20 ZfM 30, 1/2024 A Die Erinnerung als Medium der Selbsterzäh- lung, die wiederum die Perspektive des Älter- werdens voraussetzt, trifft auf das Medium der Perspektive: Was wird wie von wem wahrge- nommen, angenommen und wer schweigt wozu? Und welche Gewalt wird wie geahndet, was gilt als Wahrheit, was ist Realität (und wessen)? Das Alter – hier durch das soziale Gebilde der Me- nopause kadriert und als Zustand des «out of whack» – ermöglicht / erzwingt zu (er-)klären, «what your stakes are» (Rainer 1999, 241 f.), also was uns angeht, auch wenn es uns ausgeht. Und dies gilt schließlich auch für die Medienwissen- schaft im deutschsprachigen Raum, wo sich das Fach gemäß seinem Älterwerden in transition befindet. Dazu zählt die erzwungene Transfor- mation durch die Neoliberalisierung von Lehre und Forschung, aber auch die zunehmend un- geraden Lebensläufe, die erst recht erforderlich machen, die Frage nach der Zugehörigkeit ex- plizit zu stellen. Wen sortiert das Wissenschafts- system aus, was wird eigentlich vorausgesetzt, welche Biografien kommen zur Geltung? Ganz klar, das sind Klassenfragen – die unmittelbar auf meine weiter oben formulierte Frage zurück- loopen: Wie steht es um die Genealogie, also das Geschlecht der Medienwissenschaft? Bezie- hungsweise etymologisch erweitert: Wie steht es um die Abstammung? Diese Frage auf Deutsch zu formulieren, verweist zudem auf den ganzen Bedeutungshaufen von ‹Rasse›, Staatsangehörig- keit, Aufenthaltsstatus etc. Es steht also an, als Medienwissenschaftler*innen (peri-)menopausal zu fragen: What is at stake? NANNA HEIDENREICH Lit.: Chun, Wendy Hui Kyong (2017): Updating to Re- main the Same. Habitual New Media, Cambridge (MA). · Crenshaw, Kimberlé W. (1989): Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antirac - ist Politics, in: University of Chicago Legal Forum, Bd. 1989, Nr. 1, Art. 8, 139 – 167, chicagounbound.uchicago.edu/ uclf/vol1989/iss1/8 (15.11.2023). · Heidenreich, Nanna (2023): Hot flashbacks. Über Yvonne Rainers Privilege (USA 1990), in: kolik.film, Sonderheft 39, 42 – 46. · Rainer, Yvonne (1999): Declaring Stakes: Interview by Kurt Easterwood, Laura Poitras, and Susanne Fairfax, in: dies.: A Woman Who. Essays, Interviews, Scripts, Baltimore, London, 230 – 243. · Robertson, Lisa (2018): Proverbs of a She-Dandy, Paris, Vancouver. · Strick, Simon (2021): Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschis- mus, Bielefeld. · Wallace, Michelle (2004): Multicultur- alism and Oppositionality (1991), in: dies.: Dark Designs and Visual Culture, Durham, 249 – 263. ARBEITER*INNENKINDER … aus dem Osten. Vielleicht war es die Erschöpfung zum Ende die- ser Jahrestagung, die uns als Organisationsteam sehr viel mehr Kraft gekostet hatte, als wir es uns zu Beginn hätten ausmalen können. Ich spürte, wie mir heiß wurde und die Nase zu kribbeln be- gann, im Versuch, die Tränen auf der Schwelle meiner Netzhaut zu halten. Bloß nicht kullern lassen. Nicht jetzt. Wir saßen in der Galerie der Burg Giebichen- stein Kunsthochschule Halle. Das letzte Podium vor dem Konzert lief. Im Publikum herrschte eine angespannte Konzentration, als würde nie- mand im Raum auch nur ein Wort, auch nur eine Gebärde verpassen wollen. Trong Duc Do, Tania Kolbe und Okan Kubus unterhielten sich, moderiert von Mehmet Arbag, über «P_Ost- deutsche Perspektiven. Dis_Kontinuitäten der Grenzziehung zwischen Ost und West». So hat- ten wir das Abschlusspodium von membra(I)nes, der 12. Jahrestagung der Fachgesellschaft Gender Studies, genannt. Es war Absicht, dieses Gespräch im Programm so zu platzieren, dass die Bedeu- tung, die es für uns als Team hatte, zum Aus- druck kommen konnte. Der Raum, so schien mir, spürte das. Auf einmal ging es um alles auf dieser Tagung, die aufgrund der vielen Angebote (Vor- träge, Workshops, Ausstellung, Radio, Karaoke, Performances) manchmal den Fokus zu verlieren drohte. Do, Kolbe, Kubus und Arbag machten deutlich, dass sie in diesem von asymmetrischen Machtverhältnissen durchzogenen Rahmen nur NANNA HEIDENREICH | KATRIN KÖPPERT Z ei tsc hr ift fü r M ed ie nw iss en sch af t, Jg . 1 6, H ef t 3 0 (1 /2 02 4) , h tt ps :// do i.o rg /1 0. 14 36 1/ zf m w -2 02 4- 16 01 07 . P ub lis he d by tr an sc ri pt Ve rl ag . T hi s w or k is li ce ns ed u nd er th e C re at iv e C om m on s A tt ri bu tio n C C -B Y -N C -N D 4 .0 D E li ce nc e. http://chicagounbound.uchicago.edu/uclf/vol1989/iss1/8 http://chicagounbound.uchicago.edu/uclf/vol1989/iss1/8 http://kolik.film https://doi.org/10.14361/zfmw-2024-160107 21WAS UNS AUSGEHT A bis zu einem gewissen Grad erzählen wollten, was ihre Perspektiven als Schwarze Ostdeutsche, als ‹Ossi of Color›, so Dos Selbstbezeichnung, als Vertragsarbeiter*innenkinder, als queere, taube Migrant*innen in Ostdeutschland hinsichtlich aktueller Verhandlungen der Erinnerung an die DDR und der Politisierung des ‹braunen Ostens› sind und was ihre Alltagsrealität angesichts der rechten Hegemonie in Ostdeutschland ist. Die Stille im Raum zwischen Okan Kubus’ Gebärden und dem Einsetzen der Verdolmet- schung; die Ruhe des Moderators Mehmet Arbag, jede Frage vorsichtig abwägend; die Kraft Tania Kolbes, mit Humor Gewalt sichtbar zu machen; Trong Duc Dos Verzweiflung im Ver- such, auch Zuversicht auszustrahlen. Jedes Wort, jede Geste, jede Gebärde: eine Erschütterung. ... Panik, angesichts meiner dem Weinen nahen Ergriffenheit, die den von den Podiumsgästen problematisierten Voyeurismus veranschaulich- te. Ein Blick zu meiner Partnerin im Publikum und ich wusste – mir ihre Geschichte vergegen- wärtigend –, dass es nicht nur Tränen der Bestür- zung, Trauer und Traurigkeit waren. Es waren auch Tränen der Scham. Gleich mit den ersten Sätzen dieses Podiums war eine Saite in mir angeschlagen, die meine eigene DDR-Kindheit wie im Wörterbuch des Kitschs vor dem inneren Auge aufscheinen ließ: Meine Mutter in Dederon-Kittelschürze; wir mit Lampions beim Gartenfest; ich in der Schlange vorm Fleischer; Sauerkrautsaft, der aus der Pa- piertüte tropft; mein Vater, der mir das Fahren seines selbstgebastelten Mopeds beibringt. Das ganze Panorama der vielbesprochenen DDR- Nostalgie durchblitzte meinen Körper und über- kreuzte sich mit diesem, seit dem Erscheinen von Didier Eribons Rückkehr nach Reims (2016) neu erwachten Gefühl der Dringlichkeit, mich nach Jahren der auch strukturell bedingten Ver- drängung bewusster mit meiner Herkunft hin- sichtlich des politischen Systems der DDR und der Arbeiter*innenklasse auseinandersetzen zu müssen, auch um die Differenzerfahrungen zu verstehen, die ich innerhalb der deutschsprachigen Kunst- und Medienwissen schaften wie auch in den Gender und Queer Studies erlebe. Dass diese angeschlagene Saite in diesem Mo- ment in mir vibrierte und ich zuhörte, als würde ich im DDR-Familienfotoalbum blättern, gaukel- te mir auf körperlicher Ebene eine kollektiv ge- teilte Erfahrung vor, die es entgegen den Bemü- hungen der AfD, die diese Saite bewusst bespielt, nicht gibt. Die rechte Konstruktion des Ostens als homogen weiß, um basierend auf einem sol- chen Bild die emanzipatorischen Diskurse der 68er*innen im Westen, den Feminismus und die Ökologiebewegung zu delegitimieren (Hürtgen u. a. 2003), zerbröckelte auf diesem Podium. Die rechte Vorstellung, die Authentizität eines weißen Ostdeutschseins zurückholen zu können, wurde als Trugbild entlarvt. Umso beschämender war es, an diesem Punkt zu spüren, dass ich nicht frei war von dem Impuls, in das Gefühl einer vermeint- lich geteilten Sprache oder kollektiven Identität tränen verkörpert einzustimmen. Die Scham darüber, gedacht zu haben, dieses Podium könne auch etwas über das sich im Hoch- schulkontext als Klassismus und Antikommunis- mus formulierende Ost-Stigma berichten, über die Kontinuität des Ausschlusses Ostdeutscher aus der Wissenschaftselite (Universität Leipzig, 2023), die Absenz spezifischer Medienhistorio- grafien der DDR in den Medienwissenschaften (ZfM 27 [2 / 2022]: Reparaturwissen: DDR) – also darüber, was der (Medien-)Wissenschaft (analy- tisch, epistemologisch, personell und strukturell) ausgeht –, verriet etwas über mein Scheitern, am ‹Klassen-Übertrittspunkt› die Differenzen im Blick zu behalten, die aufgrund von Migration, Vertragsarbeit, Rassismus zwischen mir und den Podiumsgästen einen Abstand herstellten. Die Scham zeugte von den Lücken in meiner Aufar- beitung und meiner Erinnerung an die DDR, von der ich nichts wusste. Wusste ich nichts? Als ich vor Kurzem meinen Eltern aufgeregt von der Ausstellung Re-Connect. Kunst und Kampf im Bruderland im Museum der bildenden Künste ALTER | ARBEITER*INNENKINDER 22 ZfM 30, 1/2024 A Leipzig und insbesondere von dem Teil erzählte, der die Geschichte der Vertragsarbeiter*innen anhand von Archivmaterial, Interviews und An- gelika Nguyens Film Bruderland ist abgebrannt (1991) zu umreißen suchte, spiegelte sich meine Scham in ihrer. Ich meinte, ihre Scham darüber zu sehen, dass ich – die Einzige in der Familie, die promoviert ist – ihnen etwas aus ihrem Leben in der DDR erzählen wollte. Ich spürte ihre Scham darüber, dass auch ihre Deprivilegierungserfah- rung, die mit der Wende, der ewig drohenden Angst vor Arbeitslosigkeit und der berechtigten Sorge über die Abwanderung ihrer Kinder und Geschwister einherging, die Erinnerung daran überdeckt haben mag, wie ungleich das DDR- Regime zur Sicherstellung seines Überlebens Unrecht entlang von race, ethnischer Herkunft, Religion und Geschlecht verteilte. Dabei exis- tiert das Wissen über die Lebensbedingungen der Vertragsarbeiter*innen auch in ihrem DDR- Archiv. Auf einmal erzählte meine Mutter, dass sie sich an den Zahltag erinnere und daran, wie sehr sich die mosambikanischen Kolleg*innen über das Geld, das sie ihnen als Buchhalterin auszahlte, freuten. Auf einmal erzählte sie von dem Heim, in dem sie abseits der Stadt untergebracht waren. Warum hörte ich diese Geschichte das erste Mal? Hörte ich sie das erste Mal? Ich weiß noch, wie sich der Moment eines be- tretenen Schweigens über die Situation legte, ver- wundert darüber, dass wir uns gerade über etwas ausgetauscht hatten, was einen Abzweig darstellte von den ausgetretenen Pfaden der Erinnerung, auf denen sich meine Familie, sich die ewig gleichen Anekdoten erzählend, bislang bewegt hatte. Scham, so schreibt Ulrike Bergermann im Anschluss an queer-theoretische Verhandlungen politischer Gefühle im Sinne von unter anderem Eve Kosofsky Sedgwick, «ist eine freie Radikale, deren ansteckende Zirkulation alles verändern kann» (Bergermann 2024, 23) und, so fährt sie auf Andrea Seier Bezug nehmend fort, als Mar- kierung von Verletzbarkeit mögliche Bedingung von Handlungsfähigkeit bzw. Handlungsgetrie- benheit. Im Bewusstsein, dass ich meine auf ein nur bedingt souveränes Autor*innensubjekt ver- weisenden Tränen in diesem Text aus dem Privi- leg meines Weißseins heraus beschreibe, möchte ich Scham als Bedingung der Fähigkeit betrach- ten, zu handeln, den Abzweig zu nehmen und an der Weiche, an der ich in diesem Moment mit meinen Eltern stand, abzubiegen. Das bedeutet, Scham als eine Bewegung zu verstehen, die sich gegen die Individualisierung und «Privatisierung der Existenz» (Seier 2020, 79) richtet und sich in eine kollektive Politik auffaltet. Laura Boemke, Tine Haubner und Mike Laufenberg sprechen sich in der Luxemburg-Aus- gabe Was blüht im Osten? Für eine lokale Sozialpo- litik aus, «die sich vom Credo neoliberaler Aus- terität, kapitalistischer Wachstumsorientierung» verabschiedet, um der inneren Peripherisierung in Ostdeutschland und der (affektiven) Land- schaft abgehängter Räume entgegenzuwirken (Boemke / Haubner / Laufenberg 2023, 64). Eine solche Sozial- und Arbeitsmarktpolitik kann, wie David Begrich und Oliver Preuss im gleichen Heft zum Ausdruck bringen, als Präventions- maßnahme gegen Rechts verstanden werden, weil der AfD zumindest ein affektives Feld genom- men würde, anhand dessen sie nationalistische und rassistische Politik betreibt (Begrich / Preuss 2023, 77). Sie würde mittels unter anderem der Stärkung des Tarifsystems und der Aufwertung dessen, was ‹gute Arbeit› (teilhabeorientierte, gemeinschaftsbasierte Formen des Wirtschaf- tens und – ich ergänze – Wissenschaftens) ist, nicht nur der Auslagerung sozialer Gerechtig- keitsfragen in zivilgesellschaftliches Engagement vorbeugen, sondern die solidarische Organisa- tion von Arbeits kämpfen inmitten von Betrieben, Unternehmen und – ich ergänze – Hochschulen ermöglichen (ebd.). Wenn die Scham auf dem schmalen Grat zwi- schen Annäherung an meine soziale Herkunft und gleichzeitiger Entfremdung angesichts rassi- fizierter Differenzen für mehr als nur Nabelschau gut sein soll, dann für die handlungsgetriebene KATRIN KÖPPERT | LINDA WAACK 23WAS UNS AUSGEHT A Platzierung dieser einen Frage: Wie können wir uns (in der Medienwissenschaft) für eine Sozial- und Arbeitsmarktpolitik einsetzen, die – in der Aufarbeitung der kolonialen Kontinuitäten, die sich in dem Euphemismus der ‹Vertragsarbeit› in der DDR durchgesetzt haben (Ha 2021, 3) – soli- darische Kämpfe ermöglicht und rassistische wie auch sich unter anderem als Antikommunismus reproduzierende anti-ostdeutsche Ressentiments gleichermaßen beseitigt? Wie? Vielleicht ange- trieben von der Scham zu handeln. Mit ‹Scham- getriebenheit› geht’s sich aus, eventuell. KATRIN KÖPPERT Lit.: Bergermann, Ulrike (2024): Klasse Haltung, in: Julia Bee / Irina Gradinari / Katrin Köppert (Hg.): digi- tal:gender – de:mapping affect. Eine spekulative Kartografie, Leipzig (im Erscheinen). · Begrich, David / Preuss, Oliver (2023): Handfeste Partnerschaften. Was tun ge- gen die rechte Hegemonie?, Gespräch mit Sebastian Bähr, in: Luxemburg, Nr. 1: Was blüht im Osten?, 74 – 79, zeitschrift-luxemburg.de/artikel/handfeste-partnerschaften (21.11.2023). · Boemke, Laura / Haubner, Tine / Laufenberg, Mike (2023): Land am Rand. Solidarische Ökonomie statt neuer Gutsherrenschaft, in: Luxemburg, Nr. 1: Was blüht im Osten?, 62 – 69, zeitschrift-luxemburg.de/ artikel/landamrand (21.11.2023). · Eribon, Didier (2016 [2009]): Rückkehr nach Reims, Frankfurt / M. · Ha, Kien Nghi (2021): Gegenwart und Konzeption asiatisch-deut- scher Präsenzen, in: IDA-NRW, Jg. 27, Nr. 2: (De)Thema- tisierungen von anti-asiatischem Rassismus. Asiatisch-deutsche Repräsentationen und Widerstandsformen, 3 – 9, ida-nrw.de/ fileadmin/user_upload/ueberblick/Ueberblick022021.pdf (21.11.2023). · Hürtgen, Renate u. a. (2023): Mehr als DDR-Erfahrung, in: Luxemburg, Nr. 1: Was blüht im Osten?, 36 – 41, zeitschrift-luxemburg.de/artikel/ost-iden titaet (21.11.2023). · Seier, Andrea (2020): Scham- offensive: Zur Mikropolitik der Betroffenheit bei Didier Eribon, in: Karolin Kalmbach, Elke Kleinau, Susanne Völker (Hg.): Eribon revisited – Perspektiven der Gender und Queer Studies, Wiesbaden, 65 – 84. · Universität Leipzig u. a. (2023): Elitenmonitor, in: Research Uni- versität Leipzig, research.uni-leipzig.de/elitenmonitor (23.11.2023). · ZfM = Zeitschrift für Medienwissen- schaft, Jg. 14, Nr. 27 (2/2022): Reparaturwissen: DDR, hg. v. Ulrike Hanstein / Manuela Klaut / Jana Mangold, doi.org/10.25969/mediarep/18936 (27.11.2023). ATEMLUFT «Heute ist die Luftqualität besser als gestern zu dieser Zeit.» Seit 2018 gibt die Wetter- App des iPhones unterhalb der 10-Tage-Vorschau Hinweise zur aktuellen Luftqualität am Standort. In Deutschland wurden die Angaben mit Apples Betriebssystem iOS 12 zur Wetter-App hinzuge- fügt – damals kamen die Daten vom US-Unter- nehmen The Weather Channel. Heute werden die Informationen für große Teile Europas und die USA von BreezoMeter bereitgestellt, einer vom gleichnamigen israelischen Start-up entwi- ckelten API (application programming interface), die 2022 von Google übernommen wurde. Sie ermit- telt die Belastung durch Luftschadstoffe und gibt auch Hinweise zu möglichen Gesundheitsrisiken von Kopfschmerzen über geminderte Leistungs- fähigkeit oder Konzentrationsstörung bis hin zu schweren Atemwegserkrankungen. Für die Anwendung gilt, was für eine solche Medientechnik generell vermutet werden kann, nämlich dass der Zuwachs an Kontrolle auf der einen Seite den Kontrollverlust auf der ande- ren spiegelt: «Air Quality Now. Taking Control of the Air We Breathe. Street-level Air Quality, Pollen & Wildfire intelligence means we can all make healthier choices to protect ourselves and our loved ones.» Gerade indem sie eine Ent- scheidungsmöglichkeit suggeriert, offenbart die Selbstbeschreibung von BreezoMeter eine beun- ruhigende Entwicklung: Abgesehen davon, dass nicht alle eine Wahl haben, welche Luft sie atmen wollen, liegt Luftqualität in vielerlei Hinsicht au- ßerhalb unseres Einflussbereichs. Angesichts der Unbeeinflussbarkeit von Phänomenen wie Wald- bränden löst die Datafizierung der Atemluft da- her erstmal keine Probleme, dafür aber neuroti- sches Verhalten aus. Ich mache also den Test und überprüfe meine Exposition gegenüber Luftver- schmutzung an verschiedenen Orten. Den Er- gebnissen zufolge liegt die monatliche Feinstaub- belastung durch PM2,5 (particulate matter) an meinem Standort über den empfohlenen Werten der Luftqualitätsrichtlinien der WHO. Das heißt, wenn die Belastung für ein Jahr so weitergeht, ARBEITER*INNENKINDER | ATEMLUFT Z ei tsc hr ift fü r M ed ie nw iss en sch af t, Jg . 1 6, H ef t 3 0 (1 /2 02 4) , h tt ps :// do i.o rg /1 0. 14 36 1/ zf m w -2 02 4- 16 01 08 . P ub lis he d by tr an sc ri pt Ve rl ag . T hi s w or k is li ce ns ed u nd er th e C re at iv e C om m on s A tt ri bu tio n C C -B Y -N C -N D 4 .0 D E li ce nc e. http://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/handfeste http://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/landamrand http://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/landamrand http://ida-nrw.de/fileadmin/user_upload/ueberblick/Ueberblick022021.pdf http://ida-nrw.de/fileadmin/user_upload/ueberblick/Ueberblick022021.pdf http://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/ost-identitaet http://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/ost-identitaet http://research.uni-leipzig.de/elitenmonitor http://doi.org/10.25969/mediarep/18936 https://doi.org/10.14361/zfmw-2024-160108