544 Michael Hofmann: Uncommon Sense. Zur Kritik von Öffentlichkeit als demokratischem 1001.- Mainz: v. Hase & Koehler 1988 (Kommunika- tionswissenschaftliche Bibliothek, Bd. 11), 302 S., DM 48,- Die vorgelegte Untersuchung, soviel sei vorweg gesagt, ist in ihrer Dichte und Fülle von Material sowohl kommunikationswissenschaftlich, medienwissenschaftlich als auch referenzlinguistisch (sigmatisch) sehr hilfreich und voller Anregungen. Sie gliedert sich in sieben Kapitel und einen Exkurs, der als eine Art Anwendungskapitel verstanden werden kann. Bereits im einführenden Kapitel über einen möglichen kritisch-histori- schen Ansatz der Kommunikationswissenschaft wird dargelegt, in welch großem Ausmaß die gängigen Ansichten über die 'öffentliche' Meinung mit der Geistes- und Sozialgeschichte Europas und Amerikas verknüpft sind. Historisch könnte man allerdings noch weiter zurückgehen, als es hier geschieht, nämlich bis zum Mittelalter. Das gilt besonders für das zweite Kapitel "Öffentliche Meinung als mo- ralischer, kritischer und sozialwissenschaftlicher Begriff"; denn bei der dort geführten Diskussion über die Beziehungen von Ethik, Politik und Religion ist zu bedenken, daß es schon im Mittelalter eine Unterschei- dung der Verhaltensvorschriften in einem individuellen (seelischen) Bereich (Ethik), in einem familiären Bereich (Ökonomie), in einem staatlichen Bereich (Politik) und in einem gegenüber Gott (Religion) gab, die zu Verhaltenskonflikten führen konnte. So scheint mir die An- knüpfung an Locke für eine generelle Perspektive zu eng; doch ist Lockes "La w of Opinion or Reputation" sicher ein bedeutendes Datum für eine entsprechende Diskussion in der Neuzeit. Im dritten Kapitel behandelt Hofmann die "Kritische Öffentlichkeit" als gattungsgeschichtliche Notwendigkeit bzw. als politische Voraus- setzung der bürgerlichen Revolution. Er baut das Kapitel als Kritik an Habermas' Idealtypus der Dialektik von materieller Produktion und herrschaftsfreier Kommunikation auf - wobei auffällig ist, wie unkri- tisch Habermas' Vorstellung, in der bürgerlichen Familie wäre herr- schaftsfreier Dialog möglich, behandelt wird. In den folgenden Kapi- teln (4-6) über Bacons Kritik der Idole, Paines Idol des Common Sense in der Demokratie und über die Aktualität von Walter Lippmanns Kritik des demokratischen Idols wird auf das eigentliche Ziel der Untersuchung hingearbeitet, wodurch im Kapitel 7 über Instrumentali- sierung vs. Erkenntnisorientierung in der öffentlichen Kommunikation die mögliche Schlußfolgerung gezogen wird, im Zusammenhang mit der Erläuterung eines kritischen aktuellen Standpunkts. Im Exkurs (Politik als Image) wird Nixons "Checkers"-Rede als medienspezifische Insze- nierung öffentlicher Kommunikation analysiert, als eine Art Anwen- dung vorher erörterter Standpunkte. Auch dieser Exkurs ist lesens- wert, wie überhaupt das ganze Buch. Rupprecht Rohr