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Syh,ia Kall: ,.Wir leben jetzt recht in Zeiten der Fehde". Zeitschriften 
am Ende des 18. Jahrhunderts als Medien und Kristallisationspunkte 
literarischer Auseinandersetzung 
Frankfurt/M .. Balin. Bern. Bruxdks. New York. Oxford, Wien: Peter Lang 
Verlag 2004 ( Bochumer Schriften zur deutschen Literatur. Bd. 62), 420 S .. ~ 
ISBN 3-631-52396-3, f 68.50 
Sylvia Kali. die mit .. H'ir lehenjet=t recht in leiten der Fehde." leirschr?fien am 
Ende des /8. Jahrhunderts als .Hedien 1111d Kristallisationspunkte literarischer 
A11sei11and<!rst!l::.u11gen ihre Bochumer Dissertation aus dem Jahr 2002 ,orlegt. hat 
damit ein nützliches Buch geschrieben. Ihre Untersuchung zur Zeitschriftenkultur 
vom Ende der Aufklärung bis zur Romantik fokussiert Yier der wichtigsten Zeit-
schriftenprojekte zwisch;n 1785 und 1803. Die Bedeutsamkeit der un;ersuchten 
Blätter bemisst sich dabei nicht nach Auflagenhöhe und absoluten Leserzahlen. 
sondern nach der programmatischen Innovationskraft und nach der Stellung im 
,news discourse· der Zeitschicht. Kali untersucht die Al/gemeine Literatur-Zeitung 
(später Jenaische Al/gemeine Literatur-Zeitung). deren Erscheinungszeitraum sich 
rnit dem gesamten in der Arbeit betrachteten Zeitabschnitt deckt. Friedrich Schil-
lers Horen (1795-1797), Johann Friedrich Reichhardts kurzlebiges Deutschland 
0796) und das Athenaeum der Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel 
(1798-1800). Auch wenn dies natürlich nur einen kleiner Ausschnitt aus dem 
Spektrum des über 3.000 bis heute bekannte und bibliografisch erschlossene 
Blätter zählenden und nach 1750 explosiv anwachsenden Zeitschriftenmarktes 
dieser Zeit darstellt: Doris Kuhles etwa verzeichnet in ihren beiden Bänden Deut-
sche literarische Zeitschriften von der Az!fklärung bis ::.ur Romantik. 
(München 1994) allein 3.072 Titel, so ergibt sich in der Zusammenschau der vier 
sehr unterschiedlichen Periodika doch ein aussagekräftiges Bild über das jeweilige 
Selbstverständnis. die Programme, die angezielten und erreichten Öffentlichkeiten 
und den literarischen. publizistischen und ökonomischen Erfolg und Misserfolg 
der Zeitschriften. 
Besonders sei auf den Materialreichtum der Arbeit verwiesen. denn hier liegt 
die eigentliche Stärke dieser Dissertation. Es gelingt Kali in den Grundzügen. und 
?esonders in den Kapiteln zu den Horen und zum Deutschland auch im Detail, 
Interessante Einsichten zur ineinander verwobenen Geschichte der Blätter herzu-
stellen. am Material personelle und programmatische Verflechtungen. Gegensätze 
und Konflikte aufzudecken. So schält sich ein klareres. aber vor allem, ielschich-
tigeres Bild eines zentralen Ausschnitts der intellektuellen Szene der Zeit um 
1800 heraus. 
Die Al/gemeine Literatur-Zeitung etwa erwarb sich zunächst einen Ruf als das 
maßgebliche Organ für Rezensionen zur Literatur und Asthetik. ausgerichtet 
an Leitlinien. die der Kant'schen Philosophie entsprachen. Diese zentrale Rolle 
über den Vorwurf der einseitigen Parteinahme auszuhebeln. \\'ar sowohl ein I nte-
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resse Goethes und Schillers wie der Romantiker. Der in Schillers Horen und 
ihrem radikalen Programm einer .ästhetischen Erziehung' ihres Publikums zu 
moralischer Freiheit und revolutionärer Entsagung propagierte Führungsanspruch 
scheiterte an der Verweigerung von Autoren und Publikum; mit den „Xenien" 
rechneten Schiller und Goethe in scharfem. beinah autoritärem Ton daraufhin mit 
dem Literaturbetrieb ab. Reichhardt versuchte in seinem Blatt Drntsclzland rnn 
der Stimmung gegen die Horen zu profitieren. integrierend zu wirken und Auto-
ren und Publikum zu vereinigen. Friedrich Schlegel_ wie Reichhardt als Autor 
für die Horen von Schiller abgewiesen. zog im Deutschland massiv gegen das 
Blatt der Weimarer zu Felde und gründete nach dessen Ende mit seinem Bruder 
das Athenaewn. Diese bedeutendste Zeitschrift der Romantik richtete sich im 
Gegensatz zum Deutschland weniger an eine breite Leseöffentlichkeit als an die 
romantischen Zirkel und machte publizistischen Streit und literarische Polemik 
zu ihrem Programm 
Kali kann im Zuge ihrer Durchforstung der Publikationsgeschichte dieser vier 
Periodika einige sedimentierte Vorstellungen und lieb gewonnene Vorurteile 
der Literatur- und Mediengeschichtsschreibung revidieren. so etwa den Mythos 
von der revolutionären Gesinnung des Deutschland. Schuldig bleibt die Arbeit 
aber eine konsequente Einlösung des gewählten systemtheoretischen Ansatzes 
des ebenfalls in Bochum lehrenden Gerhard Plumpe. Nicht einmal der System-
begriff wird soweit fruchtbringend eingearbeitet, so dass eigentlich nur von einer 
.,Anlehnung" (S.19) an die Systemtheorie die Rede sein kann. 
Es ließe sich zudem darüber streiten. ob der von der Autorin und ihrem Dok-
torvater Peter-Andre Alt gewählte Fokus auf nur vier und nicht einmal vollends 
repräsentative Zeitschriften nicht zu eingeschränkt ist und ob eine Dissertation 
zu diesem hochspannenden Thema nicht weiter hätte ausgreifen müssen. z.B. 
auf Wielands Teutschen Merkur ( 1773-1789) oder die Berlinische !vfonatssclzrift 
(1783-181 l). in der die berühmte Frage .Was ist Aufklärung'!" gestellt und von 
Kant, Mendelssohn u.a. beantwortet wurde. und ob sie nicht in der medien- und 
literaturtheoretischen Diskussion des Gegenstandes tiefer hätte schürten müssen -
auch in Richtung einer genaueren Erschließung der häufig berufenen .Streitkul-
tur' dieser Epochcnwende. So bleibt nur zu hoffen. dass diese Desiderate der 
Forschung durch komplementäre Arbeiten zukünftig einmal eingelöst werden. 
Andreas Stuhlmann (Cork. Irland)