Artikel Lars Koch* Über artivistische Interventionen. Invektivität, Medien, Moral © 2021 Lars Koch, licensee De Gruyter Open. This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License 248 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 Abstract: On the basis of two aesthetic interventions of Christoph Schlingensief and the Center for Political Beauty (ZPS) this article analyses the relationship between artivism and invectivity. In each case the underlying theatrical dispositifs are being discussed. With this, the article inquires into the respective procedures of disturbing the audience and the public. Whereas Schlingensief’s politics of form aims at creating a sphere of ambiguity, the ZPS is all about stimulating moral indignation. This also reflects the diametrically opposed capabilities of artivistic art: Controversy on the one hand, partisanship on the other. Keywords: Invektivität, Artivismus, konfliktuelle Ästhetik, Schlingensief, ZPS, Rancière – Invectivity, Artivism, conflictual aesthetics, Schlingensief, ZPS, Rancière *Prof. Dr. Lars Koch, Technische Universität Dresden, Institut für Germanistik, Professur für Medienwissenschaft und Neuere deutsche Literatur, lars.koch@tu-dresden.de Das Verletzen und Beleidigen, die Beschimp- linie ziehen zu aktuellen Avantgarde-Protokollen fung des Publikums und auch die Missachtung der Skandalisierung und des Resonanzkalküls, von Regeln des guten Geschmacks gehören zum wie sie etwa für Santiago Sierra, Jonathan Meese bewährten Affizierungsinstrumentarium moder- oder Mathieu Malouf charakteristisch sind. In den ner Aktionskunst. Spätestens seit den künstleri- hier zur Schau gestellten Inszenierungen – man schen Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts denke etwa an Sierras Aktion, in der er arbeits- ist die Transgression moralischer oder ästheti- losen kubanischen Jugendlichen einen Strich auf scher Konventionen eine weit verbreitete Moda- den Rücken tätowierte1 oder an Maloufs antise- lität der Aufmerksamkeitserzeugung, mit der mitische Skulptur #luketurnerisretarded2 – eines die kunsträsonierende Öffentlichkeit immer zu invektiven Zynismus, setzt sich eine Strategie rechnen hat. Filippo Marinettis ästhetische Feier des selbstreferenziellen Trollings in Szene, die der Gewalt (Manifest des Futurismus, 1909) oder manchmal dem ironischen Nihilismus der Alt Right auch André Bretons Forderung, mit einem Revol- nahe kommt.3 Angetrieben von der Affordanz der ver in die Menge zu schießen (Zweites Manifest sozialen Medien, die eine „digitale Affektkultur des Surrealismus, 1930), sind nur zwei Beispiele für diese Selbstinszenierung des Künstlers als 1 250 cm Line Tattooed on 6 Paid People Espacio Aglu- Souverän, der der entstehenden Massengesell- tinador, Havana, Cuba, December 1999, vgl. https:// schaft ebenso verachtend gegenüber zu stehen sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/250-cm-line-tat- behauptet wie dem Normenrepertoire einer bür- tooed-on-6-paid-people-espacio-aglutinador (letzter Zu- gerlichen Kunst- und Kulturgesinnung. griff 20.04.2020). Von den avantgardistischen Anfängen der Ver- 2 Vgl. Stromberg (2019) Los Angeles gallery opens show. 3 „Dadurch, dass die Ironie in der Lage ist, ethische Fragen bindung von Authentizitätsinszenierung, Gewalt- zu durchkreuzen, wird die Umkehrung der ihr anhängigen pose und Invektiv-Kommunikation lässt sich über sozialen Funktionen ermöglicht, sodass sie im Aufgeben Fluxus in der Musik oder Martin Kippenberger und des Politischen die Herrschaft nicht mehr hinterfragt, son- die anderen ‚neuen Wilden‘ der späten 1970er und dern affirmiert. Ironie bestätigt hier diejenige Ideologie, 1980er Jahre in der Malerei eine Verbindungs- die sie abzuwerten oder zu ignorieren vorgibt, indem sie jede potenzielle oder vermeintliche Alternative negiert.“ Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 249 des Extremen“4 begünstigt, realisiert sich hier ein Intervention meist um eine temporäre Aktion im aufmerksamkeitsökonomisch informiertes Beleidi- öffentlichen Raum, die mit dem Ziel verbunden gungsprogramm, das einmal mehr die ästhetische ist, die öffentliche Wahrnehmung zu schärfen, zu Provokation zum zentralen Mittel der Steigerung provozieren und mit Blick auf kulturelle, soziale von Popularität macht. Invektivität dient dabei als und politische Fragen und Themen zu entautoma- Ressource einer affizierungsintensiven Selbstrefe- tisieren.8 Happening und Flashmob als Paradebei- renz, die das Soziale und das Politische den eige- spiele für interventionistische Kunst etwa leben nen, kunstinternen Codes unterwirft. von einer performativen Praxis, die sowohl für Einer anderen funktionalen Logik – so scheint Performer*innen als auch für Zuschauende eine es zumindest – folgt die Strategie invektiver situativ außeralltägliche und mit hohem Irritati- Adressierung von Publikum und Öffentlichkeit onspotenzial angereicherte Wirklichkeit schafft.9 im Kontext aktueller ästhetischer Interventio- Beruhend auf einer Strategie des Eingreifens in nen, die eine direkte soziale und politische Wirk- oder des Unterbrechens von öffentlicher Ordnung samkeit der Kunst realisieren wollen. Auch im leisten ästhetische Interventionen insofern eine Kontext dieser theatralen „Gesellschaftsspiele“5 spezifische Arbeit am symbolischen Repertoire der kommen Techniken der konfrontativen Dissens- Gesellschaft: Sie greifen kulturelle Routinen an, Produktion zum Einsatz, nur dient die Erregung geben ihnen so „den in der fortlaufenden Pragma- der Öffentlichkeit in diesem Fall einem anderen tik ihrer Anwendung vergessenen Charakter radi- Ziel. Wie schon das Label Artivismus vermuten kaler Fragwürdigkeit“10 zurück und machen damit lässt, geht es in der programmatischen Annä- latente Alternativen sicht- und erfahrbar.11 Schon herung von Kunst und sozialer Bewegung hier bei Guy Debord und den Situationist*innen ging darum, die Gesellschaft mit den Mitteln der Kunst es im Sinne Antonio Gramscis um eine Störung mindestens zu irritieren und im besten Falle auch des common sense,12 um eine gegenhegemoniale zu verändern. Während Künstler wie Mathieu „Arbeit, die von Individuen und Kollektiven ohne Malouf, Jonathan Meese oder auch Damien Hirst Legitimation geleistet wird, die versuchen, die die Transgression als Möglichkeit radikaler Kunst- Karte des Möglichen neu zu zeichnen.“13 Ästheti- Autonomie zelebrieren, betonen Vertreter*innen sche Interventionen, die es sich als „Dynamisie- des Artivismus das Primat eines politisch-ethi- rung der soziopolitischen Ordnung“14 zur Aufgabe schen Projektes, dessen kommunikativer Aus- machen, den gesellschaftlichen Konsens aufzu- gestaltung die künstlerische Darstellung zu die- stören, wollen den kollektiven Möglichkeitssinn nen habe. Invektivität wird hier zur vielgenutzten stimulieren, indem sie die unhinterfragte Selbst- Ressource eines ästhetischen Engagements, das verständlichkeit der gesellschaftlichen Verhält- sich im Sinne autonomer Heteronomie mehr oder nisse unter Stress setzen. Diese Verfremdung der weniger ästhetisch vermittelt in den Dienst einer sozialen Wirklichkeit geschieht in der Hoffnung, politischen Sache stellt. Sie findet „als herabset- in den ästhetisch organisierten Erfahrungen von zende Identifizierung von Personen oder Grup- pen“6 Verwendung mit dem Ziel, die Zuschauen- ‚sich in die Angelegenheiten eines anderen Staates ein- den zu Positionierung herauszufordern und sie so mischen‘. Im Kontext des Militärischen: RAF: Gewaltsame aus der ihnen zugeschriebenen konsumistischen Aktionen als ‚revolutionäre Interventionen‘ der politischen Indifferenz herauszuholen. Avantgarde; politisch-militärische Interventionen als Streit- In Aneignung der ursprünglich politisch-mili- fall des Völkerrechts, insofern damit der in der UN-Charta tärischen Semantik7 geht es bei der ästhetischen von 1949 verankerte ‚Grundsatz souveräner Gleichheit‘ und damit auch das Prinzip der Nichteinmischung verletzt wird. 8 Zum Konzept der Entautomatisierung vgl. den klassi- Pinto/Stakemeier (2019) Glossar, S. 95. Vgl. hierzu auch schen Text von Šklovskij (1969) Kunst als Verfahren. Colebrook (2000) Meaning of irony, v.a. S. 7. 9 Vgl. Warstat et al. (2015) Theater als Intervention. 4 Reckwitz (2017) Gesellschaft der Singularitäten, S. 270. 10 Lehmann (2011) Wie politisch ist das postdramatische 5 Vgl. Malzacher (2020) Gesellschaftsspiele. Theater?, S. 35. 6 Häusler/Heyne/Koch/Prokic (2020) Verletzen und Belei- 11 Vgl. zum kritischen Potenzial des Prinzips ästhetischer digen, S. 309. Störungen Koch/Nanz/Pause (2018) Disruptions in the Arts. 7 Verb franz. ‚intervenir‘, lat. ‚interventio‘, ‚einschreiten, 12 Vgl. Snir (2016) Not just one common sense. vermitteln‘, im 17. Jahrhundert aus dem Französischen ent- 13 Rancière (2011) Moments politiques, S. 14. liehen, ab dem 19. Jahrhundert vor allem in der Bedeutung 14 Surmann (2014) Ästhetische In(ter)ventionen, S. 23. 250 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 Ambiguität den herrschenden Eindruck von Alter- tieren oder explizit ausformuliert – ein Nachden- nativlosigkeit als Produkt hegemonialer Anstren- ken über den gesellschaftlichen und symbolischen gungen durchsichtig und problematisch werden Ermöglichungszusammenhang von Invektiv-Kom- zu lassen.15 munikation. Dergestalt auf die Ebene von Metain- Artivistische Interventionen können dort, wo vektivität19 transponiert, diskutiert die ästhetische das ästhetische Kalkül aufgeht und die taktisch Intervention das spannungsgeladene Verhältnis eingesetzte Invektive ein Feuerwerk von erbosten von „Subjektsein, Sprechen und Vernommen- Anschlusskommunikationen zündet, dazu beitra- werden“20 und bezieht auch die eigene Position gen, „die von der Erfindung der Gleichheit ver- im sozialen Geschehen wechselseitiger invektiver ursachten Risse im Herrschaftsgefüge spürbar zu Zuschreibungen, des Aneinander-Vorbeiredens machen und die Denkoperationen, die sie andau- und der (produktiven) Missverständnisse mit ein. ernd zu kitten versuchen, aufzudecken.“16 Artivis- Entscheidend für eine solche interventionistische tische Invektiv-Kommunikation wirkt dann, wenn Politik der Form ist dabei, die manifeste Konstella- sie mit einer Ästhetik der prekären Exponierung tion von Macht, Ausbeutung, Diskriminierung und operiert, wie ein Brandbeschleuniger, der situativ Herabsetzung nicht alleine als Ausdruck konkreter die sozialen Positionen der beteiligten Akteur*in- politischer Programme und Ideologien zu kritisie- nen und Zuschauer*innen entsichert, eine öffent- ren, sondern sie zugleich in einem prinzipiellen liche Situation erschütternder Desorientierung Sinne als Effekt einer ganz basalen „Aufteilung erzeugt und damit politische Zuschreibungs- des Sinnlichen“21 zu fassen, die als hegemoniale praktiken zur Disposition stellt. In diesem Sinne Habitualisierung von Seh- und Wahrnehmungsge- realisiert das theatrale Dispositiv des Artivismus wohnheiten den kollektiven Vorstellungshaushalt performativ ein „Exponierungsgeschehen […], in der Gesellschaft formatiert. dem sich das Ausgesetztsein an den anderen und Eine andere Strategie, die gerade unter den damit die Potenzialität der Verletzung, Beleidi- Bedingungen der aktuellen gesellschaftlichen gung, Herabsetzung als eine Grundbedingung von „Diskurs verwilderung“22 auf viel Resonanz in Subjekt und Sozialität ausdrückt. So verweist die Öffentlichkeit und sozialen Medien stößt, besteht theatrale Exponiertheit auf eine genuine Verletz- in der willentlichen Forcierung von dichotomen barkeit des Subjekts, auf seine Angst vor der Ver- Konfliktlagen. Während die zuvor kurz skizzierte letzung, in der jede Machtbeziehung begründet Politik der Form auf eine Verunordnung der beste- ist.“17 Die politische Dimension ästhetischer Inter- henden Ordnungen – der Politik, des Sozialen, des ventionen manifestiert sich so in einem „Konflikt Diskurses oder auch des Sinnlichen – hinarbeitet, über das Dasein einer gemeinsamen Bühne, über geht es in der alternativen Variante um das Pro- das Dasein und die Eigenschaften derer, die auf gramm einer Zuspitzung: Letztere nutzt Invekti- ihr gegenwärtig sind.“18 Wo dies passiert, ist die vität vornehmlich als Ressource, mit deren Hilfe Invektive nicht mehr bloßes Mittel zum Zweck der politische Konfliktlagen – zumindest rhetorisch – Aufmerksamkeits- und Affektmobilisierung, son- in eine Logik des Antagonismus übersetzt werden dern artikuliert zugleich auch – als implizites Insis- sollen. Im Rahmen eines solchen Wirkungskalküls intensivierter Konfrontation trägt Invektiv-Kom- 15 Dass diese Interventionsmuster in den letzten Jahren munikation im Regime des Ästhetischen dann unter Anleitung von Götz Kubitscheck von der Identitären dazu bei, Subjektpositionen zu verhärten, positiv Bewegung (IB) angeeignet wurden, verweist auf eine der- wie negativ konnotierte Identitätszuschreibungen zeit zu konstatierende Krise der emanzipativ orientierten zu stabilisieren und die Konfliktualität des Sozia- künstlerischen Kritik. Bemerkenswert ist zudem, dass nicht alleine die kommunikativen Strategien, sondern auch len aus dem Register des Politischen in jenes der die Formen und ästhetischen Verfahren der Aufstörung ad- Moral zu übertragen. Während Invektivität im ers- aptiert wurden. Vgl. hierzu die Analyse von Ulrich (2017b) Schönheit; Wagner (2017) Angstmacher, S. 128–153; Koch (2020) Gefühlspolitik, S. 102f. 19 Vgl. zum Konzept des Metainvektiven die Überlegun- 16 Rancière (2011) Moments politiques, S. 12. gen von Scharloth (2017) Hassrede und Invektivität. 17 Häusler/Heyne/Koch/Prokic (2020) Verletzen und Be- 20 Kleesattel (2016) Politische Kunst-Kritik, S. 41. leidigen, S. 308. 21 Rancière (2006) Aufteilung des Sinnlichen. 18 Rancière (2002) Unvernehmen, S. 38. Vgl. hierzu auch 22 Pörksen/Schulz von Thun (2020) Kunst des Miteinan- Wihsturz (2014) Streit um die Bühne. der-Redens, S. 10. Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 251 ten Fall als produktiver Faktor zu einem politischen die routinierten Prozeduren der hegemonialen Widerstreit beiträgt, ist sie im zweiten Fall bloßes Herstellung von Normalität bewerkstelligen lässt. Mobilisierungsvehikel einer selbstsicheren mora- Während damit zunächst das Element invek- lischen Positionierung, von der aus der unüber- tiver Adressierung als wiederkehrendes Moment sichtliche, komplexe Wirkungszusammenhang artivistischer Interventionen herausgestellt wird, der Politik anhand eindeutig gezogener Demarka- sollen im Anschluss mit der Gegenüberstellung tionslinien überblickt und gedeutet werden kann. von Schlingensief und dem ZPS zugleich auch Wenn vor dem Hintergrund dieser allgemeinen zwei diametral entgegengesetzte Konzepte der Überlegungen zu Invektivität als Thema und Ver- politischen Wirksamkeit von Aktionskunst kon- fahren des Artivismus im Folgenden mit Christoph trastiert werden. Während bei Schlingensief die Schlingensiefs Containeraktion Bitte liebt Öster- Produktion ästhetischer Widersprüchlichkeit zum reich von 2001 und der Aktion Flüchtlinge Fres- Einsatzpunkt von politischem Widerspruch wird, sen des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) geht es beim ZPS-Vordenker Philipp Ruch und von 2016 zwei Beispiele ästhetischer Intervention seinen Mitstreiter*innen um das Vor-Augen-Stel- diskutiert werden sollen, dann geht es dabei vor len einer konkreten Handlungsalternative zur allem um zwei Dinge: Zum einen ist genauer zu dominierenden politischen Praxis, deren durch rekonstruieren, wie die invektive Aufstörung von die Aktion herausgestellte invektive Evidenz die Publikum und Öffentlichkeit als Instrument und politisch Mächtigen unter Legitimations- und Effekt der jeweiligen Aktion funktioniert. Es soll Handlungsdruck setzen soll. also an Schlingensief und dem ZPS exemplarisch die invektive Imprägnierung des Konzeptes arti- vistischer Intervention vorgeführt werden.23 Zum 1 Schlingensiefs Bilderstörung: anderen soll daran anknüpfend die generelle Der Container als Beobachtung diskutiert werden, dass die Aus- Invektiv-Arena prägung und Nutzung invektiv-gesättigter kom- munikativer Muster zum Kernbestand im ästheti- Schlingensiefs Aktionskunst der 1990er und schen Repertoire aktionistischer Kunstformen im frühen 2000er Jahre arbeitet in unterschiedli- Dienste der Re-Artikulation politischer Positionen chen ästhetischen Konstellationen mit der invek- gehört. Invektive Formen sind Elemente jener tiven Infragestellung des common sense. Allen interventionistischer Resonanzkalküle, mittels voran die Aktion Bitte liebt Österreich, die im derer sich im Kampf um gesellschaftliche Sprech- Jahr 2000 anlässlich der Wiener Festwochen und und Handlungslizenzen ein An- und Übergriff auf vor dem Hintergrund der Überprüfung der Ein- haltung der europäischen Grundrechte durch die EU stattfand, realisiert unterschiedliche, aber 23 Dass dabei nicht im literarisch-poetologischen Sinne von einer ‚invektiven Gattung‘ zu sprechen ist, liegt auf der miteinander interferierende Konstellationen des Hand, besteht das ‚Gattungsmerkmal‘ des Artivismus – ge- Invektiven. So steht im Zentrum der Aktion die rade im ästhetischen Regime der Kunst – doch in der situ- Produktion und Zirkulation liminaler Bilder, deren ativen Hybridisierung unterschiedlicher Kunstformen, Me- Invektivierungspotenzial Schlingensief nutzt, um dien und Formate. Ästhetische Interventionen schöpfen ihr den Rassismus von Massenmedien und Politik24 disruptives Potenzial gerade aus der Negation von Ordnung und Erwartbarkeit. Dies gilt für ihre Fremdreferenz (soziale zum Gegenstand einer intensiven öffentlichen Konventionen, Normalität etc.) wie für ihre Selbstreferenz Debatte zu machen. Schlingensief selbst hat (Gattungsregeln, ästhetische Klassifikationen etc.). Genau diese Container-Aktion als „Bilder-Störungs- diese programmatische Verweigerung von Regelhaftigkeit maschine“ bezeichnet.25 Mit dem Programm der wird in Teilen von Publikum und Öffentlichkeit als Provoka- invektiven Bilderstörung interveniert er in einen tion und Herabsetzung eigener Wertvorstellungen erlebt. populistischen Diskurs, der identitätspolitisch Allerdings birgt diese Affizierungsstrategie eine aufmerk- samkeitsökonomische Überbietungslogik, die sich nicht bis entlang einer Unterscheidung des Eigenen und ins Unendliche steigern lässt. Darin, dass auch die arti- vistische Bewirtschaftung des Invektiven in ein Spiel von Erwartungserwartungen eingebunden ist und sich mithin 24 Vor allem der Kronen Zeitung und der Freiheitlichen abnutzen kann, liegt ein weiterer Grund für die aktuelle Partei Österreichs (FPÖ). Krise der künstlerischen Kritik. 25 Schlingensief (2014) Ich weiß, S. 105. 252 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 des Fremden operiert und dabei affektpolitisch oniert in diesem Sinne als Kunst radikal politisch, auf die provokative Thematisierung von Ressenti- weil sie direkt in eine konkrete Diskurskonstella- ment und Diskriminierung setzt. Die Aktion spielt tion interveniert, darüber hinaus aber aufgrund die Konsequenzen einer rigiden, normalerweise des ihr zugrundeliegenden ästhetischen Disposi- aber im medialen Off vollzogenen Abschiebepra- tivs eine Form der Öffentlichkeit erzeugt, in der xis auf spektakuläre Weise durch. Ihre elementa- Identitäts- und Zuschreibungskonflikte in ihrer ren Bestandteile und Ereignissequenzen rücken in ganzen dissensuellen Wucht artikuliert werden den Fokus, was sonst nicht zum Thema wird, weil können.29 Angesichts der Vielzahl der zum Teil es nicht zum Selbstbild der freundlichen, offenen unfreiwillig Beteiligten – Passant*innen, Medien- Gesellschaft passt: der Container auf einem zen- vertreter*innen, Performer*innen usw. – und der tralen Platz der Wiener Innenstadt, die mehr- mehrtägigen Dauer der Aktion ist es nicht mehr tägige Dauer der Aktion inklusive allabendlicher Schlingensief alleine, der mit der Unterbrechung Abschiebe-Performance von jeweils zwei Asylbe- kommunikativer Routinen die Aktion durchführt. werber*innen, die textuelle Rahmung durch die Vielmehr entwickelt sich, angestoßen durch die am Container angebrachten Spruchbänder („Aus- invektive Bildpolitik der Container-Aktion, eine länder raus“ und „Unsere Ehre heißt Treue“)26, die politische Eskalationsdynamik, die ihrerseits die fremdenfeindlichen Wahlplakate der FPÖ samt medialen Regulationsroutinen unterbricht. Im Parteifahne sowie die Entgrenzungen in Massen- Fortgang der Aktion kommt es in tumultartigen medien und Internet, schließlich die Einmischung Szenen zu einer Überblendung unterschiedlicher von FPÖ-Verantwortungsträgern, Anzeigen von politischer Positionen, die sich wechselseitig in Privatleuten und entsprechende Ermittlungen der ihrer vermeintlichen Deutungssicherheit irritieren Staatsanwaltschaft Wien wegen Verunglimpfung und einander in Widersprüche verwickeln. Wenn des Staates. Das derart ausgestaltete Geschehen gegen Ende der Aktion ‚linke‘ Protestierende den zielt im invektiven Vor-Augen-Stellen auf eine Container stürmen, um die Asylbewerber*innen Situation der Positionierungsnotwendigkeit ab, in symbolisch zu befreien, ist damit zugleich eine der niemand mehr neutrales Publikum sein kann, wohl kaum intendierte Reparaturarbeit am öffent- alle dafür aber affektiv und politisch beteiligte lichen Bild Österreichs verbunden, insofern sie Akteur*innen werden. Die Container-Aktion führt destruktiv auf jene Installation einwirken, über dementsprechend vor, dass man sich angesichts die sich gerade FPÖ, Kronen Zeitung und andere des Wiedererstarkens rassistischer und xenopho- konservative und rechte Kräfte empören. Indem ber Inhalte in der politischen Kultur nicht nicht so die wohltemperierten Unterscheidungskrite- positionieren kann. Damit ist Bitte liebt Österre- rien der Ortung und Ordnung politischer Geg- ich ein gutes Beispiel für eine konfliktuelle Ästhe- ner*innenschaft unterminiert werden, entstehen tik, wie sie Oliver Marchart als Praxis der „Antag- die Bedingungen der Möglichkeit einer Situa- onisierung“27 beschreibt:an aesthetics that is tion des Streitens, aus der eine neue politische conflictual in a double sense: it conflicts with the Debatte erwachsen kann. aesthetics of the spontaneous ideologists of the Um ihr ganzes Potenzial der Aufstörung ent- art field (the aesthetics of simplistic complexity), falten zu können, müssen Schlingensiefs Aktionen and it seeks to work out the political implications ein Maximum an affektiver Beteiligung erreichen. of conflictual artistic practices. It is, in this sense, Zu den entsprechenden Affizierungsstrategien, both a conflicting aesthetics and an aesthetics of derer sich seine artivistischen Aktionen – allen conflict.28Schlingensiefs Container-Aktion funkti- voran der Wiener Container – bedienen, gehören 26 Diesen SS-Spruch hatte kurz zuvor der niederösterrei- bevorzugte, in einem manifesten Sinne über „Agitation, chische FPÖ-Parteiobmann beim Landesparteitag seinem Propaganda und Organisation“ zu einer politischen Stel- Publikum zugerufen, vgl. o. A. (2000) Aufregung. lungnahme und Positionierung drängt. Vgl. ebd. S. 14–18 27 Marchart (2000) Licht des Antagonismus, S. 254. und S. 30–35. Die hier eingenommene Perspektive auf 28 Marchart (2019) Being agitated, S. 23. Marchart geht Schlingensief schlägt demgegenüber vor, Bilderstörung als von einer strikten Dichotomie zwischen zwei Positionen Verbindung von konkreter politischer Positionierung und aus, von denen die eine die politische Dimension der Kunst Politik der Form als zwei Ebenen eines übergeordneten kri- in einer Arbeit an der Aufteilung des Sinnlichen betont tischen Projekts zu lesen. (Ästhetik simpler Komplexität) und die andere, von ihm 29 Vgl. Rancière (2000) Konsens, Dissens, Gewalt. Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 253 Techniken der Verkörperung und der Visualisie- in die eigene Aporie zu treiben. Im Zentrum der rung, die abstrakte Diskurspositionen in affekt- Bildstörung steht dabei der Container als Instal- geladene Bilder und Handlungssequenzen über- lation der Absonderung, die als ein dystopischer setzen. Dadurch, dass Schlingensief im Internet Nicht-Ort mitten in Wien als Störkörper platziert, über die Abschiebung der einzelnen ‚internierten‘ die Grenzen zwischen innen und außen, Periphe- Asylsuchenden abstimmen lässt, macht er die rie und Zentrum, Befehl und Gehorsam, Verfü- praktischen Konsequenzen der nationalkonserva- gungsmacht und Verfügungsmasse zum affektiv tiven Politik der FPÖ durch eine Individualisierung aufgeladenen, anderen Bild werden lässt, das die der Betroffenen sichtbar. Die Aktion, die nicht nur Bilder- und Image-Politik der Regierung Schüs- an das in Deutschland erstmalig im Jahr 2000 sel in einer Kaskade von performativen „Ope- ausgestrahlte, populäre „Eliminationsspiel“30 Big rationen, die eine Abweichung hervorrufen“33, Brother anknüpft, sondern zugleich das Lager als als politische Inszenierung durchsichtig werden bio-politisches Paradigma der Moderne aufruft,31 lässt. Störung funktioniert hierbei als Wahrneh- kreiert in ihrer Anlage als Aufführung von Exklu- mungsverschiebung. Während Bundeskanzler sion eine kontroverse Auseinandersetzung um Wolfgang Schüssel darum bemüht war, die Politik Redepositionen, Solidarisierungsansprüche und seiner rechts-konservativen Regierungskoalition Vereinnahmungen. Deren Sogwirkung betrifft in einen Rahmen von Normalität zu stellen und Politiker*innen der FPÖ ebenso wie die Journa- die politische Debatte damit von einer Ebene der list*innen der Kronen Zeitung und anderer Medien, Fundamentalkritik weg auf eine der Detailkritik Passant*innen, Internet-User*innen, politische zu lenken, kehrt die Container-Aktion die Invisi- Aktivist*innen und Schlingensief selbst. Der kon- bilisierung der problematischen Ausgangsvoraus- zeptionelle Faden der Aktion besteht darin, einen setzungen veränderter normativer Standards um interpassiven, ironisch-distanzierten Konsum der und rückt sie wieder ins Zentrum der Aufmerk- Performance nach besten Kräften zu verunmög- samkeit. Aus einem looking through wird ein loo- lichen.32 Bitte liebt Österreich hat auf einer Ebene king at, das hinterfragt, welche politischen Werte erster Ordnung einen Appellcharakter. Die Aktion schon als gesetzt gelten, bevor das politische All- will Positionierung und Parteinahme motivieren, tagsgeschäft einsetzt. wenn nicht erzwingen. Hier geht es Schlingen- Dementsprechend geht es Schlingensief nicht sief darum, politische Bemühungen der suggesti- alleine um den Transport konkreter politischer ven Affekt- und Aufmerksamkeitslenkung bis zur Inhalte. Im Gegenteil dient sein provokatives Kenntlichkeit zu entstellen. Schon das Happe- Spiel mit Zitaten und Phrasen vor allem dazu, ning des Container-Einzugs vom 9. Juni, das mit Widerspruch zu erzeugen und eine gesellschaftli- Scheinwerfern und Blaskapelle seinen eigenen che Debatte zu initiieren. Das Wirkungskalkül der Ereignischarakter betont, irritiert dadurch, dass Aktion geht daher auf einer Ebene zweiter Ord- die Formen des Entertainments zwar aufgerufen, nung davon aus, dass die invektivitätsgetriebene aber nicht in ein stimmiges Gesamtbild überführt affektive Beteiligung und die Vielstimmigkeit und werden. Mittels der Strategie einer vorsätzlichen Unübersichtlichkeit der Adressierungen eine Situ- Überaffirmation wird es möglich, die mediale Logik ation der politischen Emergenz entstehen lassen, der populistischen FPÖ-Politik von innen heraus in deren konfliktueller Komplexität die Kontin- genz aller politischen und sozialen Ordnungen offensichtlich wird. 30 So Sloterdijk (2001) Gespräch. Wie Jacques Rancière feststellt, ist die gegen- 31 Vgl. den überpointierten Essay von Agamben (2002) Homo Sacer. wärtige ‚Postdemokratie‘ von einem neoliberalen 32 Robert Pfaller hat als kritisches Korrelat zur Interak- Realismus bestimmt, der demokratische Meinungs- tivität das Konzept der Interpassivität vorgeschlagen: Im bildung suggeriert, eigentlich aber Alternativlo- Sinne einer Kunstrezeption, in der das Kunstwerk die Rezi- sigkeit konstatiert und so Utopien diskreditiert.34 pierenden in die Lage versetzt, ihr ‚Genießen‘ von vornhe- Gegen eine solche Stillstellung des Möglichkeits- rein an das Kunstwerk zurück zu delegieren, versteht Pfal- ler Interpassivität als Form einer risikolosen Beteiligung, sinns setzt Rancière – und die Aktionskunst Chris- d.h. „als Abwesenheit von Interaktivität“, als „negative Größe“ der Interaktivität. Pfaller (2008) Ästhetik der Inter- 33 Rancière (2005a) Bestimmung der Bilder, S. 14. passivität, S. 103. 34 Vgl. Rancière (2002) Unvernehmen, S. 105–120. 254 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 toph Schlingensiefs folgt ihm darin – die Denkfigur menten und Diskursartikulationen produzieren des ‚Unvernehmens‘. Gemeint ist ein prinzipieller eine Ereignis- und Äquivalenzkette im öffentlichen Dissens, der den „Anteil der Anteillosen“35 am Raum, die aufgrund ihrer Provokationskraft kaum politischen Prozess ins Blickfeld rückt und damit ignoriert werden kann. Mehr noch: Durch die im die impliziten kategorialen und normativen Vor- Dispositiv der Aktion angelegten Feedbackschlei- aussetzungen für Gleichheit, Partizipation und fen, die immer neue Kaskaden von Anschluss- Empowerment ins Zentrum der Aufmerksamkeit kommunikationen herausfordern, wächst sich die gerückt sieht: Das Unvernehmen ist nicht der Intervention zu einer Wunde in der Repräsentati- Konflikt zwischen dem der weiß und jenem, der ons- und Redeordnung aus, die eine Eskalations- schwarz sagt. Es ist der Konflikt zwischen dem der spirale in Gang setzt, an deren Ende offen darüber ‚weiß‘ sagt und jenem der auch ‚weiß‘ sagt, aber gestritten wird, wer im öffentlichen Raum reden der keineswegs dasselbe darunter versteht bzw. darf und wer nicht, wem es zuzuhören gilt und wo nicht versteht, dass der andere dasselbe unter die Grenzen des Sagbaren verlaufen. Angesichts dem Namen der Weiße sagt. […] Das Unverneh- des Containers ist es – zumindest für die Dauer men betrifft weniger die Argumentation als das der Aktion – nicht mehr möglich, das konstitutive Argumentierbare, die An- oder Abwesenheit eines Zusammenspiel von nationaler Identitätspolitik, gemeinsamen Gegenstands zwischen einem X gewaltsamer Reinheitsfantasie und rassistischer und einem Y. Es betrifft das sinnliche Darstellen Xenophobie, das in der Politik der Regierung dieses Gemeinsamen […].36Schlingensiefs Inter- Schüssel politische Macht übernommen hat, in vention setzt genau hier ein: Indem er die im poli- die Latenz der Gesellschaft zu verdrängen. tischen Diskurs sonst bloß als stumme Kennzahl Die Container-Aktion ist vor allem eine Aus- anwesenden Asylbewerber*innen in die Kunstpro- einandersetzung mit der affektiven Macht einer duktion einbezieht und ihr prekäres Dasein in die massenmedial orchestrierten „Politik der Bil- menschenunwürdige Konstellation des Containers der“39, die in der Festlegung von Sichtbarkeits- überträgt, realisiert er ein Staging der von der regimes die gesellschaftlich formierte Vorstellung österreichischen Dominanzkultur weitestgehend von Normalität konfigurieren. Insofern damit invisibilisierten Praxis der rassistisch konnotierten zugleich auch Interpellationsweisen und Sub- Diskriminierung.37 jektivierungsprozesse zum Thema werden, fun- In der Summe fungiert die Container-Aktion giert Bitte liebt Österreich als eine Erschütterung als Positionierungen erzwingender Angriff auf das selbstverständlicher und als solche immer schon die öffentliche Debatte dominierende österreichi- intuitiv vorausgesetzter und situativ aktualisier- sche Selbstverständnis. Schlingensiefs Arrange- ter Selbst- und Fremdbilder. Gerade weil die ments aus „Schlagbildern“38, Performance-Ele- Atmosphäre auf dem Wiener Theaterplatz sich in der Konfrontation unterschiedlicher Meinungen 35 Rancière (2008) Zehn Thesen zur Politik, S. 11. von Tag zu Tag mehr erhitzt, entsteht ein unüber- 36 Rancière (2002) Unvernehmen, S. 9f. sichtlicher Möglichkeitsraum, in dem politische 37 Zu Schlingensiefs Arbeit am Sichtbarkeitsregime der Positionen, Konflikte und Koalitionen, die sonst Gesellschaft vgl. auch Häusler/Heyne/Koch/Prokic (2020) Verletzen und Beleidigen, S. 193–258. in der Latenz der privaten Alltagskommunikation 38 Allen voran das Container-Banner „Ausländer raus“, verbleiben, deutlich hervortreten. Im Spektrum dem als medial zirkulierendem Schlagbild mit Michael an öffentlichen Verhaltensweisen, das von verba- Diers gesprochen „sowohl eine prägnante Form als auch ler Beleidigung und Krawall bis an die Grenze zur ein gesteigerter Gefühlswert eigentümlich ist, insofern [es körperlichen Auseinandersetzung reicht, geraten ...] entweder einen bestimmten Standpunkt für oder wider ein Streben, eine Einrichtung, ein Geschehnis nachdrück- die Dinge, Festlegungen und Zuschreibungen in lich beton[t] oder doch wenigstens gewisse Untertöne des Bewegung und werden zur Verhandlungsmasse. Scherzes, der Satire, des Hohnes und dergleichen deut- Schlingensiefs Bilderstörungsmaschine reali- lich mit erklingen [lässt]. Dem Schlagwort, das nicht sel- siert damit eine subversive Gegenstrategie, die ten eine Zeit oder Zeitströmung auf einen stimmigen, mit- ein Spiel von Positionswechseln und Funktions- unter auch polemischen Begriff zu bringen vermag und in aller Munde ist, antwortet mit dem Schlagbild in ähnlicher Funktion eine ubiquitäre, ganz auf Wirkung verlegte, ein- drückliche Darstellung, seien es z.B. Spott-, Reklame- oder Pressebilder.“ Diers (1997) Schlagbilder, S. 7. 39 Vgl. Rancière (2005a) Bestimmung der Bilder. Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 255 änderungen in Gang setzt.40 Es geht dabei nicht denen man geformt ist, wird Tugend jene Praxis, durch welche das Selbst sich in der Entunterwerfung bildet, alleine darum, den Rechtspopulismus der FPÖ zu was bedeutet, dass es seine Deformation als Subjekt kritisieren. Vielmehr schafft die Container-Aktion riskiert und jene ontologisch unsichere Position ein- ein kulturelles und politisches Forum, in dem ein nimmt, die von neuem die Frage aufwirft: Wer wird Widerstreit darüber, was Öffentlichkeit eigentlich hier Subjekt sein, und was wird als Leben zählen, ein bedeutet, neu entstehen kann. In diesem Sinne Moment des ethischen Fragens, welcher erfordert, dass wir mit den Gewohnheiten des Urteilens zu Gunsten markiert Schlingensiefs Statement, „Widerstand einer riskanteren Praxis brechen, die versucht, den ist vorbei, Sie müssen Widersprüchlichkeit erzeu- Zwängen eine künstlerische Leistung abzuringen?44 gen“41, gleich mehrere Fluchtlinien der Aktion: Zunächst geht es um die Identifikation und Affek- tion der Zuschauer*innen mit einem Geschehen 2 Ruchs moralische Anklage: der Selbst- und Fremdpositionierung, in einem Der Käfig als Tribunal zweiten Schritt soll genau diese konstitutive Positionalität selbst reflektiert werden. Wenn Das zweite hier zu diskutierende Beispiel – das dies gelingt, wenn aus der Erfahrung der Wider- Zentrum für politische Schönheit (ZPS) – stellt in sprüchlichkeit unmittelbar oder vermittelt durch Deutschland derzeit die wohl aufmerksamkeits- die die Aktion begleitenden Paratexte ein Willen ökonomisch erfolgreichste Agentur im Dienste zum Widerspruch wird, der immer auch ein „wie- ästhetischen Engagements für politische Verän- der miteinander sprechen“ jener bedeutet, die im derung dar. Für Philipp Ruch, die zentrale Figur Streit ein „politisches Band“42 erschaffen haben, des ZPS, bedeutet insbesondere das katastro- dann verwandelt sich die Invektiv-Arena des Wie- phale Geschehen an der Außengrenze Europas ner Theaterplatzes in eine Agora, auf der ein pro- und im Mittelmeer ein „Interventionsgebot“, das duktiver Widerstreit möglich werden kann.43 In seine von einem „aggressive[n] Humanismus“45 der Konsequenz scheint dann eine Dimension der angeleitete Aktionskunst auf einen direkten Wir- Kritik als Form von Entunterwerfung auf, wie sie kungsanspruch und das Streben nach sozialer von Judith Butler im Abschluss an Michel Foucault Unmittelbarkeit verpflichtet. Kunst, so ist es in als Fluchtlinie eines politischen Prozesses der der Selbstbeschreibung des ZPS zu lesen, müsse Emanzipation skizziert wurde: „reizen, wehtun und verstören“46, um damit Ein- Man könnte auch sagen, das Subjekt ist gezwungen, fluss auf Politik und öffentliche Debatte nehmen sich in Praktiken zu formen, die mehr oder weniger zu können. Um das „große Unrecht“47 zu beheben, schon da sind. Vollzieht sich diese Selbst-Bildung dessen sich Europa angesichts der Not der jedoch im Ungehorsam gegenüber den Prinzipien, von geflüchteten Menschen schuldig mache, bedürfe es drastischer Mittel, die dazu in der Lage seien, 40 Vgl. hierzu Koch (2014) Performance als Bilderstö- die deutsche Bevölkerung moralisch zu mobilisie- rungsmaschine. ren und die politischen Entscheidungsträger*in- 41 Siehe das Interview mit Christoph Schlingensief im Be- nen entsprechend unter Druck zu setzen. Kunst, gleitmaterial zur DVD Ausländer Raus! Schlingensiefs Con- wie das ZPS sie versteht, tendiert damit zur tainer, Bonus Film-GmbH, (Ö 2000), Hoanzl Ö 2002. Kunstmission, sie fungiert als „rather straight, in 42 Rancière (2002) Unvernehmen, S. 148. your-face-propaganda“48, die eindeutig politische 43 „Arenen sind […] Handlungs- und Kommunikationsräu- me, die mit bestimmten Sprech- und Handlungslizenzen, Position bezieht und unmissverständliche Bot- Konventionen sowie Erwartungshaltungen beziehungswei- schaften formuliert. se Aufmerksamkeitsmustern einhergehen. […] Sie bilden häufig manifest oder latent eine gesellschaftliche Ordnung ab. Sie sind der Ort antagonistischer, agonistischer, thea- 44 Butler (2009) Was ist Kritik?, S. 249. traler, tribunaler Aushandlungen von identitätsbildenden 45 Vgl. Ruch (2013) Aggressiver Humanismus. Deutungen sozialer Ordnungen. Invektiven brauchen Are- 46 So die programmatische Selbsterklärung auf der nen als Ermöglichungszusammenhang, gleichzeitig haben Homepage des ZPS, https://politicalbeauty.de/ (letzter Invektiven die transformatorische Kraft, Arenen instabil Zugriff 27.04.2020). werden zu lassen, zu verschieben oder überhaupt erst zu 47 So eine Beschreibung der Ausgangslage auf der Inter- erzeugen, insofern beispielsweise durch eine Invektive net-Seite zur Aktion Flüchtlinge fressen, https://political- ein Publikum generiert wird.“ Häusler/Heyne/Koch/Prokic beauty.de/ff.html (letzter Zugriff 27.04.2020). (2020) Verletzen und Beleidigen, S. 306f. 48 Marchart (2019) Being agitated, S. 21. 256 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 Seit seinen ersten Aktionen, den Lethe-Bom- konsequent die Grenze zwischen Kunstaktion und ben von 2009 und der Säule der Schande von politischem Engagement. Dabei ging es konkret 2010 agiert das ZPS mit der Zielstellung der Kon- darum, durch die Erzeugung moralischer Empö- sensstörung im Register des Invektiven. Dabei rung eine Änderung der gesetzlichen Einreise- geht es dem ZPS darum, der Gesellschaft dis- Regelungen für geflüchtete Menschen zu erzwin- ruptiv einen Spiegel vorzuhalten und sie durch gen. Konzeptionell als ticking-bomb-scenario aufsehenerregende Aktionen auf ihre blinden angelegt, forderte das ZPS Geflüchtete dazu auf, Flecken im Umgang mit den Konsequenzen der „sich im Widerstand gegen Deutschlands tödlichs- deutschen und europäischen Außen- und Wirt- tes Gesetz“49 fressen zu lassen. Von dem so in ein schaftspolitik hinzuweisen. Generell sind die arti- Tribunal verwandelten Tigerkäfig geht die alar- vistischen Interventionen des ZPS vor allem dar- mierende Suggestion eines Handlungsnotstands auf angelegt, eine symbolische Wiederkehr der aus, der – situiert in einem irritierenden Grau- verdrängten Gewalt der außereuropäischen Peri- bereich zwischen Fakten und Fiktionen – Politik pherien im Zentrum der deutschen Dominanzkul- und Öffentlichkeit auf eine virtuelle Anklagebank tur zu erreichen und daraus kommunikativ einen zerrt und zur Rechtfertigung zwingt.50 Da die zeit- Impuls zu einem Politikwechsel abzuleiten. Unter liche Struktur der Aktion als ein sich über mehrere dieser Stoßrichtung kristallisieren sich im Akti- Tage hinwegziehender Countdown organisiert ist, onsspektrum des ZPS mehrere Themenkonjunk- an dessen Schluss das Opfer steht, entsteht eine turen heraus. Während es in den letzten Jahren Dringlichkeit, der sich niemand ohne moralische vor allem um eine kritische Auseinandersetzung Kollateralschäden entziehen kann. Dies betrifft mit der deutschen Flüchtlingspolitik ging, rückt die verantwortlichen Politiker*innen, die durch nunmehr, sekundiert von Ruchs Manifest Schluss die Aktion direkt adressiert und in den Fokus der mit der Geduld (2019) das Verhältnis der deut- medialen Beobachtung gestellt werden, ebenso schen Demokratie zur Alternative für Deutsch- wie das Publikum, das vor Ort wie auch in den land (AfD) und zum Rechtsextremismus ins Zent- sozialen Medien affektiv angesprochen und in eine rum der künstlerischen Beschäftigung. gemeinsame Erfahrung der moralischen Partei- Die inszenatorischen Mittel, die Ruch und seine nahme eingebunden werden soll. Mitstreiter*innen zur Intervention in die deut- Genau in dieser Produktion von Parteilich- sche Diskurslandschaft nutzen, sind um Drastik keit und Anteilnahme, die nicht nur moralische und Deutlichkeit der Aussage bemüht. Das ZPS Entrüstung, sondern zugleich auch einen funda- rekurriert immer wieder auf das grundgesetzlich mentalen Zweifel an den Entscheidungsroutinen verankerte Recht der Kunstfreiheit, um invektive der repräsentativen Demokratie insinuiert, setzt Grenzüberschreitungen zu bewerkstelligen. So die Affektpolitik von Flüchtlinge fressen an. Die schrieb etwa die Aktion 25.000 Euro Belohnung brachial gestaltete Aktion, die „ein Denkmal für (2012) die Eigentümerfamilie der Rüstungsfirma unsere Zeit“51 sein will und ganz bewusst mit der Krauss-Maffei Wegmann symbolisch zur Fahn- schon von Niklas Luhmann beschriebenen Rele- dung aus, was u.a. zu einer Unterlassungsklage vanzordnung der Massenmedien spielt,52 nimmt und heftigen Debatten im Feuilleton führte. Die späteren Aktionen Erster europäischer Mauerfall 49 Gemeint war der §63 des Aufenthaltsgesetzes, der fest- (2014), Die Toten kommen (2015) und Flücht- legt, dass Flüchtlinge nicht per Flugzeug nach Deutschland linge fressen – Not und Spiele (2016), die sich alle kommen dürfen. drei mit der von den Massenmedien organisierten 50 Damit knüpft die Aktion direkt an das berühmte Zitat Verdrängungsleistung der Gesellschaft auseinan- „Die Scene wird zum Tribunal“ aus Schillers Ballade Die Kraniche von Ibykus (1797) an, der damit auf die Verwand- dersetzen, arbeiten mit Mitteln der Spektakulari- lung des Publikums in einen Gerichtshof anspielte. Heute sierung von Not, Leid und Sterben, um den prekä- nutzt vor allem Milo Rau das Theater als Ort der Verhand- ren Status quo der deutschen und europäischen lung von gesellschaftlichen Konflikten, etwa in seiner Ak- Flüchtlingspolitik in Frage zu stellen. Vor allem tion Das Kongo-Tribunal von 2015. die Aktion Flüchtlinge fressen, für die das ZPS am 51 So die Selbstbeschreibung im Internet-Auftritt der Aktion, https://politicalbeauty.de/ff.html (letzter Zugriff 16. Juni 2016 pünktlich zur Fußball-Europameis- 27.04.2020). terschaft eine römisch anmutende Arena mit vier 52 Vgl. Luhmann (1996) Realität der Massenmedien, Ka- Tigern in der Mitte Berlins eröffnete, überschreitet pitel 5. Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 257 die im Framing der Gladiatorenspiele ausgestellte war neben der Frontscheibe des gläsernen Käfigs Spektakelorientierung der medialen Aufmerk- eine große Leinwand angebracht, die im Verlauf samkeitsökonomie auch im Arrangement der Ins- der Aktion, akustisch begleitet von einem Meeres- tallation wieder auf: rauschen, das symbolisch an das Massengrab Mit- telmeer erinnert, auch Spiele der Fußball-Europa- Die gladiatorische Interpretation Europas: Die Arena meisterschaft übertrug. Diese Gegenüberstellung, ist der Bautypus einer verdichteten tödlichen Falle. Hier werden vor großem Publikum Schicksale gene- die die Frage nach einer kollektiven Begehrens- riert – Niederlagen und Siege. Spektakel machen den struktur, seinen nationalen Objekten und seinen ideologischen Kern einer Gesellschaft, etwa Flücht- invektiven Implikationen aufwirft, verleiht dem linge im Namen der Sicherung der EU-Außengren- Untertitel der Aktion „Not und Spiele“ eine Kon- zen sterben zu lassen, sichtbar. In den Pausen der notation, die die täglichen Ansagen der Tiger- Abschreckungspolitik wird die Arena gesäubert und Dompteure und die begleitenden Diskussionen frischer Sand gestreut.53 mit Publizist*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen in die grundsätzliche Perspektive Interessant ist das Dispositiv der Aktion zudem, weil sozialer Mobilisierungsfähigkeit rückt. Angesichts es die welterzeugenden Effekte des medialen Sicht- der großen Affekt-Ereignisse nationaler Selbstbe- barkeitsregimes in den Fokus nimmt. In der gestal- rauschung, wie sie z.B. eine Fußballeuropameis- teten Struktur des öffentlichen Raumes, der sich – terschaft darstellt, spielt der Überlebenskampf analog zu Schlingensiefs Container – als räumliche an den Peripherien der westlichen Welt – wenn Realisierung einer zugrundeliegenden Aufteilung überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. Dieser des Sinnlichen verstehen lässt, wird deutlich, dass gerinnt in den allabendlichen Bildern überfüllter Wahrnehmung immer zugleich Filterung und Prio- Flüchtlingsboote zu einer medialen Szenographie risierung bedeutet: Während bestimmten Zonen der gefährlichen Welt, wie sie da draußen eben ist. des Politischen, Sozialen und Kulturellen kollektive Das Leid der Anderen, so die bittere Quintessenz, Bedeutung zugeschrieben wird, werden parallel tritt nur dann in das Aufmerksamkeitsfenster der hierzu aufgrund medialer Rasterungen bestimmte medialen Berichterstattung, wenn es sich in das Komplexe des Leidens und der Verantwortlichkeit narrative Muster des Melodramas einpassen lässt, unsichtbar und fallen aus dem Spektrum mögli- wenn es also individualisierbar, adressierbar, situ- cher diskursiver Bezugnahmen heraus. Wie schon ierbar erscheint. Und selbst dann gerinnt es nur zu bei der Aktion Die Toten kommen begegnet auch kleinen, kurzfristigen Emotionsclustern, aus denen Flüchtlinge fressen der massenmedialen Überset- nichts folgt, was über den Moment intensiver Erre- zung existenziellen Leids in statistische Kurven und gung hinausginge. Paradigmatisch für das Anfor- abstrakte Kennzahlen mit einer Körperpolitik, die derungsprofil massenmedialer Affektbewirtschaf- scheinheiligen bzw. ignoranten Wahrnehmungsrou- tung steht etwa das Foto des kleinen Alan Kurdi, tinen eine Form körperlicher Präsenz – der sterb- dessen Leichnam im September 2015 an der tür- lichen Überreste, des kommenden Opfers – entge- kischen Mittelmeerküste angeschwemmt wurde. genstellt. Die durch die Aktionen realisierte Präsenz Dem deutschen Pressekodex zum Trotz druckte von realen Körpern stört als nicht auszublendende die Bild-Zeitung das Konterfei des 3-jährigen toten Materialität das medial vermittelte Selbstbild einer Kindes ab – semantisch gerahmt von Mitleids- und offenen Gesellschaft, indem es dessen Abhängig- Empörungsbekundungen und diffusen Forde- keit von einer permanenten Normalisierungsleis- rungen, dem Sterben im Mittelmeer ein Ende zu tung aufzeigt, die eine dichotome Logik von innen bereiten. Diese Form der zynischen Instrumentali- und außen und eine implizite politische Essentiali- sierung, die tiefenstrukturell auf eine Konsumtion sierung der Migrant*innen als radikal Andere zur des Spektakulären abzielt, bildet einen der kriti- Voraussetzung hat. schen Bezugspunkte der Aktion Flüchtlinge fres- Diese Mechanik der Invisibilisierung übersetzt sen, die damit implizit Judith Butlers Frage nach sich vor dem Berliner Gorki-Theater in eine Archi- graduellen Unterschieden der Betrauerbarkeit des tektur der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen: So Todes in die Performance hineinholt.54 Dass diese 53 Internet-Auftritt der Aktion, https://politicalbeauty.de/ 54 Vgl. zu Judith Butlers Begriff der ‚Grievability‘ Butler ff.html (letzter Zugriff 27.04.2020). (2015) Precariousness and grievability. 258 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 Meta-Dimension55, die die Aktion im Hinblick auf den Dialog einsteigt, vermischen sich zwei kom- die Bedingungen der Möglichkeit ästhetischer munikative Codes mit zunächst zu unterschei- Intervention in Zeiten gegenwärtiger Aufmerk- denden Wirklichkeitsbezügen. Die vom ZPS ent- samkeitsökonomien hin öffnet und an die Medien worfene und durch Video-Clips veranschaulichte zurückspielt, seitens des Feuilletons wie auch von Fiktion einer anders organisierten Migrations- der Politik weitestgehend ausgeblendet wurde, politik in die Bundesrepublik Deutschland erfährt kann wenig überraschen. Über die rund zweiwö- durch die Reaktion des Ministeriums einen neuen chige Dauer von Flüchtlinge fressen hinweg stand Status als faktischer Debattenbeitrag. Der damit dort vor allem der Vorwurf der Geschmacklosigkeit verbundene diskurspolitische Zugewinn wird auch und des Zynismus im Vordergrund der Debatte. nicht dadurch gemindert, dass die Tweets des Die diskursive Rahmung, die das ZPS im Kontext BMI durchaus als herablassende Belehrung über des Begleitprogramms sicherzustellen versuchte, ein zivilgesellschaftliches Fehlverhalten gelesen wurde quasi von einer Welle der öffentlichen Auf- werden konnten. Denn gerade der moralische geregtheit hinweggespült. Exemplarisch für den Vorwurf des Zynismus, der sich in der Klage der massiven Handlungsdruck, den das ZPS mit seiner Kunstkritik doppelt, und die Klage darüber, dass Aktion auf politische Entscheidungsträger*innen die Aktionen des ZPS kaum von einem Mediene- auszuüben versuchte, aber auch für deren erfolg- vent zu unterscheiden seien, ruft eine grundsätz- reiche Umlenkungsstrategie, die darauf abzielte, liche Frage der kulturräsonierenden Öffentlichkeit das Objekt der moralischen Entrüstung auszutau- schen, stehen etwa zwei Tweets des Bundesmi- nisteriums des Inneren (BMI) vom Juni 2016, die die politischen Fragen der Aktion ignorieren und stattdessen auf bürgerlichen Anstand und guten Geschmack abheben. Dass die ‚Krisen‘-Kommunikation zwischen vermeintlich unpersönlichen Institutionen (BMI vs. ZPS) hier über soziale Netzwerke erfolgt, ist indes Teil eines von der Aktion inszenierten Spiels, das gerade dann im Sinne der Aktion erfolgreich gespielt wird, wenn es seinen Spielcharakter aufs Spiel setzt und in Richtung politischer Realität entgrenzt. In dem Moment, in dem das BMI in Abb. 1: Beweislastumkehr. Tweet des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (@BMI_Bund) am 17.06.2016; https://twitter.com/ BMI_Bund/status/743794217651150849 55 Bezeichnend für die ästhetische Strategie des ZPS ist es, dass auf der Homepage der Aktion ein ähnliches Bild zu finden ist. Die abgebildete Frauenleiche am Strand hat Abb. 2: Geschmacksurteil als Immunisierung die Funktion, die Aktion mit maximalem moralischen Druck anzureichern. Wie schon bei Die Toten kommen übernimmt Tweet des Bundesministeriums des Innern, für Bau und der Geflüchtetenkörper dabei die Funktion eines Affekt-Ve- Heimat (@BMI_Bund) am 28.06.2016; https://twitter. hikels. Vgl. hierzu Koch/Prokic (2022) Weißen der Kritik. com/BMI_Bund/status/747707681247473665 Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 259 auf, die auch bei Schlingensiefs Aktionen immer Flüchtlinge fressen über thematische Kontinuitäten im Raum stand: Ist das Kunst oder kann das weg? hinaus vor allem aus zwei Gründen interessant. An der Persistenz, mit der sich das ZPS kon- Zum einen wird ersichtlich, dass invektive Adres- tinuierlich dem Vorwurf der Eventisierung aus- sierungen von Publikum, Medien und Politik zu den gesetzt sieht, lässt sich eine hegemoniale Nor- zentralen Techniken artivistischer Interventionen malisierungsstrategie nachvollziehen: Das gehören. Invektivität ist eine wichtige Ressource Störpotenzial artivistischer Interventionen soll der anvisierten Aufstörung des common sense. Zum dadurch reduziert werden, dass deren Kunst- anderen zeigt sich aber auch, dass bei Schlingen- status – und damit ihre Lizenz zu provozieren- sief und dem ZPS ganz unterschiedliche „Politiken der Drastik und invektiver Deutlichkeit – in Frage der Form“57 zum Tragen kommen, deren Komple- gestellt wird. Mit dem Versuch einer Skandali- xitätsunterschiede wiederum auf die metareflexive sierung, die zugleich eine rhetorische Diskredi- Durchdringung der unterschiedlichen Dimensio- tierung der Inhalte der jeweiligen Interventio- nen von Herabsetzung durchschlagen. Wie schon nen durchzusetzen versucht, sah sich auch der Schlingensief mit seiner Container-Aktion, arbeitet „Politikclown“56 Christoph Schlingensief immer auch das ZPS an einer Neuformatierung des öffent- wieder konfrontiert. Aufgeregte, aggressive und lichen Raums durch eine avancierte Verschaltung herablassende Anschlusskommunika-tionen sind von Performance, Installation und medialer Proli- im Rahmen der ästhetischen Dispositive artivisti- feration. Hier wie dort gehört die resonanzkalku- scher Interventionen, die ja Invektivität als Res- lierende Arbeit mit einem „invektiven Bildakt“58 zur source affektiver Aufstörung nutzen, eine logische konzeptionellen Essenz der jeweiligen Aktion. Für Folge der Mediengesellschaft. Erst die Feedback- die aufmerksamkeitsökonomische Durchschlags- schleifen zwischen Performance, Medien, Politik kraft braucht es die Dopplung, Verdichtung und und Öffentlichkeit initiieren jene Eskalationsdy- Zirkulation der Live-Performance im affektbesetz- namik, aus der die Aktionen ihre Durchschlags- ten „Streit-Bild“, in dem „etwa Unerhörtes, Unver- kraft zu gewinnen hoffen. Dass die Erregtheit der ständliches, Widersinniges sich Raum schafft.“59 Debatte allerdings noch kein hinreichendes Indiz Erst in der medialen Zirkulation der bildlichen Ver- für die Radikalität der Intervention und die mit ihr dichtung, an die sich in den Austauschprozessen verbundenen Potenziale einer nachhaltigen Poli- des hybriden Mediensystems weitere Stimmen, tisierung ist, wird deutlich, wenn man abschlie- Wertungen und (Selbst-)Positionierungen anla- ßend noch einmal im Vergleich der Aktionen Bitte gern, finden die beiden Aktionen ihre angestrebte liebt Österreich und Flüchtlinge fressen genauer Resonanzstärke. Die Ko-Präsenz von Performer*in- auf die jeweiligen Publikumskonzepte und deren nen und Publikum ist der Kristallisationskern eines Aktivierungslogiken schaut. Auch wenn das ZPS disruptiven Geschehens, das in der Vor- und Nach- immer wieder darum bemüht ist, sich in eine Kon- bereitung wie auch in der Live-Berichterstattung tinuität zur Aktionskunst Schlingensiefs zu stel- immer schon als ein sich entgrenzendes Medien- len, fallen doch mehr Unterschiede als Gemein- ereignis angelegt ist. samkeiten auf. Wo Schlingensief darauf aus war, Trotz dieser Gemeinsamkeit des Medienge- im Dissens eine Möglichkeit der (Re-)Politisierung brauchs, der das ZPS durchaus in eine Traditi- zu schaffen, geht es dem ZPS vor allem darum, Zustimmung für die eigene Position zu formieren. 57 Vgl. Kappelhoff (2010) Utopie Film. 58 Der Terminus verdankt sich einem Debattenvorschlag von Hartmut Böhme, der die zu einseitige Textorientierung 3 Invektivität als Ressource der bisherigen Theoriebildung zur Invektivität bemängelt. und Problem artivistischer Im Anschluss an Horst Bredekamps Konzeption ‚substi- Intervention tutiver Bildakte‘ und in Auseinandersetzung mit den bild- theoretischen Arbeiten W.J.T. Mitchells wird es zukünftig in einer Ausdifferenzierung der Begriffsbildung darum gehen Mit Blick auf das Thema dieses Sonderhefts erscheint müssen, die handlungs- und wirklichkeitsstiftende Wirkung ein Vergleich der Aktionen Bitte liebt Österreich und von invektiven Bildern in ihren liminalen, transgressiven Dimensionen genauer zu fassen. Vgl. Bredekamp (2010) Theorie des Bildakts; Mitchell (2008) Bilder verletzen. 56 Gilcher-Holtey (2019) Skandalisierung des Skandals. 59 Sonderegger (2010) Affirmative Kritik, S. 41. 260 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 onslinie Schlingensiefs stellt, sind aber hinsicht- würde ich vor Ihnen schreien um mein Leben, um Sie alle zu erschüttern. Aber ich kann Ihnen diese Bilder lich der narrativen Kontextualisierung, innerhalb nicht schenken. Was wäre mein Schrei gegen die unge- derer diese Bild-Strategien ihr Affizierungspoten- hörten Hilferufe nachts auf dem Meer? Ich verlasse zial entfalten, deutliche Unterschiede auszuma- das Theater, ich werde meiner Rolle nicht gerecht. chen. Während Schlingensief vor allem darauf Ich gebe sie an euch ab. An die weiße Bevölkerung abzielt, ein Krisenexperiment mit offenem Aus- Europas. Ihr seid es, die in den Käfig gehen müssen, 60 denn mein Tod hätte in den Augen eurer Politiker kein gang zu veranstalten, zeigt sich das ästhetische Gewicht. Ihr müsst übernehmen. Ich bin gescheitert. Dispositiv der ZPS-Aktion von einer eindeutigen Das Gesetz ist geblieben. Menschen werden weiter moralischen Positionierung organisiert, die die deswegen sterben. Wendet eure Enttäuschung von Teilnehmenden gegen Irritationserfahrungen mir auf jene, die euch vertreten. Ich werde gehen. Ich und Deutungsunsicherheiten schützt und „Läu- gehe in diese Stadt und werde eine unter vielen sein. terung und Erlösung“61 in Aussicht stellt. Hier Vergesst mich, vergesst die Tiger. Denkt an euch und daran, was für Menschen ihr sein wollt. Ich wäre gern ist immer schon klar, was richtig und falsch ist die Unruhe in euren Herzen.64 und wie zwischen beidem unterschieden werden kann. Ein Gefühl von „unease and discomfort rat- 62 Nicht nur der sich hier dokumentierende Hang her then belonging“ , das die Kunsttheoretikern zum melodramatischen Kitsch, der die Rhetorik Claire Bishop als produktiven Effekt der Partizi- des ZPS insgesamt kennzeichnet, erscheint prob- pation für die relationale Ästhetik artivistischer lematisch. Schwerer ins Gewicht fällt die Rollen- Interventionen in Anschlag bringt, stellt sich in regie, die in paradigmatischer Weise ein wenig den Handlungs- und Begründungsarrangements reflektiertes, eurozentrisches Sendungsbewusst- des ZPS gerade nicht ein. Im Fall von Flüchtlinge sein anschaulich werden lässt. Die Rede ist – im fressen wird selbst das schlussendliche Schei- Zitat markiert durch den Doppelstrich – zweige- tern der Aktion – es kam zu keiner Gesetzesän- teilt. Während zunächst aus der Fokalisierung der derung, auch gab es keine Sondererlaubnis zur Tiger der finale Akt des ‚großen Fressens‘ ver- Überführung von 100 Fluchtwilligen per Charter- 63 weigert wird, richtet im zweiten Teil May Skaf die flugzeug aus Syrien nach Deutschland – in der Stimme an die deutsche Zivilgesellschaft. Beide Anschlussrede der syrischen Schauspielerin und Teile – und darin setzt sich ein Paternalismus fort, Dissidentin May Skaf zum symbolischen Triumph der auch schon die Aktion Die Toten kommen nachhaltiger Aufstörung umgedeutet: charakterisierte – blenden völlig das asymmetri- Wir waren das falsche Bild in euren Augen, eine sche Machtgefälle aus, das das eigene politische Störung. Wir waren für zwei Wochen ein Fehler im Verhältnis zu jenen begründet, für die das ZPS zu System. In einem System, das voller Fehler ist. [...] sprechen und zu agieren behauptet. Auch wenn Wir werden nicht Teil eurer Logik des Tötens sein. [...] May Skaf in der Verkündung des finalen Appells Es wäre falsch, im Theater etwas zu Ende zu bringen, ihre Stimme erheben darf, ist es doch eigent- was noch lange nicht zu Ende ist. [...] Wir sagen das Finale ab, wir ziehen uns zurück. Im Namen der lich das privilegierte weiße, mitteleuropäische Tiere lassen wir euch mit eurem Dilemma allein. Wir Künstler*innen-Kollektiv, das von einer schein- sind nicht die Lösung. Wir sind die traurigen Darstel- bar unfehlbaren moralischen Position aus eine ler eures Untergangs. Der ist zu real, um gespielt zu Anklage gegen die deutsche Politik artikuliert werden. Die Katharsis findet nicht mehr statt. […] // und apodiktische Forderungen an die Zivilgesell- Gerne würde ich Ihnen eine große Show bieten, gern schaft richtet. Als Nebeneffekt der moralischen Souveränitätsgeste, mit der das ZPS ‚das Recht 60 Zum Verhältnis von Kunst, Krisenexperiment und Stö- des Stärkeren‘ für sich reklamiert, der sich „für rung vgl. Koch/Nanz (2018) Aesthetic Experiments. die Rechte des Schwächeren“65 einsetzt, kommt 61 Ullrich (2017a) Wahre Meisterwerke, S. 139. 62 Bishop (2004) Antagonism and relational aesthetics, S. 54. 64 Die Abschlussrede vom 28.06.2016 ist auf der Home- 63 Wohl aber war die Resonanz der Aktion so stark, dass page des Maxim-Gorki-Theaters dokumentiert. Vgl. sich der Bundestag auf Initiative der Linken zu einer aktu- https://www.gorki.de/de/fluechtlinge-fressen-not-und- ellen Stunde veranlasst sah, in der über die vom ZPS vor- spiele (letzter Zugriff 28.04.2020). geschlagenen Handlungsoptionen diskutiert wurde. Vgl. 65 Zitate der ZPS-Homepage unter der Überschrift „Macht die Zusammenfassung unter https://www.youtube.com/ und Moral“, https://politicalbeauty.de/ueber–das-ZPS. watch?v=JRbYhNqJoPY (letzter Zugriff 25.04.2020). html (letzter Zugriff 20.04.2020). Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 261 es zur Reproduktion der hegemonialen Rede- des ZPS teilzunehmen bietet – mit den kritischen ordnung: In deren patriarchal-diskriminieren- Worten Slavoj Žižeks gesprochen – die attraktive der Logik kann der oder die Andere bloß „Objekt Möglichkeit, ‚authentisch‘ zu leiden und trotzdem einer Information, niemals [aber] Subjekt in das wohltemperierte Leben entspannt fortzu- einer Kommunikation“66 sein. Als ob es die Viru- setzen.70 Die im Zuge der ZPS-Aktionen von den lenz des Postkolonialismus nicht gäbe, zeigt sich Beteiligten aufgeführten Gesten der Subversion der ‚aggressive Humanismus‘ des ZPS von einem haben demnach ganz im Gegenteil zur program- eurozentrischen Sendungsbewusstsein grun- matisch erklärten Wirkungsabsicht wohl „eher diert, das seine Aktionen blind werden lässt für einen fiktiven Tauschwert im kulturellen Feld als die invektiven Gefahren eines anmaßenden Spre- einen Gebrauchswert im politischen Feld.“71 chens ‚im Namen von‘.67 In der Gegenüberstellung zur von Philip Ruch Ein weiterer kritischer Punkt, der mit die- verkörperten, rigorosen „Bekenntniskultur“72, ser hypermoralischen Aufladung verbunden ist, lässt sich anhand von Michel Foucaults Nachden- betrifft die Handlungs- und Haltungsanweisun- ken über Parrhesia als Form und Forderung einer gen, mit denen die ZPS-Aktionen ihr Publikum Kritik hegemonialer Macht zum Abschluss noch auf einen gemeinsamen aktivistischen Konsens einmal deutlich machen, dass sich Schlingensief in ausrichten. Folgt man den einschlägigen Aufsät- einem zentralen Punkt vom „politische[n] Expres- zen von Hauschild und Lewicki68, sind die Aktio- sionismus“73 des ZPS unterscheidet. In seinen nen des ZPS ein Paradebeispiel für partizipative letzten Vorlesungen am Collège de France pro- Kunst, die aus Zuschauenden activist citizens zu filiert Foucault die antike Form der Parrhesia als machen in der Lage ist. Angesichts der implizi- einen Akt der freimütigen Rede, der Mut erfordert, ten Identifikationsoptionen, die das ZPS seinem weil er durch seine rückhaltlose Offenheit riskiert, Publikum zuweist, scheint diese Behauptung die Zuneigung des Freundes zu verspielen oder jedoch wenig überzeugend. So ist die Möglich- den Zorn des Tyrannen auf sich zu ziehen. Der keit der Partizipation durch Design und Paratext Parrhesiastes geht ein Risiko dadurch ein, dass der Aktionen immer schon in spezifischer Weise er etwas Gefährliches ausspricht – etwas ande- präfiguriert. Zentralinstanz des Geschehens ist res, als das, was sein Gegenüber oder die Mehr- und bleibt Philipp Ruch, der die eigene Deutungs- heit glaubt. Entscheidend ist dabei, dass er dies macht nie aufs Spiel setzt und Partizipation nur tut, ohne die Zustimmung der Gefolgsleute als dann zulässt, wenn die Akzeptanz der Spiel- Rückfalloption zu haben. Im Gegenteil: Die „kyni- regeln außer Frage steht. Bei den ZPS-Aktio- sche Parrhesia“74 zeichnet sich dadurch aus, dass nen herrscht dementsprechend von vorneherein der Kritiker, der „ohne Scham und Furcht“ und eine Atmosphäre des Einverständnisses, das den mit „unerträgliche[r] Unverfrorenheit“75 spricht, Aktionsraum in einen weitgehend konfliktfreien gerade nicht auf Unterstützung rechnen kann und Raum geteilter Wertschätzung verwandelt. In sich daher selbst aufs Spiel setzt. Anders als in der von einer „Dialektik des Herzens“69 getriebe- der immunisierenden Souveränitätsgeste Philipp nen, romantisch-jugendbewegten Moralkommu- Ruchs, deren moralischer Maximalismus jede dif- nikation des ZPS exponiert sich – entgegenge- ferenzierende Nachfrage von vorneherein unter setzt zur emphatisch vorgetragenen Rhetorik des den Generalverdacht der Relativierung stellt, Engagements – gerade niemand. An einer Aktion geht es dem Kyniker darum, sich öffentlich zu bestimmten Dingen zu bekennen, auch radikal, um damit eine Situation zu schaffen, „in deren 66 Foucault (1977) Überwachen und Strafen, S. 257. 67 Vgl. hierzu den klassischen Text von Spivak (2007) Can the Subaltern Speak? 68 Hauschild (2016) Von der Kunst Bürger/in zu sein; Le- 70 Vgl. Žižek (2000) Substitution zwischen Interaktivität wicki (2017) ‚The dead’s are coming‘. und Interpassivität. 69 Unter der Formel „Dialektik des Herzens“ fasste Hel- 71 Hirsch (2015) Logik der Entscheidung, S. 41. muth Plessner 1924 die kulturkritische Affektpolitik der Ju- 72 Vgl. Ullrich (2017a) Wahre Meisterwerke, S. 139–143. gendbewegung, die ganz auf das Sozialmodell der Gemein- 73 Ruch (2016) Gespräch mit Ulf Poschardt. schaft ausgerichtet war. Irritationsaversion nach innen und 74 Vgl. Wieder (2019) Kritik, Widerstand und das Erbe des moralische Überhöhungsbereitschaft nach außen liefen Kynismus. dabei parallel. Vgl. Plessner (2001) Gemeinschaft, S. 12. 75 Foucault (2010) Regierung des Selbst, S. 218. 262 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 Horizont […] eine andere Welt“76 als Denkmög- als Unterordnung unter die eigene moralische lichkeit aufscheint. Entscheidend ist für Foucault Autorität zulässt, besteht der besondere Einsatz die Offenheit des Moments, in dem nicht schon der von Schlingensief im Tumult auf dem Wie- von vorneherein festzulegen ist, wie die Rollen ner Theaterplatz verkörperten Rede in der Bereit- der Zuhörenden, Zuschauenden und Mitwirken- schaft, sich selbst, den eigenen Körper und die den zu verteilen sind. Diese werden vielmehr eigene Position aufs Spiel zu setzen. In der Funk- erst „im Modus der Konfrontation, des Spotts, tion eines Tricksters handelt er als eine Figur des der Verhöhnung“77 ausgehandelt. Gewendet auf Dritten, die klare Unterscheidungen unterläuft Schlingensiefs Krisenexperiment bedeutet dies und „aus Lust an Streichen Widersprüche insze- auch, sich selbst, seinen künstlerischen Ansatz niert, nicht aus Bosheit, sondern um Leute auf die und die darin implizierte Tendenz zur Funktio- Probe zu stellen und aus dem Konzept zu brin- nalisierung der im Container bis zu ihrer Abwahl gen.“80 Schlingensief will nicht nur den Anderen einsitzenden Asylbewerber*innen zur Diskussion auf irritierende Weise die Wahrheit sagen, er ist – zu stellen. Dass hier – wie in jeder Repräsenta- quasi als ein Neo-Parrhesiastes – auch bereit, die tionspolitik der Aktionskunst – eine kaum zu ver- Wahrheit über sich selbst zu sagen, und damit meidende Gefahr der invektiven Bevormundung den eigenen Ausschluss aus der Gemeinschaft besteht, macht Bitte liebt Österreich in irritie- der kulturräsonierenden Öffentlichkeit wie des render Ambiguität dadurch selbst deutlich, dass politischen Diskurses zu riskieren.81 die im Verlauf der Aktion sonst meist stummen Während das ZPS in der Absetzungsbewe- Asylbewerber*innen zusammen mit Elfriede Jeli- gung von der hegemonialen Umgangsweise mit nek ein kleines Puppentheater einstudieren und Migration eine eindeutige moralische Haltung aufführen. Damit stellt die Aktion aus, unter wel- im Dienste „moralischer Schönheit, politischer chen Bedingungen der Kunstbetrieb die Subalter- Poesie und menschlicher Großgesinntheit“82 ein- nen sichtbar werden lässt: Als marionettenhafte fordert, setzt Schlingensiefs programmatische Objekte ohne eigene Stimme und agency, als Ambiguitätsproduktion analytisch anders an. Die bloßes Material einer von privilegierten Weißen Logik der Störung, die seine Interventionen infor- gegen die hegemoniale Kultur geäußerten Kritik, miert, zielt nicht allein darauf ab, die Signifikan- die die eigenen performativen Selbstwidersprü- ten gesellschaftlicher Normalitätsproduktion und che übersieht und sich in der Herrlichkeit einer die damit verbundenen falschen Repräsentatio- vermeintlichen moralischen Untadeligkeit sonnt. nen von Identität und Teilhabeanspruch auszu- Wenn man hierfür sensibilisiert auf die Aktionen tauschen. Radikaler noch schafft er Situationen, des ZPS oder auch – um eine andere Lichtgestalt des politisch interessierten Feuilletons zu erwäh- mann (2013) Operndorf. Er macht sie aber, etwa in seiner nen – auf den Theatermacher Milo Rau schaut78, Oper Via Intolleranza II, wiederholt zum Thema der eige- so zeigt sich die fast schon aporetische Proble- nen künstlerischen Arbeit. matik einer weißen Kritik dominanzkultureller 80 Schüttpelz (2010) Trickster, S. 208. Verhältnisse.79 Dort, wo Ruch Partizipation nur 81 Anders als in Konstellationen des Wahr-Sprechens in der Antike geht es für Schlingensief natürlich nicht um Leben und Tod. Auch muss er nicht riskieren, für seine 76 Ebd., S. 373. Intervention ins Gefängnis zu kommen. Wohl aber sind 77 Ebd., S. 360. Sanktionen – mediale Stigmatisierung, Verlust von sym- 78 Im Rahmen der hier angedeuteten Argumentation kann bolischem Kapital – eine mögliche Konsequenz seiner Ak- es wenig überraschen, dass Milo Rau und Philipp Ruch der- tion. Insofern agiert er, wie mit Judith Butler deutlich zu zeit im deutschsprachigen Kontext die mit Abstand reso- machen ist, durchaus als Parrhesiastes: „Es gibt andere nanzstärksten und populärsten politischen Künstler sind. Arten von Risiken, die nicht mit Strafmaßnahmen der Jus- Beide vereinen eine meinungs- und selbstdeutungsstarke tiz beziehungsweise der staatlichen Behörden verbunden Werkpolitik mit einem Interesse für brisante Themen und sind. Man kann sagen, was man für wahr hält, auch wenn dem Willen zur Drastik zu einem ästhetischen Angebot, es bedeutet, die eigenen Freundinnen und Freunde zu ver- das in seiner komplexitätsreduzierten moralischen Eindeu- lieren, sich unbeliebt zu machen oder isoliert zu werden, tigkeit bestens zur Aufmerksamkeitsökonomie und Valori- vielleicht sogar, sich stigmatisiert zu fühlen.“ Butler (2019) sierungsordnung der sozialen Medien passt. Rücksichtslose Kritik, S. 101. 79 Dass das Verhältnis zu Alterität natürlich auch bei 82 So die programmatische Selbstbeschreibung auf der Schlingensief selbst prekär ist, wird insbesondere an sei- ZPS-Homepage, https://politicalbeauty.de/ueber–das-ZPS. nem Operndorf-Projekt in Burkina Faso deutlich. Vgl. Nier- html (letzter Zugriff 28.04.2020). Kulturwissenschaftliche Zeitschrift - 1/2021 263 in denen nicht nur Repräsentationen problemati- das Schlingensief und das ZPS hier exemplarisch siert, sondern auch die diesen zugrundeliegenden herangezogen wurden, sein kritisches Potenzial: Darstellungsrelationen selbst zum Gegenstand von Beobachtung und Verhandlung werden kön- […] Theater [ist] kritisch nur dort, wo es […] das Theater nen. Durch die Produktion von Widersprüchlich- aufs Spiel setzt. Wo es sich von jedem Grund, jeder Autorität, jeder Rückversicherung in Regeln, Normen, keit, die sich aus der theatralen Suspension der Institutionen, Konventionen, Handwerk und Technik Unterscheidung von dargestellter und tatsächli- löst und Spieler*innen und Zuschauer*innen dergestalt cher Wirklichkeit ergibt, entsteht erst eine Pers- im gleichen Maß an den Rand der eigenen Sicherheit pektive, die es erlaubt, die hegemonialen Bedin- führt wie die philosophische Kritik. Kritisch ist Theater gungen, unter denen Realität bzw. Normalität als jene temporäre Überschreitung der Normen, in der diese ausgesetzt und neu verhandelt werden.85 gesellschaftlich hergestellt wird, einer emanzipie- renden Reflexion zugänglich zu machen.83 Damit erscheint Schlingensiefs Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Fremd- und Andersheit, die 4 Artivismus: viele seiner Interventionen zum Thema haben, Postfundamentalismus als Ausdifferenzierung eines breiteren politi- vs. Engagement schen Projekts: einer Critique of Worldmaking, die zu verstehen versucht, auf Grundlage welcher Artivistische Interventionen arbeiten an der Pro- macht- und invektivgrundierten Bedingungen in duktion von politischen Haltungen, indem sie der Gesellschaft etwas als etwas erscheint.84 Hier affektiv hochbesetzte Situationen der Aufstörung erst entsteht die Möglichkeit einer neuen Politi- schaffen. Sie unterbrechen Normalitätsroutinen sierung, die Einspruch gegen jene herrschenden und thematisieren das Prekäre einer gesellschaft- gouvernementalen Relationalitäten erhebt, auf lichen Wirklichkeit, die sich im Regelbetrieb gerade denen gesellschaftliche Wirklichkeit beruht. Erst dadurch stabilisiert, dass sie Fragwürdigkeit in die in dieser postfundamentalen Wende, so lässt sich Latenz verdrängt. Invektivität dient hierbei – dies mit Nikolaus Müller-Scholl abschließend formulie- eint Schlingensief und das ZPS – als symbolische ren, entfaltet das Theater der Diskriminierung, für Ressource, um kollektive Wahrnehmungsmuster zu entautomatisieren und eingeübte Kategoria- lisierungsleistungen zu entsichern. Der zentrale Unterschied zwischen Schlingensief und dem ZPS 83 Womit noch nicht die Frage beantwortet ist, wann besteht in der Beantwortung der Frage, wieviel und wo diese Reflexion geleistet wird. Kritisch lässt sich zunächst einwenden, dass präsentische Affizierung und Zutrauen man in die Emanzipationsfähigkeit des distanzierte Reflexion in einem Spannungsfeld zueinan- Publikums im engeren und der Öffentlichkeit im derstehen. Der Vorwurf der Instrumentalisierung der Parti- weiteren Sinne haben kann. Während das ZPS zipierenden, der auch im Kontext von Schlingensiefs Arbeit klare Vorstellungen darüber hat, welche gesell- mit Personen mit Behinderungen oft erhoben wurde, ist schaftlichen Bewusstseinsinhalte falsch und kri- auch hier nicht völlig von der Hand zu weisen, insofern tikwürdig sind und wodurch sie zu ersetzen wären, Schlingensief letztlich aus der ambivalenten Rolle des im- pulssetzenden Experimentators nicht komplett heraus- verfolgt Schlingensief das Projekt einer Kritik der kommt und damit bis zu einem gewissen Grad einen asym- gesellschaftlichen Modalitäten, unter deren Ein- metrischen Wissensvorsprung reproduziert. Mit Jacques fluss sich hegemoniale Bewusstseinsinhalte her- Rancière wäre demgegenüber allerdings zu betonen, dass ausbilden, reproduzieren und aktualisieren. Die auch das aus der Distanz schauende Interpretieren eine Aktionen des ZPS, für die ein „Kippen der Ästhetik Form der Partizipation ist und Emanzipation demnach das 86 „Verschwimmen der Gegensätze zwischen denen, die be- in die Ethik“ zu konstatieren ist, betreiben einen trachten, und denen, die handeln,“ bedeutet. Rancière großen medialen Aufwand, um auf Missstände (2005b) Spectator, S. 50. hinzuweisen und eine moralische Botschaft an 84 Im Sinne Nelson Goodmans: „Worlds are made by ma- Politik, mediale Öffentlichkeit und Publikum in king [...] versions with words, numerals, pictures, sounds, Szene zu setzen. In gezielter Empörungskommu- or other symbols of any kind in any medium; and the com- nikation geht es ihnen um intensive Erlebnisse parative study of these versions and visions and of their making is what I call a critique of worldmaking.“ Goodman (1999) Ways of Worldmaking, S. 94. Vgl. hierzu auch Lee- 85 Müller-Schöll (2018) Fiktion der Kritik, S. 55. ten (2012) What is ‚Critique of Worldmaking‘? 86 Rancière (2016) Unbehagen in der Ästhetik, S. 133. 264 10.2478/kwg-2021-0018 | 6. Jahrgang 2021 Heft 1: 247–266 der affirmativen Beteiligung. Ihre Aktionen zielen Literaturverzeichnis deshalb auf einen konsumierbaren „Happening- effekt“87, der Leute zusammenbringt und ihnen Quellen einen Genuss der gemeinsam erlebten Dissidenz erlaubt. Dafür braucht es Schuldige, die unmiss- Abschlussrede der Aktion Flüchtlinge fressen vom verständlich identifiziert, invektiv adressiert und 28.06.2016, Homepage des Maxim-Gorki-Theaters: https://www.gorki.de/de/fluechtlinge-fressen-not- moralisch verurteilt werden können.88 Die implizit und-spiele (letzter Zugriff 28.04.2020). anvisierte Homogenität der Wertegemeinschaft DVD Ausländer Raus! Schlingensiefs Container, Bonus hat zur Konsequenz, dass das eigentliche politi- Film-GmbH, (Ö 2000), Hoanzl Ö 2002. sche Potenzial, das mit einer invektiven Ästhetik Santiago Sierra: 250 cm Line Tattooed on 6 Paid People der Störung verbunden ist, verloren geht. Ambi- Espacio Aglutinador, Havana, Cuba, December 1999, vgl. https://sammlung.staedelmuseum.de/ valenzen, so Jakob Hayner, de/werk/250-cm-line-tattooed-on-6-paid-people- espacio-aglutinador (letzter Zugriff 20.04.2020). gelten in einer solchen ‚Bekenntniskultur‘ ausschließ- Selbstbeschreibung auf der Homepage des ZPS: https:// lich als Störfaktoren. So verkümmert die Form und politicalbeauty.de/ (letzter Zugriff 27.04.2020) sowie letztlich auch der Inhalt, denn eine zum Signal degra- https://politicalbeauty.de/ueber–das-ZPS.html dierte soziale Kritik kann unbekümmert und folgenlos (letzter Zugriff 28.04.2020). im Modus von like und dislike konsumiert werden [...] Zentrum für politische Schönheit: Flüchtlinge fressen. Not Künstlerisches Engagement, das nur auf Bekenntnisse und Spiele, Berlin, 2016, vgl. https://politicalbeauty. zielt, verfehlt seinen Zweck, schlimmer noch: Es ver- de/ff.html (letzter Zugriff 27.04.2020). kehrt diesen in sein Gegenteil. Es befördert eine unkri- Zusammenfassung der aktuellen Stunde des Bundestags tische Haltung statt einer kritischen.89 zur Aktion Flüchtlinge fressen, https://www. youtube.com/watch?v=JRbYhNqJoPY (letzter Zugriff Schlingensiefs Krisenexperimente dienen demge- 25.04.2020). genüber zunächst einmal der Ermöglichung von Erfahrungen der Ambiguität und Widersprüchlich- Forschungsliteratur keit. Seine Aktionen sind grell, laut, exzessiv und schonungslos. Allerdings hat bei ihm das Chaos Agamben, Giorgio (2002): Homo Sacer. Die souveräne System. Es dient der Herstellung von Inkom- Macht und das nackte Leben. Frankfurt a.M.: mensurabilität, was von den Beteiligten als Entsi- Suhrkamp.Bredekamp, Horst (2010): Theorie des Bildaktes. cherung von Konventionen, Destabilisierung von Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Berlin: Überzeugungen, verunsichernde Exponierung von Suhrkamp. Selbst- und Fremdbildern erfahren wird. 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