Games for Health Herausforderungen einer sachgerechten Entwicklung von Lernspielen am Beispiel von SanTrain Marko Hofmann, Manuela Pietraß, Christiane Eichenberg, Julia Hofmann, Alexandros Karagkasidis, Cornelia Küsel, Axel Lehmann, Silja Meyer-Nieberg & Patrick Ruckdeschel Abstract: Serious Games are of ten employed in the health sector. Games for health, e.g., for diagnostic purpose, education, and training, are used to address tasks as diverse as rehabilitation, cancer awareness, and understanding of or coping with psychological disorders. One important area in which Serious Games play an important role is educa- tion, training, and learning, which is the focus of the present paper. A challenge in the development of Serious Games is the interdisciplinary nature of the project itself. Me- dical experts, social scientists, computer scientists, and artists need to work together from the early stages of the project on to the development of a game concept. Working with an interdisciplinary team presents advantages and challenges. Bringing together experts from various disciplines ensures using state-of-the-art techniques and of fers fresh perspectives. On the other hand, a common terminology and a usable workflow have to be established. This article focuses on the development and the lessons lear- ned from the serious game SanTrain, which aims at the first responder training of the German Federal Armed Forces. Keywords: Serious Games; Medical Training; Simulation; Game Design; First Aid Schlagworte: Serious Games; Medizinische Ausbildung; Simulation; Spieldesign; Erste Hilfe 1. Einleitung Viele gesellschaftliche Bereiche sind heute bereits durch digitale Technik ver- ändert; dazu zählt die Entwicklung von neuen Ausbildungsformen wie die Ver- mittlung von Wissen durch Serious Games. Der Gesundheitsbereich ist eines der wichtigsten Anwendungsfelder für diese Spiele (Breuer und Tolks 2018), hier insbesondere in den Bereichen Prävention, Gesundheitsförderung und Medizin- 388 Hofmann et al� wissen (Tolks, Dadaczynski und Horstmann 2018). Vor allem die Erste-Hilfe-Aus- bildung, die eine hohe gesellschaftliche Relevanz hat, scheint ein geeignetes Feld für den Einsatz von Serious Games zu sein, um die Ausbildung und das Training zu unterstützen. Die Vorteile von Serious Games liegen darin, die Darstellung komplexer Szenarien aus der Realität (wie Einsatzszenarien) anhand von Si- mulationen effizienter zu gestalten. Ein weiterer Vorteil ist, dass vor allem für eine Ausbildung im medizinischen Bereich Verwundungen wie auch taktische Elemente in einem Spiel gut dargestellt, Wissensinhalte anschaulich vermittelt werden können und ebenso häufige Wiederholungen von Übungen leicht umsetz- bar sind. Um die Annahme einer Steigerung eines Trainingseffektes im Rahmen der Ausbildung der Ersten Hilfe im Einsatz zu prüfen, führt die Universität der Bundeswehr München im Auftrag der Bundeswehr eine Forschungsstudie über den Einsatz neuer Medien zur Unterstützung des sanitätsdienstlichen Trainings durch und entwickelt im Rahmen dieser Studie das Serious Game SanTrain als Demonstrator1 (2011-2019, Projektverbund SanTrain). Das bedeutet, dass das Spiel zu Forschungszwecken entwickelt wurde und dass es für Erhebungszwecke ge- nutzt wird, aber nicht offiziell als Spiel zur Verfügung steht. Gründliche Analysen der zentralen Anforderungen im Zuge des SanTrain-Projektes an eine, bisherige Ausbildungsformen ergänzende, sanitätsdienstliche Lern-/Trainingsumgebung haben ergeben, dass eine moderne Trainingsumgebung mit verfügbaren Techno- logien und mediendidaktischen Konzepten umgesetzt werden kann. Interviews mit Ausbildern2 und Einsatzersthelfern im Rahmen von SanTrain haben gezeigt, dass sie erwarten, dass die Anwendung von Serious Games motiviert und gut akzeptiert wird, Spielfaszination auslöst und bessere Trainingsergebnisse erzielt werden. Das Potenzial für einen erfolgreichen Einsatz dieser Methode in der mi- litärischen, aber auch der zivilen rettungsmedizinischen Ausbildung ist aufgrund der hohen Motivation vorhanden, wie auch das Interesse an der Implementie- rung/Adaption der Spielidee in andere (zivile) Einsatzfelder zeigt. Die derzeitige Zielgruppe der SanTrain-Studie, die Einsatzersthelfer Bravo (Soldaten, die in der qualifizierten Verwundetenversorgung im Gefecht ausgebildet sind), soll mög- lichst effizient und effektiv in der Ersten Hilfe im Einsatz ausgebildet sein. Die Erste Hilfe im Einsatz (siehe Goforth und Antico 2016) basiert auf dem US-ameri- 1 D emonstrator beschreibt im Kontext von SanTrain, dass im Rahmen des SanTrain-Projektes ge- zeigt werden sollte, welches Potenzial für die Verwundetenversorgung der Bundeswehr im Medium Serious Games liegt. Dazu wurden aussagekräf tige, detailreiche Demonstratoren ent- wickelt, die inhaltlich fertigen Produkten sehr ähneln und als deren Modelle für den Regelausbil- dungsbetrieb der Bundeswehr sie auch verstanden werden können, die aber nicht dem Beschaf- fungsprozess unterworfen sind. Der Begrif f »Demonstrator« ist daher nicht, wie sonst of t üblich, als funktionale Einschränkung zu verstehen, sondern als vertragsrechtliche. 2 Zur einfachen Lesbarkeit wird im vorliegenden Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Insofern nicht explizit anderweitig angemerkt, sind jedoch alle Geschlechter gemeint. Games for Health 389 kanischen PHTLS-Konzept (Pre Hospital Trauma Life Support) (siehe auch https:// www.jsomonline.org/TCCC.php) und beschreibt die Verwundetenversorgung im Gefecht durch Soldaten mittels erweiterter, präklinischer Erste-Hilfe-Maßnah- men vor Ort. Die taktische Verwundetenversorgung ist eine Erste Hilfe, die von Streitkräften unter feindlichem Beschuss und direkt danach geleistet wird. Sie ist zivil mit der Einsatzlage von Polizeikräften in gerade ablaufenden Terrorszena- rien zu vergleichen. Wie bereits erwähnt, müssen Serious Games auf die Lernbedarfe der Ziel- gruppe zugeschnitten werden, wobei die domänenspezifischen Anforderungen zu beachten sind. Das Format Serious Game kommt den medienbezogenen Vor- stellungen und Vorlieben der zukünftigen Nutzer von SanTrain entgegen, wobei mit den spielerischen Anklängen des Formats Serious Game der Erlebnisgehalt gesteigert werden soll. Die Zielgruppe, die mit SanTrain adressiert wird, besteht hauptsächlich aus jüngeren, männlichen Angehörigen der Bundeswehr. In die- ser Altersgruppe ist die Nutzung von Computerspielen weit verbreitet. Im Jahr 2018 hatten z.B. Action Spiele in den Vereinigten Staaten einen Verkaufsanteil von 26,9%, Shooter von 20,9% und Rollenspiele von 11,3% (Gough 2019 (via Statista)). SanTrain verwendet Elemente von diesen beliebten Genres, doch ist die didakti- sche Konzeption und Zielsetzung zentral für das Gamedesign. Der SanTrain Demonstrator stellt, wie gesagt, eine Mischung verschiedener, etablierter Genres dar. Er enthält z.B. Elemente des Rollenspiels und von Action Games. Von letzteren wurde u.a. die Einteilung in verschiedene Levels übernom- men. Die mit den Levels wachsenden Anforderungen werden jeweils durch di- daktische Konzepte unterstützt. Auch muss sich der Spieler unter zunehmendem Zeitdruck bewähren, um ein richtiges, sicheres Handeln aufzubauen. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Ersthelfers Bravo, der sich auf seinem ersten Einsatz in einem Krisengebiet befindet. Das Spiel beginnt mit der Ankunft am dortigen Standort. Der Ersthelfer Bravo wird bereits von seinem Vorgesetz- ten erwartet und eingewiesen. Dieses Szenario des Tutoriallevels entspricht einer möglichen zukünftigen Situation der Nutzer, die nach Abschluss ihrer Ausbildung in einen Auslandseinsatz geschickt werden können. Damit soll die Identifikation des Spielers mit seiner Spielfigur unterstützt werden, um so die Immersion zu fördern. Die Darstellung bildet ein mögliches Einsatzland nach, um so Wirklich- keitsnähe zu erreichen. Ersthelfer Bravo wird Teil einer Bundeswehreinheit und in verschiedenen Einsätzen innerhalb der Levels mit immer komplexeren Heraus- forderungen konfrontiert. Soll bei der ersten Patrouille lediglich eine einfache Unfallverletzung versorgt werden, gerät der Spieler mit seinem Team in späteren Leveln in unübersichtliche Situationen und er muss auf zunehmend anspruchs- vollere Aufgaben im Bereich der Medizin und der Taktik reagieren. Jeweils nach einem durchgespielten Level tritt die Figur eines erfahrenen Bundeswehrangehö- rigen auf, die dem Spieler Rückmeldung gibt. Es handelt sich dabei um den soge- 390 Hofmann et al� nannten ›Buddy‹, ein ›non playable character‹ (NPC), der dem Spieler mit Rat und Tat zur Seite steht. Diese unterstützende, sympathische Figur soll dem Spieler den (Wieder-)einstieg in sein Wissen über die taktische Verwundetenversorgung erleichtern. Sie dient andererseits auch als Companion-Figur für den Spieler, um eine soziale Interaktionssituation anklingen zu lassen. Der Buddy vermittelt dem Spieler eine Rückmeldung über seinen erreichten Kenntnisstand. Der SanTrain Demonstrator (im Folgenden SanTrain) ist ein Serious Game, das aus der Ego-Perspektive die Behandlung von verwundeten Soldaten im Auslands- einsatz trainiert. Der Spieler (Single-Player) muss auf die dargestellte Situation (z.B. ein Soldat mit einer Schussverletzung) medizinisch und militärisch taktisch korrekt reagieren. Die medizinische Behandlung richtet sich dabei nach den Vor- gaben für die Erste Hilfe im Einsatz. Der Behandler sieht die verwundete Person vollständig (siehe Abb. 1), kann sie ansprechen (über eine Auswahl an vorgege- benen Texten), muss sie untersuchen und mit dem verfügbaren Equipment die richtige Behandlungsmethode wählen. Zusätzlich müssen die Vitalparameter des Patienten überwacht werden, um auf eine Änderung des Zustandes angemessen reagieren zu können. Für die sogenannte Patientenansicht wird die Ego-Perspek- tive verwendet, die es ermöglicht zu zoomen und den Bildausschnitt zu scrollen, um Verletzungen genauer betrachten zu können. Über derzeit sieben Level hinweg können so verschiedene Szenarien trainiert und gespielt werden, wobei sich jedes Level vom folgenden darin unterscheidet, welche Anforderungskomplexität an den Spieler gestellt wird. Der Spieler ist im Spiel nicht mit dem Verwundeten allein, sondern wird von anderen Charakteren begleitet, die mit ihm in Interaktion treten können: einem virtuellen Tutor (»Bud- dy«) und einem virtuellen sogenannten Zugführer. Zusätzlich bewegt sich der Spieler mit anderen virtuellen Soldaten durch das Spiel, das mehrere Szenarien eines Einsatzes im Nahen Osten nachstellt, bei dem es u.a. zu Beschuss oder zu einer Explosion kommt und es Verwundete gibt, die behandelt werden müssen. Missionen (Level) können auch fehlschlagen, wenn grobe Fehler begangen werden (z.B. sich zu weit von den Kameraden zu entfernen oder ohne Befehl zu schießen). Von Level zu Level findet eine zunehmende Erhöhung der Anforderungen statt. Anfangs muss sich der Spieler in die Spielwelt einfinden, die Bedienung und de- ren Zusammenhänge kennenlernen. Im Kennenlernen derselben erschließt er die Handlungsanforderungen und Handlungslogik des dem Spiel zugrunde liegen- den rettungsmedizinischen Algorithmus. Das Spiel liegt derzeit als 3D-Demons- trator vor und wird kontinuierlich weiterentwickelt und erprobt. Dazu wird es im Experimentalbetrieb von der Bundeswehr bereits an mehreren Standorten genutzt. Games for Health 391 Abb. 1: Das Serious Game SanTrain: Erste Hilfe im Einsatz Im Entwicklungsprozess von SanTrain wechselten sich Planungs- und Testpha- sen ab. Das Feedback von militärischen und medizinischen Experten wurde dabei genauso berücksichtigt wie die Erfahrungen von Soldaten aus dem Ein- satz. Einerseits sollen Handlungsprozesse trainiert und Wissen (Erste Hilfe im Einsatz) verfestigt werden, andererseits muss das Serious Game auch zum Ler- nen und Spielen motivieren. Unterschiedliche Abläufe im Spiel liefern vielfältige Möglichkeiten, sich zu verbessern und die gestellten Aufgaben zu meistern. Ziel ist es, in wechselnden Szenarien unterschiedlich kritische Situationen zu üben und dadurch später im Einsatz Fehler zu vermeiden. Nutzerakzeptanz, Wissens- erwerb und Motivation verschiedener Ausführungen von Serious Games werden über Evaluationen mit den betroffenen Zielgruppen überprüft. Dazu werden im Rahmen von SanTrain Lernmaterialien entwickelt, die, unter Verwendung ver- schiedener Präsentationsformen, wie einer 3D-Konzeption oder Apps für mobile Endgeräte, je verschiedene Lernziele mit je verschiedenen Spielformen umsetzen. Damit ist eine ressourcenschonende Ausbildung möglich, die gleichzeitig die Lernintensität vertiefen und die Nutzungshäufigkeit steigern kann. Zusätzlich zu SanTrain – für Windows PCs wurden vier mobile Spiele entwickelt: SanTrain Dop- peldings, SanTrain Rucksackheld, SanTrain Quiz und Rette Fred. Diese Applikationen für mobile Endgeräte greifen je ein Lernziel schwerpunktmäßig auf und unter- stützen in unterschiedlicher Art und Weise das Üben und Lernen der Ersten Hilfe im Einsatz. Großer Vorteil dieser mobilen Serious Games ist die Tatsache, dass sie abwechslungsreich und kurzweilig gestaltet sind. Die Studie SanTrain wird vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) gefördert, von der Universität der Bundeswehr München durchgeführt und von 392 Hofmann et al� Pallas Athena – Immersive Virtual Systems GmbH im Bereich der Spielumset- zung unterstützt. Am Projekt SanTrain sind die folgenden Fachdisziplinen betei- ligt: (Technische) Informatik mit dem Bereich Simulation, Medienpädagogik, vor allem mit den Schwerpunkten Mediendidaktik, Evaluation und Spieldesign sowie Medizin mit den Schwerpunkten Notfallmedizin und Erste Hilfe. Die mehrjährige und kontinuierliche Entwicklung des Spiels sowie die be- sondere institutionelle Einbettung mit den damit verbundenen Anforderungen an verschiedene Disziplinen ist ein Alleinstellungsmerkmal von SanTrain. Aus den sieben Jahren Entwicklungszeit resultiert ein großer Fundus an Erfahrungen bezüglich der Entwicklung von Lernspielen, bei denen Wissenschaft und Praxis gleichermaßen verbunden werden, und die im Folgenden skizziert werden sollen. Notwendig für eine Verbindung von Wissenschaft und Praxis ist eine interdiszi- plinäre Kooperation, was im Folgenden anhand der Entwicklung von SanTrain be- schrieben wird. Die Ausführungen basieren auf internen Berichten und beziehen sich auf die Herausforderungen einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen einer Serious-Game-Entwicklung für die medizinische Ausbildung. Da- her können einzelne Forschungsergebnisse nicht im Detail beschrieben werden. Jedoch gibt dieser Aufsatz einen Überblick über alle relevanten Entwicklungs- schritte und damit verbundenen Konzeptionen sowie die Herausforderungen des Konzeptions- und Entwicklungsprozesses aus Sicht der beteiligten Fachdiszipli- nen. Bisherige Forschungsbefunde vor allem zu den Herausforderungen und Chancen von Serious Games (z.B. von Bellotti, Berta und De Gloria 2010) zeigen, dass hinsichtlich des Spieldesigns die Einsatzszenarien und Zielgruppen, die Spielarchitektur (wie Immersion, Flow, Story – siehe Tolks, Dadaczynski und Horstmann 2018) sowie die Kommunikation im und mit dem Spiel wichtige For- schungsfelder sind, um Serious Games effektiv zu gestalten. Zusätzlich wird kon- statiert, dass es zwar eine Vielzahl an Forschungsbefunden zu einzelnen Gestal- tungs- und Inhaltselementen von Serious Games gibt (ebd.), aber noch zu wenig Forschung über die Spieler und ihr Lernen mit den Spielen. Die SanTrain-Studie möchte die genannten Bereiche untersuchen, da es aufgrund der Spielthematik sowie der gegebenen institutionellen Einbettung möglich ist, viele Themen an nur einem Spiel aus verschiedenen fachlichen Sichtweisen zu betrachten. Dass die fächerübergreifende Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Serious Games notwendig ist, wurde bereits im systematischen Review zu Serious Games zum Training von medizinischem Wissen und chirurgischen Fähigkeiten von Graaf- land, Schraagen und Schijven (2012) festgestellt. Im Folgenden werden in Kapitel 2 die Besonderheiten einer Entwicklung eines Serious Game für die Erste Hilfe im Einsatz im Rahmen einer Theorie-Praxis-Ko- operation aus der Metaperspektive herausgearbeitet. In Kapitel 3, 4 und 5 erfolgt dann der Blick auf die Entwicklung von SanTrain aus Sicht der verschiedenen be- Games for Health 393 teiligten Disziplinen und endet jeweils mit einem kurzen Fazit. Im Diskussions- teil (Kapitel 6) werden die einzelnen fachlichen Stränge der Entwicklung wieder zusammengeführt und das Projekt SanTrain wird abschließend betrachtet. 2. Das Serious Game SanTrain für die medizinische Ersthelferausbildung: Skizze einer Theorie-Praxis-Kooperation Trotz unterschiedlicher Definitionen und Forschungen zum Thema Serious Games (siehe Susi, Johannesson und Backlund 2007), ist der Begriff ›Serious Game‹ nicht ausreichend trennscharf und ist er vor allem für die Nutzer dieser Spiele schwer zu definieren. Im Zuge der die SanTrain-Studie begleitenden Diskussionen mit unterschiedlichen Dienststellen der Bundeswehr und Institutionen wurde deut- lich, dass praktisch jede Verwendung einer grafischen Spieloberf läche, die mithil- fe einer sogenannten Game Engine erzeugt wurde, automatisch von den Nutzern auch als Serious Game betrachtet wird. Zum Verständnis der SanTrain-Studie ist daher die Semantik des engeren Sprachgebrauchs entscheidend: Im Rahmen des SanTrain-Projektes ist die dynamische 3D-Visualisierung auf der Basis einer Game Engine lediglich eine technische Grundlage für das intendierte Serious Game, das auch ohne Präsenz eines Ausbilders dazu beitragen soll, die Ersthelfer Bravo in Übung zu halten. Die Anforderungen derartiger Spiele hinsichtlich der vom Computer algorithmisch zu bewältigenden Aufgaben gehen über die bloße Einbindung des Mediums Computerspiel in Präsenzveranstaltungen weit hin- aus, denn SanTrain beinhaltet im Kern neben einem taktischen Modell, auch ein medizinisches und ein mediendidaktisches Modell. Zusätzlich verfügt das Seri- ous Game über ein eigens entwickeltes, präzises Echtzeit-Simulationsmodell der Physiologie des Menschen. Hinzu kommen pädagogische Entwicklungen: Durch lerntheoretische Konzepte soll der Kompetenzgewinn optimiert werden und der Lernzuwachs nachhaltig sein. Bei SanTrain greifen demnach folgende fachlich übergreifende Elemente in- einander: Die automatisierte Führung der Spieler im Spiel auf der Basis eines didaktischen Konzeptes (siehe Kapitel 3) und durch adaptives Gameplay (siehe Kapitel 4), die durchgehende Plausibilität aller medizinischen und taktischen Prozesse (siehe Kapitel 5) sowie die automatisierte Analyse und Auswertung des Spielverlaufs (siehe Kapitel 3 und 4). Die in SanTrain erprobten Lösungsansätze für diese Herausforderungen wurden durch eine Evaluation auf ihre Wirksam- keit hin überprüft. Die Evaluation untergliederte sich in insgesamt sechs Schritte einer formativen, begleitenden Evaluation sowie einer summativen, abschließen- den Evaluation. Die formative Evaluation soll dazu führen, dass im Zuge eines steten Austauschs zwischen Forschung, Entwicklung, Expertenwissen und Pra- xis eine Optimierung des Serious Game erreicht wird. Die bisherigen Ergebnisse 394 Hofmann et al� der formativen Evaluation f lossen korrigierend in den Entwicklungsverlauf ein und werden derzeit abschließend ausgewertet. Vorläufig kann festgehalten werden, dass die formative Entwicklung mithil- fe qualitativer Verfahren begleitet wurde. Für die einzelnen Erhebungen wurden jeweils Materialien entwickelt, wie Videomaterialien, aber auch spielbare Ab- schnitte, es fanden Feldbeobachtungen statt, Fragebogenerhebungen, meist mit soldatischen Studenten und mit militärischen Experten, eine Erhebung fand mit einer Gruppe von Schülern und Schülerinnen statt. Ziel war es, nicht »vom Reiß- brett« zu evaluieren, sondern die Methodik an die jeweilige Entwicklungssitua- tion und das damit verbundene Erkenntnisinteresse anzupassen. Die Schwierig- keit war, dass sich Materialien in Entwicklung schlecht evaluieren lassen, sodass die Fragestellungen und das Untersuchungsdesign jeweils passgenau auf die be- sondere Entwicklungssituation ausgerichtet werden mussten. Eine umfassende Abschlussevaluation, die mithilfe von Methodentriangulation im Feld unternom- men wurde, befand sich zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels in der Auswer- tung. Inwiefern die Ergebnisse veröffentlicht werden können, ist vom Projektträ- ger Bundeswehr zu entscheiden. Der Entwicklungsprozess eines Serious Games wie SanTrain ist ein zyklischer, iterativer Prozess. Beginnend mit einer initialen Spielidee wird diese im Verlauf eines Entwicklungsprojektes konkretisiert, überprüft, verändert und schließlich implementiert. So wird auf Erfahrungen der Projektbeteiligten direkt zugegrif- fen und es können bereits fertiggestellte Bereiche (Level) unmittelbar genutzt werden. Dies erfordert allerdings eine genaue Projektplanung sowie Dokumen- tation. Wöchentliche Besprechungen sowie regelmäßige Treffen im gesamten Projektteam haben sich für eine intensive Zusammenarbeit als unverzichtbar er- wiesen. Dabei wurden die Sichtweisen der beteiligten Disziplinen auf einzelne Themen jeweils vorgestellt und die Umsetzung gemeinsam diskutiert. Diese Vor- gehensweise wurde dadurch unterstützt, dass nacheinander die einzelnen Level gestaltet und umgesetzt wurden. Die erste Herausforderung bei der sachgerechten Entwicklung eines Lern- spiels besteht demnach darin, dass eine technische Entwicklung in diesem Fall immer auch eine inhaltliche Konzeption des Spiels bedingt und umgekehrt. Beide Bereiche stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander und müssen mitein- ander an einem gemeinsamen Gegenstand – dem Serious Game – arbeiten. Ein iterativer Entwicklungsprozess hat sich in dem hier beschriebenen Projekt als zielführend erwiesen. Eine Evaluation gibt umfassenden Aufschluss darüber, in- wiefern die technischen und inhaltlichen Konzepte für sich, aber vor allem auch zusammen für die Spieler Sinn ergeben und dazu beitragen, das Lernziel zu er- reichen. Ein nicht passendes Spieldesign oder eine umständliche Bedienung ha- ben ebenso Einf luss auf den Lernerfolg wie eine unklare Spielführung oder nicht Games for Health 395 verständliche Aufgaben. Dementsprechendes Gewicht haben Evaluationen im Projekt SanTrain. 3. Herausforderungen der sachgerechten Entwicklung des Lernspiels SanTrain aus pädagogischer und mediendidaktischer Sicht3 Medienerfahrung wird oft aufgrund ihrer Zweidimensionalität und der Ein- schränkung der Sinnesvielfalt als defizitär angesehen. Doch diese sogenannte Defizitthese übersieht, dass der technisch bedingte Vermittlungscharakter im Unterschied zur Realität Akzente setzen lässt, an denen Lernen beginnen kann. Hier liegt der Ansatz der für SanTrain entwickelten didaktischen Konzeption be- gründet. Insofern geht SanTrain einen Weg, der es erfordert, an verschiedene Forschungsdiskurse anzuknüpfen und diese miteinander zu verbinden, insbe- sondere die Lerntheorie, pädagogisch-psychologische Ansätze, die medienpäda- gogische Aneignungsforschung sowie medien- und kommunikationstheoretische Ansätze. Die wesentliche Aufgabe besteht dementsprechend in einer, der Mediali- tät von Serious Games entsprechenden, didaktischen Umsetzung der Lernziele von SanTrain. Ziel war und ist es, die Erhöhung der Handlungssicherheit in der Gefechtssituation gemäß den Vorgaben der Ersten Hilfe im Einsatz medienpä- dagogisch umzusetzen und diese Zielerreichung im Prozess der Entwicklung an ausgewählten Teilen des Demonstrators wie auch im Ausbildungsfeld zu prüfen und zu evaluieren. Didaktische Konzeption des 3D-Simulators SanTrain In der Präsenzlehre können die Ausbildenden während der Ausbildung mit all ihrer Expertise steuernd auf die Auszubildenden eingehen. Es ist möglich, bei schweren Fehlern sofort abzubrechen, Missverständnisse zu klären und zusätz- liche Erklärungen zu liefern. Der Ausbilder sieht Fehler sofort und kennt nach kurzer Zeit die Stärken und Schwächen jedes Auszubildenden. Er ist in seiner Personalität unersetzlich. Ein autonom gespieltes Serious Game sollte daher stets in einen größeren Ausbildungskontext integriert werden, der auch Präsenzver- anstaltungen beinhaltet. Didaktik kann als lerner- und gegenstandsgerechte kommunikative Auf be- reitung (Prange 2012) des Lerngegenstandes verstanden werden. Bei einem Seri- ous Game wie SanTrain gilt es dabei die spezifische Medialität zu berücksichtigen. 3 Die je besondere Medialität von Medien, also ihr technisch bedingter spezifischer Vermittlungs- charakter, ist Schwerpunkt der Forschungsgruppe von Manuela Pietraß. 396 Hofmann et al� Das Gefälle zwischen darstellbarer und darzustellender Realität, das Handeln mit Bildern statt mit materialen Gegenständen, sind dabei zwei zentrale Gesichts- punkte. Ihre je spezifische Gestaltung unterstützt die Artikulation des Gegen- standes. Aus didaktischer Sicht ist dabei zu beachten, dass je dichter die kom- munikative Gestaltung der Nutzeroberf läche ist, desto schwieriger der Lernende Orientierung finden kann und es umso schwieriger wird, die angezielten Lern- prozesse zu berücksichtigen. Diese Prinzipien sind im Leveldesign von SanTrain berücksichtigt. Das Lernspiel wurde hinsichtlich der zu vermittelnden Lernin- halte laufend lerntheoretisch und rezeptionstheoretisch fundiert. Diese Arbeit verlangt eine kontinuierliche Abstimmung mit der Informatik und den Spiele- entwicklern, um Möglichkeiten und Grenzen auszuloten. Grundsätzlich wurde das Gewicht auf folgende Kriterien gelegt: die didaktische Ausnutzung des Rea- litätsgefälles zwischen Spiel und Wirklichkeit, die Verwendung einer umfassen- den theoretischen Basierung mithilfe pädagogisch-psychologischer, anthropo- logischer und lerntheoretischer Konzepte, die Erzeugung von Lernprozessen auf Basis des Zusammenhangs der Kontextualisierung gegebener Lerninhalte durch das Spiel und durch den Spieler (interaktionistisches Modell) sowie des Experti- semodells (Dreyfus und Dreyfus 1988), welches einen Zusammenhang zwischen Erfahrungslernen, vertieftem Wissen und Handlungskompetenz postuliert. Eine grundsätzliche Frage bei der didaktischen Konzeption eines Serious Games ist, welches Wissen auf welchem Spiellevel vorausgesetzt werden kann und welche individuellen Anfangsniveaus im Spielauf bau berücksichtigt wer- den können. Daher wurden eigene didaktische Konzepte für das Serious Game entworfen, in das Spiel integriert und das sogenannte ›adaptive Gameplay‹ aus- gewählt. Adaptives Gameplay bezeichnet alle während des Spiels einsetzenden Spielmodifikationen, die aufgrund des bisherigen Spielverlaufs geändert werden, entweder um das Spiel attraktiver zu machen oder aber den Lernerfolg zu verbes- sern. Dass dies prinzipiell machbar ist, kann hier auch anhand von SanTrain ge- zeigt werden. Jedoch können bestimmte Aspekte, die zum Gelingen eines Serious Games beitragen, nicht analytisch vorab ermittelt und sicher in ihrer Wirkung vorhergesehen werden. Ähnlich wie im Fall kommerzieller Spiele lässt sich bei- spielsweise die Attraktivität eines Spiels a priori (d.h. vor entsprechenden empi- rischen Untersuchungen) nicht vorherbestimmen. Dementsprechend hoch wurde daher die Evaluation in der Studie priorisiert. Die didaktische Herausforderung von Serious Games besteht vor allem dar- in, spielerische Elemente und Anforderungen der realen Handlungssituation im Gleichgewicht zu halten. Bei SanTrain wurde dieser Herausforderung unter ande- rem so begegnet, dass es von seinem äußeren Rahmen her ein Lernspiel ist, das für Übungszwecke in der militärischen Ausbildung dient. Von seinem, vom Ler- nenden her gefühlten inneren Status aber ist es das Ziel, mit Mitteln des Spiels jenen Flow zu erzeugen, der das Lernen zu einem spielerischen Erlebnis werden Games for Health 397 lässt (siehe zum Flow-Erleben auch Csíkszentmihályi 1990). SanTrain ist daher darauf ausgelegt, nicht nur Handlungsschemata ref lexartig einzuüben, sondern auch Wissenszusammenhänge zu vermitteln (Mitgutsch 2011). Denn erst diese ermöglichen es, auch wenn in der realen Anwendungssituation etwas Unerwar- tetes geschieht, sicher handeln zu können. Ein solches Expertenwissen beruht auf einem umfassenden Erfahrungsauf bau aus Situationen der Wissensanwendung (Dreyfus und Dreyfus 1988, 51ff.). Um dies zu erreichen, ist es das oberste Ziel, durch möglichst vielfältige Fälle einen Expertenstatus erwerbbar werden zu las- sen. Grundsätzlich verlangt dies vielfältige Variationsmöglichkeiten von Seiten der Spielsoftware. Wissenserwerbs mittels Serious Game SanTrain basiert daher auf einem dynamischen Modell, um eine hohe Anzahl unterschiedlicher Verläufe zu ermöglichen und damit einerseits realitätsnah aus- bilden zu können und andererseits den Spielern neue Spielverläufe zu ermögli- chen. Anders als bei einfachen fallbasierten Modellen macht es im dynamischen Modell für eine Ausbildung in der Ersten Hilfe für den Einsatz einen Unter- schied, wann in diesem Fall z.B. eine Blutung gestoppt wird, da der dargestellte Verwundete unter Umständen in den Schockzustand fällt, wenn der Verband zu spät angelegt wurde. Im ohnmächtigen Zustand erhöht sich wiederum die Ge- fahr, dass die Zunge des Patienten die Atemwege verschließt usw. Die Dynamik des Modells erzeugt daher eine komplexe Umgebung, in der der Spieler vielfältige Erfahrungen und Erkenntnisse gewinnen kann. Den großen Vorteil eines solchen dynamischen Designs betont schon 1985 Hartmut Bossel, der in Umweltdynamik (1985) 30 solcher interaktiven Lernmodelle vorgelegt hat. Bossel macht deutlich, dass nur mit dynamischen Modellen ein »Systemverständnis« (Bossel 1985, 250) erzeugt werden kann. Indem der Spieler den Ereignisraum immer wieder neu und anders bespielt, erfährt er ihn auch jeweils unterschiedlich und in eben allen Facetten, die ihn systemisch ausmachen. Bossels Formel »Kybernetisches Wissen kann nur kybernetisch erzeugt werden« (ebd., XII) wurde entsprechend bei der Entscheidung für ein dynamisches Physiologiemodell berücksichtigt. Bossels Plädoyer für dynamische Systeme nimmt eine Unterscheidung der Game Studies vorweg, nämlich jene zwischen »emergenten« und »progressiven« (Juul 2005) Spielstrukturen. Während  progressive Strukturen nur eine einzige Lösung zu- lassen und auch bei erneutem Spielen denselben Verlauf nehmen, gestatten emer- gente Strukturen eine prinzipiell unendliche Varianz von Durchgängen. Entspre- chend offen sind sie für unterschiedliche Lösungen bzw. unterschiedliche Ideen, Überlegungen, Erfahrungen und Lernsituationen (ebd., 2005). Wichtig dabei ist jedoch, dass die Spieler durch das Spiel mit seinen unter- schiedlichen Verläufen so geführt werden, dass sie jederzeit Lernziele einschät- 398 Hofmann et al� zen und in der Situation entsprechend richtig handeln können. Die Herausfor- derung besteht also darin, festzulegen, an welcher Stelle und in welcher Form die Spieler organisatorische (den technischen Spielf luss betreffende), ludische (die Spielhandlung betreffende) und narrative (die Rahmenerzählung betreffende) Hinweise benötigen, um kontextspezifisch richtig handeln zu können. Kontext- hinweise können zu bestimmten Arrangements oder auch Klammern organisiert werden, die den Lerninhalt einerseits anleiten und in den Vordergrund rücken, ihn andererseits aber nicht unmittelbar offenlegen. Die Gestaltung von Heraus- forderungen im Besonderen und des Schwierigkeitsgrads im Allgemeinen kann über die Zusammenstellung und Abfolge von Kontexthinweisen geregelt werden (Ruckdeschel 2015, 236-261). Salen und Zimmermann (2004) heben besonders das Konzept des »Meaningful Play« hervor (ebd., 30-37). »Meaningful Play« (mfp) be- deutet, dass die Spieler stets verständliche Situationen vorfinden. Bekommen sie zum Beispiel neue Handlungsmöglichkeiten, so werden diese auch vorgestellt. Soll jedoch ein Rätsel gelöst werden, dann muss dessen Pointe bzw. Lösung ge- heim bleiben, aber dennoch deutlich werden, dass hier und jetzt Aufmerksamkeit gefordert ist und die Spieler verschiedenes ausprobieren sollen. Salens und Zim- mermans Konzept des mfp zielt also darauf ab, dass die Spieler im Fluss bleiben und das Verständnis nicht abreißt. Mithilfe von Ruckdeschels (2015) Klassifizie- rung von Kontexthinweisen kann dies erreicht werden, indem dem Spieler unter- schiedliche Metainformationen über die aktuelle Handlungssituation mitgeteilt werden. Aktuell befindet sich SanTrain auf jenem Level des Kompetenzauf baus, bei dem es darum geht, problemlösendes Denken bei den Spielenden zu entwickeln. Kompetenzauf bau im Sinne von SanTrain bedeutet die Verbindung der Einübung von Handlungsschemata und das Wissen, warum Schemata auf eine bestimm- te Weise wann verwendet werden sollen (Dreyfus und Dreyfus 1988, 46ff.), um von dort zu höheren Stufen des Kompetenzerwerbs im Sinne von Expertise zu gelangen. Die wiederum didaktisch zu bewältigende Problematik liegt darin, dass in der Ersten Hilfe im Einsatz nicht jede Handlungswirkung für sich einzeln betrachtet werden kann, sondern verschiedene medizinische Behandlungsmaß- nahmen in ihrer Wirkung miteinander verwoben auftreten. Denn auch wenn be- stimmte Fehler auf einer Ebene gemacht wurden, sind je nach Fall Korrekturen möglich, die einen Anfangsfehler abfedern. Doch werden dem Spieler solche Hin- tergründe nicht transparent, weil sie nicht in den Einzelwirkungen seines Han- delns abbildbar sind. Er stellt lediglich fest, dass er insgesamt mehr oder weniger erfolgreich war. SanTrain fängt dieses Problem durch ein Gesamtfeedback nach Levelabschluss auf. Games for Health 399 Feedback mittels Serious Game Die Schwierigkeit bei der Entwicklung eines Serious Games ist, dass man die Ler- nenden nicht befragen oder andere introspektive Verfahren verwenden kann, die es ermöglichen, die Bewusstseinsprozesse der Spieler zu erheben und an ihnen etwaige Lernerfolge abzulesen. Insofern ist es eine wichtige Aufgabe der Spiel- didaktik, den Wissensauf bau so zu leisten, dass zum Verhaltenstraining zusätz- liche Lernprozesse ermöglicht werden. Eine wichtige Funktion übernimmt hier- bei das Feedback, weil mit dem Feedback eine Wissensvermittlung erfolgen kann, welche in Verbindung mit den Handlungsfolgen gestellt wird. Feedback erhält der Spieler zu unterschiedlichen Zeitpunkten in SanTrain, nämlich während des Spiels und beim erfolgreichen Abschluss eines Spiellevels. Sie erfüllen hier jeweils unterschiedliche Lernfunktionen. Das gesamte im Spiel gegebene Feedback ist in drei Ebenen untergliedert, je nach Detailgrad. Das Feed- back besteht dabei sowohl aus qualitativen Aussagen hinsichtlich dessen, wie gut der Spieler gespielt hat (u.a. die Fehler), als auch aus Scoring-Punkten. Die bei- den Typen des Feedbacks beziehen sich dabei auf unterschiedliche Elemente bzw. Aspekte aus der Taktik sowie der Verwundetenversorgung, wie z.B. Kampf, De- ckung, Behandlung von Verletzungen oder einzelne Aktionen. Das Feedback ist in diesem Sinne hierarchisch strukturiert. Dies führt zu einer weiteren Herausforderung: Wie sollen die umfangreichen Informationen den Spielern vermittelt werden? Dieses Problem ist natürlich auch mit anderen typischen Problemen des Feedbacks verknüpft, nämlich welches Feedback, in welcher Form und wann den einzelnen Spielern bereitgestellt werden muss, um die Ausbildung effektiver und effizienter zu gestalten. Die didaktische Heraus- forderung besteht außerdem darin, dass zwischen dem Handeln des Spielers und dem Feedback kein direkter Bezug besteht. Weiterhin unterbricht das Feedback den Spielverlauf. Um diese zwei Herausforderungen zu bewältigen, wurde das im Feedback vermittelte Wissen pyramidenartig aufgebaut; an der Spitze befinden sich grob verallgemeinernde Rückmeldungen, die der Spitze unterlagerten, wei- ter ausgreifenden Ebenen enthalten in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt angereichertes Wissen. Damit kann der Spieler je nach Spielerfolg umfassendes Wissen über seine Erfolge und Fehler erhalten und es besteht die Möglichkeit für Tutoren oder Ausbilder einen Sachverhalt zu vertiefen. Wichtig ist hier, die Ver- bindung zwischen dem Spielverhalten und der im Feedback dargestellten Ein- schätzung herzustellen, weil so eine verbesserte Möglichkeit besteht, aus dem eigenen Spielverlauf zu lernen. Feedback muss motivierend gestaltet sein und die Inhalte sollen Interesse wecken. Daher wird im Spiel SanTrain Feedback auch in Form einer grafisch-narrativen Präsentation gegeben. Die erste Feedback-Ebe- ne muss unmittelbar Interesse wecken. Das wird durch eine lebendige grafische Darstellung und einen erzählerischen Charakter erreicht. Jedes Feedback wird so 400 Hofmann et al� zu einer kleinen Episode, in der ein Ausbilder und eine andere Person dem Spieler auf unterhaltsame Weise (›Good Cop‹ & ›Bad Cop‹) mitteilen, wie die erbrachte Leistung zu bewerten ist (siehe Abb. 2). Abb. 2: SanTrain Demonstrator: Feedback nach Levelabschluss: ›Good Cop‹ & ›Bad Cop‹ Werden grobe Fehler im Spiel begangen, wird die Mission als fehlgeschlagen be- wertet und es erscheint ein Game-Over-Screen. Die Spieler werden darüber infor- miert, warum das Level abgebrochen wurde (Fehler-Info) und was beim nächsten Versuch besser zu machen ist (Hilfe-Text). Fazit Die Herausforderungen der sachgerechten Entwicklung des Lernspiels SanTrain aus Sicht der (Medien-)Pädagogik liegen vor allem darin begründet, fest vorgege- bene medizinische Inhalte und Konzepte sachgerecht im Format Serious Game umzusetzen: Lernziele müssen festgelegt und das Spieldesign so konzipiert wer- den, dass die Spieler motiviert werden. Eine der größten Herausforderungen liegt darin, das Feedback so zu gestalten, dass der Spieler daraus lernen kann und es ähnlich effektiv ist wie ein realer Ausbilder, aber unter der Voraussetzung, dass eine reale Ausbildungssituation durch das Medium bedingt nicht exakt nachge- bildet werden kann. Games for Health 401 4. Herausforderungen der sachgerechten Entwicklung des Lernspiels SanTrain aus informationstechnischer Sicht Bei der Implementierung der pädagogischen Konzepte, der Umsetzung der ein- zelnen Inhalte und der Entwicklung eines Spiels spielt die Informatik eine wesent- liche Rolle. Durch sie entsteht das konkrete Ergebnis der Entwicklung, das eigent- liche Computerspiel. Letztendlich stellt die Entwicklung eines Serious Games einen Softwareentwicklungsprozess dar (Mehm, Dörner und Masuch 2016). Die Informatik übernimmt dabei die technische Umsetzung und Ausgestaltung der Konzepte, die die anderen beteiligten Disziplinen entwickelt haben. Dabei ist ein fachübergreifendes Arbeiten bereits in den ersten Phasen des Entwicklungs- prozesses von Vorteil, da somit frühzeitig Machbarkeitsanalysen durchgeführt und technische Konzepte erstellt werden können. Dies betrif ft sowohl die fach- spezifischen ›ernsthaften‹ Inhalte, die didaktischen Aspekte als auch die eigent- lichen Spielelemente. Die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache ist hierbei ein nicht zu unterschätzender Punkt. Unterschiedliche Fachrichtungen verwenden verschiedene Termini und unter Umständen dieselben Begriffe, aber mit unter- schiedlichen Bedeutungen. Eine frühzeitige Klärung der Begriff lichkeiten und die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Konzepte und der Vor- gehensweisen der beteiligten Disziplinen ist daher von großer Bedeutung. Abb. 3: Generische Spielstruktur des SanTrain Demonstrators 402 Hofmann et al� Die Informatik nimmt eine verbindende Funktion ein, die auf technischer Ebene die verschiedenen Konzepte zusammenführt. In der Studie SanTrain sind dabei sowohl taktische als auch medizinische Vorgaben zu berücksichtigen. Abbil- dung 3 zeigt die generische Spielstruktur des in der SanTrain-Studie entwickelten Demonstrators. Wie deutlich wird, besteht das System aus verschiedenen Modu- len, die miteinander interagieren und jeweils Informationen verarbeiten. Die Me- dia Didactic Component übernimmt dabei die Rolle des Lehrers oder des Trainers. Als solche muss sie die Leistung des Spielers beurteilen (Performance Assessment oder Scoring) und basierend auf dieser dem Spieler eine Rückmeldung (Feedback) geben, damit er entsprechend reagieren kann. Die Seite der Medizin wird durch die Module Physiology Model und Medical Model repräsentiert. Das erste Modul setzt das Simulationsmodell der relevanten Parameter und Prozesse im menschlichen Körper um, siehe Abschnitt 4.2, wäh- rend das zweite Modul die Materialien und ihre Wirkungsweise abbildet, die der Ersthelfer in seinem Rucksack mit sich führt. Zusätzlich müssen die Auswirkun- gen verschiedener Handlungen umgesetzt werden. Das eigentliche Spiel integriert die Vorgaben der Taktik (Tactic Module) und lässt den Spieler im Kontext des gegebenen Rahmenszenarios (Setting) verschie- dene Szenarien spielen, in denen die jeweiligen Lerninhalte vermittelt werden. Der entwickelte 3D-Simulator verfolgt dabei das Konzept einer engen Verzah- nung von ernsthaften Inhalten und einer spannenden Spielgeschichte, um den Lernerfolg durch eine intrinsische Motivation zu fördern (Mildner und Mueller 2016). In der eigentlichen Spielhandlung wird der Spieler mit verschiedenen Vor- fällen konfrontiert, die ein korrektes Handeln gemäß den Vorgaben der Tactical Combat Casualty Care erfordern. Ein auf dem ersten Blick ähnlicher Ansatz wie SanTrain wurde von Pasquier et al. (2016) verfolgt. Das Serious Game 3D-SC1 (French Military Health Service, 2014) wurde im Auftrag der französischen Armee 2014 entwickelt und sollte der Verbesserung der Verwundetenversorgung dienen. Auch in diesem Fall ist der zu- grunde liegende Handlungsalgorithmus durch das Konzept der Ersten Hilfe im Einsatz gegeben. Die Ausbildung erfolgt dabei auf der Ebene des »Sauvetage au Combat de Premier Niveau«, d.h. einer Ersthelferausbildung, die alle Soldaten durchlaufen sollten. Das Spiel versetzt den Spieler in eine 3D-Umgebung und in ein dezidiertes Szenario: Der Spieler ist Mitglied einer Patrouille mit Nicht-Spie- ler-Charakteren als eine Explosion eines improvisierten Sprengkörpers stattfin- det und sie zusätzlich beschossen werden. Jetzt wird vom Spieler gefordert, dass er das richtige Verhalten zeigt – sowohl im Bereich der Taktik als auch bei der medizinischen Behandlung. Treten schwere Fehler auf, so erfolgt eine Simulation des korrekten Vorgehens; die Verwundeten, welche die Explosion überlebt haben, können in dem Spiel nicht sterben. Am Ende wird ein automatisiertes Feedback durchgeführt, bei dem gute Leistungen und Fehler verdeutlicht werden. Das Spiel Games for Health 403 wurde während der Ausbildung bereitgestellt und als eine wichtige Ergänzung des Trainings beurteilt.  Wie deutlich wird, liegen Ähnlichkeiten zu dem Grundkonzept des in diesem Artikel beschriebenen Systems vor. Jedoch lassen sich signifikante Unterschiede identifizieren: Im Gegensatz zu dem Szenario in SC1-3D sieht SanTrain mehrere Szenarien mit unterschiedlichen Anforderungen vor und erlaubt dabei eine grö- ßere Variabilität, welche sowohl das Training selbst als auch den Wiederspielbar- keitsfaktor positiv beeinf lusst. Auch nutzt der SanTrain Demonstrator ein Physio- logiemodell, welches eine detaillierte Simulation der Körperreaktionen erlaubt (siehe 4.2). Dies ermöglicht eine Berücksichtigung verschiedener Verletzungs- muster,  ohne dass Änderungen in der Programmierung vorgenommen werden müssen. Kombiniert mit verschiedenen Szenarien ist letztendlich eine feingranu- lare Anpassung an die Fähigkeiten des jeweiligen Spielers und an dessen Lernpro- zess möglich, während SC1-3D lediglich zwei Schwierigkeitsgrade vorsieht. Herausforderungen der technischen Entwicklung von Serious Games Um die für SanTrain entwickelten Konzepte in ein Spiel integrieren zu können, müssen diese in eine passende formale Struktur überführt und entsprechende Algorithmen entworfen werden. Dies betrif ft unter anderem das Simulationsmo- dell im Physiological Module (siehe 4.2), die Konzepte für das Feedback (siehe Ka- pitel 3) oder das Performance Assessment. Doch wie sieht der konkrete Algorith- mus aus? Auf welche Datenkonstrukte greift er zurück? Dies sind Fragen, die bei der Implementierung durch die Informatik beantwortet werden müssen. Neben der Umsetzung der konkreten Idee müssen weitere Aspekte wie Performance und Speicherplatzbedarf beachtet werden. Das Spielerlebnis darf nicht durch interne Systemberechnungen beeinträchtigt werden. Diese Aspekte betreffen vor allen Dingen Onlinesysteme, die ohne merkliche Verzögerungen Rückmeldungen ge- ben sollen. Zusätzlich zu den Bestandteilen der didaktischen und fachspezifischen Seite kommen noch Komponenten des eigentlichen Computerspiels hinzu, die durch die Informatik zu entwickeln sind: Spätestens an dieser Stelle müssen Aufga- ben wie Scripting, die Umsetzung von KI-Methoden (Künstliche Intelligenz) für die Non-Player-Characters (NPCs) im Spiel, siehe auch Abbildung 2, eine Kolli- sionserkennung und ein Kollisionsumgang, die Berücksichtigung physikalischer Grundkonzepte und vieles mehr bewältigt werden (McShaffry und Graham 2012). Die genaue Ausgestaltung des Spiels richtet sich nach der Zielgruppe des Seri- ous Games und deren Bedürfnissen sowie nach dem gewählten Genre des Spiels (Eichenberg, Küsel und Sindelar 2016). Spielgattungen wie First-Person-Shooters, Fighting Games, Racing Games, Rollenspiele oder auch Strategiespiele folgen je- weils eigenen Konventionen bezüglich Spielmechanik, Stil, Kameraführung, Ani- 404 Hofmann et al� mationen und führen aufgrund ihrer unterschiedlichen Schwerpunktsetzung zu anderen Anforderungen bezüglich Umsetzung und Technik (Gregory 2015, 13ff.). Für SanTrain wurde daher die Egoperspektive und eine Patientensicht gewählt, da diese den Erfahrungen der Zielgruppe und den Ausbildungsinhalten entsprechen. Bei der Umsetzung eines Serious Games kann in der Regel auf vorhandene Game Engines und die dort bereitgestellten Werkzeuge zurückgegriffen werden. Die Game Engine stellt das Herzstück eines digitalen Spiels dar. Sie übernimmt die Kontrolle über den Spielablauf und die Interaktion mit dem Spieler. Waren in der Anfangszeit der digitalen Spiele Eigenentwicklungen üblich, so werden heute zur Vereinfachung des Entwicklungsprozesses und zur Senkung der Kosten kom- merzielle Game Engines wie Unreal, Unity 3D oder Open Source-Entwicklungen wie Ogre3D herangezogen (Gregory 2015, 26ff.). Der erstellte Demonstrator der SanTrain-Studie greift hier auf eine Weiterentwicklung der Ogre3D-Engine zu- rück. Auch die genaue Ausgestaltung und Implementierung der Benutzeroberf lä- chen ist ein wichtiger Punkt. Diese müssen verschiedenen Anforderungen genü- gen, die der Didaktik, der Psychologie oder auch der Designtheorie entstammen. Gefordert wird u.a. eine intuitive Bedienung. Auch ist es wichtig, den Spielablauf so wenig wie möglich zu unterbrechen. Ein wesentlicher Aspekt bei Serious Games ist die Verbindung von Unterhal- tung mit Lern- und Trainingsinhalten. Hier stellt die Immersion des Spielers in das Spielgeschehen einen wesentlichen Faktor dar. Der Spieler sollte das Gefühl haben, tatsächlich im Spiel zu sein. Verwandte Begriffe sind Präsenz und Flow- Zustand (Wiemeyer et al. 2016). Eine Grundvoraussetzung hierfür ist eine ent- sprechende Gestaltung der Spielmechanik und der Spielgeschichte. Durch die ge- wählte Visualisierung, den Sound und auch durch das entsprechende Verhalten der NPCs kann der Effekt verstärkt werden, wie im Folgenden erläutert wird. Übersicht über einzelne Funktionen von SanTrain Physiologiesimulation: SanTrain arbeitet mit dem Modul PASIM (PAtientenSIMu- lation), das die Simulation von Patienten und Verletzungsmustern ermöglicht und Behandlungsgegenstände implementiert. Damit die einzelnen Vorgänge im Körper je nach Verletzung und erfolgter Behandlung korrekt abgebildet sind, wer- den in SanTrain deren Wechselwirkungen in einem komplexen und authentischen Physiologie-Modell simuliert und visualisiert. Das SanTrain zugrunde liegen- de Modell ist in Umfang, medizinischer Simulationsmächtigkeit und genereller Plausibilität mit kommerziellen Spielen nicht zu vergleichen – es geht weit darü- ber hinaus. Zudem erfordern Neuerungen ständige Anpassungen. Mit einer ein- maligen 3D-Visualierung ist daher weniger erreicht als oft angenommen. Auch je- des für die unabhängige Weiterbildung tatsächlich beschaffte Serious Game wäre Games for Health 405 der Forderung nach kontinuierlich zu überprüfender Plausibilität seiner medizi- nischen und taktischen Elementarprozesse unterworfen. Falsche Vorstellungen, die durch autonom gespielte Serious Games zunächst erzeugt und anschließend durch stundenlanges unbegleitetes Spielen verinnerlicht werden, wären schwer zu korrigieren und sind mithin intolerabel. Während des Spielverlaufs von SanTrain sollen bis zu 20 verwundete Personen gleichzeitig simuliert werden können. Die Simulationszeit für jeden dargestellten Patienten wird vom Frontend dynamisch vergeben. Die höchste Priorität haben dabei Verwundete, die gerade behandelt werden. Eine mittlere Priorität haben sichtbar Verwundete und die niedrigste Priorität nicht sichtbar Verwundete. Das Spiel basiert auf der Emergency 5-Engine und wurde durch Pallas Athena Immer- sive Virtual Systems GmbH umgesetzt. Die Patienten und deren Verletzungen werden so realistisch wie möglich dargestellt. Farben werden ohne Grafikfilter dargestellt und alle Handlungen im Spiel finden tagsüber statt. Audioef fekte: Im Spiel gibt es keine Musik, jedoch Soundeffekte; z.B. in Form von Vitalzeichen, Explosionen und Schmerzensschreien. Auch kommen Sprachauf- nahmen zum Einsatz (auf Deutsch), da die dargestellten Charaktere (z.B. Ver- wundeter, Buddy, der eigene Charakter) miteinander sprechen können. Immersion: Immersion nimmt in SanTrain einen hohen Stellenwert ein. Daher wurde die Umgebung im Spiel realitätsnah gewählt (Wüstensetting mit Bergen, Lehmhütten, Feldern, Dünen usw., basierend auf entsprechenden Aufnahmen), um das abbilden zu können, was die Zielgruppe am ehesten im Auslandseinsatz zu erwarten hat und die Objekte haben realistische Proportionen. Die Spielwelt wurde kontinuierlich erweitert und angepasst, vor allem aber anhand von Exper- tenbefragungen entworfen. Neben der detailgetreuen Gestaltung der Spielumge- bung wurde die Rolle des Spielers immersiv gestaltet. Das heißt, dass der Spieler in seiner Rolle im Spiel verankert werden soll. Dazu gehört, dass der Spieler hört, wie sich die Atmung des Spielcharakters beschleunigt, wenn er rennt. Position und Bewegung geben zusätzliches Feedback zum Spielcharakter und dessen Interaktion mit der Spielwelt. Selbstgespräche im Spiel dienen dazu, die soge- nannte Selbstdarstellung auszubauen. Eine Herausforderung war es, Verletzun- gen, Vitalzeichen und Behandlungen immersiv und korrekt darzustellen. Dazu waren etliche Entwicklungsschleifen und Rücksprachen mit Ärzten notwendig. Jedoch war dies unverzichtbar, damit der Wiedererkennungswert des im Spiel verwendeten Equipment so hoch ist, dass die Übertragung von im Spiel erlerntem Wissen in die Realität auch möglich wird. Auch die Erzeugung von Stress spielt eine wichtige Rolle: Die Immersion dient dafür als Mittel zum Zweck. Im Ver- gleich zu auditiven Elementen war die Entwicklung der Grafik merklich aufwen- diger, obwohl diese nicht dieselben Immersionsverbesserungen erzielen konnte. 406 Hofmann et al� Visuelle Unstimmigkeiten sind einfacher zu erkennen und werden sehr schnell als störend empfunden. Sind Darstellungen nebeneinander unterschiedlich de- tailliert, irritiert das ebenfalls die Spieler. Das bedeutet, dass alle Grafiken einen ähnlich hohen Detailgrad aufweisen müssen. Wird eine Darstellung anders, d.h. detaillierter dargestellt, müssen alle anderen Objekte etc. im Spiel nachgebessert werden. Dementsprechend wichtig ist es, zu Beginn der Entwicklung und Umset- zung eines Spiels einen festen Abstraktionsgrad festzulegen, von dem möglichst nicht mehr abgewichen wird. Ein wichtiger Punkt in diesem Kontext ist neben der möglichen Genauigkeit von grafischen Darstellungen die Vermeidung von Fehlern, welche die Immersion des Spielers in das Spielgeschehen stören können. Zwar treten solche »Bugs« bei reinen Unterhaltungsspielen wie auch Serious Games auf, doch sind sie gerade bei Letzteren als äußerst kritisch zu beurteilen, da sie zu einer Beeinträchtigung des Lern- bzw. Trainingserfolgs führen können. Im Fall der SanTrain-Studie be- trif ft dies u.a. das Verhalten der NPCs, d.h. der Mitglieder der Patrouille und der Feinde. Würden hier Soldaten bei einem Angriff den Gegnern den Rücken zu- drehen und sich nicht an den Kampf handlungen beteiligen, läge eine signifikan- te Diskrepanz zu dem erwarteten realen Verhalten vor, welches einen Verlust an Immersion und sogar eine Ablehnung des gesamten Spiels zur Folge haben kann. Daher müssen die entsprechenden KI-Konzepte für die Steuerung der NPCs sorg- fältig implementiert werden (Yannakakis und Togelius 2018, 143ff.). Gleiches gilt für die Umsetzung des Patientenavatars. In diesem Fall muss sowohl die Darstel- lung zu den Verletzungsmustern passen als auch die Reaktion des Patienten an- gemessen sein. Katalytische Elemente: Um den Spielcharakter von SanTrain zu stärken, wurden katalytische Elemente generiert. Katalysen sind Kleinstgeschehen, die keinen direkten Einf luss auf das Spielgeschehen haben und konsekutiv aufgebaut sind (Barthes 1988). Mit ihnen soll z.B. die Motivation der Spieler aufgrund des Spiel- charakters erhöht werden und ermöglicht werden, ein Belohnungssystem zu in- tegrieren, das zusätzlich zu den übergeordneten Lernzielen eingesetzt wird. Die Entscheidung, katalytische Elemente einzusetzen, wurde erst im späteren Ver- lauf des Projektes getroffen. Die korrekte Darstellung der Taktik und medizini- schen Handlungen hatten sich selbstverständlich zum Fokus entwickelt. Dies war jedoch dem Spielcharakter abträglich, so dass entschieden wurde, katalytische Elemente zu entwickeln, um SanTrain deutlicher von einem Ausbildungssimula- tor zu unterscheiden. So wurden in das Spiel verteilte Postkarten als Sammelob- jekte, ein verstecktes Graffito und eine Vogelscheuche, die auf Handzeichen re- agiert, als sogenannte Easter Eggs integriert. Games for Health 407 Adaptives Gameplay: Das für SanTrain gewählte adaptive Gameplay entstand durch den pädagogischen Anspruch, auf spielerische Weise Lerninhalte zu ver- mitteln. Erbringen Spieler in einem Level schlechte Leistungen, sollte im nächs- ten Level eine vergleichbare, ggf. leichtere Aufgabe verwendet werden. Das gilt auch umgekehrt: Wurde in einem Level eine Aufgabe besonders gut gemeistert, so soll es im nächsten Level eine schwerere Aufgabe mit weniger Hilfestellung geben. Das adaptive Gameplay wurde in einem eigenen Freeplay Mode-Level entwickelt. Die Verwendung von Hilfestellungen im Spiel hat sich jedoch für das gesamte Spiel als sinnvoll erwiesen, wenn Spieler zu lange brauchen, um eine ge- forderte Aktion durchzuführen. Übersicht über weitere geplante Elemente: Für das Spiel SanTrain ist ein Szenarien- Editor geplant. Dieser könnte als zusätzliches Element durch die Vielzahl an Kombinationen von Szenarien und Faktoren einen Mehrwert an Spielspaß und Langzeitmotivation erreichen. Um eine kontinuierliche Weiterentwicklung von SanTrain zu ermöglichen und zu optimieren, wird derzeit ein E-Mail-Feedback-System für Fachexperten er- probt. Diese können vor Ort die neueste Version des Serious Games testen und gewünschte Änderungen direkt an die Entwickler weitergeben. Dafür sind drei Elemente notwendig: die Hardware (geeignete Notebooks), die Fernwartungs- software und ein integriertes Feedbacksystem. Um Feedback von Experten ein- holen und umsetzen zu können, sind vor allem die Beschreibung einer gewünsch- ten Änderung, die Log-Datei und ein Screenshot der Situation notwendig. Um ein Serious Game für die medizinische Ausbildung dauerhaft einsetzen zu können, ist neben der laufenden Aktualisierung von Inhalten auch die Über- tragung auf verschiedene Medien notwendig. Virtual Reality oder Augmented Reality sind daher die nächsten Schritte, auch um den Spielern moderne Spieler- lebnisse zu ermöglichen und noch realitätsnaher auszubilden. Zusätzlich wurde neben der inhaltlichen Weiterentwicklung und institutionellen Einbettung (Ver- fügbarkeit des Spiels für die Soldaten) auch die Etablierung eines Qualitätsma- nagementsystems notwendig. Dies wird bereits in SanTrain eingesetzt, indem es u.a. ein regelmäßiges Bug-Reporting gibt. Fazit Wie deutlich wird, lassen sich die Aufgaben der Informatik im Projekt SanTrain in zwei Gruppen einteilen: die Umsetzung der didaktischen und fachspezifischen Konzepte und die Implementierung des Spiels an sich. Beide sind dabei allerdings nicht getrennt voneinander zu sehen, da ein Serious Game nur dann funktionie- ren kann, wenn eine passende Integration der Bereiche geschaffen wird. Die mo- dulare, technische Struktur von SanTrain erlaubt dabei eine Wiederverwendung 408 Hofmann et al� der einzelnen Komponenten, insbesondere des Physiologiemodells, welches als Grundlage weiterer Serious Games im medizinischen Bereich genutzt werden kann. 5. Herausforderungen der sachgerechten Entwicklung des Lernspiels SanTrain aus medizinischer Sicht Während in der Ausbildung in Präsenzveranstaltungen die Art und Relevanz von Übungskünstlichkeiten leicht vom Ausbilder situationsabhängig erläutert wer- den kann, könnte eine sachliche Abweichung von den realen Prozessen in einem autonom gespielten Serious Game zu falschen Vorstellungen von der Wirklichkeit führen. Besondere Bedeutung erhält dieser Umstand dadurch, dass beim Spielen praktisch immer auch gelernt wird – mitunter leider das Unzweckmäßige. Der schlimmste anzunehmende Fall ist daher bei Serious Games nicht, dass nichts gelernt wird, sondern dass schwer zu korrigierendes Falsches gelernt wird. Im Unterschied zu Präsenzveranstaltungen, bei denen die Subjektivität aller Ansich- ten stets offenkundig ist, würde ein offizielles Serious Game darüber hinaus eher ›Lehrbuchcharakter‹ besitzen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Abbildung der für das jeweilige Spiel zentralen Prozesse aus der Wirklichkeit, im Falle von SanTrain also der medizinischen und militärischen Prozesse, die der Ersten Hilfe im Einsatz zugrunde liegen. Rein physikalisch technische Vorgänge wären im Spiel im Übrigen valide deterministisch abzubilden, d.h. es gibt eine formal korrekte und nur genau eine korrekte Form, sie zu modellieren. Weder Medizin noch Taktik gehören jedoch zu den Disziplinen, in denen sich strenge Va- lidität und Determiniertheit als adäquate Modellierungsprinzipien der Wirklich- keit bewährt oder durchgesetzt hätten. Entscheidendes Kriterium für die Wirk- lichkeitsapproximation im Modell ist daher die Plausibilität der stochastischen Modellierung für Experten. Das heißt aber auch, dass die adäquate Abbildung zumindest teilweise auch Meinungen repräsentiert. Bis sich diese in einem Lehr- medium so verdichten, dass von gemeinsamer, geteilter Plausibilität gesprochen werden kann, vergehen mitunter Jahre. Die jeweils aktuellen Lerninhalte und Anforderungen der Ersten Hilfe im Einsatz werden kontinuierlich ins Spiel eingepf legt. Jedoch wurden dabei auch Schwerpunkte gebildet, die auf dem Erfahrungswissen der am Projekt beteiligten Ärzte und Ausbilder beruhen. Diese Erfahrungswerte sind insofern wichtig, als dass es allgemein in der Medizin, aber vor allem bei der Behandlung von Verlet- zungen in Auslandseinsätzen zu Fällen kommt, in denen ein schnelles, fokussier- tes und vor allem pragmatisches Handeln erforderlich wird. Das Konzept der Ers- ten Hilfe im Einsatz berücksichtigt dies bereits, da es neben der medizinischen Behandlung auch die taktische Komponente beinhaltet. Es lassen sich allerdings, Games for Health 409 basierend auf dem Erfahrungswissen von Ausbildern, durchaus Anwendungs- fälle identifizieren, die besonders häufig trainiert werden sollten. Dazu gehören das Anlegen eines Tourniquets sowie allgemein die Versorgung von Schusswun- den. Diese Fälle wurden in entsprechenden Szenarien in SanTrain berücksichtigt. Auch wenn durch das Gefälle zwischen dargestellter und darzustellender Realität deutlich wird, dass SanTrain die Realität nicht ersetzen kann, müssen die Spiel- inhalte medizinisch korrekt sein und den geltenden Behandlungsrichtlinien ent- sprechen. Gleichzeitig müssen sie so viel Flexibilität aufweisen, dass auch indivi- duelle Behandlungsfälle berücksichtigt werden können, da auch in der Realität Patienten z.B. unterschiedlich auf Verletzungen reagieren. Alle in SanTrain dar- gestellten Verwundungen, Schmerzen und Behandlungsszenarien wurden dem- entsprechend in ausführlichen Besprechungen mit Ärzten abgestimmt und das Behandlungsvorgehen im Spiel durch sie verifiziert. Dies gilt auch für das im Spiel dargestellte Equipment für die Behandlung von Verwundeten. Dieses, wie auch die einzuübenden Behandlungsmuster, ist den Spielern aufgrund ihrer formalen Ausbildung bereits mehr oder weniger bekannt. Hier wird nochmals die Rolle von SanTrain deutlich: Es ist ein die formale Ausbildung ergänzendes Lernangebot. Fazit Die Herausforderungen aus Sicht der Medizin bestehen vor allem darin, dass die Simulation den Plausibilitätsanforderungen genügen muss. Dazu sind ein intensiver iterativer Entwicklungsprozess notwendig sowie Absprachen mit der Informatik. Die Anforderung, dass das Spiel immer aktualisiert werden kann, weil sich z.B. Behandlungsempfehlungen ändern, ist obligatorisch. Ein wichti- ger Unterschied zu einer rein technischen Validation von Variablen besteht darin, dass Vitalparameter eine hohe Variabilität aufweisen und es damit die Notwen- digkeit einer f lexiblen Physiologiedarstellung gibt, wie sie auch in SanTrain um- gesetzt wurde. Gleichzeitig muss alles Dargestellte medizinisch so präzise sein, dass der Erwerb von falschem Wissen so gut wie ausgeschlossen werden kann. 6. Diskussion Die bisherigen Evaluations-Ergebnisse der SanTrain-Studie zeigen, dass zusam- mengefasst das 3D-Serious Game SanTrain den gestellten Anforderungen an ein ständig nutzbares Ausbildungshilfsmittel entspricht und positiv bewertet wird: SanTrain zeigt sich als geeignet zum Wissenserwerb und zum Auf bau von Hand- lungskompetenz und besitzt das Potenzial, sowohl theoretisches Wissen wie praktische Handlungsabläufe im Bereich der Ersten Hilfe im Einsatz zu üben und zu verbessern. Es ist geeignet, gezielt in den formalen Ausbildungskontext 410 Hofmann et al� einbezogen zu werden, um ergänzend zu den bestehenden Lehrangeboten ein- gesetzt zu werden. Diese Ergebnisse entsprechen auch bisherigen Forschungs- befunden (z.B. Susi, Johannesson und Backlund 2007) zum Einsatz von Serious Games in der Ausbildung: In der Meta-Analyse von Wouters, van Nimwegen, van Oostendorp und van der Spek (2013) konnte gezeigt werden, dass spielbasiertes Lernen zu einem höheren Lerneffekt führt. Die bisherigen Befunde zum Spiel aus den Bereichen Akzeptanz, Immersionsgrad, Weiterentwicklung des Spiels und die Herausforderungen der Theorie-Praxis-Kooperation konnten für sich zeigen, dass es sinnvoll ist, die Ausbildung mit einem Serious Game zu ergänzen bzw. zu unterstützen. Akzeptanz Das SanTrain-Projekt zeigt demnach, dass die Ausbildung der Ersten Hilfe im Einsatz durch die Nutzung von Computerspielen sinnvoll ergänzt werden kann. Fundamentalkritik, die Serious Games grundsätzlich in Frage stellen würde, ha- ben jene, die SanTrain tatsächlich erprobt haben, nicht geäußert. Das Medium spricht in der Regel selbst jene Personen an, die Computerspielen bisher eher skeptisch gegenüberstanden. Jedoch müssen bei der Entwicklung eines Serious Games stets der Anwendungskontext und die Lernziele übereinstimmen und auf die Zielgruppe jeweils angepasst sein (Breuer und Tolks 2018), wie es auch im vor- liegenden Projekt der Fall ist. Eine Adaption des Spiels zur Gänze auf andere Be- reiche wäre nicht ohne Weiteres möglich. Insgesamt haben Serious Games eine hohe Inanspruchnahmebereitschaft (Eichenberg, Grabmayer und Green 2016). Bei SanTrain tragen hierzu sicher ent- scheidend der grafische Detailreichtum und die Anschaulichkeit dreidimensio- naler, hochauf lösender, bewegter Bilder sowie die spielerische Interaktion des Auszubildenden mit dem Medium bei. Es hat sich aber gezeigt, dass die wesent- lichen Herausforderungen für autonom (d.h. Ausbilder-, zeit- und ortsunabhän- gig) gespielte Serious Games weder die grafische Animation noch die spielerische Einbindung sind. Es ist die fehlende direkte Rückkopplung zu entsprechenden Ausbildern, die Serious Games besonders machen: Bei klassischen Ausbildungs- formen wird das Niveau des ›Im-Einsatzkontext-Handelns‹ stets unter der Kon- trolle eines Ausbilders erreicht. SanTrain soll aber von Soldaten in deren Freizeit gespielt werden oder wann immer Zeit verfügbar ist. Der Ausbilder als zentrales Steuerelement des gesamten Ausbildungsprozesses ist also für derartige Serious Games nicht (direkt) verfügbar. Eine Möglichkeit der Weiterentwicklung, Erhö- hung der Motivation und Unterstützung des Wissenserwerbs wäre die Imple- mentation eines Multiplayer-Systems. Damit könnten Lerngruppen gebildet und der Spielspaß durch die soziale Komponente erhöht werden. Games for Health 411 Immersionsgrad SanTrain beinhaltet an sich viele Elemente, um möglichst immersiv zu wirken. Je- doch lässt sich Immersion nicht objektiv messen bzw. Messergebnisse sind nicht auf alle Spieler anwendbar. Daher konnte bisher kein objektiver Endzustand be- züglich der Immersion festgelegt werden. Es ist davon auszugehen, dass es im- mer wieder Details geben wird, die dem Spiel hinzugefügt werden können oder dass Experten kontinuierlich weitere Vorschläge einbringen, um die Immersion zu verbessern. Bislang wurde aber der Status erreicht, dass es sich bei Hinweisen um Details handelt und keine grundsätzlichen Veränderungen, die die Immer- sion betreffen. Daraus kann derzeit der Schluss gezogen werden, dass ein aus- reichender Immersionsgrad erreicht worden ist. Weiterentwicklung Prävention psychischer Belastungen. SanTrain entwickelt ein Serious Game zum Training der notfallmedizinischen Kompetenzen. Da der Einsatz dieser Kompe- tenzen in der Regel in Situationen geschieht, die eine besondere psychische und physische Belastung darstellen, muss der Umgang vor allem mit der psychischen Belastung ebenfalls trainiert werden, um Handlungssicherheit zu erlangen und die Wahrscheinlichkeit von Einsatzfolgeschäden wie PTBS zu reduzieren (siehe zur psych. Belastung von Einsatzkräften z.B. Griesbeck 2016; Berger et al. 2012; Karutz und Blank-Gorki 2014; insb. Soldaten siehe Wittchen et al. 2012). Daher soll in einer gerade angelaufenen Machbarkeitsstudie zunächst geprüft werden, wie SanTrain um eine Komponente der Stressprävention erweitert werden kann, um eine ganzheitliche Ausbildung zu ermöglichen und bereits frühzeitig und pri- märpräventiv möglichen psychischen Belastungen zu begegnen. Der Einsatz von internetbasierten Interventionen zur Behandlung von PTBS-Symptomen ist be- reits erprobt und es liegt eine Vielzahl an Wirksamkeitsbelegen vor (zur Übersicht siehe Eichenberg und Zimmermann 2017; Sloan et al. 2011). Ein Großteil dieser Interventionen findet Anwendung im militärischen Bereich und ist dort bereits etabliert (siehe z.B. Rizzo et al. 2011; McLay et al. 2011). Diese Erkenntnisse sollen genutzt und ebenso in einem interdisziplinären Entwicklungs- und Forscherteam in SanTrain integriert werden (Projekt SanTrainPSY). Herausforderungen der Theorie-Praxis-Kooperation. Im Hinblick auf die Projekt- arbeit haben sich vor allem das Finden einer gemeinsamen Sprache, die Ent- wicklung eines f lexibel erweiterbaren Spielkonzepts sowie die Vermittlung von fachspezifischen Herangehensweisen und Sichtweisen auf ein Serious Game als Herausforderung erwiesen. Wissen muss in den Projektgruppen geteilt und vermittelt werden, so dass alle Beteiligten über eine gemeinsame Wissensbasis 412 Hofmann et al� verfügen. Sicherlich ist diese Herangehensweise limitiert, da es nicht möglich ist, einen vertieften Einblick in die Fachgebiete der jeweiligen Kooperationspartner zu gewinnen. Aus der mehrjährigen Projektzeit von SanTrain kann die Erfahrung weitergegeben werden, dass Projektkommunikation, sowie Ref lexions- und Dis- kussionsprozesse einen wesentlichen Teil zum Gelingen eines Projektes beitragen. Die gleichberechtigte Entwicklung von SanTrain durch die beteiligten Disziplinen ist ein aufwendiger, aber in diesem Fall erfolgreicher Prozess gewesen, durch den auch gezeigt wird, dass eine fachübergreifende Entwicklung eines Lernspiels den Spielern und der Nachhaltigkeit eines Spieles zugutekommt. Was den Aufwand der Studie – auch und gerade rückblickend4 – rechtfertigt, ist die Entkopplung der Lernstufe ›Üben im einsatzrelevanten Kontext‹ von der Verfügbarkeit der Ausbilder. Die Anforderungen derartiger Spiele hinsichtlich der vom Computer algorithmisch zu bewältigenden Aufgaben gehen über die bloße Einbindung des Mediums Computerspiel in Präsenzveranstaltungen weit hinaus. Es handelt sich um die automatisierte Führung der Spieler im Game auf der Basis eines didaktischen Konzeptes und durch adaptives Gameplay, die durchgehende Plausibilität aller medizinischen und taktischen Prozesse sowie die automatisier- te Analyse und Auswertung des Spielverlaufs. Diese Punkte ergeben ein weitver- zweigtes Feld an fachübergreifenden Herausforderungen für die Entwicklung eines Lernspiels, die zumindest im Projekt SanTrain bisher erfolgreich gemeistert werden konnten. Ludographie 3D-SC1 (French Military Health Service, 2014) Bibliographie Barthes, Roland. 1988. »Einführung in die strukturale Analyse von Erzähltexten.« In Das semiologische Abenteuer, hg. von Barthes, Roland 102-143. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Bellotti, Francesca, Riccardo Berta und Alessandro De Gloria. 2010. »Designing Effective Serious Games: Opportunities and Challenges for Research.« Inter- national Journal of Emerging Technologies in Learning (iJET) 5. https://www.learn techlib.org/p/44949/, letzter Zugriff: 28.04.2020. doi: 10.3991/ijet.v5s3.1500 4 E ntwicklungszeitraum 2011-2019. Für die Projektdurchführung war und ist die enge Zusammen- arbeit von Medizinern und professionellen Spieleentwicklern entscheidend für den Erfolg. Games for Health 413 Berger, William, Evandro S.F. Coutinho, Ivan Figueira, Carla Marques-Portel- la, Marianna Pires Luz, Thomas C. Neylan, Charles R. 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Cham: Springer International Publishing. doi: 10.1007/978-3-319-63519-4 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: SanTrain Demonstrator: Erste Hilfe im Einsatz (eigene Abbildung, Version 2016) Abb. 2: SanTrain Demonstrator: Feedback nach Levelabschluss: »Good Cop« & »Bad Cop« (eigene Abbildung). 416 Hofmann et al� Abb. 3: Generische Spielstruktur des SanTrain Demonstrators (Lehmann et al. 2013) Zurkenntnisnahme Das Projekt »Simulationsbasiertes sanitätsdienstliches Training für Nicht-Sa- nitätspersonal und Sanitätspersonal« (SanTrain) wird vom Bundesministerium der Verteidigung finanziert mit dem folgenden Förderkennzeichen: – Q/UR2C/ AA134/AC016 Am Projekt »SanTrain« sind folgende Institutionen beteiligt: • Institut Technische Informatik, Fakultät Informatik, Universität der Bundes- wehr München, Deutschland • Lehrstuhl Medienpädagogik, Fakultät für Humanwissenschaften, Universität der Bundeswehr München, Deutschland • Sektion Notfallmedizin, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Deutschland • Pallas Athena – Immersive Virtual Systems GmbH, Deutschland Das Projekt wird von der Sanitätsakademie der Bundeswehr begleitet und be- treut.5 5 Besonderer Dank gilt Herrn Oberfeldarzt Dr. Lars Schneidereit von der Sanitätsakademie der Bundeswehr und dem gesamten SanTrain-Projektteam an der Universität der Bundeswehr Mün- chen: Monika Eder, M.A., Thomas Gebhardt, M.Sc., Dipl.-Inf. Nadija Leopold, Mag. Armin Leo- pold, Mag., Patrick Reißing, M.Sc., PhD, M.A. und Hauptmann Kevin Röhrborn, M.Sc.