162 Michael Schmidbauer, Paul Löhr: Jugend und Fernsehen. Plä- doyer für ein jugendgeeignetes Programm.- München: KoG. Saur (Schrntenreihe Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen Nr. 23), 100 S., DM 32,- In der Schriftenreihe des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen wurde mit dem vorliegen- den Buch ein besonders schwieriger Themenkomplex angespro- chen. Jugend und Fernsehen - das ist für Rundfunkräte, Re- dakteure, Medienpädagogen, aber auch für Medienwissenschaft- ler ein heikles Thema. Sei es, weil so manche Sendungen der Vergangenheit das Bedürfnis der Programmgewaltigen nach in- haltlicher und ästhetischer Low-Intensity-Harmonie störten; sei es, weil trotz immer neuer konzeptioneller Diskussionen keine befriedigende Akzeptanz beim Zielpublikum erreicht wird; sei es, weil es kaum empirische Befunde über die Interessen und Aus- wirkungen im Verhältnis Jugend und Fernsehen gibt. Dem Dilemma der unzureichenden empirischen Daten müssen auch Michael Schmidbauer und Paul Löhr in ihren Betrachtun- gen Tribut zollen; in weiten Teilen können sie sich nur auf die - allerdings grundlegende - Studie der ARD/ZDF-Medienkommis- sion und Bertelsmann-Stiftung Jugend und Medien (1985) stüt- zen. In ihrem Buch präsentieren die beiden Autoren Ergebnisse der Jugend- und Medienforschung zur Lebens- und Medienwelt der Jugendlichen, zum Fernsehen als Sozialisationsfaktor und zum Beitrag des Fernsehens zum Bildungsprozeß der Jugendli- chen, außerdem Fakten des alltäglichen jugendlichen Medienkon- sums und Positionen zum Bildungsauftrag des öffentlich-rechtli- chen und privaten Fernsehens (rechtlicher Rahmen, faktische Handlungsbedingungen). Schließlich gehen sie kurz auf die ak- tuelle Programmpolitik und den bildungspolitischen Stellenwert einzelner Sendungen ein. Immer wieder müssen sie dabei in ih- ren Ausführungen eingestehen, daß "die zur Verfügung ste- hende Datendecke sehr dünn ist" (S. 54). Aufgrund der konkreten Nutzung des Mediums Fernsehen durch die Jugendlichen sowie aus dem Programmauftrag für das öf- fentlich-rechtliche und das kommerzielle Fernsehen entwickeln sie die Forderung nach einer angemessenen Berücksichtigung der Jugendlichen im Gesamtprogramm. Dies darf sich für die beiden Autoren nicht nur in speziellen Jugendsendungen er- schöpfen, sondern muß sich zu einer "Jugendrelevanz des Ge- samtprogramms" (S. 80) ausweiten, womit nicht die Juvenalisie- rung der Sendungen, sondern eine bestimmte inhaltliche (vor allem bildungspolitische) Qualität des Programms gemeint ist. Bei einer kurzen Auflistung solcherart 'wertvoller' Sendungen (u.a. Kir Royal, Schwarzen berg, Im Brennpunkt) wird es leider ver- säumt, deren besondere Qualitäten anzugeben und anhand kon- kreter Beispiele anschaulich zu machen. Auch die Ausführungen über jugendspezifische Sendungen im letzten Abschnitt des Bu- ches leiden an einem (im Nachwort explizit angesprochenen) Mangel an inhalts- und formanalytischen Betrachtungen, an auf- 163 einander bezogenen Programm- und Publikumsanalysen. Ge- nauere Recherchen hätten hier jedoch durchaus zu einer Präzi- sierung der Aussagen führen können, so daß man statt eines Bedauerns in der Fußnote den tatsächlichen Anteil von ju- gendlichem Publikum an den Jugendsendungen hätte angeben können: Er betrug für 14- bis 19- jährige laut GFK- Fernsehfor- schung z.B. für die Sendung Doppelpunkt 1987 im Durchschnitt 6 %. Auch ist der besondere Bezug auf die beiden Live-Sen- dungen Live aus dem Schlachthof (BR/HR) und Doppelpunkt (ZDF) trotz ihrer Qualitäten nicht nachvollziehbar - wenn ein so andersartiges und interessantes Konzept wie 45 Fieber (SFB) ausgegrenzt wird. Aus dem geringen Umfang des Datenmaterials über Jugend- und jugendrelevante Fernsehprogramme kommen die Autoren im Nachwort auf die Forderung nach einer entsprechenden weite- ren wissenschaftlichen Beschäftigung, die das in diesem Buch ausgebreitete Grundlagenmaterial über die Rahmenbedigungen des Jugendprogramms (Zielgruppe/Bildungsauftrag) wertvoll er- gänzen kann. Auch wird dann stärker von den programmpoliti- schen Zwängen zu sprechen sein, die etwa die 45 Minuten Dop- pelpunkt, die derzeit einzige wirkliche Jugendsendung im ZDF, vom attraktiven Prime-Time-Sendeplatz (19.30 Uhr) in das späte Abendprogramm verbannten. Bernhard Thür