394 MEDIENwissenschaft 04/2022 Christian Schicha: Bildethik: Grundlagen, Anwendungen, Bewertungen München: UVK 2021, 305 S., ISBN 9783825255190, EUR 25,90 „Formen, Anwendungen und Bewer- Während Gesetze und Urteile von tungen der Bildkommunikation“ will Sanktionen gestützt werden, rekurrie- diese Einführung beziehungsweise ren ethische Argumente auf „Kriterien dieses Lehrbuch „aus einer normati- für moralisch angemessene Entschei- ven Perspektive“ (S.9) vor allem für dungen“ und auf „Sensibilisierung[en] Studierende einschlägiger Diszipli- in Fällen der Verletzung gültiger Nor- nen bearbeiten und darstellen, so der men und Werte“ (S.46). Allerdings Autor von der Universität Erlangen- geraten die Ausführungen im Kapitel Nürnberg in seiner Einleitung, der recht allgemein, und es wird zu wenig bereits mit mehre ren Publikationen deutlich, worin das Spezifische einer zur Medien ethik hervorgetreten Bildethik bestehen könnte. Am Ende ist (z.B. Medienethik: Grundlagen – – in seinem „Fazit“ – räumt C hristian Anwendungen – Ressourcen. München: Schicha dann sogar ein, „dass die UVK, 2019). Dazu legt er zunächst Bildethik keinen stets gültigen Kri- Grundlagen zur „Relevanz von Bil- terienkatalog zur grundlegenden dern“ (S.18), indem er Ansätze der Beurteilung von visuellen Angeboten Bildwissenschaft (als allgemeine Dis- liefern kann“ (S.219), doch eine aus- ziplin) und der Visual Culture Studies führliche theoretische Begründung (als kritische Rezeption sdisziplin aus hierfür fehlt leider. Auch die Hinweise der Perspektive der Populär- und All- auf den Deutschen Presserat und seine tagskultur) aufgreift. Allerdings kom- Entscheidungen als ‚Medienselbstkon- men in diesem Kapitel auch nicht ganz trolle‘ überzeugt am Ende nicht, zumal systematisch Aspekte der Bildverwen- die vielfältig vorgebrachte Kritik als dung, -verarbeitung, -ikonen, -funk- Alibi-Instanz nicht aufgegriffen wird. tionen, -typen, -wahrnehmungen und Vielleicht sind deshalb seine bei- -wirkungen (in dieser Reihenfolge) spielhaften Ausführungen – unter zur Sprache, aber welche inhaltlichen „Anwendungen“ rubriziert – so Zusammenhänge bestehen und erst umfangreich und detailliert ausgefal- recht welche (unterschiedlichen) wis- len. Hier schöpft Schicha aus einem senschaftlichen Begründungen dafür wahrhaft breiten, wohl über Jahre angeführt werden können, bleibt angesammelten Fundus von Bild- unklar. material, bei dessen Darstellung die Das 3. Kapitel liefert zum einen – ethischen Aspekte oft sekundär sind. recht knapp – juristische Explikatio nen Und auch die Rubrizierung in Kapi- beziehungsweise gesetzliche Herlei- teln ist mitunter überraschend, hier tungen sowie ethische Reflexionen. wäre ein Schlagwortregister für die Fotografie und Film 395 Suche hilfreich gewesen. Im Einzel- zierende Notizen zu „Initiativen“ im nen werden berühmte Vertreter_innen Bereich visueller Bildkommunikation, der Dokumentar- und Kunstfotogra- eine kommentierte Auswahlbibliogra- fie in biografischen Notizen sowie in fie, eine Auflistung von einschlägigen kurzen Werkporträts aufgeführt, dann Filmbeiträgen sowie der angeführten folgen Beispiele des Fotojournalismus Literatur. So dürften die Adres- (Publikation, Boulevard, Paparazzi), sat_innen viele nützliche Episoden der Kriegsberichterstattung, zu den und spannende Impressionen von der Terroranschlägen vom 11. September öffentlichen Bildkommunikationen in den USA, zu politischen Bildern, bekommen, aber eine „ethische Kom- zu Werbung (hier mit einem Unter- petenz, einen angemessenen Umgang kapitel zum Deutschen Werberat als mit Bildern zu erlernen, die nur in weiterer Medienselbstkontrolle), zu einem ständigen Reflexionsprozess mit Körperbildern (Mode, Erotik, Porno- aktuellen Entwicklungen der visuellen grafie, Selfies), zu Bildbearbeitungen, Kommunikation bewerkstelligt wer- Satire und Bildern von Verstorbenen den kann“ (S.234), wie im letzten Satz – um das vielfältige Kaleidoskop zu des umfangreichen Bandes postuliert skizzieren. wird, dürften sie allein durch die Lek- Der dritte Teil f irmiert unter türe schwerlich erreichen. Dazu hätten „Bewertungen“; darin f indet sich weitere begründende Explikationen allerdings nur noch ein explikativer und tiefergehende exemplarische Ana- Teil, nämlich „Fazit und Ausblick“, lysen vorgelegt werden müssen. sodann folgen verdienstvolle, aber eigentlich in einem Anhang zu plat- Hans-Dieter Kübler (Werther)