen für die eigene Alltagskommunikation. Doch ist auch für sie nicht alles komisch. Denn wenn ihre Heldenfiguren Zielscheibe von Spott und Häme werden, fühlen auch sie selbst sich angegriffen und beleidigt. Gleiches gilt für Schwächen oder Makel, die die Jugendlichen an sich selbst zu erkennen meinen. In einem gelungenen Schlussteil arbeitet die Autorin sorgfältig die gewonnenen Erkenntnisse, aber auch die sich daraus ergebenden weiterführenden Perspek- tiven für Forschung und Praxis heraus. Damit reiht sich die Arbeit ein in eine medienpädagogische Tradition der Aneignungsforschung. Sie unterbreitet einen interessanten Blick auf die Bedeutung, die der im Radio präsentierte Humor im Hörfunk und Fernsehen 331 (Medien-)Alltag der untersuchten Altersgruppen einnimmt. Deutlich wird dabei, wie das Verständnis und die Urteilskraft der Jugendlichen sich im Verlauf ihrer geistigen und sozialen Entwicklung verändern und verfeinern. Die vorliegende Studie von Anja Hartung leistet trotz ihrer Längen einen wichtigen Beitrag zum bereits oben erwähnten „kontextuellen Verstehen der Medienaneignung“ (S.125) durch Jugendliche und Heranwachsende – vielleicht gerade, weil sie sich explizit mit dem oftmals vernachlässigten Medium Radio beschäftigt. Monika Weiß (Marburg) Guido Isekenmeier: ‚The Medium is the Witness‘. Zur Ereignisdarstellung in Medientexten. Entwurf einer Theorie des Medienereignisses und Analyse der Fernsehnachrichten vom Irak- Krieg Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2009 (Reihe WVT Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft, Bd. 2), 282 S., ISBN 978-3-86821- 037-8, € 30,- (Zugl. Dissertation am Fachbereich 05 der Justus-Liebig- Universität Gießen) Wie W.J.T. Mitchell jüngst erläuterte, gehört zu den Auslösern eines Pictorial Turn auch eine „Art von ‚ikonischer Panik’, die Händeringen und ikonoklasti- sche Gesten auslöst“ und „in einem weiten Bereich intellektueller Tätigkeit eine besondere Art von Unruhe und Unbehagen“ erzeugt (Bilderfragen [München 2007], S.40). Das jüngste Beispiel hierfür ist der Irakkrieg 2003, der eine ganze Reihe von Geisteswissenschaftlern dazu anregte, das wechselseitige Verhältnis von Visualität, Medialität und Bellizität neu auszuloten. Diese Diskussion bereichert Guido Isekenmeier nun um eine Arbeit, die sich konsequent auf die Frage der realistischen Ereignisdarstellung konzentriert. Denn – so Isekenmeier – die „Welt ist keineswegs, was der Fall ist“, sie ist, „was sich [im Medium] ereignet.“ (S.1) Dieser ambitionierte Auftakt macht klar, dass es dem ehemaligen Stipendiaten des Gießener Graduiertenkollegs Transnationale Medienereignisse weniger um den Nachrichtenjournalismus oder den Irakkrieg selbst geht, als um den Entwurf einer ‚Medienereignistheorie’ (vgl. Teil I), die an internationalen Nachrichtensendungen zum Irakkrieg exemplarisch erprobt wird (vgl. Teil II). Teil I wird ergänzt um eine kleine Geschichte der ‚Ereignismedien’ Telefon und Kino, die als Vorläufer und Vergleichsfolien für Teil II dienen. Isekenmeier greift an vielen Stellen auf Daniel Dayan/Elihu Katz (Media Events [Cambridge/Mass., London 1992]) zurück, übernimmt jedoch nicht deren sozio- kulturelle Perspektive der rituellen Inszenierung, sondern konzentriert sich auf die Betrachtung des (Medien-)Textes. Der Kontext wird also ebenso konsequent aus-