320 MEDIENwissenschaft 3/2004 Lothar Rolke, Volker Wolff (Hg.): Die Meinungsmacher in der Mediengesellschaft. Deutschlands Kommunikationseliten aus der Innensicht Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2003, 191 S., ISBN 3-531-14089-2, € 22,90 Der vorliegende Band kommt ganz lapidar daher und bietet doch puren Spreng- stoff. Hervorgegangen ist er aus einer Tagung der Reihe ,Mainzer Journalisten Symposium', die der frühere Agenturleiter und heutige BWL-Professor Lothar Rolke und Volker Wolff, Journalistik-Professor und Ex-Wirtschafiswoche-Chef- redakteur, an ihrem gemeinsamen Standort seit einigen Jahren organisieren. In der Atmosphäre eines ,c\osed shop' wird ,unter Dreien' diskutiert, wie der Journalist gern sagt. Insoweit ist die Drucklegung der Tagung schon ein kleines Wunder, andererseits darf man von an der einen oder anderen Stelle entschärften Aussagen ausgehen, die die muntere Autorenriege hier zum Besten gibt. Und eben diese Autoren können sich wahrlich sehen Jassen. Die Liste reicht vom langjährigen Spiegel- und Manager Magazin-Chef Wolfgang Kaden über Martin Kessler von der Rheinischen Post und Thomas Leif vom SWR, Eichel-Berater Klaus-Peter Schmidt-Deguelle, Staatssekretärin Miriam Meckel, Walter Bajohr, die gerade erst bei Opel zurückgetretene Klaudia Martini, Werner Preusker und die Professoren Hans Mathias Kepplinger, Jürgen Falter und Martin Löffelholz bis hin zu DPRG- Präsident Jürgen Pitzer. Als großes Motto könnte über den in diesen Beiträgen versammelten Erkennt- nissen zum Kommunikationsverhalten der Eliten stehen, dass die Eliten der Poli- tik wesentlich professioneller mit dem Journalismus umgehen als die Kaste der Manager. Während Politiker Medien strategisch für sich und ihre Ziele nutzen (und darin auch vielfältige Erfahrung haben), scheut sich die Wirtschaftselite zumeist deutlich vor einer allzu starken medialen Präsenz. Die versammelten Tagungsteilnehmer, zumal die Journalisten, hatten dies als einen erheblichen Buch, Presse 1111d 011d<'l'I! Dr11ck111i!dic11 321 Mangel an Professionalität begriffen. Woltgang Kaden berichtet \'On Allüren der früheren Jahre, wo Konzerne wie Hoechst auf Hauptversammlungen ein Medium wie den Spiegel gar nicht erst zulassen wollten. Schließlich hat dt!r Frankfurter Korrespondent eine Aktie gekauft, um teilnehmen zu können. In Zeiten. in denen der Börsenkurs eine ,vest!ntliche Orientierungsgröße der Kommunikation darstellt, sind solche Haltungen bei international agierenden Unternd1men zwar vom Tisch, aber offener ist die Kommunikation nicht ge\vorden. Im Gegenteil. In Deutschland, so Thomas Leif, werde die Kluft zwischen Medien und WirtschaftiPolitik eher noch größer: Die Entfremdung wachse, die Strategieindustrie boome, die Medien hingegen steckten in der ökonomischen Krise. Er sieht hier gar demokratietheo- retisch relevante Verformungen. die von der Kommunikationswissenschaft kaum wahrgenommen würden. Wie diese Gemengelage aufzubrechen wäre, dazu ,verden mehrere diffe- renzierte Vorschläge unterbreitet. Ein triftiger kommt von Lothar Rolke, der den Kern des Problems bei der strengen Trennung zwischen den Segmenten Medien, Wirtschaft und Politik identifiziert. Jobrotation z,vischen den ,getrenn- ten Welten' könnte zur eingeforderten Professionalisierung beitragen und der „Versäulung der Eliten" (Peter Glotz) entgegenwirken. so seine Hoffnung. Wo sich die gegenwärtige Diskussion hinbewegt, welche Zirkel wie miteinander verknüpft sind, das dokumentiert der Sammelband idealtypisch. Letztlich wird jede der genannten Gruppen ihr eigenes Ethos mitreflektieren müssen, ohne das kein Miteinander entsteht. Das Fremde und das Eigene müssen bei aller notwendigen Zusammenarbeit erkennbar sein. Und wenn Wirtschaftjournalisten Aktien der Unternehmen halten, über die sie berichten müssen, dann ist diese Unterscheidung in Gefahr. Medienunternehmen tun gut daran, solchen Verhältnissen durch ent- sprechende Redaktionsstatuten entgegen zu wirken. Lars Rademacher (Hanno\er/Berlin)