Christian Breunig, Bernhard Rosenberger, Ralph Bartel (Hg.): Jour- nalismus der 90er Jahre. Job-Profile, Einstieg, Karrierechancen München: Ölschläger 1993, 116 S., DM 18,- "Einen konzentrierten Überblick über den Journalismus der 90er Jahre" (S.7) wollen die Herausgeber geben. Die Einführung richtet sich an Abitu- rienten, Studienanfanger und Berufseinsteiger, die sich für journalistische Berufe interessieren und mehr über die spezifischen Anforderungen, Ein- stiegs- und Aufstiegschancen wissen wollen. Die Publikation des Mainzer Instituts für Publizistik wird dOesem Informationsanspruch in jeder Weise gerecht. Ausgehend von der Einsicht, daß Journalismus ein weiter Begriff für sehr verschiedene Medien, Aufgabenfelder und Adressatenkreise ist, hat das Mainzer Institut herausragende Vertreter von elf unterschiedlichen publizistischen Medien darum gebeten, Klartext über ihren Berufsalltag zu reden. Daraus entstand zunächst eine Reihe von Präsentationen an der Uni- versität Mainz und nun dieses übersichtlich gestaltete Büchlein. So erfährt der Leser konkret, wie der journalistische Nachwuchs bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausgewählt wird, wie bei Capital, bei Stern, beim ZDF, SAT 1 oder bei Reuters. Auffallende Über- einstimmungen, aber auch einige deutliche Unterschiede treten dabei zu- tage. So machen nicht nur Hans-Wolfgang Pfeifer und Werner d'Inka für die FAZ deutlich, daß der Beruf des Journalisten ein "offener" (S.14) ist, zu dem verschiedene, immer aber zielstrebig geführte Lebensläufe führen können, wobei inzwischen von Bewerbern meist ein Studienabschluß ver- langt wird. Konsens ist ebenfalls die Betonung der "sauber formulierten und redigierten Nachricht" als "Herzstück" (S.18) eines seriösen Journa- lismus. Mehrere Branchenvertreter räumen mit der mißverständlichen An- sicht auf, Journalismus bestehe hauptsächlich aus dem Verfassen von Leitartikeln und Feuilletonbeiträgen; im täglichen Arbeitsablauf des Re- dakteurs dominiert vielmehr die Recherche und das Redigieren von Beiträ- gen Anderer, zumeist (fester) freier Mitarbeiter oder Korrespondenten. 30 Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Mediensparten werden oft schon im Tonfall der jeweiligen Repräsentanten greifbar. Während die Vertreter von Stern und SAT I betont lässig und selbstbewußt argumentie- ren, rechtfertigt die Pressesprecherin im Umweltministerium, Marlene Mühe, ihre Aufgabe, "den Minister ins rechte Licht zu rücken" (S.113). Die Konkurrenz zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und Privaten schwingt ebenfalls ständig zwischen den Zeilen mit. So argumentiert etwa Dieter Mauer vom großen Privatsender Radio RPR polemisch, einer Be- förderung könne man sich in öffentlich-rechtlichen Anstalten "doch nur durch Selbstmord" (S.70) entziehen. Jörg Howe und Frank Oliver Schultz nehmen ihrerseits den Mund etwas voll, wenn sie für SAT 1 in Anspruch nehmen, "das nach unseren Informationen derzeit beste Ausbildungspro- gramm eines deutschen Fernsehsenders" (S.86) zu besitzen. Rechenschaft wird auch über die unterschiedliche Bezahlung in journalisti- schen Berufen abgelegt. Neben den in jedem Fall frei auszuhandelnden Gehältern der Chefredakteure gibt es 'Mittelwerte', die bei Wirtschaftszeit- schriften wie Capital mit DM 7.000 bis 10.000 im Monat (und das mal 16! pro Jahr) deutlich höher liegen als bei Privatradiosendern und Bundesbe- hörden. Da der Wunsch "richtig viel Geld" (Ralf-Dieter Brunowsky, S.52) zu verdienen, einen sicheren Arbeitsplatz und fest geregelte Arbeitszeiten zu haben, gleichermaßen verständlich wie utopisch für den Berufsstand Journalismus ist, werden die Berichte der 'alten Hasen' die interessierten Neulinge vor allem dann fesseln können, wenn sie ganz konkret werden und vom Handwerkszeug, von Arbeitsabläufen und unterschiedlichen Mentalitäten sprechen. Peter Frei und Manfred Bornschein vom Südwest- funk unterscheiden so zum Beispiel zwei Typen von Journalisten, die beide im öffentlich-rechtlichen Hörfunk ihre Daseinsberechtigung haben, ja für ein problemloses Funktionieren eines Redaktionbetriebs unerläßlich sind: den leidenschaftlichen Reporter, "der davon lebt, vor Ort zu sein" und den Redakteur mit Spaß an einer "eher organisatorischen Tätigkeit" (S.58). Daß man als Journalist - zumal als Anfänger während des Volontariats - beide Seiten kennenlernen sollte, um zu wissen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen, ist selbstverständlich. Die viel beschworene journalistische Neugierde drückt sich aber auch in der Bereitschaft aus, sich immer wieder in ungewohnte, noch unbekannte Gegenstände oder Ar- beitsabläufe einzuarbeiten und etwa das Wagnis einzugehen, als langjähri- ger Auslandskorrespondent wieder ins Funkhaus oder die Redaktionszen- trale zurückzukehren, um dort neue Erfahrungen zu machen und den eige- nen journalistischen Überblick an eine neue Generation von Reportern und Redakteuren weiterzugeben. Manfred Hattendorf (Karlsruhe)