Rundfunk und Geschichte Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte Informationen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv 31. Jahrgang Nr. 1–2/2005 Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung in Österreich Die »EBU Screening Sessions«: Wandlungen des europäischen Marktes für Fernsehprogramme »Die Welle der Freude«. Die neuen Programmangebote des NWDR auf UKW in den 50er Jahren und ihre Nutzung. Kultregisseur Michael Powell und sein Ballettfi lm »Der Zauberlehrling« Rezensionen Bibliografi e Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte Zitierweise: RuG – ISSN 0175-4351 Redaktion: Claudia Kusebauch Christoph Rohde Steffi Schültzke Hans-Ulrich Wagner Rundfunk und Geschichte 1– 2/2005 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) 05 Inhalt 31. Jahrgang Nr. 1–2/2005 Aufsätze Claudia Kusebauch Mediengeschichte zwischen Kultur und Theodor Venus Technik – Tagungsbericht 47 Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung in Österreich 1950–1966 05 Rezensionen Christian Henrich-Franke Die »EBU Screening Sessions«: Wandlungen Peter Marchal: des europäischen Marktes für Fernsehprogramme Kultur- und Programmgeschichte 1963 – 1985 17 des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. Konrad Dussel (Ansgar Diller) 49 »Die Welle der Freude«. Die neuen Programmangebote des NWDR auf UKW Markus Moke: in den 50er Jahren und ihre Nutzung. 26 En Campaña. Wahlkampf in Chile zwischen Modernität und Tradition. (Henrike Viehrig) 49 Dokumentation Antje Eichler: Harald Keller Protest im Radio. Die Berichterstattung In Kooperation mit dem NWDR-Fernsehen: des Bayerischen Rundfunks Kultregisseur Michael Powell und sein Ballettfi lm über die Studentenbewegung 1967/1968. »Der Zauberlehrling« von 1954 36 (Wolfram Wessels) 51 Evan Wright: Miszellen Generations Kill. Devil Dogs, Iceman, Captain America, and the New Face Thomas Beutelschmidt of American War. (Generation Kill: das Das literarische Fernsehen. neue Gesucht des amerikanischen Krieges) Tagungsankündigung 40 (Oliver Zöllner) 51 Oliver Zöllner Rainer Schützeichel: »Raoul Duke«, »Dr. Gonzo«: Zum Tod Soziologische Kommunikationstheorien. von Hunter S. Thompson (1937–2005) 40 (Sascha Trültzsch) 52 Rüdiger Steinmetz Christoph Classen: Teufl isch gut: mephisto 97.6, das universitäre Faschismus und Antifaschismus. Leipziger Lokalradio wird zehn 42 Die nationalsozialistische Vergangenheit im ostdeutschen Hörfunk 1945–1953. Steffi Schültzke (Edgar Lersch) 53 Screen-studies conference in Glasgow. Tagungsbericht 44 Simone Tippach-Schneider: Tausend Tele-Tips. Das Werbefernsehen Christoph Rohde der DDR 1959 bis 1976. Giftspinne im Äther. Studie zum NDR und (Rainer Gries) 55 dem Ministerium für Staatssicherheit 45 Heimo Godler u.a.: Hans-Ulrich Wagner Vom Dampfradio zur Klangtapete. Neuer Arbeitskreis Mediengeschichte Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich. in der Gesellschaft für (Theodor Venus) 56 Unternehmensgeschichte GUG 46 02 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Margit Fröhlich/Hanno Loewy/ Daniel Krausnick: Heinz Steinert (Hrsg.): Das deutsche Rundfunksystem unter Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? dem Einfl uss des Europarechts Filmkomödie und Holocaust. (Dietrich Schwarzkopf) 67 (Christoph Classen) 58 Ronald Kurt: Christiane Fritsche: Hermeneutik Vergangenheitsbewältigung im Fernsehen. (Anja Peltzer) 69 Westdeutsche Filme über den Nationalsozialismus in den 1950er und 60er Jahren. Claudia Fraas/Michael Klemm (Hrsg.): (Edgar Lersch) 60 Mediendiskurse (Thomas Wilke) 70 Hörspiel 1952–1953 (Wolfram Wessels) 61 Klaus Arnold, Christoph Classen (Hrsg.): Zwischen Pop und Propaganda. Radio in der DDR Andreas Hepp, Friedrich Krotz, Carsten Winter: (Ansgar Diller) 71 Globalisierung der Medienkommunikation. (Oliver Zöllner) 62 Bibliografi e Jost-Arend Bösenberg: Die Aktuelle Kamera (1952 – 1990) Zeitschriftenlese 91 (1.7. – 31.12.2004) (Tilo Prase) 63 (Rudolf Lang) 72 Albert Kümmel u.a.: Einführung in die Geschichte der Medien Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk (Konrad Dussel) 64 und Geschichte Internet-Rezension: Webangebote zum 60. Jahrestag des Kriegsendes (Thomas Wilke/Claudia Kusebauch) 65 Inhalt 03 Autoren der längeren Beiträge Dr. Konrad Dussel, geb. 1957, ist apl. Professor für Neuere Geschichte an der Universität Mannheim und freiberufl icher Historiker. Forschungsschwer- punkte bilden die Medien- und vor allem Rundfunk- geschichte sowie die südwestdeutsche Lokal- und Regionalgeschichte. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt: Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahr- hundert (Münster 2004), Deutsche Rundfunkge- schichte (2. Aufl age, Konstanz 2004). E-Mail: Konrad.Dussel@t-online.de Christian Henrich-Franke, geb. 1975, wissenschaft- licher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Siegen. Forschungsschwerpunkte bilden die Kommunika- tions- und Rundfunkgeschichte, die europäische Integration und die Geschichte der internationalen Beziehungen. E-Mail: franke@geschichte.uni-siegen.de Harald Keller, geb. 1958, freier Journalist und unbe- stallter Medienwissenschaftler. Seminarveranstal- tungen u. a. zu programmgeschichtlichen Themen. Mehrere Veröffentlichungen, zuletzt: »Lieferbetrie- be und Informationsmakler – TV-Kritik als Handels- ware von Agenturen und Textfabriken«. In: Gerd Hallenberger und Jörg-Uwe Nieland (Hrsg.): Neue Kritik der Medienkritik. Köln 2005. E-Mail: Keller58@aol.com Dr. Theodor Venus, geb. 1952, Studium der Pu- blizistik- und Kommunikationswissenschaft und Soziologie in Wien. Langjähriger Lehrbeauftrag- ter für Kommunikationsgeschichte der Universitä- ten Wien und Salzburg sowie Mitarbeiter der Ös- terreichischen Historikerkommission (1999–2002). Zur Zeit freier Wissenschaftler und Kommunikati- onshistoriker. E-Mail: theodor.venus@histcom.at. Rundfunk und Geschichte 31 (2005) 05 Theodor Venus Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung in Österreich 1950–1966 Die folgende Darstellung behandelt die Bemühun- anwalt Jakob Kastelic an, in dessen »Österreichi- gen des Kulturwissenschaftlers und Pädagogen Karl schen Freiheitsbewegung« er bald eine führende Rössel-Majdan, die Erforschung des Rundfunks im Funktion spielte. So beschädigte er im Juli 1939 eine Rahmen des damaligen Wiener Instituts für Zeitungs- Gedenktafel, die zum Gedenken an die nationalso- wissenschaft als neue Forschungsrichtung heimisch zialistischen Teilnehmer am Juliputsch des 25. Juli zu machen. Da die Darstellung dieser bisher unbe- 1934 angebracht worden war. Wenig später wurde kannten Episode sich wesentlich auf Dokumente aus sein Bruder Viktor als Soldat wegen negativer Äu- seinem Nachlass stützt,1 soll der Beitrag der Erinne- ßerungen über den Kriegsverlauf verhaftet, vor Ge- rung an den im August 2000 verstorbenen Karl Rös- richt gestellt und ins KZ Emsfelde verbracht; er starb sel-Majdan gewidmet sein. 1944 in KZ-Haft. Im Oktober 1940, nach dem Auf- fl iegen der Widerstandszelle, wur- de die gesamte Führung der Grup- Biographisches pe – Kastelic, Rössel-Majdan und andere – verhaftet. Kastelic wurde Karl Rössel-Majdan wurde am 1944 hingerichtet, er selbst zu zehn 2. Dezember 1916 als Sohn von Jahren Zuchthaus verurteilt.4 Karl Rössel-Majdan und Marga- rethe, geborene Soldan, in Wien Nach seiner Entlassung aus der geboren. Sein Vater, der sich im Haft trat er im Januar 1946 in die Ersten Weltkrieg als Artillerieoffi - wissenschaftliche Abteilung von zier an der russischen Front bei Radio Wien ein. Alphons Übel- Lemberg durch besondere Tap- hör, den er aus der gemeinsa- ferkeit ausgezeichnet und dafür men Widerstandstätigkeit in der den Maria-Theresien-Ritterorden Gruppe Kastelic kannte und der erhalten hatte, war als Professor inzwischen Mitglied der Öster- an der Staatsakademie für Mu- reichischen Volkspartei (ÖVP) sik tätig. Wegen seiner öffentlich Karl Rössel-Majdan (1916–2000) war, hatte eine Empfehlung aus- bekundeten patriotischen Einstel- gesprochen. Im Dezember 1947 lungen und seiner gegen Hitler gerichteten Stellung- übernahm Rössel-Majdan außerdem die provisori- nahmen, wurde er sofort nach dem 11. März 1938 sche Leitung des Personalreferats und war in dieser entlassen und ‚in Schutzhaft‘ genommen. Er starb Funktion an der Anwendung des NS-Verbotgesetzes 1948.2 Sein Sohn Karl, der das Akademische Gym- und der Ausarbeitung mehrerer Kollektivverträge be- nasium in Wien und im Kärntnerischen St. Paul ab- teiligt. Im November 1950 erfolgte die Ernennung zum solvierte, erhielt durch ihn »eine strenge, auf Moral stellvertretenden Direktor. Anfang Januar 1951 wurde und vielseitige geistige Ausbildung gerichtete Erzie- er nach einem Konfl ikt zwischen zwei Nachrichtenre- hung«.3 Das danach begonnene Jurastudium wurde dakteuren, in die er hineingezogen wurde, sowie auf- durch die Einberufung zum österreichischen Bundes- grund von Differenzen über seine Kompetenzen als heer (Reserveoffi zier) zeitweise unterbrochen. Schon Personalreferent abgelöst und in die Wissenschafts- als Jurastudent betätigte er sich politisch in der von abteilung zurückversetzt.5 Seit 1948 war er auch als Kurt von Schuschnigg angeführten Vaterländischen Herausgeber des in vier Sprachen erscheinenden Front. Aufgrund der bekannt antifaschistischen Hal- Magazins »Freude aus Wien« und als Volksbildner tung seines Vaters erfuhren auch er und sein Bruder tätig. Politisch engagierte sich Rössel-Majdan nach Viktor nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs Zurückset- Kriegsende in den 40er Jahren in der von ihm ge- zung im Fortgang des Studiums, das er im Sommer meinsam mit Raoul Bumballa gegründeten Demo- 1939 mit dem Doktorat abschloss. kratischen Union.6 Im Februar 1949 erwarb er sein zweites Doktorat mit einer von Erich Heintel und dem Schon im September 1938 wurde er im Rahmen der Sozialphilosophen Ernst Topitsch betreuten Disser- Besetzung des Sudetenlandes zur Wehrmacht ein- tation über die Sozialphilosophie Jakob Burckhardts, gezogen. Mit seinem Bruder schloss er sich schon die wenig später veröffentlicht wurde. In der Einlei- zwei Monate später der konservativen österreichi- tung kritisierte er die Kurzsichtigkeit vieler Österrei- schen Widerstandsgruppe um den Wiener Rechts- cher im Jahre 1938 gegenüber den kriegerischen 06 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Absichten Hitlers. Die Arbeit erschien mit einer Wid- des Instituts für Musikwissenschaften Erich Schenk mung an seinen »so rechtlichen Vater und meinen ge- interimistisch zum Institutsvorstand. Nach einem liebten Bruder«.7 Auch nach seiner Rückkehr in den Lagebericht Schenks beschloss die Fakultät am 9. Rundfunk 1954 startete er verschiedene Initiativen, Juli 1945, auf seinen Antrag, unterstützt vom Ger- wie die Errichtung des Internationalen Studienzent- manisten Eduard Castlé, sich bei dem damals von rums, dessen Präsident er zeitweilig war oder die Er- Ernst Fischer geführten Staatsamt für Unterricht und richtung eines »Orient-Hauses«. Zunehmend wich- Volksaufklärung für die Fortführung des Instituts an tiger wurde ihm sein Einsatz für die Verbreitung und der Universität mit einem beamteten Professor redu- Umsetzung der Lehren von Rudolf Steiner im Schul- ziertem Personal einzusetzen. Überlegungen des Mi- wesen. In den späten 50er Jahren zählte er zu den nisteriums, das Fach in die Hochschule für Welthan- Mitbegründern des Bundes der Parteiunabhängigen del, die spätere Wirtschaftsuniversität zu integrieren, und war ab 1961 Vorsitzender des Liberalen Clubs. lehnte die Fakultät mit dem Hinweis ab, das Fach sei Als parteiunabhängiger Kandidat errang er Ende der »nicht darnach ausgerichtet, den vorwiegend kom- 50er Jahre die relative Mehrheit bei den Betriebsrats- merziellen Interessen« dieser Hochschule zu dienen; wahlen im Österreichischen Rundfunk.8 die Zeitungswissenschaft sei entweder als eigenes Institut oder im Rahmen des Historischen Seminars zu erhalten.10 Das Institut für Zeitungswissenschaft in Wien in den Jahren 1945–1948 Mit der Ernennung von Eduard Ludwig, dem Leiter des Bundespressediensts der Jahre 1922–1936 und An dieser Stelle sei ein kurzer Verweis auf die Etab- Präsidenten der Pressekammer sowie Mitinitiator der lierung des Fachs Publizistik bzw. Zeitungswissen- »Kammerkurse für Zeitungswesen« 1936-1938, zum schaft an der Universität Wien angebracht. Die wis- Honorarprofessor und Institutsdirektor wurde im senschaftliche Beschäftigung mit den historischen, März 1946 historische Kontinuität, nicht aber wis- politischen, publizistischen und kulturellen Phäno- senschaftliche Aufbruchsstimmung signalisiert. Als menen Zeitung und Rundfunk begann in Österreich Pressepolitiker verfügte Ludwig zweifellos über gro- schon vor 1900. Seit der Gründung der Republik Ös- ße praktische Erfahrungen, der wissenschaftliche Zu- terreich wurden mehrfach Versuche unternommen, gang fehlte ihm jedoch vollständig.11 Ludwig war sich das Fach in die Universität zu integrieren, die je- dieses Defi zits allem Anschein nach wohl bewusst. doch erfolglos waren. Gleichwohl hielt die Auseinan- Dies ergibt sich aus seinen Bemühungen, den Ka- dersetzung mit der Publizistik und der »öffentlichen non des Lehrangebots durch Gewinnung neuer Lehr- Meinung« im Rahmen der Geschichtswissenschaft beauftragter ständig zu erweitern und dem Studium und Germanistik an. Mit den ersten empirischen und eine stärker praxisbezogene Ausrichtung zu geben.12 sozialpsychologischen Studien über »Massenmedi- Die Frage, welchen Stellenwert der Praxisbezug im en« – durchgeführt im Rahmen der von Paul Felix La- Rahmen des akademischen Studiums einnehmen zarsfeld initiierten »Wirtschaftspsychologischen For- sollte, war eine Streitfrage, doch scheinen Ludwigs schungsstelle« – und den Anfängen der empirischen Bestrebungen in Richtung einer »Journalistenschu- Werbeforschung wurde das Forschungsfeld in den le« gegangen zu sein. Die durch den Wiederaufbau 30er Jahren noch erweitert. Erst über die Initiative bis Mitte der 50er Jahre geringe fi nanzielle Dotierung von Wilhelm Bauer und Walther Heide kam 1942 die der Universitäten setzte ihm bei der Erweiterung des Gründung des Instituts für Zeitungswissenschaft an Studienangebots jedoch enge Grenzen, da das Insti- der Universität Wien zustande.9 tuts nur über zwei Planstellen verfügte.13 Nach Kriegsende war die Existenz des Instituts für Zeitungswissenschaft vorübergehend in Frage ge- Karl Rössel-Majdans Annäherung stellt, weil, wie es in einem Bericht an die Philoso- an die Universität phische Fakultät hieß, durch eine Beteiligung des Reichspropagandaministeriums an der Finanzie- Rössel-Majdans eigene Annäherung an die wissen- rung, die bisherige Forschungsrichtung und die per- schaftliche Rundfunkforschung war vermutlich kul- sonelle Besetzung als ideologisch voreingenommen turpsychologisch geprägt. Zum 25-jährigen Jubilä- galt. Nur der Tatsache, dass seit Errichtung des In- um von Radio Wien erschien sein Aufsatz »Gedanken stituts über das Kriegsende eine große Zahl von in- zur Rundfunkpsychologie«.14 Das Thema wurde auch skribierten Studenten das Fach belegten, verdank- in Peter R. Hofstätters Buch »Die Psychologie der öf- te es seine Existenz. Der Lehrbetrieb wurde jedoch fentlichen Meinung« behandelt, das in Österreich in- im Übergangsjahr 1945/46 nur durch den Historiker teressiert aufgenommen wurde.15 In der »Wiener Zeit- Paul Müller provisorisch aufrecht erhalten. Die Fa- schrift für praktische Psychologie«, die von 1949 bis kultät bestellte, nachdem der bisherige Institutsvor- 1950 erschien, wurden mehrere Beiträge abgedruckt, stand Karl Kurth Wien verlassen hatte, den Vorstand die sich mit dem Einsatz psychologischer Methoden Venus: Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung 07 und Meinungsumfragen in der Markt- und Meinungs- prinzipiell einverstanden gewesen, doch scheiter- forschung sowie in der Werbepsychologie beschäf- te die Sache damals an Henz, der sich einem Ha- tigten.16 Robert Schneider, dem Herausgeber die- bilitationsverfahren offenbar nicht unterziehen woll- ser Zeitschrift, gelang es im Frühjahr 1950, die vier te.21 Henz und Übelhör gaben grünes Licht für die Rundfunk-Sendergruppen zur Errichtung eines »In- künftige Tätigkeit Rössels an der Universität. Rös- stituts für Rundfunkwissenschaft« zu bewegen, das, sel-Majdan hatte Ludwig auch ein Exposé mit ei- vermutlich in Kooperation mit dem Psychologischen ner Stoffgliederung übermittelt, wie er sie in seiner Institut der Universität, verschiedene Forschungen, Vorlesung zu behandeln gedachte.22 Ludwig wandte Umfragen und Seminare im Auftrag der Radiosen- sich Ende Mai 1951 Dekan Erich Schenk: »Wie Spek- der durchführen sollte. Das Institut wurde am 1. Mai tabilis (...) aus eigener Erfahrung wissen, nimmt die 1950 eröffnet und von einem Kuratorium geleitet, dem wissenschaftliche Behandlung des Rundfunks auch führende Vertreter der Sendergruppen, darunter Al- an verschiedenen Hochschulen eine immer größere phons Übelhör, außerdem der Experimentalpsycho- Bedeutung ein.« Rössel-Majdan sei bereit, die ver- loge Willibald Kammel und Schneider angehörten.17 schiedenen mit dem Rundfunk zusammenhängen- Auch Rössel-Majdan scheint zeitweise an den Sit- den Themen »in ihrer historischen Entwicklung und zungen des Kuratoriums teilgenommen haben. Nä- gegenwärtigen Bedeutung« im Rahmen eines Lehr- heres über Tätigkeit dieses Instituts, das vermutlich auftrags darzulegen. Schenk möge sich äußern, ob durch eine strafrechtliche Affäre des Institutsgrün- er einem diesbezüglichen Antrag zustimmen könne.23 ders lahmgelegt wurde,18 ist nicht bekannt. Der Dekan erwiderte, er sehe keine Schwierigkeiten, Rössel-Majdan dem Ministerium als Lehrbeauftrag- Vermutlich schon seit Herbst 1948, spätestens aber ten vorzuschlagen. seit 1949 bestanden Kontakte zwischen Karl Rössel- Majdan und Eduard Ludwig, da Rössel-Majdan im Damit schien der Weg für Rössel-Majdan geebnet. Wintersemester 1949/50 auf Einladung Ludwigs an Er unternahm nach dem oben erwähnten missglück- einer Ringvorlesung des Instituts teilnahm. Das Ende ten Versuch einen neuen Anlauf, um die Rundfunk- des von Schneider initiierten Instituts nahm Rössel- forschung an der Universität heimisch zu machen.24 Majdan zum Anlass, im Februar 1950 mit einem ei- Es zeigte sich bald, dass die Ziele, die er verfolg- genen Vorschlag zur »Bildung einer Rundfunk-For- te, von Vorneherein über eine reine Lektoratstätig- schungsgemeinschaft« an Ludwig heranzutreten.19 keit hinausgingen. Mitte August 1951 legte er seinen Kommerzielle Interessen sollten dabei vollständig Vorgesetzten im Rundfunk seine Auffassungen über außer Betracht bleiben. Rössel-Majdan richtete an die Anbahnung einer Zusammenarbeit mit der Uni- Ludwig die Frage, ob »Sie diese im ursprünglich un- versität dar. Folgt man seiner Darstellung, so wurde verfälschten (...) Sinn betriebene Rundfunkforschung bereits im Laufe des Gesprächs Ludwigs mit Henz unter ihre Obhut im Zeitungswissenschaftlichen Ins- und Übelhör mehr als nur die Verpfl ichtung Rössel- titut nehmen wollen.« In diesem Fall versprach er, »die Majdan als Universitätslektor erörtert, es wurde die vereinbarte Habilitationsschrift«, die »im Manuskript Idee für eine »Hochschulstiftung für Rundfunkzwe- fertig ist«. Anfangs war von Ludwigs Seite wohl nur an cke« geboren. Rössel-Majdan hatte das Projekt ei- eine Verpfl ichtung Rössel-Majdans als Universitäts- ner »Stiftung Rundfunkforschung« inzwischen auch lektor gedacht im Rahmen von Lehrveranstaltungen den übrigen Sendergruppen25 präsentiert und einen zu verschiedenen Problemen des Rundfunks sowie Teilerfolg erzielen können. Die Verantwortlichen des an eine Mitwirkung an einem Seminar über Völker- US-Senders Rot-Weiß-Rot hatten ihm ihre Unter- recht, die später thematisch erweitert werden sollte. stützung zugesagt.26 Mit dem US-Radiooffi zier Fred Rössel-Majdan, der sich im Rahmen seines staats- Taylor und Andreas Reischek, dem österreichischen wissenschaftlichen Studiums mit der Stellung des Direktor der Sendergruppe, sowie Paul Becker, dem Rundfunks im Völkerrecht beschäftigt hatte, sagte Direktor von RWR-Salzburg, knüpfte Rössel-Majdan zu, den Rundfunk im Rahmen der geplanten Lehrver- engere Kontakte. anstaltung aus einer Vielfalt an thematischen Pers- pektiven, von rechtlichen über organisatorischen Fra- Die US-Sendergruppe bzw. die Information Services gen bis hin zur Meinungsforschung, zu behandeln.20 Branch (ISB) hatte das Instrument der empirischen Meinungsumfrage seit 1946 wiederholt zur Erhe- Am 25. April 1951 fand dazu eine Aussprache zwi- bung der Popularität der US-Printmedien und RWR- schen Ludwig und Rössel-Majdans Vorgesetzten, Programme im Vergleich zu konkurrierenden Me- Programmdirektor Rudolf Henz und Übelhör im Bei- dien eingesetzt. Reischek sicherte Rössel-Majdan sein von Rössel-Majdan statt. Ludwig hatte bereits als erster bereits im Oktober 1951 nicht bloß ideelle, im September 1946 einen Vorstoß bei Unterrichtsmi- sondern auch fi nanzielle Unterstützung für ein Rund- nister Felix Hurdes von der konservativen ÖVP un- funkforschungszentrum im Rahmen der Universität ternommen, um Henz durch Habilitierung als Vortra- zu.27 Dietrich Cordes und Peter Goritschnig, die bei- genden an das Institut zu binden. Hurdes war damit den Verantwortlichen der britischen Sendergruppe 08 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Alpenland, die nicht über die fi nanziellen Möglich- zur Physik. Die Kontrolle sollte einem Kuratorium aus keiten zur Durchführung eigener empirischer For- Vertretern der Universität, des Unterrichtsministe- schungen verfügten, zeigten sich an einem Einsatz riums und der Sendergruppen obliegen. Lehr- und derartiger Erhebungen ebenfalls interessiert. Auch Forschungstätigkeit sollten im Rahmen des Instituts bei Radio Wien, das dem Instrumentarium der empi- für Zeitungswissenschaft erfolgen, das Institut die rischen Meinungsforschung anfangs noch skeptisch Berechtigung zur Ausstellung eigener Diplome für gegenüber gestanden zu sein scheint, setzte lang- Rundfunkwissenschaft erhalten und zudem in die sam ein Haltungswandel ein.28 Auch zur Columbia- Begutachtung einschlägiger Dissertationen einge- Universität, wo seit über zehn Jahren unter Leitung bunden werden.33 Paul F. Lazarsfelds empirische Rundfunkforschung betrieben wurde, und zur Unesco hatte Rössel-Maj- Die Vorschläge Rössel-Majdans wurden zwar positiv dan inzwischen den Kontakt hergestellt.29 aufgenommen, die vorgeschlagene Organisations- form des Instituts fand jedoch in der Fakultät nicht Den Sommer 1951 nutzte Rössel-Majdan, um seine ungeteilte Zustimmung. Das Verhältnis zur Universi- Habilitationsschrift für den Druck vorzubereiten. An- tät und die Positionierung der Rundfunkwissenschaft fang Oktober 1951 legte er die Arbeit der Fakultät zu- im Rahmen der Zeitungswissenschaft, dienstrechtli- sammen mit einem Programm für rundfunkwissen- che Fragen und die Frage des Studienabschlusses schaftliche Vorlesungen vor und beantragte, ihm eine warfen Probleme auf. Daher schien es angezeigt, die- venia legendi zum Gegenstand Rundfunkkunde im se Fragen zur Beratung an eine eigene Kommission Rahmen der Zeitungswissenschaft zu erteilen. Eine zu verweisen.34 Rössel-Majdan hatte ursprünglich Habilitationskommission – bestehend aus Ludwig, offenbar ein weitgehend selbständiges Institut mit dem Germanisten Hans Rupprich, den beiden His- Anbindung an die Zeitungswissenschaft vorgesehen. torikern Hugo Hantsch und Leo Santifaller, dem Ara- Da sich dagegen aber Widerspruch artikulierte, reg- bisten Hans Gottschalk, dem Physiker Hans Thirring te er an, das Institut als »2. Abteilung« im Rahmen der und Dekan Erich Schenk – wurde gebildet. Während Zeitungswissenschaften einzurichten.35 das Habilitationsverfahren anlief, trieb Rössel-Maj- dan die Vorbereitungen zur Errichtung seiner Stif- Die Kommission unterstützte in ihrem Bericht an die tung voran.30 Fakultät Anfang Mai die Errichtung eines Instituts für Rundfunkwissenschaft, ebenso die Einrichtung ei- ner eigenen Abteilung am Institut für Zeitungswis- Die Haltung der Universität Wien zum Plan senschaft und die Erteilung eines Lehrauftrags an einer »Stiftung für Rundfunkforschung« Rössel-Majdan zur Behandlung verschiedener As- pekte des Rundfunks. Gestützt auf diesen positiven Im Wintersemester 1951/52 nahm Rössel-Majdan, Grundsatzbeschluss der Fakultät beantragte Lud- wie erwähnt, auf Einladung Ludwigs erstmals an ei- wig Mitte 1952 beim Unterrichtsministerium die Er- ner Ringvorlesung des Instituts teil. Parallel dazu ar- teilung eines Lehrauftrags an Rössel-Madjan im Aus- beitete er an einem Vorschlag zur Errichtung einer maß von vier Wochenstunden. Seinem Antrag wurde Abteilung für Rundfunkforschung am Institut für Zei- wenig später stattgegeben.36 Die Beratungen der Fa- tungswissenschaft. Im Februar 1952 unterbreitete kultätskommission in Bezug auf das vorgeschlage- Ludwig der Philosophischen Fakultät das von Rös- ne Institut setzten sich bis zum Juni 1952 fort. Der sel-Majdan erstellte Konzept samt den Statuten für Kommissionsbericht sprach sich für eine Trennung einen zu errichtenden Fonds31. Darin verwies Rös- der fondsfi nanzierten Institution und der Universität sel-Majdan auf schon bestehende Vorbilder im an- aus. Eine direkte Integration der geplanten Instituts gelsächsischen Raum und in Deutschland. »Alle in die Universität wurde mit der Begründung zurück- Universitäten von Rang haben heute innerhalb der gewiesen, dass die »Rundfunkwissenschaft (...) nach Forschung und Lehre von der Publizistik neben der der derzeitigen Sachlage nicht [als] eigene Fakultäts- Zeitung dem Rundfunk einen besonderen Platz zu- wissenschaft« und nach aktuellem Stand auch nicht gewiesen.«32 Das Rundfunkwissenschaftliche Insti- als »Habilitationsfach« angesehen werden könne.37 tut sollte, nach Rössel-Majdans Idee, durch einen Die rundfunkwissenschaftlichen Vorlesungen sollten Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit fi nanziert nur im Rahmen eines »Lehrgangs für Rundfunkwis- werden, weil ein Institut sich nicht aus den Zinsen ei- senschaft«, geleitet von einem »Lehrbeauftragen für ner Stiftung allein fi nanzieren könne. Die Anbindung Rundfunkwissenschaft«, geführt werden. Nach dem an die Universität sollte in erster Linie über das Insti- Vorschlag des Philologen Richard Meister, der am tut für Zeitungswissenschaften erfolgen, wegen der Kommissionsergebnis maßgeblich beteiligt war, soll- verschiedenen wissenschaftlichen Fragen, die das te der Begriff »Rundfunkwissenschaft« daher durch Institut behandeln sollte, sei aber auch an eine in- »Rundfunkkunde« ersetzt werden, womit offenbar ein tensive Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen ge- stärkerer Praxisbezug in der Ausbildung signalisiert dacht, wie zur Musik- und Theaterwissenschaft oder werden sollte. Die fi nanziellen Kosten eines solchen Venus: Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung 09 Lehrgangs einschließlich aller anfallenden Personal- tional eine Einschätzung der kulturellen Implikationen kosten sollten aus den Budgetmitteln des Institut für des Mediums zu liefern, wobei er auch zu den poli- Rundfunkwissenschaft gedeckt werden. tischen Einfl üssen Stellung bezog, denen der öffent- lich-rechtliche Rundfunk in Österreich ausgesetzt Die Ambivalenz und Skepsis der Fakultät gegenü- war. Die Arbeit wurde von Alfred Verdross und dem ber Rössel-Majdans Plänen kann an drei Punkten Soziologen August Maria Knoll ausgezeichnet begut- festgemacht werden: der Einschätzung des Stellen- achtet;40 Teile daraus wurden später in der neu ge- werts der Rundfunkwissenschaft durch die Fakul- gründeten Zeitschrift »Radio-Television« veröffent- tät; der Ablehnung, die neue Forschungsrichtung als licht.41 Am 12. Juli 1952 nahm Rössel-Majdan sein »habilitationswürdig« anzuerkennen und dem Mangel drittes Doktorat in Empfang. an aktiver Unterstützung für die geplante Gründung des außeruniversitären Instituts, das die Fakultät In Anbetracht des weitgehenden Konsenses zwi- zwar mitkontrollieren nicht aber mitfi nanzieren wollte. schen Universität Wien und den Sendergruppen gin- Dennoch glaubte Rössel-Majdan mit den Beschlüs- gen sowohl Rössel-Majdan als auch Ludwig davon sen leben zu können, in der festen Überzeugung, es aus, dass das Stiftungsprojekt nicht mehr zu stop- werde ihm gelingen, sowohl eine ausreichende fi nan- pen war. Am 23. Oktober informierte Rössel-Ma- zielle Dotierung seines Instituts als auch die ange- jdan Ludwig vom Beschluss, »das Rundfunkinsti- strebte venia legendi im Rahmen des Fach Zeitungs- tut so zu dotieren, dass daraus auch mein Gehalt wissenschaft zu erlangen. bestritten werden kann.« Als Rundfunkangestellter sollte Rössel-Majdan für die Dauer von drei Jahren freigestellt werden, um die Geschäfte des Instituts Vorbereitungen zur Institutsgründung 1952/53 zu führen, und er erhielt ein Rückkehrrecht zugesi- chert. Die Freistellung erfolgte 1. Januar 1953.42 Zu- Er informierte die Leiter der Sendergruppen vom po- gleich gab die »Öffentliche Verwaltung für das Ös- sitiven Grundsatzbeschluss der Fakultät und traf terreichische Rundspruchwesen« die Zusicherung, schon Anfang Juni mit den Delegierten der Sen- die in Gründung befi ndliche Stiftung fi nanziell zu dergruppen Radio Wien, der amerikanischen und unterstützen, ebenso die Sendegruppen Rot-Weiß- britischen Sendergruppe »Rot-Weiß-Rot« und »Al- Rot und Alpenland. Im Rundfunk schienen einige er- penland« zu weiteren Gesprächen über die Instituts- leichtert über den Abgang des initiativen und unbe- gründung zusammen, die zu seiner Ernennung als quemen Mitarbeiters, der keinem der beiden großen Bevollmächtigter und Beauftragter »in Angelegen- politischen Lager zurechenbar war und daher in den heiten des Rundfunkwissenschaftlichen Instituts« politischen Verhandlungen über die Besetzung und führten. Außerdem wurden dem Institut namens der Aufteilung von Posten störend wirkte. Sendergruppen ein Mindestgründungskapital von 25.000 österreichischen Schillingen (öS) zum 1. Juni Am 27. November 1952 konnte daher die konstitu- 1952 in Aussicht gestellt. Ferner akzeptierten die Ver- ierende Sitzung des Kuratoriums »der Abteilung für treter der Sender den Entwurf des von ihm entwor- Rundfunkkunde« am Institut für Zeitungswissen- fenen Fondsstatuts. Die Sender Tirol und Vorarlberg schaft stattfi nden, an der Rössel-Majdan, Alphons beteiligten sich vorerst nicht an der Gründung. Die Übelhör (Radio Wien), Andreas Reischek (RWR), der feierliche Eröffnung des Instituts sollte im Septem- stellvertretende Leiter der Sendergruppe Alpenland ber 1952 erfolgen.38 Noch vor dem Sommer mel- Walter Skala43 (in Vertretung von Dietrich Cordes) so- deten sich die ersten Mitarbeiter, darunter Andre- wie als Vertreter der Fakultät (zugleich Mitglieder der as Reischek, für den ebenfalls die Erteilung eines Habilitationskommission) die Professoren Hubert Lehrauftrags beantragt wurde, oder der frühere Pro- Rohracher (Institut für Psychologie), Erich Schenk grammdirektor von RWR, Géza Rech, inzwischen und Hans Thirring teilnahmen. Ludwig skizzierte die Geschäftsführer des Mozarteums und Leiter des In- von der Fakultät gewünschten Änderungen, um eine stituts für Mozartforschung.39 Anbindung an die Universität zu ermöglichen und erteilte dann Rössel-Majdan das Wort, der das Ar- Inzwischen legte Rössel-Majdan seine dritte Dok- beitsprogramm vorstellte. Die von den Sendern zuge- torarbeit zum Thema »Das internationale Rundfunk- sagten fi nanziellen Mittel sollten sowohl »der wissen- recht mit einem Abriss der Rundfunksoziologie« der schaftlichen Forschung« als auch der angewandten Staatswissenschaftlichen Fakultät vor. Die Untersu- Rundfunkforschung, internationaler rundfunkbezo- chung gliederte sich in zwei Teile. Im ersten schil- gener Dokumentation und der Sammlung von Rund- derte er den Aufbau des österreichischen Rundfunks funkliteratur dienen. Dazu gehöre in erster Linie die im internationalen Vergleich und die europäischen »Meinungsforschung«, z.B. die Erforschung der Hö- Rundfunkmodelle. Im zweiten Teil der Arbeit versuch- rerwünsche oder der Psychologie des Radiohörens. te er, ausgehend von der Entwicklung der Teilneh- Außerdem wurde die Schaffung einer eigenen Zeit- merziffern des Rundfunks in Österreich und interna- schrift vereinbart. Der Gründungsversammlung lag 10 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) auch der Entwurf eines Stiftbriefs für die Errichtung sitive Empfehlung zur geplanten Stiftung abzugeben. einer »Stiftung für Rundfunkforschung« durch Sen- Er richtete daher an den Dekan die dringliche Bitte, dergruppen vor.44 Das inzwischen auf 32000 öS auf- dieses Versäumnis nachzuholen und den Lehrgang gestockte Gründungskapital sollte sowohl der bau- in der Weise aufzuwerten, dass Studenten am Ende lichen Adaptierung und Ausstattung des Instituts des Curriculums ein besonderes Diplom ausgestellt dienen, aber auch den Beginn erster Forschungs- würde.48 Die von Rössel-Majdan im Wintersemester projekte ermöglichen. Zum Vorsitzenden des Kura- gestalteten Lehrveranstaltungen stießen auf beacht- toriums wurde Eduard Ludwig, zum Geschäftsführer liches studentisches Interesse.49 Rössel-Majdan bestellt, der die Zusicherung erhielt, dass ihm die für den Aufbau des Instituts erforder- Mit der ihm eigenen Entschlossenheit entwarf er, lichen Mittel sofort zur Verfügung stunden. Rössel- noch ehe die Fakultät in der Frage des Diploms ent- Majdans Gehalt wurde mit 5000 öS festgesetzt.45 schieden hatte, im Februar 1953 ein »Merkblatt über In der Zwischenzeit hatte dieser im Wintersemester das Studium der Rundfunkkunde an der Universität 1952/53 seine Lehrtätigkeit aufgenommen. Wien«, das als Information für interessierte Studie- rende gedacht war. Darin wurde die neue »Abteilung Im Dezember 1952 fand eine erste Begehung zur für Rundfunkkunde«, ein Curriculum der beabsich- Ermittlung des Raumbedarfs der neuen Abteilung tigten Fächern vorgestellt und den Studierenden die am Sitz des Institut für Zeitungswissenschaft in der Möglichkeiten zur Erlangung eines Diploms in Aus- Hanuschgasse hinter der Albertina statt, um Klar- sicht gestellt.50 Ludwig beantragte, das Merkblatt in heit über Raumaufteilung und notwendige Adaptie- das gedruckte Vorlesungsverzeichnis für Winterse- rungen zu schaffen. Ein entsprechender Vorschlag mester 1953/54 aufzunehmen, nichtahnend, welche wurde der Universität übermittelt. Die neue Abtei- Reaktionen dies auslösen würde. Das Ansinnen führ- lung mit drei bis vier Hilfskräften meldete Raumbe- te zu einem vehementen Protest von Seiten Richard darf für acht Räume an, zwei davon als Studio und Meisters, dem spiritus rector der vorangegangenen Technikraum für praktische Übung in der Gestaltung kommissionellen Beratungen und Beschlüsse. Die von Sendungen.46 Die Kosten der baulichen Adaptie- Anträge und Absichten entbehrten, wie Meister in ei- rung wurden weitgehend von der Universität über- nem nur von ihm gezeichneten Brief an den Rektor nommen, wohingegen sich Rössel-Majdan bemühte, formulierte, »einer rechtlichen Grundlage«; die Fa- von den Sendern Sachspenden für das technische kultät habe »nie ein eigenes Diplomstudium (...) be- Equipment zu erhalten.47 schlossen«, die Zielsetzungen des Merkblatts gingen zu weit und hätten vorher der Fakultät vorgelegt wer- Rössel-Majdan knüpfte auch einen Vielzahl neu- den müssen. Es ist aus den Quellen nicht erkennbar, er Kontakte zur UNESCO und in die USA und prüf- aus welchen Motiven die überzogene Reaktion Meis- te auch die Möglichkeit zur Realisierung eines in- ters gespeist war. War es die Umtriebigkeit Rössels, ternationalen Universitätssenders. Er war sichtlich dessen Elan als ‚Quereinsteiger‘ vielleicht Ablehnung bemüht, im Rahmen des neuen Instituts möglichst auslöste? War es die Höhe des ihm durch die Sen- weitreichende Kontakte zu Rundfunkanstalten und dergruppe zugesicherten Gehalts, das Neidkomple- Forschungseinrichtungen herzustellen. Er trat zu xe unter akademischen Kollegen hervorrief? Oder la- allen bestehenden Forschungseinrichtungen im gen dem Protest vielleicht sogar politische Motive deutschsprachigen Raum in Kontakt; die in Vorbe- zugrunde, wie Rössel-Majdan später vermutete? reitung befi ndliche Zeitschrift sollte die internatio- nalen Kontakte weiter vertiefen. In regelmäßigem Nach seiner Rückkehr aus Paris gelang es Rössel- Briefverkehr stand er seit längerem auch mit dem im Majdan durch diplomatisches Agieren sogar, die März 1938 aus Österreich vertriebenen Paul Bellac, beiden Sender Tirol und Vorarlberg, welche ange- der bei der Schweizer SRG inzwischen zum Fernseh- sichts der gespannten Beziehungen zur Öffentlichen beauftragten avanciert war. Auch eine für den Som- Verwaltung die Unterstützung seiner Stiftung bisher mer 1953 vereinbarte Studienreise in die USA diente abgelehnt hatten, ins Boot zu holen.51 Anfang März demselben Zweck. 1953 traf sich Rössel-Majdan in Innsbruck mit den beiden Sendeleitern Josef Scheidle und Carl Em- Rössel-Majdan ging davon aus, dass die erfor- merich Gasser, die sich bereit erklärten, ihre Unter- derliche Genehmigung der Stiftung durch das Un- schrift unter die Stiftungsurkunde zu setzen. Wenn- terrichtsministerium, aufgrund der positiven Fa- gleich ihre Beteiligung am Gesamtbudget nicht ins kultätsbeschlüsse vom Mai und Juni 1952, der Gewicht fi el, so war es in Anbetracht der verhärteten Finanzierungszusage der Sendergruppen und der Fronten zwischen Bund und dem Westen in allgemei- Konstituierung des Kuratoriums nur eine Formsache nen Rundfunkfragen dennoch ein Prestigeerfolg.52 sei. Im Januar 1953 erfuhr er jedoch zu seiner Überra- Auch der Verband der österreichischen Radioindus- schung, dass die Fakultät es bisher unterlassen hat- trie zeigte Interesse, der Stiftung beizutreten. In sei- te, dem Unterrichtsministerium gegenüber eine po- nem zweiten Bericht an das Kuratorium teilte Rös- Venus: Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung 11 sel-Majdan mit, dass nach Eintritt der Sender Tirol Der Schritt Sturmingers bedeutete eine persönliche und Vorarlberg der endgültige Text des Stiftsbriefs Brüskierung für Rössel-Majdan. Noch schlimmer fest- und die Stiftung vor der Genehmigung stehe; waren die sich daraus ergebende Konsequenzen: die positive Erledigung sei ihm von der Hochschul- Die Öffentliche Verwaltung lehnte es ab, Zahlungen sektion des Ministeriums zugesichert worden.53 Eine für die Stiftung zu leisten, solange diese nicht recht- Hörerbefragung in Wien und in den südlichen Bun- lich genehmigt sei. Rössel-Majdan wandte sich per- desländern war in Zusammenarbeit mit den Sender- sönlich an den Dekan, um diesen zur Abgabe einer gruppen inzwischen gestartet und eine zweite Befra- Stellungnahme an die Sendergruppen zu bewegen59 gungswelle befand sich in Planung.54 Der Umzug ans und versuchte selbst zu beruhigen: Die Stiftung be- Institut und die erste Ausgabe der Zeitschrift Radio- stehe faktisch, die Vorlesungen seien angelaufen und Television wurden vorbereitet.55 An die Sendergrup- stießen auf große Resonanz unter den Studierenden, pen erging die Einladung, geeignete Vortragende für die Abteilung an der Universität habe ihre Arbeit auf- die praktischen Kurse zu nominieren.56 genommen.60 Einer feierlichen Eröffnung der Abteilung für Rund- Die Fakultät beriet Anfang Juli 1953 einmal mehr in funkkunde stand nach Rössel-Majdans Auffassung der Sache und beschloss, vom Ministerium neuerlich somit nichts mehr im Wege. Als geeigneter Termin die Errichtung des Instituts zu verlangen. Sie ließ Rös- schlug er den 10. Juni 1953 vor. Die Eröffnung soll- sel-Majdan aber auch wissen, »dass derzeit keine te durch Unterrichtsminister Ernst Kolb erfolgen. Der Ermächtigung zur Führung einer besonderen Abtei- Minister hatte sein Kommen bereits zugesagt, die lung für Rundfunkwesen am Zeitungswissenschaftli- Einladungen wurden verschickt.57 Zehn Tage vor- chen Instituts« bestehe und auch eine Entscheidung her wurde der Stiftbrief dem Unterrichtsministerium in der Frage der Habilitation »aus Rundfunkkunde« und dem Wiener Magistrat zur Genehmigung über- noch ausstehe.61 Doch der erste Rückschlag kam mittelt. Das erste Heft der neuen Zeitschrift, die den so überraschend nicht. Zweimal hatte das Ministe- Titel »Radio-Television« trug, lag zweisprachig mit ei- rium im April und Juni Anträge des Institutsvorstand ner Aufl age 1.000 Stück, pünktlich zur Eröffnung der Eduard Ludwig auf Erweiterung des Lehrauftrags an Abteilung für Rundfunkkunde Anfang Juni 1953 im Rössel-Majdan von vier auf fünf Wochenstunden ab- Druck vor, mit einem Begrüßungsartikel Ernst Kol- gelehnt ebenso die Forderung nach unbefristeter Er- bs; das zweite Heft folgte im September 1953 mit teilung. Rössel-Majdan gegenüber präzisierte der Aufsätzen über Rundfunk-Soziologie, den aktuellen Dekan: Solange das Habilitationsverfahren nicht ab- Stand der UKW-Vorbereitungen in Österreich und geschlossen sei, müssten sich seine Vorlesungen auf über Rundfunkreklame. Rössel-Majdan übernahm dem genau defi nierten Terrain bewegen, von einer – fast allein auf sich gestellt – große Anstrengun- besonderen »Abteilung« für Rundfunkkunde dürfe gen, um die neue Zeitschrift international bekannt so lange nicht gesprochen werden, als die Entschei- zu machen. Auch der Inhalt des zweiten im Septem- dung des Ministeriums nicht erfolgt ist.62 ber 1953 erschienenen Hefts brachte positive Reak- tionen. Die neue Zeitschrift fand über den deutsch- Die letzte Sitzung der Habilitationskommission hatte sprachigen Raum hinaus positive Aufnahme und im Dezember 1952 stattgefunden. Ludwig hatte die eröffnete Rössel-Majdan weitere Kontakte, so z.B. von Rössel-Majdan vorgelegte Arbeit »Der Rund- zu Kurt Wagenführ, Eugen Kurt Fischer beim Hessi- funk – Vorgeschichte und Wesen« in seinem Gutach- schen Rundfunk, Walter Hagemann vom Institut für ten zwar als einen wertvollen Beitrag zur Erforschung Publizistik in Münster oder dem damals in Paris täti- der Geschichte und des Wesens des Rundfunks ge- gen Soziologen Alphons Silbermann. Unter den ers- würdigt.63 Die Mehrzahl der Kommission verlangte ten Gratulanten fi ndet sich auch Gerhard Maletzke aber vor Abgabe eines abschließenden Urteils deren vom Hans Bredow-Institut in Hamburg.58 Drucklegung und die Vorlage weiterer einschlägiger Arbeiten. Danach vertagte man sich.64 Rössel-Maj- dan konnte Wilhelm Braumüller als Verleger der Habi- Bürokratische Kabalen und das Ende litationsschrift gewinnen. Braumüller beeilte sich; der des Instituts Autor erhielt die ersten Vorausexemplare Ende Juni und reichte sie unverzüglich an die Fakultät weiter. Eine Woche vor der geplanten Eröffnung erhielt Ein Exemplar sandte er an Richard Meister,65 den er die Universität überraschend die Nachricht, dass um sein Urteil im Hinblick auf die Zulässigkeit als Ha- eine Genehmigung des Stiftbriefs vor der Eröffnung bilitationsschrift im Fach Zeitungswissenschaft bat. ausgeschlossen sei. Sektionschef Walter Sturmin- Die Reaktion Meisters zeigte, dass sich das Habili- ger, der mit der Sache befasste Beamte, verlang- tationsverfahren in einem prekären Stadium befand, te eine Verschiebung der Eröffnungsfeier. Die Stif- weil dieser die Auffassung äußerte, Rössel-Majdan tungsurkunde wurde zur neuerlichen Beratung der würden wohl auch zeitungswissenschaftliche Arbei- genauen Satzung an die Fakultät zurück verwiesen. ten abverlangt.66 12 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Ungeachtet der ungeklärten Situation begab sich sern. Die unterkühlte Reaktion Ludwigs auf Rössels Rössel-Majdan im August 1953 auf eine dreimona- Vorschläge zeigt, dass der Institutsvorstand, der bis- tige Studienreise in die USA, die bereits im Herbst her seine Pläne unterstützt hatte, nun in Anbetracht 1952 mit dem US-Hochkommissariat vereinbart der Schwierigkeiten auf Distanz ging, und dass von worden war,67 von der er – euphorisch gestimmt – ihm keine energische Unterstützung zu erwarten war. Ende November nach Wien zurückkehrte.68 Wäh- Zudem zog sich Ludwig aufgrund seiner politischen rend seines Aufenthalts hatte er mehrere bedeu- Aktivitäten (als Abgeordneter im Nationalrat, außen- tende Universitäten und Einrichtungen besucht, die politischer Sprecher der ÖVP und späterer Vertreter sich mit Rundfunkforschung und den Massenmedi- im Europarat) auch langsam von der Lehre am Insti- en beschäftigten und war dabei mit einigen der be- tut zurück. deutendsten Forschern zusammen getroffen, so u. a. mit Georg Gallup, Paul Felix Lazarsfeld, Leo Löwent- Die Fakultät, an die sich Rössel-Majdan Anfang De- hal, Hadley Cantril oder Seymour Siegel. Er war ent- zember 1953 wandte, signalisierte, dass sie sich schlossen, die dabei gewonnenen Kontakte zu nut- durch die Haltung der Sendergruppen düpiert sehe zen, um der empirischen Rundfunkforschung auch in und mangels Genehmigung des Stiftungsakts durch Österreich zum Durchbruch zu verhelfen.69 das Ministerium kein anderer Ausweg bleibe, als die bestehenden Einrichtungen am Institut für Zeitungs- In Wien fand Rössel-Majdan seine Abteilung aber in wissenschaft aufzulösen und dem Hilfspersonal zu einer völlig geänderten Situation vor. Trotz der prin- kündigen. Rössel-Majdan gab aufgrund der Reakti- zipiellen Zusagen von Seiten der Sendergruppen zur onen Ludwigs und der Fakultät allmählich die Hoff- Finanzierung des Instituts war die fi nanzielle Lage, nung auf, seinem Projekt doch noch zu akademi- nach Einstellung der Zahlungen durch die öffentli- schen Ehren verhelfen zu können. Persönlich sah er che Verwaltung des österreichischen Rundfunks im die abwehrende Haltung gegenüber seiner Person Juni wegen der ungeklärten Rechtslage der Stiftung auch im Kontext zur Rückkehr von Heinz Kindermann überaus kritisch. Nur Rot-Weiß-Rot hatte die zuge- an das Institut für Theaterwissenschaft. Kindermann sagten monatlichen Zahlungen weiter geleistet. Be- galt wegen seiner politischen Haltung im NS-Staat dingt durch die aufgelaufenen Personal- und Sach- nach Kriegsende entsprechend dem NS-Verbots- kosten stand seine Abteilung Anfang Dezember 1953 gesetz als nationalsozialistisch ‚belastet‘ und konn- nahezu ohne fi nanzielle Mittel da.70 Von Seiten der te erst 1953 wieder seinen Beruf als Universitätsleh- Universität wurde ihm zwar versichert, an der Auf- rer aufnehmen.73 Er kam zu dem Schluss, dass es das rechterhaltung der Abteilung interessiert zu sein, Beste sei, eine Verlagerung der Stiftung an eine an- doch war Rössel-Majdan in seinen Bemühungen dere Institution ins Auge zu fassen.74 ganz auf sich gestellt. Am 19. Dezember 1953 fand eine letzte Aussprache Anfangs hoffte Rössel-Majdan, diese Situation durch zwischen dem Dekan, Mitgliedern der Kommission, die Genehmigung der Satzungen rasch überwinden Vertretern der Sendergruppen und des Ministeriums zu können. Er wandte sich an Eduard Ludwig in der statt. Die Sitzungsteilnehmer bekräftigten zwar neu- Erwartung, durch dessen Autorität die Widerstän- erlich ihre Unterstützung für die Errichtung eines In- de meistern zu können und schilderte Ludwig die stituts als eigene Forschungsstätte und die Aufnah- Konsequenzen eines Scheiterns in düsteren Farben. me rundfunkkundlicher Vorlesungen im Rahmen des Ebenso suchte Rössel-Majdan auch eine Ausspra- Fachs Zeitungswissenschaften; von der Einrichtung che mit Unterrichtsminister Ernst Kolb.71 Außerdem eines eigenen Fachs oder einer eigenen Abteilung in- regte er Ludwig gegenüber an, »eine bessere Koo- nerhalb des Instituts war aber nicht mehr die Rede. peration mit ihrem Institut herzustellen«, da sich bis- Kurz nach Weihnachten wurde bekannt, dass der her der Kontakt »mit Ihren Assistenten nicht entwi- Leiter der Hochschulsektion im Unterrichtsministe- ckelt hat«.72 Die Pfl ege persönlicher Kontakte zu den rium Walter Sturminger dem Stiftsbrief die Geneh- beiden Institutsangehörigen Marianne Lunzer und migung versagte habe. Rössel-Majdan sah die Ab- Kurt Paupié hatte Rössel-Majdan im Eifer der Grün- lehnung auch als Versuch, die Stellung Ludwigs in dungsvorbereitungen bisher vernachlässigt, obwohl der Fakultät zu schwächen.75 Bewiesen werden kann Lunzer für die Aufrechterhaltung des wissenschaft- beides nicht. Außerdem hatte die Fakultät am De- lichen Lehrbetrieb des Instituts unverzichtbar war zember 1953 beschlossen, die Abhaltung der für das und selbst ihre Habilitierung anstrebte. Zur Verbes- Sommersemester bereits zugesicherten Lehrveran- serung des Gesprächsklimas schlug Rössel-Majdan staltungen von Rössel-Majdan ruhen zu lassen. Die die Bestellung eines »Moderators« und eine stärke- Nichtgenehmigung der Stiftung hatte weiterhin zur re Einbindung von Institutsmitgliedern in die Rund- Folge, dass dessen Dienstvertrag außer Kraft trat. funkforschung vor. Es sollte Rössel-Majdan auch in Aus dieser Situation zog Rössel-Majdan Mitte Janu- den folgenden Monaten nicht gelingen, die Atmos- ar 1954 die einzig mögliche Konsequenz – er beende- phäre gegenüber Ludwigs Mitarbeitern zu verbes- te die wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität, Venus: Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung 13 zog sein Habilitationsansuchen zurück und kündig- in den 80er Jahren die Beschäftigung mit der Rund- te den von ihm engagierten Hilfskräften und die für funkforschung wieder aufgenommen. Zweitens fand die Stiftung angemieteten Institutsräume. Das Pro- damit ein hoffnungsvoller Ansatz einer wissenschaft- jekt »Institut für Rundfunkwissenschaft« war geschei- lichen Kooperation zwischen Rundfunk und Wissen- tert und zaghafte Versuche, sie wieder zu aktivieren, schaft in Österreich ein rasches Ende – anders als in versandeten bald. Deutschland, wo dieser glückte und zu einer frucht- baren Zusammenarbeit zwischen Partnern führte. Die Rückkehr Rössel-Majdans in den Rundfunk – ein prolongiertes Scheitern 1 Vor einigen Jahren erhielt ich von der Tochter Karl Rössel-Majdans mehrere Ordner mit Korrespondenzen, Zeitungsausschnitten, Ex- Rössel-Majdans Rückkehr in den Rundfunk er- posés u. a. Diese Dokumente befi nden sich auch heute noch in wies sich als schwierig. Vertraglich war ihm zwar meinem Besitz. Sie bilden eine wesentliche Quellengrundlage die- ein Rückkehrrecht zugesichert worden, wegen des ses Beitrags. herrschenden politischen Proporzes bei der Vergabe 2 Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA). Archiv der Republik (AdR). führender Positionen gerieten politisch Unabhängi- Bundesministerium für Inneres (BmfI). Gauakt Karl Rössel-Maj- ge wie er aber zunehmend zwischen die Mühlsteine. dan. Nr. 54.947. – Ich bedanke mich bei Frau Mag. Hana Keller vom Die von ihm bis Ende 1950 eingenommene Position Archiv der Republik. war inzwischen längst parteipolitisch besetzt. Erst 3 ÖstA. AdR. Bundesministerium für Unterricht (BmfU). Personalak- mehr als ein Jahr nach seiner Rückkehr in den ös- te. Karl Rössel-Majdan. Curriculum vitae. terreichischen Rundfunk wurde er mit dem Aufbau 4 Vgl. Zeugenbericht Karl Rössel-Majdan: Aufbau und Ausbau der einer »Abteilung für Statistik, Hörerforschung und Gruppe Kastelic. Institut für Zeitgeschichte Wien. Nachlass Otto Rundfunkkunde« beauftragt.76 Die Finanzierung der Molden. Do 19. M. VII. Vgl. auch: Rot-Weiß-Rot-Buch. Gerechtig- Abteilung blieb, ebenso wie ihr Aufgabenkreis, mo- keit für Österreich. Darstellungen, Dokumente und Nachweise zur natelang ohne festes Budget. Die ihm später be- Vorgeschichte und Geschichte der Okkupation Österreichs. Nach willigten Mittel und Mitarbeiter reichten bei weitem amtlichen Quellen. Wien 1946, S. 90f.; [Auszug aus dem OLG-Ur- nicht, um die selbst gesteckten Aufgaben zu erfül- teil gegen J. Kastelic]. ÖstA. AdR. BMfI. Gauakt Nr. 136.316 betr. len. Der Stellenwert seiner Abteilung zeigte sich da- Jakob Kastelic; rin, dass die ORF-Direktion Anfang der sechziger Zu Kastelic vgl.: http://www.alt.hitzinger.at/archiv/personen/ Jahre die Budgetmittel mehrfach kürzte und Mitar- jakobkastelic.html [ausführliche Dokumentation über Jakob Kas- beiter abzog. Rössel-Majdan agierte ohne konkre- telic]. Vgl. ausführlich: Peter Autengruber: Der Widerstandskämp- te Aufgabenstellung und Vorgaben. Seine Vorschlä- fer DDDr. Karl Rössel-Majdan. In: Jahrbuch 1998 des Dokumen- ge für eine Intensivierung empirischer Forschung tationsarchivs des österreichischen Widerstandes. Hrsg. von und eine Mitwirkung an der internen Mitarbeiteraus- Siegwald Ganglmair. Wien 1998, S. 58–68. bildung wurden ignoriert, wohl auch, weil er als un- 5 Fritz Illing an Alfons Übelhör, 7.12.1945; Sigmund Guggenber- abhängiger Betriebsrat ein unbequemer Verhand- ger an Karl Rössel-Majdan, 17.11.1947; Rössel-Majdan an Ver- lungspartner war.77 Im Zuge der unter Gerd Bacher sicherungsanstalt, 18.5.1949, Sigmund Guggenberger an R.-M., 1967 eingeleiteten Rundfunkreform wurde seine Ab- 29.12.1950. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Rundfunk. In- teilung aufgelöst und er interimistisch zum Leiter des terne. Personalakt. Curriculum Vitae. Kurzwellendienstes ernannt. Schon zwei Jahre spä- 6 Vgl. Peter Autengruber: Die Demokratische Union und Universi- ter berief ihn Bacher jedoch wieder ab; in der Folge tätsprofessor Dr. Josef Dobretsberger. Diss. phil. Wien 1993; Po- entspann sich ein sich über mehrere Konfl ikt hinzie- litisches Handbuch der Republik Österreich 1945-1960. Zusam- hender arbeitsgerichtlicher Streit. mengestellt und bearbeitet von Wolfgang Oberleitner. Wien 1960, S. 45. 7 Karl Rössel-Majdan: Verlogene Demokratie – Zeitgemässe Be- Langfristige Folgen des Scheiterns trachtungen auf Grund der Staats- und Gesellschaftsauffassung Jakob Burckhardts (= Erkenntnis und Besinnung, Band 14). Wien Rückblickend lässt sich festhalten, dass Rössel-Maj- 1949. dans gescheitertes Projekt, jenseits der persönlichen 8 Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Staatspolizeiliche Karriere, historisch gesehen in zweifacher Hinsicht Kartei. Karteikarte betr. Karl Rössel-Majdan. ÖStA. AdR. BMfI. von Bedeutung ist. Zum einen bedeutete dies einen 9 Vgl. hierzu Theodor Venus: Zur historischer Tradition der öster- schweren Rückschlag in der wissenschaftlichen Be- reichischen Zeitungswissenschaft. Ein Beitrag zur Institutionali- schäftigung mit Problemen des Rundfunks im Rah- sierung aus Anlaß der Wiedereröffnung des Wiener Instituts für men der akademischen Lehre im Rahmen des Wie- Zeitungswissenschaft 1946. In: Österreichisches Jahrbuch für ner Instituts, das noch fast zwei Jahrzehnte lang auf Kommunikationswissenschaft 1987/88. Hrsg. von Hannes Haas die »Zeitungswissenschaft« fi xiert blieb. Von einigen und Kurt Luger. Wien 1987, S. 115-130. Ausnahmen abgesehen wurde erst mit dem Ausklin- 10 Protokoll des Professorenkollegiums der Philosophischen Fakul- gen der engen zeitungswissenschaftlichen Tradition tät, 9.7.1945; Bericht Erich Schenks über das Institut für Zeitungs- 14 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) wissenschaft mit Beilage zur historischen Entwicklung der Ent- des ehemaligen RRG, das bis zur Klärung des »Deutschen Eigen- wicklung der Zeitungswissenschaft als akademische Disziplin im tums«, unter »öffentliche Verwaltung« gestellt war (beendet 1962), deutschen Sprachraum. Universitätsarchiv (UA) Wien. Akten Phi- die US-Sendergruppe Rot-Weiß-Rot mit Studio- und Sendeanla- losophisches Dekanat. Gz. 365/1945-1946; Protokoll des Profes- gen in Wien, Salzburg und Linz, die Sendergruppe Alpenland mit sorenkollegiums der Philosophischen Fakultät, 29.11.1945 und Sendern und Studios in Graz, Klagenfurt und Wien (seit 1954 wie- 14.1.1946. Ebd. Gz. 826/1944-45. der österreichisch) sowie die Sendergruppe West, ehemals fran- 11 Die Fakultät erwog zunächst auch, Einladungen an Karl d’Ester zösisch, seit 1947 weitgehend in autonomer Verwaltung durch die (München) sowie allenfalls an Emil Dovifat (Berlin), Wilhelm Kapp Bundesländer Tirol und Vorarlberg. (Freiburg) oder Hans Amadeus Münster (Leipzig) auszusprechen, 26 Vertrauliche Mitteilung Rössel-Majdans an Übelhör, Guggenber- doch setzte sich schließlich die Auffassung durch, »jemanden aus ger, Henz u. a. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Rundfunk. der österreichischen Pressepraxis zu berufen«, wofür es mehre- Interne, Personalakt. re Kandidaten gab. In die engere Wahl kam neben Eduard Ludwig 27 R.-M. an Paul Becker, 25.10.1951. Nachlass Karl Rössel-Majdan. schließlich nur der liberale Journalist Joseph Carl Wirth, Mitglied Ordner Institut Rundfunk. der österreichischen Friedensdelegation in St. Germain, Vertrauter 28 Vgl. hierzu: Siegmund Guggenberger: Über den Wert der Hörerbe- von Staatskanzler Karl Renner, Chefredakteur der liberalen Tages- fragung. In: Radio Wien, H. 32, 7.8.1948. zeitung »Die Stunde« und Leiter des Wirtschaftsjahrbuchs »Com- 29 Information über den Fonds zur Erhaltung eines Rundfunkwis- paß« nach 1938. Ludwig hatte jedoch die Gunst seines Parteifreun- senschaftlichen Instituts (o.D., o.V.) (verm. Rössel-Majdan, Febr. des und Unterrichtsministers Felix Hurdes für sich. 1952). UA Wien. Dekanat der Phil. Fakultät. Gz. 1571/1951-52. – 12 Vgl. den Bericht über die Tätigkeit seit der Institutsneugründung Zur Rundfunkforschung Lazarsfelds vgl. seinen eigenen Bericht: und die weiteren Pläne in: Österreichisches Jahrbuch 1945-1946. Eine Episode in der Geschichte empirischer Sozialforschungen: Hrsg. vom Bundespressedienst, Wien 1947. Erinnerungen. In: Talcot Parsons, Edward Shils, Paul F. Lazarsfeld: 13 Vgl. die Ausführungen im Österreichischen Jahrbuch, 20. Folge, Soziologie autobiographisch. Stuttgart 1975, S. 179-204. Rössel- Wien 1948, S. 213-216. Majdan gehörte vermutlich zu den ersten Wissenschaftlern aus 14 Radio Wien. Festschrift 25 Jahre Radio Wien. Wien. Oktober Österreich, die nach 1945 Kontakte zu Lazarsfeld knüpften. Vgl. 1949. Paul Neurath und Paul F. Lazarsfeld in Emigration. In: Friedrich 15 Peter R. Hofstätter: Die Psychologie der öffentlichen Meinung. Stadler (Hrsg.): Vertriebene Zukunft II, Emigration und Exil öster- Wien 1949; vgl. die Besprechung von Robert Schneider in: Wie- reichischer Wissenschaft. Wien und München 1988, S. 360-374; ner Zeitschrift für praktische Psychologie 1(1949), S. 90. Leopold Rosenmayr: Erlebte Soziologie in Österreich nach 1945. 16 Karl Skowronnek: Werbung als Aufgabe der praktischen Psycho- In: Josef Langer (Hrsg.): Geschichte der österreichischen Sozio- logie. In: Wiener Zeitschrift für praktische Psychologie 1(1949), logie. Wien 1988, S. 281-316, v. a. S. 287-290. S. 13ff., Walter Starek: Marktanalysen und Meinungsforschung 30 Antrag Rössel-Majdans auf Erteilung der Venia legendi, 6.10.1951. im Rahmen der Wirtschaft. In: Ebd., S. 153ff. – Starek übernahm UA Wien. Dekanat der Philosophischen Fakultät. Gz. 162/1951-52; wenig später die Abteilung Werbung beim US-Sender Rot-Weiß- Beschluss der Habilitationskommission auf kommissionelle Be- Rot. ratung, 8.11.1951. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut 17 Zur Institutsgründung vgl. Wiener Zeitschrift für praktische Psy- Rundfunk; Exposé Karl Rössel-Majdan: Bezeichnung des wissen- chologie 2(1950), S. 96. – Die Anbindung an die Universität ist aus schaftlichen Fachgebietes und Programm der Vorlesungen. Ebd. der Institutsadresse Wien, 1, Hessgasse 7 ersichtlich. 31 Ludwig an Dekan, 12.2.1952. UA Wien. Phil. Dekanat. Gz. 1571/ 18 Vgl. Berichte in den Tageszeitungen, z. B.: Neues Österreich 1951-52. (Wien), 9., 10., 12.6.1951. 32 Information über den Fonds zur Erhaltung eines Rundfunkwissen- 19 Rössel-Majdan an Ludwig, 5.2.1951. Nachlass Karl Rössel-Maj- schaftlichen Instituts. Ebd. dan. Ordner Institut Rundfunk. 33 Wesen und Zweck des Rundfunkwissenschaftlichen Instituts (un- 20 Ebd. datiertes Exposé, verfasst vermutlich Karl Rössel-Majdan, wahr- 21 Interne Mitteilung Rössel-Majdan, 8.5.1951. Nachlass Karl Rössel- scheinlich Mai 1952). Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Insti- Majdan. Ordner Rundfunk. Interne, Personalakt; Ludwig an Henz, tut Rundfunk. 30.9.1946. Dokumentationsstelle für neuere österreichische Lite- 34 Protokoll der Sitzung der Philosophischen Fakultät, 6.5.1952. UA. ratur. Wien. Korrespondenz Rudolf Henz. Wien. Phil. Dekanat. Gz. 1571/1951-52. – Der Kommission gehör- 22 Undatiertes Exposé über rundfunkwissenschaftliche Vorlesungen ten an: Ludwig, Hugo Hantsch, Richard Meister, Hans Thirring, im Rahmen der Zeitungswissenschaften an der Universität Wien, Hubert Rohracher, Wilhelm Marinelli u. a. Eine Schlüsselrolle in mit Beilage. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut Rund- Beratung und Ergebnisfi ndung fi el dabei dem Philologen und Pä- funk. dagogen und Vizepräsidenten der Akademie der Wissenschaften 23 Ludwig an Dekan Erich Schenk, 26.5.1951. UA Wien. Dekanat Phi- Richard Meister zu. losophische Fakultät. Gz. 2208/1950-51. 35 Rössel-Majdan an Ludwig, 16.6.1952. Ebd. 24 Rössel-Majdan an Gesellschaft für praktische Psychologie, 36 Antrag Ludwig 15.5.; Bescheid BMU. UA. Wien. Phil Dekanat. Gz. 11.6.1951. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut Rund- 59.436/I-2/1952; Schreiben an die Phil.Fak, 5.6.1952. UA Wien. funk. Dekanat der Phil. Fak. Gz. 1966/1951-52. 25 In den Jahren 1945 bis 1954 waren in Österreich folgende Sender- 37 Kommissionsbericht Ludwig, 22.5.1951; Protokoll der Sitzung der gruppen tätig: Radio-Wien, als Nachfolgerin der bis 1938 beste- Philosophischen Fakultät, 17.6.1952; protokollierte Kommissions- henden Österreichischen Radio Verkehrs AG, und des Eigentums beschlüsse vom 17.6.1952; Kommissionsbericht und Antrag betr. Venus: Karl Rössel-Majdan und die Rundfunkforschung 15 das Lehrgebiet Rundfunkwissenschaft an der philosophischen Fa- burg 1983, S. 190-255. kultät. Ebd. – Der Kommissionsbericht wurde am 21.6.1952 ange- 52 Rössel-Majdan an Josef Scheidle 8.1., 24.2. u. 16.3.1953; Schrei- nommen; die gefassten Beschlüsse ergänzten bzw. präzisierten ben Carl Emmerich Gasser an Rössel-Majdan, 9.12.1952; Rössel- die am 6. Mai 1952 gefassten Beschlüsse. Majdan an Gasser, 7.1. und 27.4.1953. Nachlass Karl Rössel-Maj- 38 Protokoll über das proponierte Rundfunkwissenschaftliche Insti- dan. Ordner Institut Rundfunk. tut, 6.6.1952. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut Rund- 53 Zwischenbericht der Abteilung für Rundfunkforschung für die Mit- funk. glieder des Kuratoriums, 30.4.1953. Ebd. 39 Rech an Ludwig; Antwort von Rössel-Majdan an Rech, 26.6.1952. 54 Rössel-Majdan an Ernst Glaser, Arbeiterkammer Wien, 13.4.1953. Ebd. Ebd. 40 Karl Rössel-Majdan: Das internationale Rundfunkrecht mit ei- 55 Die Zeitschrift wurde vom Universitätsbuchhändler Wilhelm Brau- nem Abriß der Rundfunksoziologie, Völkerrechtliche Dissertation müller verlegt (vgl. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut zur Erlangung des Doktorgrades der Staatswissenschaften. Wien Rundfunk. Verlagsvertrag mit Wilhelm Braumüller, 28.3.1953). 1952. Vgl. auch Rössel-Majdan an Ludwig (?), 17.6.1952. Nachlass 56 RWR übermittelte eine Liste möglicher Referenten, darunter der Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut Rundfunk. spätere ORF-Hörfunkdirektor unter Gerd Bacher, Alfred Hartner, 41 Rössel-Majdan: Das internationale Rundfunkrecht (Anm. 40), die Regisseure Jörg Mauthe, Walter Davy, Helmut Fürtauer uam. S. 26f. (vgl. Liste RWR-Referenten). 42 Rössel-Majdan an Ludwig, 23.10.1952. Nachlass Karl Rössel-Ma- 57 Rössel-Majdan an Stiftungs- und Fondsbehörde des Wiener Ma- jdan. Ordner Institut Rundfunk; Öffentliche Verwaltung für das ös- gistrats, 29.5.1953. AdR. BMU. Gz. 50.118-III/11/53; Rössel-Maj- terreichische Rundspruchwesen an R.-M., 30.12.1952. Ebd. Ord- dan an BMfU, 30.5.1953. Ebd. ner Rundfunk. Personalakt. 58 Hans Bredow-Institut (gezeichnet Maletzke) an Rössel-Majdan, 43 Im Protokoll als Dr. Skaller aufscheinend. Es kann sich jedoch nur 14.7.1953. Ebd. um Walter Skala handeln. 59 Rössel-Majdan an Dekan Santifaller, 2.7.1953. UA Wien. Dekanat 44 Verschiedene Fassungen des Stiftbriefs. Nachlass Karl Rössel- der Philosophischen Fakultät. Gz. 1571/1951-52. Majdan. Ordner Institut Rundfunk. – Der Stiftbrief erfuhr mehre- 60 Kurzbericht Rössel-Majdans über die Tätigkeit der Stiftung für re den Wünschen der Stifter und der Universität entsprechende Rundfunkforschung i. Gr., 1.7.1953. Nachlass Karl Rössel-Majan. Abänderungen. So wurde Rössels Position in einer frühen Fas- – Nach einer Aufstellung waren seit Januar 1953 rund 120.000 öS sung noch als »Direktor des rundfunkwissenschaftlichen Institu- an Subventionen vereinnahmt und rund 70.000 verausgabt wor- tes« bezeichnet, später aber als Leiter der Forschungsstelle für den. Rundfunkkunde. Der Stiftungszweck, wie er in der letzten Fassung 61 Santifaller an BMfU, 4.7.1953. UA Wien. Dekanat der Phil. Fak., Gz. des Stiftbriefs verankert war, enthielt eine Bandbreite von Aufga- 1571/1951-52. ben: wissenschaftliche Theorie und Lehre des Rundfunkwesens, 62 Santifaller an Rössel-Majdan, 8.7.1953. Ebd. Nachwuchsschulung (z.B. studiopraktische Ausbildung), statis- 63 Die Arbeit sei »eine gründliche Darstellung der historischen Ent- tische Erhebungen und empirische Hörerforschung, bis hin zur wicklung des Rundfunkwesens ... bis zu seiner aktuellsten Ge- Sammlung und Archivierung von Unterlagen über Rundfunk und staltung, der Fernsehtechnik« und eine »bewunderungswürdi- Fernsehen. ge Vertrautheit mit den ... Details der Rundfunktechnik«. Vgl. das 45 Protokoll der 1. Sitzung des Kuratoriums der Abteilung für Rund- Gutachten Ludwigs. UA Wien. Dekanat der Phil. Fak. Protokoll der funkkunde, 27.11.1952; Ludwig an Rössel-Majdan, 28.11.1952. Sitzung der Habilitationskommission zum Habilitations-Ansuchen Ebd. Karl Rössel-Majdans vom 4.12.1952. 46 Abt. Rundfunkkunde des Instituts für Zeitungswissenschaft an Hu- 64 Ebd. bert Rohracher, 17.12.1952. Ebd. – Im Februar 1953 trafen sich Lud- 65 Rössel-Majdan an Dekanat der Philosophischen Fakultät (unda- wig und Rössel-Majdan mit Egon Hilbert, um Details der baulichen tiert; Anfang Juli 1953); Braumüller an Rössel-Majdan 3.7.1953. Adaptierung zu sprechen. Vgl. Ludwig an Hilbert, 2.2.1953. Ebd. Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut Rundfunk. 47 Zwischenbericht Rössel-Majdan über die Stiftung für Rundfunk- 66 Kommissionsbericht (Meisters) betr. Lehrveranstaltungen in forschung für die Mitglieder des Kuratoriums, 30.4.1953. Ebd. Rundfunkkunde, o.D. (Juli 1953). UA Wien. Dekanat der Phil. Fak. 48 Rössel-Majdan an den Dekan der Philosophischen Fakultät, Gz. 1571/1951-52. 14.1.1953 und Entwurf für Antrag an das Bundesministerium für 67 Public Affairs Division, US High Commissioner an Rössel-Majdan, Unterricht. UA. Phil. Fakultät. Gz. 1571/1951-52. 13.10.1952; Rössel-Majdan an Joseph Roland, 24.10.1952. Nach- 49 Nachlass Karl Rössel-Majdan. Ordner Institut Rundfunk. Zeugnis- lass Karl Rössel-Majdan. se und Seminararbeiten. 68 Rössel-Majdan an Silbermann, 12.10.1953. Ebd. 50 Merkblatt über das Studium der Rundfunkkunde an der Universi- 69 Undatierter Bericht über die »Rundfunkforschung« und die Tätig- tät Wien (undatiert, Februar 1953). Ebd. keit auf dem Gebiet der Rundfunkkunde und Erfolgsbericht (beide 51 Das Land Vorarlberg lehnte eine Eingliederung seines »Landes- verm. Nov. 1953). Ebd. senders« in ein gemeinsames österreichisches Rundfunkunter- 70 Kassenbericht, Stand 20.11.1953. Ebd. – Nach Rössels Angaben nehmen ab, wie es die Bundesregierung plante. Zum Konfl ikt verfügte seine Abteilung Ende November nur noch über Mittel von Bund-Land Vorarlberg in Rundfunkfragen vgl.: Viktor Ergert: 50 rund 3.000 öS, nicht einmal genug, um die fälligen Gehaltszahlun- Jahre Rundfunk in Österreich. Band II. Wien 1975, S. 139-199, Ger- gen weiter zu bestreiten. hard Hofer: Versuch und Versuchung. Bundesländerrundfunk in 71 Rössel-Majdan an BMfU, Ernst Kolb, 20.11.1953. Ebd. Österreich am Beispiel Vorarlbergs 1945-1955. Diss. phil. Salz- 72 Rössel-Majdan an Ludwig, 27.11.1953. Ebd. 16 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) 73 Undatierte Memoire Karl Rössel-Majdans zur Frage der Begrün- dung der Stiftung für Rundfunkforschung (vermutlich Januar 1954). Ebd. 74 Rössel-Majdan an den Dekan der Philosophischen Fakultät, 5. u. 9.12.1953; Bericht Rössel-Majdans an die Sendeleiter der Rund- funk-Sendergruppen, 15.12.1953. UA Wien. Dekanat Phil. Fak.; Rössel-Majdan an Dekan, 3.12.1953. Ebd. 75 Undatiertes Memorandum Rössel-Majdans zu den Widerstän- den gegen die Einrichtung der Stiftung für Rundfunkforschung. Ebd. 76 Gedächtnisprotokoll, 19.3.1956 (gez. Henz/R.-M.). Ebd. 77 Als Zentralbetriebsrat war einer der Organisatoren einer Streik- bewegung zur Durchsetzung eines Kollektivvertrags für Rund- funkangestellte. Christian Henrich-Franke Wandlungen des europäischen Markts für Fernsehprogramme 1963–1985: Die »EBU Screening Sessions« Mit den 23. »EBU Screening Sessions« von 1985 wur- auf allen Sachgebieten sicherzustellen, die von all- de der erste europäische Markt für Fernsehprodukti- gemeinem Interesse für die Rundfunkdienste sind.«3 onen offi ziell eingestellt. Seit 1963 hatte dieser unter Neben einer sehr intensiven Zusammenarbeit in juris- der Ägide der europäischen Rundfunkgemeinschaft tischen und technischen Angelegenheiten des Rund- (European Broadcasting Union/EBU) veranstalte- funk- und Fernsehbetriebs hat die EBU von Beginn an te Programmmarkt die Kooperation der öffentlich- den Austausch von Programmen organisiert, europä- rechtlichen Rundfunkanstalten Europas entschei- ische Koproduktionen gefördert und diverse andere dend mitgeprägt. Wenn sie unter den Projekten der Projekte wie den gemeinsamen Erwerb der Rechte EBU auch zu den unbekannteren zählten – ohnehin für Sportübertragungen geleitet. Bis heute laufen bei- wird die EBU bis heute von der europäischen Fern- spielsweise die meisten Sport- und Nachrichtenbei- sehöffentlichkeit zumeist nur als Schirmherrin des träge im europäischen Fernsehen über das perma- »Eurovision Song Contest« wahrgenommen – so hat- nente Netzwerk der EBU – die Eurovision. ten die »EBU Screening Sessions« doch lange Zeit ei- nen wesentlichen Beitrag zum Ausbau der nationalen Fernsehprogramme in ganz Europa geleistet. In ih- Die Suche nach Programm: Die Konzeption rer Geschichte spiegelt sich die Entwicklung der ge- der »EBU Screening Sessions« samten europäischen Rundfunkzusammenarbeit von den 60er Jahren bis in die von medienpolitischen Um- Nationale Nachfrage und internationales Angebot wälzungen zerrütteten 80er Jahre wider. Ihre Erfolge lassen sich ebenso wie ihre Probleme als symptoma- In den späten 50er und frühen 60er Jahren began- tisch für die Genese der EBU in diesem Zeitraum be- nen die meisten europäischen Fernsehanstalten ei- trachten. nen geregelten Fernsehbetrieb aufzubauen. Sie stan- den dabei vor dem Dilemma, dass die langfristige Im Folgenden soll die Entwicklung der »EBU Scree- Ausweitung ihres über Gebührenzahler fi nanzierten ning Sessions« beschrieben und erklärt werden: Wa- Programmangebots von einer Steigerung der Nach- rum wurden sie 1963 ins Leben gerufen? Welches frage nach Programmlizenzen, d.h. von neuangemel- waren die Gründe ihrer Erfolge? Warum wurde die- deten Fernsehteilnehmern abhing, diese aber gleich- ser Pionier des internationalen Programmhandels zeitig nur entstehen konnte, wenn die Attraktivität des 1985 eingestellt?1 Zur Beantwortung dieser Fragen Programmangebots erhöht wurde. In der Praxis be- ist es angebracht, eine wirtschaftshistorische Pers- deutete dies den Zwang, das Fernsehprogramm aus- pektive einzunehmen, die explizit die Fragen der mo- zuweiten, was aber aufgrund mangelnder fi nanzieller netären Kosten und Nutzen aufwirft. Schließlich wa- Möglichkeiten nicht mittels Eigenproduktionen mög- ren die »EBU Screening Sessions« ein Markt, auf dem lich war. Die Fernsehanstalten waren also abhängig Programmproduktionen als Wirtschaftsgut gehandelt von kostengünstigen Fremdproduktionen. Insbeson- wurden. Auch die medienpolitischen Umwälzungen dere die fi nanziell schwächer ausgestatteten kleinen der 80er Jahre lassen sich im Kern auf eine Kommer- europäischen Fernsehanstalten, die in der Entwick- zialisierung des Rundfunks reduzieren. Das Thema lung den großen wie der BBC oder der ARD um einige gliedert sich in die chronologisch aufeinanderfolgen- Jahre hinterherhinkten, signalisierten eine erhebliche den Phasen der Konzeption, Expansion und Degene- Nachfrage nach kostengünstigen Fernsehprodukti- ration. Die Entwicklung der Nachfrage und des An- onen europäischen Ursprungs. Allerdings war völ- gebots der nationalen Fernsehanstalten sowie die lig unklar, welches Angebot der europäische Markt technischen Innovationen der Präsentationstechnik überhaupt liefern konnte. Über einzelne Programm- werden für alle drei Phasen jeweils gesondert be- wettbewerbe hinaus, wie die »Golden Rose« von Mon- trachtet, da sie grundlegende Rahmenbedingungen treux oder den »Prix d`Italie«, die sich auf Prestige- für den Programmmarkt setzten.2 produktionen konzentrierten, hatte sich in den frühen 60er Jahren noch kein europäischer Markt für Fern- Die EBU war am 13. Februar 1950 von insgesamt sehproduktionen entwickelt.4 Die meisten nationalen 21 (west-)europäischen Rundfunkanstalten gegrün- Fernsehanstalten scheuten ohnehin den kommerzi- det worden, um »die Erforschung aller Fragen zu för- ellen Programmhandel und bevorzugten ein bilate- dern und zu koordinieren, die Beziehung zum Rund- rales, nichtkommerzielles Austauschprinzip. Die Ei- funk haben, und den Austausch von Informationen genproduktionen sollten zwischen den europäischen 18 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Rundfunkanstalten nach dem ‚free of charge‘-Prin- Praktische Schwierigkeiten belasteten jedoch den zip ausgetauscht werden, d. h. der Austausch fand kommerziellen, dezentralen europäischen Pro- ohne Berechnung statt. Zwei Organisationen muss- grammhandel. Hohe Herstellungskosten qualitativ ten sich wechselseitig ein akzeptables Programm an- hochwertiger Band- und Filmkopien, unterschied- bieten, damit der Austausch zustande kommen konn- liche technische Ausstattungen aufgrund fehlender te. Solange aber für jeden erworbenen Beitrag eine Standardisierungen sowie zeit- und kostenintensive Eigenproduktion eingetauscht werden musste, war separate Vorführungen in den einzelnen, eventuell an der zielgerichtete Erwerb einzelner Programmteile einem Kauf interessierten Sendeanstalten, erschwer- schwierig, zumal die großen europäischen Fernseh- ten die Entstehung eines geregelten Markts für Fern- anstalten mehr Programme anbieten konnten, als sie sehproduktionen. Nur eine zentrale Programmmesse, selbst aus dem Ausland benötigten. Mit Beginn der auf der sich die unterschiedlichen Bedürfnisse er- Produktion von Programmen auf Band versuchte die gänzen konnten, schien die wechselseitigen Proble- BBC deshalb, in einer speziellen Verkaufsabteilung me des beschriebenen Nachfrageüberhanges nach dieses Programmmaterial international anzubieten vorproduziertem Programmmaterial lösen zu können. und signalisierte damit ein Interesse am kommerzi- Solch eine Messe versprach günstige Voraussetzun- ellen Programmhandel.5 Dieser zeichnete sich für die gen zu schaffen, um allen Beteiligten den größtmögli- BBC durch eine besondere Lukrativität aus: Immer- chen Nutzen zu garantieren. hin waren die Fernsehprogramme ausschließlich für den nationalen Markt produziert worden und so stell- Entwicklung der »EBU Screening Sessions« te der Verkauf jedes einzelnen Programms eine be- triebswirtschaftlich nicht kalkulierte Zusatzeinnah- Die EBU hatte den Bedarf einer zentralen Programm- me dar. messe erkannt und schickte deshalb das schwedi- sche Mitglied der Programmkommission Lars-Eric Die europäischen Fernsehanstalten versuchten Kjellgren auf eine Rundreise zu ihren Mitgliedsorga- aufgrund der ungleichen Voraussetzungen entwe- nisationen. Er sollte sich einen Überblick über das der über die wenigen Verkaufsabteilungen ihre Pro- potentielle Angebot verschaffen und so sicherstellen, grammlücken zu schließen oder sie begannen in dass eine Initiative der EBU nicht scheiterte. Erwar- größerem Umfang, von kommerziellen, meist ame- tungsgemäß stieß Kjellgren auf ein umfangreiches rikanischen oder britischen Produzenten Sendema- Angebot und konnte die Frage nach dem Marktpo- terial zuzukaufen. Damit begaben sie sich allerdings tential positiv beantworten.7 Mit dem Mailänder »Mer- in eine Abhängigkeit von deren Angeboten und Ver- cato Internationale del Film, del TV e del Documenta- kaufsbedingungen. rio« (MIFED) hatte er zudem einen Veranstaltungsort ermittelt, der ausreichende Präsentationskapazitäten Technik bot. Die Idee der »EBU Screening Sessions« war ge- boren, es musste nur noch deren Organisationsform Eine wesentliche Ursache für die fehlenden Markt- ausgehandelt werden.8 strukturen hatten in den 50er Jahren die technischen Beschränkungen dargestellt. Fernsehprogramme Intern reagierten weite Kreise der EBU, in denen sich waren zumeist nicht-archivierbare Direktausstrah- durch den Eurovisionsaustausch ein antikommerziel- lungen, die somit nur als Übertragungen austausch- les Gemeinschaftsgefühl herausgebildet hatte, mit bar waren. Im Rahmen der Eurovision hatte die EBU Skepsis auf diese Initiative. Sie akzeptierten zwar einen solchen Austausch organisiert, sie konnte da- die Intensivierung des Programmhandels als eine mit die Nachfrage nach internationalen Programman- Aufgabe, der sich die EBU zu stellen hatte, zöger- geboten allerdings nur sehr partiell befriedigen.6 ten jedoch, ein kommerzielles Element im Program- maustausch zuzulassen. Bisher hatte die Eurovision Seit Beginn der 60er Jahre gingen die europäischen schließlich unter der Prämisse des Solidaritätsprin- Fernsehanstalten allmählich dazu über, ihr Fernseh- zips den Austausch von Direktprogrammen nach dem programm auf Filmband zu produzieren, nicht zuletzt ‚free of charge‘-Prinzip reibungslos organisiert. Man um es als Wiederholung für das eigene Programman- befürchtete eine interne Spaltung der EBU in große gebot wiederverwerten zu können. Ein Tausch oder Anbieter- und kleine Käuferorganisationen, die das Kauf ihrer Produktionen wurde hierdurch unabhän- Solidaritätsprinzip gefährdeten und von der letztlich gig von direkten Übertragungen möglich, so wie man eine Kommerzialisierung aller Dienste der EBU aus- es mit Kinofi lmen schon seit Anfang des Fernsehbe- gehen könnte.9 triebs gehandhabt hatte. Nun konnten auch Maga- zinbeiträge und ähnliche Formate, wie sie nur für das Das Ziel der EBU bestand also darin, einen Markt Fernsehen produziert wurden, international ausge- zu konzipieren, der den kommerziellen Anforderun- tauscht werden. gen der großen Anbieterorganisationen entsprechen, gleichzeitig aber den nicht-kommerziellen bilateralen Franke: Die »EBU Screening Sessions« 19 Austausch in höchstem Maße fördern sollte. Dieser stärkste Nachfrage nach solchen Programmen, die Markt musste zentrale Präsentationen ermöglichen ohne hohe Nachproduktionskosten gesendet werden und den Handel auf bilateraler Basis anregen.10 Die konnten. Hatte es vor der ersten Messe noch Zwei- EBU beabsichtigte nicht, in direkte Konkurrenz mit fel gegeben, ob das europäische Programmange- kommerziellen Anbietern zu treten, sondern plante bot überhaupt die Einrichtung einer Programmmes- vielmehr eine Messe zu konzipieren, auf der die Mit- se rechtfertige, so musste die EBU bereits nach den glieder der EBU ihre Produktionen untereinander an- ersten »EBU Screening Sessions« planerisch eingrei- bieten konnten.11 fen und das Angebot auf die Kapazitäten des Mai- länder MIFED beschränken. So wurde ein Antrag der Die von der Fernsehprogrammkommission der EBU ARD zurückgewiesen, ihre sieben Einzelanstalten zu- zunächst für eine zweijährige Probephase 1963 und künftig separat teilnehmen zu lassen. Sie allein hät- 1964 beschlossene Organisationsform der »EBU ten das Feld der Anbieter schon um mehr als 40% Screening Sessions« sah vor, während der mehrtägi- anwachsen lassen. Zudem änderte die EBU in zwei gen Veranstaltung die Vormittage für gemeinschaft- Punkten den Präsentationsmodus: Zunächst wurde lich organisierte Programmvorführungen zu reservie- unterschieden nach primären und sekundären Prä- ren und den Rest des Tages variabel für erwünschte sentationen, je nachdem, ob deren Vorführung ga- und allen Interessierten zugängliche Wiederholungen rantiert oder nur bei eventuellen Zeitüberschüssen oder konkrete Verhandlungen einzuplanen. Die EBU eingeplant war. Ferner wurde das garantierte Ange- übernahm die zentrale Planung der Messe und stell- botsvolumen primärer Präsentationen auf zehn Stun- te dabei die Koordination zwischen verschiedenen den pro Teilnehmer begrenzt.14 Die EBU kalkulierte Anbietern sicher, u.a. indem sie den Zeitplan der ge- eine Unterschreitung der individuellen Vorführzeiten meinsamen Vorführungen festsetzte und einen Kata- durch die Organisationen der Nachfrageseite fest ein. log über die präsentierten Programme erstellte. Zur Hätten alle Mitgliedsorganisationen den prinzipiell er- Finanzierung der Programmmesse erarbeitete die laubten Präsentationsrahmen ausgenutzt, wäre die EBU einen Schlüssel, nach dem die Nachfrage- wie Kapazitätsgrenze des MIFED um mehr als das Dop- die Angebotsseite gleichermaßen an den Kosten be- pelte überschritten worden. Einen halbjährlichen Ver- teiligt wurde. Die eine Hälfte der Kosten trugen alle anstaltungsrhythmus, wie ihn einige Mitglieder vor- Teilnehmer anteilig, während die andere Hälfte ent- schlugen, um das Marktvolumen zu verdoppeln, sprechend der jeweiligen Vorführzeit unter allen Pro- lehnte die EBU ab. Sie fürchtete sowohl den hohen grammpräsentatoren aufgeteilt wurde. Den Anbietern Organisationsaufwand als auch negative Auswirkun- blieb grundsätzlich freigestellt, aus welchen Sparten gen auf die Qualität der Präsentationen.15 sie Programme vorführen wollten.12 Die zweite Veranstaltung der Testphase im Jahr 1964, Vom 28. Oktober bis 1. November 1963 fand die bei der die Beteiligung sprunghaft gestiegen war, Premiere im Mailänder MIFED statt. Neben 17 zeigte, welch attraktives Forum die »EBU Screening EBU-Mitgliedern nahmen drei außereuropäische Sessions« schon jetzt geworden war.16 Sogar die »Or- Fernsehanstalten teil und verdeutlichten damit die ganisation Internationale de Radiodiffusion et de Télé- Anziehungskraft, welche die »EBU Screening Ses- vision« (OIRT), das osteuropäische Pendant der EBU, sions« über den begrenzten Kreis der europäischen hatte nun ihr Interesse angemeldet, sich zukünftig Fernsehanstalten hinaus besaß. Insgesamt wurden aktiv an der Programmmesse zu beteiligen, was die 205 Programme, 173 Erstvorführungen und 32 er- EBU allerdings wegen der begrenzten Vorführkapazi- wünschte Wiederholungen mit einer Gesamtlänge tät ablehnen musste. Die OIRT wurde aber als Beob- von zirka 89 Stunden (exklusive der Wiederholun- achter eingeladen.17 gen) vorgeführt.13 Einzelne EBU-Mitglieder wie die deutsche ARD, die einem kommerziellen Markt mit Am Erfolg der Programmmesse zweifelte gegen Ende besonderer Skepsis begegnete, verhielten sich zu- der Testphase niemand, und so entschloss sich die nächst passiv und nahmen 1963 nicht teil. EBU, die »EBU Screening Sessions« als einen fes- ten Bestandteil der internationalen Rundfunkzusam- Inhaltlich konzentrierte sich das Angebot zu 65% auf menarbeit zu etablieren. Sie behielt sich allerdings die Kategorie der allgemeinen Dokumentationen. An- das Recht vor, die Rahmenbedingungen des Mark- ders als bei Spielfi lmen oder Fernsehspielen, stellte tes zu setzen und damit Angebot und Nachfrage zu das Sprachproblem bei Dokumentationssendungen steuern. Auch die Skepsis weiter Kreise innerhalb der ein vergleichsweise geringes Problem dar. Der übli- EBU, die eine Kommerzialisierung und Desolidarisie- che Off-Sprecher oder Dialoge vor der Kamera konn- rung befürchtet hatten, schwand, nachdem die Prei- ten kostengünstig übertont oder landesspezifi sch se auf den »EBU Screening Sessions« im Vergleich zu untertitelt werden. Da der Wunsch nach Kostenein- denen kommerzieller Produzenten ein vergleichswei- sparungen eine der Hauptursachen für die Einrich- se symbolisches Niveau erreichten.18 tung der »EBU Screening Sessions« war, bestand die 20 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Die ‚Goldenen Jahre‘: Entwicklung der »EBU Screening Sessions« Die Expansionsphase der »EBU Screening Sessions« In den ‚Goldenen Jahren‘ nach der Experimentierpha- se expandierten die »EBU Screening Sessions« uner- Nationale Nachfrage und internationales Angebot wartet stark: Zwischen 1966 bis 1976 nahm das prä- sentierte Programm über 100% zu, es stieg von 118,5 In den späten 60er und frühen 70er Jahren erlebte auf 247,5 Stunden, gleichzeitig vervierfachte sich die das Fernsehen in vielen europäischen Ländern eine Zahl der nationalen Repräsentanten auf 263. Das Vo- expansive Phase in unterschiedlicher Intensität. Die lumen der Programmpräsentationen kann indes nur meisten Länder eröffneten ihre zweiten oder dritten bedingt als Wachstumsindikator für den Programm- Kanäle und weiteten das wöchentliche Programman- handel herangezogen werden, da dieser bilateral gebot stark aus. Dies ließ sich allerdings nicht über durchgeführt und nicht von der EBU zentral erfasst eine adäquate Erhöhung der Lizenzgebühren gegen- wurde. Tendenziell verblieben die auf dem Mailän- fi nanzieren, so dass der Bedarf an Fremdproduktio- der Markt erzielten Preise allerdings auf einem eher nen weiter anstieg. Nur auf dem internationalen Pro- symbolischen Niveau. Obwohl inzwischen zahlreiche grammmarkt konnten somit weiterhin jene Lücken Fernsehanbieter dazu übergegangen waren, sich in im nationalen Programmangebot geschlossen wer- höherem Maße auf dem kommerziellen Programm- den, die aufgrund der begrenzten fi nanziellen Res- markt einzudecken und größere Anteile der Sende- sourcen entstanden. Gleichzeitig stieg das Volumen zeit mit amerikanischen Produktionen zu bestreiten, der Eigenproduktionen und weitete das Angebot an war ein Ende des Wachstums für die »EBU Screening Fernsehproduktionen auf dem europäischen Markt Sessions« nicht abzusehen. aus. In diesem Zuge differenzierten sich die euro- päischen Fernsehanstalten weiter in Angebots- und Neben dem Programmhandel eröffneten die »EBU Nachfrageorganisationen aus.19 Screening Sessions« internationale Kontaktmöglich- keiten zwischen den Experten der praktisch orientier- Technik ten Programmarbeit.23 Solche Kontakte ermöglichten den Wissenstransfer zwischen den europäischen Als sich Mitte der 60er Jahre mit dem Farbfernse- Fernsehproduzenten, und zwar nicht allein auf tech- hen eine technische Neuerung im Programmangebot nischer Ebene, sondern gerade im Bereich der Pro- durchsetzte, drängten die großen Fernsehanstalten, grammproduktion. Das Themenspektrum war groß, die als erste auf das Farbfernsehen umgestellt hat- da sowohl aktuelle Produktionen der Mitglieder als ten, mit ihrem »bunten« Angebot auf den zentralen auch technische Entwicklungen und Probleme sowie Programmmarkt in Mailand.20 Anfängliche Befürch- deren Auswirkungen auf die zukünftige Programm- tungen der kleineren Nachfrageorganisationen, es produktion diskutiert werden konnten. Es entwickelte könnte eine tiefgreifende Diskrepanz zwischen dem sich ein regelrechtes Netzwerk persönlicher Kontakte »bunten Angebot« und der »monochromen Nach- zwischen zentralen Produktionsverantwortlichen, so frage« entstehen, erwiesen sich bald als unbegrün- dass die Fernsehanstalten die »EBU Screening Sessi- det. Im Gegenteil konnten die hinsichtlich Produkti- ons« auch nutzten, um neue Mitarbeiter in eben diese ons- und Finanzvolumen kleinen Organisationen das Netzwerke einzuführen.24 Eine auf die Teilnahmemo- Farbfernsehangebot sogar nutzen, um sich während tivation ausgerichtete Umfrage ergab im Herbst 1969, der Umstellungsphase der nationalen Fernsehsys- dass der Punkt »Professionelle Kontakte auf internati- teme auf Farbe kostengünstig mit Programmen ein- onaler Ebene« noch vor dem Interesse an Programm- zudecken. Schon zwei Jahre nach ihrer Einführung verkäufen und unmittelbar hinter dem Hauptinteres- machten die Farbprogramme 70% des Gesamtange- se der Einkaufsmöglichkeit rangierte.25 bots der »EBU Screening Sessions« aus.21 Die ständige Expansion des Angebotsvolumens ver- Aufgrund von Kompatibilitätsproblemen zwischen langte trotz permanenter Erweiterungen der Präsen- konkurrierenden Farb-TV-Systemen verdoppelten tationskapazitäten in Mailand nach einer Kontingen- sich allerdings die Organisationskosten der »EBU tierung, womit auch der notwendige administrative Screening Sessions« binnen eines Jahres. Die klei- Aufwand der EBU zunahm.26 Um in dieser Situation nen Nachfrageorganisationen werteten die Folgekos- die Signale des Markts angemessen zu interpretie- ten der technischen Innovation als einen bei den An- ren und die passenden regulativen Eingriffe vorneh- bietern zu verbuchenden Kostenpunkt und setzten men zu können, führte die EBU jährlich unter den Teil- einen ab 1969 gültigen neuen Finanzierungsschlüs- nehmern Umfragen durch. Sie wollte schließlich ihre sel durch.22 Dieser teilte die Gesamtkosten zu 25% Eingriffe an den Marktsignalen orientieren und nicht gleichmäßig unter allen Teilnehmern auf, während die den Markt eigeninitiativ bestimmen. Die intendierte restlichen 75% je nach der Länge der Vorführungen Marktorientierung war für die EBU allerdings weiter- von den Anbietern getragen werden mussten. hin etwas Ungewöhnliches und so galt das traditionel- Franke: Die »EBU Screening Sessions« 21 le Solidaritätsprinzip der EBU als eine zweite Leitlinie Schleichender Niedergang: der regulativen Maßnahmen. Insbesondere die admi- Die Degenerationsphase der »EBU nistrativen Abteilungen der EBU in Genf und Brüssel, Screening Sessions« deren Personal seit den 50er Jahren nahezu unver- ändert den permanenten Betrieb der Rundfunkge- Nationale Nachfrage und internationales Angebot meinschaft organisierte, hielten den Solidaritätsge- danken wach. Massive Unterstützung erhielten sie In den 70er Jahren setzte sich durch weiterhin expan- darin selbstverständlich von den kleineren Mitglieds- dierende nationale Produktionsumfänge die Diversifi - organisationen, die mit der Solidarität handfeste öko- zierung der Angebots- und Nachfragestrukturen fort. nomische Interessen verbanden. Eine reine Markto- Die großen Fernsehanstalten in Frankreich, Großbri- rientierung, selbst im begrenzten Rahmen der »EBU tannien und Deutschland, die nur noch einen Bruch- Screening Sessions«, wäre deshalb von weiten Krei- teil ihres potentiellen Angebots in Mailand präsentie- sen der EBU als eine Hinterfragung der Grundsätze ren konnten, begannen damit, nach dem Muster der der Rundfunkgemeinschaft überhaupt interpretiert »EBU Screening Sessions« eigene Verkaufsmessen wor den. Die Gesetze von Angebot und Nachfrage aufzubauen, die auf reges internationales Interesse entfalteten auf den »EBU Screening Sessions« ihre stießen. Gleichzeitig richteten die in der europäischen Wirkung somit nur im Rahmen der antikommerziellen Perspektive auf der Nachfrageseite einzuordnenden Bedingungen der EBU, worin ein wesentlicher Faktor nordischen Fernsehgesellschaften einen eigenen Pro- für die konstant symbolischen Preise bestand. Eben- grammmarkt ein. Dieser sollte primär den innernordi- so blieb das Recht der Mitgliedsorganisationen auf schen Programmhandel intensivieren, doch kurbelte gleiche Vorführzeiten unangetastet. er ebenso die außernordischen Absatzzahlen an. Ein gemeinsamer Markt lockte mehr Käufer an als das An- Ein Marktgleichgewicht konnte nur hergestellt wer- gebot jener Organisationen aufgeteilt auf fünf Kleinst- den, wenn zwei Bedingungen erfüllt waren: erstens märkte.29 Die EBU bewertete den nordischen Markt durften die Nachfrageorganisationen ihren garantier- zunächst als Ergänzung zu den »EBU Screening Ses- ten Präsentationszeitraum nicht ausschöpfen, zwei- sions«. Hier konnten die nordischen Fernsehanstalten tens musste die EBU die Präsentationszeiten sehr Programme handeln, die auf das nordische Publikum zielgerichtet planen. Dabei galt es, die Spitzenzeiten zugeschnitten waren. In Mailand, so die Hoffnung der mit den meisten Programmkäufern zu ermitteln und EBU, würden sie dann nur solche Produktionen an- diese im dichten Zeitplan der »EBU Screening Sessi- bieten, die sich an ein breites europäisches Publikum ons« für Programme mit den potentiell meisten Nach- richteten. Symbolisch stand der nordische Markt hin- fragern zu reservieren. Immerhin wurden von mor- gegen für die zunehmende Dezentralisierung des ge- gens bis abends Programme präsentiert, und die samten europäischen Programmmarkts. Es konnte Käufer konnten schon allein aufgrund mentaler Ka- schließlich in der langfristigen Perspektive nur eine pazitätsgrenzen nur einen bestimmten Teil der Vor- Frage der Zeit sein, bis sich der nordische Markt führungen verfolgen. Dezentrale Wiederholungen vom Komplement zum Konkurrenten wandelte.30 wurden dabei als Ergänzung der zentralen Präsenta- tionen immer wichtiger.27 Neben der Chance, ein umfangreicheres Angebot präsentieren zu können, boten die dezentralen Pro- Das inhaltliche Programmangebot konzentrierte sich grammmessen den Verkäufern weitere Vorteile. Die weiterhin auf die Kategorie der Dokumentationen, de- Kundenwünsche konnten fl exibel bedient werden, ren Anteil am Gesamtangebot sich bei 60% einpen- ohne das Solidaritätsprinzip der EBU beachten zu delte. Die Dokumentationen setzten sich gerade des- müssen, das die Preise auf das symbolische Niveau halb als dominierende Programmkategorie durch, drückte. Wegen der überschaubaren Anzahl von An- weil sie neben den niedrigen Nachproduktionskos- bietern verminderte sich auch der Koordinationsauf- ten in geringem Maße von nationalen Besonderhei- wand auf ein Minimum. Diese Entwicklung der dezen- ten geprägt waren. Zunehmend hatten sich in den tralen Programmmessen spaltete die europäischen anderen Programmkategorien verschiedene Men- Fernsehanstalten in zwei Lager. Während der Aus- talitäten als Handelsbarriere zwischen unterschied- tausch im germanischen Sprachraum sogar zwischen lichen Kulturkreisen herauskristallisiert. So eignete den kleineren, fi nanziell schwächeren Organisationen sich beispielsweise ein qualitativ hochwertiges und gut funktionierte und die Fernsehanstalten so wich- im Ursprungsland durchaus erfolgreiches skandinavi- tige Programmressourcen erhielten, waren ähnliche sches Programm nicht zwangsläufi g für den französi- Strukturen in Südeuropa weniger stark ausgebildet. schen Markt. Die Dokumentationen verblieben zudem eine der wenigen Programmsparten, die in erster Linie Technik für den nationalen Markt produziert wurden. Selbst die symbolischen Preise ließen sich deshalb als luk- Vornehmlich wegen der beschränkten Portabilität rativer Zugewinn verbuchen.28 von Fernsehproduktionen hatte sich in den 60er Jah- 22 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) ren der dezentralisierte europäische Markt nicht zu- und Teilnehmerzahlen, und die begrenzten Kapazi- friedenstellend entwickeln können. Mit der Video- täten des Mailänder MIFED zwangen sogar weiterhin technik reduzierte in den 70er Jahren eine technische zu Angebotsbeschränkungen. Auf der anderen Seite Innovation diese Beschränkungen auf ein bis dahin verlor die Veranstaltung zunehmend an Attraktivität ungeahntes Minimum und vereinfachte so die Zeit- für Käufer wie Verkäufer. Die »EBU Screening Ses- planung der »EBU Screening Sessions«. In kleineren sions« bewegten sich darauf hin, zu einem Markt für Räumen konnten die gewünschten Wiederholungen Anbieter mit einem kleinen Produktionsvolumen und nun fl exibler als bei den Bandproduktionen vorgeführt geringem Produktionsbudget zu werden. Gerade jene werden.31 Terminkollisionen zweier konkurrierender Fernsehanstalten, die den Programmmarkt am meis- Programme, die bis dato das Hauptproblem der Käu- ten benötigten, um ihre Programmzeiten kostengüns- fer dargestellt hatten, riefen fortan keine allzu großen tig aufzufüllen, verhinderten mit ihrem unattraktiven Schwierigkeiten mehr hervor. Die Flexibilität der Vi- Angebot das Zustandekommen eines Marktgleich- deotechnik produzierte jedoch ebenso unerwünsch- gewichts. Den potenziellen Anbietern wurden sowohl te Nebeneffekte. Einzelne Anbieter zeigten ihre Pro- die Präsentationszeiträume genommen als auch Pro- duktionen während der »EBU Screening Sessions« gramme angeboten, die sie nicht nachfragten. Ihnen potentiellen Interessenten bei abendlichen Privat- eröffneten die dezentralen Märkte lukrativere Ver- vorführungen außerhalb des eigentlichen Messepro- kaufsmöglichkeiten, nicht zuletzt weil dort höhere gramms. Nicht nur wurden so andere Mitgliedsorga- Preise erzielt werden konnten und nicht die antikom- nisationen ausgeschlossen, was nicht zum Konzept merzielle Grundeinstellung der EBU vorherrschte.33 der »EBU Screening Sessions« passte, sondern dar- über hinaus gefährdeten diese Vorführungen die Ver- Das zweite Hauptproblem blieben die begrenzten Ka- teilung der Organisationskosten. Parallel dazu ließ die pazitäten des MIFED. Die großen gemischten Mes- Videotechnik das Ausschlussprinzip gegen kommer- sen von privaten und öffentlichen Produzenten wie zielle Anbieter unwirksam werden. Private Produkti- das »MIP-TV« in Cannes oder die dezentralen Pro- onskonzerne organisierten in Mailänder Hotelzim- grammmessen einzelner EBU-Mitglieder übertrafen mern ebenfalls Privatvorführungen, wie es zu Zeiten die »EBU Screening Sessions« inzwischen vom An- der Bandtechnik unrentabel gewesen wäre. Sie ver- gebotsvolumen her deutlich. So zeigte beispielsweise suchten, die Anwesenheit einer Vielzahl potentieller die »Programme Fair« von ARD und ZDF, die vom 30. Käufer in Mailand für die Anbahnung von Geschäften November bis 5. Dezember 1981 in München statt- zu nutzen.32 Die Signale einer zunehmenden Dezen- fand, insgesamt 1.200 Stunden Produktionsmaterial tralisierung des Marktes machten sich immer deutli- in 51 Räumen und übertraf damit das Mailänder An- cher bemerkbar. gebot um fast das Vierfache.34 Entwicklung der »EBU Screening Sessions« Die EBU erkannte zunehmend, dass die »EBU Scree- ning Sessions« angesichts der Konkurrenz anderer In der Expansionsphase waren Angebot und Nach- Programmmärkte ernsthaft in Gefahr standen, die frage auf den »EBU Screening Sessions« noch an- Bedürfnisse der Teilnehmerländer nicht länger befrie- nähernd ausgeglichen, da die Teilnehmer auf der digen zu können.35 15 Jahre nachdem die »EBU Scree- Nachfrageseite den ihnen garantierten Präsentati- ning Sessions« wegen ihrer kommerziellen Aspekte onsrahmen nur zu einem Teil ausnutzten. Im Zuge mit Misstrauen in die europäische Rundfunkzusam- der Expansion ihrer eigenen Produktionsvolumina menarbeit aufgenommen worden waren, hatten sich erlagen jedoch insbesondere die kleineren südeu- die Vorzeichen umgedreht. Die Frage lautete nicht ropäischen Fernsehanstalten zunehmend dem Reiz, länger, ob man kommerzielle Aktivitäten dulden soll- diesen Präsentationsrahmen auszuschöpfen. Sie te, sondern, wie man zukünftig in der Lage sein würde, hofften, zumindest einen Teil der Produktionskos- die kommerziellen Ansprüche zu befriedigen.36 ten durch den Verkauf refi nanzieren zu können. Im Rahmen der »EBU Screening Sessions« konnten sie Bevor die EBU mit einer neuen Organisationsform ihre Eigenproduktionen kostengünstig auf dem Markt in die Offensive ging, klärte sie zunächst intern, ob platzieren und gleichzeitig ein breiteres internationa- überhaupt ein Interesse an der Fortführung der »EBU les Publikum erreichen. Infolgedessen fi elen aller- Screening Sessions« bestand. Nachdem sich 96% dings genau jene Präsentationskapazitäten weg, die der Mitgliedsorganisationen positiv aussprachen,37 den großen Anbieterorganisationen über ihr norma- beauftragte sie im Januar 1978 eine aus Vertretern les Kontingent hinaus zur Verfügung gestanden hat- der Programmkommission zusammengesetzte Ex- ten, um für einen Ausgleich von Angebot und Nachfra- pertengruppe mit der Erarbeitung eines Konzepts. ge zu sorgen. Die gängige Praxis der ersten Jahre war Dieses sollte viele kleine Märkte an ein zentrales Mo- damit an ihre Grenzen gestoßen und die »EBU Scree- dell anpassen und darüber hinaus vielfältige interper- ning Sessions« gerieten sukzessiv in eine groteske sonelle Kontaktmöglichkeiten bieten. Obwohl primär Lage. Auf der einen Seite stimmten die Programm- die kommerziellen Interessen gefördert werden soll- Franke: Die »EBU Screening Sessions« 23 ten, standen die zentrale Planung durch die EBU, die komponente nicht entscheidend gestärkt werden weitgehende Beibehaltung des Gleichheitsprinzips können: Die großen Fernsehanstalten konzentrier- und der Ausschluss privater Produktionskonzerne ten sich auf die dezentralen Programmvorführungen nicht zur Disposition.38 und beteiligten sich an den »collective screenings« eher symbolisch. Obwohl die zentralen Vorführun- Das von der Expertengruppe vorgelegte und zu- gen praktisch kostenlos waren, erwarteten die An- nächst für eine zweijährige Testphase (1980 und bieterorganisationen von ihnen zu geringe Einnah- 1981) beschlossene Konzept sah vor, die Vorführun- men, da auch die Einkäufer diese Veranstaltungen gen in »collective screenings« und »private scree- kaum besuchten. Die Möglichkeit der Kontaktpfl e- nings« aufzuteilen. Der erste Veranstaltungstyp stell- ge oder einer fachlichen Diskussion der präsentier- te im Kern eine Fortführung des bekannten Konzepts ten Produktionen schien für sich genommen kein an- sicher. In einem zentralen Vorführraum mit 40 bis 50 gemessener Anreiz zu sein. Ohnehin entsandten die Zuschauerplätzen wurde jeder Mitgliedsorganisation Fernsehanstalten mittlerweile ausschließlich ein auf pro Programmkategorie ein Kontingent von 90 Minu- den Programmhandel spezialisiertes professionel- ten zugesichert, wobei die EBU die Vorführungen wei- les Personal ihrer Verkaufsabteilungen. Produzenten terhin koordinierte. Für die »private screenings« konn- und Produktionsleiter, die vom Ideenaustausch und ten die Mitgliedsorganisationen verschieden große der Diffusion von Innovationen im Produktionsbereich Vorführräume mit der notwendigen technischen Aus- profi tiert hätten, führten ihre Programme nicht mehr rüstung anmieten und bei Bedarf auch als Büro für bi- selber vor und blieben den »EBU Screening Sessi- laterale Verhandlungen nutzen. In der Hoffnung, den ons« fern.42 Zuletzt blieben auch die in den Ortswech- »EBU Screening Sessions« auch durch einen Ort- sel nach Monte Carlo gesteckten Hoffnungen uner- wechsel neuen Schwung zu verleihen, sollte die Pro- füllt. Statt einer Attraktivitätssteigerung ergaben sich grammmesse 1981 versuchsweise nach Monte Carlo nur sichtbar vermehrte Kosten. So wurde das veran- wechseln, von dessen glamouröser Atmosphäre sich schlagte Budget um 25%, das Vorjahresbudget aus die EBU eine Attraktivitätssteigerung versprach.39 Mailand gar um 35% überschritten. Aus der Perspek- tive der Mitgliedsorganisationen bestimmte aber pri- Mit dem neuen Konzept musste auch die Finanzierung mär die Kosten-Nutzen-Relation die Attraktivität des der Programmmesse auf den Prüfstein gestellt wer- Programmmarkts und so mündeten die hohen Kos- den, da die in Eigenverantwortlichkeit durchgeführ- ten in deutliche Kritik. ten »private screenings« nicht von dem alten Finanzie- rungsschlüssel erfasst wurden. Seine fortdauernde Aller Kritik zum Trotz sprach sich die überwältigen- Verwendung hätte jeglichem Anreiz zu zentralen Vor- de Mehrheit der Mitgliedsorganisationen weiterhin für führungen die Grundlage entzogen, bemaß er doch eine Fortsetzung der »EBU Screening Sessions« aus. den Kostenanteil ausschließlich auf der Basis zentra- Vermutlich um nicht mit dem traditionellen Solidari- ler Programmpräsentationen. Deshalb wurden fortan tätsprinzip zu brechen und damit die innerhalb der 60% der Gesamtkosten unter allen Mitgliedsorgani- EBU stark ausgeprägte Gemeinschaftsatmosphäre sationen je nach der Anzahl und dem Status ihrer Re- zu stören, hatten es viele Mitgliedsorganisationen ver- präsentanten aufgeteilt. Die restlichen 40% trugen mieden, die komplette Niederlegung der »EBU Scree- die programmvorführenden Organisationen der »pri- ning Sessions« zu fordern. Die Programmmesse kehr- vate screenings« entsprechend der Anzahl und der te deshalb im folgenden Jahr unter Verwendung des Größe ihrer angemieteten Präsentationsräume.40 Die seit 1980 praktizierten Konzepts nach Mailand zurück. zentralen Vorführungen wurden somit kostenlos, so- Für die »collective screenings« glaubte die EBU eine fern die jeweiligen Präsentatoren auch »private scree- Attraktivitätssteigerung erreichen zu können, indem nings« veranstalteten.41 sie diese unter ein Dachthema stellte. Mit dem The- ma Musik entschied man sich 1982 allerdings für ein Der Ansporn, der von diesem neuen Konzept ausging, aus kommerzieller Sicht europaweit schwer zu han- reichte nicht weit, um den »EBU Screening Sessions« delndes Thema. Die Musikpräferenzen waren so un- neues Leben einzuhauchen. Setzten 1980 noch 28 terschiedlich, dass beispielsweise einem skandinavi- Mitgliedsorganisationen mit insgesamt 352 Teilneh- schen Musikprogramm wenig Erfolg im spanischen mern ein Zeichen für den Fortbestand des Programm- Fernsehen beschieden war und umgekehrt – eine Tat- markts, so schrumpften die Zahlen 1981 auf 278 Re- sache, die man eigentlich bei der Punktevergabe im präsentanten von 23 Mitgliedern. Zwar erklärte die Rahmen des »Eurovision Song Contest« hätte beob- EBU den Rückgang der Teilnehmer als eine Neben- achten können. wirkung des Finanzierungsmodus, die keine Rück- schlüsse auf die Attraktivität des Programmmarkts Erwartungsgemäß konnten die Programmmessen zulasse, doch demonstrierte die rückläufi ge Zahl der von 1982 und 1983 den Negativtrend nicht stoppen.43 Mitgliedsorganisationen durchaus eine negative Ent- Nach außen versuchte die EBU, mit dem Hinweis auf wicklung. Überdies hatte die zentrale Vorführungs- konstante Vorführzahlen der »collective screenings« 24 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) die Illusion einer funktionierenden Veranstaltung wei- Programmmesse nachzulassen begonnen hatte, von terhin aufrecht zu erhalten. Die sinkenden Teilnehmer- den moderaten Anpassungen ihres realen Teilnahme- zahlen – immerhin hatten sich diese zwischen 1980 verhaltens ab und verhielten sich rein zweckrational, und 1983 von 352 auf 180 nahezu halbiert – indizier- lediglich an ihrem individuellen Nutzen orientiert. Ins- ten derweil aber das nachlassende internationale In- besondere die nord- und mitteleuropäischen Fern- teresse.44 Für die konstanten Präsentationsumfänge sehanstalten kalkulierten ihre Kosten-Nutzen-Rela- bei den »collective screenings« sorgten die kleineren tion neu und wählten aufgrund dieser Überlegungen südeuropäischen Mitgliedsorganisationen. Sie mie- die Option des Rückzugs vom Mailänder Markt. Mi- teten bei den »private screenings« zu verhältnismäßig chael Johnson, ein auf die internationale Rundfunk- niedrigen Kosten kleine Räume mit begrenzter Prä- entwicklung spezialisierter Mitarbeiter der BBC, sentationskapazität an und führten einen Großteil ih- brachte die Kritik vieler Mitgliedsorganisationen in ei- res Gesamtangebotes auf den kostenlosen »collecti- nem Brief an die EBU auf den Punkt. Seiner Einschät- ve screenings« vor. Es schien für sie letztlich, von den zung nach war der mit einer Fortsetzung der »EBU Absatzaussichten her betrachtet, keinen Unterschied Screening Sessions« verbundene personelle und fi - zu machen, ob sie ihre begrenzte Anzahl von Kaufi n- nanzielle Einsatz zu hoch: »To do this in order to pro- teressenten im Rahmen der zentralen oder dezent- vide an audience of 3,5 people (an average family) is ralen Vorführungen bedienten. Jedes zusätzliche bei absurd.«45 Nachdem sich auf den 23. »EBU Scree- den »collective screenings« verkaufte Programm ver- ning Sessions« 1985 die Lage weiter zuspitzte, zog sprach einen hundertprozentigen Gewinn, während die EBU die notwendigen Konsequenzen und stellte bei den »private screenings« zunächst einmal die die Mailänder Programmmesse ein. Mieten für die Präsentationsräume gedeckt werden mussten, bevor sich Gewinne verbuchen ließen. So- wohl der Finanzierungsschlüssel als auch ungenutz- Fazit te Vorführkapazitäten anderer Programmanbieter be- günstigten ein solches Vorgehen. Noch in den 70er Unter der Grundvoraussetzung, die europaweite Jahren, als eine ähnliche Angebotsexpansion der po- Nachfrage nach Fernsehproduktionen mit den techni- tenziellen Nachfrager das Marktgleichgewicht be- schen, logistischen wie administrativen Möglichkeiten drohte, hatte die EBU versucht, dieses Verhalten zu eines zentralen Markts befriedigen zu können, hatten unterbinden. Nun unternahm man wenig, rettete doch die »EBU Screening Sessions« lange Zeit die Funkti- der Drang dieser Mitgliedsorganisationen in die ge- on einer Drehscheibe des europäischen Fernsehpro- meinschaftlichen Vorführungen zumindest nach au- grammmarkts eingenommen. Eine expandierende ßen die Statistiken der »EBU Screening Sessions«. Nachfrage, die Kommerzialisierung des Fernsehge- werbes, die technische Entwicklung und der explo- Für die großen Organisationen stellte diese Entwick- sionsartige Anstieg der nationalen Angebots- und lung den Wert der »EBU Screening Sessions« im- Nachfragevolumina führten allerdings eine deutliche mer mehr in Frage. Sie mussten wegen der stärkeren Verschlechterung der Rahmenbedingungen herbei. Nachfrage nach ihren Produktionen größere Vorführ- Auf einem sich dezentral organisierenden und kom- räume anmieten und fi nanzierten somit einen ent- merzialisierenden Markt war einfach kein Platz mehr sprechend hohen Anteil der »collective screenings«. für eine zentrale europäische Veranstaltung, deren Obendrein verharrten die erzielten Preise auf dem tra- Verantwortliche sich weigerten, die Veränderungen ditionell niedrigen Niveau, so dass die Umsatzchan- vollends zu akzeptieren. Zwar sprach man bei der eu- cen auf den dezentralen eigenen Märkten wesentlich ropäischen Rundfunkgemeinschaft vom natürlichen günstiger waren. Die großen Fernsehanstalten stan- Ende der »EBU Screening Sessions« zum angemes- den nun vor der Entscheidung, entweder den kleinen senen Zeitpunkt,46 doch drängt sich aus der beob- Organisationen ihre Präsentationen bei den »collecti- achteten Entwicklung der Verdacht auf, ihr Leben sei ve screenings« zu subventionieren oder sich komplett bis dahin jahrelang künstlich verlängert worden. Hät- von den »EBU Screening Sessions« zurückzuziehen. ten die Verantwortlichen die Signale des Markts rich- tig gedeutet und hätten die europäischen Rundfunk- Auf den 22. »EBU Screening Sessions« im Jahr 1984 organisationen sich nicht von einer Gruppendynamik trat eruptionsartig die lange Zeit unterdrückte Er- der EBU beeinfl ussen lassen, dann wäre diesem Pi- kenntnis zu Tage, dass der Bedarf an gemeinschaft- onier des internationalen Programmhandels eine zu- lichen Programmpräsentationen längst erloschen mindest unterschwellig lange andauernde Degene- war. Lediglich den kleinen südeuropäischen Fern- rationsphase erspart geblieben. Die Veränderung sehanstalten versprach der Mailänder Markt rela- der internationalen Strukturen des Programmmarkts tiv günstige Absatzchancen, während die restlichen brach nämlich nicht binnen kurzer Zeit zu Beginn der EBU-Mitglieder nur noch im Zuge einer allgemeinen 80er Jahren wie ein Gewittersturm über die »EBU Gruppendynamik der EBU gehandelt hatten. 1984 Screening Sessions« herein, sondern unterlag lang- ließen sie erstmals, seitdem die Marktbedeutung der fristigen Tendenzen. Franke: Die »EBU Screening Sessions« 25 1 Der vorliegende Aufsatz ist im Kontext eines von Professor Dr. Ger- 18 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom hard Brunn an der Universität Siegen geleiteten und mittlerweile 6.5.1965. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/3112 ComPro 830. abgeschlossenen Forschungsprojekts zum Thema »Die Eurovisi- 19 Vgl. Interview mit Thomas Alexandersson, Genf 2000 (unveröffent- on und das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Europa« entstan- licht). den. Das Projekt lief zwischen 1994 und 2000 im Rahmen des von 20 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Son- 3.4.1968. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/3717 ComPro985. derforschungsbereichs 240 »Ästhetik, Pragmatik und Geschichte 21 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom der Bildschirmmedien«. Aus der Projektarbeit sind folgende Publi- 23.3.1971. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/4292 ComPro1145. kationen hervorgegangen: Wolfgang Degenhardt, Dorothee Erd- 22 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom mann, Christoph Reichold, Elisabeth Strautz: Europäisches Fern- 25.3.1969. Archiv der EBU (Genf). EBU/OA3881 ComPro1024. sehen bis 1970. Eine Idee wird zum Laufen gebracht. Eine kleine 23 Vgl. Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrat vom 15.5.1968. Archiv Geschichte der Europäischen Rundfunkunion und der Eurovision. der EBU (Genf). EBU OA/3726 ComPro986. Siegen 1996. Wolfgang Degenhardt und Elisabeth Strautz: Auf der 24 Vgl. Interview mit Miro Vilcek, Genf 2000 (unveröffentlicht). Suche nach dem europäischen Programm. Die Eurovision 1954- 25 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 1970. Baden-Baden 1999. 26.3.1970. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/4083 ComPro1087. 2 Die im Rahmen des Forschungsprojekts erschlossenen, umfang- 26 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom reichen Quellenbestände und die mit diversen Zeitzeugen geführ- 10.4.1967. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/3478 ComPro 925; Pro- ten Interviews konnten als Grundlage verwendet werden. So konnte tokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 3.4.1968. auf die kompletten Archivalien der Programmkommission der EBU EBU OA/3717 ComPro 985; Interview mit Frank Naef, Genf 2000 zurückgegriffen werden, die im Bestand des Verwaltungsrats im (unveröffentlicht). Archiv der EBU in Genf lagern. Interviews wurden geführt mit den 27 Vgl. Interview mit Frank Naef, Genf 2000 (unveröffentlicht). langjährigen Koordinatoren der »EBU Screening Sessions« Lars- 28 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 14. Eric Kjellgren und Frank Naef; dem damaligen Programmchef des bis 17.4.1972. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/5298 ComPro1431. zweiten schwedischen Fernsehkanals Örjan Wallqvist; dem spä- 29 Vgl. Interview mit Örjan Wallqvist, Stockholm 1999 (unveröffentlicht). teren Direktor der Radioabteilung der EBU Thomas Alexandersson 30 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 14. sowie dem langjährigen Leiter der Eurovision Miro Vilcek. bis 17.4.1972. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/5298 ComPro1431. 3 Vgl. EBU (Hg.): Satzung der Europäischen Rundfunkunion. Helsin- 31 Vgl. Interview mit Frank Naef, Genf 2000 (unveröffentlicht). ki 1976, Art. 2, § 2b. 32 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 4 Lars-Eric Kjellgren: A personal report. The EBU Screening Sessi- 7.4.1977. Archiv der EBU (Genf). EBU ComTV1473/SPG120. ons. In: EBU-Review (5) 1972, S. 12-15. 33 Vgl. Interview mit Lars-Eric Kjellgren, Siegen 2000 (unveröffentlicht). 5 Vgl. Interview mit Thomas Alexandersson, Genf 2000 (unveröffent- 34 Vgl. EBU Review (3) 1981, S. 55. bzw. Interview mit Frank Naef, licht). Genf 2000 (unveröffentlicht). 6 Vgl. Wolfgang Degenhardt und Elisabeth Strautz: Auf der Suche 35 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom nach dem europäischen Programm. Die Eurovision 1954-1970. Ba- 5.4.1972. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/4490 ComPro 1205. den-Baden 1999, S. 93ff. 36 Vgl. Paul Peyre: The EBU Screening Sessions. In: EBU-Review 7 Interview mit Lars-Eric Kjellgren, Stockholm 2000 (unveröffent- (3) 1979, S. 57-59. licht). 37 Vgl. Bericht der »Working Party for the EBU Screening Sessions« 8 Vgl. Lars-Erik Kjellgren: Om EBU:s Screening Sessions. In: Sveri- an das Fernsehprogrammkomitee. Archiv der EBU (Genf). EBU ges Radio: Årsbok 1964/65. Stockholm 1965, S. 93. ComTV1484/SPG873. 9 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 38 Vgl. Protokoll der Sitzung der »Executive Group of the Television 6.3.1963. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/1830 ComPro 721. Programme Committee«. Archiv der EBU (Genf). EBU ComTV1481/ 10 Vgl. Interview mit Frank Naef, Genf 2000 (unveröffentlicht). SPG455. 11 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 39 Vgl. Bericht der Expertengruppe an das Fernsehprogrammkomitee. 12.9.1962. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/1779 ComPro 514. Archiv der EBU (Genf). EBU ComTV1476/SPG447. 12 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 40 Vgl. Protokoll der Sitzung der »Executive Group of the Television 19.7.1963. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/1894 ComPro 747. Programme Committee« vom 18. bis 20.10.1978. Archiv der EBU 13 Vgl. Protokoll: Seance de Projections de l‘UER. Réunion du Grou- (Genf). EBU ComTV1485/SPG1084. pe de Travail ad hoc. 7.1.1964. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/1984 41 Vgl. Protokoll der Vollversammlung des Fernsehprogrammkomitees ComPro 775. vom 25. bis 27.4.1979. Archiv der EBU (Genf). EBU ComTV1488/ 14 Vgl. ebd. SPG1179. 15 Vgl. Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees vom 42 Vgl. Interview mit Thomas Alexandersson, Genf 2000 (unveröffent- 28.9.1964. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/3030 ComPro 810. licht). 16 Vgl. Interview mit Lars-Eric Kjellgren, Stockholm 2000 (unveröffent- 43 Vgl. o.V.: Report on the 42nd Meeting of the Television Programme licht). Committee, 20.-22.10.1982. In: EBU-Review (1) 1983, S. 42. 17 Vgl. Protokoll: EBU Screening Session. Meeting of the Ad Hoc Wor- 44 Vgl. o.V.: Report on the 44th Meeting of the Television Programme king Group. 5.2.1965. Archiv der EBU (Genf). EBU OA/3084 Com- Committee, 18.-20.10.1983. In: EBU-Review (1) 1984, S. 48. Pro 826; Protokoll der Sitzung des Fernsehprogrammkomitees. Ar- 45 Zit. n.: EBU P40 MS/AV Television Programme Committee Bureau. chiv der EBU (Genf). EBU OA/3318 ComPro 879. 46 Vgl. Interview mit Frank Naef, Genf 2000 (unveröffentlicht). Konrad Dussel »Die Welle der Freude« Die neuen Programmangebote des NWDR auf UKW in den 50er Jahren und ihre Nutzung Die Formulierung »Die Welle der Freude« als Titel die- Die Grundprinzipien ses Beitrags zur UKW-Einführung beim Nordwest- der neuen UKW-Programme deutschen Rundfunk (NWDR) ist zeitgenössisch. Aber sie stammt nicht vom NWDR oder einer ande- Die beiden zentralen Gestaltungsprinzipien der neu- ren Rundfunkanstalt, sondern von Eduard Rhein, dem en Programme wurden der Hörerschaft immer wieder Begründer und langjährigen Chefredakteur der »Hör verdeutlicht. Schließlich ging es nicht nur ums Hören, zu«, die lange Zeit die aufl agenstärkste deutsche Zeit- sondern auch ums Kaufen. Selbst in der »Ansage«, schrift überhaupt war. »Die Welle der Freude« war der den offi ziellen »Mitteilungen des Nordwestdeut- Titel eines ganzseitigen Beitrags von Rhein zum Start schen Rundfunks«, wurde ausdrücklich hervorgeho- der Ultrakurzwelle West am 30. April 1950,1 und von ben, dass das neue Programm die »Aufgabe« habe, da an war auch der einschlägige Abschnitt in der Pro- »beim Hörer den Wunsch zu erwecken, sich ein Ge- grammvorschau der »Hör zu« so überschrieben: Über rät zum Abhören dieses zweiten Programms anzu- dem oberen Teil der Seite, der dem Mittelwellenpro- schaffen, um so mehr Freude an seinem Rundfunk gramm gewidmet war, stand nüchtern »NWDR« und zu haben«.5 Schon damals gingen also die Interessen über dem unteren zum UKW-Angebot »Die Welle der des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Geräte Freude«. Aus Sicht der Rundfunkverantwortlichen produzierenden Industrie anscheinend wie von selbst musste das zwar sonderbar wirken, aber sie dulde- Hand in Hand. Das erste Prinzip könnte man als das ten das Diktat der Rundfunkzeitschrift insofern, als es Kontrastprinzip bezeichnen – in den Worten der »An- ihnen erlaubte, das neue Angebot werbewirksam un- sage« bestand es in der »Gegensätzlichkeit zum bis- ter die Leute zu bringen.2 herigen Mittelwellen-Programm, so dass der Hörer je- weils in einem der beiden Programme das fi ndet, was Aber was wollte Rhein mit diesem Titel überhaupt ihm zusagt. « zum Ausdruck bringen? Für den Ingenieur und kennt- nisreichen Rundfunkjournalisten stand mit dem Sen- Für das zweite Prinzip würde sich die Bezeichnung destart von Ultrakurzwellen-Programmen »eines der »Regionalisierungsprinzip« anbieten, wenn dieser Be- bedeutungsvollsten Ereignisse in der Entwicklungs- griff nicht in späteren Jahren eine ganz andere Be- geschichte des deutschen Rundfunks (...) unmittel- deutung angenommen hätte. »Landesprinzip« hat da- bar bevor«. »Alle Voraussetzungen für einen tech- gegen eine spezifi sche Konnotation, der man gerade nisch vollendeten Rundfunk« seien nun gegeben und bei der NWDR-Zentrale in Hamburg ausweichen woll- noch mehr – das Ende der größten Unzufriedenheit te. Entsprechend vorsichtig drückte man sich offi zi- mit dem vorhandenen Programm. Endlich sei »für ell aus: Ziel sei »Erweiterung unseres Programms auf viele Besitzer fernempfangsschwacher Geräte der die Sendestoffe, die bisher in dem einen Programm Zwang« genommen, »einfach hinzunehmen, was ih- zu wenig berücksichtigt werden konnten.«6 Eduard nen vorgesetzt wird«: »UKW [ist] erlöst vom Zwang Rhein wurde da wesentlich direkter: UKW werde zum Nordwestdeutschen Einheitsprogramm und wird »in Köln eine neue, echt rheinisch-westfälische und dadurch in der Tat zur ‚Welle der Freude‘«.3 in Hamburg eine echt norddeutsche Welle werden«, schrieb er in seinem schon einleitend zitierten »Hör Im Folgenden wird dargestellt, wie man sich dieses zu«-Artikel. Kontrastprogramm vorzustellen hat, das vom Nord- westdeutschen Einheitsprogramm »erlösen« sollte. Damit ist ein zentrales, die NWDR-Geschichte prä- Darüber hinaus ist danach zu fragen, wie sich sei- gendes Problem angesprochen – der Dualismus zwi- ne Nutzung auf Hörerseite entwickelte, um so dem schen Hamburg und Köln. Er prägte nicht nur die Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage Rundfunkpolitik in Nordwestdeutschland, sondern nachzuspüren. In beiderlei Hinsicht ist es sinnvoll, auch die Programme und ihre Programmatik. Doch sich nicht auf die eigentlichen NWDR-Jahre bis 1955 davon ist eine zweite Konfl iktlinie zu unterscheiden, zu beschränken, sondern zumindest auch noch die die zwischen Bildung und Unterhaltung. Um bei- Fortsetzungen bei NDR und WDR in der zweiten Hälf- den Anforderungen zu genügen – also sowohl nach te der 50er Jahre hinzuzunehmen, damit die zentralen Sendegebieten als auch nach Anspruchsniveau zu Trends besser verfolgt werden können.4 differenzieren –, hätte man jedoch vier Program- me benötigt. Es gab aber nur zwei. Für Hugh Car- Dussel: »Die Welle der Freude« 27 leton Greene, den britischen NWDR-Chef bis 1948, trastprinzips‘ und des ‚Landesprinzips‘, wie sie ver- war die Sache 1947 noch völlig klar. Er schrieb: »Ab- kürzend etikettiert sein sollen. Zuvor ist aber noch ein gesehen von diesen technischen Erwägungen ist es kurzer Blick auf die Entwicklung des Sendeumfangs meine persönliche Ansicht, daß, selbst wenn die nö- der beiden Programmteile (und später verselbstän- tigen Wellenlängen verfügbar wären, es besser wäre, digten Programme) zu werfen. ganz Nordwestdeutschland einschließlich des Rhein- und Ruhrgebiets, mit zwei verschiedenen Program- men auszustatten, ein leichtes und ein schweres Pro- 1. Der Sendeumfang der UKW-Programme gramm. Ich halte dies für besser als zwei getrennte Hamburger und Kölner Sender, die nur in einem be- UKW-West, der Kölner Teil des zweiten NWDR-Pro- grenzten Gebiet gehört werden würden.« Allerdings gramms wurde am 30. April 1950 mit einem werk- setzte er doch auch hinzu: »In den zwei Programmen täglichen Umfang von sechs, sonntags von sieben (...) würde selbstverständlich mehr Platz für Übertra- Stunden gestartet. UKW-Nord, der Hamburger Teil, gungen rein regionalen Interesses sein, als dies im konnte aufgrund technischer Probleme erst am 14. Augenblick der Fall ist.«7 Damit war schon 1947 ein Mai 1950 folgen. UKW-Nord war wesentlich umfang- Konfl ikt angesprochen, der die gesamten 50er Jah- reicher: Werktags gab es acht Stunden und sonntags re hindurch schwelen sollte: Wie waren die Forderun- fast 13 Stunden Programm. In allen Fällen handelte gen nach mehr Regionalem und die nach mehr Unter- es sich aber nicht um ein zusammenhängendes Pro- haltung unter einen Hut zu bringen? Oder handelte es gramm, sondern um zwei bzw. drei Blöcke, die durch sich nicht doch um alternative Konzepte, die nicht ge- längere Sendepausen am Nachmittag voneinander meinsam zu verwirklichen waren? getrennt waren. Das Hauptprogramm auf der Mittel- welle umfasste gleichzeitig rund 19 Stunden effektive Greene kehrte im November 1948 nach Großbritanni- Sendezeit, wobei es unter der Woche vormittags noch en zurück; der NWDR stand danach unter deutscher eine längere Sendepause gab, während am Sonntag Leitung. Die deutschen Vorstellungen aber sahen et- später begonnen wurde. was anders aus als die des Briten. Trotzdem blieb sein Konzept, das an den drei Programmen der BBC orien- Bereits im Laufe des ersten Jahres wuchsen die bei- tiert war, auch in Deutschland lebendig und wurde im den UKW-Programme erheblich und erreichten den- Laufe der Jahre bis zu einem gewissen Grad wirksam. selben Umfang, die Kölner überholten die Hambur- ger sogar tendenziell. In Köln wurden für werktags 14 Mit der Zählung der Programme tat man sich in Ham- Stunden Programm produziert, morgens sechs Stun- burg und Köln jedoch schwer: Es gab das erste Pro- den, dann folgten zwei Stunden Pause und schließ- gramm, das auf Mittelwelle ausgestrahlt wurde, und lich noch einmal acht Stunden Programm ab 16 Uhr. das zweite Programm auf UKW. Vor allem in Köln Sonn- und feiertags gab es sogar 17 Stunden Pro- konnte man sich mit dieser Reihenfolge jedoch nie so gramm, weil die Pause wegfi el und nachts bis 1 Uhr recht anfreunden. Schon bald setzte es sich deshalb gesendet wurde. In Hamburg gab es diesen Sonn- auch im NWDR durch, einfach nur vom Mittelwellen- tagszuschlag nicht und auch die werktäglichen 14 programm und vom UKW-Programm zu reden, das Stunden kamen nur durch einen Trick zustande: Die seinerseits wieder einen Kölner und einen Hamburger ersten drei Stunden, von 6 bis 9 Uhr, wurden einfach Teil besaß. Diese Kölner und Hamburger Teile wur- von der Mittelwelle übernommen. Dann gab es eine den nach der Zerschlagung des NWDR verselbstän- zweistündige Pause und erst dann folgten elf Stun- digt. Die zweiten Programme wurden die eigentlichen den Eigenprogramm, allerdings ebenfalls noch ein- NDR- bzw. WDR-Programme. Weiterhin gab es aber mal von zwei Stunden Sendepause am Nachmittag auch noch das gemeinsame NDR/WDR-Programm unterbrochen. auf Mittelwelle, das alte erste Programm. Als dann ab dem 22. Dezember 1956 in Köln mit einem neu- 1953 waren die Positionen erneut vertauscht: Werk- en Programm experimentiert wurde, dass ebenfalls tags sendete Hamburg fast 18 Stunden Programm mit auf UKW ausgestrahlt wurde, zählte man es einfach nur noch einer 45-minütigen Pause ab 13.45 Uhr. In als UKW II. Das zweite UKW-Programm war also das Köln beschränkte man sich dagegen auf 15 Stunden: dritte Programm überhaupt und entsprach in seiner Man fi ng eine halbe Stunde später an als in Hamburg, Konzeption auch dem dritten Programm der BBC. machte weiterhin zwei Stunden Nachmittagspause und hörte eine Stunde früher auf. Dafür wurde dann sonntags ein durchgängiges 17-Stunden-Programm Die UKW-Angebote aus Hamburg und Köln von morgens 7 bis nachts 24 Uhr gesendet, während sich Hamburg auf knapp 16 Stunden beschränkte. Im Zentrum dieser Untersuchung der UKW-Angebo- te steht die Frage nach der Umsetzung der beiden 1958 schließlich gab es beim WDR keine Sendepause bereits genannten Gestaltungsprinzipien, des ‚Kon- mehr. Er sendete 17 bis 18-stündige Tagesprogram- 28 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) me von morgens 6.45 Uhr (bzw. 7 Uhr am Sonntag) entgegensetzen, dem Tanzabend vielleicht ein Hör- bis 24 Uhr (bzw. 1 Uhr am Sonntag). Außerdem gab spiel oder ernste Musik, dem Gottesdienst vielleicht es ein begrenztes Angebot auf einem zweiten UKW- gepfl egte Unterhaltungsmusik und den Sportberich- Programm. Der WDR bot dabei Samstag abends zwei ten eine Stunde Tanzmusik.«8 Stunden, die Sonntag nachmittags wiederholt wur- den. Der NDR hatte dagegen 1958 sein Programm Die Realisierung dieses Prinzips vollständig überprü- im Vergleich zu 1953 reduziert. Werktags gab es nur fen zu wollen, wäre eine Aufgabe, deren Aufwand in noch 16 ½ Stunden Angebot mit einer 90-minütigen keiner Relation zum Ergebnis stünde. Immerhin er- Sendepause am frühen Nachmittag und sonntags ge- geben Stichproben ein recht positives Ergebnis: Zu- nauso viel, aber ohne Sendepause und dafür mit ent- meist wurden wirklich sehr unterschiedliche Ange- sprechend späterem Programmstart. Allerdings hatte bote präsentiert, und das sehr kleinteilig wechselnd, der NDR sein zweites UKW-Programm stärker aus- zum Teil alle halbe Stunde. Wichtig war auch, dass am gebaut als der WDR. Aus Hamburg sendete man be- Vorabend, in der Zeit zwischen 19 und 20 Uhr, wenn reits täglich ab 20 Uhr durchschnittlich zwei Stunden auf dem Mittelwellenprogramm Politik und Zeitfunk Programm, bei denen es keine systematischen Wie- ihren Platz hatten, auf UKW im Wesentlichen Mu- derholungen wie in Köln gab. Das Hamburger Pro- sik lief. Die meiste Aufmerksamkeit dürfte schließlich gramm wurde übrigens ausdrücklich als »III. Pro- das Abendprogramm gefunden haben, die Zeit zwi- gramm des NDR« angekündigt, während in Köln von schen 20 und 22 Uhr. Ideal war es sicherlich, wenn, »UKW II des WDR« gesprochen wurde. wie am 18. Mai 1951, auf dem Mittelwellenprogramm »Aus Oper und Ballett« präsentiert wurde, auf UKW- Auf der gemeinsamen Mittelwelle war man aber im- Nord dagegen »Mit Schwung und Laune«, wobei das mer noch einen Schritt voraus. Da gab es 1958 im Hamburger Rundfunkorchester Operetten-Melodien Prinzip ein 24-Stunden-Programm, weil morgens bot. Köln setzte um diese Zeit dagegen vor allem auf bereits um 5 Uhr begonnen und nachts von 1 Uhr Landespolitik. bis 4.30 Uhr als Antwort auf einen Vorstoß von Ra- dio DDR einen Vorläufer des ARD-Nachtprogramms Die Kölner Entscheidung, 1951 ab 20 Uhr zunächst ausgestrahlt wurde. einmal 45 Minuten Landesinformation und Nachrich- ten zu senden, ehe es mit dem eigentlichen Abend- programm weiter ging, bot sicher immer einen Kon- 2. Die Verwirklichung des Kontrastprinzips trast zum gleichzeitigen Mittelwellen-Angebot des NWDR, war aber nicht sonderlich hörerfreundlich. Bevor man sich mit elaborierteren Formen des Pro- 1953 hatte man alles so weit vorverlegt, dass die grammkontrasts beschäftigt, darf ein Hinweis auf die Wortsendungen um 20 Uhr beendet waren. einfachste, aber dennoch wirkungsvolle Form nicht vergessen werden: die zwischen Nicht-Programm, Ob darüber hinaus in Köln und Hamburg in den UKW- das heißt Sendepause, und Programm. Nach einer Programmen nennenswerte andere Akzente gesetzt kurzen Anlaufphase waren beide UKW-Bereiche seit wurden als im MW-Programm, ist schwer zu sagen. 1951 dann auf Sendung, wenn es auf dem Mittelwel- Auf die abendliche Hauptsendezeit bezogen muss der len-Programm zumeist nichts zu hören gab, das heißt Eindruck entstehen, dass 1953 die UKW-Angebote vormittags zwischen 10.30 und 12 Uhr. Das wurde tatsächlich tendenziell gefälliger waren als die MW- dankbar von den Hörern und – um diese Zeit wohl vor Angebote – etwas weniger Wort, etwas mehr Musik allem – Hörerinnen angenommen, so viel sei gleich und dabei etwas mehr unterhaltsamere Musik. Ver- vorweg genommen. blüffenderweise waren diese Unterschiede 1958 so gut wie verschwunden. Die Programme unterschie- Aber zu den meisten Zeiten gab es auf beiden Pro- den sich programmstrukturell so gut wie überhaupt grammen Angebote. Der Kontrast bestand nun nicht nicht mehr. Dies ist jedoch nur sehr vorsichtig zu for- in einer durchgängigen unterschiedlichen Profi lie- mulieren. Möglicherweise sind die Ergebnisse in bei- rung der beiden Programme, wie es schon 1947 die den Fällen auch Folgen der beschränkten Stichpro- Idee von Hugh Carleton Greene gewesen war, also ben, also der schmalen Datengrundlage.9 Auf jeden auf der einen Seite ein schweres, auf der anderen Fall kann aber eine deutlich wahrnehmbare, bewuss- Seite ein leichtes Programm. Statt dessen gab es auf te Profi lierung ausgeschlossen werden: Die ‚Welle der beiden Programmen weiterhin ein bunt gemischtes Freude‘ war kein dezidiertes Unterhaltungsprogramm. Angebot, das sich nur in der jeweiligen Gegenüber- stellung unterscheiden sollte. Eduard Rhein formulier- te in der »Hör zu«, UKW biete jeweils das, »was die an- 3. Das Landesspezifi sche der UKW-Programme dere Welle, die Mittelwelle, in der betreffenden Stunde nicht zu geben vermag. Sie wird deshalb der schwe- UKW-West trat sofort bei Sendebeginn mit einer ren Sendung auf der Mittelwelle eine leichte Sendung programmatischen Neuerung hervor. Es wurde an- Dussel: »Die Welle der Freude« 29 gekündigt und auch umgesetzt: »An jedem Werktag stündiges Konzert des Städtischen Symphonie-Or- wird eine aktuelle Sendung ‚Zwischen Rhein und We- chesters Duisburg. Allerdings kann man diesen Tag ser‘ von 19.30–20.15 Uhr der kulturellen, wirtschaftli- nicht als repräsentativ betrachten – weder für die an- chen und politischen Eigenart des Landes Nordrhein- deren Tage dieser Woche, noch für die Mittwochpro- Westfalen Rechnung tragen. Diese Sendung wird gramme. Schon am Donnerstag, dem 8. Oktober, bei- von 22.00–22.45 Uhr wiederholt.«10 Bezogen auf ein spielsweise sah es ganz anders aus. Da gab es nur Sechs-Stunden-Programm war dies allein schon ein einen 40-minütigen Beitrag am Nachmittag. Ab 16 beachtlicher 25-Prozent-Anteil, gebildet von nur einer Uhr sang der Aachener Kammerchor in der Reihe einzigen Sendereihe. Er wurde jedoch schnell dras- »Gesellige Musik«. tisch zurückgefahren. 1951 dauerte ‚Zwischen Rhein und Weser‘ nur noch eine halbe Stunde – wenn auch Erwähnenswert ist aus dieser Beispielwoche noch zu bester Sendezeit von 20.00 bis 20.30 Uhr –; eine ein literarischer Beitrag. Am Montag, den 5. Okto- Wiederholung gab es nicht mehr. Eine halbe Stunde ber 1953, wurde zu bester Sendezeit ab 20.15 Uhr bedeutete bei mittlerweile 14 Stunden Sendezeit nur eine Stunde lang ein »westfälisches Traumspiel« mit noch einen Anteil von rund 3,5 Prozent. dem Titel »Et was in uraollen Tieden ...« übertragen.12 Allerdings geschah dies nur »über die Wellen Müns- Weitere Sendungen dieser Art kamen nur zögerlich ter, Teutoburger Wald und Nordhelle«. Die anderen ins Kölner Programm. Seit Herbst 1953 gab es werk- Sender im rheinischen Gebiet, die »Wellen Bonn, täglich nachmittags von 17.45 bis 17.50 Uhr fünfmi- Köln Langenberg, Aachen«, strahlten um diese Zeit nütige eigene »Westdeutsche Nachrichten«. Bis 1958 »Leicht beschwingt. Eine tänzerische Abendunter- erhielten sie zehn Minuten Sendezeit. Außerdem gab haltung« aus. Hier leuchtet ein ganz neuer Aspekt auf, es in diesem Jahr donnerstags auch noch von 18.00 dass nämlich neben den landesspezifi schen auch re- bis 18.15 Uhr einen viertelstündigen »Westdeutschen gionale Interessen zu befriedigen waren. Kulturspiegel«. Bezogen auf die mittlerweile ebenfalls gewachsene Gesamtsendezeit bedeutete dies einen Damit ist für 1953 ein Zwischenfazit für das Kölner Anteil von nunmehr insgesamt gut vier Prozent. UKW-Programm zu ziehen: Es gab täglich eine hal- be Stunde lang »Zwischen Rhein und Weser« und fünf Selbstverständlich ist das Landesspezifi sche nicht Minuten »Westdeutsche Nachrichten« sowie eine ge- auf das Landespolitische – und sei es in noch so wei- wisse, wenig festgelegte Zeit für Sendungen mit In- tem Sinne – zu reduzieren. Kulturelle Eigenarten sind terpreten aus dem Sendegebiet, alles in allem durch- vielleicht genauso wichtig oder auch nur spezifi sche, schnittlich höchstens eine Stunde. Insgesamt waren aus der Region stammende oder in der Region le- das etwa 90 Minuten, bei einem 900-minütigen Ta- bende Mitarbeiter und Interpreten. Allerdings wird gesprogramm also zehn Prozent. es sehr schwierig, wenn man im Allgemeinen nach festen und leicht zu identifi zierenden Sendeplätzen War das nun viel oder wenig? Zur Beurteilung bedarf sucht. Ein besonderer Zeitabschnitt kann dabei au- es der Vergleichswerte. Als erstes ist das Hambur- ßer Acht bleiben, weil er zweifellos das Paradebeispiel ger Alternativangebot von 1953 zu betrachten. Auch unterschiedlicher landesspezifi scher Traditionen bil- hier ist zwischen mehr politischen und eher unpoliti- dete – der Karneval. Zu keiner Jahreszeit war es wohl schen Beiträgen für das Sendegebiet zu unterschei- schwieriger, ‚rheinischen Frohsinn‘ und ‚Hamburger den. Bei Letzteren setzte man in Hamburg mehr auf Kühle‘ miteinander in Einklang zu bringen. Sprachlich-Literarisches als in Köln, das ist zumin- dest das Ergebnis nach Durchsicht von etlichen Bei- Um das Fazit vorwegzunehmen: Feste und leicht zu spiel-Sendewochen. Mittwochs und samstags gab identifi zierende landesspezifi sche Sendeplätze jen- es im Vorabendprogramm die 10-Minuten-Reihe seits der genannten, eher landespolitischen Reihen »Wi snackt platt« und Sonntag nachmittags eine hal- gab es in UKW-West so gut wie gar nicht. Man muss- be Stunde »Plattdeutsches«. Unregelmäßig gab es te als Köln-Hörer schon sehr genau die Programman- Beiträge wie »Swiegermudder kommt! «, ein »platt- kündigungen studieren, wenn man landesspezifi sche deutsches Kurzhörspiel« (Sonntag, 4. Oktober 1953, Rudimente erhaschen wollte.11 In der 41. Woche 21.30–22.00 Uhr). etwa, Anfang Oktober 1953, sangen mittwochs von 9.40 bis 10.00 Uhr die Schola Gregoriana Köln und Ein großes sendegebietsspezifi sches Zeitfunk-Ma- der Domchor Münster. Am selben 7. Oktober gab es gazin wie »Zwischen Rhein und Weser« gab es für abends in der viertelstündigen Reihe »Chorgesang« Norddeutschland nur ansatzweise. In der ersten Zeit auch noch einen Auftritt des Osnabrücker Kammer- versuchte man es mit einer Reihe »Von Land und chors und schließlich folgte ab 20.10 Uhr sozusagen Meer« (18.15–19.00 Uhr), dann mit der »Umschau am der Höhepunkt des Tages in Sachen landesspezifi - Abend«. Es zeigte sich jedoch, dass das Sendegebiet schen Engagements: Die Reihe »Kulturorchester in zu heterogen war, so dass man weitere Differenzie- Nordrhein-Westfalen« bot das Podium für ein zwei- rungen einführen musste. Dieses Problem klang auch 30 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) beim Kölner Programm bereits an. Mitte 1952 wurde eher unpolitische Themen und Zusammenhänge zu- deshalb Werktag abends von 19.15 bis 20.00 Uhr eine rückzuführen ist. Sammelrubrik »Programm der Studios« eingeführt und mit drei Beiträgen bestückt: Aus Hamburg kam Der NWDR wurde 1954/55 nicht zuletzt deshalb in »Gesehen – gehört – berichtet«, aus Hannover »Nie- WDR und NDR aufgeteilt, weil die nordrhein-westfä- dersachsen – Land und Leute« und aus Berlin »Rund lischen Politiker eine eigene Rundfunkanstalt für ihr um den Funkturm«. Es ist dabei festzuhalten, dass die Land forderten, damit seine Belange besser berück- Studios nicht gemeinsam eine Sendung gestalteten, sichtigt werden könnten. Unter dieser Voraussetzung sondern dass die Möglichkeiten der UKW-Technolo- sollte sich doch eigentlich auch das WDR-Programm gie genutzt wurden und jeder Bereich sein eigenes noch einmal deutlich vom UKW-West-Angebot des Programm bekam: also eine 3/4 Stunde für Niedersa- NWDR absetzen. Aber diese Erwartung kann nicht chen aus Hannover, eine 3/4 Stunde für Hamburg und bestätigt werden. Vielleicht gab es sehr subtile Ver- Schleswig-Holstein aus Hamburg und Flensburg und änderungen, die auf der Ebene der Programmankün- eine 3/4 Stunde für und aus Berlin.13 1953 war die Si- digungen nicht greifbar sind. Aber sie müssten erst tuation prinzipiell genauso, nur gab es etwas weniger noch zu Tage gefördert werden. Die Oberfl äche sah Sendezeit. Alles in allem bot man damit in Hamburg 1958 jedenfalls im Prinzip genauso aus wie 1953: Da auf der einen Seite, die Auseinanderschaltung einmal gab es nach wie vor werktäglich die zentrale Rei- nicht berücksichtigt, tendenziell etwas weniger Sen- he »Zwischen Rhein und Weser« sowie die »West- degebietsspezifi sches als in Köln. Aber auf der ande- deutschen Nachrichten«, nun allerdings zehnminütig. ren Seite, die Auseinanderschaltung berücksichtigt, Darüber hinaus strahlte man immer wieder Musiksen- war man schon einen Schritt weiter. dungen mit Künstlern aus dem Sendegebiet aus, un- regelmäßig nachmittags sogar unter dem program- Wie viel hatte sich in den Programmen aber verän- matischen Titel »Künstler in Nordrhein-Westfalen«. dert, wenn man das vielgeschmähte NWDR-Einheits- Ab und zu bot man Mundartlich-Literarisches am programm im Vergleich zu Rate zieht? Der Einfachheit Abend, etwa am Dienstag, den 7. Oktober 1958, von halber sei nur nach Köln-spezifi schen Beiträgen ge- 20.15 bis 21.00 Uhr: »De Krohl als Wohrsager. E Kap- sucht. Die westdeutsche Landespolitik hatte dort im pesboore Spilche us ahler Zick vum Schang vum Vu- Frühjahr 1947 ihren ersten Sendeplatz erhalten. Vom gelsang«. Anschließend stand »Rheinische Volksmu- 28. April bis zum 1. November 1947 gab es werktäg- sik« auf dem Programm. lich ab 17 Uhr einen fünfminütigen »Westdeutschen Kommentar«. Dann war das Angebot merklich aus- Aber so etwas scheint im Sendegebiet insgesamt geweitet und der Kommentar in eine neue Reihe »Aus schon nicht mehr mit ungeteilter Begeisterung auf- unserem westdeutschen Tagebuch« integriert wor- genommen worden zu sein. Der WDR experimentier- den. Ihr gab man werktäglich eine halbe Stunde, zu- te um diese Zeit bereits mit einem zweiten UKW-Pro- nächst von 19.00 bis 19.30 Uhr, ab Mai 1948 dann gramm, das normalerweise aber nur Samstag abends von 18.00 bis 18.30 Uhr. Ende Mai 1949 verschwand und Sonntag nachmittags sendete. An diesem Mitt- der Titel zwar aus den Ankündigungen, aber nicht woch, dem 7. Oktober, befand es sich ausnahmsweise der Inhalt: »Aus unserem westdeutschen Tagebuch«, ebenfalls in Aktion. Es bot von 20.15 bis 21.15 Uhr das »Berliner Fenster« und Hamburger »Echo des Tages« plattdeutsche Hörspiel »Quaterie üm libbet« und an- wurden zu einer gemeinsamen 45-minütigen Zeit- schließend die Sendung »Westfälische Chöre singen«. funksendung zusammengelegt. Taktisch ungeschickt war sicherlich, dass man dafür den Hamburger Titel Im Prinzip hatte der neue WDR mit demselben Pro- beibehielt, »Echo des Tages«. blem zu kämpfen, das sich auch dem NWDR gestellt hatte, nur hatte es sich von der Landes- auf die Re- Weitere landesspezifi sche Beiträge müssen im frühen gionalebene verlagert. In der »Münsterschen Zei- NWDR-Programm mit der Lupe gesucht werden. Da tung« war schon drei Monate nach dem Programm- konnte es einmal einen »Kölner Bilderbogen« geben beginn des WDR zu lesen: »Zwar wurden in Bielefeld (Samstag, 9. Oktober 1948, 16.00–17.00 Uhr) oder und Münster eigene Büros eingerichtet, und in Dort- eine Buchbesprechung »Köln und seine Kunst« (Don- mund wurde sogar ein ‚Westfalenstudio‘ neu benannt, nerstag, 14. Oktober 1948, 14.00–14.15 Uhr). Interpre- aber von dem, was der ehemalige Ministerpräsident ten aus dem Kölner Sendegebiet sucht man – außer Karl Arnold einst als ‚Stimme des Landes und der den Angestellten des Funkhauses – vergebens. Ver- Landschaft‘ bezeichnete, haben wir bislang jeden- anschlagt man damit alles in allem etwa 40 bis 50 Mi- falls kaum einen Hauch verspürt. (...) die Stimme der nuten täglich für das Kölner Sendegebiet, liegt man Landschaft klingt matt, sehr matt sogar.«14 bei einem Anteil von 4 bis 5 Prozent, also höchstens der Hälfte des Wertes von 1953. Das neue UKW-An- Das Rheinland und Westfalen bildeten genauso wenig gebot brachte also ein deutliches Mehr an Regional- ein homogenes Sendegebiet wie Hamburg, Nieder- spezifi schem, wobei dieses Mehr aber primär auf sachsen und Schleswig-Holstein. Nach der Bildung Dussel: »Die Welle der Freude« 31 von WDR und NDR wurde deshalb der Ruf nach Re- Wachstums kam nicht in Sicht. Im Herbst 1954 wur- gionalisierung laut. Seine Folgen sind hier nicht dar- de die 50-Prozent-Marke überschritten, und bis 1960 zustellen.15 Statt dessen ist danach zu fragen, welche lag der Bundesdurchschnitt bei über 80 Prozent. Da- Bedeutung die neuen UKW-Programmen überhaupt nach beschäftigte man sich kaum noch mit der Frage beim Publikum hatten, und konkret: in welchem Aus- nach dem UKW-Gerätebesitz als solchem. Nun inte- maß sie gehört wurden. ressierte mehr der Aspekt des Besitzes von Zweitge- räten oder Autoradios. Die Nutzung der UKW-Angebote Ein wichtiger Grund für diese Erfolgsgeschichte darf durch das Publikum natürlich nicht verschwiegen werden. In der UKW- Frühzeit wurden zwar auch diverse Zusatzgeräte auf Die Untersuchung der UKW-Programme ergab, dass den Markt gebracht, um die alten Radios UKW-taug- die Konzepte der Programmverantwortlichen hin- lich zu machen, aber im Prinzip setzte die Industrie sichtlich des Kontrastprinzips weitgehend und hin- auf eine ganz andere Strategie. Selbst in der »Hör zu« sichtlich des Landesprinzips zumindest ein Stück staunte man schon im Sommer 1950: »Geradezu sen- weit verwirklicht worden waren. Aber wie stand es auf sationell wirkt in diesem Augenblick das Erscheinen Seiten des Publikums? Nutzte es die Ultrakurzwel- der neuen Allwellen-Geräte, die schon mit UKW-Be- le überhaupt und entwickelte es auch noch eine ge- reich zur Welt gekommen und durchweg sehr viel bil- wisse »Wellenreiterschaft«, ein Pendeln zwischen den liger sind als ihre Vorläufertypen ohne UKW.«19 Wenn Wellen? Zur Beantwortung sollen drei Aspekte von- schon ein Radio neu angeschafft wurde – und es wur- einander unterschieden und nacheinander behandelt den damals viele Radios gekauft –, war es dann auch werden: Als erstes ist der Stand der Geräteentwick- gleich eines mit UKW-Teil. lung zu betrachten. Wer kein UKW-Empfangsteil be- saß, konnte schließlich auch nicht UKW-Programme Aber kann man aus der raschen Verbreitung von hören. Als zweites ist auf die tatsächliche UKW-Nut- UKW-Radios schließen, dass die neuen Angebote zung überhaupt einzugehen und als drittes auf die ab- auch entsprechend gehört wurden? Rein technisch wechselnde Nutzung der verschiedenen Angebote. war dieses Hören bis Anfang 1955 zweifellos überall möglich. 96 bis 98 Prozent der NWDR-Hörer konnten Das dazugehörige Datenmaterial liefern vor allem um diese Zeit entweder UKW-Nord oder UKW-West zwei große Studien. Die erste ist sozusagen das Re- empfangen und etliche sogar beides. Die konkrete sümee der Abteilung Hörerforschung des NWDR kurz Nutzung hinkte dem allerdings weit hinterher. Ent- vor ihrer Aufl ösung 1955. Sie trägt den Titel »Die Hör- sprechend vorsichtig waren die Formulierungen der und Lebensgewohnheiten der Rundfunkhörer im Hörerforscher in der Zusammenfassung ihrer Ergeb- NWDR-Sendebereich. Eine zusammenfassende Un- nisse. Es fi ndet sich dort eigentlich nur eine klare Aus- tersuchung 1952–1955«.16 Die zweite markiert dem- sage: »In den Viertelstunden zwischen 6.00 und 17.00 gegenüber einen Neubeginn: Ende der 50er Jah- Uhr haben durchschnittlich 2 % bis 5 % aller UKW- re konnten sich die ARD-Anstalten endlich auf eine Hörer ihr Gerät auf eines der beiden NWDR-UKW- gemeinsame Hörerforschungsaktivität verständigen. Programme eingestellt. « Das klingt nicht nach sehr 1960/61 wurde in ihrem Auftrag von Infratest die erste viel, und so war es auch. Erst für den Abend konn- bundesweite Tagesablaufstudie durchgeführt. Sie er- te Besseres berichtet werden: »Während der Zeit schien in zwei Teilen unter dem Titel »Der Rundfunk- des Abendprogramms hören in allen Viertelstunden hörer, seine Lebensgewohnheiten, sein Hör- und Seh- zwischen 20.00 und 22.00 Uhr jeweils rund 15 % al- verhalten«.17 ler UKW-Hörer eine Sendung der beiden UKW-Pro- gramme.«20 Das Tempo der Verbreitung von UKW-Geräten in den 50er Jahren gibt einen Eindruck von der Dynamik des Die Hörerforschung arbeitete damals nur mit weni- deutschen Wirtschaftswunders. Zum Sendestart der gen, ganz konkreten Stichtagen, im UKW-Falle ge- Ultrakurzwelle im Frühjahr 1950 besaßen im Sende- nau sechs: einem Sommer-Werktag, einem Som- gebiet des NWDR nicht einmal ein Prozent der Hörer mer-Samstag, einem Sommer-Sonntag (regnerisch), ein empfangstaugliches Gerät. Mitte 1951 waren es einem Sommer-Sonntag (sonnig), einem Winter- schon neun Prozent und Mitte 1952 sogar 24 Prozent Werktag und einem Winter-Sonntag. – das bedeutete eine Verdreißigfachung in rund zwei Jahren. Noch nicht vertraut mit derartigen Wachs- tumsraten wurde denn auch im NWDR 1952 prog- ((Abb: Hörkurve Sommer-Werktag 1954 – NWDR: Hör- und Le- nostiziert: »Mit einiger Wahrscheinlichkeit darf man bensgewohnheiten, unpaginierter Anhang, Nr. 1)) sagen, dass bei 35–38 % eine Stagnation eintreten wird.«18 Aber man hatte sich getäuscht: Schon im Juni 1953 waren die 38 Prozent erreicht und ein Ende des 32 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Das Verhalten der UKW-Hörer an einem konkreten Landessendung »Zwischen Rhein und Weser« am frü- Sommer-Werktag, am 21. Mai 1954, zeigt die abge- hen Abend. bildete »Hörkurve«. Der Sommer-Werktag wurde hier als Beispiel gewählt, weil die Mittelwelle am Abend Allerdings sind zwei Auffälligkeiten zu beobachten. zwischen 20 und 22 Uhr ein alles andere als masse- Die eine betrifft das Zahlenniveau insgesamt. Konkret nattraktives Programm ausstrahlte: Von 20 bis 24 Uhr wurden bei »Zwischen Rhein und Weser« sowohl im wurde Pfi tzners Oper ‚Palestrina‘ übertragen. Trotz- August 1960 als auch im April 1961 nur 5 Prozent Hör- dem entschied sich die Hälfte derer, die beim NWDR beteiligung gemessen – gegenüber 14 Prozent 1954/ blieben, um diese Zeit für die Mittelwelle. An Abenden, 55. Aber dies relativiert sich, weil auch alle anderen an denen auf Mittelwelle Unterhaltsames ausgestrahlt Werte deutlich niedriger lagen. Die kumulierten Pro- wurde (wie etwa beim Beispiel-Winter-Werktag der zentwerte erreichten 1961 zu Spitzenzeiten höchs- NWDR-Untersuchung), lag die Hörbeteiligung dort tens 20 Prozent, 1954 waren es 30 Prozent gewesen. mindestens doppelt so hoch wie bei UKW. Wahrscheinlich liegt dem ein messtechnisches Pro- blem zugrunde, denn für 1952 gibt es sogar Kurven, Tagsüber wurde die Ultrakurzwelle von den UKW-Ge- die 60-Prozent-Werte darstellen. Ein genereller Rück- rätebesitzern so gut wie gar nicht genutzt; sie hör- gang des Radiohörens in so kurzer Zeit und in diesem ten ganz überwiegend Mittelwelle. Es gab da nur eine Ausmaß ist genauso wenig anzunehmen wie ein gra- Ausnahme, das spezielle Kölner Landesmagazin am vierender Einfl uss des Fernsehens, das erst allmäh- Vorabend. Schon 1955 wurde hervorgehoben: »Zu lich sein Massenpublikum fand. Zudem dürfte dann den beliebtesten Übertragungen zählt die Heimats- nur das Abendprogramm betroffen sein. endung ‚Zwischen Rhein und Weser‘, die sich durch- schnittlich 14 % aller Hörer anhören, die UKW-West Die zweite Auffälligkeit betrifft das Hörverhalten am empfangen können; das sind rund 800000 Zuhörer.«21 Nachmittag. Der WDR verlor hier eine Menge Hörer, und zwar an Luxemburg. Seit 1958 strahlte Radio Lu- Immerhin zeigt das, dass ein gewisser Bedarf nach xemburg am Nachmittag ein deutschsprachiges Pro- regionaler Information vorhanden war und das Ange- gramm aus, die Grafi k zeigt deutlich, wie erfolgreich bot recht gerne angenommen wurde. Letztlich ist dies es bei den Hörern war. Seinem Erfolg tat es auch kei- die Grundlage für die Erfolgsgeschichte einer Sende- nen Abbruch, dass es auf Mittelwelle ausgestrahlt reihe, die mittlerweile schon über 50 Jahre alt ist. wurde – eher im Gegenteil, muss man nach den all- gemeinen Daten zur Frequenznutzung sagen. Bis 1961 war im Prinzip die Vollversorgung mit UKW- Geräten erreicht. Im WDR-Gebiet betrug die Quo- Bleibt noch der dritte Aspekt, die Frage nach der Häu- te 88 Prozent. Auf diese gute Nachricht gab es für fi gkeit des Umschaltens zwischen den Programmen. die WDR-Verantwortlichen aber im Infratest-Bericht Immerhin gab es da schon 1955 eine gute Nachricht dann gleich einen herben Dämpfer. Es wurde näm- für die NWDR-Programmverantwortlichen. Ihre Hö- lich festgestellt, dass »jedoch nur etwas mehr als ein rerforschung stellte fest: »Während ungefähr die Drittel der Hörer im Laufe des Stichtages die Ultra- Hälfte der UKW-Hörer von der Möglichkeit des Pro- kurzwelle eingeschaltet« hatten. Und besonders viel grammwechsels Gebrauch macht, wechseln von den wurde dabei auch nicht gehört. Bezogen auf die tat- Nicht-UKW-Hörern etwa 80 % bis 90 % den Sender sächliche Hörzeit ergab sich, dass von 104 Minuten nicht. « 20 bis 30 Prozent der UKW-Hörer begnüg- nur 8 dem UKW-Programm gewidmet wurden. Einen ten sich sogar nicht nur mit zwei Sendereinstellun- gewissen Trost konnten die Kölner nur daraus ziehen, gen, sondern machten von drei oder vier Gebrauch. dass es andernorts auch nicht besser aussah: Beim Anhand konkreter Beispiele hoben die NWDR-Hör- Baden-Badener SWF entfi elen von 121 Minuten tat- erforscher denn auch hervor: »An diesem Punkt zeigt sächlicher Hörzeit auch nur 9 auf das zweite UKW- sich deutlich die echte Funktion der UKW-Sendun- Programm.22 gen, die darin besteht, ein ‚Gegensatzprogramm‘ zu den Übertragungen der Mittelwelle zu bieten.«23 ((Abb: Hör- und Sehzeiten im Gebiet des WDR Winter-Werktag Dieser Einschätzung wird man an sich nicht wider- 1961. ARD: Der Rundfunkhörer, Teilauswertung WDR, unpaginier- sprechen können: Strukturell wurden auf UKW tat- ter Anhang, Schaubild 2.)) sächlich Alternativen zum jeweiligen Mittelwellen- Programm geboten. Die UKW-Hörer scheinen dies auch genutzt zu haben. Allerdings muss hervorge- Das zusammenfassende Schaubild von 1961 zeigt hoben werden, dass selbst für 1961, gut zehn Jah- in seiner Struktur keine gravierenden Abweichungen re nach dem Sendestart der UKW-Programme, von von dem für 1954: Die WDR-Hörer nutzten nach wie ihrer Durchsetzung überhaupt keine Rede sein kann. vor fast ausschließlich das Mittelwellen-Programm. Der Mittelwellen-Empfang war noch immer erstaun- Auch die Ausnahme ist bereits bekannt: die Kölner lich dominant. Dussel: »Die Welle der Freude« 33 Fazit und Ausblick 1945. Erster Teil. München 1980, passim. 5 Die Ansage. Mitteilungen des Nordwestdeutschen Rundfunks. Nr. UKW-Hören war Anfang der 60er Jahre noch nicht 14, 11.4.1950, S. 3. zur Selbstverständlichkeit geworden. Auch die re- 6 Ebd., S. 2. gionalen Programmteile sicherten (zumindest dem 7 Hugh Carleton Greene an Hans Schmitt, o. D. [= Januar 1947]. In: WDR) keinen durchschlagenden Erfolg. Sie wurden Der neue WDR. Dokumente zur Nachkriegsgeschichte des West- zwar mehr genutzt als alle anderen Angebote, aber deutschen Rundfunks. Zusammengestellt und erläutert von Wolf dieses »mehr« ist relativ. Der Münsteraner Medien- Bierbach. Köln und Berlin 1978 (= Annalen des Westdeutschen forscher Josef Hackforth fasste deshalb Anfang der Rundfunks; 3), S. 58. 80er Jahre die Gegebenheiten der 60er Jahre aus der 8 Eduard Rhein: Die Welle der Freude. In: Hör Zu! 5 (1950), 30.4.- Perspektive der Nutzungsforschung präzisierend zu- 6.5.1950, S. 3. sammen: »Die regionalen Informationssendungen in 9 Auf der Basis der im Historischen Archiv des WDR erhaltenen Pro- Hörfunk und Fernsehen des WDR treffen auf ein ge- grammfahnen und der »Hör zu« wurden jeweils die Programme der ringes Interesse bei den Rezipienten, intensive kom- 41. und 42. Woche (4.-17. Oktober 1953 bzw. 5. -18. Oktober 1958) munikative Bedürfnisse und tatsächlicher medialer ausgewertet. Bedarf können durch die angewandte Medienfor- 10 Die Ansage. Nr. 14, 11.4.1950, S. 5. schung nicht nachgewiesen werden.«24 Die Sicht der 11 Vgl. Leo Flamm: Westfalen und der Westdeutsche Rundfunk. Eine Programmgestalter deckte sich nicht mit der des Pu- rundfunkhistorische Studie zur Regionalisierung. Köln u. a. 1993, blikums. Angesichts der Tatsache, dass heute eigent- S. 178. lich überhaupt niemand mehr Mittelwelle hört und 12 Vgl. dazu auch: Karl H. Karst: Regionalsprache im Massenmedium. sich UKW voll und ganz durchgesetzt hat, ist aus- Mundart und Dialekthörspiel. In: Walter Först (Hrsg): Rundfunk in blicksweise aber noch mit wenigen Bemerkungen auf der Region. Probleme und Möglichkeiten der Regionalität. Köln u. die eigentliche Umbruchsphase und ihre Gründe ein- a. 1984, S. 251-324. zugehen. 13 Vgl. dazu den Bericht Generaldirektor Grimmes für die NWDR-Ver- waltungsratssitzung am 26. April 1952. SFB. Bestand Dovifat. Ord- In den 60er Jahren vollzogen sich komplexe Verände- ner: Protokolle Verwaltungsrat vom 1. Januar 1952 (7282). rungen bei den Medien und ihrer Nutzung.25 Das zen- 14 Münstersche Zeitung, 3.3.1956. Zit. n. Flamm: Westfalen und der trale Stichwort ist die Verbreitung des Fernsehens als Westdeutsche Rundfunk, 1993 (Anm. 11), S. 181. Massenmedium. Der Hörfunk konnte sich behaupten, 15 Vgl. für den WDR: Först (Hrsg): Rundfunk in der Region, 1984 (Anm. musste sich aber umstrukturieren. Davon profi tierten 12) und Flamm: Westfalen und der Westdeutsche Rundfunk, 1993 auch die UKW-Programme. Als der WDR 1970 wie- (Anm. 11). der einmal von Infratest die Hörfunknutzung untersu- 16 Ungedrucktes Typoskript. Forschungsstelle zur Geschichte des chen ließ, wurde sein UKW-Programm doppelt so viel Rundfunks in Norddeutschland, Hamburg. genutzt wie das mit dem NDR gemeinsam betriebene 17 München 1960 und 1961. Vgl. dazu Hansjörg Bessler: Hörer- und Mittelwellen-Programm.26 Das war schon einmal ein Zuschauerforschung. München 1980, S. 134f. Erfolg. Trotzdem entfi elen darauf aber nur 34 Prozent 18 NWDR: Struktur und Verhalten der Hörer im Sendegebiet des der Hörzeit. 36 Prozent wurden dagegen für Radio Lu- NWDR. Ungedrucktes Typoskript vom Herbst 1952, S. 8. xemburg aufgewandt, und das sendete nach wie vor 19 Anonym: »Und nun: Die Mittler der Freude«. In: Hör zu 5(1950), 4.- auf Mittelwelle. UKW war damit zwar weiter auf dem 10.6.1950. Vormarsch, aber gegen massenattraktive Angebote 20 NWDR: Die Hör- und Lebensgewohnheiten, S. 61f. auf Mittelwelle hatte es kaum Chancen. Seine wirk- 21 Ebd, S. 62. liche Durchsetzung erfolgte deshalb erst, als die öf- 22 ARD: Der Rundfunkhörer, Teilauswertung WDR, S. 8 bzw. S. 11; Tei- fentlich-rechtlichen Anstalten in den 70er Jahren ihre lauswertung SWF, S. 12 bzw. S. 14. Programme weiter veränderten und sich für ausge- 23 NWDR: Hör- und Lebensgewohnheiten, S. 61 (Anm. 18). sprochene und jugendgemäße Unterhaltungsange- 24 Josef Hackforth: Perspektiven der Medienforschung. In: Först bote öffneten. (Hrsg.): Rundfunk in der Region, S. 343. 25 Vgl. ergänzend meinen Beitrag »Vom Radio- zum Fernsehzeital- ter. Medienumbrüche in sozialgeschichtlicher Perspektive« in: Axel 1 In: Hör zu 5 (1950), 30.4.-6.5.1950, S. 3. Schildt u.a. (Hrsg): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den bei- 2 Fritz Brühl: Funkhaus Wallrafplatz. Der Hörfunk zwischen Gefähr- den deutschen Gesellschaften. Hamburg 2000, S. 673-694. dung und Renaissance. In: Walter Först (Hrsg): Aus Köln in die Welt. 26 WDR: Hörfunknutzung und Spartenpräferenzen in Nordrhein- Beiträge zur Rundfunkgeschichte. Köln und Berlin 1974, S. 408f. Westfalen. Durchschnittswerktag 1970. Ungedrucktes Typoskript, 3 In: Hör zu 5 (1950), 30.4.-6.5.1950, S. 3. – Zu Eduard Rhein und sei- S. 24. nem Einsatz für die UKW-Technologie vgl. auch: Lu Seegers: Hör zu! Eduard Rhein und die Rundfunkprogrammzeitschriften (1931- 1965). Potsdam 2000, S. 280ff. 4 Vgl. zur Einführung in die Organisationsgeschichte von NWDR, WDR und NDR noch immer: Hans Bausch: Rundfunkpolitik nach 26 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Hörkurve Sommer-Werktag 1954 – NWDR: Hör- und Lebensgewohnheiten Hör- und Sehzeiten im Gebiet des WDR Winter-Werktag 1961. ARD: Der Rundfunkhörer, Teilauswertung WDR Dokumentation Goethes „Zauberlehrling“ auf dem Bildschirm. Fernseh-Inszenierung wird verfi lmt.1 Die Ballade „Der Zauberlehrling“ – nach der Dich- sen zu ertrinken droht. Ein gespenstisches Barock, tung Goethes von Professor Walter Braunfels für wie es Heckroth schon in einzelnen Tänzen zu dem das Fernsehen komponiert – wurde am 22. Febru- Film „Hoffmanns Erzählungen“ verwendete, wirkt ar vom NWDR-Fernsehen urgesendet. Diese Fern- sich auch in den phantastischen Kostümen aus, in seh-Inszenierung, an der der „Oscar“-Preisträger denen sich Tänzerinnen und Tänzer der Hamburgi- Hein Heckroth als Bühnenbildner, Helga Swedlund schen Staatsoper unter Helga Swedlunds Leitung als Choreographin und Herbert Junkers als Regis- zeigen. Der Tanz wechselt zwischen klassischem seur arbeiteten, wurde von dem englischen Regis- Spitzen- und Charaktertanz. Die Pariser Tänzerin – seur Michael Powell, dem Schöpfer der Filme „Die bulgarischer Herkunft – Sonja Arova wirbelt in tollem Roten Schuhe“ und „Hoffmanns Erzählungen“ auf Brio mit den stachelköpfi gen Besengestalten einher. Technicolorfi lm aufgenommen. Den Weltvertrieb Max Aust als alter Hexenmeister wirkt wie ein Ge- dieses Filmes hat die 20th-Century-Fox übernom- strüpp gewordener Zauberer Prospero aus Shake- men. Die Hauptrollen tanzen Sonia Arova und Max speares „Sturm“. Die Verschmelzung aller Balladen- Aust. Die musikalische Leitung hat Hans Schmidt- elemente zu stilistischer Einheit gelang vollkommen Isserstedt. unter der Regie von Herbert Junkers. Die Tatsache, daß diese Fernsehproduktion des Das Sinfonie-Orchester des NWDR unter Leitung NWDR zu einem Film von internationaler Geltung Hans Schmidt-Isserstedts schöpfte alle Feinheiten wird, beweist ihren großen Erfolg. Dabei wirken der Braunfels’schen Komposition aus. Den Text Goe- mehrere Faktoren zusammen, die dieses Ballett auf thes sang James Pease (Meister) mit seiner tragen- ein hohes künstlerisches Niveau hoben: die kompo- den, wohltönenden Stimme, und Anneliese Rothen- sitorische, die szenische und die choreographische berger ließ als Zauberlehrling ihren liebenswürdigen Leistung. Sopran hören. Bei der Komposition des „Zauberlehrling“ für zwei Singstimmen, großes Orchester und Frauenchor Stabangaben »Der Zauberlehrling« geht Walter Braunfels, wie er betont, von einer Situa- (»The Sorcerer’s Apprentice«): tion aus, die in Goethes Gedicht noch nicht existiert. Die Ballade beginnt damit, daß der Lehrling „ver- Produktionsjahr: 1954 suchsweise“ Puppen zum Leben erweckt und sich Darsteller: Sonia Arova (Zauberlehrling), von spielerischen Katzen und blinkenden Soldaten Max Aust (Hexenmeister), Gerhard Brose (Rabe), umtanzen läßt. Aus dieser nun schon „unwirklichen“ Erika Lihn (1. Katze), Rita van El (1. Puppe), Lage ernennt er – als der Hexenmeister ihn verlassen Sonja Grunicke (2. Puppe), Heinz Schmiedel (1. Be- hat – den Besen zu seinem Diener und kommandiert sen), Rolf Hepp (2. Besen), Sylvia Filzen (Kauz), das ihn zum Wassertragen. Hamburger Staatsopernballett Gesang: Anneliese Rothenberger (Zauberlehrling), In der Orchestrierung der symphonisch-lyrischen James Pease (Hexenmeister), Fritz Göllnitz (Rabe) Tondichtung lösen sich kapriziöse und delikate Ein- Fernsehregie: Herbert Junkers fälle unaufhörlich ab, wie das auch in dem Märchen- Filmregie: Michael Powell spiel „Die Vögel“ von Braunfels der Fall ist. Vom Sze- Kamera: Christopher Challis nischen her hat der Maler-Architekt Hein Heckroth 2. Kamera: Freddie Francis diese – von ihm mit inspirierte – Stimmung im hoff- Musik: Professor Walter Braunfels mannesken Groteskstil unterstrichen. Aus wild wach- Choreographie: Helga Swedlund sendem Gestrüpp mit alraunenhaften Wurzelbildun- Szenenbild: Hein Heckroth gen, in dem der Hexenmeister verschwindet, wird Art Department: Karl-Hermann Joksch hinübergeblendet in die Zauberküche. Orchester: NWDR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Hans Schmidt-Isserstedt Dort übt sich der Lehrling, von Rabe und Kauz um- fl attert, in den Wundern der Verwandlung, bis er in den aufsteigenden Fluten der wassertragenden Be- 1 In: Die Ansage, Nr. 165, 24. Februar 1954, S. 4. Harald Keller Kooperation mit dem NWDR-Fernsehen Kultregisseur Michael Powell1 und sein Ballettfi lm »Der Zauberlehrling« (1954) Der Ballettfi lm »Die roten Schuhe« (»The Red Shoes«, deren nur marginal oder mit falschen Angaben er- GB 1948) war 1948 ein Triumph gewesen. Emeric wähnt. Filmographien enthalten selten mehr als die Pressburger und Michael Powell hatten fünf Oscar- wichtigsten Daten. Selbst die Filmfestspiele von San Nominierungen verbuchen können, zwei ihrer Mitar- Sebastian, die den »Archers« im September 2002 beiter bekamen je eine der Statuetten ausgehändigt, eine umfassende Retrospektive widmeten, nannten und auch die Kassenergebnisse konnten sich sehen in ihrem Katalog – die gezeigte Kopie stammte vom lassen. Zuvor hatte das als »The Archers« fi rmieren- Londoner British Film Institute (BFI) – nur Regisseur, de Erfolgsteam unterschiedliche Aufnahme gefun- Drehbuchautor, Kameramann und Hauptdarstelle- den, zumal sich Powell und Pressburger auch an rin.3 Die genaue Besetzung und erst recht die Ent- kontroverse Themen herangewagt hatten. Zu Klas- stehungsgeschichte dieses Films sind in den meis- sikern aber wurden insbesondere die farbkräftigen, ten Werken nicht enthalten. Filmkundliche Annalen ihre fi lmischen Fantasien teils bis in surreale Berei- bleiben nicht zuletzt deshalb unergiebig, weil »Der che ausweitenden Technicolor-Epen wie »Irrtum im Zauberlehrling« als Koproduktion mit dem Fernse- Jenseits« (»A Matter of Life and Death«, GB 1946) hen des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) und eben »Die roten Schuhe«. Der Erfolg dieses un- entstand. ter Einfl uss des deutschen Kostüm- und Szenenbild- ners Hein Heckroth entstandenen Tanzfi lms bescher- Fündig wird man im Mitteilungsblatt des Senders, te Powell und Pressburger höchstes Ansehen und das der Information der Presse und der fachlich inte- eine Reihe von Produktionsaufträgen, bei denen es ressierten Multiplikatoren diente. Die »Ansage« vom jedoch wiederholt zu Zerwürfnissen mit den Geldge- 24. Februar 1954 enthielt einen ausführlichen Text zu bern kam, die nachträglich Änderungen an den vor- dieser aus damaliger Sicht bedeutenden Produktion gelegten Fassungen vornahmen. (Dokument). Erst 1951 wandten sich Powell und Pressburger mit Wie diese Zusammenarbeit von Fernsehen und Film- der Opernadaption »Hoffmanns Erzählungen« (»The regisseur zustande kam, lässt sich einer Reportage Tales of Hoffmann«, GB 1951) wieder dem Musikfi lm des Branchendienstes »fff-Press« entnehmen, der zu. Eine Besonderheit dieses fantastischen Episo- am 1. März 1954 nachgerade euphorisch über die denfi lms besteht darin, dass Regisseur Powell den Dreharbeiten in den Hamburger Fernsehstudios be- Komponisten Brian Easdale vorweg die Musik ein- richtete: spielen ließ, um erst dann Struktur und Regiekon- zept des Films zu entwickeln. »Hoffmanns Erzählun- »Dort spielt sich eine echte Sensation ab, die noch einige gen« erwies sich als einträglich, geriet allerdings in Sensatiönchen mitbringt. Erstmalig wird hier eine Fernseh- ein Insolvenzverfahren und ließ seine Urheber ohne sendung für den Film benutzt, statt daß, wie üblich, Filme für Einkünfte. In der Folgezeit übernahm Michael Powell Fernsehsendungen produziert werden. Erstmalig wird ein am- mehrere Regieaufträge am Theater und konzipierte bitionöser Farbfi lm von 30 Minuten Dauer statt in etwa zwei eine episodische Serie,2 die vermutlich dem Fernse- Monaten bereits in acht Tagen gedreht. Erstmalig wird eine hen zugedacht war, aber nie realisiert wurde. Sein Fernseh-Sendung mit Ballett nach dem Cinemascope-Breit- langjähriger Partner Emeric Pressburger widmete bild-Verfahren verfi lmt, und schließlich wird auch erstmalig ein sich seiner ersten und einzigen Solo-Regie und dreh- deutsches Stück mit englischen ‚Technikern‘ über einen ame- te ein Remake von »Das doppelte Lottchen« (»Twice rikanischen Verleih in alle Welt getragen.«4 Upon A Time«, 1953), bei dem er auch als Autor und Produzent verantwortlich zeichnete. Als Bindeglied zwischen der deutschen Rundfunk- anstalt und dem britischen Kinoregisseur Powell fun- Bis zum nächsten gemeinsamen Kinofi lm der »Ar- gierte dessen langjähriger Mitarbeiter Hein Heckroth. chers« sollten fünf Jahre vergehen. Zwischenzeitlich Ursprünglich bildender Künstler, hatte der gebürtige aber nahm Michael Powell noch einmal den Regie- Gießener als Szenenbildner fürs Theater gearbeitet sessel ein und inszenierte den Kurzfi lm »Der Zauber- und wurde nach seiner Emigration nach Großbritan- lehrling«, ein Ballett, dessen Handlung auf Goethes nien beim Film tätig. In Powell fand er einen Geistes- gleichnamigem Gedicht basierte. In vielen Monogra- verwandten. Es waren nicht zuletzt Heckroths Ideen phien über Powell wird dieser Film gar nicht, in an- und seine vom Surrealismus beeinfl ussten Set- und 38 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Kostümentwürfe, die Filmen wie »Die roten Schu- So überschwänglich die Berichterstattung der Fach- he« oder »Hoffmanns Erzählungen« zu ihrem Aus- presse über diesen spektakulären Medienwechsel nahmerang verhalfen. Heckroths Skizzen zu »Die ro- vom Fernsehen zum Film ausfi el, die folgende Ver- ten Schuhe« werden heute im New Yorker »Museum marktung des Films muss auf die deutschen Partner of Modern Art« verwahrt.5 Einfl üsse und Nachwehen ernüchternd gewirkt haben: Der ursprünglich halb- des für Powell und Heckroth typischen opulent-ar- stündige Film wurde auf dreizehn Minuten gekürzt und tifi ziellen Stils fi nden sich bei Regisseuren wie dem fand nur geringe Verbreitung. Michael Powell kom- leidenschaftlichen Powell-Verehrer Martin Scorse- mentierte rückblickend sogar vergleichsweise schroff: se, der während der Dreharbeiten zu »Wie ein wil- der Stier« (»Raging Bull«, 1979) mit Powell in Kon- »SORCERER’S APPRENTICE wurde in Hamburg gemacht. takt stand, in Francis Ford Coppolas »Einer mit Herz« Ich habe nie viel darüber gewußt. Ich kam, um ihn zu ma- (»One From the Heart«, 1981) oder auch Tim Burtons chen, weil ich Hein Heckroth, meinem alten Partner, verpfl ich- »Sleepy Hollow – Köpfe werden rollen« (»Sleepy Hol- tet war und die ganze Sache war ein Desaster. Es handelt sich low«, 1999). Der Kameramann Jack Cardiff erinnerte nicht um den musikalischen Score, den jeder kennt, es war ein sich in einem 1990 geführten Interview an Heckroth: neuer. Ich habe den Film nie wieder gesehen, wollte es auch »(…) nur wenige Filmdesigner waren so progressiv nicht.«11 wie Hein.«6 Powell selbst äußerte: »Hein Heckroth war mein Berührungspunkt mit europäischer Kunst, Das Motiv des Zauberlehrlings aber blieb für Po- als England, mein England, mich zu ersticken oder well weiterhin von Interesse. Anfang der 80er Jah- auszuhungern drohte.«7 re plante er eine Verfi lmung des »Earthsea«-Zyklus der US-amerikanischen Fantasy-Autorin Ursula Le Im Dezember 1953 erhielt Heckroth vom NWDR den Guin. Dessen Hauptfi gur ist ein junger Magier, der Auftrag, die Bühnenarchitektur und Kostüme für »Der nach und nach die Beherrschung seiner Kräfte erlernt Zauberlehrling« beizusteuern. Heckroths Studio be- und auf abenteuerlichen Pfaden seiner Bestimmung fand sich nach wie vor im Londoner Stadteil Chel- entgegengeht. 1980 drehte Powell als »artist-in-re- sea, dort entstanden auch seine Entwürfe, die zu- sidence« des Dartmouth College in New Hampshire fällig dem damaligen Europa-Chef von Technicolor mit einer Gruppe von Studenten den von Le Guin in- unter die Augen kamen.8 Vom Gesehenen in höchs- spirierten 16-mm-Film »The Ring of Erreth-Akbe«, tem Maße begeistert, regte der Farbfi lmexperte an, den er 1981 im Gespräch mit Olivier Assayas rückbli- das Fernsehballett auch ins Kino zu bringen. Die be- ckend als »kurzen Experimentalfi lm« beschrieb.12 Po- reits weitgehend vorbereitete TV-Inszenierung, die well begeisterte sich sehr für Le Guins Romane und unter der Regie Herbert Junkers am 22. Februar 1954 hatte mit großem Enthusiasmus erste Szenen nieder- von 20.45 Uhr bis 21.30 Uhr live ausgestrahlt wurde,9 geschrieben. Im November 1981 berichtete Powell in wurde einvernehmlich erweitert und auf die Notwen- einem Interview mit »Films and Filming«: »I began to digkeiten des Cinemascope-Formats zugeschnitten. rough out a script on the Ursula Le Guin trilogy. Ha- Die »fff-Press« berichtete von der Arbeit in den Ham- ving done a few sequences, I summoned up courage burger Studios: and sent them to her. She was delighted with them. I said, ‘In that case, let’s do the script together.‘«13 Po- Das Ballett konnte größer ausgebaut werden und seine Kos- well traf sich zweimal mit der Autorin, Briefe und Ent- ten, die für eine einzelne reine Fernsehsendung zu hoch gewe- würfe gingen hin und her. Als Setdesigner war dieses sen wären, so geschickt verteilt werden, daß sie auch den Pro- Mal David Hockney vorgesehen. Letztendlich fand duktionskosten des Films verbilligend zugute kamen. ‚Nicht Powell jedoch keine Geldgeber für das Projekt. Bis einmal eine halbe Million DM wird er kosten‘, schätzte Micha- zu seinem Tod im Jahr 1990 konnte er keinen weite- el Powell. Trotz Technicolor und der sehr hohen Lizenzgebühr ren Kinofi lm mehr realisieren. Ian Christie, langjähri- für die zwei Cinemascope-Linsen vor der amerikanischen Mit- ger Mitarbeiter des British Film Institute und selbst chell-Kamera. Er wird im Auftrag der amerikanischen ‚Film Lo- Dokumentarfi lmer, der Powell in dessen letzten Le- cation‘ Firma gedreht, in London fertiggestellt und dann von bensjahren sehr nahe stand und wertvolle Informati- Centfox mit etwa 200 Kopien in den Weltvertrieb gegeben (...). onen überlieferte, kommentierte: Mit den bereits berühmt gewordenen Mitteln ‚Sackleinwand und Draht‘ zauberte Oscar-Preisträger Heckroth einen fan- »There might, for instance, have been a successor to THE tastischen Wald, in dem Zauberlehrling und Hexenmeister an- THIEF OF BAGDAD, if a speculative adaptation of Ursu- mutig-grotesk agieren. Sonja Arova, eine Bulgarin aus Paris, la Le Guin’s THE WIZARD OF EARTHSEA had found ba- und Max Aust vom Hamburger Staatsopernballett tanzen die cking around the time of Powell’s residency at Zoetrope in Hauptrollen vor dem Opernballett. In englischer, französischer the early 1980s. This magical tale of a young wizard’s ap- und deutscher Sprache wird geprobt und inszeniert. Das geht prenticeship amid the precisely imagined Nordic archipe- in unheimlicher Präzision, ohne Lärm, ohne Startum vonstat- lago of Earthsea recalls so many Powell motifs – from the ten. Wohltuend und unauffällig. Am unauffälligsten Michael impact of Lang’s SIEGFRIED to the Scottish island lore of Powell, des Zauberlehrlings bester Meister.10 I KNOW WHERE I’M GOING and a 1955 ballet short of ‚The Keller: Kooperation mit dem NWDR-Fernsehen 39 Sorcerer’s Apprentice‘ – that its failure to find backing must be keenly regretted.«14 Jahre später war es dann das Fernsehen, genauer gesagt die auf Mythen und Fantasy-Stoffe speziali- sierte Produktionsfi rma Hallmark, die eine Filmadap- tion des »Earthsea«-Stoffs vornahm. In Deutschland wurde der Zweiteiler am 18. und 21. Januar 2005 un- ter dem Titel »Earthsea – Die Saga von Erdsee« von »ProSieben« ausgestrahlt. 1 1905–1990. 2 Scott Salwolke zufolge sollte sie den Titel »Powell’s Tales« tragen. Vgl. Scott Salwolke: The Films of Michael Powell and the Archers. Lanham und London 1997, S. 199f. 3 Vgl. http://www.powell-pressburger.org/Trips/SanSebastian/ Donostia/SorcerersApprentice.html, Zugriff 25.9.2005. In ei- nem Augenzeugenbericht über die Festivalaufführung von »A Sorcerer’s Apprentice« heißt es: »No details given on screen of who danced any roles apart from the Apprentice, also no credit givn [sic!] to the narrator.« (http://www.powell-pressburger.org/ Trips/SanSebastian/SS03.html, Zugriff 25.9.2005). 4 Ein internationaler Zauberlehrling. Deutsche Fernsehsendung wird verfi lmt. In: fff-Press, Nr. 8, 1. März 1954, S. 8. Vgl. auch: Eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Film und Fernsehen. In: Fern- seh-Informationen, Nr. 4, 1954, S. 87. 5 Das Museum zeigte »Die roten Schuhe« anlässlich des 100. Ge- burtstages des Regisseurs am 30.09.2005. Anwesend waren auch Martin Scorsese und Thelma Schoonmaker, Powells Witwe. 6 Katharina Spielhaupter: »Wir besaßen den gleichen Enthusias- mus …« Interview mit Jack Cardiff. In: Hilmar Hoffmann und Wal- ter Schobert (Hrsg.): Hein Heckroth: Film-Designer. Frankfurt am Main 1991 (= Kinematograph. Schriftenreihe des Deutschen Film- museums, Nr. 7), S. 49-55; Zitat, S. 55. 7 Zit. n. Nannette Aldred: Hein Heckroth in England. In: Hilmar Hoff- mann und Walter Schobert, 1991, S. 23-32; Zitat S. 25. 8 Nach Auskunft des Technicolor-Mitarbeiters Michael Sterling han- delte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Kay Harrison: »Mr. Kay Harrison was managing the Technicolor operation in London in 1950. Harrison reported directly to Mr. Kalmus, the CEO [chief executive offi cer; Anm. HK] of Technicolor. The Lab in Rome did not begin operations until 1955.« Email-Nachricht an den Verfas- ser vom 26. August 2005. 9 Eine Wiederholung wurde am 20. Dezember 1954 um 21.30 Uhr ge- sendet. – Der Fernsehfi lm ist nicht erhalten. Recherche im Fern- seharchiv des NDR, 1.9.2005. 10 fff-Press, Nr. 8, 1. März 1954, S. 8. 11 Zit. n.: Stefan Braun u. a.: Living Cinema: Powell & Pressburger. München 1982 (=KinoKonTexte, 3), S. 103. 12 Olivier Assayas: Interview with Michael Powell. In: David Lazar (Ed.): Michael Powell. Interviews. Jackson 2003, S. 71-78; Zitat, S. 73. (Das Interview erschien ursprünglich in den »Cahiers du ci- néma«, März 1981). 13 Films and Filming, November 1981. Zit. n.: http://www.powell- pressburger.org, Zugriff 15.12.2004). 14 Ian Christie: Michael Powell. After and before the Archers. In: Sight & Sound, Winter 1989/90, S. 79. Miszellen Das literarische Fernsehen. Zudem wird das Symposium von einer Fernsehfi lm- Beiträge zur deutsch-deutschen Medien- reihe begleitet, in der ‚vergessene‘, aber signifi kan- kultur – Tagungsankündigung te Produktionen gezeigt und mit Gästen diskutieren werden: Vorgesehen sind u.a. »Fetzers Flucht« (Gün- Seit nunmehr vier Jahren besteht die DFG-For- ter Kunert/ Günter Stahnke 1962), »Anlauf« (Benito schergruppe zur Programmgeschichte des DDR- Wogatzki/ Egon Günther 1971), »Irrlicht und Feuer« Fernsehens/DFF. Ein Teilprojekt widmet sich an der (Max von der Grün, Gerhard Bengsch/ Heinz Thiel, Humboldt-Universität Berlin den Programmleistun- Horst E. Brandt 1966). gen, Strukturen und Arbeitsweisen des Bereichs Fernsehdramatik und konzentriert sich hierbei auf Informationen und Tagungsanmeldung: Literaturverfi lmungen. Termin: 19. bis 21. Januar 2006 Ort: Deutsches Historisches Museum Berlin Um die Ergebnisse dieser Arbeit präsentieren und die (Auditorium und Zeughauskino) ostdeutsche Television mit westdeutschen Entwick- Dr. Thomas Beutelschmidt / Henning Wrage lungen vergleichen zu können, veranstalt das Teilpro- Humboldt-Universität jekt Fernsehdramatik/Literaturverfi lmungen vom 19. Institut für Deutsche Literatur bis 21. Januar 2006 das Symposium »Das literarische Unter den Linden 6, 10099 Berlin Fernsehen. Beiträge zur deutsch-deutschen Me- Telefon: 030/859 14 13 (Beutelschmidt) dienkultur« mit und im Deutschen Historischen Mu- 030/485 32 94 oder 0162/469 83 40 (Wrage) seum Berlin. Die Tagung wird vom Deutschen Rund- Fax: 030/85 96 20 49 funkarchiv Potsdam-Babelsberg unterstützt. E-Mail: box12161@aol.com (Beutelschmidt) henning.wrage@rz.hu-berlin.de (Wrage) Geplant ist eine Reihe von Vorträgen mit kultur- bzw. literaturwissenschaftlichen sowie medienhistori- schen Fragestellungen aus Ost- und Westsicht. Ins- »Raoul Duke«, »Dr. Gonzo«: Zum Tod gesamt wollen die Veranstalter damit auf der einen von Hunter S. Thompson (1937–2005) Seite einen substantiellen Beitrag zur Analyse und Rekonstruktion der sozialistischen Medienlandschaft Es war ein Abgang ganz nach seinem Lebensstil. Ex- leisten und die Forschungsbemühungen zusammen- trem und überdreht. Mit einem Knall, ohne Wimmern, fassen, auf der anderen Seite den kontrastiven Dialog von eigener Hand. Die Gründe geben Anlass zur Spe- zwischen Ost und West fördern bzw. zu weiterführen- kulation. Am 20. Februar 2005 nahm sich der Journa- den (gemeinsamen) Untersuchungen anregen. list und Autor Hunter Stockton Thompson auf seiner Farm in Woody Creek bei Aspen in Colorado (USA) Im Mittelpunkt stehen folgende Themen: das Leben. Unerwartet. Dabei war das Unerwartete stets das, was man von Thompson erwarten konnte. ■ Die Bedeutung der Literatur für die Etablierung des Waffen- und Sprengstoffnarr war er seit Langem. Wer Fernsehens und ihre Funktion heute, verbunden mit sich seinem weitläufi gen Grundstück näherte, muss- theoretischen Annäherungen an Literaturverfi lmun- te damit rechnen, beschossen zu werden. Der Sheriff gen des County war Thompsons ärgster Feind; einst ließ ■ Unterschiede und Gemeinsamkeiten im fernsehlite- er die Farm wegen des Verdachts auf sexuelle Nö- rarischen Kanon in Ost und West tigung und unerlaubten Waffenbesitz durchsuchen; ■ Modelle und Prinzipien literarischer Adaption bzw. ein langwieriger Prozess folgte. Thompson gewann Präsentation sowie die besondere Inszenierung dra- ihn. Der eigentliche Hintergrund dürfte aber vermute- matischer Vorlagen für den Bildschirm ter Drogenbesitz gewesen sein. Und wer Thompsons ■ Bewertungen der DDR-Fernsehdramatik im inter- Bücher las, musste nach literarischen Drogenspuren nationalen Kontext. auch nicht lange suchen. Der selbsternannte »Dr. of Alle Beiträge werden in einer Publikation bis Ende Journalism« lebte auf der Grenze. 2006 veröffentlicht. Geboren wurde Hunter S. Thompson am 18. Juli 1937 Neben der Wissenschaft werden auch die künstleri- (eine Biographie nennt fälschlich 19391) in eine gut- schen und dramaturgischen Aspekte der Fernsehar- bürgerliche Familie in Louisville, Kentucky. Der frühe beit beleuchtet, zu denen Autoren, Regisseure und Tod des Vaters ließ den jungen Hunter eigenwillig und Redakteure auf zwei Podien im Anschluss an das rebellisch werden. Wegen eines nie ganz aufgeklär- jeweilige Tagungsprogramm Stellung nehmen kön- ten üblen Streiches wurde er kurz vor dem Abschluss nen. 1955 von der High School relegiert und nolens vo- Miszellen 41 lens für die US-Luftwaffe rekrutiert. Der Umgang Anschlussaufträge (›Harper‘s‹, ›Esquire‹) und damit mit Waffen – im amerikanischen Süden schon im- relativer Wohlstand. mer die sportliche Beschäftigung eines Gentleman – und Fluggerät reizte ihn. Thompsons lockerer Um- Ein Zündsatz ganz anderer Art schlich sich im Ver- gang mit Alkohol standen einer ernsthaften militäri- lauf der Recherchen zu »Hell‘s Angels« ebenfalls in schen Karriere allerdings im Wege. Einordnen, gar Thompsons Leben. Lange schon kein Verächter von disziplinieren ließ sich der junge Tunichtgut und Ex- vielerlei Genussdrogen, machte er Bekanntschaft mit zentriker ohnehin nicht. Also versetzte man ihn dort- LSD – seinerzeit noch eine legale Substanz. Die Dro- hin, wo er am wenigsten Schaden anrichten konnte: ge sollte ihn und seinen Schreibstil bald prägen. The- in die Stützpunktzeitung. Schon zu Schulzeiten hatte matisch beeinfl ussten Thompson zeitgleich die politi- Thompson Artikel geschrieben; jetzt wurde er Sport- schen Ereignisse in den USA um 1968: die Unruhen, berichterstatter. Mit ein paar kreativen Tricks wurde die Proteste, die neuartigen Wahlkampfi nszenierun- er 1957 ehrenvoll aus der Luftwaffe entlassen.2 Er war gen, das Attentat auf Bobby Kennedy. Für Thomp- frei und begann, ein Leben an den Rändern des da- son alles Zeichen für den »Tod des amerikanischen mals gesellschaftlich Akzeptierten zu genießen: »life Traums«. Die Dystopie der Verlogenheit wurde sein on the edge«, ein Topos, der sich in späteren Schrif- Haupttopos der nächsten Jahrzehnte, Richard Nixon ten immer wieder fi nden sollte. sein Hauptfeindbild. Thompson arbeitete als freier Journalist und schrieb Ab 1970 arbeitete Thompson regelmäßig für das Ma- solide, elegante Reportagen, nicht ohne Witz. Um gazin ›Rolling Stone‹, dessen Sport-Ressortleiter er Frau und Kind zu versorgen, musste er Gelegen- wurde. Er war oftmals so unzuverlässig, dass seine heitsjobs annehmen. Ab 1962 arbeitete er, inzwi- Artikel zum Teil auf bloßen Abschriften seiner Notizen schen von San Francisco aus, für zwei Jahre fest für beruhten. Verlagsmitarbeiter mussten sie Thompson den ›National Observer‹ – bis man dort seinen Hang abluchsen, wenn er wieder einmal nicht rechtzeitig zur Vermischung von Fakt und Fiktion entdeckte. So sein Manuskript einreichte. Aber der Chefredakteur genau nahm es Thompson mit Quellen meist nicht. mochte seinen zunehmend direkten, rohen, auch Die journalistischen Rituale von Objektivität und Dis- bösartigen Stil. Und ließ ihm viele Freiräume. Auch tanziertheit hätten ihn wohl auch gehindert, die Ge- zur Selbstinszenierung. genkultur der 60er und 70er Jahre angemessen er- zählen zu können. Auf der Suche nach neuen Stories Mit seiner weit schweifenden Imaginationsfähigkeit und neuen Abnehmern entdeckte er 1964 eine Rand- kreierte Thompson (unter dem Pseudonym »Raoul gruppe, die damals mit ihrem gewalttätigen Auftrit- Duke«) 1971 um ein an sich belangloses Motorrad- ten in Kalifornien für viel publizistisches Aufsehen rennen in der Wüste von Nevada einen Meilenstein sorgte und die den jungen Journalisten faszinierte: der jüngeren amerikanischen Literatur: »Fear and die Motorradgang »Hell‘s Angels«. Thompson hatte Loathing in Las Vegas«.6 Dessen Zuordnung zu ei- »seine« Geschichte. Das liberale Magazin ›The Nati- nem Genre fällt schwer: Reportage? Roman? »New on‹ druckte sie im April 1965; ihr Autor machte sich Journalism«? Drogenmanifest? Blanke Anarchie? einen Namen. Und Thompson schien sich sogar an Unfug? In jedem Fall ein überdrehter Trip. Eine wil- die Fakten zu halten. Bald schon hatte er auch ei- de Reise, wie schon der Untertitel suggeriert. Auf der nen Buchvertrag unterschrieben. Die erweiterte Überholspur. Ein Erlebnis. Und kaum ein paar Zeilen Monographie erschien 1967 und war seinerzeit ein lang geht es tatsächlich um ein Motorradrennen. Hier bescheidener Bestseller. Dank zahlreicher Taschen- schrieb ein in mehrfacher Hinsicht Süchtiger. Thomp- buch-Neuaufl agen hat sie bis heute eine Aufl age von son selbst nannte es »Gonzo Journalism«, eine Ver- einigen Millionen erreicht.3 Das Buch, eine brillante mischung aus Fakten und Visionen – in diesem Fall: Mischung aus Reportage und soziologischer Ana- vielen Visionen. Und Thompson wurde endgültig be- lyse, war das Ergebnis einer fast zweijährigen teil- rühmt. Auch als Humorist – wahrscheinlich die ange- nehmenden Beobachtung. Thompson hatte sich ein messenste Lesart von »Fear and Loathing« . Motorrad gekauft und fuhr mit den »Hell‘s Angels« mit. Diese beäugten den intellektuellen Außensei- Weitere Bücher und journalistische Arbeiten folgten. ter meistenteils mit großer Skepsis, respektierten Auch sie handelten von Süchtigen: Politikjunkies, ihn aber zunehmend. Gegen Ende der Recherchen Sportjunkies, Lebensjunkies. Ab Ende der 70er Jah- schlugen sie Thompson beinahe tot, weil sie glaub- re begann Thompson, seine gesammelten Artikel und ten, er nutze sie aus. Eine Geschichte der Extreme. Miszellen in Sammelbänden zu verwerten (»The Gon- Das Buch ist in seinem Detailreichtum und in sei- zo Papers«), deren Titel für sich selbst sprechen.7 Er ner Schärfe bis heute bestechend: ein frühes Bei- lebte zurückgezogen und rätselhaft abgeschottet auf spiel des »New Journalism«4 wie auch der ethno- seiner Farm in Colorado, als eine Art modernes Ora- graphisch orientierten qualitativen Sozialforschung5 kel. Er war mit hochrangigen Politikern (Nixon, Clinton – und Thompsons Initialzündung. Schnell fanden sich u.a.) persönlich bekannt und schrieb Kolumnen und 42 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Bücher über sie. Oft böse, immer bissig, aber selbst Teufl isch gut: mephisto 97.6, das universitäre im Falle Nixons immer mit hohem Respekt – vor des- Leipziger Lokalradio wird zehn Jahre1 sen ausgeprägten Football-Kenntnissen. Die litera- rische Originalität von Thompsons Polemiken nahm »31. Mai 1995, 18 Uhr. Hier ist »mephisto 97.6«, das indes ab. Aus dem »angry young man« war längst ein Uni-Radio. Ab heute sind wir täglich zu hören – fast alter, verbissener Mann geworden, dessen Wut im- täglich: und zwar montags bis freitags, jeweils von mer bemühter und vor allem auf sich selbst gerichtet 10 bis 12 und von 18 bis 20 Uhr.« Mit dieser Anmo- wirkte. Altersmilde war Thompson fremd. deration begann vor zehn Jahren der bis heute un- unterbrochene Sendebetrieb des ersten terrestrisch In seinen letzten Lebensjahren erschienen in Buch- ausgestrahlten Universitäts-, Ausbildungs- und Lo- form nur noch nachgelassene Altnotizen, die groß kalradios im deutschsprachigen Raum. Etwa 800 vermarktet wurden, wohl weil »Fear and Loathing« Studierende der Kommunikations- und Medienwis- 1998 populär und durchaus adäquat verfi lmt wor- senschaft, der Journalistik, aber auch anderer Fä- den war.8 Thompson soll an Depressionen gelitten cher von der Arabistik bis zur Zahnmedizin erhielten haben. Der Zustand des amerikanischen Traums in bei »mephisto 97.6« innerhalb von zehn Jahren eine der Ära Bush II gab ihm allen Anlass. Edge City, fi - wissenschaftlich fundierte, zugleich praxisnahe Ra- nally? »God‘s mercy on you swine!«9 Das hätte ihm dioausbildung. 55 studentische Chefredakteure, bei- als Epitaph sicher gefallen. Für wen auch immer. Ei- nahe 100 Moderatoren und etwa 200 Ressortleiter nen Grabstein wird es nicht geben. Seine Asche ließ sammelten jeweils mindestens ein Semester lang Er- Thompson im August 2005 von einer Kanone ver- fahrungen in der Übernahme von Verantwortung fürs schießen – als öffentliches Happening. Programm und für die Organisation. Viele Absolven- Oliver Zöllner, Essen ten fanden ihren Platz bei öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Radiosendern, in Online-Re- 1 Vgl. Paul Perry: Fear and Loathing. The Strange and Terrible Saga daktionen, als Pressesprecher, Medienpädagogen of Hunter S. Thompson. London 1994; richtig dagegen Peter O. und in der Öffentlichkeits- und Kulturarbeit. Ein Pa- Whitmer: When the Going Gets Weird. The Twisted Life and Times radebeispiel für den Transfer von Universitäts-Absol- of Hunter S. Thompson. New York 1993. venten in den Arbeitsmarkt. 2 Vgl. Hunter S. Thompson: The Great Shark Hunt. Strange Tales From a Strange Time (= Gonzo Papers, Vol. 1). New York 1979, S. 14. Rückblick 3 Hunter S. Thompson: Hell’s Angels. A Strange and Ter- rible Saga. New York 1967 (dt. erstmals München 2004). Das bis heute einmalige Projekt ist ein Kind der frühen 4 Vgl. Tom Wolfe: The New Journalism. With an Anthology Edi- Nach-Wendezeit. Es steht modellhaft für den erfolg- ted by Tom Wolfe and E. W. Johnson. New York 1973. Hier- reichen gemeinsamen Aufbruch von Studierenden in fi ndet sich auch ein Ausschnitt aus Thompsons »Hell’s und Lehrenden ehemals »abzuwickelnder« Lehrbe- Angels«. Vgl. weiterhin Hannes Haas/Gian-Luca Wallisch: Li- reiche der Alma Mater Lipsiensis in eine demokra- terarischer Journalismus oder journalistische Literatur? Ein tische Zukunft, in der die Vernetzung von Theorie Beitrag zu Konzept, Vertretern und Philosophie des »New und Praxis sowie von Fachgebieten selbstverständ- Journalism«. In: Publizistik, Jg. 36 (1991), H. 3, S. 298–314. lich ist. Es steht modellhaft für die Innovationskraft 5 Vgl. Andrea Fontana/James H. Frey: The Interview. From Structu- des Nachwende-Rektoratskollegiums, besonders red Questions to Negotiated Text. In: Norman K. Denzin/Yvonna des Rektors Prof. Dr. Cornelius Weiß und des Kanz- S. Lincoln (Hrsg.): Collecting and Interpreting Qualitative Materi- lers Peter Gutjahr-Löser. Es steht modellhaft für die als. 2. Aufl age, Thousand Oaks u.a. 2003, S. 61–106 mit mehreren vorausschauende Kooperation zwischen dem Insti- Hinweisen auf Thompsons »Hell’s Angels«. tut für Kommunikations- und Medienwissenschaft 6 In Buchform: Hunter S. Thompson: Fear and Loathing in Las Vegas. (IKMW) und der Sächsischen Landesanstalt für pri- A Savage Journey to the Heart of the American Dream. New York vaten Rundfunk und Neue Medien (SLM). 1972 (dt.: Fear and Loathing in Las Vegas, Frankfurt/Main 1977, spä- tere Ausgaben u.d.T. Angst und Schrecken in Las Vegas, Reinbek Bereits am 1. November 1992 überraschte Prof. Dr. 1984). Karl Friedrich Reimers, Gründungsdekan des Fach- 7 Vgl. Hunter S. Thompson: The Great Shark Hunt (wie Anm. 2); bereichs Kommunikations- und Medienwissenschaf- ders.: Generation of Swine. Tales of Shame and Degradation in ten, den Direktor der gerade gegründeten SLM, Det- the ‘80s (= Gonzo Papers, Vol. 2). New York u.a. 1988; ders.: Songs lev Kühn, während der II. Internationalen Leipziger of the Doomed. More Notes on the Death of the American Dream Hochschul-Medientage im voll besetzten Hörsaal 13 (= Gonzo Papers, Vol. 3). New York u.a. 1990; ders.: Better Than mit der unerhörten Idee, ein Universitätsradio zu er- Sex. Confessions of a Political Junkie (= Gonzo Papers, Vol. 4). möglichen. Kühn nahm das wohlwollend auf, und die New York 1994. Idee steckte an: erste Campusradio-Pilotprogram- 8 USA 1998, Regie: Terry Gilliam. Die Hauptrolle des »Raoul Duke« me realisierte eine Gruppe von Studierenden unter spielt Johnny Depp. der Leitung des Autors dieser Zeilen2 an den Tagen 9 Thompson 1972 (wie Anm. 6), S. 204. der Offenen Tür im Mai 1993 und 1994 mit Hilfe der Miszellen 43 Techniker des bereits existierenden Hörfunk-Studios unterstützt von der Friedrich-Ebert-Stiftung, tra- im Seminargebäude.3 Als Anfang 1994 neue Radio- gen seit vielen Jahren die Ausbildungs-Kompetenz frequenzen in Sachsen ausgeschrieben wurden, ar- des Senders, vor allem auch des inzwischen illus- beitete die Initiativgruppe aus Lehrenden und Ler- tren Absolventen- und Freundeskreises, nach au- nenden4 eine detaillierte Bewerbung aus, die vom ßen. Programmliche Brückenschläge gehörten von Rektoratskollegium, vom Gewandhaus-Kapellmeis- Anfang an zum Credo des Senders: Seit 1995 fi n- ter Kurt Masur, vom Schauspielhaus und von ande- det ein kontinuierlicher Exkursions- und Workshop- ren kulturellen Institutionen in der Stadt unterstützt Austausch von Lehrenden und Radio-Studierenden wurde. Erfahrungen aus den USA, wo Universitäts- zwischen der Partneruniversität in Athens (Ohio) und radios seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts ver- »mephisto 97.6« statt. Inzwischen wird auch der Aus- breitet sind, brachte Professor Robert Stewart von tausch mit den neuen östlichen EU Staaten prakti- der Partner-Universität in Athens (Ohio) ein. ziert. Thematische Schwerpunkte sind seit dem Pro- grammstart ein Markenzeichen des Programms. Zu Am 22. November 1994 entschied die SLM-Ver- den jüngsten Highlights gehörte die Programm-Wo- sammlung, der Universität eine eigene Lizenz für ein che »Go east«, in der »mephisto 97.6«-Reporter an- werktäglich vierstündiges »lokales Vollprogramm« lässlich des Beitritts live aus den neuen EU-Staaten zur »praxisnahen Ausbildung von Studenten« zu er- berichteten. Die gemeinsam mit dem Leipziger Bür- teilen , das der Information, Bildung und Unterhaltung gerradio »Blau«6 verwirklichte aktuelle Berichterstat- dient, einen »objektiven Überblick über das Gesche- tung von der Leipziger Oberbürgermeister-Wahl im hen in dieser Region« gibt, die »Interessen der Bürge- April 2005 war ein weiterer Programm-Höhepunkt. In rinnen und Bürger« berücksichtigt, zur »freien indivi- den USA sind »mephisto 97.6«-Beiträge in Englisch duellen und öffentlichen Meinungsbildung« beiträgt, im »Radio Goethe – The German Voice«7 zu hören. bei dem die »Eigenständigkeit der Redaktion sicher- gestellt« und die »Gestaltungs- und Meinungsfreiheit Fünf Jahre waren nötig, um »mephisto 97.6« in der der Redakteure garantiert« sind.5 Dies waren Anfor- Stadt, im Freistaat, aber auch national und interna- derungen und Garantien der Meinungsfreiheit, wie tional bekannt zu machen. Heute kommt der Sen- sie an ein öffentlich-rechtliches Rundfunkprogramm der nach wie vor seiner Ausbildungsaufgabe nach: gestellt werden, und das war durchaus im Sinne des so aktuell und korrekt wie irgend möglich in den auf ein professionelles Ausbildungsprogramm ab- Nachrichten und in den Magazinen »Faustschlag« zielenden Lizenz-Antrags. Nach intensiven Vorarbei- und »Direkt« zu informieren, mit Hörspiel-, Fea- ten im SS 1994 und im WS 1994/95 stand die Initia- ture- und Themensendungen zu bilden und mit Mu- tivgruppe aus Lehrenden und Studierenden in den sik-, Film- und satirischen Programmen zu unterhal- Startlöchern. So konnte unmittelbar nach der in der ten. Zur Ausbildung gehört auch, die Veränderung deutschen Rundfunkgeschichte bis dahin einmali- der Medienlandschaft zu begleiten und sich mit zu gen Lizenzvergabe mit den Trainingskursen begon- verändern; die berufl iche Zukunft der Studierenden nen werden, geleitet vom ehemaligen stellvertreten- verlangt es. Stichworte sind hier: Formatierung, Di- den. Programmchef von RIAS 2, Jörg Brüggemann. gitalradio und Onlinejournalismus. Mit der seit 2004 Professionelle Organisations- und Verantwortungs- praktizierten »Profi llinie Radio« im Lehrangebot des strukturen wurden aufgebaut und Trainingskurse un- Instituts für KMW wird dieser fl exiblen Spezialisie- ter ‚heißen‘ Bedingungen mit zunehmend begeister- rung Rechnung getragen. Ein Master-Studiengang ten Studenten realisiert. Finanziert aus Mitteln der »Radio-Journalismus« ist in Vorbereitung. »mephis- Universität, der SLM und von Sponsoren, ersetz- to 97.6« leistet seit zehn Jahren einen wesentlichen te im Mai 1995 ein hochmodernes, teilweise digita- Beitrag zur gegenwärtigen und künftigen Medien- les ‚Selbstfahrerstudio‘ die veraltete Hörfunktech- kultur. nik. Sender- und Leitungskosten übernahm seitdem Rüdiger Steinmetz, Leipzig kontinuierlich die SLM, Kosten der Stellen für journa- listische und technische Betreuer, Räume und Ver- 1 www.mephisto976.de brauchsmittel die Universität. Von Anfang an akqui- 2 Studierende um Sven Jánszky, Werner Lange, Thoralf Kessler, rierten Programmdirektion, Chefredaktion und das Christian Rohde; Prof. Steinmetz war erster geschäftsführender Ressort PR/Öffentlichkeitsarbeit Sponsorenmittel, Direktor des Instituts für KMW, seine Mitarbeiterin Dr. Antje Enigk. da »mephisto 97.6« nicht im Programm werben darf. 3 Techniker um Dipl.-Ing. Andreas Wolf und Dipl.-Ing. Thomas Taszarek. 4 Im SS 1993 wurden Dr. Hartmut Warkus, Leiter des Zentrums für Gegenwart Medien und Kommunikation (ZMK), und im WS 1993/94 Prof. Dr. Bernd Schorb und Gastprofessor Dr. Martin Löffelholz als wei- Heute gehört die von der Verbundnetz Gas AG (VNG) tere wesentliche Gründungs-Initiatoren gewonnen. Als Lehrbe- unterstützte Weiterbildung von Journalisten im Wirt- auftragter unterstützte der ehemalige Hörfunkdirektor des Hes- schaftsbereich zu den wichtigsten »mephisto 97.6«- sischen Rundfunks, Friedrich Franz von Sackenheim, das Projekt. Kooperationen. Sommer- und Winterakademien, Unterstützt wurde die Vorbereitung außerdem von den Dozenten 44 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Dr. Sigrid Hoyer, Prof. Dr. Siegfried Schmidt und den Dipl.-Sprech- Smith präsentierten erste Ergebnisse aus ihrem For- wissenschaftlerinnen Ilka Rausch und Christine Bismarck. Zur pro- schungsprojekt, das in Vorbereitung des 75-jähri- grammlichen Verbesserung trugen zwischen 1996 und 2001/02 gen Bestehens der BFI zurzeit an der Queen Mary Heide Schwochow im Programmbereich Hörspiele, Features bzw. University of London durchgeführt wird (http:// Dr. Margret Lünenborg bei den journalistischen Programmen bei. www.history.qmul.ac.uk/research/BFIproject.html). 5 Schriftlicher Lizenzbescheid der SLM vom 21.12.1994; Laufzeit: bis Hier liegt der Fokus auf einer unterschiedlichen Be- 2005, inzwischen bis 2009 verlängert. wertung von Film als Kunst oder als Ware und damit 6 »Radio Blau« hatte am selben Tag wie mephisto 97.6 und Radioro- einhergehend auf dem Einfl uss des BFI auf die briti- pa Info eine Sendelizenz auf 97,6 MHz erhalten. sche Filmkultur. Im Panel zum »Europäischen Kino 7 Jeden Donnerstagabend über KUSF San Francisco, über weitere im Zeitalter des Fernsehens« beschäftigte sich Gra- Stationen: u.a. Tucson, Madison, Portland, New York und im Inter- ham Roberts mit der Einfl ussnahme von professio- net: http://www.radiogoethe.org/ nellen Scriptwriting-Schulen und deren Lehrbücher auf eine schwindende Vielfalt von kreativen Hand- schriften. Stephen Hay andererseits untersuchte die Screen-studies Conference amerikanische Filmindustrie in ihrem Verhältnis zur in Glasgow – Tagungsbericht Zweitverwertung im Fernsehen. Hay stellte fest, dass das fi nanzielle Interesse sich nicht mehr auf die Kino- Film- und fernsehwissenschaftliche Konferenzen, die kassen sondern den sich daraus ergebenden Werbe- explizit ohne thematischen Schwerpunkt veranstaltet einnahmen im privaten und Pay-TV verschiebt. Das werden, bieten dem Teilnehmer eine hervorragende Abschlusspanel der Screen-studies Conference Gelegenheit, sich einen Einblick in aktuelle Tenden- thematisierte die Schwierigkeiten von Filmförderung, zen der Forschung zu verschaffen. Wettbewerben und die profi table Vernetzung von Filmkünstlern in Organisationen. Die Screen-studies Conference in Glasgow ist eine solche Konferenz. Vom 1. bis 3. Juli 2005 fand sie Ein anderer Schwerpunkt der Tagung lag auf der Prä- zum 15. Mal statt. Ihre Ausrichtung in der anglo-ame- sentation von aktuellen Ergebnissen kleinerer aber rikanischen Scientifi c Community ermöglicht es dem auch längerfristiger Projekte zu nationalen Medien- deutschen Besucher zusätzlich, einen Blick auf wis- geschichten. Ein Panel beschäftigte sich mit dem tür- senschafts-kulturelle Divergenzen oder eben auch kischen Kino und seinem Verhältnis zur kulturellen nationenübergreifende Themen zu werfen: Selbst- Tradition. Bereits zum zweiten Mal standen das irani- verständlich, ohne dabei repräsentative Schlüsse sche Kino, die wohl bedeutendste moslemische Film- ziehen zu können. kultur, und deren Kontrolle durch den iranischen Staat im Mittelpunkt eines Panels. Andere Arbeitsgruppen Ausrichter dieser Tagung ist die Zeitschrift »Screen«, widmeten sich dem DDR-Fernsehen oder auch dem die seit 1989 in Glasgow verlegt wird und an deren British Television Drama. Christine Geraghty etwa re- Redaktion sowohl britische Akademiker als auch ein ferierte über die Melodramatisierung der britischen internationales Advisory Board beteiligt sindmitar- Soap-Operas und konstatierte Parallelen zur Lite- beiten. Ihre Wurzeln hat »Screen« in der »Society of ratur am Ende des 19. Jahrhunderts. Heute wie da- Film Teachers«. Die widmete sich in einem Journal mals seien es vor allem die Frauenfi guren, die in ho- bereits seit 1952 der Defi nition von Film- and Fern- hem Maße als Opfer ihrer Umstände dargestellt und sehwissenschaften und war wiederum bis 1989 auf moralisch bewertet würden. Geraghty argumentierte verschiedene Weise von dem geschichtsträchtigen weiterhin, dass diese Entwicklungen Ausdruck einer und mächtigen Education Department des British Gesellschaft seien, deren eigenen moralischen Wer- Film Institute abhängig. te im Umbruch stünden. Ähnlichkeiten mit deutschen Serienentwicklungen wie »Bianca« oder »Verliebt in Gerade in diese Geschichte von »Screen« zurückzu- Berlin« traten sehr offensichtlich zu Tage. gehen, erhellt einige Schwerpunkte der dreitägigen Tagung, welche sich zwar nicht unbedingt in den Pa- Dass Themen wie Marketing im Film, mediale Analy- nel-Bezeichnungen wieder fi nden, doch aber in den sen zu »9/11« oder fi lmanalytische Ansätze, wie die Ausrichtungen einiger Fragestellungen. Die Defi niti- Theoreme von Gilles Deleuze auch in Glasgow einen on von Medienwissenschaft und ihrer Vermittlung breiten Platz einnahmen, zeugte ebenfalls von eini- im Studium, unbedingt aber die Frage nach dem Er- gen Parallelen in der amerikanischen und europäi- halt ihrer gesellschaftlichen Unabhängigkeit spielten schen Medienforschung. wohl auch deshalb eine wichtige Rolle. Ein besonderes Augenmerk lag jedoch bei einigen Das Eröffnungsplenum etwa thematisierte den his- Panels auf der Frage, warum bestimmte Forma- torischen Blick auf die Geschichte des British Film te, die hinlänglich als Trashformate des Fernsehens Institute. Christophe Dupin und Goeffrey Nowell- gelten, so erfolgreich sind. Ob es sich um die Dra- Miszellen 45 maturgie-Analyse der Schönheitsshow »The Swan«, sich also von Anbeginn des NDR im Nordosten mit fernsehästhetischen Analysen von Soaps wie »East diesem Thema auseinandersetzen. Doch wie sah der Enders«, von Makeover-Shows oder der Kultserie Einfl uss der Staatssicherheit auf den NDR in Ham- »Six Feet under« des Pay-TV-Senders HBO handel- burg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein aus? te: Immer standen sowohl in den Vorträgen selbst als Gab es auch auf westdeutscher Seite Kollegen, die auch in den anschließenden Diskussionen die Fra- für die Stasi arbeiteten? gen nach analysierbaren Beschreibungskategorien im Vordergrund. Was zeichnet diese Form von Fern- Der NDR-Intendant Jobst Plog entschied 2001 eine sehen aus, gibt es gar eine neu zu schreibende Äs- Aufarbeitung dieses Kapitels der deutsch-deutschen thetik des Fernsehens? Die Anerkennung populärer Geschichte auch für den gesamten NDR in Auftrag Formate als Gegenstand wissenschaftlicher Unter- zu geben. Dabei kam es nicht darauf an »neue Ent- suchung, die über die Beschreibung des »schlecht hüllungen zu bekommen. Wir wollten Geschichte der und billig« hinausgeht, steht – so ergibt sich aus die- Stasi-Vergangenheit aufarbeiten«.2 sen Diskussionen – durchaus noch aus. Und sie wer- den sich von den eher bildungsbürgerlichen Quali- Zwei Wissenschaftlerinnen erhielten den Auftrag, in tätskriterien unterscheiden müssen. Es gibt bereits einem Forschungsprojekt zu untersuchen, inwieweit Ansätze, die über Begriffe wie »Quality Television« die Stasi in den Jahren 1950 bis 1989 versucht hat- oder »Everyday aestethics« hinausgehen. Dazu zählt te, geheimdienstlich gegen den NDR vorzugehen. zum Beispiel eine Re-Analyse des Nutzwertes der »Dass wir hier Vorreiter waren, zeigt ein ähnliches jeweiligen Sendung für den Zuschauer – gemeint ist Projekt auf ARD-Ebene, für das wir Impulsgeber wa- hier nicht eine Rezeptionsanalyse, sondern die Ana- ren. Wünschenswert wären vergleichbare Anstren- lyse der fernsehästhetischen und dramaturgischen gungen auch anderer Sender und Verlage aus der al- Gestaltung – wie etwa von Kochshows, die – so die ten Bundesrepublik«, so Intendant Plog. sehr einleuchtende Argumentation zweier Vorträge in Glasgow – mitnichten in der Weitergabe von Rezep- »Giftspinne im Äther« heißt nun die 492 Seiten star- ten sondern in der Etablierung von Ernährungsstilen, ke Studie von Rahel Frank und Sandra Pingel-Schlie- Geschmacksnormen und nicht zuletzt Kaufbedürf- mann, die im Juni 2005 in Hamburg vorgestellt wurde. nissen liegen. Man darf – das zumindest suggeriert Der Titel ist ein Zitat des ehemaligen Leiters des Sen- die Fülle von offenen Fragen – zukünftig auf eine Aus- ders Schwerin, Günter Hertl, vom 28. Dezember 1961 weitung dieser fernsehanalytischen Diskussion auch zum NDR. Die wichtigste Erkenntnis der Studie ist, im deutschen Medienforschungsbereich hoffen. dass die Stasi den NDR nicht systematisch bearbei- Steffi Schültzke, Halle (Saale) tet oder beeinfl usst hat. Nur punktuell hatten die Mit- arbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit Erfolg. Giftspinne im Äther. Der NDR galt in den Augen des MfS zwar als so ge- Eine Studie zum Norddeutschen Rundfunk im nanntes »Feindobjekt«, aber das Ministerium wurde Visier des Ministeriums für Staatssicherheit nicht in großem Maße gegen den NDR aktiv. Nach 1950–1989 vorhandener Aktenlage ist es nicht möglich zu sa- gen, ob und wie viele Inoffi zielle Mitarbeiter aus NDR- Die zeitgeschichtliche Erforschung einer Rundfunk- Kreisen gewonnen wurden. Eines ist jedoch klar: Die anstalt, deren Sendegebiet sich über vier Bundes- Stasi hat weder maßgeblichen Einfl uss auf Leitungs- länder erstreckt, die zudem lange Zeit von zwei un- gremien noch auf Journalisten oder Produktions- terschiedlichen Politiksystemen regiert wurden, hat und Technikmitarbeiter gehabt. Fernerhin wurden einen besonderen Auftrag und verdient besondere Sendungen nicht systematisch ausgewertet und be- Aufmerksamkeit. Dies gilt vor allem für die Geschich- obachtet, obwohl über 100 Minuten Programm täg- te des NDR, der der einzige öffentlich-rechtliche Ost- lich abgehört wurden.3 West-Sender ist.1 In einzelnen Redaktionen war die Stasi jedoch pro- Für die ehemaligen Mitarbeiter des Rundfunks der pagandistisch erfolgreich. Ihre Aufmerksamkeit galt DDR in Schwerin, Neubrandenburg, Greifswald und vor allem dem Politmagazin »Panorama« in den 60er Rostock war die Überprüfung bei der damaligen und 70er Jahren. Es wurde Material in den Sendun- Gauck-Behörde auf mögliche Mitarbeit als »Inoffi - gen verwertet, das von Ost-Berlin zu gespielt worden zieller« zunächst freiwillig. Der NDR als Arbeitgeber war. Die Stasi brachte sogar noch Ende 80er Jahre ei- wollte Anfang der 90er-Jahre verhindern, dass Jour- nen angeblichen Brief des schleswig-holsteinischen nalisten, Kameraleute und andere Mitarbeiter über- Ministerpräsidenten Barschel, der den damaligen nommen werden, die einmal für die Stasi gearbeitet Bundesfi nanzminister Gerhard Stoltenberg schwer und anderen Menschen geschadet haben. Die NDR- belastete. Trotz Schriftgutachtens und weiterer Prü- Mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern mussten fung merkte zunächst niemand im Westen, dass ein 46 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Unterschriftenexperte der Stasi beste Arbeit geleis- NDR Fernsehen dokumentiert, das die beiden Re- tet hatte. Den Redakteuren wurden zum Teil Sonder- porter Tom Ockers und Friederike Pohlmann zusam- informationen und -reisemöglichkeiten beschert, um menstellten: »Feindobjekt NDR« (27.06.2005, 23.00 »die Brüder im Geiste« zu einer unkritischen Bericht- Uhr, NDR). Siv Stippekohl bereitete das Thema für erstattung über die DDR anzuregen.4 Damit standen ein Hörfunk-Feature auf: »Giftspinne im Äther – Der sie nicht allein, auch der einstmalige ARD-Vorsit- NDR im Visier der Stasi« (»Forum«, 27.06.2005, 20.30 zende Hans Bausch wünschte sich eine Berichter- Uhr, NDR Info). stattung »weg von der Konfrontation«, ganz im Zeit- Christoph Rohde, Hamburg geist der Ostverträge.5 Nach Worten des ehemaligen NDR-Chefredakteurs Rüdiger Proske war man da- 1 NDR: Systematische Bearbeitung durch Stasi fand nicht statt, in: mals »der Ansicht, dass der Bau der Mauer richtig epd medien, 50/2005, S. 12 ist«.6 Eine Instrumentalisierung für Propagandazwe- 2 Franzke, Karin: »Unsere Geschichte aufarbeiten«, cke wurde insbesondere bei den Reisekorrespon- Hamburger Abendblatt, 25.06.2005, S. 3 denten versucht. 3 Freitag, Jan: Die »Giftspinne« im Visier, Lübecker Nachrichten, 28.06.2005, S.31 Im Fokus des MfS standen aber auch die niederdeut- 4 Förster, Andreas: Brüder im Geiste, schen Hörfunkredaktionen und die Gesprächssen- Berliner Zeitung, 25.06.2005, S.37 dung »Talk op platt«, weil diese Sendung einmal im 5 Langrock-Kögel, Christine: Panorama nach Osten, Jahr in der DDR aufgezeichnet wurde. Auch die Rat- Süddeutsche Zeitung, 27.06.2005. S.19 geber-Sendung »Was wollen Sie wissen?« mit dem 6 ebenda legendären Dr. Erwin Markus stand für Monate im Vi- 7 Reichenbachs, Gunars: Dokumentation liest sich wie ein Krimi, sier der Stasi, da die Telefonnummer an einer meck- Nordwest-Zeitung, 16.07.2005, S.16 lenburgische Scheunenwand gekritzelt wurde. Man 8 Lauterbach, Jörn: »Panorama« – Wichtigste Zieladresse der Sta- vermutete die Ausstrahlung geheimer Botschaften si, Die Welt, 25.06.2005, S. 30 an Agenten in der DDR.7 Von der Stasi ausgemachte 9 Studie: Stasi beim NDR nur mit punktuellem Erfolg, Hörer der West-Sendung mussten wieder entlastet Funkkorrespondenz, 30/2005, S. 16 werden, der Vorwurf der Staatszersetzung ließ sich 10 vgl. Anmerkung 1 nicht halten.8 11 vgl. Anmerkung 3 Rahel Frank und Sandra Pingel-Schliemann bearbei- teten mehr als 4500 Akten. 1600 von ihnen enthielten Neuer Arbeitskreis Mediengeschichte in der Materialien des MfS. Die »Birthler-Behörde« förder- Gesellschaft für Unternehmensgeschichte te die Forschungsarbeit, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, betonte in Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte Hamburg, der NDR habe »als erste öffentlich-rechtli- (GUG), 1976 gegründet mit Sitz in Frankfurt am Main, che Anstalt die Aufarbeitung in eigener Sache begon- ist – wie ihr die F.A.Z. zum Jubiläum 25 Jahre später nen«.9 Fast alle Beteiligten und Zeitzeugen stimmten bescheinigte –, »mit fast hundert Mitgliedsfi rmen und der Akteneinsicht zu. Weiteres Material kam unter an- rund zweihundert persönlichen Mitgliedern zu einer derem aus dem Bundesarchiv, der Stiftung Archiv der der bedeutendsten Einrichtungen auf diesem Feld in Parteien und Massenorganisationen der DDR, dem Deutschland und darüber hinaus geworden«. Ihr wis- Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, dem senschaftliches Renommee basiert auf zahlreichen NDR-Unternehmensarchiv beim Staatsarchiv Ham- großen Veranstaltungen und einem jährlich ausge- burg, dem NDR-Archiven und aus Privatunterlagen. lobten Preis für Unternehmensgeschichte, zahlrei- Außerdem interviewten Rahel Frank und Sandra Pin- chen Publikationen – darunter eine eigene Schriften- gel-Schliemann rund 100 Zeitzeugen. reihe und die seit 1997 erscheinende »Zeitschrift für Unternehmensgeschichte« – sowie nicht zuletzt auf Die »Erinnerung für die Zukunft«10 ist es, die dieser den Treffen von bislang vier Arbeitskreisen. Seit eini- Studie ihren besonderen Wert verleiht, eine fundier- ger Zeit besteht neben den Arbeitskreisen zur Bank- te Forschungsarbeit mit einer ausführlichen Darle- und Versicherungsgeschichte, zur Rolle von Unter- gung einer zeitweilig naiven und tendenziösen Re- nehmern und Unternehmen im Nationalsozialismus, cherche und Berichterstattung zur DDR – und einer zur Verkehrsgeschichte sowie zu kleinen und mitt- heutige Sichtweise auf den Journalismus der Jahr- leren Unternehmen nun ein weiterer Arbeitskreis zur zehnte bis 1989 im Umgang mit der DDR.11 Eine Ver- Mediengeschichte. öffentlichung der Studie in Buchform ist noch offen. Hierzu hatte die GUG am 4. Februar 2005 zirka 35 Das NDR-Programm widmete sich dem Thema in Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unterschiedli- seinen Zentral- und Landesprogrammen, unter an- chen Bereichen der Mediengeschichte nach Frank- derem wurde die Studie fi lmisch in einem Feature im furt am Main geladen. Mit Hilfe von fünf Impulsre- Miszellen 47 feraten sollte über die Konstituierung dieses neuen schen Sozialwissenschaft zu vermitteln, veranstalte- Arbeitskreises diskutiert und der Frage nachgegan- te die Sektion Kultursoziologie der Deutschen Gesell- gen werden, ob und warum es sinnvoll ist, den bereits schaft für Soziologie (DGS) die Tagung »Technologie existierenden mediengeschichtlich ausgerichteten und Massenmedien«. Leider waren die am 30. Sep- Gesellschaften, Vereinen und Zusammenschlüs- tember und 1. Oktober in den Räumlichkeiten der Uni sen eine weitere Plattform hinzuzufügen. Die Vorträ- Hannover gehaltenen Vorträge mit knapp 20 Teilneh- ge von Jan-Otmar Hesse (Frankfurt am Main) über mern vergleichsweise schlecht besucht. Medienunternehmen in der Wirtschafts- und Unter- nehmensgeschichte, von Knut Hickethier (Hamburg) Dominik Schrage (Dresden), neben Lutz Hieber über Unternehmen in der Fernsehgeschichte im ers- (Hannover) einer der Organisatoren, kritisierte in sei- ten Teil der eintägigen Sitzung sowie von Georg Jä- nen einleitenden Worten die mangelnde Berücksich- ger (München), Karl Christian Führer (Hamburg) und tigung von technischen Innovationen und medialen Jörg Requate (Bielefeld) in einem zweiten Teil über Aspekten in sozialwissenschaftlichen Untersuchun- Unternehmen in der Verlags- bzw. in der Rundfunk- gen, betonte jedoch zugleich die Notwendigkeit des sowie in der Pressegeschichte wurden den Erwar- kultursoziologischen Blicks auf mediale Phänomene. tungen an sie gerecht. Es zeigten sich unterschied- So sei die Entwicklung von Massenmedien ohne be- liche Zugangsweisen und differierende methodische stimmte Sozialisationsformen und kulturelle Leistun- Überlegungen, klar voneinander abweichende Fra- gen von Gesellschaften gar nicht denkbar. Die Refe- gestellungen kamen für die einzelnen Medienberei- renten schlugen in ihren Beiträgen zum einen neue che zutage. »Die disziplinäre Heterogenität war ge- Perspektiven auf verschiedene medienwissenschaft- wissermaßen das Programm dieser konstituierenden liche Diskurse vor. Zum anderen wurde anhand von Sitzung, und sie sicherte auch deren Erfolg, wenn Fallbeispielen der kulturelle und gesellschaftliche dieser auch gegen einige Kommunikationsprobleme Einfl uss von Technologien und Massenmedien auf- erstritten werden musste«, fasste Jan-Otmar Hesse gezeigt: eine Beweisführung, die angesichts einer in einem Protokoll zusammen, das auf der Homepa- langen, keineswegs auf technische Aspekte redu- ge der GUG nachzulesen ist (www.unternehmensg zierbaren Mediengeschichtsschreibung, teilweise et- eschichte.de). Am Ende der Sitzung, die beim Bör- was anachronistisch wirkte. Das tat der Attraktivität senverein des Deutschen Buchhandels stattfand, der einzelnen Beispiele jedoch keinen Abbruch. setzte sich somit die Auffassung durch, den Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den un- Dominik Schrage (Dresden) sprach über den Sound terschiedlichen Disziplinen – seien es Zeitungs- und und seinen sozialen Resonanzraum. So sei für die Er- Pressehistoriker, seien es Rundfunk- oder Fernseh- scheinung der Jugendkultur der 50er Jahre das Hö- historiker, Medien- oder Kommunikationswissen- rerlebnis vor dem Radio oder vor der Jukebox ganz schaftler – in regelmäßigen Abständen ein derarti- entscheidend gewesen. Die durch technische Inno- ges Forum zu eröffnen. Als Themenkomplexe, die für vationen ermöglichte Steigerung der Erlebnisintensi- Arbeitstagungen in Betracht kommen, wurden vor- tät von Musik habe sich in den folgenden Jahren als erst festgehalten: der Strukturwandel der einzelnen konstitutives Element von Jugendkulturen erhalten. Medienbranchen in den 60er und 70er Jahren; die Internationalisierung von Medienunternehmen und Corinna Höper (Nationalgalerie Stuttgart) bot einen damit zusammenhängend internationale Vergleiche; Rückblick auf die Technik des Kupferstechens, die die Bewältigung von Marktkomplexität seitens der sich als Reproduktionstechnik über 400 Jahre bis zur Medienunternehmen; der Zusammenhang von Ver- Durchsetzung der Fotografi e erhalten habe. Neben antwortungsfrage (Corporate Responsibility) und dem aus künstlerischer Sicht eher negativ besetz- öffentlichem Auftrag von Medienunternehmen. Den ten Beruf erinnerte Höper daran, dass bereits Raffa- Vorsitz des Arbeitskreises Mediengeschichte über- el (1483–1520) die fähigsten Kupferstecher zum Ko- nahmen Knut Hickethier und Jan-Otmar Hesse, die pieren seiner Werke engagierte und dass erst durch derzeit das Programm für eine erste Arbeitstagung in die Technik des Kupferstechens die Verbreitung von Hamburg zusammenstellen, die am 28. und 29. Janu- Kunstwerken und der Kunstgenuss im privaten Raum ar 2006 stattfi nden wird. außerhalb von Papstpalästen oder Kirchen möglich Hans-Ulrich Wagner, Hamburg geworden sei. Einen eher methodischen Zugang zur Kunst such- Mediengeschichte zwischen te Lutz Hieber (Hannover), um eine »Industrialisie- Kultur und Technik: Tagung der Sektion rung des Sehens« nachzuweisen. So habe sich der Kultursoziologie in Hannover Seh-Habitus des Menschen zu einem eher ober- fl ächlichen Akt entwickelt. Das sei, so Hieber, kunst- Mit dem Anspruch, zwischen einer technikzentrierten geschichtlich erkennbar: die detailreiche Durchge- Mediengeschichtsschreibung und einer medienkriti- staltung der Werke etwa aus der Renaissance sei 48 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) zunehmend einer eher »summarisch« angelegten re Beachtung des an Bedeutung gewinnenden priva- Gestaltung wie in der modernen Malerei gewichen. ten Raums, in den sich der Mediennutzer zunehmend Als Ursache für die Veränderung des Seh-Habitus zurückziehe. Privatisierung sei ein »Kennzeichen der vermutete Hieber die immer stärkere Verbreitung Medienkultur«, aber in der Wissenschaft, insbe- von Bildern durch verschiedene Reproduktionstech- sondere von Medien- und Kommunikationswissen- niken, die eine Flut von bildlichen Reizen mit sich ge- schaftlern, zugunsten von Diskursen zu »Öffentlich- bracht habe, vor der sich wiederum das Auge zuneh- keit« vernachlässigt worden. Als fruchtbaren Ansatz mend zu schützen zu versuche. zur Untersuchung des Phänomens stellte Göttlich Raymond Williams Konzept der »Mobilen Privatisie- Ralph Schnell (Siegen) referierte über das Verhält- rung« vor und blieb dabei weitgehend im Rahmen ei- nis von Literatur zu anderen medialen Erscheinun- ner theoretischen Auseinandersetzung. Insofern wur- gen. Im Rückblick auf das 19./20. Jahrhundert zeig- de der Erkenntniswert der von Ziemann und Göttlich te er, dass sich der Status von Literatur durch die referierten neuen Perspektiven (noch) nicht immer »Sehnsucht nach Bildern« nicht nur verändert habe, deutlich. sondern Entwicklungslinien in der Kunst auf Litera- tur selbst Einfl uss gehabt hätten. Wie sich Autoren Insgesamt erschienen die Argumentationen der Ta- in ihren Arbeiten auf digitale Technologien einlassen, gung nicht selten wie Grabenkämpfe um einen adä- machte Schnell etwa am Beispiel von Elfriede Jelinek quaten Zugang zur Beschreibung des Verhältnisses deutlich. Er plädierte dafür, dass sich Literaturwis- von Technologien, Medien und Gesellschaft. Beste- senschaftler auf diese »Differenzqualität der Formen- hende mediengeschichtliche Arbeiten wurden a pri- sprache« einlassen sollten und forderte beispielswei- ori als technikzentriert und kulturelle Aspekte eher se eine »Schule des Sehens« in Literaturwissenschaft ignorierend eingeschätzt – eine unangemessene Be- sowie Kulturwissenschaft. wertung, die in den einzelnen Vorträgen jedoch im- mer wieder suggeriert wurde. Gleichzeitig zeigten die Neue Impulse für die Mediengeschichtsschreibung aufgezeigten Berührungspunkte zwischen technolo- versprach Andreas Ziemann (Weimar) in seinem Vor- gischen, medialen und gesellschaftlichen Aspekten, trag »Medienwandel und gesellschaftliche Struk- wie wenig die Betrachtung medialer Phänomene turänderungen«. Als Ausgangspunkt wählte er dabei ohne kulturelle und sozialgeschichtliche Perspekti- eine sehr enge Perspektive auf Arbeiten »der Publi- ven auskommt. zistikwissenschaftler«. Indem sie sich auf die tech- Claudia Kusebauch, Halle (Saale) nischen Innovationen konzentrierten, würden sie, so Ziemann, eine von Steigerungsoptimismus geprägte Evolution der Medien beschreiben und gesellschaft- lich-kulturelle Aspekte zu wenig berücksichtigen. Der Begriff der ‚Evolution‘ von Medien sei durch den der ‚Revolution‘ zu ergänzen, um die eher sprunghaf- te und von Diskontinuitäten geprägte Entwicklung der Medien zu beschreiben. Am Beispiel des Buch- drucks machte Ziemann die zu untersuchenden Di- mensionen eines »Medienumbruchs« deutlich. Seine Ausführungen reichten jedoch über die Beschrei- bung eines komplexen sozial- und kulturgeschicht- lichen Gefüges, wie auch bei Giesecke nachzulesen, kaum hinaus. Konkretere Fragen der Zuhörer, die sich von Ziemanns kultursoziologischem Ansatz offenbar eine genauere Diskussion von Ursache und Wirkung des revolutionären Medienumbruchs versprachen, blieben offen. Ziemann verwies auf weitere, noch zu leistende Untersuchungen einzelner Zäsuren in der Mediengeschichte. Ralph Schnell (Siegen) ergänz- te, dass zur Beschreibung von Medienumbrüchen viel stärker als bisher medienanthropologische und medienästhetische Fragen in den mediengeschicht- lichen Diskurs einfl ießen sollten, was Ziemann jedoch für gesellschaftstheoretische Fragen als wenig ge- winnbringend einschätzte. Udo Göttlich forderte in seinem Beitrag eine stärke- Rezensionen Peter Marchal das Jahr 1984, als privat-kommerzielle Radio-Pro- Kultur- und Programmgeschichte grammangebote dem öffentlich-rechtlichen Hörfunk des öffentlich-rechtlichen Hörfunks ernsthaft Konkurrenz zu machen begannen. in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch. Bd. I: Grundlegung Seinen Schwerpunkt setzt Marchall freilich auf den und Vorgeschichte. Bd. II: Zeitraum der 60er bis Mitte der 80er Jahre, wo- Von den 60er Jahren bis zur Gegenwart. bei die Formulierung in der entsprechenden Über- München: kopaed 2004, 939 Seiten. schrift »[…] bis in die Gegenwart« etwas unglücklich gewählt ist. Hier geht es ihm um die langsam be- Nahezu 50 Jahre Entwicklung des öffentlich-recht- ginnende Renaissance des älteren Mediums Hör- lichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutsch- funk gegenüber dem jüngeren Medium Fernsehen. land – von 1945 bis in die Jahre der Wende, die zur Welche Strategien zur Hörergewinnung dabei ent- deutsch-deutschen Einigung führten – durch ein wickelt wurden, dokumentieren Abschnitte, die von »Ein-Mann-Unternehmen« in Angriff nehmen zu wol- den wachsenden Pop-Angeboten für junge Hörer, len, scheint ein abenteuerliches Unterfangen. Doch über Live-Schaltungen, Magazine bis u.a. zur Re- Peter Marchal, bis vor kurzem und seit 1975 Hoch- gionalisierung und einer Umorientierung vom Ein- schullehrer für Medienwissenschaft und -praxis an schalt- zum Begleitmedium handeln. Über die zweite der Universität-Gesamthochschule Siegen, davor Hälfte der 80er Jahre wird dann über die zunehmen- einige Jahre Hörfunk- und anschließend Zeitungsre- de Verspartung, beispielsweise mit Nachrichtenka- dakteur, bewältigt seinen Stoff – mit Mut zur Lücke – nälen, Klassikradios und Jugendwellen informiert. in erstaunlicher Weise. Das zum Schluss präsentierte, mehr als 70-seitige In – einschließlich Vorwort – zehn Kapiteln breitet Literaturverzeichnis zeigt die breite Basis der Quellen Marchal seine »Kultur- und Programmgeschichte [… auf, auf die sich der Autor gestützt hat. Hinzu kommt ] des Hörfunks« aus. Er beginnt mit einer Bestands- die Auswertung etlicher Interviews mit Programm- aufnahme des in den 80er Jahren einsetzenden Dis- machern, die in die Ergebnisse von Marchals For- kurses über die Programmgeschichte und den sich schungen eingefl ossen sind. Sie sollen demnächst in daraus entwickelnden verschiedenen Ansätzen. Die- einem weiteren Band publiziert werden. Einem Hand- ser Abschnitt enthält einen Exkurs über schriftliche buch kommt das zweibändige Kompendium auch in- Archivmaterialien und Tondokumente als Grundlage sofern nahe, als es mit einer Chronik für die Jahre von programmgeschichtlicher Forschung. Nach konzep- 1945 bis 2004 endet und außerdem ein Sachregister tionellen Überlegungen, in denen sich der Autor auch die Benutzbarkeit enorm erleichtert. mit »Relevanz, Auswahl und Erschließung des Unter- Ansgar Diller, Hochheim am Main suchungsmaterials« befasst, folgt eine umfangreiche Darstellung der organisatorischen und technischen Voraussetzungen sowie der Weiterentwicklung des Markus Moke öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Thematisiert wer- En Campaña. den Programmauftrag, Rundfunkaufsicht und Par- Wahlkampf in Chile zwischen Modernität teieneinfl uss, Binnenorganisation, Finanzen und und Tradition (= Medien & Politik, Bd. 23) Technik; Letztere auch mit Blick auf deren Auswir- Münster: LIT-Verlag 2004, 309 Seiten. kungen auf Produktion und Distribution. Wahlkämpfe bilden den Höhepunkt politischer Kom- Im Anschluss blickt Marchal zurück auf die Geschich- munikation und sind »ein beliebtes Setting innerhalb te des Rundfunks vor Ende des Zweiten Weltkriegs. der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft«, Zu Recht begründet der Autor seine Ausführungen wie der Autor zu Beginn seiner Studie schreibt. Mit zum Rundfunk in der Weimarer Republik und im Drit- der Analyse des chilenischen Wahlkampfes betritt er ten Reich damit, dass die Organisation des Mediums, jedenfalls Neuland, weil im deutschsprachigen Raum wie sie von den (West-)Alliierten gegen den Wider- hierzu noch keine Studien vorliegen. »En Campaña« stand deutscher Politiker durchgesetzt wurde, ohne schließt diese Lücke ein Stück und bietet eine de- dieses Kapitel nicht zu verstehen sei. Ausführlich be- skriptive und empirische Analyse des chilenischen fasst sich Marchall anschließend mit dem Hörfunk als Wahlkampfes zu den Parlamentswahlen vom De- Leitmedium bis in die 60er Jahre, für die er das »Ende zember 1997. der Alleinherrschaft« konstatiert. Zwei Kapitel spä- ter ist in einer Überschrift erneut vom »Ende der Al- Der Aufbau der Studie von Markus Moke gleicht ei- leinherrschaft« die Rede – diesmal aber bezogen auf ner vierstufi gen Pyramide. Die Grundlage bildet die 50 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Beschreibung des politischen Systems Chiles. Da- der Wahlwerbespots im Fernsehen anschließt. Diese rin integriert Moke die politische Kultur, die sich auch werden in Argumentationseinheiten (Sequenzen) un- in der Ausgestaltung von Wahlkämpfen widerspie- terteilt und nach formalen, inhaltlichen und gestalte- gelt. Die zweite Stufe beschreibt die Struktur und die rischen Kriterien analysiert. Eigentumsverhältnisse des chilenischen Medien- systems. Hierbei stellen die gesetzlichen Rahmen- Zugute kommt dem Autor dabei die aus Forscher- bedingungen der Wahlwerbung in Massenmedien sicht komfortable Gesetzgebung zum chilenischen für den Autor das verbindende Glied zwischen dem Fernsehwahlkampf. In der franja política – einer in politischen und dem publizistischen System (Stufe allen freien Sendern parallel ausgestrahlten Viertel- eins und zwei) dar. Gewissermaßen als Schnittmen- stunde – können Parteien und Kandidaten zweimal ge aus diesen beiden Teilen schließt sich daran die pro Tag zu einer festen Uhrzeit kostenfrei ihre selbst Beschreibung des Wahlkampfes zu den Parlaments- produzierten Werbespots zeigen. Das Problem der wahlen von 1997 als dritte Stufe an. Die Spitze der Quellenverfügbarkeit, das grandiose Ideen der em- Pyramide bildet schließlich eine detaillierte Beschrei- pirischen Medienforschung oft bereits im Ansatz pa- bung der 147 unterschiedlichen Fernsehspots, die ralysiert, wird dadurch elegant gelöst. von den chilenischen Parteien zur Parlamentswahl 1997 produziert und gesendet wurden. In der Rückschau offenbart die Beschränkung des empirischen Teils auf die Analyse von Fernsehspots Der Autor legt nicht nur überzeugend dar, wie die allerdings eine geschmälerte Aussagekraft darü- politische Vergangenheit unter der Militärdiktatur Pi- ber, was denn nun die Besonderheiten des chileni- nochets und die ökonomischen Zwänge der media- schen Wahlkampfes sind. Das heißt nicht, dass der len Gegenwart dazu geführt haben, dass große Teile Autor die Erwähnung dieser Besonderheiten ver- der chilenischen Bevölkerung politisch uninteressiert säumt - die Ergebnisse aus dreizehn Experteninter- sind. Er untermauert diese zentrale Erkenntnis auch views fl ießen in die Arbeit ein, ebenso wie Zeitungs- mit empirischen Daten aus der Forschung zur öffent- berichte und wissenschaftliche Studien. Sie zeigen, lichen Meinung, etwa zum Vertrauen in staatliche In- dass die chilenischen Wähler mit sanften Argumen- stitutionen, zur Lektüre politischer Nachrichten und ten umworben werden und dass keinerlei aggressi- zur gefühlten Unehrlichkeit bei der Berichterstattung ver Konkurrenzwahlkampf nach außen getragen wird. über diverse Themen. Chilenische Parteien, Wahl- Jedoch fehlt der detaillierten Sequenzanalyse ein we- kämpfer und Politiker sehen sich so vor die schwierige nig die »Erdung«. Der Leser arbeitet sich durch die Aufgabe gestellt, unpopuläre Inhalte an eine desinte- minutiöse Aufschlüsselung von unterschiedlichen ressierte Öffentlichkeit zu vermitteln und gleichzei- Gestaltungstypen hindurch, erhält aber am Ende tig das Ziel der Stimmenmaximierung zu erreichen. keine Gegenüberstellung, ob sich die Gestaltungs- unterschiede auch tatsächlich in den Wahlergebnis- Die hierzu von Moke identifi zierten Strategien er- sen widerspiegeln. Der Autor kann jedoch verdeutli- zeugen mit den Attributen »modern« und »traditio- chen, dass die bereits zuvor belegten Erkenntnisse nell« einen zunächst vagen, diffusen Eindruck, aber über den konfl iktlosen Wahlkampf auch für die Wahl- im Verlauf seiner Analyse erschließt sich die Logik werbespots im Fernsehen gelten. hinter diesen vergleichsweise ‚weichen’ Begriffen. Moderner Wahlkampf steht demnach für die Ver- Insgesamt aber ist diese Studie ein gelungener Über- mittlung von Inhalten über die Massenmedien oder blick, der eine wenig beachtete Nische in der deut- durch Straßenplakate. Traditioneller Wahlkampf ist schen Forschung zur politischen Kommunikation be- dagegen jede Form des persönlichen Kontakts der leuchtet. Sie ist stets angenehm lesbar, offenbart viel Kandidaten mit dem Elektorat, z.B. die Hausbesu- Neues und ist übersichtlich strukturiert. Wie der Au- che puerta a puerta. tor in seinem Schlusswort selbst bemerkt, stehen ver- gleichende Studien, z.B. mit anderen lateinamerika- Moke beschränkt sich in seiner Studie im Wesentli- nischen Wahlkämpfen oder mit den USA als ewigem chen auf die Analyse der modernen Form des Wahl- Bezugspunkt der Wahlkampfforschung noch aus. kampfes. Hierzu geht er auf gesetzliche Vorgaben Henrike Viehrig, Köln und Finanzierungsmöglichkeiten sowie in einem Ex- kurs auf die Rolle externer Berater für den chileni- schen Wahlkampf ein. Untermauert wird diese Ana- lyse durch dreizehn Experteninterviews und eigene Beobachtungen. Dabei zieht sich die konsequente Betonung der großen Bedeutung des Fernsehens wie ein roter Faden durch die Argumentation. Inso- fern ist es nur schlüssig, dass sich an die allgemei- ne Analyse des Wahlkampfes eine detaillierte Studie Rezensionen 51 Antje Eichler studentenkritische Politiker-Statements gegenüber. Protest im Radio. Die Berichterstattung des Die Analyse bestätigt dabei durchaus die Erinnerun- Bayerischen Rundfunks über die gen von Redakteuren wie Dieter Fuss, Walther von Studentenbewegung 1967/68 La Roche und Claus Martin, die Eichler als Zeitzeu- (= Studien zur Geschichte gen interviewt hat, sowie die erhaltenen Dokumente des Bayerischen Rundfunks Bd. 3) der administrativen Ebene (Intendanz, Rundfunkrat): Frankfurt: Peter Lang 2005, 250 Seiten. Die journalistische Sorgfaltspfl icht verhinderte eine einseitige Berichterstattung und bot ausreichen- Die gesellschaftliche Bedeutung der Medien zu mes- den Schutz gegen Versuche politischer Einfl ussnah- sen, ist ein schwieriges Unterfangen und das empiri- me. Material für einen »Medien-Mythos«, der aus ei- sche Instrumentarium oft von begrenztem Wert. Die ner Fehleinschätzung der Bedeutung der Medien für Rezeption von Sendungen ist in Bezug auf ihre Wirk- die Studentenbewegung resultiere (so Eichler), bietet mächtigkeit quantitativ kaum zu fassen, wie die im- die Studie nicht, es wurde – zumindest im BR – an- mer wiederkehrenden Debatten um die Bedeutung gemessen berichtet, nach professionellen Standards von Politiker-Diskussionen im Fernsehen für einen und im Rahmen der legislativen Vorgaben. Aber er- anstehenden Wahlgang belegen. gäbe sich ein solcher »Mythos« ohnehin nicht erst aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Medi- Explizit versucht Antje Eichler es in ihrer Diplomarbeit en, zu denen auch die Publikationen des heftig invol- nicht, hat aber die Frage, inwieweit die gesellschaft- vierten Springer-Verlages gehörten? liche Bedeutung der Medien an der Entwicklung der Studentenbewegung über- bzw. unterschätzt Es bleibt auch die Frage, inwieweit eine Inhaltsana- wird, stets im Hinterkopf. Dennoch unternimmt sie lyse von Hörfunksendungen dem Medium gerecht es, sich mittels Inhaltsanalyse von Sendungen des wird, wenn sie sich ausschließlich auf schriftliche Do- Bayerischen Rundfunks einer Antwort zu nähern. kumente stützt, zumal nicht erklärt wird, was erhalten ist und was nicht, mithin die Ausgangsbasis unklar Im Vorfeld klärt Eichler die Anforderungen an den öf- ist. Und der Komplex der möglichen Einfl ussnahme fentlich-rechtlichen Rundfunk, wie sie sich aus den – sowohl von Seiten der Politik als auch der Studen- gesetzlichen Bestimmungen und diversen Verfas- ten – ließe sich ohnehin nur mit Hilfe historischer Do- sungsgerichts-Urteilen ergeben, wobei die Autorin kumente und Zeitzeugen-Befragungen beantworten. insbesondere das Gebot von »Vielfalt« und »Ausge- Entsprechende Versuche gab es durchaus, sie konn- wogenheit« hervorhebt. Des Weiteren schickt sie ei- ten aber durch das Verhalten der Beteiligten abge- nen historischen Überblick über die Ereignisse und wehrt werden. Themen der Studentenbewegung voraus, die im Un- tersuchungszeitraum (vom 27.5.1967: Beginn der Ak- Insgesamt liegt jedoch eine aufwändige Studie vor, tionen gegen den Schah-Besuch in München bis die einen wichtigen Baustein liefern kann zu einer 2.6.1968: Berichterstattung über die Verabschie- weitergehenden Betrachtung der gesellschaftlichen dung der Notstandsgesetze und die Proteste dage- Bedeutung der Medien und der Medien-Kritik im gen) eine Rolle spielten, und schildert die organisa- Kontext der Studentenbewegung. torischen und programmlichen Strukturen des BR in Wolfram Wessels, Mannheim jener Zeit. Dann kommt Eichler zum Kern ihrer Unter- suchung: der Inhaltsanalyse. Dabei bemüht sie sich um eine Vollerhebung aller noch vorhandenen Sen- Evan Wright dungen, wobei deren tatsächlicher Umfang nicht Generation Kill. ganz klar wird. Eichler zieht 245 Sendungen mit 414 Devil Dogs, Iceman, Captain America, Beiträgen, die in einem wie auch immer gearteten and the New Face of American War Zusammenhang mit der Berichterstattung über die New York: Putnam 2004, 354 Seiten. Studentenbewegung stehen, zur Untersuchung he- ran (Manuskripte und schriftliche Programmhinwei- Der Irakkrieg von 2003 hat etliche Kontroversen an- se). Sie werden nach formalen Merkmalen gewich- gefeuert, eine davon die um »eingebetteten Journa- tet (Sendeformat, Dauer, Platzierung im Programm) lismus«. Den hat es im Grunde von Anbeginn der und inhaltlichen Kriterien codiert (Kommunikatoren, modernen Kriegsberichterstattung gegeben, etwa vorgebrachte Argumente und Einstellungen). Das schon im Krimkrieg (1854-1856);1 aber anlässlich Ergebnis: Die Themen der Studentenbewegung, der amerikanisch-britischen Invasion im Irak wurde Hochschulreform, Notstandsgesetz, Vietnamkrieg, das Thema von der öffentlichen Diskussion und auch allgemeine Gesellschaftskritik und Protestformen, von der Journalistik neu entdeckt.2 wurden breit, vielfältig und durchaus ausgewogen behandelt. Den eher links und studentenfreundlich Der amerikanische Reporter Evan Wright hat sich orientierten Redakteuren standen eher rechts und während des Irakkriegs einbetten (aber keines- 52 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) wegs vereinnahmen) lassen, und zwar bei einer Auf- 1 Vgl. Phillip Knightley: The First Casualty. From the Crimea to Viet- klärungseinheit der US-Marines, die die Vorhut der nam: The War Correspondent as Hero, Propagandist, and Myth Invasionstruppen bildete. Von Anfang März bis An- Maker. New York 1975; aktualisierte Neuausgaben 2003, 2004. fang Mai 2003 fuhr er bei allen Einsätzen mit, beob- 2 Eine differenziert argumentierende Auseinandersetzung um »em- achtete, führte Interviews, recherchierte unklare Zu- bedded journalism« im Irakkrieg bieten Howard Tumber/Jerry Pal- sammenhänge, schrieb alles auf. Detailgenau. Das mer: Media at War. The Iraq Crisis. London u.a. 2004, S. 13-63. Vorrücken der Truppe, ihre Kämpfe, das Handwerk 3 John Sack: M. New York 1967. des Tötens, auch das moralische Hadern der Solda- 4 Michael Herr: Dispatches. New York 1977. ten und ihre Bewältigungsstrategien etwa nach dem versehentlichen Töten von Zivilisten. Wright lag mit den Marines förmlich im Graben, während die Ge- Rainer Schützeichel schosse des Gegners (zuweilen auch die der eige- Soziologische Kommunikationstheorien. nen Seite) neben ihm einschlugen. Konstanz: UVK 2004, 384 Seiten. Entstanden ist keineswegs pathetische oder patri- Rainer Schützeichels Band ist eine Einführung in otische Erbauungsliteratur, sondern ein beeindru- verschiedene soziologische Kommunikationstheori- ckend sachlicher, dennoch höchst lebendiger Be- en. Dabei handelt es sich keineswegs um ausschließ- richt davon, was es heißt, Krieg zu führen. Nur an lich originär soziologische Theorien – immer aber um wenigen Stellen lässt der Autor seine eigenen Emo- solche mit sozialem Erklärungsanspruch. Schützei- tionen durchblicken, um so mehr dafür die der Sol- chel versteht den Band als Grundlegung einer eige- daten, die der Leser mit vollem Namen, Wohnort und nen Theorie der Kommunikation, deren Publikation Biografi e kennen lernt. Einige komplett unfähige und er mehrfach ankündigt. Interessant ist zunächst die offenbar psychotisch veranlagte Befehlshaber wer- sorgfältige Auswahl der vorgestellten Ansätze: Es den gnädig nur mit ihrem Spitznamen vorgestellt – sind nicht, im Duktus vieler Theorie-Einführungen, wohl schon aus rechtlichen Gründen. »Captain Ame- ausschließlich die großen Klassiker, sondern auch rica« und »Encino Man« hätten sonst sicher einiges seltener thematisierte Seitenstränge der kommuni- zu befürchten (oder gerade nicht, so ist zu vermuten: kationssoziologischen Diskussion. Um auch solche Das Militär scheint Inkompetenz zu befördern). Stets Leserinnen und Leser zu interessieren, die erst ei- stellt Wright die verengte Front-Perspektive in den nen Zugang zum Thema suchen, beginnt der Autor Gesamtkontext der Invasion. Interessant ist in die- mit einer Einführung in die Problematik geläufi ger All- sem Zusammenhang, dass die begleitete Truppen- tagskonzepte. Fehler, Lücken, Probleme dieser prag- einheit ihre Informationen über den Kriegsverlauf im matisch-alltagsorientierten Vorstellungen bilden den Wesentlichen dem britischen Auslandsrundfunk ver- Ausgangspunkt für einen ersten ideengeschichtli- dankte: »The BBC [World Service] will emerge as the chen Abriss. Dabei greift Schützeichel Ansätze auf, best source of information on the invasion in which die sonst in der Diskussion wenig vorkommen. Be- the Marines are participating – even Battalion Com- sonders erfreulich ist, dass diese z.T. philosophi- mander Lt. Col. Ferrando relies on it« (S. 62). Wright schen Konzepte knapp und nachvollziehbar expliziert berichtet noch viele weitere Absurditäten, die den werden. Beispielweise bildet Humboldts Konzept von Leser häufi g genug erschauern lassen. Man möch- Sprache als Tätigkeit (energia) anstatt Werk (ergon) te nicht dabei gewesen sein, aber es ist gut, davon den Anfang der theoriegeleiteten Überlegungen. Wei- zu lesen. ter werden Pierce, Saussure, Bühler, Jakobson und Morris vorgestellt. Zudem wird ein knapper Überblick Wie bereits die berühmten und nicht minder beein- zu Hermeneutik und Sprachsoziologie gegeben. Die druckenden Reportagen von den Schlachtfeldern Herangehensweise des Autors ist überaus systema- Vietnams – beispielhaft für viele: John Sack3 und tisch: Er entwickelt aus den grundlegenden Fragen, Michael Herr 4 – zeigt Evan Wrights Buch, dass »em- die eine soziologisch angelegte Theorie beschäfti- bedded journalism« nicht nur fl achen Pseudojourna- gen müssen, eine analytische Matrix, an der die be- lismus hervorbringen kann, der letztlich nur den Inte- sprochenen Konzepte gemessen werden sollen. Die ressen der Militärs und Machthaber dient (davon war Grundfrage »Wie ist Kommunikation möglich?« wird während des Irakkriegs viel zu lesen und zu sehen), nicht vorangestellt, sondern nachvollziehbar erar- sondern auch kritische Aufklärung. In den USA war beitet. Fünf Teilbedingungen bzw. -probleme wer- das Buch ein Bestseller. den spezifi ziert, welche schließlich die analytische Matrix ausmachen. Dies sind prozessuale, mediale, Nun ist das Buch unter dem Titel „Generation Kill: das Sozialitäts- und Wissensbedingungen sowie Selek- neue Gesicht des amerikanischen Krieges“ auch auf tionsprobleme der Kommunikation. In den darauf fol- Deutsch erschienen. genden Kapiteln werden die theoretischen Ansätze Oliver Zöllner, Essen vorgestellt, von kurzen Exkursen, die besagte Seiten- wege ausleuchten, begleitet. Rezensionen 53 Das vierte Kapitel greift Cooley und Mead auf, um orien: An dieser Stelle werden die einzelnen Aspek- darüber den symbolischen Interaktionismus darzu- te der Matrix abgehandelt, die Theorien werden auch stellen. Der Autor weist darauf hin, dass Meads prag- für soziologisch unerfahrenere LeserInnen vergleich- matischer Interaktionismus als Vorläufer – nicht be- bar. Zu jedem Kapitel ist zusätzlich zur wesentlichen reits als symbolischer – verstanden werden kann. Ein Basis- auch Sekundärliteratur angegeben. Die The- Hinweis, der sich in Überblicksdarstellungen selten orien werden trotz der notwendigen Kürze vor allem fi ndet und für die Genauigkeit des Autors spricht. Ein plausibel und in ihren Zusammenhängen erklärt. erster Exkurs (Kap. 5) gibt einen knappen Einblick in Sascha Trültzsch, Halle (Saale) die Überlegungen von Grice: dessen Konversations- maximen und die Kritik daran werden auf nur acht Seiten vorgestellt. Der phänomenologischen Sozio- Christoph Classen logie von Schütz und Luckmann widmet sich ein wei- Faschismus und Antifaschismus. teres Kapitel. Das Problem des Verstehens ist Ge- Die nationalsozialistische Vergangenheit im genstand eines zweiten kurzen Exkurses (Kap. 7), der ostdeutschen Hörfunk 1945–1953 Begriffe wie z.B. Framing zur Erklärung der Refl exi- (= Zeithistorische Studien, Bd. 27). vität von Kommunikation einführt. Ethnomethodolo- Köln u. a.: Böhlau 2004, 384 Seiten. gie und Konversationsanalyse, verbunden mit Gar- fi nkel und Sachs, werden mit zahlreichen längeren Die Analyse von Medienangeboten in Gesellschaften Zitaten und anhand gut gewählter Beispiele vorge- mit strikter Kommunikationskontrolle ist insbesonde- stellt. Ein weiterer Exkurs wendet sich der Sprech- re für das Teilsegment der tagesaktuellen Informati- akttheorie von Austin und Searle zu. Habermas’ The- on ein wenig dankbares Unternehmen. Sind die po- orie des kommunikativen Handelns ist ein längeres litischen bzw. ideologischen Vorgaben bekannt, ist Kapitel gewidmet (Kap. 10). Die ideengeschichtli- die Suche nach Abweichungen von der Norm an- chen Wurzeln der Theorie (v. a. Popper, Bühler) wer- gesichts der erzwungenen Anpassung eine aufrei- den dargestellt, die Typen von kommunikativen Ak- bende und mühselige Arbeit. Da die Angebote nicht ten erläutert, die Integration in das Modell sozialen dem freien Spiel der Kräfte von Meinungen, Interpre- Handelns wie auch das Problem der systemischen tationen ausgesetzt sind, sondern den Vorgaben von Kolonialisierung der kommunikativen Lebenswelt ‚oben’ sowohl inhaltlich als auch bezüglich der Gestal- erklärt. Ebenso ausführlich wird die systemtheore- tungsformen unterliegen, sind Ergebnisse bis zu ei- tische Perspektive Luhmanns auf Kommunikation nem gewissen Grade vorhersehbar. In dieser Hinsicht dargelegt. Dabei gelingt es Schützeichel, ohne tief- geht der Verfasser mit Blick auf den Rundfunk – und greifende Erläuterungen des Theoriegebäudes, die im weiteren Sinne auf das Mediensystem – der SBZ hier wesentlichen Konzepte in ihrer Genese zu um- und frühen DDR von illusionslosen Ausgangsthesen reißen – ohne über die differenzierten Begriffskons- aus und kommt zusammenfassend zu den bekann- truktionen zu stolpern. Vor allem auf die Konzeption ten Feststellungen in Bezug auf dessen propagandis- von Kommunikation als selbstreferentiellem System tische Funktion und unfl exible Handhabung. Welche und auf die Theorie der symbolisch generalisierten umso kontraproduktiver geriet, als eine teilweise wirk- Kommunikationsmedien legt der Autor den Schwer- lich schwierige publizistische Aufgabe zu bewältigen punkt seiner Ausführungen. Weiterhin wird Hartmut war. Gleichwohl kann die Instrumentalisierung der Essers Modell der nutzenmaximierenden Kommuni- Medien und die Vermutung ihrer weitgehenden Wir- kation als eine Werterwartungstheorie vorgestellt, die kungslosigkeit im wissenschaftlichen Diskurs nicht Mikro- und Makroebene methodologisch verbinden einfach behauptet werden, vielmehr muss sie belegt will. Sehr knapp widmet sich der Autor Bourdieu und werden. Darüber hinaus sollte sie in einen Zusam- seinen zentralen Begriffskonstrukten zur Machtkom- menhang mit den jeweils spezifi schen Mechanismen ponente von Kommunikation (Kap. 15). der Unterdrückung in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden. Dass man dabei auf überraschen- Abschließend spielt Schützeichel jede der theoreti- de Entwicklungen und Nuancierungen treffen kann, schen Erklärungen am gleichen Beispiel durch – eine etwa in Programmnischen, ist nicht auszuschließen. kurzweilige Angelegenheit, die gute »Merkformeln« Doch mit Überraschungen dieser Art kann der Ver- für die Theorien liefert. Sehr knapp stellt er zu den fasser nicht aufwarten. einzelnen Punkten der analytischen Matrix die Po- sitionen der einzelnen Theorieangebote zusammen. Classen konzentriert sich in seiner Beschäftigung mit Diese Zusammenfassung ist dabei m.E. zu kurz ge- dem SBZ/DDR-Rundfunk auf eine verhältnismäßig raten, der Verweis auf die Folgepublikation und die überschaubare Überlieferung, d.h. auf die Auseinan- sehr guten Zwischenbilanzen am Ende jedes Kapi- dersetzung mit dem Nationalsozialismus im Hörfunk tels mögen das entschuldigen. Besonders besagte der Nachkriegszeit. Die Beispiele dafür sind im We- Bilanzen machen das Buch zu einer sehr gelunge- sentlichen als Manuskripte, selten als originale Ton- nen Einführung in soziologische Kommunikationsthe- dokumente erhalten geblieben. Der Verfasser bettet 54 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) diese medienspezifi sche Auseinandersetzung mit und Bewertungen. Da diese geprägt waren von dem der für die Legitimation des zweiten deutschen Teil- Druck sowjetischer Interessen an »einer Integrati- staates zentralen Thematik in größere historische Zu- on der zerrütteten deutschen Gesellschaft,« kam bis sammenhänge ein, damit diese in ihren Vorausset- 1948/49 noch ein breiteres Spektrum von Betroffe- zungen bzw. Konsequenzen begründet und besser nen und damit Meinungen zu Wort wie auch die so- bewertet werden kann. Zu diesem Zweck prüft er ers- wjetischen Besatzer selbst. Letztere gewannen in tens zentrale Begriffe und Kategorien aus dem Um- ihren Beiträgen oft keinen Abstand zu einem eher feld Medien und Erinnerungskultur, wie »Öffentlich- ‚oberlehrerhaften’ Ton, mit dem sie den Deutschen keit« und »Propaganda«, »politischer Mythos« und deren totale Niederlage zu verdeutlichen suchten. »symbolische Politik«, »kommunikatives Gedächt- nis« oder »Geschichtskultur in der Moderne«, auf Interessant ist, dass – durchaus ähnlich wie in den ihre Brauchbarkeit für seinen methodischen Ansatz. Westzonen – von den deutschen Autoren die Opfer Ergänzt werden diese Analysen um generationenthe- der Besiegten in den Vordergrund gestellt wurden, oretische Ansätze und Ergebnisse dazu aus der DDR- weniger ihre Mitverantwortung für das Geschehe- Forschung. Letztere soll vor allem die Annäherungen ne oder eine Analyse der Ursachen der nationalsozi- des Autors an Nutzung und Wirkung der im Rundfunk alistischen Diktatur. Die Verfolgung und Vernichtung stattfi ndenden Vergangenheitsbewältigung plausi- der Juden war auch in der SBZ kein Thema, das be- bel machen und deren Einschätzung als möglichen sonderen Raum einnahm. Geringer beachtet sowohl ‚Erfolg’ bzw. ‚Mißerfolg’ unterstützen helfen. Insge- in Ost als auch in West wurde bei der Bevölkerung samt drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass der insgesamt der wenig angesehene Widerstand gegen Verfasser alle möglichen gesellschafts- bzw. kultur- Hitler. Schmerzlich für die Kommunisten war, dass geschichtlichen Bezugsfelder anspricht, die bei einer ihre Opfer zurücktreten mussten wegen der zu die- medialen Aussagenanalyse relevant werden könnten, ser Zeit propagierten Politik der dezidierten Einbezie- ohne dass er sie dann schlussendlich in seine Inter- hung aller nichtkommunistischen Gruppierungen und pretation einbezieht. Kräfte in den Wiederaufbau. Zum Zweiten stellt Classen die Faschismusanalyse Nach der Säuberung des Rundfunkapparates und der SBZ/DDR-Medien in einen weiteren historischen seiner strikten Anbindung an die SED-Parteiherr- Zusammenhang und fragt nach den Auswirkungen schaft 1948/49 gerann die Auseinandersetzung mit der Traditionen der kommunistischen Weltbewegung dem Nationalsozialismus zu einer pauschaleren Fa- seit den 20er Jahren, »um die Entwicklung nach 1945 schismusanalyse bzw. zum plakativ eingesetzten im Spannungsfeld von nationalen Erinnerungsbe- Vorwurf. Angepasst an die tagesaktuellen propa- ständen, sowjetischen Einfl üssen und traditionellen gandistischen Erfordernisse und weitgehend enthis- Deutungsmustern plausibel analysieren zu können« torisiert, diente der Bezug auf Nationalsozialismus (S. 31). Drittens ist für ihn als methodischer Zugriff und Faschismus in erster Linie dazu, alle Gegner die »Verschränkung von institutioneller und Aussa- bzw. Feinde des sozialistischen Lagers mit diesem gegeschichte« wichtig, weil er in seiner Analyse das Etikett zu versehen. »Es handelte sich demnach nicht Selbstverständnis und die Mentalitäten der Beteilig- mehr nur um Nationalsozialisten, sondern bevorzugt ten – der ‘Produzenten’ in erster Linie – mit einbezie- um Kapitalisten, denen ggf. auch Sozialdemokraten hen will: Welches Bild hatten sie vom Medium, seinen zur Hand gegangen waren. Gemeinsam war ihnen, Hörern und ihrer eigenen Tätigkeit, wie sah die »Be- dass nun die USA als Kernland des Kapitalismus sei- triebskultur des Rundfunks, des Anleitungsappara- ne schützende Hand über sie hielt« (S. 264). Assozi- tes« aus. All dies soll erklären helfen, warum sich der ative Verbindungen zwischen ‚alten’ Kriegserfahrun- Umgang mit dem Nationalsozialismus im DDR-Hör- gen und neuer Kriegsgefahr wurden hergestellt und funk in der geschilderten Weise vollzog (S. 32). fanden in gewisser Weise wohl auch Anklang. Im Üb- rigen zeichnete sich zu dieser Zeit auch ab, dass der Wie eingangs vermutet, verläuft die Analyse des me- konkrete Nationalsozialismus bzw. der Widerstand dialen Angebots zum Thema Nationalsozialismus, gegen ihn nun zu einem Abschnitt einer ‚Aufstiegs- insbesondere nach dem endgültigen und umfas- erzählung’ des Sozialismus in Deutschland mit der senden Zugriff durch SED-Parteigänger im Rund- entscheidenden Zäsur nach 1945 mutierte. funk seit etwa 1948/49, nicht überraschend. Die Classen verzichtet ausdrücklich und zu Recht auf Ergebnisse lehnen sich nahtlos an die Faschismu- eine Rezeptions- bzw. Wirkungsanalyse des in Rede sanalyse der Partei und ihrer Instrumentalisierung stehenden Angebots. Nicht zuletzt deshalb, weil ihm im ideologischen Alltagsgeschäft an. Bis zu die- dafür ohnehin nahezu kein Quellenmaterial zur Verfü- sem Zeitpunkt stand für den Umgang mit der fa- gung stand. Vielmehr diskutiert er im Kontext dessen, schistischen Vergangenheit in Deutschland – wenn was über die Mentalitätsgeschichte der Nachkriegs- auch verkürzt und einseitig – die konkrete national- zeit an Erkenntnissen vorliegt, die Anschlussfähigkeit sozialistische Diktatur im Zentrum der Darstellungen der medialen Auseinandersetzung mit der NS-Ver- Rezensionen 55 gangenheit an die sonstigen ‚Diskurse’ in der SBZ/ lysen ausgewählter Filmstreifen aus den sechziger DDR. Aus etlichen Puzzleteilen entwickelt er plau- Jahren signifi kante Kommunikationsmuster heraus sible Erklärungsansätze dafür, dass das konkrete zu arbeiten. Angebot wenig Interesse fi nden konnte und vor al- lem nach 1948/49 an den Vorstellungen und Empfi n- Simone Tippach-Schneider unterscheidet in der dungen der meisten potentiellen Rezipienten vorbei- Entwicklungsgeschichte des sozialistischen Werbe- gehen musste. fernsehens drei Epochen: Erstens die »Gründungs- phase« von 1959 bis 1962. Zum Leiter der Redakti- Zweifellos macht Classen einerseits aus der Not eine on Werbefernsehen des DFF wurde Hans Lockhoff Tugend, indem er ein vergleichsweise schmales Text- bestellt, ein Werbefachmann, der seit Beginn der korpus bearbeitet, das aber dennoch einigermaßen fünfziger Jahre in der Abteilung Agitation und Pro- repräsentativ ein Thema widerspiegelt. Andererseits paganda beim Zentralkomitee der SED gearbeitet machen seine sorgfältig ausformulierten Argumen- hatte. Während dieser ersten Jahre scheint es hin- tationslinien klar, welcher Aufwand letztlich bei jeder sichtlich der Produktion der Werbestreifen zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit medialen bzw. Konkurrenz zwischen dem Werbefi lmstudio der par- Rundfunkangeboten zu treiben ist, will man über all- teieigenen DEWAG und dem DEFA-Studio für popu- zu simple Deskriptionen, die berüchtigten ‚Spiege- lärwissenschaftliche Filme gekommen zu sein. Auf lungen’ von Ereignissen bzw. Entwicklungen in medi- Beschluss der Partei wurde das Filmstudio der DE- alen Angeboten, hinaus gelangen. Classen hat diese WAG 1962 aufgelöst, obwohl es über siebzig Prozent Aufgabe in vorbildlicher Weise gelöst. aller Filmbeiträge der Werbesendung »Tausend Tele- Edgar Lersch, Stuttgart Tips« geliefert hatte. Damit glaubte man offenbar, die Produktion von Werbefi lmen künftig politisch im Griff zu haben. Simone Tippach-Schneider Tausend Tele-Tips. Das Werbefernsehen Während der »Integrationsphase« von 1963 bis in der DDR 1959 bis 1976. 1971 kam es jedoch zu einem verstärkten Bedarf Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag 2004, 320 der sich modernisierenden und prosperierenden Seiten. DDR, sich auch mit Hilfe von Industrie- und Wer- befi lmen zu präsentieren, und daher sogar zur Zu- Das Werbefernsehen der DDR habe die Aufgabe, so lassung von Arbeitsgemeinschaften freischaffender ein Statut aus dem Jahre 1968, »die sozialistischen Filmproduzenten. Ende der sechziger Jahre waren Warenproduzenten, den Handel und die Dienstleis- nicht weniger als 15 solcher Privatproduzenten tätig. tungseinrichtungen bei der Ausnutzung der ökonomi- schen Gesetze der Ware-Geld-Beziehungen durch Der Macht- und Paradigmenwechsel von Walter Ul- eine wirkungsvolle und vorausschauende Bearbei- bricht zu Erich Honecker, vor allem aber die sich in tung des Marktes zu unterstützen« (S. 14), überdies den siebziger Jahren verschärfenden Probleme bei »bei der Weckung und Lenkung der Bedürfnisse auf der Bereitstellung von Waren bilden für die Autorin Leitbilder zu orientieren, die dem entwickelten gesell- die entscheidenden Beweggründe für das plötzli- schaftlichen System des Sozialismus entsprechen che und radikale Verbot der Binnenwerbung, das am und den sich herausbildenden hohen Lebensstan- Ende des dritten Intervalls, am Ende der »Stagnati- dards einer kulturvollen sozialistischen Gesellschaft onsphase« von 1972 bis 1976, seitens der Parteifüh- in der DDR überzeugend widerspiegeln; durch un- rung beschlossen wurde. Für die beiden im Jahr 1975 terhaltende, ideenreiche Sendungen das Vorfeld des ergangenen Anordnungen des Ministerrats, welche politischen Abendprogramms für viele Zuschauer Werbung sogar unter Strafe stellten, gab es keine of- anziehend zu machen« und schließlich durch größt- fi zielle Begründung. mögliche Einnahmen zur Finanzierung des Fernse- hens der DDR beizutragen (S. 275). Die anschließende exemplarische Analyse von über achtzig Werbefi lmen aus den Jahren 1963 bis 1971 Dieser ambitionierte Aufgabenkatalog war knapp wurde mit der Auswertung weiterer Quellen zur Wer- zehn Jahre nach der Gründung des Werbefernse- begeschichte rückgekoppelt: mit den Storys aus hens im Jahr 1959 und acht Jahre vor dessen Einstel- zweihundert noch vorhandenen Drehbüchern für lung im Jahr 1976 publiziert worden: Vermochte das Werbespots, mit Beiträgen aus der einschlägigen Werbefernsehen im Arbeiter-und-Bauern-Staat die- Fachliteratur, insbesondere mit Texten aus der Zeit- sen Zielvorgaben gerecht zu werden? Auf der Grund- schrift ‚Neue Werbung’, sowie mit zeitgenössischen lage von Wolfgang Rupperts Theorie der »industriel- Printanzeigen, die sich zahlreich im Buch dokumen- len Massenkultur« rekonstruiert die Autorin zunächst tiert fi nden. Die präzise Inhaltsanalyse von Werbefi l- mit Akribie die Organisationsgeschichte der Fernseh- men aus dem ‚goldenen Jahrzehnt’ der DDR bestä- werbung, um anschließend mit Hilfe von Inhaltsana- tigt einmal mehr die These, dass in der Regel nicht 56 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) mustergültige, ‚bewusste sozialistische Persönlich- vertrag, zehn Jahre Mitgliedschaft in der Europäi- keiten’ die Protagonisten dieser Werbewelten ab- schen Union. Für die offi zielle Politik ein willkomme- gaben, sondern Figuren einer Moderne, die ihrem ner Anlass, Österreich als Erfolgsmodell im Vorfeld Gestus und Habitus nach ebenso gut im westdeut- der EU-Präsidentschaft 2006 zu präsentieren. Die schen Fernsehen hätten auftreten können. Es zeigt Art der Inszenierung des Jubiläumsjahres hat in der sich, dass es den politischen Agitatoren der Partei akademischen Zunft aber auch Unbehagen ausge- nicht gelang, in der Werbung eine typisch sozialisti- löst: besonders das von Presse und Politik genüss- sche Konsumkultur und Lebensweise zu präsentie- lich zelebrierte Schlagwort »Österreich – das bes- ren. Stattdessen wurden Symbole eines hohen Le- sere Deutschland«. Weder aufgrund der aktuellen bensstandards gezeigt, dessen Ingredienzien schier wirtschafts- und bildungspolitischen Lage, noch ohne Abstriche westlichen Vorbildern folgten. »Die aufgrund der in den Jahren 2002/2003 vorgelegten Büfetts waren üppig mit Südfrüchten und Sekt de- Berichte der Historikerkommission zur Rolle Öster- koriert, die Badezimmer grundsätzlich gefl iest und reichs während der NS-Zeit, besteht Anlass zu tri- die Einkaufsräume als zentrale Orte durch Drehtü- umphieren. ren sowie Schaufenster transparent gemacht. Städ- tisches Flair, Autos und Motorräder auf den Straßen Auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk be- bestimmten das Tempo. Lustvoll und mit Stil wurde stand 2004/2005 gleich doppelt Anlass zum Feiern: getanzt, gefeiert, gereist und eingekauft« (S. 185). 80 Jahre Radio seit der Gründung der RAVAG (Öster- Die werblichen Äußerungen im Sozialismus entzo- reichischen Radio Verkehrs AG) im Oktober 1924 und gen sich sozusagen einer politisch-propagandisti- 50 Jahre seit dem Start des Programmfernsehens im schen Indienststellung. Warum? Tippach-Schneider August 1955. Eine gute Gelegenheit, um das Thema führt das auf die sehr eingeschränkten Kommuni- Unternehmensgeschichte wieder aufzugreifen. Mit kationsabsichten von Handelseinrichtungen zurück, dem von Franz Ferdinand Wolf 2001 verfassten fünf- die beispielsweise aufgrund von Überplanbestän- ten Band zur Geschichte des ORF1, der mit dem er- den zur Werbung für bestimmte Waren geradezu ge- fassten Zeitraum von 1975-2000 etwas schmal, aber drängt wurden. Für Möbel oder Spielwaren dagegen umso bunter ausfi el, war die Hausgeschichte vor- seien beispielsweise kaum Werbemaßnahmen um- erst einmal abgeschlossen. Gleich zwei Bücher re- gesetzt worden. Und das Frauenbild, das die volks- fl ektieren nun in diesem Jahr die Geschichte des ös- eigene Elektroindustrie propagierte, habe über Jahr- terreichischen Fernsehens: ein illustrierter Band, der zehnte das konservative Leitbild einer ‚vielseitigen’ vom ehemaligen Leiter des TV-Magazins »Horizon- Hausfrau gestützt. te« Kurt Tozzer und seinem Kollegen Martin Maj- naric gestaltet wurde, sowie die Erinnerungen von Werbebotschaften haben in der zweiten Hälfte des Ex-ORF-Intendant Thaddäus Podgorski, ORF-‚Ur- zwanzigsten Jahrhunderts unpolitisch zu sein: Ein gestein’ seit 1955.2 vergleichender Blick auf die Werbegeschichte des Westens belegt, dass die Geschichte der Produkt- Das öffentlich-rechtliche Radio, seit einem halben kommunikation nach dem Zweiten Weltkrieg einen Jahrzehnt der Konkurrenz durch private Regionalra- Medialisierungsprozess und einen Prozess der Ent- dios ausgesetzt, wollte da nicht hinten anstehen. In politisierung durchgemacht hat: Das ‚Publikum’ er- einer gemeinsamen Publikation mit dem Fernsehen wartete von werblichen Äußerungen spätestens seit wäre das Radio wohl unter die Räder gekommen. den sechziger Jahren keine expliziten politischen Der vorliegende Band mit dem etwas schnoddrigen Zumutungen mehr – das galt sowohl für die Werbe- Titel versammelt Beiträge von 24 Autoren, die ver- Konsumenten in der Bundesrepublik wie in der DDR. schiedene Aspekte der politischen Entwicklung und Schließlich orientierten sich die DDR-Bürger auch in Programmgeschichte der ORF-Radios seit 1924 bis dieser Hinsicht an den konsumtiven und medialen zur Gegenwart beleuchten. Keine durchgeschriebe- Entwicklungen im Westen. ne Geschichte also. Der ansehnlich illustrierte Band Rainer Gries, Wien wird abgerundet durch eine Chronik zur Geschich- te des Hörfunks sowie mit wichtigen rundfunkpoli- tischen Daten. Er enthält eine Liste »legendärer Ra- Heimo Godler/Manfred Jochum/ diosendungen« (leider nur mit Titelangabe, ohne Reinhard Schlögl/Alfred Treiber (Hrsg.) Nennung von Gestaltern und relevanten Sendeda- Vom Dampfradio zur Klangtapete. ten) und die heute fast schon obligate CD mit 45 his- Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich. torischen Aufnahmen aus allen Lebensbereichen. Wien u.a.: Böhlau 2004, 272 Seiten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden die Österreich 2005 – ein Jahr, in dem zahlreiche Jubi- Buchbeiträge von ORF-Mitarbeitern verfasst. Man- läen in unzähligen Publikationen und Ausstellungen ches kennt man auch schon aus anderen Publikatio- gefeiert werden: Kriegsende und Befreiung, Staats- nen. So etwa die von Joseph Braunbeck, ehemals Di- Rezensionen 57 rektor im Technischen Museum, und Reinhard Schlögl (mit Ausnahme der Sowjets) fast zehn Jahre lang ei- gebotene Darstellung zur Vorgeschichte, Gründung gene Sender etablierten. Diese Periode und die Wie- der RAVAG und deren Entwicklung bis 1930, die lei- dererrichtung eines gesamtösterreichischen ORF im der zu sehr auf die Technikentwicklung Bezug nimmt Jahre 1957, begleitet von einer jahrelangen intensiven und das Programm weitgehend ausblendet. Auch die rundfunkpolitischen Debatte, in der auch das ORF- Frage, wie und warum das Sendemonopol der RA- Monopol leise in Frage gestellt wurde, wären erwäh- VAG zustande kam, bleibt ausgespart, obwohl Alfred nenswert gewesen. Auch die darauf folgenden Jah- Treiber, Initiator und Mitherausgeber der Publikati- re, in denen sich der ORF dem fast schrankenlosen on, in seiner Einleitung nonchalant gegen die private politischen Zugriff der Großparteien ausgesetzt sah, Konkurrenz zu Felde zieht. Deren Vielfalt wird nur in bleiben in der Publikation weitgehend ausgeblendet. einem Tableau ganz am Schluss der Publikation zur Hugo Portisch zieht in seinem Beitrag die Bilanz der Kenntnis genommen. Jahre von Hermann Stöger, der 1964 das Rundfunk- Volksbegehren organisierte. Stöger verlieh in seinem Manfred Jochum erinnert an die erst vor wenigen Buch »Schwarze Welle, roter Schirm« den parteipo- Jahren wieder entdeckte erste große Hörerbefra- litischen Sünden dieser Jahre einen griffi gen Aus- gung. Sie wurde von Paul Bellac, dem späteren SRG- druck. Es sei als vertiefende Lektüre zu Portischs Fernsehpionier, der 1938 vom NS-Regime vertrieben Beitrag empfohlen.3 wurde, sowie dem späteren Programmdirektor Ru- dolf Henz 1931 in Auftrag gegeben und von Paul Fe- Eine gründliche Aufarbeitung der Nach-Besatzungs- lix Lazarsfeld geleitet. Jochum stellt einen Konnex geschichte des ORF steht nach wie vor aus. Bis heu- zwischen der Studie und dem ebenfalls 1931 einge- te ist der Mythos von Gerd Bachers Rundfunkreform läuteten Ende der Abstinenz gesellschaftspolitischer prägend für das Selbstverständnis des ORF, auch Themen im Radioprogramm her. Allerdings wurden wenn dieser sich im Rückblick mehrfach kritisch so- Fragen nach den politischen Programmwünschen wohl über seine Nachfolger als auch über die letz- der Hörer aus der damaligen Befragung ausgeklam- te ORF-Reform unter Wolfgang Schüssel äußer- mert, weil das Medium sich aus dem politischen Ta- te. Der langjährige Hörfunkintendant und »Erfi nder« gesstreit heraushalten sollte. Das änderte sich frei- des Pop-Senders Ö 3 Ernst Grissemann, der amtie- lich unter den Regierungen Dollfuß und Schuschnigg, rende Hörfunk-Direktor Kurt Rammerstorfer und der die den Rundfunk während des ab 1933 geführten altgediente Nachrichtenmann Roland Machatschke »Rundfunkkrieges« zu einem schlagkräftigen ideolo- würdigen zu Recht die unter Bacher 1967 begonne- gischen Abwehrinstrument gegen den nationalsozia- ne und erst 15 Jahre später abgeschlossene umfas- listischen Ansturm zu formen versuchten. Dieses Ka- sende Reform der innenpolitischen, internationalen, pitel reißt Jochum nur kurz an wie auch die Tatsache, aber auch regionalen und lokalen Berichterstattung. dass die RAVAG als erste europäische Anstalt im Juli Die mit der Reform einhergehende Stärkung der Un- Ziel eines Umsturzversuchs war. abhängigkeit des ORF von den Parteien hob nicht nur die internationale Wertschätzung der Anstalt, son- Peter Dusek, der Leiter des ORF-Fernseharchivs, dern auch das Selbstbewusstsein der ORF-Mitar- schildert auf wenigen Seiten das Ende der RAVAG beiter. Zu ergänzen wäre freilich, dass Bachers ers- nach dem 11. März 1938, die Übernahme durch die te Amtszeit auch durch zahlreiche personalpolitische Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) und die Stel- Konfl ikte geprägt war, die zu seinem Sturz 1974 bei- lung des nunmehrigen »Reichssenders Wien« im trugen. Konzert der RRG. Fünfzig Jahre nach Kriegsende hätte man auch in einer offi ziellen Darstellung eini- In Bachers Konzept kam neben dem Informations- ge Sätze darüber erwartet, welche Rolle Österrei- auftrag des ORF dem Kulturauftrag die zweitwich- cher im Rahmen des NS-Rundfunks und im Rund- tigste Bedeutung zu. Auf diesem Gebiet räumte der funk der von der Wehrmacht besetzten Gebiete wertkonservative Generalintendant den Programm- spielten. Gleichzeitig fehlt eine Auseinandersetzung gestaltern überraschend weite Freiräume ein, die un- zu dem Beitrag, den zahlreiche Emigranten für die ter seinem sonst eher konturlosen Nachfolger Otto Wiedererrichtung eines demokratischen Österreichs Oberhammer sogar noch ausgeweitet wurden. Götz durch deutschsprachige Sendungen im Rahmen der Fritschs sehr differenzierte, nüchterne Bilanz der BBC, bei Radio Moskau, in den USA, in Frankreich u. Geschichte des Hörspiels im ORF, Christian Scheibs a. Staaten leisteten. Darstellung über die häufi g nachlässige Pfl ege der modernen Musik und Richard Golls launige Erzäh- Der ehemalige Leiter des Aktuellen Dienstes von Ra- lung über die Grabenkämpfe zur Etablierung einer dio Wien, Hans Szuszkiewicz, erinnert sich an die An- Feature-Produktion sind die aus Sicht des Rezen- fänge der aktuellen Berichterstattung im Nachkriegs- senten informativsten Beiträge dieses Sammelbands. rundfunk und streift dabei lediglich am Rande das Dazu zählen auch der Beitrag von Rainer Rosenberg Problem, dass damals drei der vier alliierten Mächte und Petra Herczeg über den Wandel der Kindersen- 58 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) dungen. Der Rezensent hat dabei allerdings schmerz- Margrit Fröhlich/Hanno Loewy/ lich eine Würdigung der Geschichte der »Musicbox« Heinz Steinert (Hrsg.) vermisst, der wichtigsten kritischen Jugendsendung Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? in der Geschichte des ORF-Hörfunks, zu deren Erfi n- Filmkomödie, Satire und Holocaust dern Hubert Gaisbauer und zu deren maßgeblichen (= Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts 19). Gestaltern jahrelang u. a. der Chef der Sendereihe München: Edition Text + Kritik im Richard Boorberg »Diagonal« und heutige Direktor des Wiener Histori- Verlag 2003, 386 Seiten. schen Museums Wolfgang Kos zählten. Die Sendung leistete sowohl für die Jugend- und die Musikkultur in Die jüngsten Debatten um Besucher-Regeln für das diesem Lande zwei Jahrzehnte lang einen wohl nicht Holocaust-Mahnmal in Berlin haben einmal mehr minder wichtigen Beitrag. gezeigt, wie unsicher das Verhältnis der Deutschen zum Holocaust ist: Soll es sich um einen geschütz- Den dritten Schwerpunkt des Buches bildet ein Rück- ten, quasi sakralen Raum handeln, oder soll die An- blick auf die ORF-Reformen seit 1967 in Gestalt eines eignung jedem frei stehen? Vieles spricht dafür, dass bemerkenswerten »Runden Tisches«. Alfred Treiber dieser Konfl ikt auf einen tiefer liegenden Umbruch gelang das Kunststück, die fünf Ex-Generalinten- in der Erinnerungskultur verweist, mit dem das Ver- danten Gerd Bacher, Otto Oberhammer, Teddy Po- hältnis zum Nationalsozialismus und zum Holocaust dgorski, Gerhard Weis, Gerhard Zeiler sowie die am- zwischen den Generationen neu bestimmt wird. Da- tierende ORF-Generaldirektorin Monika Lindner zu für spricht nicht zuletzt auch die öffentliche Erregung, versammeln, um vier Jahrzehnte ORF-Reform im in- die Roberto Benignis Komödie »La vita è bella« (»Das nenpolitischen Kontext zu diskutieren. Ein gelunge- Leben ist schön«, Italien 1997) auslöste: Darf man nes Unterfangen, weil trotz bekannter Standpunkte eine so ernste Sache wie den Holocaust wirklich in die Programme, Erfolge und Misserfolge der Disku- Form einer Komödie abhandeln? Hier setzt der vor- tanten schärfer, wenn auch durch den Abstand vom liegende Tagungsband ein: Untersucht wird die Ten- Amt gemildert zum Ausdruck kommen. Paul Twaroch, denz zu satirischen Auseinandersetzungen im Film, Bacher-Generalsekretär und Ex-Intendant, fasst die die sich in den 90er Jahren auch an zahlreichen an- Entwicklung des ORF-Rundfunkrechts von 1967- deren Produktionen ablesen lässt. Das »tragische« 2002 zusammen. Narrativ scheint durch dasjenige der Komödie bzw. der Satire abgelöst oder ergänzt zu werden. Den Schluss bilden drei Versuche, die Zukunft des Hörfunks als kulturelles Medium im Angesicht der Ihre Einleitung nutzen die Herausgeber nicht nur, um technischen Veränderungen und Herausforderun- dieses Phänomen zu beschreiben. Vielmehr ergrei- gen und der sich daraus ergebenden Folgen abzu- fen sie auch explizit Partei, indem sie mit Imre Ker- schätzen. Insgesamt ist ein interessanter Sammel- tész den auf »Authentizität« zielenden »Holocaust- band entstanden, auch wenn man der im Vorwort Konformismus« zurückweisen. Kunstwerke, so die ausgedrückten Überzeugung von Herausgeber Al- Autoren, tragen eine eigene »Wahrheit« in sich, die fred Treiber, dass Geschichte und aktuelle Befi nd- nicht in der Vermittlung von Informationen aufgehe, lichkeit des Hörfunks am besten von Mitarbeitern sondern auch Vorstellungen, Wünsche und Phanta- des Hauses dargestellt werden könnten, nicht immer sien repräsentiere (S. 16f.). Daher plädieren sie für zuzustimmen vermag. eine Entgrenzung der NS- und Holocaust-Repräsen- Theodor Venus, Wien tationen gerade auch im Hinblick auf satirische Gen- res: »Lachen darf man nicht, lachen muss man«, so 1 Franz Ferdinand Wolf: 25 Jahre ORF: 1975–2000. der programmatische Titel. Aus dieser Positionierung Salzburg 2001. ergeben sich die zentralen Fragestellungen, die sich 2 Kurt Tozzer/Martin Majnaric: Achtung Sendung: Höhepunkte, mehr oder minder explizit durch den Band ziehen: Stars und exklusive Bilder aus 50 Jahren Fernsehen. Wien 2005.; Wann kann eine Darstellung für sich in Anspruch neh- Thaddäus Podgorski: Die große Illusion. Erinnerungen an 50 Jah- men, dem historischen Gegenstand gegenüber »an- re mit dem Fernsehen. Wien 2005. gemessen« zu sein, und welche spezifi sche Leistung 3 Hermann Stöger: Schwarze Welle, roter Schirm. Der Proporz am kommt satirischen Genres bei der Darstellung zu? Beispiel Rundfunk. Wien 1965. Die Verschiebung der diskursiven Grenzen, also des Sag- und Zeigbaren, sowie die Potenziale und Gren- zen unterschiedlicher narrativer Muster sind das The- ma der ersten Aufsätze. Für die israelische Filmwis- senschaftlerin Yosefa Loshitzky bleibt auch Benignis Universalisierung des Holocaust zu einer Metapher für den Sieg der Menschlichkeit über »das Böse« dem Tabu verhaftet, sich den Holocaust vorzustellen. Aus ihrer Perspektive bildet der Film daher zusam- Rezensionen 59 men mit Spielbergs »fi ktionaler Inszenierung des Un- (S. 142), also die Kinder der NS-Täter, die die ver- vorstellbaren« und Claude Lanzmanns Tabu direkter söhnende, regressiv-befreiende Botschaft des Fil- visueller Repräsentationen eine aufeinander aufbau- mes von ihrem Schuldkomplex befreien könne. So ende »Holocaust-Filmtrilogie des 20. Jahrhunderts«, scharfsinnig viele von Schneiders Beobachtungen deren »merkwürdige, gar nicht so heilige Trinität« (S. sind, so einschränkend erscheint hier die psychoa- 34) es erst noch zu durchbrechen gelte. nalytische Fixierung auf Schuld und Elternbeziehun- gen: Zum einen kann sich dies praktisch nur auf den Weniger skeptisch fällt der Blick Hanno Loewys und deutschen Kontext beziehen und erklärt somit kaum Joachim Paechs auf die Holocaust-Komödien aus. die Anlage und Wirkung des (italienischen) Films, Während Ersterer die Affi nität konventioneller Holo- zum anderen wäre selbst für Deutschland erst noch caust-Erzählungen zum Genre der Romanze heraus- zu belegen, dass das Gefühl von Schuld tatsächlich arbeitet, unterstreicht Letzterer das aufklärerische über Minderheiten hinaus einen generationellen Er- Potenzial satirischer Annäherungen an das Thema fahrungszusammenhang im Sinne Karl Mannheims und erhofft sich davon, dass die Auseinandersetzung konstituiert hat. mit dem Holocaust »nicht mehr auf den durch Ritua- le der Ernsthaftigkeit geschützten Bereich der Schul- Im vierten Kapitel werden vor allem neuere Satiren stunden, Versammlungen und Gedenkveranstaltun- und Remakes der 90er Jahre in den Blick genommen. gen« beschränkt bleibe (S. 66). In beiden Aufsätzen Besonders hervorzuheben ist hier Margit Fröhlichs werden jedoch zugleich die hohen Voraussetzungen Analyse des Originals und des Remakes von »Jacob des Lachens problematisiert: Es sei, so Loewy, im- der Lügner« nach Jurek Beckers berühmtem Roman. mer an ein gemeinsames »kulturelles Wissen« ge- Fröhlich zeigt eindrucksvoll, wie die Absage an alles bunden, das in fragmentierten Öffentlichkeiten ein Heroische und den »Mythos des Authentischen«, die prekäres Gut ist (S. 61f.). die DEFA-Verfi lmung durch Frank Beyer 1974 aus- zeichnete, in der amerikanischen Neuverfi lmung von Der zweite Abschnitt des Buches beschäftigt sich 1999 in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Neben einer Ab- mit zeitgenössischen Satiren über den Nationalso- handlung über die Komödien von Mel Brooks (Kathy zialismus aus den 40er Jahren. Burkhardt Lindner Laster und Heinz Steinert) und einer Untersuchung analysiert hier die beiden Chaplin-Filme »The Great der narrativen Struktur von »Train de vie« von 1998 Dictator« (USA 1940) und »Monsieur Verdoux« (USA (Géraldine Kortmann) fi ndet sich hier ein Aufsatz von 1947) und fragt nach dem Zusammenhang zwischen Ruth Libermann, die anhand verschiedener Beispie- der strukturellen Amnesie beim Lachen und der Ver- le aus Film, Kunst und Literatur den Potenzialen und drängung des Genozids. Stephan Braese widmet Gefahren einer »karnevalesken« Darstellung des Ho- sich am Beispiel von Heinrich Manns »Filmroman« locaust nachgeht. Schließlich widmet sich Lutz Koe- »Lidice« (1942) den Möglichkeiten von Literatur und penik den deutsch-jüdischen Melodramen der spä- Satire im Angesicht des nationalsozialistischen Ter- ten 90er Jahre wie »Comedian Harmonists« (1997) rors, und Ronny Loewy untersucht amerikanische und »Aimée und Jaguar« (1998), deren satirische Anti-Nazi-Filme aus dem Zweiten Weltkrieg. Die- Grenzverschiebungen und Versöhnungsinszenie- se eher werkimmanent angelegten Aufsätze leisten rungen er kritisch als Ausdruck nationaler Norma- nicht immer eine hinreichende historische Kontex- lisierungswünsche interpretiert. Eine umfangreiche tualisierung. Am instruktivsten ist hier noch Ronny Filmografi e zur Komödie und Satire in der Repräsen- Loewys knappe Skizze, die zeigt, wie stark sich die tation des Holocaust rundet den Band ab. Präsentation der Feinde am normativen Mainstream des (klein)bürgerlichen Amerikas orientierte: Die Na- Insgesamt bietet das Buch eine Fülle anregender Er- zis wurden in den Hollywood-Produktionen als ver- kenntnisse und Interpretationen, und wer sich über antwortungslose und latent schwule Junggesellen satirische Filme zum Nationalsozialismus und zum gezeichnet, die es auf die Zerstörung der amerikani- Holocaust informieren möchte, wird hier gut bedient. schen Familie abgesehen hätten. Eine Schwäche liegt vor allem darin, dass Bezüge Der dritte Abschnitt des Buches wirft die zentra- zu neueren Erinnerungskultur-Forschungen, wie sie le Frage nach der Bedeutung von Generationen für aus sozialpsychologischer, historisch-kulturwissen- den Wandel der Vergangenheitsdarstellungen auf. schaftlicher und politologischer Richtung vorgelegt Die engere Frage nach dem Umgang mit deutscher worden sind, nur punktuell und auch nur von eini- Schuld thematisiert neben Thomas Elsässers wenig gen Autoren hergestellt werden. Anstatt die Bedin- kontextualisierter Auseinandersetzung mit Herbert gungen einer sich verändernden Erinnerungskultur Achternbuschs avantgardistischem Film »Das letzte zu refl ektieren, die unter anderem durch Transnati- Loch« (BRD 1981) insbesondere Christian Schneider onalisierung, Aufmerksamkeitszyklen und Kommer- in seiner psychoanalytisch fundierten Analyse von zialisierungstendenzen, geschichts- und identitäts- »La vita è bella«. Er interpretiert den Film als »maß- politische Interessen sowie die Ablösung von der geschneidertes Angebot« an die »zweite Generation« Primärerfahrung geprägt ist, verstehen sich zahlrei- 60 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) che Beiträge offenbar eher als Parteinahmen in den greift, die bereits in der öffentlichen Meinung vorhan- aktuellen Debatten. Besonders die Abwehr von Au- den waren« (S. 15). thentizitätsansprüchen führt bisweilen zu einem un- kritischen Blick auf die aktuellen Tendenzen, deren Es verwundert nicht, dass im Rahmen einer Magister- Kosten etwas unterbelichtet erscheinen – etwa im arbeit dieses anspruchsvolle Programm nicht zurei- Hinblick auf die Entkonkretisierung und Vermark- chend bearbeitet und solche überzeugenden Belege tung der NS-Erinnerung. beigebracht werden können, die über den vorhan- Christoph Classen, Potsdam denen, durchaus aber verbesserungswürdigen For- schungsstand, viel weiter hinausreichen. Dies gilt Erstveröffentlichung: http://hsozkult.geschichte.hu- einmal für die großen Linien der kollektiven Einstel- berlin.de/rezensionen/2005-3-085> lungen gegenüber der nationalsozialistischen Ver- gangenheit, und dies gilt erst recht für die in Bezug auf die untersuchten Sendungen getroffene Feststel- Christiane Fritsche lung, dass Fernsehsendungen nur dann auf Zustim- Vergangenheitsbewältigung im Fernsehen. mung stießen, »wenn sie die in ihrer Entstehungszeit Westdeutsche Filme über den Nationalsozi- dominierende Sichtweise« aufgriffen. Dafür ist die alismus in den 1950er und 60er Jahren. gesamte Argumentationskette viel zu grobmaschig, München: Martin Meidenbauer Verlagsbuchhand- reicht die Zahl der Beispiele nicht aus, die dem Ty- lung 2003, 232 Seiten. pus der Arbeit andererseits angemessen ist. Es hät- te refl ektiert werden müssen, in welchem Wechsel- Bis heute ist die Annahme, dass sich bei hoher Ein- verhältnis die Vorstellungen der ‚Macher’ und ihre schaltquote massenhafte Aufklärung einstellt, ledig- Gestaltungsroutinen, der Stand der wissenschaftli- lich eine Unterstellung. Den Beweis dafür ist auch chen historischen Forschung zum Gegenstand und Guido Knopp schuldig geblieben, der zur Rechtfer- die Rezeption bzw. die Akzeptanz miteinander ste- tigung einer bestimmten ästhetischen Gestaltungs- hen. Zudem wird nicht diskutiert, dass Rezeption und form von Geschichtsdarstellung formulierte: »Auf- Akzeptanz hier im Wesentlichen vom Medienprodukt klärung braucht Reichweite«. Auch der Verfasserin selbst sowie aus der Fernsehkritik der Tages- und der hier anzuzeigenden, in gedruckter Form zugäng- Wochenpresse abgeleitet werden – und nicht aus un- lichen Magisterarbeit ist die Frage nach der Wirkung abhängigen Akzeptanzstudien. von Geschichtsdarstellungen im Fernsehen sehr wichtig (S.9f.). Doch erhebt sie keinen Anspruch Darüber hinaus ist Weiteres kritisch anzumerken. Die darauf, sie in ihrer Untersuchung auch nur im Ansatz Werkanalyse der 1955 erfolgten Fernsehausstrahlung zu beantworten. Ihr geht es vielmehr um den Zusam- des bereits acht Jahre vorher unter ganz anderen Be- menhang zwischen TV-Sendungen über den Natio- dingungen gedrehten Käutnerfi lms und dessen Ak- nalsozialismus in den 1950er und 1960er Jahren und zeptanz auf Basis der Pressekritiken als Beleg für die ihren gesellschaftlichen sowie medieninstitutionel- Hauptthese heranzuziehen, überzeugt nicht. Außer- len Kontexten. dem geht die Verfasserin von ihrem methodischen Prinzip ab, zur Interpretation auch die Quellen heran- Die Arbeit stützt sich in ihrer Argumentation neben ei- zuziehen, die die Herstellung und den Fernseheinsatz ner Aufarbeitung der vorhandenen Literatur auf drei dokumentieren (ein großer Teil muss – darauf wird Produktionen: den 1955 ausgestrahlten Spielfi lm von hingewiesen – als verloren gelten). Auch bei der Un- Helmut Käutner »In jenen Tagen«, der 1947 gedreht tersuchung des Fest-Films wird die Verfasserin ihrem wurde; die von SDR und WDR gemeinsam produzier- methodischen Ansatz untreu. Als Begründung für die te und 1960/61 im Ersten Programm ausgestrahlte generelle Ablehnung des Films zieht Fritsche ledig- 13-teilige Fernsehserie »Das Dritte Reich« sowie den lich einen Aspekt der Presseresonanz auf die Fern- Fernsehfi lm von Joachim Fest »Hitler – Versuch ei- sehdokumentation heran: die differierende Haltung nes Porträts« (1969). Die Detailanalyse der Gestal- des Autors und der Kritik zum so genannten funktio- tungsformen und der Vergleich mit dem jeweiligen nalistischen Ansatz, einem zweifellos wichtigen, aber wissenschaftlichen Forschungsstand zum National- keineswegs alles beherrschenden Trend der zeitge- sozialismus münden in zwei übergeordneten Frage- nössischen wissenschaftlichen Forschung. Weshalb stellungen: Einerseits geht es darum, »inwieweit sich herstellungskontextuelle Materialien nicht herange- die drei Sendungen in die Vergangenheitsbewälti- zogen werden, begründet die Verfasserin nicht. Auch gung der Bundesrepublik in ihren einzelnen Phasen hätte es für das Ende der 60er Jahre einer umfassen- einfügten. Außerdem wird die Wechselwirkung zwi- deren Analyse der öffentlichen bzw. veröffentlichten schen Fernsehsendungen und Gesellschaft unter- Meinung zur Haltung gegenüber dem Nationalsozia- sucht; hier soll die Frage beantwortet werden, ob lismus bedurft. Schon allein angesichts der Tatsache, Fernsehsendungen die Gesellschaft beeinfl ussen dass mit den Ereignissen des Jahres 1968 Verände- oder ob das Fernsehen lediglich die Tendenzen auf- rungen eingetreten waren, die das Bild gegenüber Rezensionen 61 früher sehr viel unschärfer werden lassen und da- passten in die nächsten beiden nur die Bestände mit Pauschalurteile wie das der Verfasserin eigent- von je zwei Jahren. Für 1950/51 wurden 1386 Titel er- lich nicht mehr tragbar sind. fasst, für 1952/53 noch einmal rund 300 mehr, 1692 um genau zu sein. Wieder entstand ein Werk, das in Am überzeugendsten – auch auf Basis der Materialla- gewohnt exakter Weise die Hörspiele alphabethisch ge – sind die Ausführungen der Verfasserin zum SDR/ nach Titeln aufl istet mit allen verfügbaren Daten: vom WDR-Projekt »Das Dritte Reich«. Hier belegt sie auf Autor über die Mitwirkenden, eine Inhaltsangabe bis Basis der vorhandenen Archivunterlagen den Ein- hin zum Standort des Tondokuments – soweit noch fl uss der wissenschaftlichen Forschung (des Instituts vorhanden. Und wieder war die Arbeitsstelle Medi- für Zeitgeschichte und der einfl ussreichen Rothfels- enforschung an der Universität Osnabrück, neben Schule) auf die Produktion und kann bis zu einem ge- dem DRA natürlich, an der Entstehung der Publikati- wissen Grade auch einen Zusammenhang herstellen on beteiligt. Erfreulich ist, dass nicht nur die Produk- zwischen der zeitgenössischen Dokumenten- und te der Hörspiel-Redaktionen der ARD und des Ra- Bildüberlieferung zur NS-Geschichte und deren Ver- dios der DDR berücksichtigt werden, sondern auch wertung in den Filmen. Dass wissenschaftliche Inter- der Abteilungen für Unterhaltung, Mundartdichtung, pretation und die Einstellung der Rezipienten damals Schulfunk, Kinder- und Jugendprogramm. Familien- nicht so weit auseinander lagen, mag seine Ursache und Krimi-Serien (»Familie Hesselbach«, »Die Hu- darin gehabt haben, dass Wissenschaftler, Fernseh- moristen«, »Kommissar Maigret«, »Gestatten, mein autoren und die Mehrheit der Zuschauer Zeitzeugen Name ist Cox«) werden damit auch erschließbar und des Dritten Reiches waren und sie alle sich gegensei- selbst ein Hörspiel von Gottfried Benn, das im Hei- tig nicht ‚überforderten’. Dies kann von der Verfasse- matfunk von Radio Bremen lief, ging nicht verloren. rin nicht zuletzt auf Basis der von den Sendeanstalten Die Vielfalt des Dargebotenen erschließt sich rasch vergleichsweise intensiv betriebenen Resonanzana- beim Blick ins Register: Unter den »Reihen und Se- lyse plausibler, wenn auch nicht schlüssig, belegt rien« fi ndet sich neben Unterhaltendem auch an alte werden als bei den anderen beiden Produktionen. Traditionen Anknüpfendes, wie »Das Schauspiel im Rundfunk« oder »Wir gehen ins Theater«, aber auch Auf etliche medienanalytische Fehlgriffe, rundfunkge- Vorausweisendes wie »Das Funkstudio«, in dem schichtliche Fehler und Fehldeutungen, deren Rich- u.a. Martin Walser einen Arno-Schmidt-Text ad- tigstellung jedoch an der grundsätzlichen Kritik einer aptierte. Der Blick in das Register »Typen/Genres« unzureichenden argumentativen Basis nichts ändert, zeigt, dass Bearbeitungen nach wie vor einen brei- wird hier im Detail nicht weiter eingegangen. Weitere ten Raum einnahmen und die Zahl der ausgewiese- Forschungen zu dem Thema sollten aus Gründen der nen Originalhörspiele weit übertraf. Dass nur zwei Materialzusammenstellung auf eine Einsichtnahme in Kinderhörspiele in dem Band auftauchen, entspricht die Publikation dennoch nicht verzichten. Einen wei- wohl nicht dem Bestand, sondern liegt vermutlich terführenden Beitrag zum Thema »Vergangenheits- daran, dass nicht mehr ausdrücklich so bezeichnet bewältigung im Fernsehen« und erst recht zum Pro- wurden. Die Angaben beruhen schließlich auf den blem Geschichtsdarstellungen im TV stellt die Arbeit Selbstanzeigen der Produzenten. Der Begriff »Ori- von Christiane Fritsche leider nicht dar. ginalentwicklung« fi ndet sich beispielsweise nur bei Edgar Lersch, Stuttgart DDR-Produktionen, im Westen hieß das Gleiche »Originalhörspiel«. Hörspiel 1952–1953. Hilfreich ist auch wieder die nach Sendern geglie- Eine Dokumentation. derte chronologische Aufl istung der Hörspiele sowie Zusammengestellt und bearbeitet von das selbstverständliche Personen- und Sachregis- Ulrike Schlieper unter Mitwirkung von Rolf Geserick, ter. Sie bieten vielfältige Möglichkeiten, in das Mate- Susanne Höschel, Bernd Löw, rial einzusteigen. Ergänzend wäre natürlich auch ein Carmen Vosgröne und Annette Woschée und Literaturverzeichnis wünschenswert, wie es die ak- einer Einführung von Ulrike Schlieper tuellen Hörspieldokumentationen seit 1981 enthalten. (=Veröffentlichungen des Uwe Rosenbaums Bibliographie von 1974 etwa wäre Deutschen Rundfunk archivs Bd. 39). zumindest einen Hinweis wert gewesen. Immer- Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 2004, hin liefert Ulrike Schlieper in ihrer Einführung erste 757 Seiten. Einschätzungen zur historischen Bedeutung dieses Zeitraums, indem sie die Aufmerksamkeit auf heraus- Es war in der Tat die große Zeit des Hörspiels. Zu- ragende Produktionen der beiden Jahre lenkt: auf mindest quantitativ, wie der dritte Band der Doku- Fred von Hoerschelmanns »Das Schiff Esperanza«, mentation zur Hörspielgeschichte nach 1945 nahe das später zur Schullektüre avancierte; auf Arbei- legt. Reichte für die fünf Jahre zwischen 1945–1949 ten von Dürrenmatt, Frisch, Böll, Kaschnitz und Eich, noch ein Band aus, um über 1600 Titel zu erfassen, dessen »Die andere und ich« 1953 den Hörspielpreis 62 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) der Kriegsblinden erhielt. Die Auszeichnung wurde tischen Weltsystemtheorien zur Weltgesellschaft«. erst zum zweiten Mal vergeben, nachdem sie Erwin Dies sind sehr gründliche und dennoch kompakte Wickert 1952 zum ersten Mal für »Darfst Du die Stun- Artikel. Wie Carsten Winter die Entwicklung »von der de rufen« zugesprochen worden war. Zum Prix Ita- Globalisierungstheorie zur Medienkulturforschung« lia, an dem sich Deutschland 1953 erstmals betei- darstellt, ist ebenso gründlich, dennoch nicht un- ligte, wurde Peter Lotars »Das Bild des Menschen« problematisch eingedenk des Anspruches, einem eingereicht, allerdings ohne Erfolg. Schlieper nennt »Lehrbuch« zuzuarbeiten. Die Medienkultur(-for- Themenschwerpunkte und geht dann auf die Hörer- schung) bleibt hier unscharf und etwas beliebig, weil forschung des NWDR ein.1 der Autor schlicht zu viele Perspektiven und Ansätze nebeneinander stellt, deren Verschaltung nicht recht Hörspiele waren in den frühen 50er Jahren beim Pu- klar wird. Außer natürlich, man ist bereits Experte und blikum äußerst beliebt und die Dramaturgen such- kann Winters wissenschaftstheoretischem Parcours ten den Kontakt zu ihm, nicht nur über die Hörerfor- voraussetzungslos folgen; aber dann braucht man schung, auch über die direkte Hörerbeteiligung an kein »Lehrbuch« mehr. einzelnen Sendungen. Es gibt einiges zu entdecken für die Programmverantwortlichen heute, für Rund- Teil 2 des Bandes stellt drei »Problemfelder« vor: Me- funkhistoriker und Hörspielfreunde. Sicher warten sie dienpolitik (Hans J. Kleinsteuber), Medienökonomie schon auf die nächsten Bände, die dann ein vollstän- (Günter Lang/Carsten Winter) und Medienkultur (An- diges Bild dieses wichtigen Kapitels der Medienge- dreas Hepp) – einmal mehr materialreiche, stringent schichte ergeben dürften. präsentierte Artikel, deren Lektüre sehr anregend ist. Wolfram Wessels, Mannheim Aber wieso behandeln sie »Problemfelder«? Wohl ein sehr deutsches Problem der Nomenklatur. Eher geht 1 Vgl.: Schlieper, Ulrike: Das Hörspiel der 50er Jahre im Spiegel von es doch um Querschnittsfelder oder – um eine Lieb- Hörerbefragungen. In: RuG Jg. 30 (2004), H. 3/4, S.93ff. lingsvokabel der Herausgeber einfl ießen zu lassen – transdisziplinäre »Konnektivitäten«. Andreas Hepp, Friedrich Krotz, Auch die beiden folgenden Teile des Buches schei- Carsten Winter (Hrsg.) nen mir etwas unglücklich, jedenfalls nicht trenn- Globalisierung der Medienkommunikation. scharf überschrieben zu sein, wiewohl die ent- Eine Einführung. haltenen Beiträge vorzüglich sind. Der Abschnitt Wiesbaden: VS Verlag 2005, 350 Seiten. »Empirische Zugänge« (Teil 3) versammelt zwei Arti- kel: von Gerd Hallenberger zur »vergleichenden Fern- Lehrbücher verkaufen sich oft recht gut, und so dru- sehprodukt- und Programmforschung« und von Dor- cken Verlage – und das in letzter Zeit nicht nur beim le Dracklé zur »vergleichenden Mediene thnografi e«. hier besprochenen Band – gern in dicken Lettern das Die »Fallbeispiele« (Teil 4) präsentieren eine sehr le- entsprechende Wort auf die Umschlagseiten. Was senswerte Studie zur normativen Stakeholder-Theo- aus Marketingsicht durchaus sinnvoll ist: Den eige- rie am Beispiel der Vermarktung – und letztlich Inter- nen Studenten sind Lehrbücher leicht als Pfl ichtlek- pretationshegemonie – von »Harry Potter« (Michael türe zu empfehlen, den Bibliotheken zur Anschaffung Neuner/Swaran Sandhu), eine Analyse der Organi- im Dutzend. sations- und Kommunikationsstrukturen von Attac Um es gleich vorweg zu sagen: Andreas Hepp, Fried- (Andreas Hepp/Waldemar Vogelgesang), eine Be- rich Krotz und Carsten Winter haben kein schlechtes trachtung des hochdynamischen asiatischen Me- Buch zusammengestellt. Mehr als das: Es ist sogar dienmarktes, vornehmlich am Beispiel des Großex- sehr lohnenswert und lehrreich. Aber ist es ein »Lehr- porteurs Indien (Jörg Becker/Kurt Luger), sowie eine buch«, wie der Verlag behauptet? Für dieses Attribut Untersuchung des Bildes von fremden Kulturen im fehlt noch etwas, aber dazu später. britischen, deutschen und französischen Fernsehen Die Globalisierung, an sich ja kein neuer Prozess, ist (Sonja Kretzschmar). »Empirische Zugänge« wäre seit einigen Jahren auch akademisch en vogue. Hepp sicher auch ein passender Titel für Teil 4 gewesen, et alii gehen daran, dieses Phänomen aus Sicht der eine Wortkombination mit dem Stichwort »methodo- Kommunikationswissenschaft zu sortieren. Dies er- logisch« hätte dagegen Teil 3 treffender überschrie- folgt in vier Themenblöcken. Der erste, »Theoreti- ben. Nun ja: Details, und angesichts der ansonsten sche Zugänge« überschrieben, bietet Einführungen ganz und gar gelungenen (und überdies sorgfältig re- in wesentliche Theorien und Interpretationsrahmen daktionell betreuten) Zusammenstellung sicher eine von weltweiten, vernetzten und verdichteten Aus- eher zu vernachlässigende Kritik. tauschbeziehungen und der Rolle von Medien hierbei. Friedrich Krotz beschreibt den Weg »von Moderni- Damit zurück zur Ausgangsfrage: Lehrbuch oder sierungs- über Dependenz- zu Globalisierungsthe- nicht? Das Glossar der zentralen Begriffe und das orien«, Alexander Görke den Übergang »von marxis- Stichwortverzeichnis im Anhang sind nützlich und Rezensionen 63 lobenswert. Jeder Beitrag wird mit drei Titeln »wei- den Anleitungsmechanismen und den Schaltstellen terführender Literatur« abgeschlossen. Das ist nicht wie Agitationskommission, Sekretär Agitation und schlecht, aber didaktisch für ein echtes Lehrbuch Büro Geggel erhellt Bösenberg die Entscheidungs- noch nicht ausreichend, zumal unkommentiert. Wo wege und Anleitungsmechanismen. Damit liegt erst- bleiben zum Beispiel (Lern-)Zielsetzungen am An- mals für die »Aktuelle Kamera« eine Studie vor, die fang der Artikel oder Abschnitte? Hervorgehobene das Lenkungssystem über sämtliche hierarchische Zusammenfassungen? Grafi sche Aufl ockerungen? Ebenen verfolgt. Hier verbindet der Autor nicht me- Übungen zur eigenständigen Lernerfolgskontrol- chanisch die Makroebene der großen Politik mit dem le und zur Weiterarbeit per Selbststudium? James redaktionellen Handeln, sondern er eruiert die real Watson ist dies unlängst in seinem monografi schen vollzogenen Prozesse und die entscheidenden Fi- Lehrbuch zur Medienkommunikation (das übrigens guren. viele Themen des rezensierten Sammelbandes sehr systematisch ebenfalls nahe bringt) vorbildlich gelun- Nachdem der Autor die Mechanik der Anleitung gen.1 Dieser Einwurf schmälert aber nicht den insge- und der einhellig gewollten Umsetzung transparent samt sehr guten Eindruck des besprochenen Sam- gemacht hat, beleuchtet er das konkrete Funktio- melbandes, der sein Thema facettenreich und – im nieren in zweierlei Weise. Zum einem in konkreten besten Sinne des Wortes – tief schürfend darstellt Inhalten, in Form und Gestaltung der »Aktuellen Ka- und eine Anschaffung lohnt. mera« als journalistisches Produkt, zum anderen in Oliver Zöllner, Essen der Widerspiegelung politischer Interessenlagen zu Schlüsseldaten der DDR-Geschichte. Da sich ein 1 James Watson: Media Communication. An Introduction to Theory Sendezeitraum von knapp vierzig Jahren gegen ei- and Process. Basingstoke, New York ²2003. nen inhaltsanalytischen Längsschnitt sperrt, rekur- riert der Autor auf die gar nicht mal wenigen Un- tersuchungen zur »Aktuellen Kamera« in West (wie Jost-Arend Bösenberg Wilfried Scharf1) und Ost (wie Klaus Preisigke2 ). In Die Aktuelle Kamera (1952–1990). vier eigenen Fallstudien (17. Juni 1953, 13. August Lenkungsmechanismen im Fernsehen 1961, 11. Plenum 1965 und VIII. Parteitag 1971) reka- der DDR. pituliert Bösenberg dann, wie Großereignisse, vor al- (= Veröffentlichungen des DRA, Bd. 38). lem aber Krisen, Inhalt und Struktur der »Aktuellen Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 2004, Kamera« prägten. 346 Seiten. Dass der 17. Juni 1953 für Hörfunk und Kinowochen- Rund 38 Jahre lang gehörte die Nachrichtensendung schau, für Printmedien sowieso, ein Medienereignis »Aktuelle Kamera« zu den wichtigsten Utensilien des war, ist Allgemeingut. Dieses Datum auch fürs kind- SED-Staates. Nicht nur welche Flagge das Front- liche DDR-Fernsehen mit gerade einem halben Jahr schiff des DDR-Fernsehens hisste, sondern wer als Versuchsprogramm als »Zäsur« zu nehmen, mu- Kapitän fungierte, wie die Deckoffi ziere lavierten und tet dagegen kühn an. Die »Aktuelle Kamera« wurde die Kommandostrukturen verliefen – das untersuchte 1953/54 für rund 17 Monate eingestellt, so der un- Jost-Arend Bösenberg in seiner umfassenden Studie bestrittene Befund. Für einen spektakulären Zusam- zur DDR-Nachrichtensendung. Die Analyse der Len- menhang zum 17. Juni hat allerdings auch Bösenberg kungsprozesse hinsichtlich der »Aktuellen Kamera« »keinen archivierten Hinweis« gefunden (S. 235). Hier kontextualisierte Bösenberg in drei Problemkreisen. zeigt sich nicht zum ersten Mal, wie allgemeine Ge- Erstens hinsichtlich der Entwicklung des Machtmo- schichtsdaten mit zunehmender Spezialität des Be- nopols der SED und der Bedingungen medienpoliti- zugsobjektes ihrer Relevanz verlustig gehen. Das scher Kontrolle in der DDR, zweitens der Strukturen apostrophierte 11. Plenum des Zentralkomitees der und Mechanismen dirigistischer Eingriffe und drit- SED 1965 verdammte bekanntlich DEFA-Produktio- tens bezüglich des Selbstverständnisses journalis- nen. Das Fernsehen kam noch mal glimpfl ich davon, tischer Arbeit, einschließlich der Profi lbildung und bis 1978 ein vergleichbares Parteidonnerwetter über Konditionierung von Journalisten für die »Aktuelle »Ursula«3 und »Die geschlossene Gesellschaft«4 her- Kamera« und damit für eine abgesicherte Umset- einbrach. Und selbst bei der bedeutenden Zäsur des zung parteipolitischer Ziele (vgl. S. 16f. bzw. 309ff.). VIII. Parteitags der SED 1971 – war er oder waren die weit feudaler inszenierten Parteirituale der 80er Jah- Diese Problemkreise stellen nicht nur Abschnitte re prototypisch für die »Aktuelle Kamera«? seiner Schrift dar, sondern systematisieren essen- tielle Komponenten des gesamten Funktionszusam- Bevor Bösenberg im Abschlusskapitel Konzept und menhangs. Mit der Struktur des Leitungsapparates, Aufbau des Medienkontrollapparates in der DDR re- mit den lenkenden und gelenkten Journalisten als kapituliert und dessen Scheitern bewertet, stellt er »Funktionäre der Arbeiterklasse« und vor allem mit noch dar, wie parteistaatlich gelenkte Nachrichten in 64 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) Sachen Wirkung überprüft wurden und sich 1989 die dern die Verwechslung von wissenschaftlichen Mo- Aufl ösung der »Aktuellen Kamera« als Instrument des dellen (hier zur Nachrichtenselektion) mit Normati- SED-Staates vollzog. vem. Und anders betrachtet: Die Macher und Lenker der »Aktuellen Kamera« folgten natürlich Nach- Manche Formulierung ist ein Schnellschuss, zumal richtenfaktoren bzw. generierten in ihrem Tun und wenn Generelles zur untergegangenen DDR ausge- Lassen solche. Involvierung von Honecker, Beteili- sagt wird. Der gutwillige Leser wird derartige Ver- gung von Politbüromitgliedern, Nähe zur Sowjetu- allgemeinerungen als eine prononcierte Meinung nion, Negativum im Westen (Unglück …), Betroffen- schätzen. Dem Historiker dürfte solche Toleranz heit von »sozialistischen Werten« (Solidarität …). Es schon schwerer fallen, wenn Pauschalurteile davon wäre spannend gewesen, die praktizierten Nach- ablenken, die Verhältnisse zu sezieren. Ein Beispiel: richtenfaktoren der »Aktuellen Kamera« zu erfahren. »Die DDR wurde zu einem System ohne intermedi- äre Organisationen, mit Ausnahme der Kirchen.« (S. Der große historische Bogen über fast vier Jahr- 310) Hatte nicht der SED-Staat eine ganze Reihe zehnte und die Ganzheitlichkeit der untersuchten vermittelnder Organisationen (in dessen Ideologie Medienlenkung von der Partei- und Staatsspitze bis »Transmissionsriemen«)? Gewerkschaften, Berufs- zu redaktionellen Abläufen macht die Studie von Bö- verbände, Vereine, auch die nichtkommunistischen senberg zu einem wichtigen Baustein in der Analy- Parteien CDU, LDPD usw. waren solche Bindeglieder se des SED-Staates und der Geschichte des DDR- der Indoktrination und Formatierung und gleichzei- Fernsehens. Die Studie von Bösenberg ist der 38. tig der Therapie und der Nischenidentität. Ein Funk- Band der Veröffentlichungen des Deutschen Rund- tionsprinzip der DDR-Gesellschaft war immerhin der funkarchivs, das sich gerade in den letzten Jahren Konsens. Die Hardcore-Sendungen »Aktuelle Kame- um eine zusammenschauende Mediengeschichte ra« und »Schwarzer Kanal« versprachen keine Entlas- zum geteilten Deutschland verdient gemacht hat. tung, keinen Ausgleich. Doch wie konziliant war das Tilo Prase, Leipzig Unterhaltungsangebot des Ostfernsehens? Oder gar der montägliche Film aus dem UFA-Fundus? Diese 1 Vgl. u.a. Scharf, Wilfried 1981. Nachrichten im Fernsehen der Bun- von Bösenberg – sicher zu Recht – hier nicht tangier- desrepublik Deutschland und der DDR: Objektivität oder Partei- ten »Fernsehbereiche« würden zeigen, dass die Mo- lichkeit in der Berichterstattung. Franfurt am Main. difi kation der Lenkungsmechanismen und erst recht 2 Preisigke, Klaus (Ltg. Forschergruppe) 1979. Erfordernisse und der transportierten Inhalte schon im eigenen Haus, Möglichkeiten des Einsatzes fernsehspezifi scher Mittel für eine dem DDR-Fernsehen, einsetzte. wirkungsvolle Information und Argumentation zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Forschungsbericht. Karl-Marx-Universität Leipzig. Die Arbeit ist geprägt von umfassender, akribischer 3 Die 1978 entstandene Literaturverfi lmung »Ursula« als Koproduk- Quellenarbeit, man spürt die nachhaltige Unterstüt- tion zwischen DDR-Fernsehen und Schweizer Fernsehen geriet zung durch das DRA Babelsberg. Zahlreiche Tabellen aufgrund ihrer formalen und inhaltlichen Gestaltung des Refor- zum Lenkungsapparat, zur Struktur des Fernsehens mationszeitalters und offensichtlichen Parallelen zur DDR-Ge- und der »Aktuellen Kamera« bringen Transparenz sellschaft in heftige Kritik. Vgl. Beutelschmidt, Thomas; Widmer, ins Gefüge. Zur Nachhaltigkeit der Schrift von Bö- Franziska 2005. Zwischen den Stühlen. Die Geschichte der Lite- senberg tragen zudem die von ihm geführten Zeit- raturverfi lmung URSULA von Egon Günther – eine Koproduktion zeugengespräche bei. Macher wie die Chefredak- des Fernsehens der DDR und der Schweiz. Leipzig. teure (so Günter Nerlich, Heinz Grote, Ulrich Meier 4 In dem von Klaus Poche und Frank Beyer produzierten Film »Ge- und Klaus Schickhelm) sowie Lenker (wie Eberhard schlossene Gesellschaft« spiegelte sich in der Beziehungskrise ei- Fensch und Klaus Raddatz) wurden interviewt. Die nes Ehepaares die Entfremdung der DDR-Gesellschaft. verschriftlichten Gespräche sind diesem Buch auf einer CD beigefügt und stellen wahrlich eine höchst aufschlussreiche Quelle dar. Albert Kümmel/Leander Scholz/ Eckhard Schumacher (Hrsg.) Die Materialfülle der Arbeit ist beachtlich, die Brei- Einführung in die Geschichte der Medien. te des Herangehens bewundernswert. Vereinzelt Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2004, 282 Seiten. wird jedoch die historiografi sche Aufarbeitung von normativen Bewertungen touchiert, dies vielleicht Es mag sein, dass der Titel des hier zu besprechen- auch, weil kommunikationswissenschaftliche Denk- den Sammelbandes nur eine Verlagsentscheidung modelle eher referiert, denn genutzt wurden. Bö- war, um einen breiteren Käuferkreis anzusprechen. senberg konstatiert, dass für die »Aktuelle Kame- Die Herausgeber stellen nämlich einleitend klar: ra«, von den in »westlich-pluralen Mediensystemen« »Dieser Band erzählt keine Geschichte der Medi- gültigen Nachrichtenfaktoren wenige relevant ge- en, er analysiert Mediendiskurse« (S. 9). Sie folgen wesen seien (S. 199f., auch S. 312). Zu monieren damit einem vor allem unter philologisch orientier- ist dabei nicht eine unhistorische Bewertung, son- ten Medienwissenschaftlern beliebten Ansatz, nicht Rezensionen 65 die Ereignisse selbst, sondern nur deren öffentliche Auch bei der Diskursgeschichte wird die Theorie in Diskussion in den Mittelpunkt der Untersuchung zu der Praxis nur selten eingelöst. Zu schwierig wird es, rücken. Mediengeschichtlich gewendet: »Wir gehen die gerade im 20. Jahrhundert ausufernden Diskussi- nicht von einem A priori technischer Erfi ndungen aus, onen wirklich umfassend zu überblicken. Wenn etwa also von medialen Innovationen, die von Diskursen Christina Bartz die Anfänge der Diskussion über lediglich begleitet werden. Vielmehr werden tech- das bundesdeutsche Fernsehen untersucht, bilden nische Innovationen erst im Diskurs zum Ereignis« ihre Textbasis nicht viel mehr als ein paar Artikel aus (S. 7). Von dieser Position aus liegt dann aber doch den »Fernseh-Informationen« und dem »Spiegel«. schon die Gefahr nahe, die Differenz zwischen Me- Dadurch können schnell gravierende Verzerrun- diengeschichte und Mediendiskursgeschichte einzu- gen eintreten, beispielsweise in Form der Behaup- ebnen. Was dabei allzu leicht auf der Strecke bleibt, tung, »dass gerade die Ausweitung des eigenen Pro- ist der Blick auf die Praxis der Mediennutzung, die gramms bis hin zur Gründung des ZDF der Nutzung sich in aller Regel nicht den Vorgaben der Diskur- des ‚ostzonalen’ Angebots entgegenwirken« sollten se fügt, sondern mehr oder minder eigensinnig ganz (S. 205). Kein Wort fällt in diesem Zusammenhang zu eigenen, nur empirisch erforschbaren Regeln folgt. den tatsächlich viel breiter diskutierten Plänen des Es kann daher nicht nachdrücklich genug darauf be- privaten Fernsehens, die durch entsprechende Ent- standen werden, Mediengeschichte und Mediendis- wicklungen in Großbritannien erheblichen Auftrieb kursgeschichte nicht gleichzusetzen. erfahren hatten. Beschränkt man sich von vornherein auf die Diskurs- Alles in allem bietet der Band sicherlich etliche in- geschichte, macht es Sinn, nach der »Wiederkehr teressante Detaileinsichten (und eine Fülle von wei- weniger Argumentationsmuster und rhetorischer Fi- terführenden Literaturhinweisen); als überzeugende guren innerhalb historisch differenter Mediendiskur- »Einführung in die Geschichte der Medien« vermag er se« zu fragen (S. 8). Die Antworten fallen in den zehn jedoch kaum zu dienen. Beiträgen, die der in Konstanz als Juniorprofessor Konrad Dussel, Forst für Digitale Medien lehrende Albert Kümmel und sei- ne beiden Kölner Kollegen in ihrem Band versam- melt haben, jedoch sehr unterschiedlich aus. Vom Internet-Rezension Anspruch, »Mediendiskurse aufeinander abzubil- Der Klick zur Geschichte. den« (S. 8), bleibt nicht mehr als ein durchgängig Die Web-Angebote von ARD und ZDF zum verwendetes Begriffssystem: In jedem Fallbeispiel 60. Jahrestag des Kriegsendes in Europa werden die Möglichkeiten neuer Datenorganisation (»Selektion«), erweiterter Nutzung (»Partizipation«), Das historische Jubiläum zum Ende des Nationalso- Erweiterung menschlicher Sinnesfähigkeiten (»Ex- zialismus war in diesem Jahr nicht nur Anlass für vie- ternalisierung«), der Umstrukturierung vorhandener le Sondersendungen sowohl auf privaten als auch öf- Wissensbestände (»Wissensordnung«), der »Spei- fentlich-rechtlichen Kanälen. Es entstand auch eine cherung« und der wachsenden »Aktualität« thema- Vielzahl an online-Angeboten.1 Neben eigenen Pro- tisiert. jekten der ARD-Sendeanstalten gab es ein Gemein- schaftsprojekt von BR, NDR, RBB, SR, SWR und Die Einzeluntersuchungen sind nicht nur den zu WDR sowie einen von der ZDF-Redaktion »Politik erwartenden und gängigen Themen Buchdruck, und Zeitgeschehen« gestalteten Webspecial. Beide Zeitung, Fotografi e, Kino, Radio und Fernsehen sind für den »Prix Europa« nominiert, mit dem jedes gewidmet, sondern auch Ausgefallenerem: der Li- Jahr die besten europäischen Fernseh-, Radio- und thographie, dem Telefon, Video und Internet. Wäh- Internetproduktionen ausgezeichnet werden. rend es Christian Kassung mit seinen »Anmerkungen zur Lithographie« jedoch gelingt, ein plastisches Bild Bei der ARD ist der Titel der Website »60 Jahre seines Gegenstandes und von dessen Entwicklung Kriegsende. Mosaik der Erinnerungen« Programm. seit dem frühen 18. Jahrhundert zu zeichnen, liefert Die Startseite collagiert eine Vielzahl von briefmar- Eckhard Schumacher trotz seiner Einschränkung auf kengroßen Abbildungen, die historische Figuren wie »Hypertext und World Wide Web« zum Thema Inter- Joseph Goebbels oder Sophie Scholl, Porträts von net nur ein eindimensionales Konstrukt, an dem am malträtierten Soldaten, Kriegs- und Kampfszenen, deutlichsten die Grenzen des gesamten Ansatzes Bilder von Deutschland nach dem Krieg oder Sze- abzulesen sind: Es ist das eine, die wichtigsten pro- nen der Vertreibung zeigen. Hinter den anzuklicken- grammatischen Aussagen zum Thema zu analysie- den Bildern verbergen sich vergleichsweise aus- ren, ein anderes, die Praxis zu untersuchen. Was dem führliche Informationen zu den einzelnen Themen. Internet vor allem zu seiner Durchsetzung verhalf, war Die Texte sind von Redakteuren autorisiert. Zudem die vergleichsweise triviale E-Mail-Funktion, die bei werden Zeitzeugenberichte in Text- oder Audiofor- Schumacher mit keinem Wort Erwähnung fi ndet. mat zur Verfügung gestellt, zusätzliche Bildgalerien 66 Rundfunk und Geschichte 31 (2005) oder weiterführende Literatur- und Sendungshinwei- um die Gestaltung von Bild- und Tonebene bemüh- se. Dabei ist ein eindeutiger Zusammenhang zwi- te. Das gereicht der Website aus ganz pragmatischen schen den Mosaik-Bildern und verlinktem Thema Gründen nicht unbedingt zum Vorteil, da die Lade- nicht immer ersichtlich, d.h. der Nutzer muss eher zeiten für die Kurzfi lme weit über das hinausreichen, intuitiv vorgehen. Ein Bild von Heinz Rühmann etwa was man zeitlich auch beim Lesen erfahren hätte. dient als Aufhänger für die Darstellung der kulturellen Situation während des Krieges sowie Joseph Goeb- Die sehr aufwändig gestaltete Multimedia-Colla- bels Kulturpolitik. In diesem »Mosaik der Erinnerun- ge des ZDF wird, nachdem der Titel langsam vor gen« existiert keine lineare Struktur, sondern jeder schwarzem Hintergrund in weißen Buchstaben ein- Nutzer stellt sich interaktiv ein eigenes Erinnerungs- geblendet wurde, von Guido Knopp persönlich ein- menü zusammen – je nach Verweildauer, Ladezeiten geleitet. Während Knopp, auf der rechten Seite in ei- und Interesse. nem kleinen Fenster eingeblendet, eine Bilanz der Opfer zieht, werden auf der linken Seite Opfer-Bilder Ein strukturierterer Zugang zu dem umfangreichen gezeigt: Öfen in einem Krematorium, zerstörte Städ- Projekt ist jedoch auch über die im oberen Feld der te, Trümmerfrauen, Leichenberge, Flüchtlingstrecks. Startseite sichtbare Unterteilung in »Chronologie«, Guido Knopp betont dabei die Brisanz der Ereignisse »Schauplätze« und »Themen« möglich. Die aufbe- eindringlich, sodass der Nutzer eine Minute konzent- reitete Chronologie umfasst die Kriegsjahre 1939 rierte Dramatik bekommt. Hinzu kommt eine auf Dau- bis 1945. Der Button »Schauplätze« führt über eine er schwer zu ertragende tragisch-niederdrückende Landkarte von Europa mit zusätzlichen Ausschnit- Hintergrundmusik. Während des Intros steht dem ten von Pearl Harbour, Quebec und Al Alamein zu Nutzer ein Steuerpult mit zahlreichen Funktionen zur einzelnen Orten des Geschehens. Die Landkarte Regulierung der Einleitung zur Verfügung. Es ist frag- gleicht allerdings eher einem Spielfeld, mit dem sich lich, ob diese Anwendungen wirklich nötig sind oder die Nutzer wie beim »Mosaik der Erinnerungen« in- ob man hier nur einer überzogenen Interaktivitätsvor- tuitiv durch das Geschehen klicken können. Zudem stellung Rechnung trägt. erscheint die Auswahl der Schauplätze aus histori- scher Sicht recht willkürlich. Der Bereich »Themen« Nach dem Intro wird der Nutzer in eine Art imagi- unterteilt die Retrospektive noch einmal in sechs näres Rondell versetzt, indem sich vor seinem Auge Teile: Kriegsverlauf, Bombenkrieg, Kriegsalltag, Ho- eine als Menü konzipierte Bildmontage abwechselnd locaust, Widerstand, Vertreibung. Hinter dem chro- von links nach rechts bewegt. Dabei führen Bildaus- nologischem Abriss, den Schauplätzen und Themen schnitte von Kriegs-, Nachkriegs- oder Flüchtlings- sind die Texte und Bilder wieder zu fi nden, die über szenen, die vor einem tiefen, wolkenverhangenem das »Mosaik« zugänglich sind, aber auch zusätzli- Himmel montiert wurden, zu einzelnen Kapiteln. Dem che und weitergehende Informationen. Das grafi - Verlauf der Bildmontage folgend, ergibt sich so et- sche und textliche Gesamtangebot der ARD-Websi- was wie eine Ereignischronologie, die mit »Die letzten te ist dabei sehr stark miteinander verlinkt. So steht Tage des Nazi-Regimes« beginnt, über »Bombardie- etwa bei jeder Anwendung die Landkarte von Euro- rung und Zerstörung«, »Kapitulation und Befreiung pa zur Verfügung, auf der das jeweilige nachzulesen- der KZ« weitergeführt wird und mit dem »Nachkrieg- de Geschehen geografi sch nachvollzogen werden salltag« endet. Im Gegensatz zum »Mosaik der Erin- kann. Darüber hinaus führen Links auf der Startsei- nerungen« der ARD-Website, in dem auch der Kriegs- te der Webseite zu weiteren Angeboten von ande- verlauf als ‚Vorgeschichte’ des Ereignisjahres 1945 ren Sendeanstalten oder Bildungsinstitutionen wie thematisiert wird, fokussiert das ZDF stärker das der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), des Kriegsende und die Nachkriegszeit in Deutschland. Deutschen Historischen Museums (DHM) usw. Dar- unter befi nden sich Zeitzeugenberichte in Textform, ‚Gefüllt’ wurden die einzelnen Kapitel mit Augen- Kurzfi lme oder Dossiers. Mit Programmhinweisen auf zeugenberichten, Bildserien, interaktivem Karten- Sendungen der ARD zum Thema oder entsprechen- material sowie historischen Audiobeiträgen. Die de Veranstaltungen wird die Seite der ARD ständig Augenzeugenberichte bestehen aus jeweils kur- aktualisiert. zen Filmsequenzen, in denen von Zeitzeugen kurze Statements geliefert oder Geschichten erzählt wer- Das ZDF nutzt unter der Leitung von Guido Knopp den. In den Bilderserien wird historisches Gesche- das Netz für einen Webspecial mit dem Titel »Schick- hen anhand von Bildmaterial, das mit ein bis zwei salsjahr 1945«. Das klingt unheilvoll, obwohl die et- Sätzen kommentiert ist, nacherzählt. So sieht man was unglücklich formulierte Aufforderung »Klicken in der Bildserie »Die letzten Tage des Nazi-Regimes« Sie sich durch das >Schicksalsjahr 1945Urknall< HARTJE, HANS: Paul Pörtner et la radio: un jeu sans der Einführung der Privatsender geändert hat.« frontières? 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