Filmblatt 63 ∙ 201764 Der Kritiker als Schauspieler, der Schauspieler als Kritiker: Filmkritik- Chefredakteur Enno Patalas als Pfarrer und Beatrix Ost bei den Dreh- arbeiten zu Bis zum Happy End (oben) und Jochen Regelien, der in Ohne Nachsicht als Alter Ego Theodor Kotullas marxistischen Sand ins Getriebe der Bewusstseinsindustrie streut (Deutsche Kinemathek) Filmblatt 63 ∙ 2017 65 Frederik Lang Von Münster nach Schwabing und von der Filmkritik zur Regie Theodor Kotullas Bis zum Happy End (1968) und Ohne Nachsicht (1971) Wiederentdeckt 239, 1. April 2016 und 250, 3. Februar 2017 Die Nouvelle Vague hat es bewiesen, Filmkritiker können Regisseure werden: Theodor Kotulla gehörte seit der Gründung 1957 zum Autorenstamm der Zeit- schrift Filmkritik, die sich in den Folgejahren zum Leitmedium der ambitionier- ten linken Filmpublizistik entwickelte. Kotulla verfasste einige hundert Texte für die Filmkritik und diverse Tageszeitungen sowie Hörfunkbeträge und gele- gentlich Literaturkritiken. Im Gegensatz zu Regisseuren wie Rudolf Thome oder Wim Wenders, die Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre neben ihrer Filmarbeit ebenfalls für die Filmkritik wie auch für Tageszeitungen schrieben, kam Kotulla nach und nach zur praktischen Filmarbeit. Zu Peter Lilienthals Fernsehfilm Der 18. Geburtstag (1962) verfasste er das Drehbuch, es folgten einige Kurzfilme. Basierend auf einem Drehbuch der Filmkritik-Autoren Hans Stempel und Martin Ripkens drehte er schließlich 1968 sein Langfilmdebüt Bis zum Happy End und wechselte damit endgültig die Seiten; fortan verö2entlich- te Kotulla keine Filmkritiken mehr. Bis zum Happy End ist eine bissig-böse Familiengeschichte im abflauen- den Wirtschaftswunder um 1967/68. Vater Arnold (Klaus Löwitsch) möchte mit dem geerbten väterlichen Fotogeschäft expandieren, die Mutter Frieda (Beatrix Ost) spielt vor allem Gattin, der Großvater (Walter Ladengast) wie auch der Sohn Peter (Christof Hege) sollen dabei möglichst nicht stören. Als Arnolds Bruder Paul (Roger Fritz) zu Besuch kommt und seinen Erbanteil ausbezahlt haben möchte, um etwas Eigenes zu starten, kommt es zum Streit. Paul stirbt dabei, offenbar ein Unfall. Dieses Ereignis wird aus der Perspektive von Peter erzählt, der längst ins Bett geschickt wurde, und bleibt somit auch für den Zu- schauer eine Leerstelle. Durch die nie offen ausgesprochenen Schuldgefühle der Figuren bekommt das Familiengefüge zunehmend Risse, bis es doch noch zum Happy End des Titels kommt. Bis zum Happy End hatte seine Premiere am 10. Oktober 1968 auf der damals wichtigen Internationalen Filmwoche Mannheim, der Film fand allerdings kei- nen Kinoverleih, am 28.  April 1970 wurde er erstmals im Zweiten Deutsche Fernsehen ausgestrahlt. Finanziert wurde er vor allem durch eine Drehbuch- prämie des Innenministeriums über 300.000 DM für die Autoren Stempel und Ripkens, produziert wurde er von Leo Kirchs neu gegründeter Firma Iduna Filmblatt 63 ∙ 201766 Film; Stempel und Ripkens arbeiteten zu diesem Zeitpunkt hauptberuflich als Filmprüfer für Leo Kirch. Auch Kotullas zweiter Spielfilm Ohne Nachsicht, zu dem er diesmal selbst das Drehbuch verfasst hatte, wurde von Kirch produziert. Im Kotulla-Nachlass in der Deutschen Kinemathek befindet sich eine Hauspostmitteilung der Iduna Film eines Herrn Rabe vom 11. August 1970 an die Herren Dr. Leo Kirch und Ernst Liesenhoff, den Produzenten des Films: „Nach Studium des Drehbuchs Ohne Nachsicht von Theodor Kotulla möchte ich zur Vorsicht raten. Ich glaube nicht, dass sich aus diesem Buch ein erfolgreicher Film machen lässt und möch- te empfehlen, Ohne Nachsicht ohne Rücksicht aus den Programmplanungen zu streichen.“1 Was danach genau geschah, lässt sich anhand des Nachlasses nicht rekonstruieren, produziert wurde der Film aber schließlich, gedreht zwi- schen dem 1. März und 2. April 1971 in Münster, einige Innenaufnahmen auch in München, wo Anfang Juni auch die Nachsynchronisierungsaufnahmen statt- fanden. Ohne Nachsicht wurde am 31. Januar 1972 in der ARD als Ersatz für den abge- setzten Rosa von Praunheim-Film Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt erstmals ausgestrahlt. Erst danach lief der Film auf ein paar Festivals und in Goethe-Instituten, kam im Herbst 1972 sogar noch in einige wenige Kinos – eher ungewöhnlich, dass ein Film nach seiner Fernsehaus- strahlung noch einen Kinostart erhielt. Gegen Ende des Films gibt es dazu – bei- nahe prophetisch – eine sarkastische Seitenbemerkung. Henry (Henry van Lyck), eine der Hauptfiguren, schaut mit seinem Stiefsohn einen Western im Fernsehen. Der Junge soll eigentlich ins Bett, den Film kann er auf keinen Fall zu Ende schau- en. Henry argumentiert: „Der Film wird aber irgendwann auch wieder im Kino lau- fen.“ Darauf kontert der Junge: „Du sagst aber immer, wenn ein Film erstmal im Fernsehen läuft, spielt ihn kein Kino mehr.“ Henry entgegnet: „Aber Western sind da eine Ausnahme.“ Der Nicht-Western Ohne Nachsicht spielt in Münster und trägt autobiografische Züge. Ab 1951 hatte Kotulla in Münster Publizistik, Germanistik und Philosophie studiert. Das von Walter Hagemann geleitete Institut für Zeitungswissenschaft war einer der ersten Orte in Deutschland, an dem so etwas wie Filmwissenschaft gelehrt wurde.2 Sein damaliger Kommilitone, der spätere Journalist und Dreh- buchautor Michael Lentz (u. a. Alle Jahre wieder von Ulrich Schamoni aus dem 1 Kotulla-Nachlass, Ordner: Ohne Nachsicht: Nachlassarchiv Deutsche Kinemathek (DK). Nach Kotullas Tod am 20.10.2001 in München wurde 2005 ein Teil des schriftlichen Nach- lasses an die Deutsche Kinemathek übergeben. 2 Zu Hagemann vgl. Heinz Ungureit: Das Widerständige der Hagemann-Clique. In: Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen (Hg.): Theodor Kotulla. Regisseur und Kritiker. München 2005, S. 7–19 und Joachim Paech: Die Anfänge der Filmwissenschaft in Westdeutschland nach 1945. In: Hilmar Ho+mann, Walter Schobert: (Hg.) Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946–1962. Frankfurt a. M. 1989, S. 266–281. Filmblatt 63 ∙ 2017 67 Jahr 1967, ebenfalls ein „Münster-Film“) diente als Vorbild für die Figur des Henry.3 Dem Drehbuch hatte Kotulla folgende Zusammenfassung vorangestellt: „Henry und Hannes. Beide haben vor rund fünfzehn Jahren in einer kleinen norddeutschen Stadt angefangen zu studieren. Beide sind heute Mitte dreißig und leben immer noch in dieser Stadt. Henry ist ‚etabliert‘: er arbeitet bei einer Zeitung. Hannes versucht sich als frei Schreibender, lebt aber, da ihm der Durch- bruch bislang nicht geglückt ist, immer noch eigentlich so, wie er als Student gelebt hat. Beide leiden unter der Einsicht, ihre Träume nicht realisiert zu ha- ben. Eine neuerliche Krise ihres Selbstbewußtseins bricht auf, als die langjährige Freundin von Hannes die Stadt verläßt. Dieses Mädchen, Hilde, das wir gleich zu Beginn des Films kurz sehen und dann nie wieder, bleibt dennoch ‚anwesend‘ bis zum Schluß. Denn sie hat etwas gewagt, was beide Freunde nicht gewagt ha- ben: einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Beide raffen sich nun – ange- stachelt, auch wenn sie es kaum zugeben würden, durch das ‚Beispiel‘ Hildes – zu Taten auf. Aber beide scheitern. Die Gründe ihres Scheiterns – bei ganz bestimm- ten Angriffen auf die Starre von Institutionen – sind freilich nicht auf einen ein- fachen Nenner zu bringen. Sowohl die Niederlage von Henry wie die von Hannes hat ihre individuell-psychologische und ihre gesellschaftliche Seite; und beide Seiten sind kompliziert durcheinander vermittelt. In ihrer Enttäuschung und Wut halten beide sich an das Nächstliegende: wie so oft im Laufe ihrer Freundschaft richten sie ihre Aggressionen gegeneinander. Sie machen ihr Versagen sich ge- genseitig zum Vorwurf und steigern sich dabei bis in die Formen nutzloser Unflä- tigkeiten und abstruser Kinderei. Hannes schließlich folgt dem Exempel Hildes: er verläßt die Stadt. Fraglich bleibt indessen, ob seine Abreise wirklich ein Schritt nach vorne ist oder bloße Geste der Flucht bleibt.“4 Zum Verlauf und Ende seines Studiums in der „kleinen norddeutschen Stadt“ schreibt der am 20.  August 1928 geborene Kotulla in einem Lebenslauf in der 100. Ausgabe der Filmkritik: „Kein Abschluß. Mehr als meine akademischen Leh- rer beeinflussten mich die Schriften von Horkheimer, Adorno, Benjamin, Brecht, Kracauer, Eisenstein. Seit 1952 Filmkritik, gelegentlich Literaturkritik […]. Seit 1961 in München.“5 In Münster war Kotulla Filmkritiker bei den Westfälischen Nachrichten, wie auch sein Alter Ego Hannes (Jochen Regelien) in Ohne Nach- sicht. Wie Hannes verlässt er schließlich die Provinzstadt, um seine Ambitionen in München zu verwirklichen  – die Stadt wird allerdings nur im Drehbuch als neuer Lebensort von Hannes genannt, nicht im Film. Den schon einige Jahre vor Ohne Nachsicht entstandenen Kurzfilm Panek (1967) kann man als eine Fortsetzung verstehen, denn Kotulla reflektiert darin 3 Brief von Peter Gass an Kotulla vom 2.2.1972. Kotulla-Nachlass, DK. Lentz schrieb später auch das Drehbuch zu Kotullas ZDF-Dreiteiler Nacht der Frauen (1993/94). 4 Ebd. Vom Drehbuch existiert im Nachlass auch eine Version mit eingeklebten Fotos von möglichen Drehorten, von denen einige verwendet wurden. 5 Theodor Kotulla: Lebenslauf. In: Filmkritik 4/1965, S. 237. Filmblatt 63 ∙ 201768 die Situation eines linken Intellektuellen zwischen Anpassung und Hungertuch. Gedreht wurde in Kotullas eigener Wohnung im vermeintlich weltläufigen München-Schwabing, dem Stadtteil, der auch so etwas wie das Hauptquartier der Filmkritik war. Die Filmkritik. Die erste Autorengeneration der Filmkritik, Theodor Kotulla, Enno Patalas (der auch in Münster bei Hagemann studiert hatte, aber nach einem „Krach mit dem Doktorvater“ schon 1956 sein Studium abgebrochen hatte und nach Schwabing übergesiedelt war)6, sowie Wilfried Berghahn und Ulrich Gregor hatten sich in der Filmclubbewegung der Nachkriegszeit kennengelernt. Das Programm der 1957 gegründeten Filmkritik war eine erklärte Abkehr und Distan- zierung von der feuilletonistischen Filmkritik der 1950er Jahre, die geprägt war von geistreichen Wortspielen und Scherzen. Angeblich vernachlässigte sie die gesellschaftlichen Zusammenhänge, verlor sich in individuellen Empfindungen, statt „den Film an der konkreten (soziologisch und ökonomisch zu begreifenden) Wirklichkeit zu reflektieren“, wie es im Vorwort zur ersten Ausgabe heißt.7 Geistige Vorbilder waren die Autoren der Frankfurter Schule, Adornos und Horkheimers Begriff der Kulturindustrie und mit Bezug auf den Film die Schrif- ten von Siegfried Kracauer, dessen Buch From Caligari to Hitler 1947 in eng- lischer Sprache erschienen war. 1958 erschien bei Rowohlt eine gekürzte Aus- gabe auf Deutsch. Ganz dem Selbstverständnis entsprechend, verfasst Kotulla für die Filmkritik wertende Texte über sehr verschiedene, gute wie schlechte Filme; auffällig ist aber, dass er immer wieder über das italienische Kino schreibt, über Filme von Federico Fellini, Luchino Visconti, Francesco Rosi, Lina Wertmüller, Pier Paolo Pasolini, hier und da auch über Michelangelo Antonioni, der von diesen Regis- seuren wohl den stärksten Einfluss auf Bis zum Happy End gehabt hat. Neben Aspekten wie der Auseinandersetzung mit Nachkriegsstadtplanung und Archi- tekturen von Orten und Unorten, die den Menschen eher entfremden, als ihm zu dienen (dies gilt auch für Ohne Nachsicht), lohnt es sich auch darüber nachzu- denken, inwiefern die Leerstelle des Unfalls des Bruders Paul in Bis zum Happy End ähnlich oder gerade anders funktioniert als das plötzliche Verschwinden von Anna in Antonionis L’avventura (1960).8 Eine weitere wichtige filmkritische Arbeit Kotullas, die allerdings nicht in der Filmkritik erschienen ist, ist „Das Gesellschaftsbild des modernen Films. Die 6 Vgl. Enno Patalas: Lebensläufe. In: Filmkritik 4/1965, S. 238. 7 Vgl. Filmkritik 1/1957, S. 1 (nicht namentlich gekennzeichnet). 8 Zur Erinnerung: In L‘avventura macht eine Gruppe junger Leute einen Ausflug ans Meer. Als die Figur der Anna plötzlich verschwunden ist, machen die anderen sich erfolglos auf die Suche. Neue Beziehungen entstehen, Anna ist abwesend und doch gerade aufgrund ihrer Abwesenheit permanent präsent (u. a. als möglicher, aber nicht ausgesprochener Schuld- komplex). Filmblatt 63 ∙ 2017 69 Bundesrepublik Deutschland“, ein Radiobeitrag für das „Nachtstudio“ des Süd- westfunks, ausgestrahlt am 7. Februar 1962, exakt drei Wochen vor der Verkün- dung des Oberhausener Manifests.9 Der Begriff der Kulturindustrie nach Adorno und Horkheimer bildet hier den Ausgangspunkt für ziemlich vernichtende Be- trachtungen zum gegenwärtigen bundesdeutschen Kino. Am Ende zählt Kotulla fünf markante Stereotype auf, darunter den Wirtschaftsboss als Grundübel des deutschen Wirtschaftswunders. In gewisser Weise ist es das von ihm hier beschrie- bene Stereotyp, dem er mit Bis zum Happy End etwas entgegensetzt – nämlich eine komplexere Beschreibung eines exemplarischen bürgerlichen Lebens in diesem Wirtschaftswunder. Am Ende des Radiobeitrags argumentiert Kotulla wieder mit dem italienischen Kino, dessen Regisseuren er eine „Kenntnis des soziologischen Umschichtungsprozesses“ attestiert, die den deutschen Regisseuren abgehe.10 Kotulla wie auch die Filmkritik bezeichnen ihre Arbeit als linke Filmkritik – in der sehr abschätzigen Spiegel-Rezension zu Bis zum Happy End ist von der „linken Cinéasten-Monatsschrift“ die Rede und Chefredakteur Enno Patalas, der im Film als Pfarrer auftritt, wird als „Filmkritik-Papst“ betitelt.11 Ab Anfang der 1960er Jahre weitet sich der Autoren-Kreis: Frieda Grafe, Helmut Färber, Herbert Linder kommen hinzu, auch Stempel und Ripkens. Mitte der 1960er Jahre kommt es in- tern zu Konflikten um das Selbstverständnis der Zeitschrift. Öffentlich gemacht wird die Auseinandersetzung, als Patalas einen durch Wilfried Berghahns frühen Tod abgebrochenen Diskussionsansatz im Juli-Heft 1966 wieder aufgreift; der Ti- tel des Texts lautet: „Plädoyer für eine Ästhetische Linke. Zum Selbstverständnis der Filmkritik.“12 Im Anschluss entbrennt ein Richtungsstreit, der im Laufe des nächsten Jah- res mit einer Vielzahl von Selbstverständnistexten ausgetragen wird.13 Auf der einen Seite steht die sogenannte „politische Linke“, die Kracauer-Fraktion, zu der auch Kotulla gehört, die die Filme soziologisch interpretiert. Auf der ande- ren Seite steht die sogenannte „ästhetische Linke“, die stark vom französischen Strukturalismus geprägt ist, für die die neuen Filmformen von Nouvelle Vague bis Antonioni nicht mehr mit den alten Werkzeugen zu fassen sind und die ihren 9 Theodor Kotulla: Das Gesellschaftsbild des modernen Films. Die Bundesrepublik Deutsch- land. In: Aurich, Jacobsen (Hg.) Theoder Kotulla, S. 139–149. 10 Ebd., S. 148. 11 Anon.: Beichte in Bonn. In: Der Spiegel 42/1968. 12 Enno Patalas: Plädoyer für die Ästhetische Linke. Zum Selbstverständnis der Filmkritik II. In: Filmkritik 7/1966, S. 403–407. 13 Vgl. Ulrich Gregor: Zum Selbstverständnis der Filmkritik. In: Filmkritik 10/1966, S. 587–588; Frieda Grafe: Zum Selbstverständnis der Filmkritik. In: Filmkritik 10/1966, S. 588–589; Theodor Kotulla: Zum Selbstverständnis der Filmkritik. In: Filmkritik 12/1966, S.  706–709; Helmut Färber: Diskussion: Zum Selbstverständnis der Filmkritik. In: Filmkritik 4/1967, S.  226–229; Dietrich Kuhlbrodt: Zum Selbstverständnis der Filmkritik. In: Filmkritik 4/1967, S.  230–232; Herbert Linder: Zum Selbstverständnis der Filmkritik. In: Filmkritik 4/1967, S. 232–234. Filmblatt 63 ∙ 201770 Kollegen wiederum einen Bewertungszwang, eine Fixierung auf Inhalte und eine nicht mehr haltbare Trennung von Form und Inhalt vorwerfen. Diese Auseinandersetzungen sind auch zentral in den filmpublizistischen Dis- kussionen um Bis zum Happy End. Enno Patalas, der zwar einerseits eine Ver- mittlerrolle einnimmt, andererseits aber mit den Argumenten der ästhetischen Linken liebäugelt, scheint vom Film bitter enttäuscht zu sein, wie man seiner Besprechung in der Filmkritik entnehmen kann.14 Wahrscheinlich kommen hier auch die ungemein hoch gesteckten Erwartungen gegenüber dem langjährigen Freund und Weggefährten hinzu. Peter W. Jansen und Klaus Hellwig schreiben positiv über Bis zum Happy End.15 Im Kritikerspiegel sind auch Heinz Ungureit und Ulrich Gregor mit positiven Be- wertungen verzeichnet – allesamt Autoren, die eher der Kracauer-Fraktion zuzu- rechnen sind oder sich aus dem Richtungsstreit zumindest in der Öffentlichkeit heraushielten. Gregor hat sich auch in einem Artikel zur Mannheimer Filmwoche in der Wochenzeitung Die Zeit positiv über den Film geäußert.16 Herbert Linder und Helmut Färber, die Wortführer der „ästhetischen Linken“, finden den Film „belanglos“, Frieda Grafe und einige weitere Autoren stehen ihm „zwiespältig“ gegenüber. Für Linder und Färber hat Kotulla einen kleinen Seitenhieb in den Film einge- baut, vielleicht mochten sie Bis zum Happy End deshalb nicht. In einer Szene, in der Arnold einen Schmalfilmkurs für Amateure gibt und diese ihre Urlaubs- filme vorführen, stellt ein Herr Färber seinen Film „ein Sonntag in Italien“ vor, anschließend zeigt Frau Linder Aufnahmen eines Ausflugs, der im Autobahnstau endet; die cineastischen Qualitäten der beiden Filme sind ebenfalls „belanglos“. Auch in Ohne Nachsicht gibt es eine Anspielung auf die Entwicklung, die die Filmkritik schließlich genommen hat, nachdem sich die „ästhetische Linke“ durchgesetzt hatte. Hier diskutieren ein Kinobetreiber und der Chefredakteur der örtlichen Tageszeitung über die Verantwortung des Filmkritikers gegenüber dem Leser. Abschätzig ist davon die Rede, dass man „keine esoterische Zeitung“ sei; genau das wurde in den Augen vieler Leser und Autoren die Filmkritik nach dem Abgang der „politischen Linken“. Happy End? Einige der in der Filmkritik und anderen Zeitungen diskutierten Aspekte von Bis zum Happy End beziehen sich auf Fragen der Zuspitzung oder der Überhöhung. In ästhetischer Hinsicht geht es darum, inwieweit die schönen Hochglanzbilder des Films als Kritik, als A