Panorama Farbige Auslands-Filmpropaganda 1944/45 von Karl Stamm Karl Stamm, promovierter Kunsthistoriker, arbeitet seit 20 Jahren im Bereich der Museen der Stadt Köln, seit 1989 leitet er die Kunst- und MuseumsbibhothekAm Kunsthiston- schen Institut der Universität Bonn nimmt er Lehrauftragezur Filmanalyse.zurGeschich¬ te der deutschen Wochenschauen und der Propagandafilmedes „Dritten Reichs" wahr Karl Stamm hat insbesondere über die deutsche Wochenschau im II Weltkrieg gearbeitet und publiziert (etwa im HistoncalJournal of Film, Radio andTelevision.Vol7, 1987, Nr 3) Der vorliegende Beitrag geht auf eine Filmeinfuhrungzurück,die er am 16 12 1999 m der Berliner „Urania" im Rahmen der Film- und Vortragsreihe„Der Nationalsozialismus" gehalten hat Eine ausfuhrlichere Darstellung der Panorama-Filme ist als Begleitpubhkation zur entsprechenden Filmedition des Instituts für den Wissenschaftlichen Film in Gottingen geplant Kontakt stamm@kmb museenkoeln de Im letzten Winter des II. Weltkrieges, 1944/45, wurden in Berlin vier Folgen von Panorama, einer farbigen Monatsschau für das Ausland, fertiggestellt - ein erstaunlicher propagandistischerAufwand vor dem militärischen Zusam¬ menbruch des großdeutschen Reiches. Wie es zu diesem bisher wenig beach¬ teten Produkt deutscherAuslandspropaganda kam (die ihrerseits vergleichs¬ weise wenig erforscht ist) und welche thematischen und ästhetischenStruk¬ turen sich herausarbeitenlassen, soll kurz dargestellt werden. Farbe als wesentlichesElement der deutschen Auslandspropaganda - das war auf dem Gebiet der Photographie nichts Neues, wenn man etwa an die großen farbigen Doppelseitenin der seit April 1940 erscheinenden Propagan¬ da-Zeitschrift „Signal" denkt, die in den besetztenLandern wie auch in den neutralenLandern Europas in vielen Sprachen einen großen Leserkreis er¬ reichte. So war es nur konsequent, dass man nach Einfuhrung des Agfacolor- Verfahrensdaraufsann, diese Errungenschaftauch in der Auslands-Filmpro¬ paganda einzusetzen. Tatsachlich finden sich seit 1942 bei der Ufa bzw. der Deutschen Wochen¬ schau Hinweise auf die Absicht einer farbigen Wochen- oder Monatsschau für das Ausland. Dazu ist es jedoch zunächst nicht gekommen, obwohl seit 1942 ausgewählte Kameramanner der Propaganda-Kompanien in begrenztem Um¬ fang in Agfacolorgedreht haben. Erhalten hiervon ist im Bundesarchiv-Film¬ archiv u.a. das Color-Material des Kameramanns Hans Bastaniervon der Rus¬ sland-Front im Sommer 1942, dessen aktuelle Auswertung jedoch nur in Schwarzweiß m Die Deutsche Wochenschau (also die Inlands-Kriegswochen- schau) und möglicherweiseauch in die Ufa- Auslands-Tonwoche (die in gro¬ ßem Umfang und in vielen Sprachen produziert wurde) gelangte. Man muss sich in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen,dass das Farbmaterial nur 30 begrenzt herzustellen, sehr teuer und außerordentlichschwierig zu kopieren war In eine neue Phase trat dieses Color-Projekt offenbar, nachdem bei der Deutschen WochenschauAnfang 1944 em neuer Hauptschnftleitereingesetzt wordenwar In einem (undatierten) Schriftstuck über Neuerungenm der Wo¬ chenschau seit Jahresbeginn (1944) ist u a die Rede vom „Auftrag des Herrn Reichsministers Dr Goebbels, eine farbige Monatsschau im Rahmen der Re¬ daktion der Inlandswoche mit herzustellen " (BA R 109 II /vorl 67) Ist hier nicht ausdrucklichvon einer Auslandswoche die Rede, so halt die Nieder schnft der Ufa-Geschaftsfuhrersitzungvom 4 Mai 1944 unter Punkt 7 zum Thema „Farbmonatsschau" fest, das Propagandaministenum habe mitgeteilt, ab 1 6 1944 seien regelmäßig Farbmonatsschauen herzustellen Die Vorfüh¬ rung, so Staatssekretär Gutterer, solle „vornehmlich nur m den echten neu¬ tralen Hauptstädten" erfolgen, die Kopienzahl wird mit 5-10 angegeben (BA R 109 1/1483, Dank an Ralf Forster für diesenHinweis ) Ab März 1944 lassen sich die Vorarbeitenzu Panorama anhandder erhalte¬ nen Exemplare der „Farbbriefe" ablesen Es handelt sich dabei um hektogra- phierte Rundbriefe von meist einer Seite Lange im Format A 4 mit Anweisun¬ gen des Filmstabs der Abteilung Wehrmachtspropagandades Oberkommandos der Wehrmacht in Berlin (OKW/WPr/F)bzw der Wehrmacht-Kriegsbenchter- Abteilung/FachpruferFilm an die in Color drehenden Kameramanner, wobei sowohl (farb)filmtechmscheFragen als auch Probleme der Farbfilmasthetik und der Motivwahl behandelt werden Leider ist der Farbbrief Nr 1 (wohl vom Jahresbeginn 1944) bisher nicht greifbar, der in unseremZusammenhang von großem Interesse wäre, weil in ihm möglicherweise grundsatzlicheErklärun¬ gen zu dem Color-Unternehmen enthaltenwaren Überliefert sind dagegen die Farbbriefe Nr 2 (März 1944) bis Nr 6 (Dezember 1944), der wahrschein¬ lich der letzte erschieneneist, sie werden hier zitiert nach den Originalen aus dem Besitz des Manne-Filmbenchters Horst Grund, Dusseldorf, die in den 80er Jahren ms Bundesarchiv abgegeben wurden In Farbbrief Nr 3 vom Mai 1944 heißt es „Neben einer aktuellen Schwarz- Weiss-Auswertung in der Wochenschauwerden die Farbfilmberichte auch in einer monatlich erscheinenden 400 - 600 Meter langen Monatsschau, deren genauer Titelnoch festgelegt wird, ausgewertet" Ergänzend hierzu findet sich in der Niederschrift über die Produktions-und Firmenchefssitzung des Ufi-Konzerns am 1 Juni 1944 unter dem Punkt „Ne- gativ-Entwicklung"folgender Passus „Neben etwa 10 000 m Negativmatenal pro Monat von PK-Benchtern für die neue Auslands-Farbmonatsschau kann Babelsberglaufend drei Filme [gemeint sind Spielfilme, KSt] bearbeiten"(BA R 2/4845) Interessant an diesem Zitat ist einmal die erhebliche Menge des eingehenden Color-Matenals, zum anderen die ausdrücklicheBezeichnung „Auslands-Farbmonatsschau" 31 In Farbbrief Nr. 4 vom August 1944 ist zu lesen: „Die erste farbige Monats¬ schau wird Anfang September fertiggestellt sein". Dies wird in Farbbrief Nr. 5 vom November 1944 durch die Feststellung korrigiert: „Die Farbfilmmonats¬ schau ,Panorama Nr. V ist jetzt fertiggestellt". Hiertaucht zum ersten Mal in den Farbbriefen der Name„Panorama" auf. Weiter heißt es im Farbbrief Nr. 5 über diese „erste Farbmonatsschau": „Leider kann sie vorläufig nur im Aus¬ land eingesetzt werden. Es wird aber versucht, sie in beschränkter Kopien¬ zahlauch im Reich zu zeigen. Nach der ersten Monatsschau sollen weitere folgen." Aus Farbbrief Nr. 6 vom Dezember1944 erfahren wir weitere Details über den Fortgang dieses Unternehmens: „Die farbige Monatsschau ,Panorama Nr. 2' wird im Laufe des Dezemberfertiggestellt.,Panorama Nr. 3' ist auch bereits in Arbeit". Der nächste Punkt dieses Farbbriefs lautet: „Für,Panorama Nr. 4' und ,5' werden dringend Farbfilmberichte benötigt, insbesondereWintersto- ries." Dies ist der letzte erhaltene(und wohl auch erschienene)Farbbrief. Man kann sich gut vorstellen, dass die sowjetische Großoffensiveim Januar 1945 wie auch das Kampfgeschehenim Westen die weiterekontinuierliche Belieferung der Wochenschaufirma mit Farbfilmberichtenverhinderthaben. Dies führt natürlich zu der Frage, ob und wo die „Panoramen" denn über¬ haupt gezeigt worden sind. Nach allem, was darüber bekannt ist, gab es kei¬ nerlei öffentliche Aufführungen auf Reichsgebiet; dagegen stand eine „Vor¬ führung der 3 Panorama" auf dem Programm einer firmeninternen Arbeitsta¬ gung der Abteilung Aufnahme-Einsatz der Deutschen Wochenschauam 20. und 21. Dezember1944 - woraus man schüeßen könnte, Panorama Nr. 4 sei vielleicht erst im Januar 1945 fertiggestellt worden. Was das Ausland anbetrifft, so wissen wir aus einem Dokument (Polit. Ar¬ chiv des Auswärtigen Amtes, Akten der Gesandtschaft Bern), dass eine 35mm-Kopie von Panorama Nr. 1 Anfang Dezember über das Auswärtige Amt an die Deutsche Gesandtschaftin Bern geschickt wurde, mit der Maßgabe, sie dem Filmstellenleiter der Landesgruppe der NSDAP (in Bern) auszuhändigen, und dem Vermerk: „Rücksendetermin: 15. 1. 1945". Es ist also nichtunwahr¬ scheinlich, wenn auch nicht gesichert, dass es innerhalb der deutschen Kolo¬ nie in Bern (nicht jedoch für die Schweizer Öffentlichkeit) zu einer Auffüh¬ rung von Panorama Nr. 1 gekommen ist. Bekannt ist ferner, dass einzelne Color-Sujets aus „Panoramen" in anson¬ sten schwarzweiße Ausgabender schwedischen Fassung der Ufa-Auslands-Ton- woche eingefügtwurden, und zwar noch im Mai 1945. Analoges scheint es 1945 in dänischen Auslands-Tonwochen gegeben zu haben. Es bedürfteweite¬ rer Forschung in den jeweiligen Ländern,um herauszufinden,wieweit tat¬ sächlich öffentliche Kinovorführungen von integralen Ausgabenvon Panora¬ ma stattgefunden haben. Neben den chronologischenAngaben zu Panorama enthalten die Farbbriefe 32 aber auch eine Reihe von filmtechmschen und -ästhetischen Informationen Hier ist zunächst der wiederholteAppell zu nennen, „in sich geschlossene Berichte - sog Stories - zu liefern, keine Schnittbilder " (Farbbrief Nr 3) Dies war den Wochenschau-Kameramannernauch im Hinblick auf die Kriegs¬ wochenschauin Schwarzweiß nichts Neues, jedoch waren „zusammenhangen¬ de und abgeschlossene Berichte" bei Color-Matenalbesonders wichtig, weil „Farbaufnahmen von mehreren Kameramannern wegen der unterschiedlichen Exponierung sich schlecht zu einemSujet vereinigen lassen" (Farbbrief Nr 5) und Farbunterschiedeauftreten konnten, da das Filmmatenal m diesem Fall nicht aus dem gleichen Guss stammte Ein weiterer farbfilmspezifischer Punktbetrifft die Lange der Einstellungen In Farbbrief Nr 5 wird auf einige Mangel des bisher eingegangenen Filmmate- nals eingegangen „Es werden von fast allen Benchtern die Szenen zu kurz gedreht Die Lange der Szenen bei Totalen muss mindestens 4 - 5 m betragen, bei Halbtotalen3 - 4 m Bei Großaufnahmenmindestens 2 m Kürzere Szenen sind kaum brauchbar, da das ungeübte Auge des Beschauers Farben und In¬ halt der Szene nicht so schnell erfassen kann" Als drittes farbspezifisches Problem wird in den Farbbriefen die Frage von Schwenksund schnellenBewegungen angesprochen „Bei Farbfilmaufnahmen müssen Schwenksbesonders ruhig und langsam ausgeführtwerden, da sonst Farbsaume auftreten, die eine Unscharfe auf der Leinwand bedingen Dieselbe Erscheinung - nur noch m verstärktem Masse - tritt bei Nahaufnahmen von schnell bewegten Objekten auf Deshalb sind diese zu unterlassen Von Schwenkaufnahmen soll grundsatzlichmöglichstwenig Gebrauch gemacht werden "(Farbbrief Nr 3) Ergänzend heißt es in Nr 5 „Zu schnelle Schwenkaufnahmensind zu ver¬ meiden1 Zu der Konturenverwischung, die von der Schwarz-Weiß-Fotografie her bekannt ist, kommt hier noch die Farbverwischung hinzu Beides zusam¬ men ist filmisch unerträglich Dabei ergibt die Schwenkaufnahmesehr gute Möglichkeiten,im Schnittvon einer Farbe zur anderen zu kommen, ohne dass das Auge einen Farbsprung empfindet " Aber auch innerhalb einer Farbe ist bei den „Panoramen" von der Möglich¬ keit eines „Schnitts über die Farbe" Gebrauch gemacht worden, so z B in Panorama Nr 1 in der dritten Story (Gymnastikschule Medau), wo von der rotenWeste eines Madchensauf einen roten Rosenstrauch etwa gleicher Gro¬ ße geschnittenwird, von dem dann auf eine Madchengruppegeschwenkt wird Auch abgesehen von der Frage der farblichen Übergänge kommen m den „Panorama"-Ausgaben Szenenverknupfungen durch „Schnitteüber das Mo¬ tiv" vor so wird z B von einem „Marmetramingder Hitlerjugend" mit Hilfe von Segelschiffmotivenauf einen Ausschnittdes Spielfilms Große Freiheit Nr 7 geschnitten, wahrend der Übergang von dieser Story auf die nächste in 33 ahnlicherWeise durch Zusammenfugen von Pferdemotiven erfolgt Diese Montagetechnik verweistgattungsgeschichtlichweniger auf die Wochenschau als auf den Kulturfilm Auf die gattungsbedingten Eigenarteneiner Color-Monatsschau wird m Farbbrief Nr 5 ausführlicher eingegangen „Da die Farbmonatsschau einen weniger aktuellenCharakter tragt als die Wochenschau, und auch der längere technischeBearbeitungsprozessdes Negativs und der Kopien eine Veröffentli¬ chungvon aktuellen Bildern unmöglich machen,ist es unzweckmäßig, Schnittbilder vom Frontgeschehen zu drehen, die nach 8-14 Tagen das In¬ teresse der Öffentlichkeit verloren haben " Nach einem Hinweis, es seien Sujets zu drehen, „die nicht nur Kampfmo¬ mente zeigen, sondern vom Leben des Soldaten, der Bevölkerung usw be¬ richten", heißt es dann weiter „Es werdenalso im Gegensatz zur Wochenschauvon der Farbmonatsschau diejenigen Themen gefragt sein, die die Wochenschauzugunsten der Kampf- bilder nicht veröffentlichen konnte z B Pferdelazarett, Freizeitgestaltung, Herstellung und Erprobung neuer Waffen usw " Damit ist die Abgrenzungzwischen Panorama einerseits und der Wochen¬ schau andererseits klargestellt Nicht nur die Mehrzahl der Sujets, sondern auch die Machart der Monatsschau verweisen sehr stark auf die Gattung des Kulturfilms - das gilt für den Schnittwie insbesondere auch für die unterleg¬ ten Musikmotive, die sich deutlich von der „heroischeren"Gangart der Knegswochenschauunterscheiden Auf der anderen Seite wird durch die Art der Kadnerungimmer wieder deutlich, dass die Aufnahmen von Wochen¬ schau-Kameramannerngedreht wordensind, und in manchen Knegsstories nähert sich der Kommentar demjenigen der Wochenschau Welche „Botschaften" sollte nun diese farbige Monatsschau dem Ausland vermitteln' Im Vordergrund steht zunächst das schone Deutschland mit seinen pittores¬ ken Landschaften und glücklichenMenschen, und zwar sozusagen m vonn- dustnellem Zustand „BDMund HJ im Landdienst" (Nr 1), „Weinleseam Rhein" und „Almabtnebin den bayerischen Alpen" (Nr 3) sowie „Heuernte in den deutschen Alpen" (Nr 2), letzteres mit dem dezenten Hinweis,dass auch die Alten wieder fleißig mithelfen Es folgen Kulturereignisse „Das Schachdorf Strobeck im Harz" (Nr 1), „Querschnittdurch das Programm des Zirkus Busch" (Nr 4), „Morgentrainingder Spanischen Hofreitschule" sowie ein Ausschnittaus dem Farbfilm Große FreiheitNr 7, der für das Reichsgebiet verboten war, aber für die Auslandsschau Panorama als Farbfilm-Attraktion offenbarwillkommenwar (Nr 2) Eine Besonderheit der Auslandspropaganda ist die Charakterisierung junger deutscherFrauen in der „Weinleseam Rhein" (Nr 3) Die eigens für die Dreh- 34 arbeitenm Tracht herausgeputzten Helferinnenwerdenin einer für die da¬ malige Zeit eher gewagten Untersichtgezeigt. „Em guter Jahrgang!",verkün¬ det der Kommentar,wahrend die Frauen im Bild sind und nicht die zuvor in GroßaufnahmeeingeschnitteneTraube. Ein Blick auf die eingangs erwähnte Propaganda-Zeitschrift„Signal" zeigt, dass diese Herausstellungdes deut¬ schen „Frauleinwunders"(wie man in der Nachkriegszeitsagen wird) Methode hatte: Auch dort wird die deutsche Weiblichkeit - mal im Trachtenkleid, mal im Bikini - in einer Weise propagiert, wie sie im Inland weniger üblich war. Sequenzen, die zunächst wie Berichte von Sportveranstaltungenanmuten („Deutscher Luftwaffennachwuchs bei der Segelfliegerschulung" in Nr. 3 und „Übungen der Marine HJ" in Nr. 2) erhalten eine militärische Deutung durch den unmissverstandlichenKommentar,dass es sich hierbei um den Nach¬ wuchs für die deutsche Marine bzw. Luftwaffe handelt. In diesen Zusammen¬ hang gehören auch militanscheSujets („Ubungsfahrt deutscherSchnellboo¬ te" und „Übungen in einer Fallschirmspringerschule" in Nr. 1), bei denen es dann um die tatsachliche Militarausbildung handelt. Es wird also großer Wert darauf gelegt, dem Ausland zu zeigen, dass genügend militärischer Nach¬ wuchs für einen noch lange zufuhrenden Krieg vorhanden sei - was bekannt¬ lich 1944/45 nicht mehr der Fall war. Die eigentlichen Frontberichte bleibenseltsam abstrakt, weil es eben keine aktuellenKnegsaufnahmenvon bestimmtenKriegshandlungen sind, sondern bildliche Impressionen von diversen Kriegsschauplatzen,die aneinanderge- schnittenwerdenund dem Betrachter keinerlei Einschätzung der tatsachli¬ chen Situation vermitteln („Landschaften des Krieges", wie es pseudopoe¬ tisch in Nr. 2 heißt). Mehr noch: Ruckzuge werden als Absetzbewegungver¬ schleiert oder etwa mit einemKommentar wie „Norwegenist erreicht!" verse¬ hen (Nr. 3). Auch die Zerstörung der deutschen Städte bleibt ausgespart. In der Berlin- Story „Ein Sonntag im fünften Kriegssommer" (Nr. 1) werden verschämt eini¬ ge Trümmer am Rande gezeigt, um dann aber zum Zoobesuch, den Badefreu¬ den am Wannsee etc. pp. überzugehen. Das „Antlitz einer zerstörten Stadt", das in Nr. 2 einige Sekunden zu sehen ist - es bezieht sich offenbar auf die Westfront 1944 -, bleibt völlig unspezifisch. Insgesamt ergibt sich das Bild eines landschaftlich schonen Deutschlands mit fleißigen und fröhlichen Menschen, die ihre kulturellen Traditionen pfle¬ gen, ihre Jugendkörperlich ertüchtigenund unbegrenzten Nachwuchsfür ihre Streitkräfte haben, da sie sich ihrer Feinde an vielen Fronten in einem nicht näher bezeichneten Krieg erwehren müssen. Warum ein solch großer finanzieller und technischerAufwand getrieben wurde, um diese Botschaft im Ausland (und vor allemwohl in den neutralenStaaten Europas) zu ver¬ breiten, wahrendim Inland schon die sog. „Durchhalte-Wochenschauen" lie¬ fen, ist wohl eher eine Frage an die Zeithistoriker. 35 Literatur Hans Barkhausen Filmpropaganda für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg Hil- desheim, Zürich, NewYork 1982 (S 239 ff) — Peter Longench Propagandisten im Krieg Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop München 1987 (Studien zur Zeitgeschichte Bd 33) (bes S 257 ff) - Gert Koshofer Die Agfacolor Story Eine deutsche Geschichte Technische Pionierleistung für das Kino und Filmmythos In Welt¬ wunder der Kinematographie Beitrage zu einer Kulturgeschichtgeder Filmtechnik Bd 5, 1999 (S 7 - 106, bes S 49 ff .weiterfuhrende Literatur zum ThemaAgfacolor auf S IO4f) Filmografle, nach der Erfassungdes Bundesarchiv-Filmarchivszusammenge¬ stellt von JeanpaulGoergen. Panorama Nr I Produktion und Verleih Ufa/ Deutsche Wochenschau GmbH.ca November 1944 Mit Aufnahmen der Filmbenchter Bastanier, Blaschke, Garms,Jaworski, Kopp, Pahl, Sasse In deutscher, spanischerund franzosischer Sprache hergestellt Zensur für Bohmen-Mahren Nr 7410 vom 5 12 1944, 35mm, 460 m, volksbildend, Film für Heldengedenktag Format 35mm, Agfacolor,Ton,460 m (= ca 17') Inhalt I) BDM und HJ im Landdienst 2) Das Schachdorf Strobeck im Harz 3) Morgen- training in der Gymnastikschule Medau 4) Berlin Ein Sonntag im fünften Kriegssommer 5) Ausritt eines Kosakenverbandes „in deutschen Diensten" 6) Ostfront Eine Panzer¬ werkstatt im Wald 7) Ubungsfahrt deutscher Schnellboote „mit jungen Besatzungen" 8) Übungen in einer Fallschirmspringerschule in Deutschland Benutzerkopien Bundesarchiv-Filmarchiv35mm,Ton, Farbe, 456 m / 16mm,Ton,Farbe, 183 m /VHS jeweils mit deutscher und spanischerSprache — IWF, Bestell-Nr G 202 (16mm, Lichtton, Farbe, 191 m = 17*30") Anmerkungen Im Sujet 6 fehlt in der franzosischenSprachfassungder Satz „Die Uniform beherrscht das Straßenbild" / Su|et 5 als Farbteil mit internationalemTon in der schwedi¬ schenVersion der ATW 700//1945, Sujet 7 als Farbteil mit internationalemTon in der schwedischen Version derATW 701111945 Panorama [Nr 2] Produktion und Verleih Ufa/ Deutsche Wochenschau GmbH.ca Dezember 1944 In deutscher und ungarischerSprache hergestellt Format 35mm, Agfacolor,Ton,398 m (= ca 15') Inhalt I) Wien Morgentraining der Spanischen Hofreitschule 2) Heuernte in den deut¬ schen Alpen 3) Albanien Markt in einem Dorf 4) Deutschland Übungen der Marine HJ 5) Ausschnitt aus dem Farbfilm Große Freiheit Nr 7 mit Hans Albers 6) Hindernisrennen deutscher Soldaten hinter der Front 7) Karpaten Ungarische Artillerie-Kolonne 8)Wald¬ brand und zerstörteStadt an der Westfront 9) Italien Vierlingsflak im Abwehrkampf ge¬ gen Flieger 10) Nordmeer Deutscher Geleitzugmit Flugsicherung 11) Ostfront Deut¬ sche Schlachtflieger auf einem Feldflugplatz, Stukas Benutzerkopien Bundesarchiv-Filmarchiv35mm,Ton, Farbe, 398 m / 16mm,Ton, Farbe, 158 m / [ungarisches Tonnegativ, Sujets 6-11, nicht benutzbar]— IWF 16mm, 167 m, Be¬ stell-Nr G 204, als Panorama Nr 4 ausgewiesen 36 Anmerkungen Su|et 10 als Farbteil mit internationalemTon in der schwedischen Version der ATW 704 II1945 und Abweichungen! im Kommentar Panorama [Nr 3] Produktion und Verleih Ufa / Deutsche Wochenschau GmbH, ca Jahreswechsel1944/45 In deutscher, spanischer, danischer und norwegischer Sprache hergestellt Format 35mm,Agfacolor,Ton, 303 m (= ca II') Inhalt I) Weinlese am Rhein 2) Almabtrieb in den bayerischenAlpen 3) Deutsche Trup¬ pen beim Ruckzug aus Finnland und Ankunft in Norwegen 4) Norwegen Flakstellung in einem Fjord 5) Ruckblick auf die Schlacht bei Solfenno 1958 Gründung des Rotes Kreu¬ zes 6) Potsdam Rot-Kreuz-Schwestern beim Packen von Kriegsgefangenen-Paketen 7) Mittelmeer Verwundetedeutsche Soldaten 8) Verwundetenheimam Gardasee 9) Deut¬ scher Luftwaffennachwuchs bei der Segelfliegerschulung Benutzerkopien Bundesarchiv-Filmarchiv35mm, Ton, Farbe, 303 m/ 16mm,Ton, Farbe, 124 m / [spanisches, danischesund norwegisches Tonnegativ nicht benutzbar] — IWF 16mm, 130 m, Bestell-Nr G 207 Anmerkungen Spanische,danische und norwegische Version geringfügig kurzer/Teil aus Sujet 3 als Farbteil mit internationalemTon in der schwedischen Version der ATW 702// / 945 und ATW 703/11945,Teil aus Sujet 4 als Farbteil mit internationalemTon in der schwedischen Version derATW 7021/1945 und ATW 703111945 Panorama [Nr 4] Produktion und Verleih Ufa / Deutsche Wochenschau GmbH, ca Jahreswechsel 1944/45 In deutscher, franzosischer, spanischerund danischer Sprache hergestellt Format 35mm, Agfacolor,Ton,278 m (= ca 10') Inhalt I) Deutschland HJ im Gebirge 2) Deutschland Glasblaserwerkstatt3) Deutsch¬ land Querschnitt durch das Programm des Zirkus Busch [„Bilder aus den Knegsgebie- ten" ] 4) Italien Adnakuste, Bunkerstellung5) Italienische Alpen Tragerkolonne im Schneesturm 6) Deutsche Alpen Bergstellung der Gebirgspioniere 7) Ungarn „Kampfe im Vorfeld von Budapest" 8a) Norwegen Ruckzugsgefechte in Nordnorwegen 8b) Nor¬ wegische Ortschaft nach einem „sowjetischen"Fliegerangriff 9) Netzleger der Kriegsma¬ rine beim Ausigen von U-Boot-Netzen Benutzerkopien Bundesarchiv-Filmarchiv35mm,Ton, Farbe, 218 m, 16mm,Ton,Farbe, 88 m, [jeweils nur Sujets 2-6, 8b, 9] / [franzosisches, spanischesund danischesTonnegativ nicht benutzbar, IT-Band nicht benutzbar] - IWF 16mm, 96 m, Bestell-Nr G 203, als Pan¬ orama Nr 2 ausgewiesen Anmerkungen Eine stark abgespielte Kopie im Bundesarchiv-Filmarchivdeutet daraufhin, dass diese Ausgabe auch ausgeliefert wurde, allerdings ohne Su|ets I und 7 und Kommen¬ tarvarianten in Sujet 3 und 5 /Variantenauch in der danischen und franzosischen Tonfas¬ sung Die Filmeditionen des Instituts für den WissenschaftlichenFilm (IWF) in Gottingen kön¬ nen für Zwecke der Forschung und Lehre entliehen werden Kontakt iwf-goe@iwf de 37