444 MEDIENwissenschaft 4/2012 Christopher Deacy, Ulrike Vollmer (Hg.): Blick über den Tod hinaus. Bilder vom Leben nach dem Tod in Theologie und Film. Seeing Beyond Death Marburg: Schüren 2012, 202 S., (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsgruppe Film und Theologie, Bd. 18) ISBN 978-3-89472- 742-0, € 19,90 Bis 2008 hat sich die Forschungs- Tatsächlich befasst sich nur einer von gruppe „Film und Theologie“ auf ihren zehn Beiträgen, der von Reinhold Zwick Tagungen mit eher manifesten Phä- (Uni Münster), mit einem künstlerisch nomenen befasst, 2009 betritt sie ein und theologisch anspruchsvollen Regis- Gebiet, in dem man sich vor Wunsch- seur: „Visionen des Jenseits bei Pasolini“. denken besonders zu hüten hat. Eindrucksvoll arbeitet Zwick an mar- Das Umschlagbild, dessen Quelle kanten Beispielen aus Drehbüchern und im Text (absichtlich?) nicht erwähnt Filmszenen von Teorema (1968), Medea ist, deutet auf Träume. Es zeigt die aus (1969), Decameron (1970) und Salò (1975) dem Jenseits kommende Schatten- oder heraus, dass der Tod nie ein Ende mar- Traum-Frau Rahel, in diesem Band kiert, sondern vielmehr „eine Schwelle, „Geist“ genannt, aus dem Fantasyd- die alles, was vor ihr liegt, enorm mit rama No Te Mueras Sin Decrime Adónde Bedeutung auflädt“ (S.133). Dies ent- Vas (1995), den Daria Pezzoli-Olgiati spricht einer Antwort Karl Rahners „Der in „Jenseitsbilder“ (S.47-63) als Beispiel Tod ist für den Christen das Ereignis der heranzieht. Der deutsche Fernsehtitel Vollendung seines einmaligen Lebens.“ lautet „Tango der Träume“. (Karl Rahner im Gespräch, Bd 2, Mün- Jenseitsträume bzw. -wünsche kann chen 1983, S.122). das Kino als „Ort des konstruktiven Mitherausgeberin Ulrike Vollmer Träumens“ (S.62) sichtbar werden las- (Uni Wales) stellt die fraulich-müt- sen, nicht aber die theologische Aus- terliche Seite ihres Geschlechts heraus. sage von der Auferweckung der Toten. Sie nimmt aus dem Film Antonia’s Line Diese Thematik ist im Unterhaltungs- (1995) die Aussage der Hauptperson „The film nicht darstellbar. Trefflich unter- Only Dance we Dance“ zum Anlass, scheidet Christian Wessely (Uni Graz) deren Lebensbejahung und Erdverbun- kommerzielle Unterhaltungsfilme von denheit bei fehlendem Himmelsglauben „Arthouse“- Filmen, z.B. von Robert aus dem zyklisch-biologischen Erleben Bresson und Ingmar Bergman, „die in heraus zu erklären. Durch Monats- unüberbietbar treffenden Metaphern /Mond-Zyklus, Schwangerschaft und Tod und Auferstehung thematisieren“ Geburt seien Frauen „used to change (S.113). within their bodies“ (S.170). Der Wech- sel von Tod und Geburt, Wachsen und Fotografie und Film 445 Vergehen, der Kreislauf des Lebens, mit der Einstellung der christlichen deuten auf hinduistisch-buddhistischen Kirchen zu einer „Allversöhnung“: Hintergrund: Time „takes God‘s place“ „Hoffnung – ja, Lehre – nein.“ (S.44) (S.161). Ebenfalls rein theologisch, ohne Den tatsächlich sehr unterhaltsamen Bezug zu Filmen, behandelt Paul Bad- Film After Life/Wandafuru Raifu (1998) ham (Uni of Wales) „Eschatology“ des Japaners Hirokazu Kore-eda ana- (S.15-26). Er beruft sich zwar auf die lysiert Tommi Mendel (Uni Zürich). heutige Theologie, erwähnt aber nir- Wörtlich übersetzt heißt der Titel: gends Hans Küngs „Ewiges Leben?“ „Wonderful life“ (S.177). Verstorbene (München 1982), das zu Sterbeerleb- dürfen für eine Woche ins frühere Leben nissen, zu Hölle und Himmel, der zurück, um ihr schönstes Erlebnis zur kein Ort ist, sondern eine Seinsweise, Mitnahme ins Ewige herauszufinden. unzweideutig Stellung bezieht. Badham Das Sequenzprotokoll von Montag zu formuliert weniger präzise. Nirgends Montag (S.191-197) zeigt eine bunte z.B. zitiert er Karl Rahner direkt. Die- Vielfalt von Szenen und Personen-Kons- ser hatte ein Gespräch für die Zeitung tellationen. DIE FURCHE eröffnet: „Mit dem Die Traumvision Jakobs, der selbst Tod ist zunächst einmal alles aus.“ (wie die Leiter zum Himmel nicht besteigt, oben: Karl Rahner im Gespräch, Band sondern nur die auf- und absteigenden 2, München 1983, S.122 ). Badham Engel beobachtet (Genesis 28), führt kennt wohl nur Bernhard Lang, der den hervorragenden Kenner der Film- im Rahner-Text „zunächst einmal“ als welt Jolyon Mitchell (Uni Edinburgh) „(...)“ wegläßt und zitiert Rahner nach „In search of Jacob‘s Ladder“ (S.115-129) Lang mit „With death it‘s all over.“ zunächst zu Ausführungen zu „Leiter“ (S.18). Auch Christopher Deacy zitiert bzw. „Treppe“ in einer Fülle von Unter- Rahner nicht direkt (S.74), sondern haltungsfilmen, z.B. Caligari (1920), Hick, der (nach Küng, „Ewiges Leben“, Battleship Potemkin (1925), Vertigo (1958), S.89) „eine Vermittlung zwischen dem Cleopatra (1963) und The Name of the Rose indischen Reinkarnationsglauben und (1986). Wenn auch Treppen im Film dem jüdisch-christlichen Auferwe- oft mit Gewalt verbunden sind, bemüht ckungsglauben versucht“. sich Mitchell (tagungsbedingt?), deren Weil diese Zitationsfehler offen- Rolle als Brücke zwischen Himmel und sichtlich allen zwölf Herausgebern Erde herauszuarbeiten und schlägt einen entgangen sind, folgt ein weiterer Bogen bis zu Dante und zur Tugendlei- eindeutiger Satz von Karl Rahner, ter des heiligen Benedikt. immerhin von Paul Badham als „most Rein auf Theologie bezogen stellt influential“ „Catholic thinker of the Peter Erdmann (Uni Münster in „Bil- twentieth century“ (S.17) und in der der von Tod und Jenseits“, S.27-45) die Introduction als „most inf luential Jenseitsvorstellungen der Bibel und ihrer Catholic theologian of the twentieth Entmythologierung heraus und schließt century“ (S.8) bezeichnet: 446 MEDIENwissenschaft 4/2012 „Ich, der konkrete Mensch, glaube jetzigen Erfahrungswelt auszumalen“ an meine Endgültigkeit und somit (Das große Kirchenjahr, Freiburg 1987, an meine Auferstehung und meine S.268). mit dieser Auferstehung gerade jene Ottmar Hertkorn (Paderborn) Endgültigkeit, ohne sie mit den dazu unbrauchbaren Vorstellungen meiner