Lisa Hoffmann Kiel Traumatisierung in Found Footage Visuelle Darstellungen traumatischer Phänomenologie in/mit Found Footage Abstract: Usergenerierte Videos aus Kriegs- und Katastrophengebieten sind nicht nur audiovisuelle Dokumentationen der Ereignisse, sondern machen die Reaktionen der Aufnehmenden und Anwesenden sicht- und hörbar, wodurch Momente potenzieller Traumatisierung zugänglich werden. Anhand eines Videos aus der Ukraine vom 25. Februar 2022, drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges, wird diese Beobachtung und die Bedeutung des Erkennens möglicher Traumatisierung erläutert. Die anschließend dargestellte eigene künstlerische Forschung erarbeitet alternative Dokumentarismen, die aufgefundenes Material formieren und neu arrangieren, um so die Momente potenzieller Traumatisierung und Phänomenologie von Kriegen und Katastrophen, bestehend aus Lücken, Brüchen und Fragmenten, zugänglich zu machen. _______ Lisa Hoffmann (Master of Fine Arts), Doktorand_in der Fakultät Kunst und Gestaltung, Bauhaus Universität Weimar. Studium Bildende Kunst an der Muthesius Kunsthochschule Kiel und der Koninklijke Academie van Beeldende Kunsten Den Haag. Ihre Forschungsschwerpunkte in der künstlerischen Forschung sind alternative Dokumentarismen von Kriegen und Katastrophen, Trauma und die Darstellung von Traumaerleben. https://www.lhoffmann.com Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 154 1. Momente potenzieller Traumatisierung in Sozialen Medien Usergenerierte Fotografien und Videos aus Kriegs-, Krisen- und Katastrophengebieten zirkulieren auf Social Media Plattformen wie Twitter1 oder Instagram und in Instant Messengern wie Telegram. Durch die Möglichkeit, überall und jederzeit Bilder zu erzeugen, sind nicht länger nur professionelle Bildberichterstatter_innen diejenigen, die visuell von Kriegen und Konflikten berichten.2 Kriege und Konflikte, Natur- und Umweltkatastrophen erreichen dadurch im Moment ihres Geschehens ein millionenfaches Publikum. Diese Bilder stellen eine neue Form von Zeug_innenschaft dar, die mit klassischen chronologischen Zeitstrukturen brechen, sodass Erleben und Zeug_innenschaft simultan stattfindet.3 Die Bereiche von medialen Zeugnissen, veränderter Zeug_innenschaft und die Bedeutung des Affekts spielen in aktuellen Forschungsarbeiten eine große Rolle.4 Diese Arbeit legt ihren Fokus auf eine Beobachtung, die mit den Veränderungen der Bildherstellung und -verbreitung gemacht werden kann: Über usergenerierten Content werden Momente potenzieller Traumatisierung erkennbar. Wie diese les- und erkennbar werden, wird anhand eines Videos aus der Ukraine analysiert und durch einen alternativen Dokumentarismus künstlerisch erforscht. Dieser arbeitet mit Found Footage als Ausgangsmaterial, um neben der Multiperspektivität von Kriegen und Katastrophen deren inhärente, mitunter traumatisierende Phänomenologie sichtbar zu machen. 2. Entstehung von Traumafolgeerkrankungen Nach medizinisch-psychologischer Definition entstehen Traumatisierungen durch das Erleben oder bereits das Bezeugen eines Ereignisses, das charakteristisch die Konfrontation mit körperlicher oder sexueller Gewalt, schwersten Verletzungen oder dem drohenden beziehungsweise tatsächlichem Tod beinhaltet.5 Vielfach kommt es zu einem „Gefühl von Hilflosigkeit und durch das traumatische Erleben 1 Seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk heißt Twitter „X“. 2 So lieferten die Abermillionen Aufnahmen während der Corona-Pandemie Bilddokumente und schufen dabei ein digitales Archiv einer sich weltweit ereignenden Pandemie. Neben Einzelbildern besonderer Ereignisse zirkulierten vor allem floating images, die stellvertretend die Pandemie als strukturelles Ereignis abbildeten. Hito Steyerl nutzt den Begriff der floating images, um das Phänomen von zirkulierenden Bildern zu beschreiben, die nicht länger an ein spezifisches Ereignis gebunden sind, sondern symbolisch ein strukturelles Ereignis zeigen (Steyerl 2013: 171). 3 Schankweiler et. al. 2019: 8. 4 Die in den Literaturangaben auftauchenden Autor_innen sind nur einige Beispiele aktueller Forschungsarbeiten aus diesem Kontext. 5 Vgl. ICD-10 F43.-, Dreßing/Förster 2021: 48. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 155 zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses.”6 Je nach vorherigen Erfahrungen, Anfälligkeiten sowie subjektiver Wahrnehmung und Verarbeitung einer Situation kann sich aus dieser Konfrontation eine Traumafolgestörung entwickeln.7 Diese Folgeerkrankungen und -reaktionen unterscheiden sich in ihrer Dauer, ihrem Auftauchen und in ihrer Stärke. Bei der Akuten Belastungsreaktion (ABR) handelt es sich um eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt, und die im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt.8 Dagegen entsteht die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.9 Im Moment der Traumatisierung bricht das Erleben in der Intensität mit allen vorherigen Erfahrungen und wird nicht von affektiven Reaktionen bestimmt, die in der affektiv-kognitiven Entwicklung durch Erfahrung und Erinnerung entstandenen sind, sodass es zum Gefühl der absoluten Hilflosigkeit und Ohnmacht kommt. Beschreibt man nach Susanne Döll-Hentschker Intensität „als Produkt des Überraschungsgrades und der persönlichen Bedeutung”,10 so ist durch die Intensität der Reaktion, die bis zur totalen Erstarrung gehen kann, davon auszugehen, dass im Moment einer Traumatisierung der Überraschungsgrad die eigenen Selbst- und Weltvorstellungen grenzenlos übersteigt. Dies äußert sich im Verlauf der PTBS symptomatisch durch Erinnerungslücken und Flashbacks, Albträume, Anhedonie11, Emotionslosigkeit, Schreckhaftigkeit, Gereiztheit oder Aggressivität. Zu den Symptombeschreibungen gehören gegensätzliche Reaktionen wie Abstumpfung einerseits und ein hoher Grad an Sensibilität andererseits: Patienten zeigen phobisches Verhalten gegenüber Situationen und Aktivitäten, die sie an das Trauma erinnern. Bei der Konfrontation mit derartigen Schlüsselreizen entstehen starke körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, Atembeschwerden, Magen- und Darmprobleme. Jedoch ist generell das affektive Erleben eingeschränkt.12 6 Flatten et al. 2011: 203. 7 Falkenhagen 2010: 13. 8 ICD-10 F43.0. 9 ICD-10 F.43.1. 10 Döll-Hentschker 2008: 453. 11 Anhedonie bezeichnet eine verminderte Fähigkeit, Freude zu empfinden. 12 Schatz 2009: 15. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 156 Hinzu kommt das Unvermögen vieler betroffener Personen, von ihren Emotionen und ihrem Erleben des Ereignisses zu berichten. Es sind nüchterne Berichte wie von unbeteiligten Beobachter_innen, wie der Psychoanalytiker und Holocaust- Überlebende Henry Krystal anhand der Analyse zahlreicher Patient_innenberichte beschreibt.13 Found Footage von den der Traumatisierung zugrunde liegenden, erlebten oder ähnlichen Ereignissen kann meines Erachtens und meiner eigenen Erfahrung nach einige dieser Lücken überbrücken und bei der Erkennung oder Behandlung von Traumatisierungen sowie der Einordnung einer traumatischen Situation als wichtige Spur oder Hinweis dienen.14 Betroffene sind durch die Traumatisierung oft nicht in der Lage, chronologisch sinnvolle Abfolgen ihrer Erfahrungen zu schildern. Dies wird ihnen beispielsweise in Asylanträgen oder bei Gerichtsverfahren negativ ausgelegt. Entsprechend ist ein Erkennen und Übertragen von Trauma-Faktoren in vorhandenem Material, das deren Erleben, Ausschnitte von Erlebtem oder ähnliche Ereignisse zeigt, nicht nur für Behandelnde, sondern ebenfalls für Mitarbeitende in Ämtern, sozialen und gesellschaftlichen Einrichtungen hilfreich. Bei der Betrachtung von derartigen Bildern ist jedoch die Gefahr einer Sekundärtraumatisierung oder Re-Traumatisierung zu beachten. Das 2022 veröffentlichte Berkely Protocol on Digital Open Source Investigations beinhaltet entsprechend eine Sektion, die über Resilienz- und Schutzfaktoren für Betrachtende informiert.15 3. Kiev: Panzer überfährt ziviles Auto Als Fallbeispiel eines sichtbar werdenden Momentes potenzieller Traumatisierung dient ein auf Social Media Plattformen und in Nachrichtensendungen zirkulierendes Video16, das am 25. Februar 2022 in Kiev aufgenommen wurde, drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.17 Es handelt sich um einen usergenerierten windowshot, eine Aufnahme, die aus dem Fenster eines 13 Vgl. Krystal 1976: 94. 14 Die eigene Erfahrung basiert auf einem Einsatz im Mittelmeer als Fotografin für Sea Watch e.V. im November 2017. Obwohl ich mich nicht an die Stunden der Rettung erinnere, haben die von mir und den Überwachungskameras erstellten Aufnahmen bei der Rekonstruktion nicht erinnerbaren Stunden geholfen. 15 Berkely Protocol 2022: 48). 16 Balša Božović, X (25.02.2022) https://twitter.com/Balshone/status/1497178406617759745 (10.01.2024). 17 Dieser Angriffskrieg folgte einem seit 2014 andauernden Russland-Ukraine Konflikt, der mit der Besetzung und Annektierung der Krim durch Russland begann, die aus den Euromaidan (Protesten) in Kiev mit der Absetzung der pro-russischen Regierung hervorgingen. Siehe zur Vorgeschichte des Angriffskriegs: Widmer 2018. https://twitter.com/Balshone https://twitter.com/Balshone/status/1497178406617759745 Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 157 mehrstöckigen Hauses an der Straße Heroiv Dnipra in Kiev aufgenommen wurde.18 Das Video zeigt, wie ein Panzer plötzlich abdreht und auf der gegenüberliegenden Fahrbahn ein entgegenkommendes ziviles Auto überfährt und unter sich begräbt. Der Panzer setzt nach kurzer Zeit zurück und verlässt, der Straße folgend, die Szenerie. Die Kameraführung zoomt an die Situation heran und wieder heraus, schwankt, wackelt; der Bildausschnitt wird verändert. Kurzzeitig ist der an die Straße angrenzende Parkplatz zu sehen, bevor der Ausschnitt wieder den Panzer und die Straße zeigt. Die Kameraführung, die Qualität und das Format der Aufnahme sind ein Indiz dafür, dass es sich um eine Amateuraufnahme handelt. Neben diesem Video existieren mindestens drei weitere usergenerierte Aufnahmen des Ereignisses vom 25. Februar 2022, die das erste Video und somit das Ereignis verifizieren. Bei drei Videos handelt es sich um windowshots, die die Situation von schräg oben aus verschiedenen Entfernungen zeigen (Abb.1, gelbe Pfeile). Die vierte Aufnahme zeigt den lebenden Insassen des zerdrückten Autos und den Versuch einiger Personen, diesen aus dem Auto zu bergen (Abb.1, grüner Pfeil). 18 Nach eigener Recherche handelt es sich um eine Wohnung in der Hausnummer 7 oder 7a: „25/02/2022 Tank runs over a civilian vehicle with the driver inside”, https://maphub.net/Cen4infoRes/russian-ukraine-monitor (08.12.2022). Die auf der Karte zusammengefassten Informationen wurden über eine Zusammenarbeit von Bellingcat und dem Center for Information Resilience erarbeitet und verifiziert. Update 18.02.2023: Das Projekt und die neue Karte ist nun unter »eyesonrussia.org" abrufbar. In der erneuten Suche tauchte das oben genannte Video nicht mehr auf, sondern es gibt lediglich drei der vier Perspektiven. Über „X“ ist neben dem ursprünglichen Video zwischenzeitlich noch ein fünftes Video von mir aufgefunden worden, das von der gegenüberliegenden Straßenseite eine Person unter Beschuss zeigt, und somit die im Anschluss hörbaren Schüsse erklärt. Selbst wenn das Originalvideo nicht mehr auf eyesonrussia.org gelistet ist, wird dessen Inhalt durch die anderen Videos verifiziert. Bewusst benenne ich diese innerhalb von zwei Jahren stattgefundenen Änderungen, um die Auffindbarkeit, Rechercheprozesse, Zirkulationen und Veränderungen von online veröffentlichtem Material aufzuzeigen. https://maphub.net/Cen4infoRes/russian-ukraine-monitor http://eyesonrussia.org/ Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 158 Abb. 1: Perspektiven der Aufnahmen. Die gelben Pfeile zeigen die Fensteraufnahmen, der grüne Pfeil die Perspektive, die den Versuch der Bergung zeigt. Eigene Grafik In Videos nehmen wir den Ton weniger bewusst und wahr als das Visuelle. Wird die Aufmerksamkeit im besagten Video konzentriert auf den Ton gelenkt, werden neben visuell verfügbaren Informationen die Reaktionen der filmenden und anwesenden Personen, sowie die situativen Umgebungsgeräusche wahrnehmbar. Entsprechend wird durch eine konzentrierte audiovisuelle Betrachtung des Videos dessen Informationsgehalt erweitert. Der Ton fügt dem primär visuell wahrgenommenen Ereignis durch die hörbaren Reaktionen, die Umgebungs- und die Kriegsgeräusche wichtige Informationen hinzu: Zu Beginn ist das schrille Bellen eines Hundes zu hören, das von den einsetzenden Schreien einiger Personen als Reaktion auf das Gesehene übertönt wird. Im Verlauf des Videos/Geschehens kommen Geräusche von Schüssen hinzu. Auf der visuellen Ebene werden weder die neben der Kamera anwesenden Personen noch der Hund oder die Schüsse sichtbar. Der von Anfang an laut bellende Hund vermittelt eine Stresssituation, in der er sich als Reaktion auf die Umgebungsgeräusche oder auf die Anspannung seiner Halter_innen befindet. Die Schussgeräusche verweisen auf den real konkreten Kriegszustand, in dem sich die Personen befinden. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 159 Abb. 2: Screenshots aus „Ukraine invasion“ (00:00:08, 00:00:32, 00:00:20, 00:00:53) Die vier usergenierten Videos des Vorfalls am 25.02.2022 in Kiev zeigen durch ihre audiovisuellen Inhalte Momente möglicher Traumatisierung: in drei Fällen durch das Betrachten und Bezeugen der vor Ort Anwesenden und im Fall des Autofahrers durch das Erleben einer lebensbedrohlichen Situation (Abb. 2).19 Die hörbaren Reaktionen der aufnehmenden und anwesenden Personen geben Hinweise auf das Ausmaß des Ereignisses sowie die Intensität des subjektiven Erlebens. Alle Anwesenden befinden sich seit drei Tagen in einem Angriffskrieg, sodass ihre Situation bereits vor dem Bezeugen und Erleben des Überfahrens eines zivilen Autos durch einen Panzer angespannt ist. Dies fördert die Entstehung einer Stressreaktion oder Traumafolgeerkrankung, da neben der Bezeugung oder dem Erleben Aspekte wie die körperlich-geistige Verfassung, vorherige Traumaerfahrungen, Krankheiten oder die Resilienz im Umgang mit intensivem Stress, wie er im Kriegszustand allgegenwärtig ist, ausschlaggebend sind.20 Weil das Entstehen einer Traumatisierung abhängig von der persönlichen Konstitution und den situativen Bedingungen ist, spreche ich bewusst von Momenten potenzieller Traumatisierung und nicht von traumatisierenden Momenten. Das Video mit den 19 Die Gefahr der Re-Traumatisierung bei Betrachtenden wird hier mit dem Fokus auf sichtbar werdende Momente möglicher Traumatisierung in Found Footage bewusst ausgeblendet, ist jedoch ein relevanter Forschungsbereich im Kontext von Zeugenschaft und Traumatisierung. 20 Vgl. Schatz 2009: 18. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 160 erschrockenen Schreien lässt durch die Intensität der hörbaren Reaktionen auf eine mögliche Traumatisierung der anwesenden Personen schließen. Auch bei der im Auto eingeschlossenen Person ist dies aufgrund der Unvorhersehbarkeit und Grausamkeit des Ereignisses anzunehmen. Entsprechend sind neben den visuellen Sichtbarkeiten in Found Footage Videos die Reaktionen von Anwesenden und die Umgebungsgeräusche wichtige Hinweise auf möglicherweise entstandene Traumatisierungen, gerade wenn weitere Informationen über die Personen und deren Erleben nicht oder nur spärlich vorhanden sind. 4. Kriterien zur Erkennung von Traumatisierung in usergeneriertem Content/Found Footage Videos, die mögliche Momente potenzieller Traumatisierung zeigen, stammen aus Kriegs- und Katastrophengebieten, aus Krisen und Ausnahmesituationen jeglicher Art, seien sie politisch, sozial oder privat. In einer Vielzahl der Fälle handelt es sich um Smartphone-Aufnahmen. Hinzu kommen Bilder von Bildjournalist_innen, Überwachungskameras und Bodycams, wie sie bei Militär und Polizei immer häufiger zur Ausrüstung gehören. Allerdings tauchen diese oft erst im Rahmen von Prozessen öffentlich auf. Eines der aktuell bekanntesten Beispiele sind die Aufnahmen der Polizeibodycams beim Einsatz gegen George Floyd, der zu dessen Tod führte. Diese wurden erst im Rahmen der Verhandlungen öffentlich und zirkulierten daraufhin in Nachrichtensendungen, auf Youtube und weiteren Social Media Plattformen.21 Die Motivation und der Zweck visueller Aufnahmen bestehen einerseits in der Sichtbarmachung und Dokumentation bestimmter Situationen, andererseits in einem testimonialen Antrieb, die eigene (Augen)Zeug_innenschaft festzuhalten und sichtbar werden zu lassen. Ein frühes und bedeutendes Beispiel der Fotografie als Zeugnis stellen die vier Fotografien aus Auschwitz dar, die ein Mitglied des Sonderkommandos aus der Gaskammer heraus aufnahm. Sie entstanden, um Zeugnis von den mörderischen Gräueltaten abzulegen, da die millionenfachen Ermordungen in den Gaskammern selbst für diejenigen, die sie vor Ort erlebten, bis dato undenkbar gewesen waren.22 Heute kommen Videos und Fotografien mehr denn je die Rollen von „media witnessing“ zu. Paul Frosh und Amit Pinchevski bezeichnen damit „witnessing performed in, by and through the media“23, in dessen Funktion sie mitunter die Aussagen von Augenzeug_innen untermauern. Um jedoch mögliche Traumatisierungen in medialen Zeugnissen zu erkennen, reicht eine Betrachtung des visuellen Inhalts oft nicht aus. Eine bildpriorisierende Praxis, 21 Siehe FOX News: George Floyd. 22 Siehe hierzu Georges Didi-Hubermans (2007) Analyse der vier Fotografien des Sonderkommandos. 23 Frosh/Pinchevski 2009: 1. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 161 in der Originaltöne durch Voice Over von Nachrichtensprecher_innen oder Musik ersetzt werden, wie es die zahlreichen Replikationen des Kiev-Videos zeigen, nimmt den Videos wichtige Informationen. Neben einer Einordnung der Situation durch Umgebungsgeräusche geben die Arten der Reaktionen – das Aufschreien, Weinen, die unruhigen Aufnahmen zitternder Hände, die unbeabsichtigten Kamerabewegungen sowie der Klang und die Art der artikulierten Wörter - wichtige Hinweise auf das Erleben der Betroffenen und einer möglichen, sich daraus entwickelnden Traumatisierung. Betrachter_innen solcher Videos werden nicht nur zu Zeug_innen des Bezeugens der aufnehmenden Person,24 sondern ebenfalls zu Zeug_innen bei der Entstehung möglicher Traumatisierung der aufnehmenden und anwesenden Personen im Video(hintergrund). Eine multisinnliche Betrachtungsweise von audiovisuellen Inhalten in Mainstream Medien und auf Social Media hilft bei der Entwicklung eines weniger abstrakten, umfassenderen Verständnisses der Ereignisse und des Erlebens der betroffenen Menschen. Das Erkennen von traumatischen Erfahrungen in zirkulierendem Content unterstützt nicht nur die Analyse der Auswirkung und Tragweite eines Ereignisses. Es ermöglicht eine Annäherung an das Erleben und die Erfahrungen Betroffener und kann sich auf den Umgang mit diesen positiv auswirken.25 Die in der künstlerischen Forschung entstandenen alternativen Dokumentarismen von Kriegen und Katastrophen eröffnen einen Zugang zu den typischen Charakteristiken von derlei Ereignissen durch deren Einbezug in die Darstellung. 5. ATLAS OF THE ESSENCE als Beispiel eines alternativen Dokumentarismus In meiner künstlerischen Forschung erarbeite ich eine dokumentarische Wahrnehmungsästhetik, die die verschiedenen Aspekte und Charakteristika von potenziell traumatisierenden Ereignisse multisinnlich zugänglich macht. Neben Reaktionen und Aktionen im Moment der Traumatisierung und dem anschließenden Traumaerleben gehört dazu das Aufgreifen von Lücken, Brüchen und Unklarheiten, wie sie jedem Krisenereignis und der traumatischen Erinnerung an dieses inhärent sind. Mit Bezug auf die Phänomenologie von Trauma schaffe und erforsche ich mit der Arbeit ATLAS OF THE ESSENCE26 einen alternativen 24 Richardson/Schankweiler 2020: 239: „witness to the becoming-witness of the videographer“. 25 Die Aktualität und Bedeutung eines traumasensiblen Umgangs wird nicht zuletzt durch spezielle Leitfäden wie den der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF e.V.) von 2022 deutlich. 26 Der Titel der Arbeit entstand 2019 zu Beginn meiner künstlerischen Forschung zu alternativen Dokumentarismen von traumatischen Ereignissen. Das erste Ergebnis war der Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 162 Dokumentarismus auf Grundlage von händisch recherchiertem Found Footage aus Krisen- und Katastrophengebieten. Auf großformatigen Bildern zeigen sich einzelne Ereignisse in einer aus vielen hunderten bis tausenden Bildern überlagernden, multiperspektivischen Darstellung. Die Aufnahmen, die Basismaterial für die Arbeiten sind, werden im Rahmen digitaler Recherchen gesammelt, bei denen ich primär mit den Plattformen Flickr und yandex.ru arbeite. Bewusst nutze ich keine scraping tools, mit denen automatisch Content nach vorherigen Vorgaben gesucht und heruntergeladen werden, sondern suche und archiviere händisch jedes der Bilder, um dadurch einen Überblick über das Ereignis und die vorhandenen verschiedenen Perspektiven zu erhalten. Die soziale Plattform Flickr bietet den Vorteil, dass hier von vielfältigen Personengruppen, angefangen von Privatpersonen, NGOs und Hilfsorganisationen bis hin zu Nachrichtensendern und Pressestellen sowie Angehörigen des Militärs, Material hochgeladen und in teils guter Qualität zur Verfügung gestellt wird. So kommen vielfältige Perspektiven zusammen, die im Unterschied zu Bildern von Bildberichterstatter_innen die Perspektiven direkt betroffener Personen zeigen. Die Suchplattform yandex.ru bündelt auf verschiedenen Seiten auftauchende Ergebnisse und stellt das Material in allen online verfügbaren Bildgrößen zum Download zur Verfügung.27 Neben diesen beiden Primärquellen ziehe ich weitere Suchmaschinen wie Duckduck, Ecosia, Google und Startpage hinzu. Die Recherche beschränkt sich nicht nur auf die deutsche Sprache, sondern findet im Englischen und mithilfe von Übersetzungen der Schlagwörter in der jeweiligen oder teilnehmenden Ländersprache statt. Ein weiterer Vorteil der händischen Suche ist dabei, dass anhand von Aufnahmedatum und Veröffentlichung genauer überprüft werden kann, ob die Bilder tatsächlich von dem gesuchten Ereignis stammen oder nur durch die Schlagwortsuche fälschlicherweise als passend erachtet werden. Vor dem Hintergrund dieser Art der Bildrecherche, den weiteren Informationen und Stimmen, die ich über das Ereignis samm le und mir aneigne, wird ebenfalls das Nicht-Sichtbare und das, was sich dem Blick entzieht, für mich erkennbar. Das verkörperte, verinnerlichte und angeeignete Wissen über ein jeweiliges Ereignis Kurzfilm ON SCENE (2018), der mit sich überlagernden Bildern und fragmentierten Sätzen in weißer Schrift auf schwarzem Grund dem Wesen (lat. essentia) meiner bruchstückhaften Erinnerung des Einsatzes im Mittelmeer auf den Grund ging. Im Verlauf dieser Forschung entwickelte sich 2019 die Werkreihe ATLAS OF THE ESSENCE. Der damals intuitiv entstandene und bis heute – auf Grund mehrfacher Ausstellungen und Veröffentlichungen unter diesem Namen – beibehaltene Titel, der auf die einzelnen Arbeiten (Essence of …) übertragen wird, spiegelt die Suche nach dem Wesen von traumatischen Ereignissen – auch wenn ich den Begriff Essenz mitunter durch das Veränderliche der Ereignisse/meiner Arbeiten heute kritischer sehe. 27 Yandex bietet zusätzlich eine Übersicht, wie die Bilder beschnitten und weiterverwendet wurden. Gleichzeitig ist die Seite jedoch mit Vorsicht zu genießen und Bilder sind im Zweifel nachzuprüfen, da es sich um eine russische Plattform handelt und Möglichkeiten der Zensur oder der gezielten Falschinformation höher sind als auf Plattformen, deren Sitz in demokratisch regierten Ländern liegt. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 163 findet bewusst und unbewusst einen Weg in den anschließenden Prozess des Arrangierens-Formierens des gesammelten Materials, aus dem die jeweiligen Essenzen entstehen und beeinflusst dabei sowohl ethische28 als auch ästhetische Aspekte. Dies bedeutet, dass am Ende kein besonders ansehnliches, ergreifendes oder kurzlebig Affekte auslösendes Bild steht, sondern eines, das die besonderen Charakteristika des Ereignisses aufgreift. Dazu gehören neben den erkennbaren Fragmenten auch Lücken, Brüche, Unklarheiten, Schwärze und Chaos. Georges Didi-Huberman schreibt über die bereits erwähnten vier Bilder aus Auschwitz, dass diese „losgelöste Fetzen“ und „sogar ungenau“29 durch die Unmöglichkeit der Identifizierung einzelner Personen oder die Unsichtbarkeit der Handlungsweisen der SS sind. Diese Argumentation führt er in dem Kontext an, dass wir Bildern zu viel – „die ganze Wahrheit“30 – oder zu wenig – lediglich Dokumente ohne historische Bedeutung – zutrauen.31 Seine Analyse lässt sich auf die Fotografien aus Krisen- und Katastrophengebieten und deren Betrachtung übertragen. Dies bedeutet, dass in der Phänomenologie des Bildes bereits elementare Charakteristika von diesen Ereignissen enthalten sind. Das einzelne Bild ist ein Fetzen, ein Bruchstück, eine Spur. Es schafft Klarheiten, wodurch erst erkennbar wird, was außerhalb dieser Klarheit stattfindet, was nicht eindeutig und nicht sichtbar ist. Mit diesem Verständnis von Bildern widme ich mich dem Arbeitsprozess. Dabei werden hunderte bis weit über tausend recherchierte Aufnahmen des jeweiligen Ereignisses überlagert. Im weiteren Prozess findet weder ein Beschnitt noch eine Farbveränderung des ursprünglichen Materials statt, sodass alle Informationen der Bilder in der finalen Essenz vorhanden sind. Lediglich eine jedem Bild identische Transparenz zur Sichtbarmachung des Darunterliegenden wird eingearbeitet. Nach Judith Siegmund kann der Prozess des Arrangieren-Formierens von vorgefundenem Material als eine interpretierende Bezugnahme auf die Welt, auf die durch Bilder transportierte Welt oder als ein unter Einfluss eines im Voraus gebildeten subjektiven Erfahrungsraums verstanden werden.32 Neben dem in der Recherche erlangten Wissen arbeite ich vor dem Hintergrund Judith Siegmunds zum einen mit der Annahme, dass sich Noch-nicht-, Nicht-mehr- oder Nicht- 28 Zu den ethischen Aspekten gehören Entscheidungen, welche Bilder von wem in die oberen fünfzig bis hundert Ebenen kommen, - gerade aus diesen Ebenen bleiben einzelne Details erkennbar - um ein (propagandistisches) Framing zu verhindern. Erst durch Recherchen wird deutlich, wer Bilder gemacht und veröffentlicht hat. Ein Beispiel ist der Afghanistan Konflikt zwischen 2003 und 2020. In dieser Zeit war die US-Armee in Afghanistan stationiert und zahlreiche Bilder stammen von amerikanischen Soldat*innen oder von westlichen, meist embedded journalists. Demnach ist ein großer Teil der veröffentlichten Bilder aus einer westlichen oder militärisch-westlichen Perspektive. Entsprechend ist eine genaue Recherche nötig, um Bilder und Perspektiven von den verschiedenen betroffenen und beteiligten Personengruppen – und dazu gehört eben insbesondere auch die afghanische Sicht – zu finden. 29 Didi-Huberman 2007: 57. 30 Ebd. 31 Vgl. ebd. 32 Vgl. Siegmund 2015: 140. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 164 Sichtbares innerhalb oder zwischen Bildern befindet, dass durch künstlerische Prozesse des Arrangierens und Formierens erkennbar oder zugänglich wird. Zum anderen vertrete ich die Auffassung, dass verschiedene Formen von Wissen sowie Nicht-Sichtbares und Nicht-Sagbares in Körperreaktionen, Sinneswahrnehmungen und lückenhaften Narrativen erfahrbar gemacht werden können. Diesen Schluss ziehe ich aus der Entwicklung des oben beschriebenen Arbeitsprozesses und dessen Ergebnissen, sowie aus beobachteten Reaktionen von Rezipient_innen. Abb. 3: Essence of the Russian-Ukrainian War 2022. Eigene Grafik Die entstehenden Arbeiten werden – eingerahmt von schwarz-verbrannten Holzschattenfugenrahmen – in Ausstellungsräumen oder montiert auf Großplakatflächen im öffentlichen Raum gezeigt. Sie erinnern bei erster Betrachtung an abstrakte Malerei. Erst durch eine Annäherung und genauere Auseinandersetzung werden Konturen, Fragmente und einzelne Bruchstücke erkennbar. Es erscheint wie ein Durcheinander aus nicht klar identifizierbaren Objekten, die sich erst nach einer Weile als Personen oder Gegenstände identifizieren lassen und gleichzeitig eine vollständige Identifizierung und Einordnung unmöglich machen. Es sind keine Schreckensbilder, wie wir sie von Krisen und Kriegen gewohnt sind; keine klar erkennbaren und lesbaren Bilder, wie sie uns tagtäglich in verschiedenen Medienformaten begegnen – neben hunderten anderer Bilder, wodurch sie entsprechend ihrer Kurzlebigkeit schnell in den Hintergrund und in Vergessenheit geraten. Das nur langsam, durch die Bereitschaft zur längeren Betrachtung entstehende Bild enthält die Schrecken des Ereignisses, lässt sie insbesondere durch Unklarheiten und Fragmente erahnbar werden, ohne Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 165 dafür auf den Reiz brutal schöner Bilder zurückgreifen zu müssen. Der Schrecken ist weniger im Bild als im Affizierungsprozess zwischen Bild und Betrachter_in, in der Sensibilisierung der Sinne, der Wahrnehmung, der Anknüpfung von Erinnerungen, Sichtbaren und eben auch Nicht-Sichtbaren vorhanden. Durch diesen proaktiven Vorgang des Sehens, der Entscheidung des Sich-annäherns, des Suchens, Erinnerns und Identifizierens, des Aufkommens von (unbeantworteten) Fragen, entsteht ein neuer Zugang zum dargestellten Ereignis, der über die Kurzlebigkeit üblicher Bilder und kurze Affizierung hinausgeht. 6. Fazit Schrecken und Grausamkeit sowie erfahrenes Leid sind bis zu dem Moment, in dem sie erlebt oder bezeugt werden, in gewisser Weise abstrakt. Videos wie das aus Kiev verhelfen – wenn man nicht nur die Bilder, sondern die begleitenden Geräusche bewusst miteinbezieht – die Ausmaße von erfahrenem Schrecken und Gewalt im Moment ihres Geschehens und Erlebens zu erkennen. Sofern audiovisuelles Material gegeben ist, liefert die Analyse beider Elemente wichtige Informationen zur Einordnung des Ereignisses und zur Erkennung möglicher Traumatisierung der anwesenden und aufnehmenden Personen. Das visuelle Material gibt Informationen zu der Situation und dem Geschehen, die Umgebungsgeräusche liefern Informationen zum örtlichen sowie situativen Kontext und die hörbaren Reaktionen Hinweise auf das Erleben der anwesenden Personen. Die Ästhetik der Serie ATLAS OF THE ESSENCE reproduziert die Charakteristika von Kriegen, Konflikten und Katastrophen, indem sie Chaos, Lücken, Leerstellen und Trümmer als Spuren beinhaltet, ohne die Gewalt explizit zu zeigen. Des Weiteren übertragen die Arbeiten kriseninhärente Erfahrungen auf Rezipient_innen: die Unmöglichkeit der Orientierung, das Nicht-Erkennen von zuvor Bekanntem, den Verlust von Anhaltspunkten sowie die Wahrnehmung von Brüchen und Chaos, wo vorher Ordnung war. Natürlich sind diese Erfahrungen nicht gleichzusetzen mit den Erfahrungen direkt betroffener Personen. Doch sie provozieren ein Suchen nach Informationen und eröffnen dadurch Zugänge. Sie regen zum Diskurs an und ermöglichen eine Form von Verständnis, die über die Inhalte der dargestellten Ereignisse hinausgeht und die Erfahrungen Betroffener und deren Erleben einbezieht. Dabei stellen die Arbeiten die Frage, was Dokumentarismen von Kriegen und Katastrophen in einer Zeit ausmachen, in der Bilder von derartigen Ereignissen im Sekundentakt parallel zu Werbebildern und Selfies konsumiert werden. Lisa Hoffmann | Darstellungen traumatischer Phänomenologie ffk Journal | Dokumentation des 36. Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 166 Literaturverzeichnis Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (Hrsg.) (2022): Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten. Ein Praxisleitfaden. Berlin, BAfF e.V. https://www.baff-zentren.org/wp- content/uploads/2022/04/BAfF_Praxisleitfaden_Traumasensibler-Umgang-mit- Gefluechteten.pdf (27.06.2023). Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Hrsg.) (2016): ICD-10- WHO Version 2016. Kapitel V: Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99), Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (F40-F48). F43 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-who/kode- suche/htmlamtl2016/block-f40-f48.htm (11.09.2023). Didi-Huberman, Georges (2007): Bilder trotz allem. München: Wilhelm Fink. Dreßing, Harald/Foerster, Klaus (2021): „Traumafolgestörungen in ICD-10, ICD-11 und DSM-5“. In: Forensische Psychiatrische, Psychologie, Kriminologie 15, S. 47–53. Falkenhagen, Franziska (2010): „Psychophysiologie des akuten Traumas.“ Dissertation, Christian-Albrechts-Universität Kiel. Flatten, Guido et al. 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Film- und Mediewissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 9 (2024) 167 Steyerl, Hito (2013): The Wretched of the Screen. Berlin: Sternberg Press. Widmer, André (2018): Ostukraine – Europas vergessener Krieg, Reportagen aus dem Donbass. Zürich: Rotpunkt. Medienverzeichnis Ohne Titel, Balša Božović, X (25.02.2022) https://twitter.com/Balshone/status/1497178406617759745 (10.01.2024) „Ukraine invasion - TANK crushes civilian car in Kyiv but driver is miraculously rescued alive“. The Sun, Youtube (25.02.2022), https://www.youtube.com/watch?v=-xcfJY6QwnY (19.03.2022). „George Floyd: Police bodycam video played in court, showing full encounter with Derek Chauvin“. LiveNow from FOX, Youtube (31.03.2021), https://www.youtube.com/watch?v=1Fpivi5ljhI (10.01.2024). „25/02/2022 Tank runs over a civilian vehicle with the driver inside“. Center for Information Resilience, MapHub (2022), https://maphub.net/Cen4infoRes/russian-ukraine-monitor (08.12.2022). Die Seite ist nicht mehr verfügbar und wurde von Eyes on Russia abgelöst. „Eyes on Russia: The Russia-Ukraine Monitor Map“. Center for Information Resilience (Januar 2022), https://eyesonrussia.org/ (10.01.2024). Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Perspektiven der Aufnahmen. Die gelben Pfeile zeigen die Fensteraufnahmen, der grüne Pfeil die Perspektive, die den Versuch der Bergung zeigt. Karte: Screenshot Google Maps 10.03.2023. Eigene Grafik. Abb. 2: Screenshots aus „Ukraine invasion” (00:00:08, 00:00:32, 00:00:20, 00:00:53). Abb. 3: Essence of the Russian-Ukrainian War 2022. Eigene Grafik. https://twitter.com/Balshone https://twitter.com/Balshone/status/1497178406617759745 https://www.youtube.com/watch?v=1Fpivi5ljhI https://maphub.net/Cen4infoRes/russian-ukraine-monitor 1. Momente potenzieller Traumatisierung in Sozialen Medien 2. Entstehung von Traumafolgeerkrankungen 3. Kiev: Panzer überfährt ziviles Auto 4. Kriterien zur Erkennung von Traumatisierung in usergeneriertem Content/Found Footage 5. ATLAS OF THE ESSENCE als Beispiel eines alternativen Dokumentarismus 6. Fazit Literaturverzeichnis Medienverzeichnis Abbildungsverzeichnis