CHRISTINA BARTZ, TIMO KAERLEIN, MONIQUE MIGGELBRINK, CHRISTOPH NEUBERT ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN. EINLEITUNG „Wer blos aufs Gehäuse sieht, kauft schlechte Uhren.“1 So lapidar erteilt Karl Friedrich Wilhelm Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon dem Gegenstand eine pauschale Absage, der das Thema des vorliegenden Buches darstellt. Die durch das Sprichwort implizierte Behauptung zielt auf eine Opposition von innen und außen, in der das Wesentliche, die Qualität, die Funktion allein dem (typischerweise verborgenen) Innen zugeschrieben wird, während das Außen zur Blende, mithin zum Blendwerk degradiert ist. Das Gehäuse scheint – glaubt man dem Volksmund – nicht bloß nebensächlich, sondern es kann sogar dazu dienen, den Betrachter über die tatsächlichen Eigenschaften des vorliegenden Objekts zu täuschen. Hans Blumenberg bezeichnet „die technische Welt, unabhängig von allen funktionalen Erfordernissen, [als] eine Sphäre von Gehäusen, von Verkleidun- gen, unspezifischen Fassaden und Blenden“2. Ein unmittelbarer Effekt von Technisierung sei demnach ein Vorgang der Einkapselung, der auf kognitiver Seite einen Sinnverzicht bedeutet. Was funktioniert, wird nicht nur episte- misch, sondern auch gegenständlich geschlossen und der Einsicht entzogen. Gehäuse erscheinen als materielles Resultat eines Blackboxing-Vorgangs, Blumenberg spricht von der „Umkleidung des künstlichen Produkts mit Selbstverständlichkeit“3. Handeln reduziere sich gegenüber der Blackbox zum Auslösen immer schon apparativ bereitliegender Effekte. Blumenberg thema- tisiert das Gehäuse selbst allerdings nicht weiter, ihm geht es vielmehr um die lebensweltlichen Implikationen des Technisierungsprozesses, durch den kon- tingente Strukturen mit unhinterfragter Dauerhaftigkeit ausgestattet würden. Etymologisch zunächst noch eng verwandt mit dem Haus bzw. der Hütte, findet sich der Begriff ‚Gehäuse‘ seit dem 16. Jahrhundert bereits in der Be- deutung als „Behältnis, Schutzhülle, Kapsel“4. Gehäuse kommen nicht nur als von Menschen geschaffene Strukturen vor, sondern sind auch im Tierreich, 1 Sprichwort zu „Gehäuse“. Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hg.), Deutsches Sprichwörter- Lexikon, Bd. 1, Leipzig, 1867, Sp. 1419. 2 Hans Blumenberg, „Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie“, in: ders., Wirklichkeiten in denen wir leben. Aufsätze und eine Rede, Stuttgart, 2009, S. 7-54: 35 f. 3 Ebd., S. 37. 4 Vgl. „Gehäuse“, in: Wolfgang Pfeifer/Wilhelm Braun (Hg.), Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. A-L, 2. Aufl., durchges. und ergänzt von Wolfgang Pfeifer, Berlin (u. a.), 1996, S. 411. 10 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT insbesondere bei Muscheln und Schnecken, verbreitet. In allen Fällen vermit- telt das Gehäuse zwischen einem Ensemble im Inneren – sei es nun ein Wohn- raum, ein technisches Arrangement oder die Weichteile eines Organismus – und einer Umwelt, in welche sich dieses einbettet und innerhalb derer es zur Wirkung kommt. In den seltensten Fällen sind Gehäuse allerdings bloße Gren- ze von Innen- und Außenraum, sondern oft funktionaler Bestandteil des Ge- samtgefüges. So dienen Lautsprecherboxen als Resonanzraum, während die Außenwände eines Hauses in aller Regel buchstäblich eine tragende Rolle in- nehaben. In den Medien- und Kulturwissenschaften sind dem systematischen Stellen- wert, der Funktionalität und dem historischen Wandel von Gehäusen bislang nur am Rande Aufmerksamkeit gewidmet worden. Eher ist es üblich, Gehäuse als sukzessiv abzutragende Hüllen und Blenden zu verstehen, die den Blick auf das entscheidende Innere gerade verstellen. Wenn sich beispielsweise die materialistisch argumentierende Medienarchäologie für Platinen, Chips und Schaltkreise interessiert, gilt es, die historischen Apparate zunächst von ihren Verkleidungen zu befreien, bevor sie Gegenstände von medienwissenschaftli- chem Interesse werden können.5 Damit wird das Gehäuse zur systematischen Leerstelle im Diskurs. Der vorliegende Band unternimmt eine erste medienkulturwissenschaftliche Annäherung an Gehäuse in Technik, Architektur, Design und Kunst. Die for- schungsleitende Grundannahme dabei ist, dass Gehäuse eine eigene Medialität aufweisen, d. h., dass sie Orte der Vermittlung sind, die vordergründig der Stabilisierung eines Funktionsarrangements dienen, an denen sich aber auch Zeichenprozesse abspielen. Entgegen reduktionistischen, medienmaterialisti- schen Zugängen lässt sich das Gehäuse in Anlehnung an medienethnografi- sche Studien als Signifikant kultureller Praktiken für die Betrachtung produk- tiv machen. Gehäuse erschöpfen sich also nicht in der Funktion, (technische) Ensembles zu verbergen oder zusammenzuhalten. Ihre Pointe besteht gerade darin, dass sie eine Seite haben, die sich den Menschen zuwendet. Als gestal- tete Oberflächen werden Gehäuse unter anderem nach ästhetischen Maßstäben entworfen: Design kommt unweigerlich überall ins Spiel, wo der schwarze Kasten dem Be- nutzer seine Kontaktseite zuwenden muss, um sich ihm trotz seiner internen Her- metik nützlich zu machen. Design schafft den dunklen Rätselkästen ein aufge- schlossenes Äußeres6, schreibt Peter Sloterdijk und trifft damit einen Aspekt, der für die Frage nach der Aneignung von Medien zentral ist. 5 Vgl. Jussi Parikka, What is Media Archaeology?, Cambridge, 2012, S. 83: „Media archaeology goes under the hood, so to speak, and extends the idea of an archive into actual machines and circuits.“ [Herv. i. O.] Parikka bezieht sich unter anderem auf Arbeiten von Wolfgang Ernst. 6 Peter Sloterdijk, „Das Zeug zur Macht“, in: ders./Sven Voelker, Der Welt über die Straße helfen. Designstudien im Anschluss an eine philosophische Überlegung, München, 2010, S. 7-25: 15. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 11 Die vorliegende Einleitung hat zum Ziel, sich der spezifischen Medialität von Gehäusen über vier Kontextualisierungen anzunähern. Zunächst erscheint es sinnvoll, die Material Culture Studies auf geeignete Angebote zur metho- disch-theoretischen Konzeption der Medialität von Gehäusen zu befragen (1). Gezielter als dies bislang in den Medienwissenschaften unternommen wurde, haben die Material Culture Studies kulturelle Artefakte immer schon in ihrer materiellen Verfasstheit und Eingebundenheit in alltägliche Praktiken ernst genommen, so dass von dort aus wichtige Impulse für eine Auseinanderset- zung mit Gehäusen gewonnen werden können. Als gestaltete Oberflächen kann man Gehäuse auch unter einer Designperspektive diskutieren (2), womit zusätzlich zur Seite der Aneignung in Form kultureller Praktiken auch die Sei- te der Produktion berücksichtigt wird. Design ist für die Untersuchung von Gehäusen produktiv, weil es mit der Beobachtung eines Auseinandertretens von funktionalen und ästhetischen Eigenschaften eines Produktes einsetzt und immer wieder aufs Neue danach fragt, wie beide aufeinander bezogen sind. Im Anschluss geht es um eine nähere medienwissenschaftliche Bestimmung des- sen, wie das Gehäuse zwischen Interface und Infrastruktur verortet ist (3). Da- bei wird die These entwickelt, dass das Gehäuse zwar einerseits als „media- ting interface“7 eine Schnittstelle zum Anwender bildet, die nicht mit Bedien- elementen gleichzusetzen ist, andererseits aber in verschiedener Hinsicht auch als Element medialer Infrastrukturen aufgefasst werden kann, insofern es sich beim Gehäuse häufig um eine Vorrichtung handelt, die (insbesondere techni- sche) Funktionsabläufe ermöglicht, stabilisiert und verlässlich wiederholbar macht. Gehäuse folgen somit der Logik des (4) Blackboxing, insofern sie tech- nische Komponenten einkapseln und – gleichermaßen praktisch wie episte- misch – von den Anwendern abschirmen. Das Gehäuse ist demnach wie von Blumenberg beschrieben als materieller Ausdruck von Formalisierungs- und Technisierungsprozessen zu begreifen, deren Spezifik in einem partiellen Ver- lust der Einsicht besteht, welchen die Kybernetik allerdings bereits früh zum epistemologischen und handlungsleitenden Prinzip erhoben hatte. Hier findet sich also eine allgemeine Theorie des Gehäuses antizipiert, an die medienkul- turwissenschaftlich angeschlossen werden kann. Gehäuse als materielle Artefakte Im Alltagsverständnis sind mit Gehäusen in erster Linie spezifische Hüllen gemeint, für die eine besondere ‚Verhärtung‘ kennzeichnend ist. Sie prägen die materielle Welt als gebaute Einheiten in Form von Häuserfassaden oder als Umhüllungen von Technik. In ihrer wahrscheinlich eindringlichsten Variante stellen sie eine Kombination aus beidem dar, etwa in Form von Serverparks, 7 Andreas Fickers, „Design als ‚mediating interface‘. Zur Zeugen- und Zeichenhaftigkeit des Radioapparats“, in: Berichte zur Wissensgeschichte 30 (2007), S. 199-213. 12 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT die sich als architektonisch verdichtete Gehäuseansammlungen beschreiben lassen. Diesen jeweils unterschiedlichen Materialitäten kommen immer auch bestimmte Funktionen zu. Häuser schützen Mobiliar und Bewohner vor der Witterung und den Blicken der anderen. Computergehäuse bewahren die Pla- tinen und Bauteile im Inneren vor Staub und Schmutz. Architekturstile und Moden in der Apparategestaltung verleihen diesen Gehäusen wiederum ein gestaltetes und anschlussfähiges Äußeres. Was auch immer das Gehäuse im Inneren einschließt, seine Hülle rückt es in die Welt der Dinge. Um die materielle Dimension von Gehäusen zu beschreiben, scheint es ak- tuell ausreichend Impulse in den Geistes- und Kulturwissenschaften zu geben, ist doch seit einiger Zeit eine ‚Wiederkehr der Dinge‘ zu verzeichnen.8 So hat u. a. die Rezeption der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) zu einem erneuten Boom der Frage nach der Macht der Dinge bzw. ihrer Beteiligung am sozialen Handeln geführt. Bevor allerdings das Dinghafte der Dinge in den Blick gera- ten konnte, war die Materialität der Kultur ein Anliegen insbesondere der Ma- terial Culture Studies. Entstanden aus der Museumskunde und den Folklore Studies, interessieren sich die Material Culture Studies seit den 1980er-Jahren für „Artefakte sowie die auf sie bezogenen sozialen und symbolischen Prakti- ken und Kommunikationsformen“9 im Rahmen von Alltagskultur. Das For- schungsfeld ist interdisziplinär ausgerichtet und setzt sich u. a. aus Ansätzen der Anthropologie, Archäologie, Geschichtswissenschaft und Soziologie zu- sammen. Orientiert am Begriff der ‚Aneignung‘ in den Cultural Studies wird materielle Kultur unter dem Aspekt des Konsums verhandelt und ausgehend von den Konsumpraktiken ‚der Leute‘ analysiert.10 Dabei geht es in erster Li- nie darum, wie Menschen Dinge begreifen und wie Dinge selbst wiederum Praktiken prägen.11 Auch die Forschung zu materieller Kultur hat durch die Adaption von Methoden und Begriffen der ANT neue Anregungen erhalten. In dieser Modellierung wird vermehrt die Handlungsmacht von Dingen in sozia- len Aushandlungen und Prozessen kultureller Sinnstiftung betont: Dinge inte- ressieren, ermöglichen und verhindern zuweilen sogar.12 In dieser Fragerich- tung reicht das Spektrum jüngster Forschungsinteressen im Rahmen der Mate- rial Cultural Studies von Design bis hin zu Abfall.13 8 Ein gleichnamiger Sammelband ist vor wenigen Jahren erschienen, vgl. Friedrich Balke/Ma- ria Muhle/Antonia von Schöning (Hg.), Die Wiederkehr der Dinge, Berlin, 2011. 9 Bärbel Tischleder/Christoph Ribbat, „Material Culture Studies“, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, 4. Aufl., Stuttgart (u. a.), 2008, S. 464. 10 Siehe hierzu Daniel Millers Konzept der objectification. Daniel Miller, Material Culture and Mass Consumption, Oxford, 1987. 11 Siehe etwa Arjun Appadurai (Hg.), The Social Life of Things. Commodities in Cultural Perspective, Cambridge, 1986; Anke Ortlepp/Christoph Ribbat (Hg.), Mit den Dingen leben. Zur Geschichte der Alltagsgegenstände, Gerlingen, 2010. 12 Vgl. Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt/M., 2010, S. 124. 13 Vgl. Tischleder/Ribbat (2008), Material Culture Studies. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 13 Das wissenschaftliche Interesse an Materialitäten tauchte parallel an verschie- denen Stellen auf, und so hat auch die deutschsprachige medienwissenschaft- liche Forschung eigene Zugänge zur materiellen Dimension von Medien her- vorgebracht. Die Frage nach der Materialität der Kommunikation stellte in den 1980er-Jahren die Prämissen geisteswissenschaftlicher Forschung auf den Kopf, indem sie die medientechnischen Voraussetzungen von Kommunikation betonte und ihre materielle Dimension damit überhaupt erst auf die wissen- schaftliche Agenda setzte.14 Mit einer anderen Akzentsetzung wird heute ver- mehrt Medien- als Kulturtechnikforschung betrieben, der es programmatisch darum geht, vor die Reifizierung von Apparaten und Substantiven zurückzugreifen, um einen Zugriff auf die Verben und Operationen zu ermöglichen, aus denen die Substan- tive und Artefakte erst hervorgegangen sind: schreiben, malen, rechnen, musizie- ren und viele andere.15 Anstatt von der Vorgängigkeit technischer Apparate auszugehen, wird hier al- so dezidiert der Primat von Prozessen und Verfahren gegenüber stabilen Enti- täten vertreten. Im Hinblick auf die Frage nach Gehäusen als Materialitäten er- scheint indessen weniger die Frage der Priorisierung von Praxen oder Struk- turen als vielmehr eine Perspektive anschlussfähig, die sich für die irreduzibel materielle Dimension basaler Kulturtechniken interessiert. In dieser Perspekti- ve wären das Gehäuse und die damit verbundenen Behandlungsformen glei- chermaßen konstitutiv für die Hervorbringung von und kulturelle Vermittlung zwischen Bezirken des ‚Innen‘ und des ‚Außen‘.16 Im Anschluss an die genannten medien- und kulturwissenschaftlichen An- sätze zu Materialitäten ließe sich die Figur des Gehäuses als Zuspitzung des Interesses der Material Culture Studies in einer bestimmten (medien-)theoreti- schen Perspektive begreifen. Versteht man das Gehäuse als Schnittstelle oder Vermittlungsinstanz, dann geht es weder in seiner Materialität auf, noch er- scheint es als reiner Träger kultureller Bedeutungen. Seine Medialität begrün- det sich vielmehr darin, dass es als ein Ort (mit eigener Materialität) beschrie- ben werden kann, an dem ein gestaltetes Artefakt mit Praktiken konfrontiert ist und an dem sich damit auch soziokulturelle Konflikte abspielen. Gerade dieser Aspekt der Materialität von Gehäusen als Schnittstellen und Gegenstän- 14 Siehe den Sammelband Hans Ulrich Gumbrecht/Karl Ludwig Pfeiffer (Hg.), Materialität der Kommunikation, Frankfurt/M., 1988. 15 Erhard Schüttpelz, „Die medienanthropologische Kehre der Kulturtechniken“, in: Lorenz Engell/Bernhard Siegert/Joseph Vogl (Hg.), Kulturgeschichte als Mediengeschichte (oder vice versa?), Weimar, 2006, S. 87-110: 87. 16 Bernhard Siegert verdeutlicht diesen Aspekt am Beispiel der Tür, die insofern ein kulturtech- nisches Medium darstellt, als sie zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren vermittelt und zwischen innen und außen bzw. zwischen den Operationen des Öffnens und Schließens prozessiert; vgl. Bernhard Siegert, „Türen. Zur Materialität des Symbolischen“, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 1 (2010), S. 151-170: 153. 14 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT den kultureller Aushandlungen wurde bisher weitgehend vernachlässigt.17 Als gestaltete Einheiten scheinen Gehäuse den Praktiken vorzugreifen, bieten sie doch durch ihre Formgebung gewisse Gebrauchsweisen der Dinge an. Gleich- zeitig geraten sie aber auch in Widersprüche mit diesen, beispielsweise in Form nicht intendierter Gebrauchsweisen oder indem sie sich Bedeutungszu- schreibungen partiell entziehen. Gehäuse-Design als geplanter Gebrauch Genau solche Reibungen untersucht etwa Judy Attfield, die die Analyse mate- rieller Kultur mit einer designhistorischen Herangehensweise vereint. Aus- gangspunkt von Attfields Überlegung ist eine Kritik an der Designforschung, die häufig dazu neige, Dinge des Alltags, an denen das Design als Ausdruck eines gestaltenden und planenden Willens im Zuge der Produktion nicht spon- tan augenfällig werde, zu vernachlässigen, obgleich genau diese Dinge allge- genwärtig und gerade als industriell gefertigte Waren ebenfalls einer geplanten Gestaltung unterworfen seien. Mit Design kommt also ein planendes und ent- werfendes Moment auf der Seite der Produktion ins Spiel, mit dem sich jedoch gemäß Attfield designgeschichtlich ein Objekt nicht vollständig erfassen lasse. Es habe vielmehr eine Biografie, die mit dem Entwurf beginne und bei seiner Entsorgung ende und u. a. geprägt sei von den Formen des Gebrauchs. Bei diesen handele es sich aber weniger um eine Umsetzung bzw. Realisierung des Entwurfs; stattdessen sei der Umgang mit den Dingen des Alltags einge- bunden in einen sozialen Kontext: To locate design within a social context as meaningful part of peoples’ lives means integrating objects and practices within a culture of everyday life where things don’t always do as they are told nor go according to plan.18 Reibungen entstehen also am Objekt, an dem der geplante und der alltägliche Gebrauch aufeinander treffen. Für Attfield ist dieser gleichsam ungeplante Ge- brauch designhistorisch ebenfalls relevant.19 Solch ein designgeschichtliches Argument entwickelt auch mit Bezug auf die Untersuchung von Gehäusen seine Relevanz, nicht zuletzt weil mit dem Gehäuse Fragen nach dessen Ge- staltung und damit nach dessen Design angesprochen sind und in diesem Zusammenhang auch die Geschichte des Designs erhellend sein kann. Darüber 17 Erste Ansätze finden sich bei Fickers (2007), Design als ‚mediating interface‘; Heike Weber, „Stecken, Drehen, Drücken. Interfaces von Alltagstechniken und ihre Bediengesten“, in: Technikgeschichte 76, 3 (2009), S. 233-254. 18 Judy Attfield, Wild Things. The Material Culture of Everyday Life, Oxford, New York, NY, 2000, S. 6. Vgl. in diesem Sinne auch Sophia Prinz/Stephan Moebius, „Zur Kultursoziologie des Designs. Eine Einleitung“, in: dies. (Hg.), Das Design der Gesellschaft. Zur Kultursozio- logie des Designs, Bielefeld, 2012, S. 9-25: 10-13. 19 Siehe in diesem Zusammenhang auch die Ausgabe des Journal of Design History. Special Issue: Design Dispersed 29, 1 (2016). ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 15 hinaus ist gerade das Gehäuse mit seiner Gestaltung an der Formierung der Gebrauchsweisen beteiligt. Gehäuse unter der Perspektive des Designs zu beobachten, lenkt den Blick aber in erster Linie auf das Moment des Entwerfens und Gestaltens im Pro- duktionsprozess und daneben auf die im Zuge dessen entstandenen Artefakte. Während mit dem einen, so Claudia Mareis, eher „Aspekte wie Ideenfindung, Konzeption, Formgebung, Verwendung von Entwurfswerkzeugen und -ver- fahren adressiert werden, untersuchen Artefakttheorien Designobjekte in ihrem alltäglichen Gebrauch oder in ihrer symbolischen, ästhetischen oder ökonomischen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte.“20 Design als Untersu- chungsperspektive zu wählen, impliziert zudem, gerade das äußere Erschei- nungsbild von Objekten nicht zu vernachlässigen. Das, was gemeinhin als nebensächlich gilt und den Blick auf das Eigentliche zu verstellen scheint, rückt aus dem Blickwinkel des Designs gerade in den Mittelpunkt der Auf- merksamkeit. Design bezieht sich aber nicht nur auf die ästhetische Gestaltung. So unter- scheidet Attfield ähnlich wie andere Designforscher auch zwischen einem operationalen, engineers design genannten, und einem ästhetischen Designen bzw. Entwerfen. Ist die erste Form vor allem funktionsbezogen, richtet sich die zweite auf die Umhüllung (envelope) des Ergebnisses der Ingenieurstätig- keit, und wenn beide sich aufeinander beziehen, habe man es mit Design (im Gegensatz zu Kunst) zu tun.21 Hier wird das Moment der Umhüllung, wie es gerade auch für die Beobachtung von Gehäusen relevant ist, explizit gemacht und seine Bezugnahme auf ein Inneres, das gleichsam die zu realisierende Funktion des Dings vorgibt, herausgestellt. Eine solche Unterscheidung bindet Design an eine Technikentwicklung, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Erscheinung tritt; Design setzt demnach mit der zunehmenden Technisierung des Konsumsektors ein.22 Ingenieure entwickeln Gebrauchsgegenstände, darunter auch zunehmend kom- plexe (mechanische und elektrische) Apparate, die scheinbar nach einer ästhe- tischen Aufwertung und d. h. gegebenenfalls Umhüllung rufen und damit die Tätigkeit des Designens hervorbringen. Designhistorisch wird dies u. a. darin begründet, dass mit der Industrialisierung noch keine entsprechende Ästhe- tik23, sondern vielmehr Neostile wie Neoromantik, Neobarock, Neorenaissance etc. aufkommen. Sie verleihen den Produkten ihr Aussehen und verdecken so deren industrielle Fertigung. Dies gilt nicht nur für technische Geräte wie Lampen, deren Drähte und Kontakte mit einem ansprechend gestalteten Äuße- ren versehen werden; Design, wie es mit der Industrialisierung entsteht, meint das Auseinandertreten von Gebrauchswert bzw. Funktion und Aussehen eines 20 Claudia Mareis, Theorien des Designs zur Einführung, Hamburg, 2014, S. 38. 21 Vgl. Attfield (2000), Wild Things, S. 4. 22 Technisierung bezieht sich dabei gleichermaßen auf die Produkte als auch auf die Produktion. 23 Vgl. Gudrun König, Konsumkultur. Inszenierte Warenwelt um 1900, Wien, 2009, S. 123. 16 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT Gegenstandes.24 Beides geht nicht zwingend ineinander auf, sondern die ästhe- tische Gestaltung kann unabhängig von der Funktion erfolgen. Im Hintergrund – so lässt sich im Anschluss an Gert Selle formulieren – steht eine zunehmen- de Technisierung und Mechanisierung des Produktionsprozesses. Zentral ist dabei die verstärkte Ausdifferenzierung von Konsum und Produktion sowie die Sequentialisierung der Produktion in die zwei Schritte Entwerfen und Her- stellung. Anders gesagt, Design setzt ein, wenn dem Herstellungs- ein Pla- nungsprozess vorgeschaltet wird, wie es die industrialisierte Produktion nahe- legt. Im Rahmen dieses vorgeschalteten Planens und Entwerfens werden die Funktionen und zukünftigen Nutzungsweisen des Produktes festgelegt, die sich aber – anders als in vorindustrieller Zeit – nicht aus dem Gebrauch der Dinge ergeben, sondern eben gleichsam die Erfindung von Ingenieuren sind. Am Gegenstand und nicht im Gebrauch werden die Funktionen der industriel- len Güter erdacht und entwickelt25, die aufgrund dessen für den Konsumenten (kognitiv) nicht zugänglich sind, weil sie nicht in seinen Alltag eingebunden sind. Zusätzliche Gestaltung dient dann wiederum dazu, die Funktionen offen- sichtlich zu machen – also das, was sich entzieht, wieder einzuführen. So kann die Betrachtung von Design darüber Aufschluss geben, wie die Funktionen eines Objektes dem Nutzer angeboten werden; zugleich ist mit Design das ein- gangs genannte Blendwerk identifiziert, das den Nutzer über die eigentliche Eigenschaft eines Objektes täuscht. Was Selle hier in seiner Designgeschichte als Ausdifferenzierungsprozess beschreibt, bringt Attfield designtheoretisch wieder zusammen, wenn sie Design mit materieller Kultur und damit Produktion und Konsum, d. h. im Entwurfsprozess geplante Nutzung mit ungeplantem bzw. alltäglichem Um- gang mit den Dingen, als zusammengehörig denkt.26 Die designorientierte Per- spektive fokussiert dabei zunächst einmal vorrangig den Entwurfsprozess so- wie dessen Ergebnis. Die in der Designforschung untersuchten Praktiken sind entsprechend zunächst die des Entwerfens, auch wenn die Untersuchungen nicht darauf beschränkt bleiben.27 Darüber hinaus lässt sich kaum ein gemein- samer Gegenstandsbereich oder ein einheitliches Erkenntnisinteresse der Designforschung ausmachen, die in ihrer allgemeinsten Formulierung jede gestaltende Tätigkeit als Design und die gesamte Welt als gestaltet identifi- 24 Vgl. Gert Selle, Geschichte des Design in Deutschland, Frankfurt/M., New York, NY, 2007, S. 60-63. Das heißt nicht, dass sich Design ausschließlich auf Industriewaren beschränkt. 25 Vgl. ebd., S. 18 f. Vgl. zu einem Überblick zum Zusammenhang von Industrialisierung und Design bei Selle Mareis (2014), Theorien des Designs, S. 48-52. 26 Bei dieser gemeinsamen Lektüre von Selle und Attfield ist jedoch der Hinweis von Claudia Mareis zu beachten, demnach die Einbeziehung von „technisch-konstruktiven Aspekte[n] von Gestaltung“ sich maßgeblich im anglo-amerikanischen Designdiskurs, dagegen kaum im deutschen Sprachraum findet. Claudia Mareis, Design als Wissenskultur. Interferenzen zwischen Design- und Wissensdiskursen seit 1960, Bielefeld, 2011, S. 26. 27 Vgl. Stephan Moebius/Sophia Prinz (Hg.), Das Design der Gesellschaft. Zur Kultursoziologie des Designs, Bielefeld, 2012. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 17 ziert28 und sich zunehmend auch Fragen des Gebrauchs zuwendet, wie nicht zuletzt mit Attfield deutlich wird. Mit der Fokussierung des Gebrauchs rücken dann auch Fragen nach der Produktsemantik in den Mittelpunkt des Interesses. Auf der Seite der planerischen und entwerfenden Formgebung schwingt im- mer die Frage mit, unter welchen spezifischen Maßgaben diese geschieht. Ne- ben der Funktionalität des Produkts und produktionstechnischen Gegebenhei- ten gehören dazu auch übergreifende ästhetische Leitvorstellungen, wie sie nicht nur in der Produktgestaltung, sondern beispielsweise auch an Mode oder Architektur beobachtbar sind, die sich häufig gegenseitig informieren. Frühe Radiogehäuse etwa nehmen vorzugsweise monumentale architektonische For- men auf – von Kathedralen oder Wolkenkratzern, von Rundbögen, Eingangs- portalen oder Fensterrosetten –, während das aerodynamische Streamline-De- sign der 1930er- und 1940er-Jahre geräteübergreifend von den Idealen der Mobilität und Geschwindigkeit inspiriert ist und auf Vehikel wie Flugzeuge und Autos rekurriert. So erweist sich das Gehäuse auch als ein Medium gesamtgesellschaftlicher Kommunikation, das die Partizipation an übergeord- neten Sinnzusammenhängen, etwa an spezifischen Vorstellungen von Fort- schritt und Wohlstand, organisiert. Insgesamt eröffnet das Feld des Designs somit Fragen, die das Gehäuse nicht nur als Schauplatz individueller Nutzung, sondern darüber hinaus als Medium der Kommunikation über gesellschaftlich geteilte Werte, Normen und Einstellungen erscheinen lassen. Fragt man nach den Maßgaben der Gestaltung, so ist man auch immer auf die Funktionen eines Produkts verwiesen, die gegebenenfalls durch die Gestal- tung dem Nutzer vermittelt und zugänglich gemacht werden sollen. Hier zeigt sich die anthropologische und soziale Dimension des Designens, denn zum einen geht es beim Entwerfen und Gestalten um ein intentionales Handeln, und zum anderen wirft der Aspekt der Funktionalität die Frage auf, woran sich diese bemisst, was den Menschen als Nutzer der designten Dinge immer wie- der in den Fokus rückt.29 Design ist demnach auch orientiert an einem spezifi- schen Konzept vom Menschen. Folgt man Claudia Mareis’ Überlegung, der- zufolge gestaltete Objekte als Wissensobjekte betrachtet werden können30, so lässt sich fragen, welches Wissen vom Menschen in Form des Designs gege- ben ist. Dies gilt im besonderen Maße für das Design von Gehäusen, insofern es dessen dem Menschen zugewandte Seite mit einbezieht und darüber die 28 Vgl. Mareis (2014), Theorien des Designs, S. 41-44 sowie dies. (2011), Design als Wissens- kultur, S. 132. Letzteres formuliert Mareis mit Bezug auf Herbert Simon, The Sciences of the Artificial, London, 1996 [1969]. 29 An keiner Stelle zeigt sich dies wohl deutlicher als im Design von User Interfaces, das in seinen Gründungsakten in den 1960er-Jahren die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschi- ne u. a im Hinblick auf die Anpassung an die sensomotorischen und kognitiven Fähigkeiten des Menschen entwirft, die zuvor systematisch untersucht wurden. Vgl. Michael Friedewald, „Konzepte der Mensch-Computer-Kommunikation in den 1960er Jahren: J. C. R. Licklider, Douglas Engelbart und der Computer als Intelligenzverstärker“, in: Technikgeschichte 67 (2000), S. 1-24. 30 Vgl. Mareis (2011), Design als Wissenskultur. 18 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT Funktionen eines Objekts in spezifischer Weise an menschliches Handeln anschlussfähig macht. Dabei intervenieren andere Gestaltungsvorgaben, allen voran die der Ästhetik. Das Gehäuse wird hier aber auch in seiner trennenden Eigenschaft interessant, denn mittels Design wird gleichsam festgelegt, was dem Menschen zugewandt ist und welche Elemente ihm verborgen bleiben sollen. Das Gehäuse zwischen Infrastruktur und Interface Die beschriebene Position des Gehäuses als nach ästhetischen oder pragmati- schen Prinzipien gestaltetes Artefakt der materiellen Kultur mit technischer Funktion wirft also die medienwissenschaftliche Frage auf, inwiefern Gehäuse zur Infrastruktur von Medien zu rechnen und inwieweit sie andererseits als Element des Interfaces im Sinne einer Anwenderschnittstelle zu begreifen sind. Beide Themen werden derzeit in den Medien- und Kulturwissenschaften breit diskutiert.31 Für Infrastrukturen ist charakteristisch, dass sie eine materielle Konfigura- tion aufrechterhalten, die das verlässliche Funktionieren einer gegebenen Technologie gewährleistet.32 Entsprechend sorgt ein Gehäuse für ein stabili- siertes Arrangement von Komponenten, es kapselt dieses gegenüber der Um- welt ein und garantiert einen möglichst störungsfreien Betriebsablauf. Kenn- zeichnend für Infrastrukturen ist außerdem, dass der Funktionszusammenhang eines technischen Systems über Inputs und Outputs geregelt wird, so dass im Regelfall von interner Komplexität abgesehen werden kann.33 Ebenso dienen Gehäuse oftmals als abschirmend-regulierende Grenzflächen zwischen System und Umwelt. Der Sicherungskasten im Keller, die Routerbox hinter der 31 Vgl. zur Medialität von Infrastrukturen u. a. Lisa Parks/Nicole Starosielski (Hg.), Signal Traffic. Critical Studies of Media Infrastructures, Urbana, 2015; Marion Näser-Lather/Chris- toph Neubert (Hg.), Traffic. Media as Infrastructures and Cultural Practices, Leiden, Boston, MA, 2015; Gabriele Schabacher, „Medium Infrastruktur. Trajektorien soziotechnischer Netz- werke in der ANT“, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 2 (2013), S. 129-148; Wiebke Porombka, Medialität urbaner Infrastrukturen. Der öffentliche Nahverkehr, 1870- 1933, Bielefeld, 2013. Interfaces sind ein klassisches Thema der Medienwissenschaft, erfah- ren aber in den letzten Jahren wieder verstärkte Aufmerksamkeit, vgl. u. a. Florian Hadler/ Joachim Haupt (Hg.), Interface Critique, Berlin, 2016; Branden Hookway, Interface, Cam- bridge, MA, 2014; Alexander R. Galloway, The Interface Effect, Cambridge, MA, 2012; Christian Ulrik Andersen/Søren Bro Pold (Hg.), Interface Criticism. Aesthetics Beyond But- tons, Aarhus, 2011. 32 Vgl. Brian Larkin, „The Politics and Poetics of Infrastructure“, in: Annual Review of Anthropol- ogy 42, 1 (2013), S. 327-343: 329: „What distinguishes infrastructures from technologies is that they are objects that create the grounds on which other objects operate, and when they do so they operate as systems.“ 33 Vgl. zur regelhaften Verunsichtbarung der Prozessualität von Infrastrukturen Susan Leigh Star/Geoffrey C. Bowker, „How to Infrastructure“, in: Leah A. Lievrouw/Sonia Livingstone (Hg.), Handbook of New Media. Social Shaping and Social Consequences of ICTs, London, 2006, S. 151-162. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 19 Couch, der Briefkasten am Straßenrand können als Beispiele für diese eher infrastrukturelle Seite von Gehäusen gelten. Die Einkapselung dient hier vor- rangig dem Zweck, einen wiederholbaren oder verstetigten Funktionsablauf zu gewährleisten, der nur im Ausnahmefall bzw. zu eindeutig festgelegten Kondi- tionen unterbrochen wird – bei den genannten Beispielen wären dies der Stromausfall, der Verbindungsabbruch und die regelmäßig wiederkehrende Leerung. Zugleich verweisen die angegebenen Beispiele allerdings auf die andere Seite von Gehäusen, die sie dem Interface annähern, insofern kaum ein Ge- häuse ohne eine den menschlichen Anwendern zugewandte Seite auskommt: Der Sicherungskasten lässt sich bequem öffnen und der Blick hinein eröffnet weitere Handlungsoptionen, der Router ist von Leuchtdioden und Kabelports übersät, der Briefkasten hat einen Schlitz, in den vertrauensvoll die adressier- ten Umschläge geworfen werden. Noch deutlicher wird der Interface-Aspekt von Gehäusen an technischen Apparaten wie der Kamera, dem Radio oder dem Smartphone, bei denen die Bedienelemente – Knöpfe, Schalter, Tasten, Bildschirme etc. – derart ins Gehäuse eingelassen sind, dass es integraler Be- standteil einer Verwendungsanordnung ist. Und wer schon einmal am Gehäu- se eines Flipperautomaten gerüttelt hat, um den Laufweg der Kugel vorteilhaft zu beeinflussen (sogenanntes nudging), dem ist klar, dass die Grenzen zwi- schen Gehäuse und Interface im engeren Sinn fließend sind. Das Interface „bezeichnet grundsätzlich den Punkt einer Begegnung oder einer Koppelung zwischen zwei oder mehr Systemen und/oder deren Grenzen zueinander“34, was nicht bloß die Anwenderschnittstelle im engeren Sinn, son- dern auch weitere Schnittstellen zwischen Hard- und Software, z. B. Treiber, zwischen einzelnen Hardware-Komponenten, z. B. Internetrouter, und Soft- ware-Komponenten, z. B. APIs (application programming interface) und Pro- tokolle, umfasst.35 Interfaces sind deswegen erforderlich, weil die unterschied- lichen Komponenten eines Systems, zu denen auch die Anwender selbst zäh- len, verschiedene Sprachen sprechen, weswegen zwischen ihnen vermittelt werden muss. Insbesondere für den Anwender leistet das Interface darüber hinaus eine wesentliche Komplexitätsreduktion, weil idealerweise nur jene Funktionen des Systems verfügbar gemacht werden, die in der jeweiligen Situation benötigt werden. Prozesse der Einkapselung sind dabei auf allen Ebenen zu beobachten: Damit einzelne Systemkomponenten füreinander adressierbar sind, müssen sie eine klar umgrenzte Gestalt aufweisen. Das gilt für die Hardware im materiellen Gehäuse mit vorgesehenen Öffnungen, Perfo- rierungen, Buchsen und Steckplätzen ebenso wie für die Software, beispiels- weise modular aufgebaute Programmroutinen oder die sogenannte Datenkap- 34 Wulf Halbach, Interfaces. Medien- und kommunikationstheoretische Elemente einer Interface-Theorie, München, 1994, S. 168. 35 Vgl. Florian Cramer/Matthew Fuller, „Interface“, in: Matthew Fuller (Hg.), Software Studies. A Lexicon, Cambridge, MA, London, 2008, S. 149-153: 149. 20 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT selung in objektorientierten Programmierumgebungen, die dafür sorgt, dass der Zugriff auf interne Datenstrukturen nur über festgelegte Schnittstellen er- folgen kann, so dass die Implementierung vom Interface getrennt werden kann. An der Mediengeschichte des Computers lässt sich die Mittelstellung des Gehäuses zwischen Interface und Infrastruktur exemplarisch plausibilisieren. Schon der Analogrechner-Pionier Vannevar Bush imaginierte in den 1940er- Jahren die Zukunft der wissenschaftlichen Arbeit als intime Mensch-Ma- schine-Kooperation, wobei wesentlich war, dass die Anwender nicht mit der internen Komplexität der informationsverarbeitenden Maschinen konfrontiert würden.36 Zu diesem Zweck sollte der Mechanismus des von Bush vorgeschla- genen Memory Extender (Memex) unter der Deckelhaube verschwinden, wie dies schon das Automobil erfolgreich vorgeführt hatte: „All else [the mathe- matician] should be able to turn over to his mechanism, just as confidently as he turns over the propelling of his car to the intricate mechanism under the hood.“37 Die Entwicklung der Digitalcomputer sollte zunächst einen anderen Weg einschlagen, so dass bis in die 1970er-Jahre hinein der Gedanke der Nut- zerfreundlichkeit keine herausragende Rolle beim Design von Computersyste- men in Expertenkulturen spielte. Erst Alan Kay und die Learning Research Group am Xerox PARC griffen in ihren Beiträgen zur Entwicklung des Perso- nal Computers den Gedanken wieder auf, dass ein gelungenes Interfacedesign insbesondere beinhaltet, den Anwendern nicht zu viel Einarbeitungszeit und Fachwissen bei der Bedienung zuzumuten. Vollends markttauglich wird diese Einsicht dann 1977 mit dem Apple II der Firma Apple Computer, Inc., der bezeichnenderweise erstmals fertig montiert in einem beigen Kunststoff- gehäuse mit abgerundeten Ecken verkauft wird, das denkbar weit entfernt war von den bis dato verwendeten Industriegehäusen und sich daher viel eher in das Ensemble bereits etablierter Elektrogeräte im Haushalt einfügte.38 Mit dem Apple II wird der Homecomputermarkt nachhaltig umgewälzt, und der Perso- nal Computer präsentiert sich erstmals als Konsumgut. Das Gehäuse erscheint hier als zentraler Bestandteil eines nutzerfreundlichen Interfaces. Mit den gegenwärtigen Entwicklungen hin zu einem ubiquitous oder perva- sive computing sowie den Bestrebungen zur Realisierung eines Internets der 36 Vgl. Vannevar Bush, „As We May Think“, in: Atlantic Monthly, July 1945, online unter: http:// www.theatlantic.com/magazine/archive/1945/07/as-we-may-think/303881/, zuletzt aufgerufen am 27.09.2016. 37 Ebd. 38 Vgl. Michael Friedewald, Der Computer als Werkzeug und Medium. Die geistigen und tech- nischen Wurzeln des Personal Computers, 2. Aufl., Berlin, 2009, S. 374. 35 Jahre später wer- den es ausgerechnet die abgerundeten Ecken des Smartphonegehäuses sein, die Apple in einer milliardenschweren patentrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Konkurrenten Samsung als Verletzung von Geschmacksmustern einklagt – und damit vor einem US-Gericht zunächst Recht bekommt. Vgl. Lars Bube, „Apple-Patent auf ‚runde Ecken‘ aberkannt“, auf: crn.de, 21.08.2015, online unter: http://www.crn.de/telekommunikation/artikel-107664.html, zuletzt aufgerufen am 27.09.2016. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 21 Dinge treten die Interfaces dagegen tendenziell zugunsten eines in Alltagsge- genstände und Umgebungen eingebetteten Computings zurück.39 Damit wird der Computer zur Infrastruktur, auf die nach Bedarf zurückgegriffen werden kann, während sie sonst in der Wahrnehmungsperipherie verbleibt. Dabei ist noch zu klären, ob dieser Prozess eine Verabsolutierung der Gehäuseform markiert, insofern sich hinter „unspezifischen Fassaden und Blenden“40 kaum noch etwas von der technischen Welt entbirgt, oder ob sich die Gehäuse radi- kal zur Behausung öffnen, wenn das Computing eine umweltliche Dimension annimmt, beispielsweise als smart home. In jedem Fall ist der Begriff des Ge- häuses geeignet, die wechselnde Positionierung des Computers als bedienba- res Werkzeug oder als Teil der Architektur, als geschlossenes materielles En- semble oder als bewohnbares environment zu beschreiben. Gehäuse und die Theoriefigur der Blackbox Wenn sich das Gehäuse als zentraler Gegenstand kultureller Aushandlungs- praktiken, als Objekt von ästhetischen und Designüberlegungen, als Verkörpe- rung technischer Infrastrukturen und ihrer Terminals bzw. Interfaces, schließ- lich sogar als umfassendes ökologisches Dispositiv erweist, gewinnt die Frage nach einer übergreifenden Theorie des Gehäuses an Dringlichkeit. In der Tat existieren Ansätze zu einer solchen Theoretisierung, und in ihrem Zentrum steht jene bereits mehrfach erwähnte diskursive Figur, die sich als abstrakteste Fassung der Gehäuseproblematik verstehen lässt, nämlich die ‚Blackbox‘. Historisch gewinnt der Begriff der Blackbox im Umfeld des Zweiten Welt- kriegs Kontur, wo er auf radartechnische Geräte angewandt wurde, deren Auf- bau dem Feind verborgen bleiben sollte. In Kampfflugzeugen installiert, wa- ren diese Apparate zum Teil mit Selbstzerstörungsmechanismen ausgestattet, die das geheime Innenleben im Fall einer Öffnung des Gehäuses vernichteten. In der (selbst-)zerstörerischen ‚enemy’s machine‘, wie Warren McCulloch die Blackbox später nannte, kommt die Differenz zwischen Transparenz und Un- durchsichtigkeit, zwischen Wissen und Nicht-Wissen, mit der Unterscheidung zwischen Freund und Feind zur Deckung.41 Ausgehend von dieser militärischen Genealogie erfährt das Konzept der Blackbox drei wesentliche Transformationen: Zum einen unterliegt die Eigen- schaft der ‚Schwärze‘ einer Umdeutung, die das Moment der Opakheit aus dem Kontext der absichtsvollen Geheimhaltung löst und zu einem irreduziblen 39 Vgl. Mark Weiser, „The Computer for the 21st Century“, in: Scientific American 265, 3 (1991), S. 94-104, und Florian Sprenger/Christoph Engemann (Hg.), Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt, Bielefeld, 2015. 40 Blumenberg (1963), Lebenswelt und Technisierung, S. 35. 41 Vgl. Philipp von Hilgers, „Ursprünge der Black Box“, in: Ana Ofak/Philipp von Hilgers (Hg.), Rekursionen. Von Faltungen des Wissens, München, 2010, S. 135-153: 149 ff. 22 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT Prinzip technischer Funktionslogik erhebt. Insbesondere komplexe Systeme erfordern nach dem Verständnis der Kybernetik einen modularen Aufbau aus relativ autonomen Bestandteilen, was die Etablierung von Systemgrenzen bzw. Schwellen voraussetzt, also von Interfaces, welche die Interaktion zwi- schen Komponenten ermöglichen, indem sie deren jeweilige innere Funktions- prinzipien voneinander isolieren.42 Im Rahmen der gebräuchlichen Terminolo- gie führt das zu der paradoxen Konsequenz, dass Systeme nur dann füreinan- der ‚transparent‘ sein können, wenn sie de facto intransparent sind. Wie im Fall des User-Interfaces wird die Logik der (internen) Schnittstelle als Be- handlungsform von Komplexität besonders für die Computerentwicklung wichtig, ab den späten 1950er-Jahren zunächst in der theoretischen Konzep- tualisierung und praktischen Implementierung von Hardware-Architekturen43, später in der Softwareentwicklung, wo das Verfahren des „information hid- ing“ zum Grundprinzip des Strukturierten und dann vor allem des Objekt- Orientierten Programmierens avanciert.44 Wo die Akteur-Netzwerk-Theorie den Erfolg bzw. die Stabilisierung sozio-technischer Systeme an deren Un- sichtbarwerden bindet45, ordnet sie sich also – mehr oder weniger un- eingestanden – in die Tradition kybernetischen Denkens ein. Hier schließt sich eine zweite wesentliche Transformation des Blackbox- Konzepts an, die in der Lösung vom konkreten Objekt und vom Kontext tech- nischer Apparate besteht. Der Organisationstheoretiker Herbert Simon etwa deutet den modularen Aufbau komplexer Systeme im Sinne eines evolutionä- ren Vorteils und verfolgt die betreffenden Gestaltungsprinzipien auf ganz ver- schiedenen Gebieten wie der Biologie, Chemie und Physik, der Soziologie und der Kommunikation.46 Entsprechend firmiert die Blackbox im kyberneti- schen Kontext nicht primär als technisches Objekt, sondern als Emblem einer übergreifenden Epistemologie. Genau dieser Übergang von einer Apparateon- tologie zu einem Verfahren der Wissensproduktion steht im Zentrum jener kanonischen Beschreibung der Blackbox, die Ross Ashby im sechsten Kapitel seiner 1956 erscheinenden Einführung in die Kybernetik formuliert.47 Ashbys Ausgangsbeispiel ist ein fiktives Gerät, das wie McCullochs „enemy’s ma- chine“ vom Himmel fällt – nun allerdings nicht von Menschenhand, sondern von Außerirdischen erschaffen. Der Apparat ist somit in Gänze rätselhaft und 42 Vgl. Herbert A. Simon, „The Architecture of Complexity“, in: Proceedings of the American Philosophical Society 106, 6 (1962), S. 467-482. 43 Vgl. Christoph Neubert, „Software/Architektur. Zum Design digitaler Dienstbarkeit“, in: Markus Krajewski (Hg.), Dienstbarkeitsarchitekturen. Vom Service-Korridor zur Ambient In- telligence, Tübingen, Berlin, 2017. 44 Vgl. David L. Parnas, „On the Criteria to Be Used in Decomposing Systems into Modules“, in: Communications of the ACM 15, 12 (1972), S. 1053-1058: 1056. 45 Vgl. z. B. Bruno Latour, Aramis, or The Love of Technology, Cambridge, MA, London, 1996 [frz. OA 1993], S. 215 ff.; ders., Pandora’s Hope. Essays on the Reality of Science Studies, Cambridge, MA, London, 1999, S. 183-185: 304. 46 Vgl. Simon (1962), The Architecture of Complexity, S. 468 ff. 47 W. Ross Ashby, An Introduction to Cybernetics, London, 1956, S. 86-117. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 23 birgt ein Minimum an Affordanzen: Das Objekt gibt keine Behandlung vor, es repräsentiert die Nullstufe eines User-Interfaces, quasi ein ‚reines‘ Gehäuse, und eben als solches erzwingt und ermöglicht es jenen experimentierenden Umgang, der den Apparat in eine Kette von Inputs und Outputs ein- zuschreiben erlaubt, um ihm auf diese Weise ein – wenn auch verborgenes – Innenleben und dem Beobachter ein korrespondierendes Wissen zu verschaf- fen. Die Blackbox ist also strukturell geschlossen, aber zugleich – und im selben Maße – behandlungsoffen. Neben dieser Nicht-Determiniertheit lassen sich einige weitere Merkmale der kybernetischen Blackbox hervorheben. Hierzu zählt das Prinzip der funktionalen Äquivalenz: Die Zuordnung von Input und Output beschreibt eine gegebene Blackbox vollständig; in dieser Hinsicht kann von der konkreten Implementierung abgesehen werden, wie Ashby am Beispiel eines mechanischen Aufbaus und einer korrespondierenden elektri- schen Schaltung zeigt. Daraus folgt die Eigenschaft der Übersetzbarkeit: Die kybernetische Blackbox schafft Übergangsmöglichkeiten zwischen verschie- denen ontologischen oder ontischen Registern, zwischen Maschinen, Lebe- wesen, wissenschaftlichen Modellen, mathematischen Gleichungen. Auf dieser Vermittlungsleistung basiert die bereits angesprochene Universalisie- rung: Ashby löst die Blackbox aus dem technisch-mathematischen Kontext und macht sie zu einem generalisierbaren Modell von Kognition: Jeder Um- gang mit Welt folgt der Logik des Blackboxing. Ashbys Beispiel ist nicht zu- fällig das eines Kindes, das das Verhalten einer Tür erkundet.48 Die spieleri- schen Aspekte, die dem experimentierenden Umgang mit Blackboxes zu eigen sind, machen weiterhin darauf aufmerksam, dass sich die Positionen von Beobachter und Blackbox tatsächlich symmetrisch verhalten. Der Output der Blackbox kann als Input des Beobachters verstanden werden, dessen Output wiederum als Input der Blackbox dient.49 Die experimentierende Beobachtung erweist sich im Kern als symmetrische Kopplung zweier für einander intrans- parenter Systeme, die ihr Verhalten reziprok aufeinander abstimmen. Wenn sich ‚Beobachtung‘ in diesem Sinne maßgeblich als Interaktion er- weist, verbindet sich mit der generalisierten Epistemologie der Blackbox, und damit ist die dritte wesentliche Transformation dieses Konzepts berührt, eine Reduktion von Wissen auf Praktiken, eine Umstellung des repräsentationalen auf ein performatives Paradigma.50 In besonders prägnanter Weise hat Heinz von Foerster auf die konstitutive Rolle von Handlungskontexten für die Reprä- sentation und Verarbeitung von ‚Welt‘ hingewiesen. In seinem einschlägigen Vortrag mit dem Titel „On Constructing a Reality“51 setzt von Foerster bei der 48 Ebd., S. 86. 49 Vgl. Ranulph Glanville, „Inside Every White Box, There Are Two Black Boxes Trying to Get Out“, in: Behavioral Science 27 (1982), S. 1-11: 3 ff. 50 Vgl. Andrew Pickering, Kybernetik und neue Ontologien, Berlin, 2007, S. 87 ff. 51 Heinz von Foerster, „On Constructing a Reality“, in: W. F. E. Preiser (Hg.), Environmental Design Research, Bd. 2, Stroudberg, 1973, S. 35-46. 24 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT Wahrnehmung der Umgebung an, um die symmetrische Kopplung zwischen Organismen und jener Realität zu beschreiben, für die er den ökologisch ge- prägten Begriff des environment verwendet.52 Am Ende eines Durchgangs durch erkenntnistheoretische, technische und neurophysiologische Argumente gelangt von Foerster zur Formulierung eines Prinzips, das er als ‚Ästhetischen Imperativ‘ bezeichnet: „If you desire to see, learn how to act.“53 Dieser Impe- rativ, der das Problem der Einsicht mit dem Begriff der Handlung und den Prozeduren des Lernens verknüpft, stellt zugleich eine pointierte Zusammen- fassung der kybernetischen Logik der Blackbox dar – einer spezifischen Ver- schränkung von Wissensformen, Praxen und Ontologien, die sich für die Gehäusethematik, das zeigen die Beiträge des vorliegenden Bandes, nach wie vor als außerordentlich produktiv erweist. Zum Aufbau des Bandes Der Band Gehäuse. Mediale Einkapselungen ist in fünf Sektionen eingeteilt. Die erste ist der Rolle von Gehäusen innerhalb von Praktiken des Einrichtens gewidmet. Die Medialität des Gehäuses zeigt sich hier an der Art und Weise, wie es als materielles Artefakt Gebrauchserwartungen und Nutzeranforderun- gen in je spezifischen, ihrerseits begrenzten Umfeldern der Arbeit, des öffent- lichen Raums und des privaten Wohnraums vermittelt. Im ersten Beitrag „Worin haust ein Computer? Über Seinsweisen und Gehäuse universaler dis- kreter Maschinen“ schlägt Till A. Heilmann vor, die Gehäuse programmierba- rer Rechenmaschinen nicht als zu entfernende Deckelhauben zu marginalisie- ren, sondern stattdessen als erweiterte Bezeichnung für die gleichermaßen ver- wie erschließenden ‚Grenzflächen‘ zwischen Computern und ihren jeweiligen Umwelten zu verwenden. Damit wird das Gehäuse zentral für die Charakteri- sierung der historisch variablen Seinsweisen des Mediums Computer, die neben materiell-technischen Aspekten auch soziokulturelle Zugangsgestaltun- gen zwischen Experten und Amateuren umfassen. An den Beispielen raumfül- lender Großrechenanlagen seit den 1950er-Jahren, den Kommandozeileninter- pretern von Timesharing-Computern seit den 1970er-Jahren und den normier- ten Formfaktoren IBM-kompatibler PCs seit den 1980er-Jahren zeigt Heil- mann die Fruchtbarkeit einer solchen das Gehäuse privilegierenden Perspek- tive auf. Das Medium sei demnach nicht im Gehäuse verborgen, sondern es bestehe ganz maßgeblich in seiner jeweiligen metaphorischen und materiellen Ausgestaltung als Gehäuse. Stefan Udelhofen widmet sich in seinem Beitrag „Über Computerkästen in Cafés. Räumlich-materielle Anordnungen und symbolische Ordnungen von Internetcafés zwischen 1991 und 2003“ einem schon fast vergessenen 52 Vgl. ebd., S. 37. 53 Ebd., S. 46. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 25 institutionalisierten Umfeld der öffentlichen Computernutzung, in dem gerade die Gehäuse eine zentrale Rolle spielten. In seinem Baustein zu einer Medien- kulturgeschichte von Internetcafés verfolgt er die Frage, wie Computer in architektonischen Umgebungen platziert und arrangiert wurden, die außer für den Mediengebrauch auch für gastronomische Zwecke geeignet sein sollten. Nach den Anfängen im kalifornischen SF Net Coffeehouse Network in den 1990er-Jahren wandelte sich die Bedeutung von Internetcafés in den 2000er- Jahren von einer neuen Art der Erlebnisgastronomie zur selbstverständlichen Informationsinfrastruktur, was sich an den jeweils dominanten Einrichtungs- praktiken bemerkbar machte. So werden auch soziokulturelle Transformatio- nen der jeweiligen Nutzergruppen deutlich, die sich mit dem Verschwinden auf den kollektiv-egalitären Gebrauch ausgerichteter Gehäuse und dem Aufge- hen von Internetcafés im neuen Arrangement von Cafés mit individuellem WLAN-Zugang verbinden. In ihrem Beitrag „Analoge Musikmöbel und digitale Surrogate. Anmerkun- gen zur Materialität und Gestaltung von Musikmedien im Wohnumfeld“ be- schäftigt sich Leonie Häsler mit Medien zur Musikwiedergabe im Wohnraum. Oft auf Kosten der Optimierung des Klangerlebnisses werden Grammophon, Radio und Stereoanlage zu bestimmten Phasen ihrer Domestizierung mit einem Holzgehäuse verkleidet. Ausschlaggebend für den Erfolg dieser Musik- medien sei dementsprechend weniger die Technik, sondern ihr Gehäuse, das Häsler als Indikator soziokultureller Tendenzen versteht. Während Holz als Werkstoff bürgerlicher Einrichtungskultur aufgewertet wird, ist Pressstoff lange Zeit verpönt. In den 1950er-Jahren kommt es zu einer Ausdifferenzie- rung ästhetischer Leitbilder im Wohnen, und mit ihnen wandelt sich auch die Apparategestaltung: Musikmedien im Braun-Design zeichnen sich durch ein kühles, schnörkelloses Design aus und werden zu Signifikanten eines moder- nen Lebens- und Einrichtungsstils. Kontemporäre digitale Interfaces zur Musikwiedergabe seien rückgebunden an diese Gehäusedesigns und ihre ästhetischen Aufladungen. In der zweiten Sektion unter dem Titel Gestaltungen wird das in den voran- gehenden Beiträgen immer wieder thematisierte Spannungsfeld von kulturel- len, ästhetischen und technisch-funktionalen Aspekten von Gehäusen aus der Perspektive der Planung und des Designs in den Mittelpunkt gestellt. Als Gegenstand designtheoretischer Überlegungen kommt dem Gehäuse eine zen- trale Funktion bezüglich der Diskursivierung von Technologien zu, bei der Vermittlung von Konsumtechniken ebenso wie bei ästhetischen und theoreti- schen Reflexionen zum Status des menschlichen Körpers. Claudia Mareis geht in ihrem Beitrag „Unsichtbares Design und post-optimale Objekte. Inter- facedesign und Entmaterialisierungsdiskurse seit circa 1960“ von der These aus, dass sich am Gehäuse und seiner Gestaltung nicht nur stilistische Ent- scheidungen und Materialpräferenzen zeigen; vielmehr kommen im Gehäuse ästhetisch-materielle Strategien der Repräsentation von Technik mit sinnstif- tenden diskursiven Narrativen zusammen. Der Computer und darüber zum 26 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT Teil auch der Begriff des Interfaces sind in diese Narrative eingebunden, wie Mareis anhand dreier designtheoretischer Positionen deutlich macht. Dabei re- konstruiert sie eine Entwicklung, die als Gegenbewegung gegen das Konzept der ‚Guten Form‘ mit seiner Fokussierung der Funktionalität beginnt und im sogenannten ‚post-optimalen Objekt‘ nach Anthony Dunne mündet, dessen Gestaltung eben nicht an einer Funktion ausgerichtet ist, sondern neue Sze- narien der Nutzung eröffnen soll. In ihrem Beitrag „Blackboxing? – Zur Vermittlung von Konsumtechniken über Gehäuse- und Schnittstellendesign“ stellt Heike Weber die in der Tech- nikforschung populäre Metapher der Blackbox in Frage. Ihrer Einschätzung nach greift das Argument der Einschließung technischer Komplexität in schwarzen Kisten zu kurz, um den komplexen kulturellen und sozialen Fakto- ren Rechnung zu tragen, die in die Gestaltung von Gehäusen eingehen. Anstatt von einer Invisibilisierung der Technik in Form der opaken Umhüllung auszu- gehen, sei vielmehr zu fragen, welche technischen Komponenten der Wahr- nehmung entzogen und welche Aspekte über die Gehäusegestaltung als Funk- tionsmerkmale, die die Handlungen der Nutzer festlegen, hervorgehoben wer- den. Ihre Thesen plausibilisiert Weber anhand kultureller Differenzen der Re- Sensualisierung im Technikgebrauch, die nicht so sehr technischen Sachzwän- gen, sondern vielmehr emotionalen und ästhetischen Bedürfnissen nach- komme. Andreas Broeckmann diskutiert in seinem Beitrag „Körperkapseln. Speku- lationen über die Medialität des Gehäuses“ konzeptionelle, spekulative und künstlerische Entwürfe von Körperkapseln, das heißt technischen Umhüllun- gen des menschlichen Körpers, die diesen von der Außenwelt abschirmen. Durch das gesamte 20. Jahrhundert finden sich solche Entwürfe und Gestal- tungen, die als Auflösungen klassischer Mensch-Maschine-Grenzen inszeniert werden und daher überlieferte ontologische Register infrage stellen. Die von Broeckmann ausführlich diskutierten Beispiele von Menschen im bzw. als Gehäuse umfassen Szenarien der russischen und italienischen Avantgarde zu einer Verschmelzung mit Verkehrsmitteln wie Auto und Flugzeug, von der Kybernetik inspirierte Imaginationen (z. B. bei Max Bense und Oswald Wie- ner), performative body art (Stelarc) und die theoretische Konzeption einer Leibkarte bei Vilém Flusser. Diskutieren die vorausgehenden Beiträge das Gehäuse eher als Außenseite eines handhabbaren technischen Dings, geht die dritte Sektion des Bandes unter dem Titel Architekturen der intrinsischen Beziehung des Gehäuses zum Begriff des Hauses nach. Damit verbindet sich eine Vergrößerung des Maß- stabs der Betrachtung bis hin zu urbanen Settings und ihren Infrastrukturen, aber auch eine wichtige topologische Verschiebung: Der Mensch ist hier nicht nur gegenüber, sondern zugleich innerhalb des Gehäuses positioniert. In sei- nem Beitrag „Bauformen des Gewissens. Architektur und Medien nach der Stunde Null“ thematisiert Markus Krajewski die Häuserfronten deutscher Nachkriegsarchitekturen. Im Rahmen des bundesdeutschen Wiederaufbaus, ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 27 der mit der Währungsreform einsetzt und bis in die frühen 1960er-Jahre hin- einreicht, werden ganze Straßenzüge mit Kacheln verkleidet. Diese verkachel- ten Rasterfassaden lassen sich Krajewski zufolge in zweifacher Hinsicht als Indikator der Lage einer ganzen Nation verstehen. Zum einen komme dem Raster als (kulturtechnischem) Medium eine formatierende und damit ord- nungsstiftende Funktion zu. Zum anderen stehe die ornamentfreie, glatte und abwaschbare Oberfläche der Kachel für eine offensiv zur Schau gestellte Form von Hygiene. Die sozialpsychologische Pointe von Raster und Kachel bestehe demzufolge in einem Bruch mit der deutschen Vergangenheit, der von der Aufarbeitung der jüngsten Ereignisse entlaste. In seinem Beitrag „Environmental Bubbles – Gehäuse der Technik in der Architektur der 1960er-Jahre“ verfolgt Florian Sprenger, wie im 20. Jahrhun- dert architektonische Konzeptionen des Hauses parallel zur infrastrukturellen Aufrüstung durch Elektrizität und Elektronik ihren Fokus auf gebaute Mauern verlieren und Architekturen seit den 1960er-Jahren zunehmend als environ- ments begriffen werden. Damit ist eine Verschiebung benannt, in der das Haus von der Distribution von Energie und von Objekten her definiert wird, die wiederum technischen Gestaltungen unterliegen. Die architekturtheoretischen Überlegungen vor allem Reyner Banhams und Buckminster Fullers bieten eine Perspektive auf Gehäuse, die nicht nur technische Gerätschaften umhüllen, sondern selbst technisch geworden sind: als kontrollierte Grenze von innen und außen, als Verschränkungen von Umgebendem und Umgebenem, als Modifikationen dessen, was sie umhüllen. Aus der Perspektive einer materiellen Kulturforschung befasst sich Laura Moisi in ihrem Beitrag „Jeder Mülltonne ihren Schrank. Einkapselungen und Infrastrukturen des Mülls“ mit der Rolle von Abfallbehältern bei der häusli- chen Müllentsorgung. Im Zentrum stehen Fragen der sinnlichen Wahrneh- mung und ästhetischen Ordnung, die mit der technischen und administrativen Organisation der Müllentsorgung im 20. Jahrhundert einhergehen. Moisi untersucht, inwiefern bei der Unterbringung von Müll in Eimern, Tonnen und Schränken Figuren des Hauses und des Gehäuses als räumliche und symbo- lische Prinzipien für die Aufbewahrung von Müll fungieren und welche Rolle die Vereinheitlichung von Müllgefäßen für die Verknüpfung von Sphären des Privaten mit Bereichen der Öffentlichkeit und für Vorstellungen einer imagi- nierten Gemeinschaft spielt. In seinem Beitrag „Smartphone Architecture. Mimese als architektonisches Grundprinzip“ zeigt Tom Steinert, dass sich mit dem Begriff des Gehäuses auch ein Gestaltungsprinzip der jüngeren Architektur erfassen lässt, indem er den Blick auf eine Trennung des in der Regel funktionsbestimmten Inneren eines Baus von dessen Oberfläche lenkt. Mit dieser Trennung gehe eine Frei- heit in der Gestaltung einher, insofern diese nicht allein von der Gebäudefunk- tion, sondern von anderen Prämissen geleitet ist. Zu diesen Prämissen gehört die Mimese, genauer die Nachahmung technischer Geräte als Ausdruck zeit- genössischer Tendenzen. Dabei werden in neuerer Zeit gerade digitale Geräte 28 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT imitiert, die in Entsprechung zum architektonischen Gestaltungsprinzip da- durch gekennzeichnet sind, dass die äußere Erscheinung in keinem direkten Bezug zur inneren Funktionsweise steht. Die vierte Sektion des Bandes erweitert den Fokus auf Architekturen erneut und nimmt das Gehäuse in seinem Verhältnis zu Umwelten in den Blick, die es entweder konstituiert oder in denen es situiert ist. Aus dieser ökologischen Perspektive werden die Genealogie des Umweltbegriffs und seine philosophi- schen Ausdeutungen ebenso relevant wie Praktiken des experimentellen Inter- facedesigns und die prekäre Ontologie von Gegenständen, die erst in Krisen- und Notfallsituationen zur vollen Existenz gelangen. In seinem Beitrag „Im gläsernen Gehäuse. Zur Medialität der Umwelt bei Uexküll und Merleau- Ponty“ geht Julian Jochmaring der Prägung des Umweltbegriffs durch den Biologen Jakob Johann von Uexküll (1864-1944) und der Interpretation dieses Konzepts durch den französischen Phänomenologen Maurice Merleau-Ponty (1908-1961) nach. Bedient sich Uexküll zur Beschreibung der Umwelt einer Metaphorik des Transparenten – er vergleicht sie mit einem Glashaus oder einer Seifenblase –, so radikalisiert und verschiebt Merleau-Pontys Konzept des Verflochtenseins von Leib und Umwelt das Denken des gläsernen Gehäu- ses: Dieses ist nun nicht mehr nur umhüllend und durchlässig, sondern zu- gleich fremd und fragil. Wie Jochmaring zeigt, berührt diese Verschiebung grundlegende Merkmale einer Logik des Medialen, in der vermeintlich stabile Gegensätze wie ‚Trennung‘ und ‚Verbindung‘ oder ‚innen‘ und ‚außen‘ frag- würdig werden. Die Frage nach der radikalen Öffnung von Gehäusen im Zuge eines De- signs technologischer Umgebungen (ubiquitous computing) wird von Léa Per- raudin in ihrem Beitrag „Where have all the cases gone? Die offenen Behau- sungen des experimentellen Interfacedesigns“ zunächst medientheoretisch und dann mit Blick auf Praktiken des experimentellen Interfacedesigns adressiert. Zielt UbiComp noch auf eine Verumweltlichung von Computertechnik in dem Sinne, dass diese unsichtbar räumlich verteilt wird, verfolgt das Projekt der Tangible Interaction innerhalb der Human Computer Interaction eine an lebensweltlichen Prozessen orientierte Schnittstellengestaltung. Die von Per- raudin vorgestellten, zum Teil ephemeren Intrafaces greifen auf elementare Medien wie Wasser, Schlamm und Seifenblasen zurück und operieren dabei weniger in einem binären Modus der Vermittlung von Anwender und Technik, sondern inszenieren Momente der Durchdringung und wechselhaften Ver- schränkung, womit sie zur Reflexionsfolie für ökologische Relationsgefüge werden. Martin Sieglers Beitrag „Things in Cases. Zur Existenzweise von Notfall- dingen“ fragt in Anlehnung an Arbeiten jüngeren Datums zu operativen Onto- logien und Existenzweisen technischer Objekte (Simondon, Souriau, Latour) nach der Ontologie von Notfalldingen, die er als emergente Objekte bzw. things in cases vorstellt. Dieser besondere Objekttyp – zu dem u. a. Airbags, Fallschirme und Rettungsrutschen zählen – stelle einige Grundannahmen zur ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 29 Verfasstheit von Gehäusen infrage, insofern sie weniger als geschlossene und gegenüber der Umwelt eingekapselte Ensembles denn als zur Entfaltung drän- gende Dingarrangements zu charakterisieren seien. Damit folgen sie gleich- sam einer suspense-Struktur, verharren im Status einer eingeschränkten Exis- tenz, der erst im Moment des Notfalls aufgehoben wird. Insbesondere weist Siegler in seinem essayistisch-philosophischen Text darauf hin, dass die Not- falldinge in Gehäusen einer zeitlichen Dramaturgie folgen, insofern sich ihre latente Dinglichkeit erst im Ernstfall und dann nach Maßgabe eines inskribier- ten Handlungsprogramms realisiert. Die abschließende Sektion des Bandes geht der Medialität von Gehäusen im Rahmen von Zeichenprozessen nach, die konstitutiv für bildliche oder schriftliche Kommunikation sind. Innerhalb der Kunstgeschichte kann das Gehäuse als Darstellungsmotiv, aber auch als Auslöser kunsttheoretischer Re- flexion auftreten, in der semiotischen Theoriebildung geht es enge Beziehun- gen zum Zeichen ein, und in medienhistorischer Perspektive gerät das Gehäu- se als konstitutives Element von Adressierungs- und Übertragungsprozessen in den Blick. Tobias Lander beschäftigt sich in seinem Beitrag „What’s in- side? – Gehäuse in der Kunst und das Mysterium des Inhalts“ aus einer kunst- historischen Perspektive mit Gehäusen und untersucht ihren Wandel vom kunsthandwerklichen Objekt zum werkbestimmenden Moment. Werkbestim- mend wird das Gehäuse dort, wo es die Frage nach dem Verhältnis von Innen und Außen, von Inhalt und Hülle selbst provoziert und den Blick ins Innere damit auf je unterschiedliche Weise lenkt: Während opake Gehäuse den Inhalt zum Versprechen machen, eröffnen transparente Gehäuse einen Interpreta- tionsspielraum gegenüber dem Innern. Fehlt dieses Innere, bleibt also die Hülle ohne Inhalt, so geht die Gehäusefunktion verloren und es entsteht etwas gänzlich Neues, das den Diskurs um das Kunstobjekt tief greifend affiziert. In seinem Beitrag „Einkapselung auf der Ebene der Zeichen. Bausteine für eine Semiotik 2.0“ geht Hartmut Winkler von der Beobachtung aus, dass Schrift und Zahl – im Unterschied zu anderen Medien wie Film und Fotogra- fie – ein aufzählbares Set ‚identischer‘ Zeichen ausgebildet haben. Anhand der Entstehung der Schrift geht Winkler der Frage nach, wie Zeichen zu Zeichen werden, also ihre Grenzen und ihre Identität gewinnen. Unter einer entselbst- verständlichenden Perspektive sind Zeichen, gedacht als Kapseln, das Resultat eines Prozesses der Verhärtung, der sich einem ‚Mechanismus‘ der Wiederho- lung verdankt. Winklers Plädoyer gilt denn auch einer Semiotik, die sich für jene Prozesse der Schemabildung und Konventionalisierung interessiert, die hinter den Zeichen stehen. Elena Fingerhuts Beitrag „Übertragen und Speichern. Zum Verhältnis von Adressen und medialen Gehäusen“ betrachtet Gehäuse schließlich in ihrer Funktion der Organisation von Kommunikation und fragt nach den Möglich- keitsbedingungen dieser Funktion. Es wird die These verfolgt, dass Gehäuse hierbei eine spezifische Verbindung zu Verfahren der Identifizierung ein- gehen, wie sie insbesondere durch Adressierungstechniken gegeben sind. Auf- 30 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT bauend auf einer historischen Annäherung an das Thema diskutiert Fingerhuts Beitrag diese These systematisch, indem zum einen der Hausbriefkasten mit dem E-Mail-Postfach (speichern) und zum anderen der Briefumschlag mit dem Datagramm (übertragen) verglichen wird. Literatur Andersen, Christian Ulrik/Pold, Søren Bro (Hg.), Interface Criticism. Aesthetics Be- yond Buttons, Aarhus, 2011. Appadurai, Arjun (Hg.), The Social Life of Things. Commodities in Cultural Perspec- tive, Cambridge, 1986. Ashby, W. Ross, An Introduction to Cybernetics, London, 1956. Attfield, Judy, Wild Things. The Material Culture of Everyday Life, Oxford, New York, NY, 2000. Balke, Friedrich/Muhle, Maria/von Schöning, Antonia (Hg.), Die Wiederkehr der Din- ge, Berlin, 2011. Blumenberg, Hans, „Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenolo- gie“ (1963), in: ders., Wirklichkeiten in denen wir leben. Aufsätze und eine Rede, Stuttgart, 2009, S. 7-54. Bube, Lars, „Apple-Patent auf ‚runde Ecken‘ aberkannt“, auf: crn.de, 21.08.2015, on- line unter: http://www.crn.de/telekommunikation/artikel-107664.html, zuletzt aufge- rufen am 17.03.2016. Bush, Vannevar, „As We May Think“, in: Atlantic Monthly, July 1945, online unter: http://www.theatlantic.com/magazine/archive/1945/07/as-we-may-think/303881/, zuletzt aufgerufen am 05.02.2016. Cramer, Florian/Fuller, Matthew, „Interface“, in: Matthew Fuller (Hg.), Software Stud- ies. A Lexicon, Cambridge, MA, London, 2008, S. 149-153. Fickers, Andreas, „Design als ‚mediating interface‘. Zur Zeugen- und Zeichenhaftig- keit des Radioapparats“, in: Berichte zur Wissensgeschichte 30 (2007), S. 199-213. Foerster, Heinz von, „On Constructing a Reality“, in: W. F. E. Preiser (Hg.), Environ- mental Design Research, Bd. 2, Stroudberg, 1973, S. 35-46. Friedewald, Michael, Der Computer als Werkzeug und Medium. Die geistigen und technischen Wurzeln des Personal Computers, 2. Aufl., Berlin, 2009. Ders., „Konzepte der Mensch-Computer-Kommunikation in den 1960er Jahren: J. C. R. Licklider, Douglas Engelbart und der Computer als Intelligenzverstärker“, in: Technikgeschichte 67, (2000), S. 1-24. Galloway, Alexander R., The Interface Effect, Cambridge, MA, 2012. „Gehäuse“, in: Wolfgang Pfeifer/Wilhelm Braun (Hg.), Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. A-L, 2. Aufl., durchges. und ergänzt von Wolfgang Pfeifer, Berlin (u. a.), 1996, S. 411. Glanville, Ranulph, „Inside Every White Box. There are Two Black Boxes Trying to Get Out“, in: Behavioral Science 27 (1982), S. 1-11. Gumbrecht, Hans Ulrich/Pfeiffer, Karl Ludwig (Hg.), Materialität der Kommunika- tion, Frankfurt/M., 1988. ZUR MEDIALITÄT VON GEHÄUSEN 31 Hadler, Florian/Haupt, Joachim (Hg.), Interface Critique, Berlin, 2016. Halbach, Wulf, Interfaces. Medien- und kommunikationstheoretische Elemente einer Interface-Theorie, München, 1994. Hilgers, Philipp von, „Ursprünge der Black Box“, in: Ana Ofak/Philipp von Hilgers (Hg.), Rekursionen. Von Faltungen des Wissens, München, 2010, S. 135-153. Hookway, Branden, Interface, Cambridge, MA, 2014. Journal of Design History. Special Issue: Design Dispersed 29, 1 (2016). König, Gudrun, Konsumkultur. Inszenierte Warenwelt um 1900, Wien, 2009. Larkin, Brian, „The Politics and Poetics of Infrastructure“, in: Annual Review of An- thropology 42, 1 (2013), S. 327-343. Latour, Bruno, Aramis, or The Love of Technology, Cambridge, MA, London, 1996 [frz. OA 1993]. Ders., Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netz- werk-Theorie, Frankfurt/M., 2010. Ders., Pandora’s Hope. Essays on the Reality of Science Studies, Cambridge, MA, London, 1999. Mareis, Claudia, Design als Wissenskultur. Interferenzen zwischen Design- und Wis- sensdiskursen seit 1960, Bielefeld, 2011. Dies., Theorien des Designs zur Einführung, Hamburg, 2014. Miller, Daniel, Material Culture and Mass Consumption, Oxford, 1987. Moebius, Stephan/Prinz, Sophia (Hg.), Das Design der Gesellschaft. Zur Kultursozio- logie des Designs, Bielefeld, 2012. Näser-Lather, Marion/Neubert, Christoph (Hg.), Traffic. Media as Infrastructures and Cultural Practices, Leiden, Boston, MA, 2015. Neubert, Christoph, „Software/Architektur. Zum Design digitaler Dienstbarkeit“, in: Markus Krajewski (Hg.), Dienstbarkeitsarchitekturen. Vom Service-Korridor zur Ambient Intelligence, Tübingen, Berlin, 2017. Ortlepp, Anke/Ribbat, Christoph (Hg.), Mit den Dingen leben. Zur Geschichte der All- tagsgegenstände, Gerlingen, 2010. Parikka, Jussi, What is Media Archaeology?, Cambridge, 2012. Parks, Lisa/Starosielski, Nicole (Hg.), Signal Traffic. Critical Studies of Media Infra- structures, Urbana, 2015. Parnas, David L., „On the Criteria to Be Used in Decomposing Systems into Modu- les“, in: Communications of the ACM 15, 12 (1972), S. 1053-1058. Pickering, Andrew, Kybernetik und neue Ontologien, Berlin, 2007. Porombka, Wiebke, Medialität urbaner Infrastrukturen. Der öffentliche Nahverkehr, 1870-1933, Bielefeld, 2013. Prinz, Sophia/Moebius, Stephan, „Zur Kultursoziologie des Designs. Eine Einleitung“, in: dies. (Hg.), Das Design der Gesellschaft. Zur Kultursoziologie des Designs, Bie- lefeld, 2012, S. 9-25. Schabacher, Gabriele, „Medium Infrastruktur. Trajektorien soziotechnischer Netzwer- ke in der ANT“, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 2 (2013), S. 129- 148 Selle, Gert, Geschichte des Design in Deutschland, Frankfurt/M., New York, NY, 2007. Siegert, Bernhard, „Türen. Zur Materialität des Symbolischen“, in: Zeitschrift für Me- dien- und Kulturforschung 1 (2010), S. 151-170. Schüttpelz, Erhard, „Die medienanthropologische Kehre der Kulturtechniken“, in: Lo- renz Engell/Bernhard Siegert/Joseph Vogl (Hg.), Kulturgeschichte als Medienge- schichte (oder vice versa?), Weimar, 2006, S. 87-110. 32 BARTZ, KAERLEIN, MIGGELBRINK, NEUBERT Simon, Herbert A., The Sciences of the Artificial, London, 1996 [1969]. Ders., „The Architecture of Complexity“, in: Proceedings of the American Philosophi- cal Society 106, 6 (1962), S. 467-482. Sloterdijk, Peter, „Das Zeug zur Macht“, in: ders./Sven Voelker, Der Welt über die Straße helfen. Designstudien im Anschluss an eine philosophische Überlegung, München, 2010, S. 7-25. Ders./Engemann, Christoph (Hg.), Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelli- gente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt, Bielefeld, 2015. Sprichwort zu „Gehäuse“. Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hg.), Deutsches Sprich- wörter-Lexikon, Bd. 1, Leipzig, 1867, Sp. 1419. Star, Susan Leigh/Bowker, Geoffrey C., „How to Infrastructure“, in: Leah A. Liev- rouw/Sonia Livingstone (Hg.), Handbook of New Media. Social Shaping and Social Consequences of ICTs, London, 2006, S. 151-162. Tischleder, Bärbel/Ribbat, Christoph, „Material Culture Studies“, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grund- begriffe, 4. Aufl., Stuttgart (u. a.), 2008, S. 464. Weber, Heike, „Stecken, Drehen, Drücken. Interfaces von Alltagstechniken und ihre Bediengesten“, in: Technikgeschichte 76, 3 (2009), S. 233-254. Weiser, Mark, „The Computer for the 21st Century“, in: Scientific American 265, 3 (1991), S. 94-104.