Rundfunk und Geschichte Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte 32. Jahrgang Nr. 1–2/2006 Fernsehästhetik, Filmkunst oder Kommerzkino? Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 im Streit der Interessen Der »Wellen-Detektiv« und das »Gute in dem Herrn Schwarzhörer«: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks S. A. Kaehler: »Blick in die Zeit«. Dokumente zur Geschichte des politischen Programmangebots am Ende der Weimarer Republik Die Medienbestände im Unternehmensarchiv Axel Springer How Africa sees Europe Rezensionen Bibliografi e Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte Zitierweise: RuG – ISSN 0175-4351 Redaktion: Claudia Kusebauch Christoph Rohde Steffi Schültzke Hans-Ulrich Wagner Rundfunk und Geschichte 1–2/2006 Inhalt 32. Jahrgang Nr. 1–2/2006 Aufsätze Golo Föllmer/Sven Thiermann Relating Radio – Das Radio als Beziehungskiste. Stephan Buchloh Ein Tagungskonzept 62 Fernsehästhetik, Filmkunst oder Kommerzkino? Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre Steffi Schültzke 1974 bis 1990 im Streit der Interessen 05 Nur Kiezgeschichten aus dem Global Village? Ein Spaziergang in der Blogosphäre. 65 Janina Fuge Der »Wellen-Detektiv« und das »Gute Rezensionen in dem Herrn Schwarzhörer«: Die Schwarzhörerak- tionen des Nordwestdeutschen Rundfunks Internet-Rezension 1951–1954 18 Das Netzwerk Mediatheken (Thomas Hammacher) 67 Dokumentation Sammelrezension Günther Grünthal Manfred Korps: »Blick in die Zeit«. Dokumente zur Geschichte Der Kulturauftrag des des politischen Programmangebots öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Ende der Weimarer Republik 34 Martin Stock: Das deutsche duale Rundfunksystem: Dokumente: Alte Probleme, neue Perspektiven S.A. Kaehler: »Blick in die Zeit« (Barbara Thomaß) 69 Schlesische Funkstunde (Breslau); fünf Manuskripte 41 Christina Holtz-Bacha: Medienpolitik für Europa Forum (Dietrich Schwarzkopf) 71 Erik Lindner Nadja-Christina Schneider: Die Medienbestände im Unternehmensarchiv Zur Darstellung von »Kultur« und »kultureller der Axel Springer AG 49 Differenz« im indischen Mediensystem (Oliver Zöllner) 72 Christine Ehardt Hörproben. Alan Grace: Das Forschungsprojekt »Hörinszenierungen The Link With Home österreichischer Literatur« 50 (Oliver Zöllner) 74 Bettina Hasselbring Florian Cebulla: »Dableckt! Vom Roider Jackl«. Rundfunk und ländliche Gesellschaft 1924–1945 Eine Ausstellung des Bayerischen Rundfunks (Lu Seegers) 74 zum 100.Geburtstag von Jakob Roider 51 Thomas Bräutigam: Veit Scheller Hörspiel-Lexikon »Geschichte in den Medien – Medien und ihre (Wolfram Wessels) 76 Geschichte«. Jahrestagung der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare 54 Annegret Braun: Frauenalltag und Emanzipation Graham Mytton (Sabine Rittner) 76 How Africa sees Europe 56 02 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Barbara Sichtermann/Andrea Kaiser: Bibliografi e Frauen sehen besser aus (Sascha Trültzsch) 77 Zeitschriftenlese 93 (1.7.– 31.12.2005) (Rudolf Lang) 92 Thomas Beutelschmidt/Rüdiger Steinlein (Hrsg.): Realitätskonstruktion Mitteilungen des Studienkreises (Thomas Ahbe) 79 Rundfunk und Geschichte Jürgen Bertram: Tagungsankündigung Jahrestagung 2007 101 Mattscheibe (Uwe Breitenborn) 80 Jahrbuch Medien und Geschichte 102 Jens Ruchatz (Hrsg.): Examenscolloquium des Studienkreises 103 Mediendiskurse deutsch/deutsch (Steffi Schültzke) 81 Änderungen der Kontaktdaten 103 Oliver Fahle/Lorenz Engell (Hrsg.): Philosophie des Fernsehens (Joan Kristin Bleicher) 82 Sammelrezension Jürgen Bellers/Maren Königsberg (Hrsg.): Skandal oder Medienrummel? Claudia Gerhards/Stephan Borg/Bettina Lambert: TV-Skandale (Wolfgang Mühl-Benninghaus) 85 Ludwig Fischer (Hg.) Programm und Programmatik (Steffi Schültzke) 86 CD-Sammelrezension Deutsches Rundfunkarchiv: Hermann Kasack und der Rundfunk Ernst Busch und der Rundfunk (Heide Riedel) 87 Eckhard Lange/Hans-Gerhard Stülb (Hrsg.): Informationsprodukte auf dem Prüfstand (Andreas Kozlik) 90 Inhalt 03 Autoren der Aufsätze und Dokumentationen Editorische Notiz Prof. Dr. Stephan Buchloh lehrt Sozialpädagogik/ Sehr geehrte Leserinnen und Leser, Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Studium und wir haben mit diesem Heft die Rubrik »Miszellen« in Praktika in Berlin, Madrid, Buenos Aires und New »Forum« umbenannt. Damit verbindet sich für uns York; Fächer: Politologie, Germanistik, Lateiname- die Zielstellung, das „Forum“ noch mehr zu einer rikanistik, Pädagogik und Philosophie. Promotion in Plattform von medienhistorisch relevanten praxis- Politikwissenschaft, Habilitation in Kommunikations- und theoriebezogenen Diskussionen zu machen. und Medienwissenschaft. Berufl iche Tätigkeiten in Beiträge hierfür sind herzlich willkommen, ihre Ver- der Weiterbildung von Journalisten in Berlin, im Ma- öffentlichung unterliegt selbstverständlich unserer nagement einer international tätigen Hilfsorganisa- redaktionellen Auswahl. Tagungsinformationen, die tion und in einer Freizeiteinrichtung für Jugendliche Vorstellung von Forschungsprojekten und andere aus sozialen Brennpunkten in München. Nachrichten aus der Scientifi c Community werden E-Mail: buchloh@hs-weingarten.de im Forum weiterhin ihren Platz haben. Janina Fuge, geb. 1978, M.A., studierte Geschich- Mit dem Heft 3–4/2005 haben wir auch begonnen, te, Politische Wissenschaft und Öffentliches Recht die Seitenzählung des Heftes umzustellen. Die Sei- an der Universität Hamburg. Neben freier journa- ten werden künftig mit jedem Heft bei 1 anfangen listischer Tätigkeit arbeitet sie derzeit an der For- und nicht wie bisher nach Jahrgängen durchnum- schungsstelle zur Geschichte des Rundfunks in meriert sein. Norddeutschland und promoviert über Gedenkta- ge in der Weimarer Republik. E-Mail: janina.fuge@uni-hamburg.de Prof. Dr. Günther Grünthal, geb. 1938, em. Prof. für Neuere und Neueste Geschichte. Studium in Göttin- gen und Berlin, wiss. Assistent in Berlin (Promotion 1966), München und Karlsruhe (Habilitation 1975), Oxford (Visiting Fellow St. Antony’s College), Gast- professur in Metz (Frankreich), Professor in Karlsru- he und an der TU Chemnitz (seit 1993), dort Dekan (1994–1997) und Rektor (2000–2003). Forschungs- schwerpunkte: Parlamentsgeschichte (Preußen), Ge- schichte der politischen Parteien im 19. und 20. Jahr- hundert, Kulturpolitik in der Weimarer Republik, Kommunalpolitik in Sachsen. E-Mail: guenther.gruenthal@phil.tu-chemnitz.de Stephan Buchloh Fernsehästhetik, Filmkunst oder Kommerzkino? Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 im Streit der Interessen »Der ganze Neue deutsche Film ist auch ein direk- Welche Arten von Filmen sollten Zuwendungen er- tes Produkt dieser Idee von Kooperation zwischen halten – künstlerisch ambitionierte Arbeiten oder dem Kino und dem Fernsehen. Keiner von uns hät- Unterhaltungsfi lme? Dabei ging es auch um die ge- te ohne das Fernsehen ein Bein auf den Boden be- sellschaftliche Bedeutung des Fernsehens und des kommen.«1 Mit dieser Einschätzung stellte der Film- Films: Wirkt das Fernsehen durch die Unterstützung regisseur Wim Wenders der Filmförderung durch von anspruchsvollen Filmen als Kulturförderer, oder das Fernsehen ein hervorragendes Zeugnis aus. trägt es durch seine Fördermittel dazu bei, dass Wenders’ Urteil stieß in der öffentlichen Diskussi- die Produzenten künstlerisch belangloser Unter- on jedoch nicht nur auf Zustimmung. So hielten Kri- haltungsfi lme ihre wirtschaftliche Stellung ausbau- tiker dem Fernsehen vor, es zwinge den geförder- en können? Auf eine Kurzformel gebracht: Fördert ten Kinofi lmen eine Fernsehästhetik auf und nutze das Fernsehen die Filmkunst oder das kommerzi- die Regisseure durch unfaire Förderbedingungen elle Kino? aus. Was von Wim Wenders gelobt und von ande- ren heftig bemängelt wurde, war die Tätigkeit des In meinem Beitrag gehe ich als Erstes auf die De- Fernsehens als Förderer des Kinofi lms, welche in batten um die Frage: »Abkommen oder Abgabe?« dem sogenannten »Film/Fernseh-Abkommen« eine ein; dabei blicke ich besonders auf die Interessen, rechtliche Form gefunden hatte. Dabei handelte es welche die Beteiligten leiteten. Untersuchen möch- sich um eine Vereinbarung zwischen den öffent- te ich den Zeitraum vom Jahr 1974, in dem das erste lich-rechtlichen Fernsehsendern und der Filmför- Film/Fernseh-Abkommen in Kraft trat, bis zur deut- derungsanstalt, der zentralen Einrichtung des Bun- schen Wiedervereinigung im Jahr 1990. Zwischen des zur Förderung der Filmwirtschaft. 1974 und 1990 gab es fünf Abkommen, und vor dem Abschluss eines neuen Abkommens fl ammte Schon in den 60er Jahren hatte es immer wieder die Diskussion über diese Frage immer wieder auf. Forderungen gegeben, das Fernsehen solle sich an In einem zweiten Teil stelle ich kurz einige zentra- der Förderung von Kinofi lmen beteiligen, schließlich le Regelungen des Abkommens vor. Ein dritter Ab- strahle es viele Filme aus.2 Auf diese Forderungen schnitt ist dem Umfang der Filmförderung durch das reagierten die Sender 1974 mit dem »Film/Fernseh- Fernsehen gewidmet: Wie viel Geld gab das Fernse- Abkommen«. Dass das Fernsehen den Film auf der hen aus? Wie viele Filme unterstützte es? Anschlie- Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung unter- ßend frage ich in einem vierten Teil danach, wel- stützte, war von Anfang an umstritten. Statt eines che Filme das Fernsehen förderte: Wie sahen die Abkommens wurde auch über eine Pfl ichtabga- Ergebnisse der Filmförderung aus? An diesen Re- be pro gesendeten Spielfi lm diskutiert. An der De- batte beteiligten sich – neben der Presse – die po- litischen Parteien, die Fernsehanstalten und zwei Fraktionen der Filmbranche: Hier standen auf der 1 Wim Wenders, zit. n. Heinz Ungureit: Ende der Zweckehe? Unvor- einen Seite die sogenannten »Jungfi lmer« oder die eingenommene Prüfung nach zwanzig Jahren der Kooperation. In: Me- dium, 4/1991, S. 24–25; hier S. 24. Vertreter des »Neuen Deutschen Films« wie Alexan- 2 Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographi- der Kluge, Volker Schlöndorff oder Werner Herzog; sche Berichte und Drucksachen. Bonn, 4. Wahlperiode, 14. Sitzung, auf der anderen Seite die etablierten Kräfte, die oft 14.2.1962, Kahn-Ackermann (SPD), S. 422–424; bes. S. 423 (im Fol- genden zit. als »Deutscher Bundestag«); 4. Wahlperiode, Drucksache als »Altbranche« bezeichnet wurden und die durch IV/2324: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kulturpolitik und die Herstellung von kommerziellen Unterhaltungs- Publizistik (8. Ausschuß) über den von den Abgeordneten Dr. Martin, fi lmen hervorgetreten waren. Welches Fördermo- Kemmer und Genossen und Fraktion der CDU/CSU und den Abge- dell die Interessengruppen bevorzugten, hing von ordneten Schmitt-Vockenhausen, Dr. Lohmar, Kahn-Ackermann und Genossen und Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- verschiedenen Umständen ab: Wie viel Geld war zes über Maßnahmen auf dem Gebiet der deutschen Filmwirtschaft, zu erwarten? Wer konnte über die Mittel verfügen? 8.6.1964. 06 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) sultaten entzündete sich eine öffentliche Auseinan- Die Fernsehsender argumentierten ähnlich wie die dersetzung – diese werde ich im fünften Teil dieser jungen Regisseure. Die Anstalten bemängelten, Arbeit beleuchten. dass sie bei einer Pfl ichtabgabe gar keinen oder ei- nen zu geringen Einfl uss auf die Verwendung der an die FFA gezahlten Gelder hätten. Den Sendern ging Wie soll das Fernsehen den Film fördern? es auch um einen Nutzen für das eigene Programm: Man wollte Filme fördern, die den Qualitätsansprü- Die Debatte Anfang der 70er Jahre chen des Fernsehens genügten. Filmförderung war für die Rundfunkanstalten Kulturförderung, nicht Im Jahr 1973 stand eine Novellierung des Filmförde- Wirtschaftsförderung.6 rungsgesetzes an. Das Gesetz bildete die Grundla- ge für die Tätigkeit der Filmförderungsanstalt (FFA) Die Regierungsparteien SPD und FDP näherten und damit für die wirtschaftliche Filmförderung des sich im weiteren Verlauf der Gesetzesberatung den Bundes. Der erste Gesetzentwurf des Bundeswirt- Positionen der jungen Regisseure und der Fernseh- schaftsministeriums sah vor: Für jeden Spielfi lm, anstalten an. Der SPD-Politiker Peter Glotz zum Bei- den das Fernsehen zeigt, müssen die Sender eine spiel sprach sich für Filme aus, die sich mit der ge- Abgabe von 20.000 Mark entrichten.3 Begründet sellschaftlichen Wirklichkeit auseinandersetzen wurde die Abgabepfl icht mit Gerechtigkeitsüber- und den »Erfahrungshorizont« der Filmbetrachter legungen und dem Wunsch nach Mehreinnahmen erweitern sollten. Daher befürwortete er eine Re- für die FFA. Das Fernsehen sei an einer leistungs- gelung, bei der er am ehesten mit solchen eman- fähigen deutschen Filmwirtschaft interessiert und zipatorischen, aufklärerischen Filmen rechnete – müsse sich deshalb ebenso wie die Kinos fi nanzi- und das war eine freiwillige Vereinbarung zwischen ell an der Filmförderung beteiligen. Die Kinos zahl- Filmwirtschaft und Fernsehen.7 Die oppositionelle ten einen kleinen Teil aus den Kartenerlösen an die CDU/CSU befürchtete dagegen eine Politisierung FFA.4 der Bevölkerung und setzte sich für Unterhaltungs- fi lme ein. Der Film sollte der Entspannung der Men- Die Vertreter des Neuen Deutschen Films und die schen dienen und die gesellschaftliche Integration Fernsehanstalten sprachen sich gegen eine sol- fördern. Ihre Interessen sah die Union durch eine che Pfl ichtabgabe aus. Die Jungfi lmer lehnten die Zwangsabgabe am besten verwirklicht, da die Filme Abgabe vor allem deshalb ab, weil sie befürchte- der etablierten Branche bei einer solchen Regelung ten, dass in erster Linie die etablierten Produzen- die größten Förderungschancen gehabt hätten. Bei ten davon profi tiert hätten: 1. Die Gelder wären einem Abkommen wären nach Ansicht der CDU/ zwar dem Etat der Filmförderungsanstalt zugefl os- sen und auf diese Weise zum Teil auch für das neue Förderinstrument »Projektförderung« genutzt wor- den. Die Jungfi lmer hatten sich von dieser Förder- 3 Vgl. Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/974: art ursprünglich größere Chancen für ihre eigenen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeiten erhofft, weil ein Auswahlgremium über die Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films, 3.9.1973, S. 7. 4 Ebd., S. 13f. Projekte entscheiden sollte – nach dem Gesetzent- 5 Vgl. o. V.: Kluge: Filmförderungsanstalt muß umstrukturiert wer- wurf wäre dieser Ausschuss jedoch von der Alt- den. In: Der Abend, 17.8.1973; Wolfram Schütte: Warnung vor einem branche beherrscht worden. 2. Die Abgabe hätte Irrtum. Die Fernsehanstalten sollen, wollen, müssen »fi lmfördernd« sein. In: Frankfurter Rundschau, 21.9.1973; Frank J. Heinemann: Das dazu beigetragen, die fi nanzielle Ausstattung des Fernsehen als Zwangsmäzen? ARD und ZDF setzen sich gemeinsam Förderinstruments »Referenzfi lmförderung« zu er- gegen Forderungen der Filmwirtschaft zur Wehr. In: Stuttgarter Zei- halten, welches bislang fast nur der Altbranche ge- tung, 28.9.1973; Hans Günther Pfl aum: Kooperation oder Rechts- nutzt hatte. Bei der Referenzfi lmförderung handelte streit? Zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes. In: Süddeut- sche Zeitung, 4.10.1973; Brigitte Jeremias: Film und Fernsehen Arm sich um eine Art »Förderautomatik«. Entsprechend in Arm? Zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes. In: Frankfurter dem Kassenerfolg eines Films erhielt der Produzent Allgemeine Zeitung, 27.11.1973. automatisch Fördermittel für neue Filme – Filme, die 6 Vgl. rmc.: Fernsehen und Filmförderung. Der Vorschlag der An- stalten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.9.1973; Hellmut Haff- viel Geld einspielten, wurden also stark gefördert; ner: Sind Film und Fernsehen Gegensätze? Zur Reform des Filmför- Filme, die wenig Zuschauer fanden, mussten auf derungsgesetzes in der Bundesrepublik. In: Neue Zürcher Zeitung, eine Förderung verzichten. Ohne die Fernsehgelder 6.10.1973; Wilhelm Roth: Werden Film und Fernsehen Partner? Das wäre der Haushalt der FFA kaum erhöht worden, so neue Filmförderungsgesetz im Streit der Interessen. In: Der Tages- spiegel, 18.11.1973. dass die Einführung der Projektförderung zu einer 7 Vgl. Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, 71. Sitzung, 13.12.1973, Verminderung der Referenzmittel geführt hätte.5 Glotz (SPD), S. 4387–4390; bes. S. 4389; Haase (SPD), S. 4385–4386. Buchloh: Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 07 CSU die Gelder ausschließlich in die Projektför- len Wirtschaftszweigen und Medien, die Spielfi lme derung gefl ossen und hätten den wirtschaftlichen nutzten. Auf diese Weise sollten auch die »Neuen Charakter der Filmförderung beeinträchtigt.8 Medien« Video und Privatfernsehen einen Beitrag zur Filmförderung leisten. Die Abgabe der Fernseh- Die Debatte Ende der 70er Jahre anstalten sollte nach der Zahl der Zuschauer be- rechnet werden, die sich einen gesendeten Kinofi lm Auch bei der Bundestagsdebatte um eine Neufas- ansehen. Den Kinobesitzern ging es um dreierlei: sung des Filmförderungsgesetzes in den Jahren Erstens wollten sie ihre eigene Abgabe an die FFA 1978 und 1979 vertraten Regierungsparteien und im Gegenzug senken, zweitens sollten die Förder- Opposition wieder die gleichen kontroversen Auf- mittel insgesamt erhöht werden (wobei die Kinos fassungen: Die Union bevorzugte eine Pfl ichtabga- einen größeren Anteil an der Förderung als bisher be, die Regierungsparteien setzten sich für ein Film/ verlangten), und drittens sollte die Auswertung von Fernseh-Abkommen ein. Insgesamt wurde die Dis- Kinofi lmen durch andere Medien als das Kino ver- kussion jedoch auf einer weniger weltanschaulich- teuert und erschwert werden.13 Die Filmtheaterver- programmatischen Ebene geführt. SPD und FDP bände verfolgten hier einen klar ökonomisch ausge- begründeten ihre Ablehnung einer Zwangsabgabe richteten Politikansatz, bei dem ihre Marktstellung nun vorwiegend mit verfassungsrechtlichen Pro- im Wettbewerb mit anderen Filmauswertern im Vor- blemen und mit einer möglichen Klimaverschlech- dergrund stand. Auch ihre sonstigen Forderungen terung zwischen Film und Fernsehen. Gleichzeitig richteten sich auf möglichst marktgängige, beim betrachteten sie aber das Engagement des Fern- Publikum erfolgreiche Filme.14 Bei den Kinoorgani- sehens für die Filmwirtschaft als zu gering, und sie sationen, die zur etablierten Filmwirtschaft gehör- forderten die Sender nachdrücklich auf, den fi nan- ten, war diese Position nicht weiter überraschend. ziellen Rahmen des Abkommens zu erhöhen.9 Von Es darf indes als bemerkenswert gelten, dass die emanzipatorischen Ansprüchen an den Film und an Programmkinobetreiber, die sich dem Dachver- die Filmförderung war bei der SPD nun nichts mehr band des Neuen Deutschen Films angeschlossen zu hören, gleichwohl hielt man an einem Filmver- hatten, nun deutliche Interessengegensätze zu den ständnis fest, das den Film vor allem als Bestandteil Regisseuren und Produzenten der Neubranche for- von Kultur defi nierte. Ein freiwilliges Film/Fernseh- mulierten. Abkommen schien der SPD nach wie vor als das am besten geeignete Politikinstrument, um qualita- Ebenfalls nicht unbedingt zu erwarten war, dass tiv-kulturelle Elemente in der Filmförderung zu si- Union und SPD ihre Positionen zur Frage »Abkom- chern.10 Die CDU/CSU sprach die Verwendung der men oder Abgabe?« inzwischen vertauscht hatten: Gelder aus Abkommen oder Abgabe nicht mehr an, sondern argumentierte nun nur noch mit dem grö- ßeren Geldbetrag, der durch eine Zwangsabgabe zustande komme.11 Sie wurde dabei von der etab- 8 Vgl. Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, 71. Sitzung, 13.12.1973, lierten Filmwirtschaft unterstützt, die eine monatli- Wohlrabe (CDU), S. 4390–4394; bes. S. 4392; vgl. a. Wohlrabe in ei- che Abgabe von 15 Pfennig für jeden Gebühren zah- ner Presseerklärung, aus der der SPD-Abgeordnete Peter Glotz im Bundestag unwidersprochen (wörtlich) zitiert: Deutscher Bundestag, lenden Fernsehzuschauer vorschlug und zugleich 7. Wahlperiode, 71. Sitzung, 13.12.1973, Glotz (SPD), S. 4388. forderte, bei der Aufteilung der Gelder das Schwer- 9 Vgl. Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, 109. Sitzung, gewicht auf die Referenzfi lmförderung zu legen – 5.10.1978, Martiny-Glotz (SPD), S. 8636–8638; bes. S. 8638; Haus- smann (FDP), S. 8640–8641; bes. S. 8641; 152. Sitzung, 11.5.1979, hier sollte eine Pfl ichtabgabe also wieder eindeutig Haussmann (FDP), S. 12171–12173; bes. S. 12173. in den Dienst der Altbranche gestellt werden.12 10 Vgl. Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, 109. Sitzung, 5.10.1978, Martiny-Glotz (SPD), S. 8636–8638; bes. S. 8637; 152. Sit- zung, 11.5.1978, Martiny-Glotz (SPD), S. 12169–12171; Nöbel (SPD), Die Debatte in den 80er Jahren S. 12174–12176; bes. S. 12175. 11 Vgl. Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, 109. Sitzung, 5.10.1978, Als eine erneute Veränderung des Filmförderungs- Wohlrabe (CDU), S. 8638–8640; bes. S. 8639f.; 152. Sitzung, 11.5.1979, gesetzes im Jahr 1987 anstand, hatten sich die po- Schwarz-Schilling (CDU), S. 12173–12174; bes. S. 12174. 12 Vgl. Spitzenorganisation der Filmwirtschaft: Denkschrift zur litischen Konstellationen gewandelt, und auch in der Neufassung des Filmförderungsgesetzes vom 3. März 1974. Wiesba- Filmpolitik verliefen die Fronten anders. So forder- den, 18.10.1977; bes. S. 4. ten sowohl die zur Altbranche gehörenden Filmthea- 13 Vgl. HDF-Arbeitsgruppe für die FFG-Reform: Neufassung des terverbände als auch die zur Neubranche zählende Filmförderungsgesetzes (FFG). Der HDF-Standpunkt zu einer not- wendigen Reform. In: Film-Echo/Filmwoche, Nr. 71/72, 23.12.1983, »Arbeitsgemeinschaft Kino« in einem gemeinsamen S. 16–19; bes. S. 18. Papier die Erhebung einer Zwangsabgabe von al- 14 Ebd., S. 16. 08 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Die CDU/CSU trat nun für die Fortsetzung einer frei- fördert werden. Die Grundzüge der Förderung blie- willigen Zusammenarbeit zwischen Fernsehen und ben in den verschiedenen Fassungen erhalten; aller- Filmwirtschaft ein, während die SPD ebenso wie die dings wurden manche Regelungen neu eingeführt, Filmtheaterverbände – und übrigens auch die Grü- andere fi elen dafür weg. Auch manche Fördersum- nen – eine Zwangsabgabe aller Fernsehsender for- men änderten sich. Das Abkommen, das im Folgen- derte.15 Erklären lässt sich dieser Sinneswandel vor den in seiner fünften Fassung vorgestellt wird, die allem durch die Politik der Parteien gegenüber den am 1. Januar 1990 in Kraft trat, sah vier Förderungs- »Neuen Medien« und den eingetretenen oder sich instrumente vor.18 Hier konnte man zwischen »direk- abzeichnenden Entwicklungen auf diesem Gebiet: ten« und »indirekten« Formen der Filmförderung un- Die Union trieb als Regierungspartei die Errichtung terscheiden. »Direkt« förderte das Fernsehen zum privater Fernseh- und Radiostationen voran und einen Gemeinschaftsproduktionen: Es handelte wollte diese Sender vor wirtschaftlichen Belas- sich um Filme, die ein Produzent aus der Filmwirt- tungen bewahren. Hätte die CDU/CSU sich wie in schaft und eine Rundfunkanstalt gemeinsam her- den vorigen Debatten für eine Zwangsabgabe der stellten. Zum anderen unterstützte das Fernsehen Fernsehanstalten eingesetzt, dann wäre es kaum Arbeiten von Nachwuchsfi lmern sowie neuartige möglich gewesen, die Abgabepfl icht auf die öffent- und experimentelle Filme. »Indirekt« förderte das lich-rechtlichen Sender zu beschränken. Stattdes- Fernsehen den Film, indem es Geld an die Filmför- sen führte die Union nun rechtliche Gründe gegen derungsanstalt zahlte, und zwar sowohl für die Pro- eine Zwangsabgabe des Fernsehens an und rief die jektfi lmförderung der FFA als auch für die Referenz- kommerziellen Anstalten zu einer freiwilligen Betei- fi lmförderung der FFA. ligung an der Filmförderung auf.16 Das Interesse am Auf- und Ausbau des privaten Rundfunks überwog Im Einzelnen waren die Förderinstrumente so an- bei der CDU/CSU deutlich das Interesse am Schutz gelegt: des »alten Mediums« Filmtheater. Hier zeigten sich • Die Förderung von Gemeinschaftsproduktionen erstmals seit langem Gegensätze in den Interessen bildete den größten und wichtigsten Bestandteil der Altbranche, besonders der Kinobesitzer, und der Filmförderung durch die Rundfunkanstalten. der Union. Über die Vergabe der Gelder entschied eine aus Vertretern der Rundfunkanstalten und der Filmwirt- Die SPD, die den »Neuen Medien« skeptisch ge- schaft paritätisch besetzte Kommission. Sie be- genüberstand, betonte demgegenüber die kultu- stand aus zehn Mitgliedern (»Zehnerkommission«). relle Bedeutung des Kinos als Abspielstätte für In der Regel wandte sich ein Filmproduzent an ei- Filme. Sie sah das Überleben vieler Lichtspielhäu- nen Fernsehsender und stimmte mit dem zustän- ser durch die Spielfi lmausstrahlungen des Fernse- hens bedroht. Die Sozialdemokraten wollten den Er- halt der Kinos sichern und setzten sich deshalb für eine Lösung ein, von der sie sich einen vergleichs- 15 Vgl. Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, 217. Sitzung, weise hohen Geldbetrag für die Filmförderung er- 16.5.1986, Martiny-Glotz (SPD), S. 16791–16792; bes. S. 16792; Tat- warteten – und das war die Zwangsabgabe. Zu- ge (Grüne), S. 16793–16794; bes. S. 16794; 238. Sitzung, 16.10.1986, Geiger (CSU), S. 18428–18430; bes. S. 18430; Martiny-Glotz (SPD), gleich kam es ihnen auf eine Regelung an, bei der S. 18430–18432; bes. S. 18431; Weirich (CDU), S. 18434–18435; bes. die privaten Rundfunkanstalten nicht ungescho- S. 18434; Drucksache 10/6162: Änderungsantrag der Fraktion der ren blieben.17 In der Forderung nach einer Abgabe- SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungs- pfl icht für das Fernsehen trafen sich nun die Inter- gesetzes, 15.10.1986. essen der Altbranche und der SPD – freilich stand 16 Vgl. Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, 238. Sitzung, bei den Sozialdemokraten die gesellschaftlich-kul- 16.10.1986, Geiger (CSU), S. 18428–18430; bes. S. 18430; Weirich turelle Wichtigkeit des Kinos im Vordergrund, wäh- (CDU), S. 18434–18435; bes. S. 18434. 17 Vgl. Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, 238. Sitzung, rend die Kinobesitzer eher von ökonomischen Mo- 16.10.1986, Martiny-Glotz (SPD), S. 18430–18432; bes. S. 18431; Duve tiven geleitet waren. (SPD), S. 18435–18436; vgl. a. W. Paetsch: SPD übt Kritik am FFG- Entwurf. Filmwirtschaftler fordern Politiker zum Handeln auf / Kino- tag in Bonn. In: Film-Echo/Filmwoche, Nr. 13/14, 7.3.1986, S. 6; Nor- bert Wiesner: Schonzeit für private Füchse. In: Film-Echo/Filmwoche, Welche Regelungen enthielt Nr. 62/63, 7.11.1986, S. 5. das Film/Fernseh-Abkommen? 18 Vgl. 5. Film/Fernseh-Abkommen (19.7.1989). In: Media Perspek- tiven. Dokumentation, I/1989, S. 38–49; s. a. den Kommentar zu dem Abkommen bei Horst von Hartlieb: Handbuch des Film-, Fernseh- und Auf der Grundlage des Film/Fernseh-Abkommens Videorechts. 3., neubearb. und wesentlich erw. Aufl . München 1991, sollten hauptsächlich Filme im Projektstadium ge- S. 181–185. Buchloh: Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 09 digen Redakteur ein Filmprojekt ab. Ein solches ren: Die beiden Summen lassen sich daher nur mit Vorhaben konnte der Kommission schriftlich ange- Einschränkung vergleichen. Zöge man die Fernseh- meldet werden. Sie befand darüber, ob das Projekt mittel ab, wären die Förderungsaufwendungen der als Gemeinschaftsproduktion im Rahmen des Film/ FFA geringer. Fernseh-Abkommens anzusehen war und damit ei- nen Zuschuss aus dem Fördertopf erhielt. Wie viele Filme wurden im Rahmen des Film/ • Innerhalb der »Nachwuchs- und Innovationsförde- Fernseh-Abkommens unterstützt? Bis Ende 1990 rung« wurden experimentelle Filme, Nachwuchsfi l- förderte das Fernsehen 541 Filmvorhaben, und me, »Filme mit Innovationscharakter« und längere zwar im Wesentlichen als Gemeinschaftsproduk- Dokumentarfi lme unterstützt. Diese Förderungsart tionen oder durch die Projektförderung der FFA. konnte als die »Low-Budget«-Förderung innerhalb Innerhalb ihres Projektfi lmförderungstopfes ver- des Abkommens angesehen werden. Eine aus je ei- wendete die Filmförderungsanstalt die Mittel ohne nem Vertreter von ARD und ZDF bestehende Unter- Rücksicht auf die Herkunft der Gelder. Sie trennte kommission traf die Entscheidungen. Auf ein Dreh- also nicht zwischen Filmprojekten, die sie mit Fern- buch konnte in Einzelfällen verzichtet werden, wenn sehmitteln förderte, und solchen, die sie mit sons- auf andere Weise (etwa durch eine ausführliche Be- tigen FFA-Haushaltsmitteln unterstützte. Prinzipiell schreibung) dargelegt wurde, dass das Filmprojekt konnten daher sämtliche von der FFA geförderten einen dem Förderungsziel entsprechenden Film er- Filmvorhaben als vom Fernsehen geförderte Projek- warten ließ. te gelten. In den Jahren von 1974 bis 1990 war das • Bei der »indirekten« Förderung galt: Unter den von Fernsehen an den Projektfördergeldern der FFA mit der Filmförderungsanstalt unterstützten Filmen soll- knapp der Hälfte der Mittel beteiligt.21 Laut ihres Ge- ten sich in angemessenem Umfang Filme befi nden, schäftsberichts 1990 unterstützte die FFA von den die sich auch für die Ausstrahlung im Fernsehen eig- insgesamt geförderten 541 Filmen 386 durch Gel- neten. Außerdem sollten die öffentlich-rechtlichen der aus der Projektfi lmförderung; 351 Filme wurden Rundfunkanstalten die ersten sein, denen die Film- als Gemeinschaftsproduktionen anerkannt, und in produzenten die Fernsehlizenzen anboten. 27 Fällen beteiligte sich das Fernsehen durch den »Vorabkauf« der Fernsehnutzungsrechte an der Filmfi nanzierung – eine Form der Förderung, die Welchen Umfang hatte die Filmförderung während des ersten Abkommens galt. Dies bedeu- durch das Fernsehen? In den Jahren von 1974 bis 1990 stellten die öffent- 19 Vgl. zu den Zahlen die Festlegungen in den einzelnen Versionen lich-rechtlichen Fernsehsender im Rahmen des des Film/Fernseh-Abkommens: Film/Fernseh-Abkommen (4.11.1974). Film/Fernseh-Abkommens 270,4 Millionen Mark In: ARD und ZDF (Hrsg.): Der Deutsche Film und das Fernsehen. Film- förderung 1974–1977. Vier Jahre Film/Fernseh-Abkommen. Eine vor- für die Filmwirtschaft bereit. Die Gemeinschafts- läufi ge Bilanz. Frankfurt am Main und Mainz: ARD/ZDF-Informations- produktionen hatten mit 173,25 Millionen Mark oder broschüre 1977, S. 40–43; 2. Film/Fernseh-Abkommen (8.7.1980). In: 64,1 Prozent den höchsten Anteil an der Förderung. Willi Bär und Hans Jürgen Weber: Fischer Film Almanach 1981. Filme, An zweiter Stelle standen mit 66 Millionen Mark oder Festivals, Tendenzen. Frankfurt am Main 1981, S. 217–226; 3. Film/ Fernseh-Abkommen (10.11.1983). In: Gisela Hundertmark und Louis 24,4 Prozent die Zuschüsse zur Projektförderung Saul (Hrsg.): Förderung essen Filme auf ... Positionen – Situationen – der Filmförderungsanstalt.19 Im Vergleich der Gel- Materialien. München 1984, S. 242–246; 4. Film/Fernseh-Abkommen der des Fernsehens mit denen der Filmförderungs- (26.3.1986). In: Horst von Hartlieb: Das neue Filmförderungsrecht. Filmförderungsgesetz, Fernsehabkommen, Richtlinien, Förderungs- anstalt ergibt sich: Das Fernsehen zahlte an die programme. Textausgabe mit Erläuterungen. München 1987, S. 113– Filmwirtschaft etwas mehr als die Hälfte der Sum- 119; 5. Film/Fernseh-Abkommen (19.7.1989), a.a.O.; s. a. die Tabelle me, die die FFA für ihre verschiedenen Förderungs- bei Enno Friccius (stellvertretender Justitiar des ZDF): Die Zusam- arten aufbrachte. Die FFA stellte in der Zeit von 1974 menarbeit zwischen Film und Fernsehen. Zum Abschluß des 5. Film/ Fernseh-Abkommens. In: Media Perspektiven, Nr. 11, 1989, S. 697– bis 1990 insgesamt 520,7 Millionen Mark zur Verfü- 700; hier S. 698, und darauf fußende eigene Berechnungen. gung. Dies entspricht einem durchschnittlichen Be- 20 Ebd. und eigene Berechnungen; vgl. zu den FFA-Ausgaben die trag von 30,6 Millionen Mark pro Jahr. Die durch- Geschäftsberichte der FFA: Filmförderungsanstalt: Geschäftsberich- te 1968/69 – 1990. O. O. o. J. [= Berlin 1970 – 1991]. schnittliche Fördersumme des Fernsehens belief 21 Vgl. Filmförderungsanstalt: Geschäftsbericht 1990, a.a.O., sich im selben Zeitraum auf 15,9 Millionen Mark.20 Anlage 28/6; die FFA nennt dort als Betrag, der in der Zeit von 1974 Hier gilt es allerdings zu bedenken, dass es sich bei bis 1990 insgesamt für die Förderung von Filmprojekten ausgegeben den von der FFA ausgeschütteten Mitteln ja teilwei- wurde, 137.285.000 Mark. Nach den Festlegungen des Abkommens haben die Fernsehanstalten davon 66 Millionen Mark bereitgestellt, se um Gelder handelte, die aus dem Film/Fernseh- so dass sie mit einem fi nanziellen Anteil von 48,1 Prozent an der FFA- Abkommen in die FFA-Fördertöpfe gefl ossen wa- Projektförderung beteiligt waren. 10 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) tet, dass manche der Filmvorhaben eine doppelte Sexfi lmen und ähnlichem absieht; insgesamt über- Förderung erhielten: So wurden 211 Filme sowohl wiegen jedoch die anspruchsvollen Produktionen als Gemeinschaftsproduktionen anerkannt als auch und die gehobenen Unterhaltungsfi lme. So sind die mit Projektmitteln unterstützt, und in die Finanzie- bekannten Namen des Neuen Deutschen Films je- rung von sechs Filmen fl ossen zugleich Projektmit- weils mit mehreren Arbeiten vertreten: Fassbinder, tel und Gelder aus dem »Vorabkauf« der Fernseh- Wenders, Herzog, Schlöndorff, von Trotta, Peter- rechte ein.22 sen, Bohm, Kluge, Schroeter, Achternbusch, Sin- kel, von Praunheim, Geissendörfer, Hauff, Lilienthal Die bis Ende 1990 für Projektförderungsmaßnah- und van Ackeren. Sie erhielten Förderungen für Fil- men, Gemeinschaftsproduktionen und »Vorabkäu- me wie »Querelle«, »Paris, Texas«, »Stroszek«, »Die fe« ausgezahlten oder zugesagten Fördermittel be- verlorene Ehre der Katharina Blum«, »Rosa Luxem- liefen sich nach Angaben der FFA auf 343.150.000 burg«, »Das Boot«, »Nordsee ist Mordsee«, »Der Mark, so dass ein Film im Durchschnitt 634.000 starke Ferdinand«, »Palermo oder Wolfsburg«, »Der Mark bekam. Dabei unterschieden sich die Förder- Depp«, »Berlinger«, »Stadt der verlorenen Seelen«, beträge nach der Förderungsart. Innerhalb der Pro- »Der Zauberberg«, »Das Autogramm« oder »Die jektförderung standen 137.285.000 Mark für 386 Fil- fl ambierte Frau«.25 me zur Verfügung, auf einen Film entfi elen demnach durchschnittlich 356.000 Mark. Bei den Gemein- Unter den vom Fernsehen innerhalb des Abkom- schaftsproduktionen verteilten die Fernsehanstalten mens direkt geförderten Filmen fi nden sich auch 200.465.000 Mark auf 351 Filme, so dass ein Film solche, die von der FFA-Projektkommission nicht im Durchschnitt 571.000 Mark erhielt. Durch »Vor- angenommen wurden, so »Der starke Ferdinand« abkäufe« zahlten die Sender 5,4 Millionen Mark für (Alexander Kluge), »Die Vertreibung aus dem Pa- die Finanzierung von 27 Filmen, pro Film im Durch- radies« (Niklaus Schilling) oder »Stroszek« (Werner schnitt also 200.000 Mark. Innerhalb der »Nach- Herzog). Das Kommissionsmitglied Alfred Nemec- wuchs- und Innovationsförderung« unterstützten zek vermutete bei manchen Ablehnungen durch die ARD und ZDF weitere 87 Filmvorhaben. Hier wur- FFA politische Gründe, so bei dem Kluge-Projekt.26 den 20.080.000 Mark vergeben, für einen Film stan- Wenn diese Annahme zutrifft, dann muss man dem den durchschnittlich 231.000 Mark bereit.23 Fernsehen hier eine liberalere Förderungspraxis be- scheinigen. Vergleicht man die Zahl der vom Fernsehen im Rah- men des Abkommens geförderten Filme mit der Viele der wirtschaftlich erfolgreichen deutschen Fil- Gesamtzahl der von 1974 bis 1990 erstaufgeführ- me wurden mit Geldern aus dem Film/Fernseh-Ab- ten deutschen Filme, so ergibt sich: Etwas mehr als kommen gefördert. Hierunter fallen auch manche die Hälfte aller deutschen Filme jener Jahre wurden Produktionen, die eher zur anspruchslosen Unter- vom Fernsehen gefördert. Zwischen 1974 und 1990 haltung gehören, wie einige »Didi«-Filme (mit Die- kamen nämlich 1.235 deutsche Filme neu ins Kino, ter Hallervorden) oder Thomas-Gottschalk-Streifen. von denen das Fernsehen 628, also 50,9 Prozent, Von den 25 erfolgreichsten deutschen Filmen der im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens fi nan- Jahre 1974 bis 1980, die in einer Liste bei Klaus Sigl, ziell unterstützte. Zählt man nur die Filme, die das Werner Schneider und Ingo Tornow zusammenge- Fernsehen innerhalb des Abkommens direkt för- stellt sind, wurden 15 aus Mitteln des Film/Fernseh- derte, also als Gemeinschaftsproduktionen, durch Abkommens gefördert, das sind 60 Prozent; 11 der die »Nachwuchs- und Innovationsförderung« oder durch den »Vorabkauf« der Ausstrahlungsrechte, so kommt man auf 465 Filme, also auf einen Anteil von 37,7 Prozent an der Gesamtproduktion.24 22 Ebd. 23 Ebd. Die ausgezahlten oder zugesagten Beträge sind meist grö- ßer als die Summen, die im Abkommen vereinbart sind. 24 Ebd., Anlage 6. Welche Filme förderte das Fernsehen? 25 Ein vollständiges Verzeichnis aller bis zum 31. Dezember 1990 im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens geförderten Filmprojek- te ergibt sich aus Anlagen zu zwei Geschäftsberichten der FFA, und Betrachtet man die vom Fernsehen geförderte Hälf- zwar den Ausgaben der Jahre 1986 (Anlage 23) und 1990 (Anlage 28), te der deutschen Filmproduktion, so kann man von a.a.O. der »besseren Hälfte« der in der Bundesrepublik 26 S. Alfred Nemeczek: Ganz schön heruntergekommen. Erfahrun- gen in der Projektkommission. In: Hans Günther Pfl aum (Hrsg.): Jahr- Deutschland hergestellten Filme sprechen. Zwar buch Film 78/79. Berichte/Kritiken/Daten. München und Wien 1978, fi ndet man alle Sorten von Filmen – wenn man von S. 161–172; hier S. 166f. Buchloh: Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 11 25 Filme, also 44 Prozent, waren Gemeinschafts- von ihm geförderten Filme als nützlich; denn die für produktionen. In den Jahren von 1981 bis 1984 be- das Kino ungeeigneten Filme fänden bei den Fern- fanden sich unter den 21 deutschen Filmen, die die sehzuschauern immer noch relativ viel Anklang, von meisten Kinobesucher anzogen, 16 vom Fernse- den wenigen durch das Fernsehen unterstützten Ki- hen unterstützte Produktionen, dies entspricht ei- noerfolgen ganz zu schweigen. Die Sendeanstalten nem Anteil von 76 Prozent. 8 der 21 Filme, also 38 könnten so mit vergleichsweise geringem Einsatz Prozent, waren in direkter Zusammenarbeit mit dem – so der zweite Vorwurf – einen wichtigen Teil ih- Fernsehen hergestellt worden.27 res Programms füllen und hohe Einschaltquoten er- zielen. Das Film/Fernseh-Abkommen diene damit Zu den im Rahmen des Abkommens geförder- dem Fernsehen wesentlich mehr als der Filmwirt- ten Publikumserfolgen jener Jahre gehörten »Die schaft.30 Drittens wurden die Fernsehanstalten kriti- Blechtrommel« von Volker Schlöndorff, »Steiner – siert, weil sie den thematisch-politischen Freiraum Das eiserne Kreuz« von Sam Peckinpah, »Theo ge- der Filmemacher einschränken würden. Wegen der gen den Rest der Welt« von Peter F. Bringmann, »Die Partei- und Staatsnähe der öffentlich-rechtlichen unendliche Geschichte« von Wolfgang Petersen, Rundfunkanstalten und wegen der Ängstlichkeit der »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« von Redakteure seien bestimmte Themen, wie zum Bei- Ulrich Edel, »Didi – Der Doppelgänger« von Rein- spiel Terrorismus, Korruption in der Politik oder die hard Schwabenitzky, »Lili Marleen« von Rainer Wer- Verhältnisse in den Medien selbst, entweder ganz ner Fassbinder, »Abwärts« von Carl Schenkel und tabu oder dürften nur auf vorsichtig-harmlose Wei- »Die bleierne Zeit« von Margarethe von Trotta.28 An- se behandelt werden.31 gesichts der unterstützten Filme liegt es nahe, die auf dem Film/Fernseh-Abkommen beruhende Film- förderung für fair und erfolgreich zu erachten, weil – bei einem Schwerpunkt auf dem anspruchsvol- 27 Vgl. Klaus Sigl u. a.: Jede Menge Kohle? Kunst und Kommerz auf len Film und der gehobenen Unterhaltung – sowohl dem deutschen Filmmarkt der Nachkriegszeit. Filmpreise und Kassen- erfolge 1949–1985. München 1986, S. 162f.; s. zu den geförderten Fil- künstlerische Qualität als auch Marktgesichtspunk- men die FFA-Geschäftsberichte von 1986 und 1990, a.a.O. te zu ihrem Recht kamen. Vor einem abschließen- 28 Ebd. den Urteil empfi ehlt es sich indessen, einen Blick 29 Vgl. z. B. Andreas Meyer: Auf dem Wege zum Staatsfi lm? Bau- steine zu einer Situationsanalyse des bundesdeutschen Kinos. 1. Das auf die öffentliche Diskussion über das Abkommen Fernseh-Kino. In: Medium, Heft 10, Oktober 1977, S. 27–30; Hans C. zu werfen – in der Öffentlichkeit war das Abkommen Blumenberg: Im Würgegriff des Fernsehens. Das Kino auf der Su- nämlich stets umstritten: Dabei ging es nicht nur um che nach dem intelligenten Kommerzfi lm. Glanz und Elend des neuen die Frage »Abkommen oder Abgabe«, sondern auch deutschen Films (II). In: Die Zeit, Nr. 37, 2.9.1977; Hans C. Blumenberg: Bildschirm contra Leinwand? Nicht austauschbar: Kinofi lm und Fern- um den Einfl uss der Fernsehanstalten auf die Film- sehspiel – Formen mit eigenen Gesetzen. In: Die Zeit, Nr. 26, 23.6.1978; gestaltung und um die Folgen der Fernseh-Filmför- Horst von Hartlieb: Kinofi lm und Fernsehen: Weiter wie bisher? In: derung für den Filmsektor. Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz und Katholi- sche Filmarbeit in Deutschland (Hrsg.): Öffentliche Filmförderung. Er- fahrungen und Erwartungen. Die Referate der Jahrestagung München 29.–30. Januar 1985. Bonn 1985, S. 107–116; Hans-Joachim Neumann: Wie sah die Öffentlichkeit Der deutsche Film heute. Die Macher, das Geld, die Erfolge, das Publi- kum. Frankfurt am Main und Berlin 1986, S. 77. die Ergebnisse der Filmförderung? 30 Vgl. Herbert Strate: Kinofi lm und Fernsehen: Weiter wie bisher? In: Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz und Ka- Kritiker des Film/Fernseh-Abkommens erhoben tholische Filmarbeit in Deutschland (Hrsg.): Öffentliche Filmförde- künstlerisch, politisch und wirtschaftlich begrün- rung. Erfahrungen und Erwartungen. Die Referate der Jahrestagung München 29.–30. Januar 1985. Bonn 1985, S. 123–130; Wolf Donner: dete Vorwürfe. Erstens wurde den Fernsehanstal- Die Kino-Killer. In: Tip. Berlin-Magazin, Nr. 12, 7.6.–20.6.1990, S. 56– ten vorgehalten, sie drängten den von ihnen kopro- 63; bes. S. 62; Wolf Donner: Die Kino-Killer 2. In: Tip. Berlin-Maga- duzierten Filmen eine Fernsehästhetik auf, die sich zin, Nr. 12, 6.6.–19.6.1991, S. 28–34; bes. S. 30; Wolf Donner: Die Kino- Killer 3. In: Tip. Berlin-Magazin, Nr. 12, 4.6.–17.6.1992, S. 64–73; bes. von einer Kinoästhetik unterscheide. Auf diese Wei- S. 69f.; Torsten Teichert: Auch Amphibien können ertrinken. In: Black se trügen die Sender zu einer Verarmung und Ver- Box, Nr. 51, Juli 1990, S. 1–4. einheitlichung der künstlerischen Ausdrucksfor- 31 Vgl. o. V.: Wir müssen uns auf die Socken machen. Die »Hambur- men bei. Ins Kino kämen nun Filme, die eher für das ger Erklärung« der Filmemacher im Wortlaut. In: Frankfurter Rund- schau, 24.9.1979; John Sandford: The New German Cinema. London Fernsehen geeignet seien und deshalb beim Film- 1980, S. 150; Hans Günther Pfl aum: Innenansichten der Filmförderung. theaterpublikum keinen Erfolg hätten – die ästheti- In: Hans-Peter Reichmann und Rudolf Worschech (Red.): Abschied sche Uniformierung wirke sich damit auch in öko- vom Gestern. Bundesdeutscher Film der sechziger und siebziger Jah- re. Frankfurt am Main 1991, S. 138–151; bes. S. 146f.; Andreas Kilb im nomischer Hinsicht für die Filmwirtschaft nachteilig Interview. In: Wolf Donner und Stephan Guntli: Kann der deutsche Film aus.29 Für das Fernsehen erwiesen sich dagegen die nicht besser sein? Sendung des ARD-Fernsehens am 6.2.1992. 12 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Die ästhetisch begründete Kritik er negativ bewertet: einen weitgehenden Verzicht am Film/Fernseh-Abkommen auf Panoramen, Totalen und Schwenks, bedingt durch die zu geringe Tiefenschärfe des Fernseh- Ziel der Kritik, die sich auf künstlerische Überlegun- bildes; das Vorherrschen von Nah- und Großein- gen stützte, war das Konzept des »amphibischen stellungen (»Ästhetik der redenden Köpfe«); Do- Films«. Diesen Begriff hatte Günter Rohrbach 1977 minanz billiger, einfacher Lösungen, wie etwa des in die Diskussion gebracht. Rohrbach, Leiter des Zooms an Stelle einer Kamerafahrt.36 Der Kinogän- »Programmbereichs Spiel und Unterhaltung«, ver- ger erhoffe sich die Befriedigung seiner Bedürfnis- antwortete damals die Fernsehspiele im WDR. Der se nach sinnlichen Vergnügungen, nach Kitsch und Begriff »amphibischer Film« bezog sich auf einen nach großen Gefühlen. Diese Bedürfnisse und die Film, der sich sowohl für das Fernsehen als auch damit einhergehenden Vorstellungen von fi lmischer für das Kino eignete. Dabei hatte Rohrbach eher Qualität unterschieden sich fundamental vom Ge- eine Orientierung der Fernsehproduktionen am Ki- schmack der Bildungsbürger: »Kino ist nicht Staats- nofi lm im Sinn als eine Angleichung der Kinofi lme theater, Volkshochschule oder Kulturseminar.«37 an das Fernsehspiel. In der folgenden Diskussion wurde der Begriff »amphibischer Film« jedoch meist An der von Blumenberg und Meyer verfochtenen als Bezeichnung für eine künstlerische Mischform These, dass es wesentliche Unterschiede zwischen aus Fernsehspiel und Kinofi lm verwendet, was auch Kino und Fernsehen gebe, ist nicht zu zweifeln. Es den nicht ganz klaren Ausführungen Rohrbachs ge- lassen sich aber zwei wichtige Einwände gegen schuldet sein mag.32 Gegenüber dem Konzept des eine Kritik am Film/Fernseh-Abkommen vorbrin- amphibischen Films – verstanden als Film/Fernseh- gen, welche sich aus dieser These ableitet: Ers- Mischform – verwiesen besonders der Münchner tens erfasst das vor allem von Meyer vorgetragene Medientheoretiker Andreas Meyer und der »Zeit«- Konzept des Kinos zwar die Tradition des Kinos als Kritiker Hans C. Blumenberg auf wesentliche Un- Unterhaltungsmedium und beschreibt Grundmerk- terschiede zwischen dem Kino- und dem Fernseh- male des Erzählkinos, wie man es besonders aus fi lm, die sie erhalten wissen wollten. Nach Ansicht Hollywood kennt. Das Konzept lässt indes keinen von Blumenberg besteht bei vielen Fernsehfi lmen Raum für andere Formen der Filmgestaltung, die ne- das Hauptproblem darin, dass jedes Bild und jede ben der Hauptlinie ebenfalls zur Geschichte des Ki- Geste schwerfällig eine didaktische Funktion erfül- nos gehören – was auch derjenige zugeben müss- le. Die Filme eigneten sich so allenfalls als »Diskus- te, dem Hollywood-Filme besser gefallen. Erinnert sionsgrundlage für Zielgruppen-Veranstaltungen«. sei an die Filme – und die theoretischen Überlegun- Der Kinofi lm sei demgegenüber durch eine größere gen – Sergej Eisensteins und Jean-Luc Godards, formale Vielfalt und eine größere inhaltliche Freiheit die gerade auf die von Meyer als kinofremd cha- charakterisiert. In der »babylonischen Gefangen- rakterisierte Elemente Ratio, Intellekt und Analyse schaft des Fernsehens« könne das Kino seine Mög- nicht verzichten wollen.38 Auf den eingeschränkten lichkeiten jedoch nicht entfalten und verliere an Zug- kraft: »Der amphibische Film bedeutet den Tod des Kinos.«33 Blumenberg nennt Beispiele für deutsche 32 S. Günter Rohrbach: Das Subventions-TV. Plädoyer für den am- Filme, die sich durch eine unverfälschte Kinoäs- phibischen Film. In: Hans Günther Pfl aum (Hrsg.): Jahrbuch Film 77/ thetik auszeichneten: »Der amerikanische Freund« 78. Berichte/Kritiken/Daten. München und Wien 1977, S. 95–100; bes. von Wim Wenders; »Stroszek« von Werner Herzog; S. 99f. 33 S. Blumenberg: Im Würgegriff des Fernsehens, a.a.O.; auch die »Die Vertreibung aus dem Paradies« von Niklaus anderen wörtlichen Blumenberg-Zitate sind diesem Text entnom- Schilling und »Der Mädchenkrieg« von Alf Brustel- men. lin und Bernhard Sinkel.34 Alle diese Filme wurden 34 Ebd. innerhalb des Film/Fernseh-Abkommens geför- 35 Vgl. Filmförderungsanstalt: Geschäftsbericht 1986, Anlage 23, a.a.O. dert – entweder als reine Gemeinschaftsproduktion 36 Vgl. Meyer: Auf dem Wege zum Staatsfi lm? 1. Das Fernseh-Kino, (Herzog), als Filmvorhaben in der Projektförderung a.a.O.; bes. S. 29f. (Brustellin/Sinkel), durch eine Kombination dieser 37 Ebd., S. 28. 38 Vgl. Sergej M. Eisenstein: Dialektische Theorie des Films. (1929) beiden Förderungsarten (Wenders) oder durch den In: Dieter Prokop (Hrsg.): Materialien zur Theorie des Films. Ästhetik, »Vorabkauf« der Fernsehrechte (Schilling).35 Soziologie, Politik. Frankfurt am Main 1971, S. 53–69; Sergej M. Ei- senstein: Oktober. Mit den Notaten zur Verfi lmung von Marx’ »Kapi- Andreas Meyer führt aus, der Fernsehfi lm sei wort- tal«. Hrsg. von Hans-Joachim Schlegel. München 1975; Jean-Luc Go- dard: Was tun? In: ders.: Godard/Kritiker. Ausgewählte Kritiken und lastig, thesenhaft und belehrend. Meyer nennt ver- Aufsätze über Film (1950–1970). Ausgewählt von Frieda Grafe. Mün- schiedene Gestaltungsmittel des Fernsehfi lms, die chen 1971, S. 186–188. Buchloh: Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 13 Kinobegriff Meyers verwiesen auch die Verteidiger Im Übrigen bleibt daran zu erinnern: Gerade die des Film/Fernseh-Abkommens, wie Heinz Ungureit, Fernsehsender setzten sich mit ihrem Modell der Leiter der Hauptabteilung »Fernsehspiel und Film« Filmförderung dafür ein, Filme unter kulturell-quali- beim ZDF. Jeder vom Fernsehen unterstützte Film, tativen Gesichtspunkten zu fördern. Auf diese Wei- der nicht den Kriterien Meyers entspreche, werde se ermöglichten sie es vielen Vertretern des Neuen als »Fernsehfi lm« abqualifi ziert, auch wenn er nur in Deutschen Films überhaupt erst, eigene ästheti- einer anderen Kinotradition stehe. Nach Ungureits sche Ideen halbwegs kontinuierlich zu entfalten. In Auffassung lässt sich »das Kino nicht auf Spektakel der öffentlichen Diskussion wurde denn auch die und Vaudeville einengen (...). In Meyers verengten Bedeutung des Fernsehens und des Film/Fernseh- Blick passen natürlich weder Bergman noch Wen- Abkommens für die Entwicklung des Neuen Deut- ders, weder Faßbinder [sic] noch Schlöndorff.«39 schen Films immer wieder betont. So urteilte etwa Zweitens lässt sich aus der Tatsache, dass sich der Medienwissenschaftler Knut Hickethier: »Der Kino- und Fernsehästhetik unterscheiden, nicht Kinospielfi lm (...) hat ästhetisch gewonnen. Die schließen, dass die Sender den von ihnen geför- Koproduktionspraxis hat ihn künstlerisch erstar- derten Filmemachern die als fernsehspezifi sch an- ken lassen, Filmregisseure wie Wenders, Herzog, gesehenen Mittel aufzwingen. Rohrbach und Ungu- Schlöndorff und andere haben durch sie ihren Stil, reit wiesen in der Debatte immer wieder darauf hin, ihre künstlerische Handschrift fi nden können, ha- dass die Fernsehredakteure im Gegenteil beson- ben große Filme inszeniert.«42 Auch Wim Wenders ders solche Filme fördern wollten, die mit den Mit- selbst äußerte sich – wie eingangs zitiert – positiv teln des Kinos arbeiteten und dort erfolgreich seien. über das Engagement des Fernsehens für den Neu- Der Begriff des »amphibischen Films« in seiner ur- en Deutschen Film. Weiter sagte er: »Ohne dieses sprünglichen Formulierung bei Rohrbach zielte ge- wirklich historische Modell hätte es nicht diese ein- rade auf die Produktion von Kinofi lmen mit Fernseh- zigartige Chance gegeben, die wir in der BRD seit geldern. Beginn der siebziger Jahre hatten, kontinuierlich und verhältnismäßig unabhängig Filme zu machen. Die Stellungnahmen der Filmemacher selbst wa- Ohne dieses Abkommen hätte es keinen Fassbin- ren widersprüchlich. Fast alle bekannten Regisseu- der und keinen Herzog gegeben. Historisch gese- re des Neuen Deutschen Films unterschrieben 1979 hen ist dieses Modell also sicher äußerst vernünftig eine »Hamburger Erklärung«. Darin übten sie hefti- und hat beiden Partnern, dem Film und dem Fern- ge Kritik an der deutschen Filmförderung und spe- sehen, bestens gedient.«43 Der Vorwurf, die Sen- ziell einer Fremdbestimmung durch »Gremien, An- deanstalten hätten den Filmemachern eine fern- stalten und Interessengruppen«. Die Filmemacher seheigene Ästhetik aufgezwungen, darf nach den erkannten einerseits die »außerordentlichen Leis- vorangegangenen Überlegungen als wenig stich- tungen der Anstalten für den deutschen Film« an haltig gelten. und erhoben andererseits schwere Vorwürfe gegen die Sender: »Die Fernsehanstalten produzieren mit ihren Programmrastern Strukturen von Filmen, die der Filmsprache nicht entsprechen. Die Zeitschiene bzw. die Programmschemen der Fernsehanstalten 39 Heinz Ungureit: Gibt es den reinen Kinofi lm? Zur Frage, ob dem werden zur Zensur benutzt.«40 Über konkrete Fälle Kino durch strikte Trennung vom Fernsehen geholfen werden kann. In: einer Einfl ussnahme des Fernsehens auf die künst- Epd/Kirche und Film, Nr. 2, Februar 1978, S. 11–13; hier S. 13. 40 Die »Hamburger Erklärung« (Hamburg, 22. September 1979) ist lerischen Gestaltungsmittel schwiegen sich die Fil- einschließlich Anhang veröffentlicht worden unter der Überschrift »Wir memacher in der Öffentlichkeit freilich meist aus, müssen uns auf die Socken machen. Die ‚Hamburger Erklärung‘ der und ein Regisseur wie Hark Bohm, der zu den Un- Filmemacher im Wortlaut« in: Frankfurter Rundschau, 24.9.1979. – Mit terzeichnern der Erklärung gehörte, bemerkte, er den Namen sämtlicher Unterzeichner (aber ohne den Anhang) ist die »Hamburger Erklärung« abgedruckt in: Hans Helmut Prinzler und Eric könne sich »eigentlich überhaupt nicht beklagen«: Rentschler (Hrsg.): Augenzeugen. 100 Texte neuer deutscher Filme- »Die Redakteure (...) waren für mich immer sehr macher. Frankfurt am Main 1988, S. 32–33. produktive Partner, da ein stillschweigendes oder 41 S. Claudia Cipitelli: Die unerbittlichen Gesetze des Marktes. Hark Bohm im Gespräch über die deutsche Kinofi lmkultur und das Fernse- auch ausgesprochenes Einverständnis herrschte, hen. In: Medium, 4/1991, S. 15–20; hier S. 15f. daß wir einen Film für’s Kino machen wollten. (...) 42 Knut Hickethier: Die Zugewinngemeinschaft. Zum Verhältnis von Ich konnte das, was ich vorgeschlagen habe, im- Film und Fernsehen in den sechziger und siebziger Jahren. In: Hans- mer realisieren.«41 Peter Reichmann und Rudolf Worschech (Red.): Abschied vom Ges- tern. Bundesdeutscher Film der sechziger und siebziger Jahre. Frank- furt am Main 1991, S. 190–209; hier S. 206. 43 Wim Wenders, zit. n. Heinz Ungureit, a.a.O. 14 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Die ökonomisch begründete Kritik tion.46 Sieht man sich demgegenüber die gesam- am Film/Fernseh-Abkommen ten Ausgaben der Sender für die Filmwirtschaft an, dann stehen die öffentlich-rechtlichen Anstal- Die etablierte Filmbranche erhob ebenfalls Vorwür- ten der Bundesrepublik im europäischen Vergleich fe gegen das Abkommen: Das Fernsehen profi tie- nicht schlecht da: So gab das französische Fern- re von der Vereinbarung mehr als die Filmwirtschaft. sehen 1990 für Kino- und Fernsehfi lmproduktionen Die Sender wendeten zu wenig Geld auf. Die ge- zusammen 814,3 Millionen Mark aus und das italie- förderten Filme seien von geringem Nutzen für die nische Fernsehen zwischen 544 und 596 Millionen Filmwirtschaft. Die Auseinandersetzung mit dieser Mark – ARD und ZDF wendeten 1990 für die Filmför- wirtschaftlich begründeten Kritik erweist sich frei- derung im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens lich als schwierig, weil unterschiedliche Interessen- und für Auftragsproduktionen insgesamt 738,7 Mil- gruppen unterschiedliche Maßstäbe anlegten, was lionen Mark auf. Rechnet man die Ausgaben für »mehr«, »zu wenig« oder »gering« zu bedeuten hat- sonstige fi lmwirtschaftliche Leistungen hinzu, dann te. zahlten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal- ten 899,6 Millionen Mark an die Filmwirtschaft. Die So argumentierten die Fernsehanstalten, dass sie Aufwendungen der öffentlich-rechtlichen Sender die Filmwirtschaft nicht nur durch das Film/Fern- der Bundesrepublik für die Filmwirtschaft lagen bei seh-Abkommen unterstützten, sondern auch durch dieser Betrachtungsweise also höher als diejenigen Aufträge an diverse Filmunternehmen, wie Produk- der Sender Italiens. Da nicht klar ist, ob die »sonsti- tionsfi rmen, Ateliers und Synchronstudios. Die Kri- gen fi lmwirtschaftlichen Leistungen« in den Zahlen tiker maßen die Aufwendungen von ARD und ZDF für Frankreich enthalten sind oder nicht, lässt sich hingegen an den Zahlungen ausländischer Anstal- hier keine eindeutige Einschätzung abgeben. Zu ten, wobei sie gerne solche Sender anführten, deren berücksichtigen bleibt aber, dass bei den Angaben Ausgaben nach Darstellung der Kritiker diejenigen für Frankreich, Italien und Großbritannien die priva- des deutschen Fernsehens überstiegen. Genannt ten Programmanbieter mitgezählt worden sind. Die wurden besonders die staatlichen Sender Frank- Aufwendungen der staatlichen Sender dürften also reichs und Italiens.44 Die Ausgaben der Fernsehan- entsprechend niedriger gelegen haben, so dass ein stalten der einzelnen Länder lassen sich allerdings Vergleich nur mit den staatlichen Fernsehanstal- nur mit einigen Vorbehalten vergleichen, da die Da- ten Europas für ARD und ZDF günstiger ausgefal- ten uneinheitlich und unvollständig sind – zum Teil len wäre. handelt es sich nur um Schätzungen, zum Teil wird nicht zwischen staatlichen und privaten Sendern Zu klären bleibt der Vorwurf, das Film/Fernseh-Ab- unterschieden – und da nicht klar ist, ob die europä- kommen nütze dem Fernsehen erheblich mehr als ischen Fernsehsender Kinofi lm und Fernsehfi lm in der Filmwirtschaft und die im Rahmen des Abkom- gleicher Weise voneinander abgrenzen. Es ist nicht mens produzierten Filme brächten der Filmwirt- auszuschließen, dass Ausgaben, die in dem einen schaft kaum Vorteile. Um diese Vorhaltung zu über- Land als Förderung der Kinofi lmproduktion gelten, prüfen, bietet es sich an, den Publikumserfolg der in einem anderen Land zu den Aufwendungen für vom Fernsehen geförderten Filme mit dem Erfolg Fernsehproduktionen gezählt werden.45 der insgesamt hergestellten deutschen Filme zu vergleichen. Da es für die Besucherzahlen einzel- Hält man sich an die ländereigenen Defi nitionen, dann müssen die Ausgaben von ARD und ZDF für die Filmförderung im Vergleich zu dem Engage- ment der französischen und italienischen Sender 44 Vgl. Wolf Donner: Die Kino-Killer, a.a.O., S. 62; ders.: Die Kino-Kil- als niedrig angesehen werden: Im Jahr 1990 stell- ler 3, a.a.O., S. 70; Günter Rohrbach: David gegen Goliath. Die Konkur- renzfähigkeit des deutschen Films stärken. In: Epd Film, Nr. 9, Sep- ten die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- tember 1990, S. 16–21; hier S. 19. anstalten 23 Millionen Mark für die Filmförderung 45 Vgl. Stefan Braunschweig und Hannemor Keidel: Strukturen der bereit, das französische Fernsehen dagegen 194,3 europäischen Film- und Fernsehproduktion. Eine Analyse der Situa- tion in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. In: Media Millionen Mark. Das staatliche italienische Fernse- Perspektiven, Nr. 12, 1991, S. 777–793. hen »Radiotelevisione Italiana« (RAI) fi nanzierte mit 46 Ebd., S. 783 f.; Regine Igel: Eine erstickende Umarmung. Spiel- 50 Millionen Mark Eigen- und Koproduktionen von fi lm und TV in Italien. In: Medium, 4/1991, S. 45–48, hier S. 47; Ste- Spielfi lmen. Im Ganzen beteiligten sich alle italieni- fan Braunschweig und Hannemor Keidel: Film- und Fernsehprodukti- on in Europa zwischen Markt und Förderung. In: Kurt Hentschel und schen Sender direkt oder indirekt mit geschätzten Karl Friedrich Reimers (Hrsg.): Filmförderung. Entwicklungen, Model- 272 bis 324 Millionen Mark an der Kinofi lmproduk- le, Materialien. 2., überarb. Aufl . München 1992, S. 29–58; hier S. 35. Buchloh: Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 15 ner Filme zwischen 1974 und 1990 wenig Daten gibt, hen aus seiner Förderung von Kinofi lmen weniger empfi ehlt sich als Vergleichsmaßstab die zuschau- direkten Nutzen, als die Kritiker des Film/Fernseh- erorientierte Referenzfi lmförderung der FFA. Dabei Abkommens behaupteten. Andere Sendeformen ergibt sich: Von allen deutschen Filmen, die in den fanden größeren Anklang beim Fernsehpublikum. Jahren von 1974 bis 1978 hergestellt wurden, erziel- Die vom ZDF ausgestrahlten Spielfi lme lagen im ten 21 Prozent die für den Erhalt der normalen Refe- Jahr 1987 bei den Haushaltsreichweiten (also dem renzfi lmförderung nötigen Einnahmen. In den Jahren Anteil an »Fernsehhaushalten«, die solche Sendun- von 1979 bis 1986 lag dieser Wert bei 19 Prozent.47 gen eingeschaltet hatten) erst an siebter Stelle und Nach Angaben des juristischen Vertreters der etab- die Spielfi lme der ARD an elfter Stelle. Des größten lierten Filmbranche, Horst von Hartlieb, erreichten Zuspruchs erfreuten sich – in dieser Reihenfolge – 20 Prozent der innerhalb des Film/Fernseh-Abkom- die vom ZDF produzierte Serien, die ARD-Krimi- mens unterstützten Gemeinschaftsproduktionen die nalserie »Tatort«, ZDF-Kriminalserien, ARD-Shows, Mindestbesucherzahl für die Referenzfi lmförderung. ZDF-Shows und Kaufserien im ARD-Programm.53 Von Hartlieb nennt allerdings keinen Zeitraum, auf den sich seine Zahl bezieht.48 Die innerhalb des Ab- kommens geförderten Gemeinschaftsproduktionen Die politisch begründete Kritik hatten an der Kinokasse also im Durchschnitt nicht am Film/Fernseh-Abkommen weniger Erfolg als die deutschen Filme in ihrer Ge- samtheit. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil Das Problem politisch-thematischer Eingriffe der gerade der wirtschaftlich erfolgreichen deutschen Sender spielte in der öffentlichen Debatte um das Filme entweder durch eine direkte Produktionsbe- Film/Fernseh-Abkommen – auch wenn dies viel- teiligung der Sendeanstalten oder durch die vom leicht überraschen mag – eine deutlich geringere Fernsehen mitfi nanzierte FFA-Projektförderung un- Rolle als die Frage nach einem ästhetischen Ein- terstützt.49 Die Behauptung, das Film/Fernseh-Ab- fl uss der Fernsehanstalten. Dies mag zwei Gründe kommen habe vor allem dem Fernsehen gedient, gehabt haben: Zum einen erwecken fi ktionale Ge- lässt sich vernünftigerweise nicht aufrechterhalten. schichten ohne erkennbare Bezüge zur Tagespolitik – wie die Storys vieler Werke des Neuen Deutschen Dass auch das Fernsehen vom Film/Fernseh-Ab- Films – nicht im gleichen Maße die Aufmerksamkeit kommen profi tierte, fällt freilich ebenso ins Auge. der politischen Entscheidungsträger und ihrer Ge- Die Anstalten erhielten für ihr Geld relativ zugkräf- folgsleute in den Rundfunkanstalten wie etwa Do- tige Programme. Die Ausstrahlungsrechte verblie- ben auf unbegrenzte Zeit bei den Sendern.50 Das Fernsehen nahm auf die Auswahl und Gestaltung 47 Vgl. Filmförderungsanstalt: Geschäftsberichte 1978 und 1986, von Filmprojekten Einfl uss. Durch die Zusammenar- a.a.O., und darauf fußende eigene Berechnungen. 48 Vgl. von Hartlieb: Kinofi lm und Fernsehen, a.a.O., S. 112. beit mit der Filmwirtschaft konnten Mittel verschie- 49 Vgl. Sigl u. a., a.a.O. dener staatlicher Filmförderungseinrichtungen für 50 Diese Regelung wurde 1991 geändert. Vgl. Marlene Wöste: Auf- die Fernsehkoproduktionen genutzt werden. Die Li- wendungen des Fernsehens für Leistungen der Filmwirtschaft 1989/ zenzregelung erwies sich für das Fernsehen in der 90. Ergebnisse der zweijährlichen Umfrage beim öffentlich-rechtli- chen und privaten Fernsehen. In: Media Perspektiven, Nr. 12, 1991, Tat als erheblich günstiger als für die Filmwirtschaft: S. 769–776; hier S. 773. Nachdem die Sender einmal einen fi nanziellen Bei- 51 Vgl. a. Rohrbach: David gegen Goliath, a.a.O., S. 19; Dietrich Le- trag zur Koproduktion geleistet hatten, durften sie der: Verwandtschaftsverhältnisse. Das Kino im Fernsehen. In: Medi- um, 4/1991, S. 26–31; bes. S. 27. auch den erfolgreichsten Film so oft ausstrahlen, 52 Vgl. Dietrich Leder: Das Publikum will keine Halbheiten. Über wie sie wollten. Den Filmproduzenten wurde da- den deutschen Film: Gespräch mit Heinz Ungureit und Eckart Stein. mit die Möglichkeit genommen, durch den erneu- In: Film-Dienst, Nr. 23, 13.11.1990, S. 14–17; bes. S. 17; Heinz Ungu- ten Verkauf der Filmrechte Kapital zu bilden.51 Was reit: Ende der Zweckehe? Unvoreingenommene Prüfung nach zwan- zig Jahren der Kooperation. In: Medium, 4/1991, S. 24–25; bes. S. 25; schließlich die Popularität von Kinospielfi lmen beim Irmela Schneider: Hollywood als Reiseziel. Amerikanische Spielfi lme Fernsehzuschauer angeht, zeichnete sich seit Mitte im deutschen Fernsehen. In: Medium, 4/1991, S. 32–35; bes. S. 33 der 80er Jahre ein Wandel im Publikumsgeschmack und 35; Christa-Maria Ridder: Das europäische Dilemma oder: Woher kommen die Programme der Zukunft? In: Medium, 4/1991, S. 58–62; ab. Galten Spielfi lme bis dahin innerhalb unterhal- bes. S. 59; Martin Blaney: Symbiosis or Confrontation? The Relation- tender und erzählender Fernsehsendungen als ei- ship between the Film Industry and Television in the Federal Republic nes der beliebtesten Programmangebote, so ging of Germany from 1950 to 1985. Berlin 1992, S. 399. das Interesse der Zuschauer an Spielfi lmen nun er- 53 Vgl. Wolfgang Darschin und Bernward Frank: Tendenzen im Zu- schauerverhalten. Fernsehgewohnheiten und Fernsehreichweiten im kennbar zurück, wie mehrere Autoren übereinstim- Jahr 1990. In: Media Perspektiven, Nr. 3, 1991, S. 178–193; hier S. 184 mend feststellten.52 Offensichtlich zog das Fernse- und 185, Tabelle 9. 16 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) kumentarfi lme, aktuelle Reportagen oder Satiresen- me angelegt sind oder die nicht innerhalb des Ab- dungen, so dass Spielfi lme als weniger »gefährlich« kommens gefördert werden, dann lassen sich die- betrachtet wurden. Zum anderen wurde es in der se Maßnahmen auch nicht der Filmförderung durch Film- und Fernsehkritik anscheinend als zwar be- das Fernsehen zurechnen. dauerliche, aber eben nicht zu ändernde Selbstver- ständlichkeit angesehen, dass das öffentlich-recht- Dabei ist nicht zu leugnen, dass Fernsehanstal- liche Fernsehen im Spannungsfeld parteipolitischer ten im Zeitraum von 1974 bis 1990 Schnitte verord- Interessen inhaltliche Wagnisse nach Möglichkeit neten, auf die Ausstrahlung von Sendungen ganz vermeide und politisch unorthodoxen Auffassun- oder zeitweise verzichteten oder Sendungen vom gen nur selten Raum gebe; eine ständige öffentli- ersten auf das dritte Programm verschoben. Derar- che Debatte über einen solchen Zustand galt wohl tige Eingriffe betrafen beispielsweise den Film »Mo- als aussichtslos. ses und Aron« von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet; die Reportage »Ist die Rundfunkfreiheit be- Auch die Verantwortlichen gestanden Grenzen der droht?« von Peter Kleinert, Ludwig Metzger und Jo- Freiheitsräume im Fernsehprogramm ein. So sag- hannes Flütsch; die Filme »Der ganz faire Prozeß te Heinz Ungureit: »Die öffentlich-rechtlichen Fern- des Marcel G.« von Hans-Peter Meier; »Salzstan- sehanstalten, die nach gesetzlichen Bestimmun- gengefl üster« von Walter Bockmayer und Rolf Bühr- gen arbeiten, auch für ihre Programmgestaltung, mann und »Die Reinheit des Herzens« von Robert können sich schließlich nicht alles leisten im Pro- van Ackeren. Als Gründe für die Programmeingriffe gramm, auch nicht mit Spielfi lmen. Das muß ein- wurden unter anderem genannt: eine unklare Hal- deutig festgehalten werden.«54 Gunther Witte, der tung zum Terrorismus, mangelnde journalistische 1979 als Nachfolger von Günter Rohrbach die Lei- Sorgfalt und einseitige Berichterstattung, eine fal- tung der WDR-Fernsehspielabteilung übernommen sche Darstellung der deutschen Polizei und eine ex- hatte, bemerkte: Manche Themen könnten in einem zessive Darstellung von Gewalt.56 Aus der Gemein- vom Fernsehen mitproduzierten Film nicht behan- schaftsübertragung des Wolfgang-Petersen-Films delt werden. Die teilweise vom Fernsehen fi nanzier- »Die Konsequenz« schaltete sich der Bayerische te FFA-Projektförderung sei hier offener: »Robert Rundfunk 1977 aus, weil der Film Vorurteile gegen- van Ackeren weiß, daß die ‚Flambierte Frau‘ als über Homosexuellen verstärke.57 Solche Eingrif- Fernseh-Co-Produktion nicht möglich gewesen wäre, die Vergabekommission hat den Film geför- dert.«55 Nachzuweisen wären inhaltlich-politische Eingriffe im Rahmen des Film/Fernseh-Abkom- 54 Heinz Ungureit: Film-Fernseh-Abkommen als Zukunftsperspek- mens überdies nur schwer. Setzt ein Fernsehredak- tive. In: Kurt Hentschel und Karl Friedrich Reimers (Hrsg.): Filmförde- teur während der konzeptionellen Phase einer Ge- rung. Entwicklungen, Modelle, Materialien. München 1985, S. 43–55; hier S. 49. meinschaftsproduktion Änderungen am Film durch, 55 Stellungnahme von Gunther Witte, in: Gisela Hundertmark und so gelangt dies meist nicht an die Öffentlichkeit. Die Louis Saul: Entspricht die Qualität des deutschen Films der Qualität betroffenen Filmemacher möchten ihr Verhältnis zu der Vergabegremien? Fragen an Gremienmitglieder. In: dies. (Hrsg.): den Redaktionen nicht durch das Bekanntmachen Förderung essen Filme auf ... Positionen – Situationen – Materialien. München 1984, S. 123–135; hier S. 130. derartiger Eingriffe belasten. Im Übrigen muss nicht 56 Vgl. Wolfram Schütte: Staatsgefährdende Widmung? Jean-Ma- jede Änderung am ursprünglichen Projekt politisch rie Straub wehrt sich gegen eine politische Zensur seines »Moses und motiviert sein oder sich negativ auf den späteren Aron«-Films. In: Frankfurter Rundschau, 11.3.1975; Michael Schwar- ze: Bedrohte Rundfunkfreiheit. Der Streit um eine abgesetzte Sendung Film auswirken. im WDR. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.5.1978; W. Paul: Wie die Herren TV-Zensoren regieren und taktieren. Medienzensur am Bei- Auch die Gründe für die Ablehnung von Filmpro- spiel Fernsehen (II und Schluß). In: Die Wahrheit, 26.6.1978; o. V.: Zen- jekten durch die FFA-Vergabekommission kamen sur oder Programmverantwortung? Ein abgesetzter Film im ZDF. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.6.1978; o. V.: »Salzstangengefl üs- nur selten an die Öffentlichkeit. Wenn eine Fern- ter« vom Programm abgesetzt. In: Frankfurter Rundschau, 26.2.1979; sehredaktion ein Filmvorhaben erst gar nicht zur Wolfram Schütte: Ein Stein ins Wasser. Von der »Reinheit des Her- Koproduktion annimmt, hat es in der Regel we- zens« ins Herz der Finsternis? / Hintergründe und Folgen einer Film- absetzung. In: Frankfurter Rundschau, 21.10.1981; o. V.: Büchlein vom nig Sinn, das Projekt der Zehnerkommission zur Reinen. TV-Affären. In: Der Spiegel, Nr. 43, 19.10.1981, S. 267. Förderung innerhalb des Abkommens vorzule- 57 Vgl. sa: Bayern schaltet sich aus. Inhaltliche und rechtliche Be- gen. Bestimmte politische Inhalte könnten auf die- denken. In: Süddeutsche Zeitung, 8.11.1977; L. L.: Eine Chance ver- se Weise abgelehnt werden, bevor das eigentliche tan. In: Frankfurter Rundschau, 9.11.1977; o. V.: »Bevormundend und autoritär«. Zur Kontroverse um die Entscheidung des BR, den Fern- Film/Fernseh-Abkommen berührt ist. Wenn bei sehfi lm »Die Konsequenz« nicht auszustrahlen. In: Süddeutsche Zei- Filmen eingegriffen wird, die als reine Fernsehfi l- tung, 10.11.1977. Buchloh: Das Film/Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 17 fe verweisen auf Themen, bei denen die Liberalität markierten. Andererseits dürften die praktischen der Fernsehanstalten an ihre Grenzen stieß. Aller- Auswirkungen dieser Beschränkungen mindestens dings wurden alle diese Maßnahmen nicht inner- in den 80er Jahren eher gering gewesen sein: Die halb des Film/Fernseh-Abkommens getroffen, so meisten Filmemacher hatten gar nicht die Absicht, dass die politisch begründete Kritik an der Verein- sich mit politischen Fragen oder sozialen Tabus zu barung eher weniger zu überzeugen vermag. Auch befassen. Andere Regisseure konnten im Fernse- sollten die Wirkungen der thematischen Beschrän- hen als »schwierig« geltende Themen behandeln. kungen auf die deutsche Filmproduktion nicht über- schätzt werden: Zum einen war bei den wenigsten Die ästhetische Kritik am Film/Fernseh-Abkommen der deutschen Kinofi lmregisseure besonders in den kann am wenigsten überzeugen. Die Kritiker arbei- 80er Jahren der Drang erkennbar, politische oder teten mit einem verengten Kinofi lmbegriff, der Ele- sonstige Tabuthemen in ihren Filmen aufzugreifen. mente von Ratio, Analyse und Intellekt als Mittel ei- Zum anderen konnten scheinbar feststehende in- ner Fernsehästhetik identifi ziert, dabei aber nicht haltlich-politische Grenzen immer wieder überwun- beachtet, dass es auch im Kino eine Traditionsli- den werden, wie verschiedene Beispiele von Fern- nie gegeben hat, die sich solcher Mittel bediente. sehproduktionen oder -koproduktionen zeigten: So Wenn sich derartige Mittel in deutschen Filmen fi n- behandelte Wieland Speck 1985 in »Westler« eine den, bedeutet das also nicht von vornherein, dass homosexuelle Liebe im geteilten Deutschland, und die Regisseure sich an einer Fernsehästhetik orien- Margarethe von Trotta erzählte 1981 in »Die bleier- tiert haben. Überdies ist es fraglich, ob die Fernseh- ne Zeit« die Geschichte zweier Schwestern, von de- anstalten den von ihnen unterstützten Regisseuren nen die eine zur Terroristin wird und im Gefängnis bestimmte, als fernsehspezifi sch geltende Gestal- ums Leben kommt. tungsformen aufgezwungen haben. Im Gegenteil: Fernsehredakteure wie Heinz Ungureit und Gün- ter Rohrbach betonten ihr Interesse an einer Kino- Wie ist das Film/Fernseh-Abkommen ästhetik bei den Fernsehkoproduktionen, und Re- insgesamt einzuschätzen? gisseure wie Hark Bohm und Wim Wenders lobten die gute und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Blickt man auf die Kritik am Film/Fernseh-Abkom- Fernsehen. men zurück, lässt sich festhalten: Die wirtschaftlich begründeten Einwände gegen das Abkommen wa- Wägt man die teilweise berechtigte öffentliche ren in einzelnen Punkten stichhaltig, sie vermoch- Kritik am Film/Fernseh-Abkommen gegen seine ten aber im Ganzen nicht zu überzeugen. Berech- Verdienste ab, dann ergibt sich eine positive Bi- tigt waren die Einwände gegen die relativ niedrigen lanz. Auch wenn das Fernsehen höhere Förder- Ausgaben für die Filmförderung im engeren Sinne summen hätte bereitstellen können und den Film- und gegen die dauerhafte Überlassung der Sende- produzenten die wiederholte Ausstrahlung eines lizenzen. Bei den Gesamtausgaben für die Filmwirt- Films zusätzlich hätte vergüten können – der fi lm- schaft übertrafen ARD und ZDF jedoch – mit der wirtschaftliche Nutzen und der kulturelle Erfolg der möglichen Ausnahme des französischen Fernse- Filmförderung durch das Fernsehen stehen außer hens – andere staatliche Sender Europas. Der Vor- Frage: Eine große Zahl der beim Publikum erfolg- wurf, die im Rahmen des Abkommens geförder- reichen Filme wurde aus Mitteln des Film/Fernseh- ten Filme hätten den Kinos kaum Vorteile gebracht, Abkommens gefördert, und die Kritik rühmte die trifft nicht zu: Die geförderten Gemeinschaftspro- künstlerische Qualität vieler vom Fernsehen unter- duktionen erzielten nicht weniger Einnahmen als der stützter Filme. Zu den Verdiensten des Film/Fern- Durchschnitt aller deutschen Filme, und unter den seh-Abkommens, die von Regisseuren und Film- beim Kinopublikum erfolgreichen Filmen bildeten kritikern gleichermaßen anerkannt wurden, gehört Filme die Mehrheit, die innerhalb des Abkommens schließlich sein wichtiger Beitrag zur Entwicklung unterstützt worden waren. des Neuen Deutschen Films. Die politisch begründete Kritik am Film/Fernseh- Abkommen war einerseits im Grundsatz gerecht- fertigt: Bei der Zusammenarbeit mit den öffent- lich-rechtlichen Anstalten mussten die Regisseure inhaltlich-politische Grenzen beachten, die die Sen- der durch Programmeingriffe immer wieder einmal Janina Fuge Der »Wellen-Detektiv« und das »Gute in dem Herrn Schwarzhörer« Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 Gefängnisstrafen, Geldbußen, moralische Appelle startete seine erste Hörerwerbeaktion am 1. Ja- und gewiefte Überzeugungsarbeit – es ist viel ver- nuar 1951. Eine ähnliche Aktion schloss bereits im sucht worden, um den so genannten Schwarzhö- darauf folgenden Jahr an. Unter geänderten Vor- rer zu bekehren. Und dennoch: Seit der Hörfunk auf zeichen schließlich fand von Ende 1953 bis Herbst Sendung ging, ist die Gruppe der Gebühren-Zah- 1954 die letzte große Hörerwerbeaktion des Nord- lungsverweigerer eine Konstante der Rundfunk- westdeutschen Rundfunks statt. geschichte, wenngleich auch in unterschiedlichen Größenordnungen. Während seit Januar 1976 die Vor dem Hintergrund des Vorgehens auch ande- Gebühreneinzugszentrale (GEZ) im Auftrag aller öf- rer Rundfunkanstalten in dieser Zeit soll im Folgen- fentlich-rechtlichen Anstalten auf bundesdeutscher den die Entwicklung der Schwarzhörerbekämpfung Ebene tätig ist und in Kino- und Fernsehwerbespots beim NWDR nachgezeichnet werden. Anhand des mit griffi gen Slogans um überzeugt zahlende Rund- umfangreichen und bisher wissenschaftlich völ- funkkunden wirbt, bedeuteten die Schwarzhörer in lig unausgewerteten Quellenmaterials der Sende- früheren Zeiten eine kreative Herausforderung für anstalten lassen sich Finanzfragen zur Haushalts- jeden einzelnen Sender. Sie auf den »tugendhaften« führung und -konsolidierung ebenso wie Fragen Weg des »Normalhörers«1 zu geleiten, war dabei er- der Binnen- und Außenkommunikation des NWDR klärtes Ziel vieler Überlegungen und Werbeaktionen untersuchen.2 Der Umgang mit den Schwarzhörern seit den ersten Tagen des Rundfunks in den Jah- verknüpft sich darüber hinaus mit zwei Schlüssel- ren 1923/24. fragen der Rundfunkgeschichte: dem Verhältnis von Rundfunk und Post, die in der beschriebenen Zeit Spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch für den Einzug der Gebühren zuständig war; waren die Sender zu gewichtigen medienpoliti- sowie die Frage nach dem Selbstverständnis des schen Akteuren geworden. In den Besatzungszo- Mediums und seinem Verhältnis zum Hörer. nen der westalliierten Siegermächte nahmen sie ihren Informations- und Meinungsbildungsauftrag wahr und widmeten sich der Aufgabe, einen demo- Rundfunkhören in den Westzonen kratischen Bürger heranzuziehen. Die Vorausset- zung dazu war vorhanden, denn die Rundfunkpro- Der Siegeszug des Radios in den ersten beiden gramme wurden massenhaft gehört. Doch als die Jahrzehnten nach der Einführung des neuen Me- Sender im Verlauf der Jahre 1948/49 in deutsche diums war beeindruckend. Die statistische Ent- Verantwortung übergeben wurden, wurde es im- wicklung belegte immer höhere Teilnehmerzah- mer wichtiger, dass jene, die hörten, auch zahlten. len. Dieser Trend hielt auch während des Zweiten Schließlich bildete die Hörergebühr die Basis der fi nanziellen Existenz der neu geschaffenen Rund- funkanstalten. Die westlichen Besatzer hatten sich 1 »Schwarzhörer-Aktion des NWDR und der Bundespost«. Presse- bewusst für das System eines staatsfreien Rund- mitteilung zur NWDR-Pressekonferenz am 29. Dezember 1950. StA funks entschieden, der nicht über Steuern, sondern HH. 621-1. NDR. 1343. 2 Ausgewertet wurden vor allem Akten des Nordwestdeutschen über eine von jedem Hörer zu entrichtende Gebühr Rundfunks, des Bayerischen Rundfunks und des Südwestfunks. In fi nanziert werden sollte. Dies musste vielen Nutzern den Beständen der Post sind keine Quellen zum Thema »Schwarzhö- erst nachdrücklich bewusst gemacht werden. Zu rer« erhalten (Auskunft des Museums für Post und Telekommunikation, Hamburg und Frankfurt am Main, Januar 2006; Auskunft der Gebüh- Beginn der 50er Jahre starteten deshalb an den öf- reneinzugszentrale (GEZ), Januar 2006). – In der Reihe »Nordwest- fentlich-rechtlichen Anstalten der jungen Bundes- deutsche Hefte zur Rundfunkgeschichte« wird Ende 2006 eine Darstel- republik vergleichbare Aktionen, an deren Ende die lung dieses Themas erscheinen, die einen ausführlichen Vergleich der möglichst fl ächendeckende Erfassung der im je- NWDR-Aktionen mit denen anderer öffentlich-rechtlicher Anstalten bietet sowie eine umfassende Einordnung in historische Zusammen- weiligen Sendegebiet wohnenden Hörer stehen hänge. Darin wird auch der Umgang mit Schwarzhörern in der Weima- sollte. Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) rer Republik und im Dritten Reich Beachtung fi nden. Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 19 Weltkriegs an: Am 1. Januar 1943 gab es im Gebiet deutlich größeren Prozentsatz an »Hörenden« be- des Deutschen Reichs demnach etwa 16,1 Millio- reits zu diesem Zeitpunkt auszugehen sein, zumal nen Rundfunkgenehmigungen gegenüber 11, 5 Mil- die meisten der Geräte in einem Familienhaushalt lionen gemeldeten Hörern am 1. Januar 1939. Erst standen und es bereits insofern eine Reihe von re- in den letzten eineinhalb Jahren des Kriegs sanken gulär »Mithörenden« gab. In der Studie »Für wen die Zahlen, beispielsweise zum 30. September 1944 senden wir?« ermittelte die NWDR-Hörerforschung auf 15 Millionen. In der Folgezeit gingen zwar insbe- für das Jahr 1950 folgende Zahlen: Es gebe rund sondere in den bombardierten Städten weitere Ge- 4,21 Millionen angemeldete Hörer – Stand dieser räte verloren, allerdings weist Axel Schildt, der die gegenüber April 1950 leicht erhöhten Zahl ist der Durchsetzung und Verbreitung des Mediums Hör- 1. Juli 1950. Ehemänner und -frauen dazu gerech- funk eingehend untersucht hat, darauf hin, dass die net, kommt die Hörerforschung auf eine fast dop- Schätzungen der 50er Jahre, nach denen der Ra- pelt so große Zahl von rund 8,3 Millionen Hörern, dio-Geräte-Bestand um etwa ein Fünftel dezimiert mit Kindern und Jugendlichen sogar auf 10,34 Mil- sei, zu hoch seien, denn das Rundfunkgerät wur- lionen.7 Dies wäre bereits eine Dichte von knapp de nicht selten mit in den Luftschutzbunker genom- 50 Prozent. men, um hier über die neuesten Entwicklungen in- formiert zu werden.3 Eine Gruppe ist bei diesem Zahlenwerk von vorn- eherein ausgeschlossen – die der Schwarzhörer. Für die unmittelbare Nachkriegszeit gibt es eine Deren Zahl muss zu diesem Zeitpunkt vorsichtig Reihe von zumeist regionalen Erhebungen. Sie lie- geschätzt mit ein bis zwei Millionen angesetzt wer- fern allerdings nur Momentaufnahmen. Sicher ist je- den.8 Sie standen in den ersten Jahren des Nach- doch, dass bis zum Jahr 1947 die Zahl der produ- kriegsrundfunks nicht im Mittelpunkt des Interes- zierten wie der angemeldeten Geräte recht schnell ses der Rundfunkverantwortlichen. Diese widmeten wieder anstieg, was sich nach der Währungsreform sich zunächst anderen Aufgaben wie dem Aufbau Mitte 1948 noch einmal verstärkte.4 Im Januar 1946 der Sender und der Abwehr von staatlichen und po- besaßen nach einer Umfrage des Offi ce of Milita- litischen Begehrlichkeiten, der Suche nach vertrau- ry Government in der amerikanischen Zone ledig- enswürdigem Personal sowie der Einübung neu- lich 42 Prozent der Befragten ein funktionstüchti- er, kritischer Formen des Journalismus. Dahinter ges Radio, wenngleich der Anteil jener, die Radio stand das Interesse der Alliierten, mit Hilfe des Ra- (bei Freunden oder Bekannten) hörten, mit 56 Pro- dios eine möglichst große Zahl an Menschen zu er- zent ein wenig darüber lag.5 In der britischen Zone reichen, um ihr weitgestecktes Ziel einer »Re-Edu- dürfte dieses Verhältnis ähnlich gewesen sein, ob- cation« zu erreichen. All dies änderte sich jedoch wohl entsprechend umfassende Umfragen wie die im Verlauf der Jahre. Zum einen wurden die Rund- des Meinungsforscherteams Merritt hier nicht vor- funksender 1948/49 in deutsche Hände übergeben. liegen. Im Falle der britischen Zone markierte die von den Briten zum 1. Januar 1948 erlassene Militärverord- Gleichwohl veröffentlichte der NWDR offi zielle Zah- nung Nr. 118 den Beginn einer weitgehenden Selb- len. So weist eine Rundfunkhörerstatistik des Sen- ders von 1952 aus, dass zum Zeitpunkt der frü- hesten Erhebung, zum 1. April 1946 knapp 2,66 Millionen Hörer in der britischen Zone gemeldet ge- 3 Vgl. Axel Schildt: Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und »Zeitgeist« in der Bundesrepublik der 50er Jahre. Hamburg 1995 wesen seien, am 1. April 1947 knapp 2,96 Millionen, (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, 31), S. 211. zum 1. April 1948 3,27 Millionen und zum 1. April 4 Ebd., S. 210f. 1949 bereits 3,7 Millionen. Zum 1. April 1950, kurz 5 Anna J. und Richard L. Merritt: Public opinion in occupied Germa- nach der Gründung der BRD, habe die Zahl etwa ny. The OMGUS surveys. 1945–1949. Urbana 1970, S. 69. 6 Nordwestdeutscher Rundfunk, Erforschung der Hörermeinung 4,17 Millionen betragen.6 Ein weiterer Hinweis fi ndet (Hrsg.): Struktur und Verhalten der Hörer im Sendegebiet des NWDR. sich in den 1950 vorgelegten Ergebnissen der Ab- Berichtzeit: Sommer 1951, Winter 1951/52. Hamburg 1952. – Die hier teilung Hörerforschung des NWDR: Hier wird fest- genannten Zahlen beziffern die angemeldeten Rundfunkhörer in der britischen Besatzungszone einschließlich der US-Enklave Bremen. gestellt, dass im Sendegebiet des NWDR bei einer 7 Nordwestdeutscher Rundfunk, Erforschung der Hörermeinung Einwohnerzahl von 21,8 Millionen »etwas mehr als (Hrsg.): Für wen senden wir? Die gesellschaftliche Schichtung der 2,6 Millionen Hörer« registriert gewesen seien. Dies Rundfunkhörer in der britisch besetzten Zone. Juli–August 1950. O. O. wäre also ein Anteil von etwa 12 Prozent. Da dies O. D. [= Hamburg 1950], S. 12ff. 8 Diese Schätzung beruht auf einer Hochrechnung des Zahlenma- jedoch lediglich die offi ziell angemeldeten und zah- terials, das den im Folgenden beschriebenen Aktionen entnommen lenden Hörer waren, wird in der Realität von einem ist. 20 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) ständigkeit des Nordwestdeutschen Rundfunks als hungsbedingungen errichtet, ändert oder betreibt, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in deutscher b) Nach Fortfall der Verleihung, die zur Beseitigung Verantwortung. Die Sender in der amerikanischen der Anlage getroffenen Anordnungen der Deut- und französischen Zone folgten 1949. Je mehr sie schen Reichspost innerhalb der von ihr bestimmten alle Eigenverantwortung übernahmen, desto wich- Frist nicht befolgt.« In Absatz 3 ist verbrieft: »Wer tiger wurde es den neuen gebührenfi nanzierten, öf- eine der im Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 bezeichneten fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ihre Ei- Handlungen fahrlässig begeht, wird mit Geldstra- genständigkeit zu demonstrieren und unter den fe bestraft«, Artikel 4 legt fest: »In Fällen der Abs. »Partnern« zu wetteifern. Die wirtschaftliche Grund- 2 und 3 wird die Tat nur auf Antrag der Deutschen lage für alle programmlichen und personellen Ent- Reichspost verfolgt.«10 wicklungen sowie für die anstehenden technischen Innovationen bildete die Neuordnung des Finanz- Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Vorschrif- systems in Deutschland, das durch die Einführung ten des FAG Schritt für Schritt an die Gegeben- der Währungsreform im Juni 1948 markiert wird; heiten angepasst. Unmittelbar nach der Kapitula- für lange Zeit betrug die Rundfunkgebühr zwei DM tion hatten die Besatzungsmächte zunächst das pro Monat.9 Nach und nach schärfte sich so bei hoheitliche Fernmelderecht übernommen. Sie be- den deutschen Rundfunkverantwortlichen das Be- schlagnahmten die Sender und ließen diese von wusstsein, ihre immer größer werdenden Institutio- den Militärregierungen selbst betreiben. Doch nen auf eine solide fi nanzielle Basis zu stellen. Von schon 1947/48 übergaben die Militärregierungen 1950 an rückten dann auch die Schwarzhörer ins Vi- den Rundfunk in ihren Besatzungszonen wieder an sier. Der Nordwestdeutsche Rundfunk schloss sich deutsche Stellen. Bezüglich des Gebühreneinzugs dieser Entwicklung als letzte Anstalt erst zum Jah- und der Kompetenzfestlegung zwischen Rundfunk resende 1950/51 an. Mit einem Sendegebiet, das und Post fi nden sich durchaus unterschiedliche Re- die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen gelungen. So bedurfte beispielsweise eine Gebüh- und das Nordrhein-Westfalen sowie den Stadtstaat renänderung im Falle des Süddeutschen Rund- Hamburg umfasste, war er auch bezüglich der Ein- funks der Zustimmung des Landtags; im Falle des wohner und damit der (potentiellen) Gebührenzah- Bayerischen Rundfunks lag dies allein in den Hän- ler in einer gegenüber den anderen Anstalten ver- den der öffentlich-rechtlichen Anstalt. Die Anstalten gleichsweise komfortablen Ausgangsposition. ermächtigten in aller Regel die Post dazu, die Ge- bühren einzuziehen, jedoch war es ihnen von den Gesetzen freigestellt, dies zu tun – oder gegebenen- Die Schwarzhörer im juristischen falls auch eigenverantwortlich zu regeln. Spannungsfeld von Post und Rundfunk Mit dem Grundgesetz und seinen Artikeln 123 und Trotz des durch die Nachkriegswirren undurchsichti- 124 wurde 1949 das FAG in das das Landesrecht gen Dickichts an noch gültigen, nicht mehr gültigen überlagernde Bundesrecht überführt. Auf der Rund- und neuerdings in Kraft getretenen Gesetzeswerken funksendeseite – also was das Errichten von Sende- gab es eine Vorschrift, die das Schwarzhören ver- anlagen etc. betrifft – waren die betreffenden Vor- bot. Im Fernmeldeanlagengesetz (FAG) vom 14. Ja- schriften zwar noch vom faktisch bis zum Jahr 1961 nuar 1928 war festgelegt worden, dass dem Reich das ausschließliche Recht zum Errichten und Be- treiben von Funkanlagen zustehe, worunter so- wohl Rundfunksendeanlagen als auch -empfangs- anlagen zu verstehen sind. Ausgeübt wurde dieses Recht durch den Reichspostminister. Im Paragraf 15 des FAG ist in diesem Zusammenhang auch die Bestrafung von Schwarzhörern geregelt: »Wer vor- sätzlich entgegen den Bestimmungen dieses Ge- 9 Zum Vergleich: Im Jahr 1950 betrug das Pro-Kopf-Jahreseinkom- men in der Bundesrepublik Deutschland 8.600 DM. Angabe nach: Rai- setzes eine Fernmeldeanlage errichtet oder betreibt, ner Geißler: Die Sozialstruktur Deutschlands. 2. Aufl . Opladen 1996, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. Der S. 45. Versuch ist strafbar«, heißt es in Absatz 1. Absatz 2 10 Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928 (RGBL, I, legt fest: »Mit Gefängnis oder mit Geldstrafe wird S. 8). Zit. n. Carl-Heinz Lüders: Presse- und Rundfunkrecht. Text- sammlung aller presse- und rundfunkrechtlichen Vorschriften im bestraft, wer vorsätzlich a) Genehmigungspfl ichti- Bundesgebiet mit dem Entwurf des Bundespressegesetzes. Berlin ge Fernmeldeanlagen unter Verletzung von Verlei- und Frankfurt am Main 1952, S. 121–128. Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 21 gültigen Besatzungsrecht des Gesetzes Nr. 5 der Ende einer langen und komplizierten Entwicklung Alliierten Hohen Kommission (AHK) überlagert;11 auf des Verhältnisses der Post zu den Rundfunkanstal- der Empfangsseite – also was die Regelungen be- ten. Zu dem Zeitpunkt, als der Rundfunk entstand, züglich der Hörer betrifft – hatte es volle Gültigkeit. war die »Rundfunkgebühr« mitnichten eine Gebühr Mit anderen Worten: Für den nicht zahlenden Hörer für die Sender, die das Programm veranstalteten, galt, dass sein Tun strafbar war. In welcher Häufi g- sondern für denjenigen, der dessen Übertragung keit und Form die Vorschrift jedoch tatsächlich zur ermöglichte – und das war die Post. Seit dem Ent- Anwendung kam, ist heute nur schwer nachvollzieh- stehen des Rundfunks vergab sie fernmelderechtli- bar. Für den Hamburger Raum sind keine staatsan- che Lizenzen, die die ausschließlich privaten Rund- waltschaftlichen Akten mehr erhalten, die Auskunft funkanbieter – öffentlich-rechtliche Sendeanstalten über Verfahren betreffend der juristischen Ahndung gab es damals noch nicht – zum Betreiben einer des Schwarzhörens geben könnten. Lediglich drei Funkanlage, worin eben auch der Empfang enthal- Fälle aus dem Raum Göttingen und Braunschweig ten war, berechtigte. Dies war wenig später dann konnten eruiert werden, bei denen Bürger wegen auch Inhalt des bereits beschriebenen Fernmelde- Vergehen gegen das Gesetz über die Fernmeldean- anlagengesetzes vom 14. Januar 1928. Zu diesem lagen einerseits zur Zahlung der hinterzogenen Ge- Zeitpunkt war die Rundfunkgebühr also keineswegs bühren sowie zu Geldstrafen in Höhe von 20 bis 75 eine Gegenleistung des Hörers für das Programm DM verurteilt worden sind. Auch das Rundfunkge- der Sender, sondern eine Zahlung für die Vergabe rät wurde jeweils eingezogen. Im Nichteintreibungs- eines staatlichen Hoheitsrechts, aus der keine An- falle des Geldes, so wiesen die Gerichtsurteile aus, sprüche gegenüber den Sendegesellschaften ab- sollte an die Stelle von je fünf DM ein Tag Gefäng- geleitet werden konnten. Die Gebühr, die vom Post- nis treten.12 boten kassiert wurde, stand zu 100 Prozent der Post zu, die deren Höhe festsetzte und über die Vertei- Zumindest in den unmittelbaren Nachkriegsjah- lung an die Sendegesellschaften bestimmte. ren bis zur Gründung der Bundesrepublik blieb eine Strafverfolgung mutmaßlich die Ausnahme. Bis Ende des Jahres 1945 zog die Post die Ge- Schwarzhören dürfte ähnlich wie »Kohlenklau« als bühren weiterhin durch den Briefträger ein, zu gro- eine aus der Not geborene Untugend angesehen ßen Teilen blieb das Geld in ihren Kassen. Als sich worden sein. Zwar war Letzteres für das schiere schließlich vom 25. bis 27. November 1946 Ver- Überleben von grundlegender Notwendigkeit, den- treter aller vier Rundfunkstationen in den Besat- noch dürfte der Hunger nach Information und die zungszonen beim Interalliierten Kontrollrat zu einer brennende Neugier auf die Antworten, wie es denn ersten gemeinsamen Sitzung trafen, ergab ein Er- nun mit dem eigenen Land weiterginge, für diese Zeit nicht zu unterschätzen sein. Ein ausgepräg- tes Unrechtsbewusstsein für das Schwarzhören scheint es – wenngleich es an empirisch eindeu- tigem Material mangelt – nicht gegeben zu haben. Obwohl auch für den Zeitraum der 50er Jahre keine verlässlichen Aussagen über die gerichtliche Ver- folgung zu treffen sind, kann als sicher gelten, dass 11 Das Gesetz Nr. 5 der AHK über die Presse, den Rundfunk, die Be- sich dieses Bewusstsein bald ändern sollte. richterstattung und die Unterhaltungsstätten vom 21. September 1949 sah in Artikel 3 vor, dass ohne Genehmigung der AHK neue Rund- funk- , Fernseh- oder Drahtfunksender weder eingerichtet, noch An- Ebenfalls in das Spannungsfeld von Post und Rund- lagen dieser Art einer anderen als der bisherigen unterstellt werden funk gehört die Frage nach der grundsätzlichen dürfen. Außerdem sei die AHK auch für die Zuteilung von Wellenstärke Rechtsnatur der Gebühren. »Der NWDR möchte und -frequenz eines Senders zuständig. Da der Bund das Gesetz Nr. 5 weder in eigener Zuständigkeit aufheben noch ändern konnte, war gute Programme senden und seine freien Mitarbei- die Ausübung der Fernmeldehoheit des Bundes damit nicht nur be- ter, die Schriftsteller, die Komponisten, die Fach- schränkt, sondern ruhte. Vgl. Joachim Aubert: Fernmelderecht. Eine leute und Musiker anständig bezahlen«, warb der systematische Darstellung. 1. Teil. Hamburg u. a. 1954. 12 Vgl. die entsprechenden Urteile des Amtsgerichts Göttingen vom NWDR um die Bekehrung der Schwarzhörer und ar- 19. November 1953 und 5. November 1953 (Datum der entsprechen- gumentierte: »Reichhaltigkeit des Programms und den Urteilsverkündungen); Urteil des Amtsgerichts Uslar vom 1. Okto- Tempo des Ausbaus sind aber direkt von den Ein- ber 1953 (Datum der entsprechenden Urteilsverkündung). Westdeut- nahmen abhängig.«13 Gebühren für ein gutes Pro- scher Rundfunk. Historisches Archiv (WDR HA). 6-1 Justitiar. 9578. 13 »Gewissensbisse wegen 6,5 Pfennigen?« Pressemitteilung zur grammangebot – das klingt überzeugend. Dass die NWDR-Pressekonferenz am 29. Dezember 1950. Staatsarchiv Ham- Hörergelder dem Sender zukommen, ist jedoch das burg (StA HH). 621-1. NDR. 1343. 22 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) fahrungsaustausch, dass die Aufteilungspraxis zwi- gewinnen, sich freiwillig zu Normalhörern zu beken- schen Sendern und der Post in den einzelnen Zonen nen und in der Öffentlichkeit ein Gefühl dafür zu er- – vorgegeben durch die jeweilige Besatzungsmacht wecken, daß es einfach nicht recht ist, wenn ein Teil – durchaus unterschiedlich gehandhabt wurde: »In der Hörerschaft für einen anderen mitbezahlt.« Weil Bayern behält die Post 75 Prozent dafür ein, dass »der Weg ins neue Jahr mit besten Vorsätzen ge- sie die Sender unterhält und die Gebühren einzieht; pfl astert zu sein pfl egt«, appellierte der NWDR mit Radio München erhält nur 25 Prozent der Einnah- moralischem Impetus an »das Gute in dem Herrn men. Für die gleichen Dienste nimmt die Post der Schwarzhörer«18 und warb für eine gerechte Hö- französischen Zone nur 35 Prozent in Anspruch; 65 rergemeinschaft. Auch fi nanzielle Aspekte wur- Prozent fl ießen dem Südwestfunk zu. In der briti- den angesprochen: »Der sehr kostspielige Ausbau schen Zone werden die Gebühren im Verhältnis 50: des UKW- und Fernsehnetzes läßt überdies nicht 50 zwischen Post und NWDR geteilt. In Württem- zu, daß der NWDR als einzige Rundfunkanstalt auf berg-Baden und Hessen, wo die Strahlungsanla- diese Aktion verzichtet«, erklärte die entsprechen- gen von den Rundfunkstationen selbst betrieben de Pressemitteilung den Versuch der Haushaltskon- werden, erhält ‚Radio Stuttgart‘ 55 Prozent und der solidierung.19 ‚Frankfurter Sender‘ was er benötigt, ca. 50%.«14 Als der NWDR mit dieser Nachricht an die Öffent- Die Regelung des 50:50 ergab sich für den NWDR lichkeit trat, lagen Monate der Planung hinter ihm. seit dem 1. November 1945. In den einzelnen Rund- NWDR-Mitarbeiter Günther Sawatzki war für die funkgesetzen wurden einige Jahre später die Ge- Koordinierung der Aktion abgestellt worden, ihm bührenschlüssel neu festgelegt. Für den NWDR standen außerdem zwei Sekretärinnen und Aus- war diesbezüglich in der geänderten Verordnung hilfskräfte zur Seite. Aufmerksam beobachteten 118 von 1949 festgelegt, dass dem NWDR ein An- sie, was die anderen Anstalten unternommen hat- teil von 75 Prozent, der Post ein Anteil von 25 Pro- ten. Die Aktion des Südwestfunks (SWF) stand für zent an den Hörergebühren zustehe. Ungeklärt die NWDR-Pläne Pate.20 Diese hatte innerhalb von war und blieb nach wie vor die Frage der Gebühr: sechs Wochen im Februar und März 1950 für mehr War sie eine Lizenzgebühr oder eine Programmge- als 90.000 neue Hörer gesorgt. Explizit schrieb der bühr?15 Wenn der NWDR also bereits in dieser Früh- SWF-Justitiar Carl Haensel nach einem Besuch ei- phase postulierte, dass der Gebühreneinzug ein gu- niger NWDR-Vertreter bei ihm im September 1950 tes Programmangebot beeinfl ussen würden, so war an seinen Intendanten Friedrich Bischoff, dass die dies ein Standpunkt, dessen Gültigkeit erst mehr als bevorstehende Aktion des NWDR »der unsrigen ein Jahrzehnt später rechtlich nachvollzogen wur- nachgebildet« werde. de. Als er jedoch geäußert wurde, war er gleichsam ein klares Statement im heftig umkämpften Kompe- tenzfeld zwischen Post und Rundfunk.16 14 Niederschrift 1. Zusammenkunft, 25.–27.11., S. 2. Deutsches Schwarzhörerbekämpfung Rundfunkarchiv. ARD 1-11(1). Zit. n. Hans Bausch: Rundfunkpoli- tik nach 1945. Erster Teil: 1945–1962. München 1980 (= Rundfunk in mit Samthandschuhen? Deutschland, 3), S. 26. Die erste Aktion des NWDR 1951 15 Endgültig geklärt wurde die Frage erst mit dem entsprechenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 1968. Das Gericht er- kannte damals an, dass die Rundfunkgebühr in voller Höhe den Rund- Kurz vor dem Jahreswechsel 1950/51 sorgte der funkanstalten zustehen würde und keine von der Post zu beeinfl ussen- NWDR für Schlagzeilen. Eine Schar von Journa- de Hoheitsgebühr sei. listen – Vertreter von großen Tageszeitungen, von 16 Vgl. hierzu: Mark Lührs: Unterschiedliche Blickwinkel. Die Post Pressediensten und von Fachzeitschriften wie und der NWDR. In: Peter von Rüden und Hans-Ulrich Wagner (Hrsg.): Die Geschichte des Nordwestdeutschen Rundfunks. Hamburg 2005, »Rundfunk und Fernsehen« – war am 29. Dezem- S. 337–354. ber anwesend, als Vertreter des Senders in einer 17 »Schwarzhörer-Aktion des NWDR und der Bundespost«. Presse- Pressekonferenz verkündeten, dass ab dem 1. Ja- mitteilung zur NWDR-Pressekonferenz am 29. Dezember 1950. StA HH. 621-1. NDR. 1343. nuar eine sechswöchige Aktion »zur Gewinnung der 18 »Gewissensbisse wegen 6,5 Pfennigen?«. Pressemitteilung zur Schwarzhörer« starte.17 Der NWDR wolle an die üb- NWDR-Pressekonferenz am 29. Dezember 1950. Ebd. rigen Rundfunkanstalten der Republik aufschließen, 19 Ebd. die zuvor schon solche Aktionen durchgeführt hat- 20 Ein herzlicher Dank gilt Frau Jana Behrendt (Historisches Archiv des SWR Baden-Baden), die Unterlagen der SWF-Aktion umfassend ten. Erklärtes Ziel dieser ersten Aktion im Nordwes- recherchierte und der Forschungsstelle zur Geschichte des Rund- ten der Republik war, »die Schwarzhörer dafür zu funks in Norddeutschland (FGRN) zur Verfügung stellte. Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 23 Im Herbst 1950 liefen Der Erfolg der ersten Hö- beim NWDR und bei den rerwerbeaktion des Nord- zuständigen Poststellen, westdeutschen Rundfunks die für den Gebührenein- war durchschlagend: Zwi- zug zuständig waren, die schen dem 1. Januar und Vorarbeiten auf Hochtou- dem 15. Februar 1951 ren. So gab es beispiels- konnten 691.000 neue weise ein intern im NWDR Hörer gewonnen werden. durchgeführtes Preisaus- »Bei einer Einwohnerzahl schreiben, mit dem ein von 24.316.000 in der Bri- schlagkräftiger Slogan für tischen Zone am 1. Janu- die Hörerwerbung gesucht ar 1951 ist in dieser Zeit wurde. 400 Einsendun- die Gesamtzahl unse- gen seien zu verzeichnen rer Hörer von 4.317.000 gewesen.21 Ein Gewinner auf 5.039.099 angestie- ist im überlieferten Mate- gen, d. h. von 17,7 Prozent rial allerdings nicht mehr auf 21,2 Prozent der Be- festzustellen. Als schließ- völkerung«, weist der Ab- lich Anfang Dezember ein schlussbericht Sawatzkis Etat von 90.000 DM zur stolz aus – nicht ohne die Verfügung gestellt wur- Ergebnisse noch einmal de,22 wurden die einzelnen mit anderen Sendeanstal- Werbeaktivitäten konkret. ten zu vergleichen: »Der Mit großem Aufwand ging Bayerische Rundfunk hat- es am 1. Januar 1951 los: Werbeplakat des SWF 1950. Quelle: SWR HA. Baden-Baden te am 1. Januar eine Hör- Die Briefzusteller verteilten erdichte von 18 Prozent, rund 6,1 Millionen Postwurfsendungen; 24.000 gro- der Hessische Rundfunk überholte ihn knapp, so- ße und 3.200 kleinere Plakate zierten die Wände der dass der NWDR – wenn man von Radio Bremen Postämter und die gelben Postzustellwagen; neun (22,5 Prozent) absieht, in seinem Gebiet jetzt die motorisierte Werbekolonnen fuhren mit 350 wet- grösste Hörerdichte erreicht haben dürfte.«23 terfesten und auf Leinwände gezogenen Plaka- ten, Sprachansagen und Musikabspielungen durch Zwischen Scylla und Charybdis das Land. Hinzu kamen knapp eineinhalb Millionen Werbekarten. Für das NWDR-Programm wurden Charakteristisch für diese Aktion war das zwi- 48 Sketche von zwei bis vier Minuten Länge pro- schen moderaten Maßnahmen und einer durch- duziert. Daneben gab es zwei in punkto Zeitkolorit aus aggressiv-bildhaften Sprache pendelnde Vor- besonders farbenfrohe Werbemittel: Der »Schwarz- gehen. Demonstrativ wurde eine Strafverfolgung hörerschlager« sollte sich mit seinem Refrain »Dein der »Übeltäter« ausgesetzt; auf einen »allzu schar- Rundfunknachbar ist empört, er zahlt und du hast fen Druck, der die Hörer verstimmen könnte«, sollte schwarz gehört«, der auch als Plakattext veröffent- verzichtet werden. Die Aktion diene – so der NWDR licht wurde, den Hörern einprägen. Und das »ge- gegenüber der Presse – lediglich dazu, »Verständ- sungene Pausenzeichen« griff die den NWDR-Hö- nis und guten Willen« zu wecken.24 »Für den NWDR rern bekannte Melodie auf und verband sie mit der stand von vorneherein fest, daß an die Freundlich- eingängigen Frage: »Ist der Rundfunk bezahlt?« Viele Hörer von einst können sich heute noch an diese Maßnahmen des Nordwestdeutschen Rund- funks erinnern, in den Archiven lassen sie sich be- 21 Vgl. Protokoll der 33. Verwaltungsratssitzung am 16./17. Dezember dauerlicherweise nicht mehr nachweisen. Lediglich 1950. NDR. Gremienbüro. 22 Schlussbericht über die Hörerwerbeaktion, Dr. Sawatzki an die beim SWF hat sich ein zeitgenössisches Werbepla- Generaldirektion. 23.2.1951. StA HH. 621-1. NDR. 702. – Der Etat wur- kat erhalten. Ähnlich wie wenig später der NWDR de nach Anfangserfolgen der Aktion wenig später auf 130.000 DM er- hatte die Rundfunkanstalt in Baden-Baden offen- höht. siv auf eine Vielzahl von Werbemaßnahmen gesetzt, 23 Ebd. 24 »Schwarzhörer-Aktion des NWDR und der Bundespost«. Presse- darunter Kinowerbung, Zeitungsinserate und Hand- mitteilung zur NWDR-Pressekonferenz am 29. Dezember 1950. StA zettel beim Faschingszug in Koblenz. HH. 621-1. NDR. 1343. 24 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) keit appelliert werden sollte, und daß die Drohung Kauf genommen. Das gute Geschäft galt für bei- mit dem Staatsanwalt nicht angewandt werden de Partner – für den Rundfunk und für den ehema- durfte«, schrieb »Die Ansage«, der Pressedienst ligen Schwarzhörer. »Hörerbindung« und die Arbeit des NWDR, am 19. Januar 1951. »Der NWDR hat am eigenen Image waren in dieser Phase also zen- versucht, zwischen der Scylla des Verschweigens traler Bestanteil der Aktion: Der NWDR brachte sich der möglichen bösen Folgen und der Charybdis des ins Gespräch, er machte sich zum Bestandteil all- drohenden Warnens einen Mittelweg zu fi nden: im täglichen Lebens im Nordwesten des jungen Nach- Grunde tut er nichts anderes, als daß er seinen Hö- kriegsdeutschlands und mit ein wenig Glück hat- rern die Lage möglichst freundlich und möglichst te man »seinem« Sender sogar den neuen Herd zu amüsant immer wieder so darstellt wie sie ist.«25 verdanken. Der Erfolg des Vorgehens, dessen rücksichtsvol- le Sanftheit mitunter auch Kritik provozierte, habe Der Weg des Prämierens erfolgreicher Werber war dieser Taktik im Nachhinein Recht gegeben: Dass zuvor schon mit großem Aufwand beim SWF be- sich jetzt durch die Aktion »die Zahl der freiwilligen schritten worden. Hier gab es überdies die Maßga- Hörer auf über fünf Millionen gestellt hat«, spreche be, dass die Strategie der Werbung sich nicht aus- für sich. Hieraus ließen sich weitere Schlüsse zie- schließlich an den Schwarzhörern festmachen solle. hen: »Man kann aus dem Verlauf dieser Werbung »Für das Rundfunkhören und den Rundfunk ganz mit einigem Recht darauf schließen, wie gut sich in allgemein« solle geworben werden. In einer Aus- Deutschland der Verkehr zwischen einer Institution schreibung des Intendanten, in der die Mitarbeiter oder einer Behörde und mit dem Publikum ohne au- einen schlagkräftigen Titel bzw. Werbevers einrei- toritären Zwang erledigen läßt.«26 chen konnten, heißt es, dass es nicht »um eine be- stimmte Schicht, sondern den breiten Hörerkreis« Zu diesem »Samthandschuh«-Handeln gehörte ginge.29 Diese Zielsetzung war zentraler Bestand- auch, dass neue Hörer von Privatpersonen gewor- teil des geschäftlichen Kalküls: »Es wird selbstver- ben werden konnten. Je mehr neue Hörer der ein- ständlich nicht bestritten, dass diese Aktion in der zelne Werber dem NWDR vermitteln konnte, umso Hauptsache gegen die Schwarzhörer gerichtet ist«, attraktivere Geschenke konnte er sich aus einem schrieb das Verwaltungsratsmitglied Paul Buchholz breiten Prämienangebot des NWDR auswählen. am 15. März 1950 an den Hauptgeschäftsführer der Der NWDR verschenkte in einer Zeit, als viele Fami- Industrie- und Handelskammer für die Pfalz, der die lien in der Phase des Wiederaufbaues bemüht wa- Aktion kritisiert hatte, und bot zugleich die Begrün- ren, einen bescheidenen Wohlstand in den eigenen dung: »Es gibt in solchen Fällen immer zwei Metho- vier Wänden zu erreichen, nützliche Gegenstände den, um den Mißbrauch einer Einrichtung zu besei- wie Gasherde, Bettdecken, Bügeleisen, Heizkissen, tigen. Man droht entweder mit Strafen, wozu aber Schnellkochtöpfe, Brotröster, Aktentaschen, Füllfe- z. Zt. die gesetzlichen Grundlagen wenig geeignet derhalter, Fahrräder, Radiogeräte und UKW-Vor- sind, oder man macht es so, wie es der Steuerfi skus satzgeräte – oder sogar eine Zweizimmereinrich- oft gemacht hat. Man führt eine Amnestie ein und tung im Wert von 2.750 DM. In der zweiten Hälfte verzichtet auf die Bestrafung der Schuldigen, wenn der Aktion konnten schließlich auch Haushaltsge- diese nur von einem bestimmten Zeitpunkt ab ord- räte eigener Wahl ausgesucht werden, was von den nungsgemäss bezahlen. Die häufi ge Anwendung Teilnehmern offenbar mit großem Zuspruch ange- dieser Steueramnestien hat bewiesen, dass dieser nommen wurde.27 Außerdem gab es kleinere Geld- Weg sehr zweckmäßig ist und zum Erfolg führt.«30 prämien: Für jeden neu geworbenen Hörer zwei Mark. Die erfolgreichsten Werber der ersten Akti- on konnten, so fi ndet sich im Abschlussbericht, 704, 724, 881 und 1.332 neue Hörer gewinnen.28 25 Die Ansage, Nr. 3, 19.1.1951, S. 1. 26 Ebd. Von einem solchen Prämiensystem, das war den 27 Die Ansage, Nr. 4, 26.1.1951, S. 1. Organisatoren bewusst, konnten auch jene profi tie- 28 »Der Wellendetektiv«. Pressemeldung zur NWDR-Pressekonfe- ren, die eigentlich »nur« geworben, nicht aber be- renz am 29. Dezember 1950. StA HH. 621-1. NDR. 1343. – Die Prämi- enzahlung sollte, so die Ankündigung, dadurch fi nanziert sein, dass lohnt werden sollten. Je nach Absprache mit Freun- NWDR und Bundespost auf die Gebühren des ersten Monats der von den und Bekannten war es also durchaus möglich, den Werbern neu gewonnenen Hörer verzichten. als langjähriger Schwarzhörer noch mit einem or- 29 Entwurf eines Intendanten-Rundschreibens, 19.1.1950. SWR. Historisches Archiv. Baden-Baden (SWR HA. BAD). Bestand Verwal- dentlichen »Gewinn« seine Existenz als Gebühren- tungsdirektor V 9853. sünder erfolgreich zu beenden. Doch das wurde in 30 Paul Buchholz an Max Zahn, 15.3.1950. Ebd. Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 25 Von dieser sehr zarten Art des Vorgehens hebt sich werk zu Stockwerk wandern und das Ausschlagen die Methode des NWDR am Ende ab. Denn viel- der Skalenzeiger beobachten. Da die Normalhörer fach setzte der NWDR in seinen Maßnahmen auf alle in einer Kartei eingetragen sind, lassen sich die eine durchaus aggressive Metaphorik: »Der Scha- Schwarzhörer leicht feststellen.«33 den trifft nicht den ‚Funk‘. Das ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts«31, heißt es in einer Presse- mitteilung zum Start der ersten Aktion, »der Scha- den trifft die über vier Millionen Normalhörer des NWDR. Also seine Nachbarn und guten Freunde, deren zwei D-Mark Monatsgebühr dem Rundfunk das Arbeiten erst ermöglichen.« Dieses hier ver- wendete Bild des Schwarzhörers als »Schädling«, der sich auf Kosten der »Hörergemeinschaft« berei- chert, ist zwar durchaus vor dem Hintergrund eines zeitgenössisch-unbedarften Sprachduktus’ zu ver- stehen. Es weckt aber gleichwohl Erinnerungen an Sprachbilder der nationalsozialistischen Propagan- da, die ideologisch unerwünschte Verhaltens- und Lebensarten als »schädlich« für die »Volksgemein- schaft« brandmarkte. Jedoch steht beim NWDR deutlich der moralische Appell im Vordergrund: Vor der Bekämpfung der Schwarzhörer steht eben ihre Bekehrung. Das Gespenst des Wellen-Detektivs Auffällig ist darüber hinaus die angedrohte Ver- schärfung der Maßnahmen, die dann greifen soll- ten, wenn besonders hartnäckigen Schwarzhörern nicht mit sanfter Überzeugungsarbeit beizukom- men wäre. Dann nämlich müsse der so genannte Der »Wellen-Detektiv«. Quelle: StA HH »Wellen-Detektiv« eingesetzt werden – eine Appa- ratur, dessen Vorfahren bereits im Krieg eingesetzt Der solchermaßen angedrohte Einsatz des »Wellen- worden seien. NWDR-Techniker hätten – so wur- Detektivs« ging mit Angst und Scham einfl ößenden de mitgeteilt – »hochempfi ndliche Spezialgeräte für Szenarien der Überwachung und der Kontrolle ein- ‚friedliche Zwecke‘ entwickelt, für den ‚Kampf ge- her. »Es gibt oft überraschte Gesichter, wenn es gen hartnäckige Schwarzhörer‘«.32 Gleichwohl ist plötzlich an der Tür klopft und freundliche Männer die militärische Metaphorik dieser Worte nicht zu einem auf den Kopf zusagen, daß, vom Marktplatz übersehen. Die Funktionsweisen der Apparatur sei- angemessen, in dieser Wohnung ein Rundfunkge- en einfach: »Durch Mauern und Wände hindurch rät angepeilt wurde.«34 Dennoch ist die Relevanz sagt dies Gerät, wo Rundfunk gehört wird.« Über und Tauglichkeit der Geräte für einen fl ächende- die Funktionsweise hüllte man sich geheimnisvoll in ckenden Einsatz zu bezweifeln. Die schlichte Exis- Schweigen: »Das Ganze ist keine Hexerei, obwohl tenz solcher Geräte ist seit den 30er Jahren nachge- über die technischen Prinzipien aus naheliegenden wiesen, allerdings wurde es wohl nie in ausreichend Gründen nichts gesagt werden kann. Das Gerät ist großer Anzahl für einen größeren Gebrauch herge- so klein wie ein preiswerter Rundfunkapparat, es zeigt aussen zwei Skalen und einen Peilrahmen. Ein Mann kann den ‚Wellen-Detektiv‘ bequem und un- auffällig in der Hand tragen und damit leicht jede 31 »Schwarzhörer-Aktion des NWDR und der Bundespost«. Presse- Treppe ersteigen, ohne dass er ein Kabel nachzu- mitteilung zur NWDR-Pressekonferenz am 29. Dezember 1950. StA schleppen braucht. Am leichtesten lassen sich da- HH.621-1.NDR 1343 mit natürlich alle Schwarzhörer in locker bebauten 32 »Der Wellendetektiv«. Pressemeldung zur NWDR-Pressekonfe- renz am 29. Dezember 1950. StA HH. 621-1. NDR. 1343. Gegenden feststellen, in Laubenkolonien und Vil- 33 Ebd. lenvierteln. In Mietshäusern muss man von Stock- 34 Die Ansage, Nr. 4, 26.1.1951, S. 2. 26 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) stellt.35 Der »Wellen-Detektiv« war demnach zwar kontrolliert. Vor diesem Hintergrund gewinnt die keine öffentlichkeitswirksame Erfi ndung, aber sei- NWDR-Strategie noch einmal deutlich an Kontur. ne Rolle wurde im Rahmen der Schwarzhörer-Ak- Kennzeichnend für die erste Hörerwerbeaktion des tion drastisch zum Aufbau einer Drohkulisse einge- NWDR ist das Pendeln zwischen liberalen und auto- setzt. Diese Androhung offenbart ein verschämtes ritären Methoden, zwischen Prämien und »Wellen- Moment: Anders als der SWF vertraute der NWDR Detektiv« oder – wenn man so will – zwischen »Zu- nicht ausschließlich auf die sanft schmeichelnde ckerbrot und Peitsche«. Facette seiner Werbestrategie, sondern drohte im Falle deren Unwirksamkeit nun doch noch mit mas- Der NWDR positionierte sich methodisch zwischen siveren Maßnahmen. Das Überführtwerden vor aller der »weichen« südwestdeutschen und der »har- Leute Augen, die peinlichen Bloßstellung unmorali- ten« bayerischen Gangart. Doch an sich kontrastie- schen Handelns sollte dabei eine noch größere Wir- ren diese beiden Stoßrichtungen miteinander: Will kung entfalten als die bloße Androhung der Anwen- man einen Hörer bekehren und im Guten überre- dung von Rechtsvorschriften. den – notfalls eben auch mit einem kleinen Anreiz in Form einer Prämie –, so setzt dies ein Verständnis des Hörers als mündigen, ernstzunehmenden Kon- sumenten voraus. SWF und BR verfuhren hier je- weils geradlinig: Ersterer will allgemein Hörer wer- ben und forciert eine ausschließlich auf Prämien setzende Variante »im Guten«; dem BR dagegen geht es allein um das Auffi nden das Gesetz bre- chender Schwarzhörer und deren Bestrafung. Der NWDR aber warb offensiv und drohte dennoch im Hintergrund mit unerbittlicher Bloßstellung. Die zu diesem Zeitpunkt größte Anstalt der Republik wag- te es nicht, souverän ihrem guten Programm und den spendablen Prämien zu vertrauen. Immer wie- der wollte man sich die Hintertür offen halten, um notfalls auch massiven Druck auszuüben. 35 So Ernst Böge vom Museum der Bundesnetzagentur in Itzehoe im April 2006 gegenüber der Verfasserin. – Eine Vorgängerin der Bun- desnetzagentur wurde im August 1946 von der Britischen Militärbe- Verdutzte Gesichter. Der »Wellen-Detektiv« überführt eine Schwarz- hörde ins Leben gerufen, um die Frequenzkonstanz der Sender des hörerin. Quelle: StA HH BFN (British Forces Network) zu überwachen. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde diese von der Deutschen Bun- despost übernommen (Funkkontrollmessdienst der Deutschen Bun- Aufschlussreich ist an dieser Stelle der Vergleich despost). Ernst Böge stellte den Film »Der Störenfried« aus dem Jahr mit dem Vorgehen beim Bayerischen Rundfunk. 1938 zur Verfügung, in dem bereits die Benutzung eines Gerätes wie Hier wurde zwar keine »Geheimwaffe« drastisch in dem des Wellen-Detektivs beschrieben ist. »Die Zahl 1000 wäre wohl schon zu hoch gegriffen«, so Böge jedoch zur Frage nach den Herstel- Szene gesetzt, aber den Schwarzhörern wurde rigo- lungszahlen. Zudem sei es sehr kompliziert, Schwarzhörer mit einem ros mit polizei-ähnlich handelnden »Ermittlern« zu solchen Messempfänger festzustellen, denn Messempfänger fangen Leibe gerückt. Seit September 1950 ging es im Sü- die von Radio- oder später auch TV-Geräten abgestrahlte Frequenz auf einer höheren Frequenz auf. Die eindeutige Zuordnung an einen den der Bundesrepublik um die »restlose Erfassung Schwarzhörer ist daher schwierig, da die knappen Wellenfrequenzen der Schwarzhörer«.36 Zu deren Zweck überprüften häufi g – auch von ausländischen Sendern – überlagert wurden. die Ermittler stichprobenhaft Wohnungen und Häu- 36 Ausführliche Belege hierzu fi nden sich im Bestand der Histo- ser und versuchten dezidiert Rechtsbrecher aus- rischen Dokumentation des Bayerischen Rundfunks (HD/689). Ein herzlicher Dank gilt Bettina Hasselbring (Bayerischer Rundfunk. His- fi ndig zu machen. Insbesondere Hörerabmeldun- torisches Archiv), die diese Informationen und Quellen zur Verfügung gen schienen verdächtig und wurden systematisch stellte. Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 27 Kosten und Nutzen? ber 1952 dauerte. »Die Aktion beginnt mit Millionen Die zweite Aktion des NWDR 1952 von Postwurfsendungen« 39, berichtete »Die Ansa- ge« und wies auf ein Novum der Aktion hin: Dieses Das Ergebnis der ersten Hörerwerbeaktion – fast Mal wurden auch die Gebührenzahler in die Aktion 700.000 neue Hörer – war für den NWDR so über- einbezogen und aufgefordert, sich an einem »Dich- zeugend, dass es eine Fortsetzung der Aktion ge- ter-Wettstreit« zu beteiligen: »Der NWDR sucht die ben sollte. Dreh- und Angelpunkt sollte wiederum zugkräftigsten zweizeiligen Werbeverse gegen das die Überzeugung des Hörers sein. War diese er- Schwarzhören.« Aus mehr als 200.000 Einsendun- reicht, winkten der Rundfunkanstalt eine höhere gen wurde der Spruch »Zahl die kleine Funkgebühr, Akzeptanz sowie deren fi nanzielle Konsolidierung. hör die ganze Welt dafür« ausgewählt. Der Gewin- In seinem Schlussbericht zur ersten Aktion stellte ner, Wilhelm Hacker aus Flensburg, wurde mit ei- Sawatzki ein neuerliches Vorgehen gegen Schwarz- nem Preisgeld von 1.200 DM belohnt.40 Eingesetzt hörer in Aussicht. Erst durch die erste Aktion seien wurde dieser Slogan auf vielfältige Weise: »In allen überhaupt »Unterlagen gewonnen worden, die eine Postanstalten des NWDR-Sendebereichs werden weitere, gelenkte Schwarzhörerbekämpfung in Zu- jetzt himmelblaue Plakate mit dem Zweizeiler (…) kunft möglich macht. Die Schwarzhörer sitzen im- aufgehängt. Tausende von Post-Kraftwagen fahren mer noch in manchen Gegenden gehäuft: die Hör- das gleiche Plakat durch die Straßen.«41 erdichte von 30 bis 50 Prozent (der Haushaltungen, nicht der Einwohner) kontrastiert lebhaft mit der Eine weitere Attraktion dieser zweiten Werbemaß- Hörerdichte etwa in Hamburg (über 90 Prozent).« 37 nahme war die Suche nach den »neun treuesten Deshalb schlug Sawatzki vor, »nach einer Pause, in Hörern in den neun Oberpostdirektionen im NWDR- der die Bundespost energisch durchgreift, eine ge- Sendebereich«.42 Anhand alter Urkunden – einige zielte Werbeaktion von kurzer Dauer durchzuführen, von ihnen trafen als »bemooste Rundfunkquittun- deren Umrisse folgendermassen aussähe: 10 bis 14 gen, manche von anno 1924« beim NWDR ein – wur- Tage, in denen Amnestie gewährt wird, vorher ge- den insgesamt neun Mal neun, also »81 ‚Veteranen legentliche Meldung über bestrafte Schwarzhörer, am Lautsprecher‘« ausgezeichnet und mit einem nun Intensivierung lokaler Pressearbeit, kleine [sic! Gemeint ist: keine] Sachprämien, sondern nur Geld- prämien, möglichst von 3 DM statt 2 DM für jeden Geworbenen, weil die Feinarbeit wesentlich mühe- voller ist, Einsatz ab 25. April oder 25. Mai, damit der Erste zeitlich umgriffen wird, keinerlei Erfolgs- 37 Schlussbericht über die Hörerwerbeaktion. Dr. Sawatzki an die meldungen in den Abendnachrichten. Die Bundes- Generaldirektion, 23.2.1951. StA HH. 621-1. NDR. 702. post ist gefragt worden und begrüsst diesen Vor- 38 Anlage zum Protokoll der 35. Sitzung des NWDR-Verwaltungsrats. 24./25.2.1951. StA HH. 621-1. NDR. 1343. schlag.« 39 Die Ansage, Nr. 97. 6, 11.1952, S. 6. 40 Vgl. Die Ansage, Nr. 99, 20.11.1952, S. 1. – Im Dezember 1953 ver- Auch der Verwaltungsrat des NWDR ließ am 24. und suchte der Braunschweiger Regierungsrat H. P., juristische Schritte 25. Februar 1951 den Erfolg der Aktion noch einmal gegen den NWDR einzuleiten. Er habe seinerzeit, so teilte P. der Ab- teilung Hörerpost mit, einen Slogan gleichen Wortlautes eingesendet, Revue passieren. Im Zuge der Sitzung wurde an- sei jedoch von der Preisvergabe ausgeschlossen worden. Der Vor- geregt, »dass Generaldirektor Dr. Grimme die neu- gang wurde an die Rechtsabteilung des NWDR weitergegeben. Nach en Hörer in einer Rundfunkansprache begrüsst und einigem Schriftwechsel, darunter auch mit Rechtsabteilungen ande- rer Rundfunkanstalten, teilt eine vom NWDR eingeschaltete Rechts- ihnen die programmatischen Absichten des NWDR anwaltskanzlei dem Regierungsrat im Mai 1954 mit, »dass eine weite- und die Möglichkeiten der Sender- und Programm- re Fortsetzung des Briefwechsels unsererseits nicht mehr stattfi ndet. verbesserung durch ihren Beitritt zur Hörergemein- Die Ansprüche werden abgelehnt und es geht nicht an, dieserhalb nun schaft des NWDR erläutert«.38 In dieser Sitzung noch weitere Arbeit für eine völlig abgeschlossene Sache aufzuwen- den. Es muss Ihnen nunmehr überlassen bleiben, die Schritte zu er- befürwortete der Verwaltungsrat ebenfalls, »die greifen, die Sie für zweckmäßig halten.« Mit diesem Schreiben hatte Schwarzhöreraktion in regelmäßigen Abständen sich die schwelende Rechtsauseinandersetzung offenbar erledigt. Vgl. von einem Jahr zu wiederholen«. StA HH. 621-1. NDR. 1460. 41 Die Ansage, Nr. 100, 27.11.1952, S. 6. – Hier ist ebenfalls vermerkt, dass »sechzehn der gelungensten Reime« angekauft wurden, je 750 »Zahl die kleine Funkgebühr …« DM hätten zwei Herren erhalten: Der Einsender Willi Sieck aus Osnab- rück für den Reim »Sei ein Rundfunkkavalier und genieße mit Gebühr« Doch die Planungen zogen sich hin. Erst am 10. sowie der damals 15-jährige Karl-Heinz Tuchscherer aus Quelle bei Bielefeld für den Spruch: »Vater, Mutter, Oma strahlt: ‚unser‘ Rundfunk November 1952 startete die zweite Hörerwerbeak- ist bezahlt«. tion von Post und NWDR, die bis zum 13. Dezem- 42 Ansage, Nr. 99, 20.11.1952, S. 1. 28 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) persönlichen Anerkennungsschreiben Grimmes erste Aktion etwa 23 Pfennig, bei der zweiten war es und einer Rundfunkgebührenbefreiung auf Lebens- rund eine DM. Gleichwohl müssten beide Berech- zeit belohnt.43 nungen als ein gutes Ergebnis zu betrachten sein, Nachweisbarer Erfolg Schon während diese zwei- te Aktion lief, die schließlich für 426.594 neue Hörer sorgen sollte, gab es Debatten um ih- ren Nutzen im Verhältnis zu den verursachten Kosten. In ei- nem Schreiben an den 1. Direk- tor Schmidt echauffi erte sich Finanzdirektor Hubrich, »dass der unmittelbare Aufwand bis jetzt mehr als doppelt so hoch sein wird als das letzte Mal«. Zwar musste Hubrich einräu- men, dass er »eine gewisse Mit- verantwortung tragen« 44 müsse, da ihm »Bedarfsanforderungen für Ausgaben verschiedenster Art für diese Aktion« zur Unter- zeichnung vorgelegt worden sind. Hubrich, dem die Kos- ten über den Kopf zu wach- sen drohten, empörte sich in ei- nem Moment, als die endgültige Zahl der neu geworbenen Hörer Kostenvergleich von NWDR-Finanzdirektor Georg Hubrich. Quelle: StA HH noch gar nicht feststand. Seines Erachtens sei versäumt worden, der von der Bun- da sich auch die Aufwendungen für die zweite Akti- despost geschätzten Zahl von möglichen 200.000 on bei einer monatlichen Rundfunkgebühr von zwei neuen Hörern Rechnung zu tragen: »Hernach hät- DM schnell wieder amortisierten. te sich die Planung des Aufwandes für die diesjähri- ge Aktion wenigstens in etwa richten müssen, damit Konfl ikte treten auf Aufwand und Erfolg in einem gesunden Verhältnis stehen.« »Rentabilität« hieß also das neue Stich- Doch die zweite Aktion war mit deutlich ausgepräg- wort. Nicht mehr die nachhaltige und friedliche Be- ten Konfl iktlinien überzogen. So gab es beispiels- kehrung der Schwarzhörer stand im Mittelpunkt der weise Schwierigkeiten mit Radio Bremen. Die Ak- Aktion, sondern deren anhand von Zahlen nach- tion erstreckte sich auf dessen Gebiet, so dass weisbarer Erfolg. die kleine Sendeanstalt demnach davon profi tier- te, aber deren anteilige Kostenübernahme nur sehr Hubrich legte seinem Schreiben einen tabellari- zögerlich ermittelt werden konnte. Das wiederum schen Kostenvergleich bei, aus dem hervorgeht, dass für die zweite Aktion bei schätzungsweise 300.000 bis 400.000 gewonnenen Hörern Kosten in Höhe von 347.000 DM veranschlagt wurden – vor allem der Aufwand für die Werbemittel fi el erheblich 43 Die Ansage, Nr. 101, 4.12.1952, S. 2. größer aus als in der ersten Aktion. Diese hatte ins- 44 Hubrich an Schmidt, Durchschlag an Nestel, 1.12.1952. – Das gesamt nur 159.400 DM gekostet und am Ende für Schreiben enthält außerdem eine Tabelle mit einem Kostenvergleich rund 700.000 neue Hörer gesorgt.45 Errechnet man der Werbeaktionen I und II. StA HH. 621-1. NDR. 1293. 45 Kostenvergleich Schwarzhöreraktion I und II. Anlage zum Schrei- aus den Aufwendungen und den dazu gewonnenen ben Finanzdirektor Hubrich an 1. Direktor Dr. Schmidt (Durchschlag an Hörern einen Quotienten, so betrug dieser für die Nestel), 1.12.1952. StA HH. 621-1. NDR. 1293. Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 29 führte zu großen Verstimmungen der NWDR-Fi- te Sawatzki: »Im August, September und Oktober nanzdirektion gegenüber dem »Kostgänger« Ra- liegt die Zahl der Zugänge (....) so bedenklich nied- dio Bremen.46 rig über der Zahl der erloschenen Genehmigungen, dass an einen Verzicht auf künftige Werbeaktionen Ein anderer Konfl ikt entzündete sich zwischen nicht gut gedacht werden kann. Daran würden auch dem NWDR und der Post. Grundsätzlich war für Umorganisationen nichts ändern.« Er schlug den die Übernahme der Kosten – analog zum Gebüh- Verantwortlichen vor, die Taktik zu ändern. In den ren-Verteilungsschlüssel – vereinbart worden, dass kommenden 20 Monaten empfehle sich keine Groß- der NWDR 75 Prozent trägt, die Post 25 Prozent. aktion, schließlich sei die Hörerdichte »durch unsere Doch noch während die Aktion im Gange war, gab Bemühungen mittlerweile so hochgetrieben worden, es hierüber Streitigkeiten. Offenbar kam es Anfang dass jede grosse Aktion in Zukunft bei vermehrten Dezember 1952 zu Verstimmungen, die mit der Kos- Kosten immer nur kleinere Erfolgsziffern bringen tenübernahme für Überstunden von Postbeamten kann.« Außerdem habe auch das Bundespostminis- zusammenhingen. Sawatzki hatte gegenüber Post- terium mit »verstärktem Nachdruck« Bedenken ge- vertretern die Übernahme dieser Kosten offen- äußert, wonach »gerissene Postwerber die fälligen bar abgelehnt, falls die Werbung mehr als 250.000 Neuanmeldungen nicht ordnungsgemäß vollziehen, neue Hörer erzielen würde. Mit einem Telegramm sondern sie bis zur nächsten Großaktion aufspei- schaltete sich selbst Generaldirektor Grimme in die chern.« Sawatzkis schnörkelloser Vorschlag, den er Debatte ein und teilte mit, dass ihm sehr daran lie- bereits im Dezember 1952 dem Verwaltungsrat un- ge, »dass diese Schwierigkeiten nicht zu einer vor- terbreitet hatte: »[E]s wird bis auf Widerruf für jeden zeitigen Einstellung der Werbung führen«.47 Hinter neugeworbenen Hörer eine Prämie von DM 2.- ge- den Kulissen bemühten sich offenbar die Schlich- zahlt, wobei das Verhältnis von 3/4 (NWDR) und 1/ ter, denn schon am folgenden Tag konnte Sawatz- 4 (BP) gewahrt bleibt. Die Post übernimmt sämtli- ki Schmidt mitteilen, dass die Wogen geglättet sei- che anderen Unkosten, die etwa durch Reisen, Ab- en und die Kosten für Überstunden im Verhältnis 75: stellen von bewährten Werbern in statistisch danie- 25 Prozent geteilt würden. Sawatzki bat Schmidt zu- derliegende Ämter etc. entstehen.«51 dem, eine »schriftliche Bestätigung« für diese Ver- einbarung zu entwerfen.48 Der Verwaltungsrat widmete sich im Juni 1953 die- sem Thema, das offenbar an Brisanz gewonnen Nach dem Ende dieser Aktion ging es nur noch da- hatte: »Seit April 1953 ist ein Rückgang der Hörer- rum, dass die Oberpostdirektion Hamburg der Ge- zahl zu verzeichnen. Statt der zu erwartenden 5,65 neraldirektion des NWDR ihre Forderungen in Rech- Mill. Hörer beträgt die zuletzt festgestellte Hörerzahl nung zu stellen habe. Sawatzki schätzte den Betrag nur 5,58 Mill.« 52, berichtete Finanzdirektor Hubrich aufgrund bereits vorliegender Unterlagen der OPD: auf der 61. Sitzung des Gremiums. Weiter heißt es: »75% von DM 850 000.-- für die 2 DM-Werbeprä- »Die Post schätzt die Anzahl der Schwarzhörer im mien, also DM 640 000.--. Dieser Betrag vermin- NWDR-Gebiet auf 100.000 bis 150.000«. Deswegen dert sich um die noch unbekannte Zahl der freiwil- bestehe ein Anlass, wieder aktiv zu werden – und ligen Anmeldungen. (Dies müsste von uns genau zwar mit jener »stillen Hörerwerbeaktion«, die be- beachtet werden). 75% der Mehrarbeitsvergütung reits Sawatzki angeregt hatte. für Rundfunkstellen und Bezirks-Adrema-Stellen.49 75% der Reisekostenvergütung. 75% der Über- stundenvergütung der Bezirks-Werbeleitungen.«50 Die später vom NWDR angewiesene Summe ist in den Unterlagen nicht festgehalten. 46 Vgl. Hubrich an Schmidt, Durchschlag an Nestel, 1.12.1952; sowie Hubrich an Sawatzki, 10.6.1953. Ebd. 47 Telegramm Grimme an Schmidt, 2.12.1952. StA HH. 621-1. (Un-)endliche Schwarzhörer-Geschichte? NDR. 439. Die dritte Aktion des NWDR 1953/54 48 Sawatzki an Schmidt, 3.12.1952. Ebd. 49 »Adrema« ist die Abkürzung für eine damals eingesetzte »Adres- siermaschine«, mit deren Hilfe Werbebriefe mit Adressen bedruckt Zum 28. Februar 1953 stellte das Büro Sawatz- wurden. kis seine Arbeit ein. Trotzdem war zu diesem Zeit- 50 Sawatzki an Wenzlau, 4.3.1953. StA HH. 621-1. NDR. 439. punkt klar, dass das Problem »Schwarzhörer« für 51 Bericht über das Ergebnis der Hörerwerbungs-Aktion. Sawatzki an Hubrich, 25.2.1953. Ebd. den NWDR noch nicht dauerhaft geklärt war. In sei- 52 Protokoll der 61. Sitzung des NWDR-Verwaltungsrat, 27./ nem Schlussbericht zur zweiten Aktion resümier- 28.6.1953. NDR. Gremienbüro. 30 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) »Propagandistische Mittel sollen diesmal nicht ein- »Schwarzhörerwerbung« vom NWDR weitgehend gesetzt, auch keine Sachprämien an die Werber ab- als erledigt betrachtet wurde, belegt auch die Ab- gegeben werden«, betonte die Post mit Nachdruck, lehnung der Teilnahme an einer Tagung für Hörer- die diesmal als Schrittmacher agieren wollte und die werber. Ende Dezember hatte Verwaltungsdirektor Finanzdirektion des NWDR am 16. Juni 1953 infor- Manke vom Südwestfunk dem NWDR-Finanzdirek- mierte, »daß wir beabsichtigen, ab 1.7.1953 (…) die tor Hubrich mitgeteilt, dass der SWF-Referent für Rundfunkhörer-Werbeaktion fortzusetzen«. 53 Das Hörerwerbung und »einige seiner Kollegen bei an- Vorgehen sollte sich dabei im Sinne Sawatzkis ge- deren Rundfunkanstalten es begrüßen, wenn ihnen stalten: Neben »den Mitteln der Schwarzhörerfahn- gelegentlich einmal ein mündlicher Erfahrungsaus- dung, die wie bisher gegen Böswillige eingesetzt tausch möglich wäre«.57 Als Datum der Zusammen- werden sollen«, sollte »durch einen allgemeinen kunft, die der SWF in Stuttgart ausrichten wollte, Einsatz unseres Personals nochmals« versucht wurde der 8. Januar 1954 angeregt. Hubrich ver- werden, »die Rundfunkteilnehmerdichte weiter wies in seiner Antwort jedoch darauf, dass sich der zu verstärken.« Dem »als Werber tätigen Perso- NWDR »bereits seit geraumer Zeit entschlossen nal der Deutschen Bundespost« sollte dabei »wie [habe], keine Hörerwerbung im eigentlichen Sinne bisher eine Werbeprämie von 2,-- DM je Neuwer- mehr zu betreiben«.58 Außerdem habe man keinen bung gezahlt werden«. Man empfahl: »Dafür sollten eigens für diese Aufgabe abgestellten Referenten Bundespost und NWDR anteilmäßig auf die im ers- mehr, »dafür werden wir bei einer Tagung zu einem ten Monat nach der Neuanmeldung aufkommende anderen Thema dann eben wieder stärker vertreten Rundfunkgebühr verzichten.« sein«, entschuldigte sich Hubrich. Im NWDR stand ein Zahlenkalkül zur Entscheidung Inzwischen hatte sich jedoch die laufende »stille Ak- an. Ein Ja zur Schwarzhörerwerbung sollte es nur tion« durch zunehmende Differenzen mit der Post geben, wenn deren Erfolg im fi nanziellen Gegenwert erschwert. Bereits im November 1953 kritisierte der erkennbar werde. Auf teure Prämien und deren Vor- NWDR, dass die Abteilungen der Post unterschied- teile in der Imagepfl ege sollte nicht mehr gesetzt liche Angaben zu den Hörerzahlen machen würden. werden, so lautete die Erkenntnis aus den vorange- Dieses Problem resultierte einerseits aus unter- gangenen Aktionen. Schließlich gab Finanzdirektor schiedlichen Erhebungsmethoden der Post-Stel- Hubrich der Abteilung »Erforschung der Hörermei- len, andererseits warf der NWDR der Post auch vor, nung« den Auftrag, »der Frage noch intensiver, als dass »Schreib- und Meldefehler bei den Postäm- es bei früheren dahingehenden Ermittlungen mög- tern oder bei den OPDen [= Oberpostdirektionen, lich war«, nachzugehen, »auf welchen Gründen die JF]« hierfür ursächlich seien. Als Resultat »dieser Hörerabmeldungen beruhen«.54 traurigen Erkenntnis« empfahl der NWDR, derarti- ge Statistiken nicht mehr zu veröffentlichen. Zudem Wie angekündigt startete die »stille Aktion« am 1. stelle sich vor diesem Hintergrund die auch für die Juli 1953. Ursprünglich sollte sie bis zum 31. De- Schwarzhörerwerbung »entscheidende Frage, ob zember des Jahres laufen; Mitte Dezember jedoch die Angaben einer korrekten Sollstellung der Ein- entschieden Post und NWDR gemeinsam, dass nahmen aus der Hörergebühr dienen können«. Die die Aktion bis zum 31. März 1954 verlängert wer- klare Antwort auf die rhetorische Frage: »Zweifel- de. Begründet wurde dies mit dem bisherigen Ver- los nicht.«59 Die Kritik wuchs und es war nicht mehr lauf. So habe das Bundespostministerium »in den verwunderlich, dass sich auf Seiten der Post zuneh- Monaten Oktober und November 1953 ein[en] Zu- mend Verärgerung breit machte. Im Februar 1954, gang von 104.000 neugeworbenen Hörern« zu ver- als es bei einer Besprechung zwischen Vertretern zeichnen, daneben stünde der »Normalzugang von 96.000 Hörern.« Hierdurch wäre im »NWDR-Ge- biet eine Haushaltsdichte von 81,1 Prozent erreicht und gleichzeitig auch bewiesen, dass die Werbeak- tion bisher erfolgreich gewesen« sei.55 Am 23. De- 53 Oberpostdirektion an Hubrich, 16.6.1953. StA HH. 621-1. NDR. 1485. zember 1953 teilte die NWDR-Finanzdirektion dem 54 Protokoll der 61. Sitzung des NWDR-Verwaltungsrat, Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen mit, 27./28.6.1953. NDR. Gremienbüro. dass man diesen Termin »einstweilen als endgültig« 55 Orthmann an Hubrich, 17.12.1953. StA HH. 621-1. NDR. 1485. ansehe – dennoch wolle man sich im Fall des Fal- 56 Hubrich an den Postminister, 23.12.1953. Ebd. 57 Manke an Hubrich, 18.12.1953. Ebd. les auch anhand von geeignetem Zahlenmaterial ei- 58 Hubrich an Manke, 23.12.1953. Ebd. nes besseren belehren lassen.56 Dass das Projekt 59 Oh/We.: Aktenvermerk, 10.11.1953. Ebd. Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 31 von NWDR und Post um eine Verlängerung der »stil- ten Schwarzhörer vorhanden sein wird, sofern die- len Aktion« ging, wurde zunächst zwar eingeräumt, ser 8 bis 10 v. H. der Hörerzahl nicht überschreitet. dass »die verantwortlichen Herren bei den Ober- Es ist deshalb zurzeit nicht in Aussicht genommen, postdirektionen (…) bereit seien, die Arbeit fortzu- neben der stillen Werbeaktion oder auch nach de- setzen« – garniert mit dem spitzen Zusatz: »trotz ren Ablauf besondere drastische Maßnahmen zu Arbeitsüberlastung«.60 Dennoch stellte der ent- ergreifen, um auch noch an diesen Kreis nichtzah- sprechende Aktenvermerk zu diesem Zusammen- lender Hörer heranzukommen«, hält das Ergeb- treffen auch unmissverständlich die Verstimmung nisprotokoll dieser Sitzung fest. heraus. Der Vertreter des Bundespostministeriums, Köhler, habe angeregt, »angesichts der Bedeutung Doch ein weiteres, nun allerdings endgültiges Mal der Aktionen« die Verantwortlichen der Oberpost- sollte es zu einem Aufschub kommen. Auf einer Be- direktionen zu einem Erfahrungsaustausch einzu- sprechung bei NWDR-Finanzdirektor Hubrich am laden. Der NWDR nahm den Vorschlag auf, man 5./6. Juli, an der Vertreter des NWDR und der Post könne dabei gleichsam »den Herren Dank und An- teilnahmen, wurde entschieden, dass der 31. De- erkennung für die geleistete Arbeit offi ziell ausspre- zember des Jahres als unwiderrufl ich verbindliches chen«. Die Herren der Post hätten hierauf entgegnet, Datum anzusehen ist, zu dem »alle Schwarzhörer- »daß es sicherlich eine sehr schöne Geste wäre, da aktionen ein für allemal als endgültig beendigt an- bisher seitens des NWDR keine Anerkennung, son- zusehen [seien] – gleichgültig, wie die spätere Ent- dern lediglich Zweifel und Mißtrauen bezüglich der wicklung der Teilnehmerzahlen verlaufen sollte«.61 Richtigkeit der gemeldeten Zahlen laut geworden Der NWDR vertrat als Grundlage für diese Haltung wären. Herr Köhler erklärte, daß er bereit sei, die den bereits formulierten Standpunkt, dass »ein ge- Aktion sofort abzubrechen, falls der NWDR die Er- wisser, nicht genau festzulegender Vonhundertsatz folge nicht anzuerkennen vermöge und daß er auf von Rundfunkhörern sich immer mit Erfolg der Ge- alle Fälle nicht noch einmal sich persönlich für eine bührenpfl icht entziehen wird«. Die derzeitige Aktion Verlängerung oder aber evtl. Einleitung einer vier- müsse demnach zu Ende gehen, ihr Ziel sei »im we- ten Schwarzhöreraktion einsetzen werde. Die Vor- sentlichen erreicht«, selbst wenn diese Auffassung teile dieser Aktionen lägen so eindeutig auf Seiten »nicht ganz von der Post geteilt wird«.62 des NWDR, daß die weitere Initiative vom NWDR ausgehen müsse. Diese offen zur Schau getragene Gekränktheit ließ den NWDR innehalten. Die Post- Ergebnismessung: vertreter wurden beschwichtigt, der NWDR ruderte Die drei Aktionen und ihre messbaren Erfolge vorsichtig zurück und lobte »das fi nanzielle Ergeb- nis, das sich ja nicht wegleugnen lasse und dem Kurz vor dieser Sitzung hatte ein Exposé Wasser sich auch der schärfste Kritiker – sofern vorhanden – auf die Mühlen jener gegossen, die eine Einstellung beugen werde«. Der Schlagabtausch blieb ohne tat- der Werbung beabsichtigten. Das etwa 20-seitige sächliche Folgen, sondern illustrierte nur ein weite- Schreiben hatte Richard Oerding verfasst, Diplom- res Mal, dass die Beziehungen zwischen Post und Ingenieur und Mitarbeiter in der Hörerforschung NWDR ein dauerhaft umkämpftes Terrain waren. des NWDR.63 In seiner Untersuchung befasste sich Oerding mit der Ausdifferenzierung der Neuzugän- Was schließlich zählte, waren konkrete Zahlen. ge nach einer Aktion – und damit auch mit dem fi - Nicht mehr die Post, sondern die NWDR-Abtei- nanziellen Erfolg dieser Werbemaßnahmen. Oer- lung »Erforschung der Hörermeinung« legte in einer ding berechnete, inwiefern die Werbeaktionen im weiteren Besprechung zwischen Post- und NWDR- Vergleich zum potentiellen Verlauf (ohne Werbeak- Vertretern am 9. März 1954 eine Berechnung vor, tion) Einfl uss auf die Höreran- und -abmeldungen wonach »von im Mittel 500 000 nicht zahlenden Ge- rätebesitzern« auszugehen sei. Um doch noch ei- nige aus diesem »Reservoir« zu sammeln, solle die »stille« Hörerwerbeaktion weiter bis zum 30. Sep- 60 Aktenvermerk über Besprechung am 9.2.1954 mit Ernst, Oerding, Batty (NWDR) mit Köhler (Bundespostministerium), Kessler und Bis- tember 1954 verlängert werden. Dann jedoch sei kup (OPD Hamburg), 11.2.1954. Ebd. – Folgende Zitate ebd. anzunehmen, »daß dann die mit den bisherigen Mit- 61 Auszug aus einem Aktenvermerk, 8.7.1954. WDR HA. 6-1 Justiti- teln erfassbaren Hörer tatsächlich ermittelt seien«. ar. 9574. Dieser Schluss wurde sogleich begründet: »Es wur- 62 Ebd. 63 Richard Oerding: Die Entwicklung der Rundfunk-Teilnehmerzah- de klargestellt, daß der NWDR bereit ist, in Kauf zu len im Gebühren-Einzugsgebiet des NWDR vom 1.4.1946 bis 1.4.1955. nehmen, daß immer ein gewisser Bestand von ech- NDR-Pressedokumentation. 32 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) nahm. Als allgemeine Hauptkomponenten führt er lich aus Schwarzhörer-Anmeldungen resultiere, drei Momente an: vielmehr habe auch die reizbedingte Zeitraffung ei- 1. Die Kurve, also die Zahl der Rundfunkteilnehmer, nen deutlichen Einfl uss. Bei der Werbeaktion des verlaufe grundsätzlich steigend – »allerdings nicht Jahres 1952 herrschte dagegen die wenig fi nanziel- linear«, sondern mit einer leichten Krümmung nach le Vorteile versprechende Reaktion der reizbeding- unten, was verständlich werde »unter der Annahme, ten Zeitraffung vor. Der Grund hierfür: Die sozusa- daß die Rundfunk-Teilnehmerzahl einer Sättigungs- gen »gewonnenen Zeiträume«, in denen der NWDR grenze zustrebt, die sicher nicht linear erreicht wer- durch die Werbeaktion zusätzliches Geld bekom- den kann«. men habe, auf das er sonst hätte noch warten müs- 2. Jahreszeitliche Schwankungen müssten berück- sen, würden merklich kürzer, die fi nanziellen Vortei- sichtigt werden: »Offensichtlich werden im Winter le damit geringer. mehr Geräte angemeldet als im Sommer, so daß während des Winters die Teilnehmerzahl schneller Auch für die letzte Aktion gelte dies. Exakte Zahlen steigt als während der Sommermonate.« könne Oerding jedoch nicht liefern, »da das Material 3. Werbemaßnahmen nähmen Einfl uss – jene von für eine wahrscheinlichkeitsmathematische Berech- Anfang 1951 und Ende 1952 habe »einen plötzlichen nung zu wenig normale Verlaufsstadien enthält«. Ob- Anstieg der Kurve zur Folge«. Die ‚stille‘ Werbeakti- wohl Oerding damit recht nüchtern feststellt, dass on der Bundespost, die Ende 1953 begann und bis die zweite und dritte Aktion weniger Ertrag brachten zum Herbst 1954 andauerte, habe keine sprunghaf- als mancherorts enthusiastisch angenommen, ent- te Steigung, sondern nur eine schwach steigende hielt sich der Wissenschaftler des Rats, künftig auf Tendenz mit sich gebracht. Vergleichbares zu verzichten. Stattdessen empfahl er, sich künftig eher mit den KfZ-Genehmigungen Den zuletzt genannten Aspekt unterzieht Oerding zu befassen, wo er durchaus noch Handlungsspiel- einer genaueren Betrachtung und unterscheidet raum sehe. Damit war die bereits favorisierte Enthal- zwei Reaktionen auf die Werbemaßnahmen: tungs-Strategie der Verantwortlichen auch wissen- 1. Schwarzhöreranmeldungen – also Anmeldungen schaftlich fundiert. Die Aktivität des NWDR in der jener Hörer, die bisher unbezahlt gehört haben und Schwarzhörerbekämpfung fand ihr Ende. für den Sender die lukrativste der Anmelde-Varian- ten darstellte und 2. »Anmeldungen von Teilnehmern, die ihr Gerät neu Fazit kaufen, die aber ohnehin in absehbarer Zeit Teilneh- mer geworden wären und lediglich durch die Wer- Es waren zahlenmäßig wenige, jedoch entscheiden- beaktion veranlasst wurden, ihr Gerät um einige de Jahre, in denen der Nordwestdeutsche Rundfunk Zeit früher anzuschaffen und anzumelden.« Oer- den Schwarzhörern seine Aufmerksamkeit widmete. ding bezeichnet dieses als »Zeitraffer-Effekt«, für Die drei großen Aktionen, die hier geschildert wur- den er noch »reiz«- oder »zeitbedingt« unterschei- den, fi elen in eine Phase, in der der NWDR – wie det: »Wird der Rundfunkteilnehmer (...) deshalb Hö- auch alle anderen Rundfunkanstalten in der Bun- rer, weil der Dichte-Index 75 % beträgt (drei Viertel desrepublik – als öffentlich-rechtliche Rundfunk- seiner Umgebung hat bereits Geräte, und deshalb anstalt sich zu einem Großbetrieb entwickelte. Der möchte er nun auch eines haben) oder weil es Fe- NWDR als größte Rundfunkanstalt in Westdeutsch- bruar 1954 ist (zu diesem Zeitpunkt hat er erst die land beschäftigte beispielsweise nach und nach fi nanzielle Möglichkeit zur Beschaffung des Gerä- mehr als 3.000 fest angestellte Mitarbeiter und wies tes)?« Mit anderen Worten: Längst nicht alle neu jährliche Gesamthausmittel von über 100 Millionen angemeldeten Hörer nach einer Aktion mussten DM aus. Ein gut funktionierender Verwaltungsappa- bekehrte Schwarzhörer sein, die schon seit Jahren rat war notwendig, um sehr genau auf die fi nanzielle ohne Gegenleistung Rundfunk hörten. Basis der personellen, programmlichen und techni- schen Kosten zu achten. Denn der Einnahmen-Seite, Nach allerlei theoretischen Überlegungen zum Kur- die sich beim NWDR nahezu ausschließlich aus den venverlauf und der Berechnung der fi nanziellen Rundfunkgebühren speiste – die größte Anstalt ver- Vorteile einzelner Reaktionen kommt Oerding zu zichtete damals noch auf Hörfunkwerbung –, stan- folgendem Schluss: Der fi nanzielle Erfolg der ers- den wachsende Ausgaben gegenüber. Bedeutsam ten Werbeaktion sei am größten, allerdings müsse waren in der ersten Hälfte der 50er Jahre vor allem ebenfalls eingeräumt werden, dass bereits in dieser die Investitionen in den Ausbau des UKW-Netzes, frühen Phase der Hörerzuwachs nicht ausschließ- die Entwicklung der Fernsehtechnik und des Fern- Fuge: Die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeutschen Rundfunks 1951–1954 33 sehprogrammbetriebs sowie der fortschreitende zu einer rechnerischen Größe wurde. Deshalb konn- Programmausbau im Allgemeinen. Dass all jene, die te sich der NWDR letztlich auch bequem zurück- das Programm hörten, aber nicht zahlten, in diesen ziehen. Als größte, fi nanzkräftigste Sendeanstalt Jahren ins Blickfeld des Interesses der Rundfunk- in der Bundesrepublik hatte er verantwortungsvoll verantwortlichen gerieten, lag also nahe. Schließ- mit den ihm anvertrauten Geldern zu wirtschaften, lich gingen allein dem NWDR durch Schwarzhörer denn seine Ausgabenpolitik wurde öffentlich sehr Rundfunkgebühren in Millionenhöhe verloren. Inso- genau wahrgenommen und nicht selten vehement fern geben die Aktionen gegen Schwarzhörer Ein- kritisiert. Da man nach drei Aktionen bis auf einen blick in die »formative years« der unternehmens- akzeptablen »Bodensatz« an Rest-Schwarzhörern und fi nanzgeschichtlichen Entwicklung des frühen alle erreicht hatte, musste die Antwort auf die Frage, öffentlich-rechtlichen Rundfunks.64 was zusätzliche Werbung noch bringen solle, nega- tiv ausfallen. Diese Tatsache ist entscheidender als Eine solche Perspektive auf das Thema Schwarzhö- der zutage tretende Konfl ikt, der die beteiligten Ak- rerbekämpfung förderte jedoch noch weitere Ergeb- teure – den NWDR und die Post, aber ebenso Ra- nisse zutage, die unter dem Aspekt der Unterneh- dio Bremen – immer weniger an einem Strang zie- menskommunikation und -kultur aufschlussreich hen ließ. sind. Blicken wir auf die unterschiedlichen Ansät- ze der drei Aktionen zurück, so wurde zunächst auf die große Geste gesetzt. Ganz im Sinne alter Beleh- rungs- und Bildungsstrategien sollte der Schwarz- hörer »zum Guten« erzogen und seine moralische Urteilsfähigkeit diszipliniert werden. Der NWDR, der ein fi nanzielles Interesse hatte, kombinierte sei- ne Schlüsselintention mit einem Prämien- und Wer- bersystem, das dazu diente, der Rundfunkanstalt ein positives Image zu verschaffen. Die Rundfunk- anstalt sollte in der Bevölkerung positiv konnotiert werden, als engagiert, kreativ, großzügig, als Be- gleiter im Alltag.65 Das Werben von Schwarzhörern, das hatte bereits der SWF vorgemacht, war eine Art Überredungskunst, an dessen Ende eine Belohung für die Einsicht ins Gute stand. Doch von Anfang an zweifelte der Senderriese offensichtlich auch an der tatsächlichen Zugkraft des sanften Werbens. Der »Wellen-Detektiv« ist die überspannte Beleh- rung, mit ihm ist das Mittel der »Samthandschuhe« aufgegeben. Dem Schwarzhörer wird nicht mit ei- ner Rechtsvorschrift gedroht, sondern mit der pein- lichen Bloßstellung und Überführung eines unmora- lischen Tuns. Es ist nicht das Bild eines mündigen Hörers, das sich hier offenbart. Schnell hatten die NWDR-Organisatoren überdies die Erfahrung gemacht, dass Hörerwerbung viel Geld kostet. Weitaus mehr als bei der ersten Akti- 64 Vgl. hierzu die Ausführungen »zur Unternehmensgeschichte des NWDR 1945–1955« von Hans-Ulrich Wagner und Mark Lührs auf dem on wurde in der zweiten in Werbung und in Prämien Workshop des Arbeitskreises Medienunternehmen in der Gesellschaft investiert. Noch immer war diese rentabel, doch für Unternehmensgeschichte (GuG) im Januar 2006. Die Publikation konnte sie längst nicht mehr jene große Gewinn- der Workshop-Referate ist in der Reihe »Hamburger Hefte zur Medien- kultur« für Ende 2006 geplant. spanne der ersten Aktion erreichen. Immer relevan- 65 Für den hier beschriebenen Zeitraum wäre es lohnend, weitere ter wurden das fi nanzielle Kalkül und die Kosten/ Aktivitäten der Sendeanstalten zu betrachten, die ebenfalls dem Auf- Nutzen-Rechnung. In dieser kurzen Zeit hatte der bau eines bestimmten unternehmenskulturellen Images dienten: Beim NWDR ein unternehmerisches Selbstbewusstsein NWDR könnten dies u. a. die Zusammenarbeit mit der »Funklotterie« und eine Einrichtung wie die im August 1951 gegründete »Soziale Ra- entwickelt, in dem der Schwarzhörer schließlich diohilfe« sein, die bedürftigen Menschen Rundfunkempfangsgeräte nicht mehr unsicher umschwärmt wurde, sondern zur Verfügung stellte. Dokumentation Günther Grünthal »Blick in die Zeit« Dokumente zur Geschichte des politischen Programmangebots am Ende der Weimarer Republik Die 1997 veröffentlichte umfangreiche Forschungs- »Blick in die Zeit« (1927–1932) arbeit »Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik« umfasst zwar das gesamte Die Sendereihe »Blick in die Zeit« war im Mai 1927 Gebiet der programmgeschichtlichen Fragestel- ins Abendprogramm der »Schlesischen Funkstun- lungen und erfüllt viele Ansprüche eines Hand- de AG« in Breslau aufgenommen worden. Stefan buchs.1 Gleichwohl kann die Programmgeschichte Bauer hat dieser Sendereihe, die damals eine Neu- des Rundfunks in den Jahren bis 1933 nicht als ab- heit auf dem Gebiet des Vortragswesens darstell- geschlossen gelten. Denn trotz der Menge der über- te, in seiner 1990 vorgelegten Magisterarbeit einen lieferten schriftlichen Quellen, vor allem der Pro- ausführlichen Exkurs gewidmet, der danach auch grammzeitschriften mit ihren Ankündigungen und separat veröffentlicht worden ist.5 Indem Bauer die Kritiken, wäre die erstrebte Rekonstruktion des tat- Geschichte des Weimarer Rundfunks exemplarisch sächlich ausgestrahlten Programms im Idealfall nur als Geschichte seiner Politisierung verdeutlicht, de- dann zu erreichen, wenn auch die »Primär-Quel- monstriert sein Beitrag trotz oder gerade wegen der len« in größerem Umfang überliefert wären. Da für nur spärlich vorhandenen Quellen die Möglichkei- die Rundfunksender eine systematische Archivie- ten quellenkritischer Erforschung der Programm- rung der ausgestrahlten Sendungen aufgrund der geschichte in überzeugender Weise. Die jetzt noch fehlenden technischen Voraussetzungen nicht aufgefundenen und hier vorgestellten Redetexte er- in Frage kommen konnte, ist die Überlieferung von gänzen den Beitrag Bauers nicht nur, sondern sie Ton- und Textdokumenten nicht nur äußerst lücken- erlauben, die politischen Konturen der Sendereihe, haft, sondern mehr oder weniger zufällig. Von den wenn auch nur in einem zeitlich und auf einen der hoch gerechneten zirka 800.000 Sendungen liegt Beiträger begrenzten Ausschnitt, schärfer als bis- jedenfalls nur ein Bruchteil im Wortlaut vor.2 Schon lang aufzuzeigen. allein deshalb können alle möglicherweise in ande- ren Provenienzen erhaltenen Rundfunktexte ein be- sonderes Interesse beanspruchen. 1 Unter der Ägide des Deutschen Rundfunkarchivs erschien die- Im Folgenden werden insgesamt fünf solcher Texte ses Ergebnis einer groß angelegten Forschungsarbeit: Programmge- vorgestellt, die 1932 in der Schlesischen Funkstun- schichte des Hörfunks in der Weimarer Republik. Hrsg. von Joachim- de in der Sendereihe »Blick in die Zeit« gesendet Felix Leonhard. 2 Bände. München 1997. 2 Vgl. Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Repub- wurden. Autor und Sprecher der Vorträge war der lik (Anm. 1), S. 14. Historiker Siegfried A. Kaehler, in dessen Nachlass 3 Der Nachlass S. A. Kaehlers befi ndet sich in der Handschriften- die Manuskripte überliefert sind.3 Sein erster Vor- abteilung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek trag vom 11. Februar 1932 wird vollständig wieder- Göttingen. Er ist dort für wissenschaftliche Forschungszwecke ohne Einschränkung benutzbar. Die Rundfunkvorträge Kaehlers tragen die gegeben, die weiteren vier werden in Regestenform Signatur: Cod.Ms. S.A. Kaehler 4, 4a. mit inserierten Zitaten dokumentiert.4 Einleitend ist 4 Für die Unterstützung bei der Transkription und Kommentierung auf die seit 1927 bestehende Sendereihe »Blick in der Texte danke ich meinen Chemnitzer Schülern cand. Phil. Sindy Ro- the und Matthias Kluge M.A. die Zeit« einzugehen. Es folgen Bemerkungen zur 5 Stephan Bauer: Programmgeschichte und Programmstrukturen Biographie und zum wissenschaftlichen Werde- bei der Schlesischen Funkstunde AG in Breslau (1924–1933). M.A. gang Kaehlers sowie Hinweise auf das öffentliche Mainz 1990, Exkurs: Die Auseinandersetzungen um die Sendereihe Echo, das diese Sendungen hatten. ‚Blick in die Zeit‘, S. 100–134); Ders.: Rundfunkprogramm und Politik in der Schlesischen Funkstunde AG, Breslau. Die Auseinandersetzun- gen um die Sendereihe ‚Blick in die Zeit‘ 1927–1932. In: StRuG Mittei- lungen 19(1993), S. 3–20. Dokumentation 35 Die Sendereihe »Blick in die Zeit« entwickelte sich Sieg der Gegenseite gebucht werden [würde]. Sei- rasch zu einer der beliebtesten Sendereihe des ne Weiterführung, ohne dass Angriffsfl ächen gebo- Schlesischen Senders, nicht zuletzt weil sie das ten würden, sei notwendig«.9 Gleichwohl aber waren Produkt einer offensichtlichen Ausnahmebegabung von Juli 1928 an drei weitere Referenten für die Sen- des noch jungen Rundfunkjournalismus war. Autor dereihe verpfl ichtet worden. Bei deren Auswahl hat- und Sprecher des »Blick in die Zeit« war zunächst te man sich offensichtlich um eine »interfraktionelle« allein Erich Landsberg, der dann seit 1928 und bis Rücksichtnahme bemüht, wie die Zeitschrift »Der zu seinem Ausscheiden Ende 1931 von weiteren deutsche Rundfunk« bemerkte.10 Dieser Proporz Referenten fl ankiert wurde. Erich Landsberg, frei- ließ sich, an parteilichen Maßstäben gemessen, er Mitarbeiter des Senders von der ersten Stunde immerhin als Abbild der damals agierenden Gro- an, hatte sich zunächst mit Themen aus »Breslaus ßen Koalition von Hermann Müller vertreten. Dem Vergangenheit« befasst, dann im »Zeitblick« auch der SPD angehörende oder ihr jedenfalls nahe ste- tagesaktuelle Fragen aufgegriffen und das Zeit- hende Landsberg wurde zum einen Martin Darge an geschehen, zumal das kommunale, kommentiert. die Seite gestellt, ein der Demokratischen Partei zu- Seine Sendungen hatten sich selbstverständlich zurechnender Journalist, der unter anderem Schle- an die Ende 1926 zustande gekommenen »Richt- sien-Berichterstatter der »Vossischen Zeitung« war; linien über die Regelung des Rundfunks« zu halten zum anderen Dr. Roman Reisse, Pfarrer der Bres- und deren oberstem Gebot zu folgen, wonach der lauer Pfarrkirche St. Heinrich und katholischer »Zen- Rundfunk keiner Partei dienen und sein gesamter trumsmann«, sowie schließlich mit dem Paläontolo- Nachrichten- und Vortragsdienst streng überpar- gen Oskar Erich Meyer, ein das bürgerliche Lager teilich gestaltet werden sollte. Die damit begründe- repräsentierender Universitätsprofessor. te und zu rechtfertigende Zensur oblag dem politi- schen Überwachungsausschuss des Senders, dem In den folgenden Monaten gaben die Sendungen Journalisten am Mikrophon die wiederum »unend- Landsbergs zunächst wenig Anlass, mit der Zen- lich schwere Aufgabe, (...) unpolitisch über Zeiter- sur in Konfl ikt zu geraten. Das änderte sich, als sich scheinungen sprechen zu müssen«.6 mit der Bildung des ersten Präsidialkabinetts un- ter Heinrich Brüning, mit den Reichstagswahlen Es lag nicht nur am Temperament Landsbergs, dass im September 1930 und mit dem Aufstieg der NS- seine im Plauderton über unterschiedliche Themen DAP die innenpolitische Szenerie zunehmend radi- vorgetragenen Refl exionen provozierten. Sie ernte- kalisierte. Obwohl sich Landsberg zwischenzeitlich ten zunächst Zuspruch und Unterstützung, alsbald »[ge]bessert« zu haben schien, wie »Der deut- auch Widerspruch und Kritik. Denn der als »Karl sche Rundfunk« kommentierte,11 stand angesichts Kraus des Rundfunks« gefeierte Landsberg neig- der neuen Entwicklung zu erwarten, dass sich sei- te gelegentlich zu Fehltritten auf dem »Drahtseil ne »Explosivität« auf Dauer nicht bändigen lassen der Unparteilichkeit«.7 Das mochte angehen, aber würde. Als eine angeblich »unerhörte Beleidigung Landsberg war Jude, und er stand noch dazu der des Offi zierstandes« im Programm der Schlesi- Sozialdemokratie nahe. Damit waren im Laufe der schen Funkstunde deren Intendanz gezwungen sich seit Ende der 20er Jahre allmählich krisenhaft zuspitzenden Lage alle Voraussetzungen erfüllt, um Sendung und Sender zum Gegenstand politischen 6 Bauer: Rundfunkprogramm und Politik (Anm. 5), S. 5. – Zur Streits und zum Ziel zunehmend schärferer Angrif- Rechtsstellung, Funktion und Zusammensetzung der Überwachungs- ausschüsse vgl. Horst O. Halefeldt: Zwischen Staatspolitik und ge- fe vor allem aus dem rechten Lager werden zu las- sellschaftlichen Interessen: Rundfunkreferenten und Überwachungs- sen. ausschüsse. In: Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik (Anm. 1), Band 1, S. 165–245. Die weitere Entwicklung kann und braucht hier nicht 7 Acustos: Kritik der Woche. In: Ostdeutsche illustrierte Funkstun- de, 1927, H. 40, S. 4. rekapituliert zu werden.8 Für den Zusammenhang 8 Vgl. für die Folgezeit bis zum Ausscheiden Landsbergs Ende 1931 ist hier nur von Interesse, dass Intendanz und Über- Bauer: Rundfunkprogramm und Politik (Anm. 5); eine kurze Zusam- wachungsausschuss der Schlesischen Funkstunde menfassung auch bei Renate Schumacher: Radio als Medium und Fak- tor des aktuellen Geschehens. In: Programmgeschichte des Hörfunks – alarmiert durch die Kritik der stramm deutschnati- in der Weimarer Republik (Anm. 1), S. 423–621, bsd. S. 495ff. onalen »Schlesischen Zeitung« – den als »Liebling 9 Protokoll der Sitzung des Kulturbeirats der Schlesischen Funk- der Breslauer Sendeleitung« angegriffenen Lands- stunde A.G. Breslau vom 31. Januar 1928 (vgl. Anm. 13); hier zit. n. Bau- berg zunächst zu stützen versuchten. Dies war mit er: Rundfunkprogramm und Politik (Anm. 5), S. 18. 10 Dr. H.: Ein Wendepunkt im Schlesischen Rundfunk. In: Der deut- dem bezeichnenden Argument geschehen, dass sche Rundfunk, H. 47, 20.11.1931, S. 68. ein »Abstoppen des ‚Blickes in die Zeit‘ (…) als ein 11 Ebd. 36 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) hatte, sich bei den Breslauer Offi ziersverbänden in schlug Bischoff am 15. Dezember 1931 eine »vier- aller Form zu entschuldigen,12 sah sich die Rund- fache« Besetzung des »Blick in die Zeit« vor, da die funkleitung schließlich genötigt, den Fall Landsberg Sendung »nicht mehr jene Polyphonie« besitze, die einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen. Der im sie unbedingt haben müsse.16 Neben Martin Darge Kulturbeirat gemachte Vorschlag, Landsberg als und Roman Reisse, die ihr »Referat weiter behal- Redner des ‚Zeitblicks‘ zurückzuziehen, war um- ten« sollten, wurden der Reformpädagoge Rudolf stritten und wurde kontrovers diskutiert. Eine Sus- Mirbt und, anstelle des ausgeschiedenen Universi- pendierung Landsbergs könne als »außerordentlich tätsprofessors O. E. Meyer, erneut ein Hochschul- weitgehende Konzession« gegenüber der ‚Schlesi- lehrer der Breslauer Universität präsentiert, der schen Zeitung‘ angesehen werden und dazu füh- Historiker Siegfried A. Kaehler. Mirbt und Kaehler ren, sich sehr bald eine »Ausgabe Landsberg von hatten sich gegenüber Bischoff »grundsätzlich« be- rechts« gefallen lassen zu müssen. Der Kulturbeirat reit erklärt, »die Arbeit zu übernehmen«, woraufhin kam schließlich zu dem Ergebnis, eine Ergänzung abschließend die Hoffnung geäußert wurde, dass des ‚Zeitblicks‘ durch Redner »von rechts, die die mit der neuen Besetzung des »Blick in die Zeit« die Verfassung anerkenn[t]en«, anzustreben und sich »verschiedenen weltanschaulichen Richtungen zur im Übrigen der vom Überwachungsausschuss ge- Sprache« kommen würden; die Referenten seien gen Landsberg verhängten »Präventiv-Zensur« von »durchaus sachliche Menschen«, die »wirklich et- drei Tagen anzuschließen. Bei einem erneuten »dis- was zu sagen« hätten.17 Im Protokoll nicht erwähnt, ziplinären Verstoß« sollte Landsberg sofort von ei- von der Presse aber genannt und im Programm als ner weiteren Rundfunktätigkeit, zumindest im ‚Zeit- Autor des »Blick in die Zeit« auch aufgeführt, war blick‘, suspendiert werden.13 als Ersatz für den ‚linken‘ Landsberg der Sozialde- mokraten Curt Swolinsky, Gewerkschaftssekretär Da es nicht darum gehen könne, Landsberg gege- des Allgemeinen freien Angestellten-Bundes, vor- benenfalls einfach durch einen »Mann von rechts« zu gesehen. ersetzen, versuchte Intendant Fritz Walter Bischoff den »Fall« Landsberg durch eine mit dem Überwa- chungsausschuss einvernehmlich anzustrebende Siegfried A. Kaehler und sein »Blick in die Zeit« Lösung zu entschärfen. Da sich die Sendung inzwi- schen ohnehin zu einer Art »Wochenresumé« entwi- Siegfried A. Kaehler wurde 1885 in Halle an der Saa- ckelt habe, war an eine »Vorschlagsliste«, an einen le als Sohn des bekannten Theologen Martin Kähler Kreis von etwa sechs oder sieben Rednern gedacht, geboren. Die Studienjahre in Lausanne, Halle und aus dem die Intendanz den jeweilig Vortragenden schließlich in Freiburg im Breisgau hatte Siegfried auf Grund seines »Spezialthemas« würde auswäh- A. Kaehler als Schüler Friedrich Meineckes 1914 mit len können. Doch die so angestrebte Domestizie- der Promotion abgeschlossen. Den Kriegsjahren als rung Landsberg misslang. Er war nicht bereit, die Artillerist mit Fronteinsätzen im Westen und Osten einseitig über ihn verhängte dreitägige Vorzensur (1917 Leutnant der Reserve) folgten zunächst eine zu akzeptieren und zeigte sich, wie befürchtet, dies- kurzfristige Bestallung im neuen Potsdamer Reichs- mal aber mit der Forderung auf Gleichbehandlung auch der anderen Redner glaubwürdiger begrün- det, als »unverbesserlich«. Zwei Wochen später trat 12 Rundfunkskandal um Matuschka. In: Schlesische Zeitung, Nr. 519, Landsberg zurück. In seinem letzten »Blick in die 25.10.1931. 13 Protokoll Sitzung Kulturbeirat vom 2.11.1931. GStA PK, I. HA Rep. Zeit« erklärte er am 8. November 1931 kurz und bün- 76 Rep. 76 Ve Sek. 1 Abt. VII Nr. 77 Beih. a (Berichte des Kulturbeirats dig, dass der Rundfunk von ihm eine Rücksichtnah- bei der Schlesischen Funkstunde A.G. Breslau), Bll. 41-50. – Zu den me verlange, die es ihm unmöglich mache, seinen Kulturbeiräten bei den Sendegesellschaften vgl. vor allem Theresia Grundsätzen treu zu bleiben, nämlich »so zu spre- Wittenbrink: Beratungsgremien mit beschränktem Einfl uß: Die Kultur- beiräte. In: Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Repu- chen, wie er denke«.14 blik (Anm. 1), Band 1, S. 246–277. 14 Landsberg blieb dem schlesischen Sender allerdings »auf weni- Doch der »Blick in die Zeit« blieb, wie die »Schle- ger exponierten Gebieten« erhalten. Vgl. Ostdeutsche illustrierte Funk- woche, Nr. 46, 13.11.1931; Der deutsche Rundfunk, H. 47, 20.11.1931. sische Zeitung« sarkastisch kommentierte, das 15 Noch immer ‚Blick in die Zeit‘. In: Schlesische Zeitung, Nr. 621, »Schmerzenskind« des Breslauer Rundfunks.15 Nach 20.12.1931. dem Ausscheiden Landsbergs jedenfalls musste 16 Protokoll Sitzung Kulturbeirat vom 15.12.1931 (Anm. 13). – Der Vor- sich die Sendeleitung erneut der Reihe annehmen. schlag einer sogar »achtfachen« Besetzung wurde verworfen, da infol- ge der dann unvermeidlichen Pausen es den Referenten kaum möglich In einer um mehrere Mitglieder des Überwachungs- wäre, ein »starke Fühlung mit der Hörerschaft zu gewinnen«. ausschusses erweiterten Sitzung des Kulturbeirats 17 Protokoll Sitzung Kulturbeirat vom 15.12.1931 (Anm. 13). Dokumentation 37 archiv und 1921 die Habilitation in Marburg. Im Fol- he derer gerückt, für die das Fronterlebnis prägend gejahr bekam er, verbunden mit dem offi ziellen bleiben sollte. Aber Kaehler hatte mit diesem be- Auftrag des preußischen Kultusministeriums, eine wunderten und zugleich umstrittenen Werk allen- Universitätsgeschichte zur 400-Jahrfeier der Phi- falls in Kreisen einer intellektuellen Elite Beachtung lipps-Universität Marburg zu verfassen, eine plan- gefunden und fi nden können.21 mäßige Assistentenstelle übertragen und wurde 1927 in Marburg zum außerordentlichen Professor Anders war dies in seiner Rolle als Professor und ernannt. Im April 1928 wurde er zum Nachfolger von Historiker der Breslauer Universität. Die Schlesi- Johannes Ziekursch auf das planmäßige Extraordi- sche Friedrich-Wilhelms-Universität, immerhin die nariat für Neuere deutsche Geschichte an die Uni- drittgrößte Hochschule Preußens, sah sich neben versität Breslau berufen.18 der Königsberger Albertina in einer politisch be- sonders exponierten Lage und verantwortlich für Obwohl Kaehler die Texte für die Reihe »Blick in die die Bewahrung deutscher Kulturwerte im Osten.22 Zeit« vollständig und zumindest auch einen Teil der Niederschlesien, zumal mit seiner Metropole Bres- für seine Rundfunkvorträge benutzten Materialien lau, gehörte seit den Reichstagswahlen 1930 zu den aufbewahrt und – wie vielfach sonst auch – seinem Hochburgen der NSDAP mit einem immer deutlich prospektiven Nachlass zugeordnet hat, ist nicht er- über dem Reichsdurchschnitt liegenden Stimmen- sichtlich, auf welche Weise Kaehler mit dem Bres- anteil. Entsprechend hoch war der Rückhalt, den die lauer Rundfunk in Verbindung gekommen ist.19 Nationalsozialisten innerhalb der Studentenschaft Kaehler hatte bereits vor seinem ersten ‚Zeitblick‘- an der Breslauer Universität gewannen, entspre- Beitrag im November 1931 einen Vortrag über Hegel chend aggressiv auch der sich 1932 im reichsweit gehalten und sich außerdem im Januar 1932 mit ei- beachteten so genannten »Fall Cohn« entladende nem Vortrag über »Wandlungen des Goethebildes« Antisemitismus.23 an einer Sendereihe aus Anlass des Goethe-Jah- res beteiligt. Denkbar sind Kontakte durch Kollegen Auch Kaehler bezog Position, und diese lag ganz in der Universität, die bereits Vorträge im Rundfunk auf der Linie, die er dann in seinen Rundfunkre- gehalten hatten oder hielten, darunter der Philosoph und Soziologe Siegfried Marck, der überdies den Vorsitz im Kulturbeirat des Schlesischen Rundfunks 18 Zur Biografi e vgl. Walter Bußmann und Günther Grünthal innehatte, der Völkerrechtler Ludwig Waldecker, der (Hrsg.): Siegfried A. Kaehler. Briefe 1900–1963. Boppard am Rhein 1993 (= Deutsche. Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Pädagoge Moritz Löwi, der Theologe Friedrich Go- Band 58), S. 7–14. – Zur differierenden Schreibweise des Namens K. garten, der Historiker Peter Rassow und schließlich vgl. ebd., S. 28. der mit Kaehler seit den Studienjahren in Freiburg 19 Ein Schriftwechsel mit der Intendanz der Schlesischen Funkstun- eng befreundete Major Erich Marcks, der als Batte- de ist nicht überliefert. Folgt man den eigenen Angaben Bischoffs, dann hatte der Intendant selbst die neuen Referenten Kaehler und riechef im niederschlesischen Sprottau über gute Mirbt »in Betracht gezogen«. Jedenfalls ist mit Sicherheit davon aus- Kontakte zum Sender verfügte.20 zugehen sein, dass angesichts des Vorschlags, sich in politischer Ab- sicht auch öffentlich zu äußern, Kaehler der umworbene, nicht der ak- Dennoch erstaunt die Tatsache, dass Kaehler in re- tive Teil gewesen sein dürfte. Vgl. Kulturbeiratssitzung vom 15.12.1931 (Anm. 13). gelmäßigen, jeweils vier- bis sechswöchigen Ab- 20 Weiterführende Hinweise dazu in: Siegfried A. Kaehler. Briefe ständen fast während des ganzen Krisenjahrs 1900–1963 (Anm. 18), S. 44 f., 48–53 und S. 208 ff. – Major Marcks 1932 in Rundfunkvorträgen zu politischen Zeitfra- war vor seiner Ernennung zum Pressechef der Reichsregierung am 17.8.1932 von 1927 bis 1929 als Batteriechef nach Sprottau abkom- gen Stellung bezogen hat. Kaehler repräsentierte in mandiert worden und hatte von dort aus engeren Kontakt nach Bres- Selbstverständnis und Habitus den klassischen Typ lau und zu dem dort seit April 1928 lehrenden Freund Kaehler. Im No- des Gelehrten. Aber er war deshalb keineswegs ein vember 1931 hatten Kaehler und Marcks sogar am gleichen Tag im unpolitischer Professor, sondern – wie seine Kor- schlesischen Rundfunk gesprochen (16.11.1931: Kaehler über Hegel und der deutsche Staatsgedanke; Marcks zum 100. Todestag von respondenz und Teile seines Oeuvres eindrucksvoll Clausewitz’. belegen – ein stets kritischer und vor allem selbst- 21 Vgl. Walter Bußmann: Siegfried A. Kaehler: Persönlichkeit und kritischer Beobachter der immer zugleich auch in Werk – Ein Essay. In: Siegfried A. Kaehler. Briefe (Anm. 18); vor allem S. 55–61. ihrer historischen Dimension betrachteten und be- 22 Vgl. hierzu Eduard Mühle: Für Volk und den deutschen Osten. Der urteilten aktuellen Zeitläufte. Kaehler war mit sei- Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung. Düsseldorf nem 1927 erschienenen Buch über »Wilhelm von 2005, S. 216. Die folgenden Angaben ebd., S. 86 f. Humboldt und der Staat. Ein Beitrag zur Geschich- 23 Ernst Joseph Cohn war im Wintersemester 1931/32 als ordentli- cher Professor für Bürgerliches Recht und Handelsrecht nach Bres- te deutscher Lebensgestaltung um 1800« als Re- lau berufen worden. Zur Sache vgl. Helmut Heiber: Universität unterm präsentant der Kriegsgeneration in die erste Rei- Hakenkreuz. Teil I. München 1991, S. 115–132. 38 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) den für den Sieg der in Hindenburg verkörperten um so wirkungsvoller herausstellen. Sie gipfelte im überparteilich-autoritären und national-konserva- Bekenntnis zu der in Hindenburg symbolisierten tiven Staatsidee vertrat. Vor allem im Spiegel sei- Staatsautorität, die sich »gegenüber den lärmen- ner Korrespondenz mit seinen Studienfreunden seit den Wellen der Parteiagitation« behauptet habe.29 Freiburger Tagen, Hans Rothfels und Hermann Au- bin, der seit 1929 als Ordinarius für die Geschich- Kaehler war konservativ, aber – und das war die Bot- te des Mittelalters sein Breslauer Kollege gewor- schaft seiner Rede – er war nicht reaktionär. Er war den war, spürt man trotz aller Reserven gegenüber »durchaus nicht Monarchist«, wie er seinem Lehrer dem Tagesgeschäft einer sich zunehmend radikali- Friedrich Meinecke 1926 geschrieben hatte, son- sierenden Politik das Bedürfnis, sich politisch aktiv dern er hatte sich durch seine Teilnahme an der Wei- zu bekennen.24 Schon nach dem tiefen Einbruch von marer Tagung »Republikanischer Hochschullehrer« Kriegsende und Revolution hatte Kaehler seinem auch nach außen als ein im preußischen Staatsge- Lehrer Meinecke gegenüber auf die neue Aufga- danken verwurzelter und der preußischen Staats- be »geschichtliche[r] Arbeit« hingewiesen, die fort- idee verpfl ichteter Vernunftrepublikaner zu erken- an ihre Rechtfertigung nur in der »Gewißheit oder nen gegeben.30 Obschon oder gerade weil Kaehler, Möglichkeit« fi nden könne, »der Gegenwart, im be- wie er seinem Schüler Walter Bußmann gegenüber sonderen der politischen Gegenwart zu dienen«.25 einmal selbst gestand, durch seine akademische Tätigkeit dazu beigetragen habe, »den Studenten Mit zwei akademischen Festreden hatte Kaehler zu- die parlamentarische Demokratie zu entfremden«,31 mindest in einer breiteren Öffentlichkeit der schlesi- setzte er sich jetzt für den Erhalt der Republik als schen Metropole Beachtung gefunden. Unter dem Staat und für die »staatsmännische Gestalt« des Titel »Vom geschichtlichen Erlebnisgehalt der Ver- Reichspräsidenten und »Feldmarschalls« ein, »wel- sailler Schuldthese« hielt er am 8. Juli 1932 eine che [sic!] sich bewußt und mit gutem Gewissen über »Akademische Vorlesung« zum »Versailles-Tag« die Parteien« stelle. Am Ende aber stand die resig- im Auditorium Maximum der Breslauer Universi- native Einsicht, dass das, was man 1932 angestrebt tät.26 Das öffentliche Echo, ja Aufsehen war vor al- habe, nämlich »die Parteiherrschaft der Linken ab- lem auch deswegen groß, da Kaehler seine Rede gehalten hatte, obschon alle Kundgebungen zum Versailles-Tag an den Universitäten von der Preu- ßischen Regierung verboten worden waren. Wegen der Anspielung Kaehlers auf die »verdorrte Hand 24 Zu den nicht allein wissenschaftlichen Aufgaben der Breslauer Scheidemanns« hatten die SPD und der sozialde- Historiker vgl. etwa Kaehler in einem Brief an Albert Brackmann. Zit. mokratische Oberpräsident Lüdemann ein Diszi- n. Eduard Mühle (Anm. 22), S. 73. plinarverfahren gegen Kaehler angestrengt, konn- 25 Siegfried A. Kaehler an Friedrich Meinecke. Brief vom 22.1.1919. In: Friedrich Meinecke. Ausgewählter Briefwechsel (= Werke. ten sich damit aber beim Berliner Ministerium nicht Band VI). Stuttgart 1962, S. 333. durchsetzen.27 Nicht weniger Beachtung scheint die 26 Die Rede Kaehlers wurde als Separatum (Breslau 1929) ge- Rede Kaehlers zum »Tag der Reichsgründung« ge- druckt. funden zu haben.28 Der Festakt war am 18. Janu- 27 Dies war in den Augen Kaehlers nichts anderes als ein »Ausdruck des Bedürfnisses der Herren Braun, Grzesinski (…) und Consorten, ar 1932 im »gewohnten feierlichen« Rahmen mit den als Hort der geistigen Reaktion verschrienen Universitäten ihre Fanfarenklängen, Chargierten-Spalier, Einzug des Macht mit einem kräftigen Faustschlag spürbar zu machen«. Brief an Lehrkörpers und Chorgesang begangen worden. In Johann Wilhelm Mannhardt vom 16.4.1930. In: Siegfried A. Kaehler. Briefe (Anm. 18), S. 197. seiner Rede hatte sich Kaehler vor allem mit den 28 Reichsgründungsfeier der Universität. In: Schlesische Zeitung, soeben erschienenen Memoiren des Fürsten Bern- Nr. 32, 19.1.1932. – Auch diese Rede Kaehlers wurde veröffentlicht: hard von Bülow auseinandergesetzt. Seine Kritik Legende und Wirklichkeit im Lebensbild des Kanzlers Bernhard von am »vierten Reichskanzler«, dessen politischem Bülow. Rede gehalten bei der Reichsgründungsfeier am 18. Januar 1932. Breslau 1932 (= Breslauer Universitätsreden. Heft 9). Nach- Denken er »oberfl ächlichen Illusionismus« und druck in: S. A. Kaehler: Studien zur deutschen Geschichte des 19. und eine von Ehrgeiz geprägte »schillernde Allerwelt- 20. Jahrhunderts. Aufsätze und Vorträge. Hrsg. von Walter Bußmann. seleganz« attestierte, gipfelte in dem Vorwurf, dass Göttingen 1961, S. 220–240. 29 Alle Zitate folgen dem Bericht der »Schlesischen Zeitung« Bülows egozentrischer und wahrheitswidriger Ehr- (Anm. 28). Diese Stellen fehlen allerdings in der gedruckten Fassung geiz der »Kriegsschuldlegende« bedenklichen Vor- der Rede (Anm. 28). Fast wortgleich äußerte sich Kaehler dann aller- schub geleistet habe. Vor dem Hintergrund dieses dings im »Blick in die Zeit« am 21.3.1932. personalisierten Verdikts »ehrgeiziger ‚Als-ob-Po- 30 Siegfried A. Kaehler an Friedrich Meinecke. Brief vom 16.4.1926. In: Siegfried A. Kaehler. Briefe (Anm. 18), S. 177 ff. litik‘« im wilhelminischen Deutschland konnte Ka- 31 Vgl. Walter Bußmann: Siegfried A. Kaehler: Persönlichkeit und ehler die Kernaussage seiner politischen Botschaft Werk – Ein Essay. In: Siegfried A. Kaehler. Briefe (Anm. 18), S. 63. Dokumentation 39 zufangen durch eine autoritäre Staatsregierung, um erwarten können, dass er die Interessen der natio- eine Parteiherrschaft der Rechten zu verhindern«, nalen Opposition im Rundfunk vertreten, aber zu- leider nicht geglückt sei.32 mindest eine »wohlwollende Neutralität« an den Tag legen würde. Sein ‚Zeitblick‘ am 21. März, der zum »Alles sehr schwach« hat Kaehler nachträglich auf ersten Mal politische Fragen behandelt habe, sei den abgelegten Manuskripten seiner »Rundfunk- nichts anderes gewesen als eine »Propaganda für vorträge 1931/32« vermerkt und dabei die »berech- die Reichspräsidentenwahl am 10. April mit der Pa- tigten Kritiken der Breslauer Zeitungen« im Auge ge- role Hindenburg und mit deutlichen Spitzen gegen habt. Jedenfalls konnte Kaehlers erster »Blick in die die Parteien der nationalen Opposition«. Die Kritik Zeit«, der am 11. Februar 1932 gesendet worden gipfelte in dem Vorwurf, dass sich auf diese Wei- war, die Erwartungen, die an den »neuesten Zeit- se das politische Gesicht des Rundfunks in seiner blicker« geknüpft waren, nicht erfüllen. Man könne »parteigebundenen Beschränktheit« offenbare. Die schwerlich behaupten, so schrieb die sozialdemo- tiefe Kluft, die sich zwischen Rundfunk und Hörer- kratische »Volkswacht«, dass Kaehlers Vortrag wirk- schaft aufgetan habe, werde erst dann überwunden lich das gewesen sei, was »wir als ‚Blick in die Zeit‘ sein, wenn diese Dissonanzen beseitigt seien.36 zu betrachten gewohnt« seien.33 Zweifellos hat Ka- ehler das Thema seines ersten ‚Zeitblicks‘ sehr be- Die angeblich »parteigebundene Beschränktheit« wusst gewählt, und sich dabei – anders als in den des Rundfunks wurde bekanntermaßen nur wenige folgenden Beiträgen – auf nur ein Thema konzen- Wochen später durch das Kabinett von Papen be- triert und die »Blicke« der Öffentlichkeit auf den seitigt. In der Ministerbesprechung am 16. Juli 1932 »akademischen Notstand« gerichtet. Dieses Thema hatte der Reichsinnenminister von Gayl darauf hin- lag für Kaehler offensichtlich um so näher, als Rek- gewiesen, dass der Rundfunk sich in den letzten tor und Senat der Breslauer Universität sich kurz Jahren zwar »technisch gut, in innenpolitischer Hin- zuvor, im November 1931, mit einer Stellungnahme sicht jedoch schlecht entwickelt« habe.37 Mit den an die Öffentlichkeit gewandt hatten, in der unter »Leitsätzen zur Neuregelung des Rundfunks« vom Hinweis auf die massiven fi nanziellen Sparmaßnah- Juli 1932, die den Rundfunk staatlichem Zugriff jetzt men von Reich und Ländern warnend und protes- gänzlich preisgaben, ließ sich Anfang 1933 dann tierend auf die »katastrophale Lage der deutschen das verwirklichen, was im März 1932 während ei- Wissenschaft« hingewiesen worden war.34 Ange- ner aktuellen Rundfunkübertragung in einem Bres- sichts der zusammengetragenen Materialfülle wird lauer Warenhaus für einiges Aufsehen gesorgt hatte. der erste ‚Zeitblick‘ Kaehlers zumal hohe Anforde- Ein Zwischenrufer hatte lautstark gefordert: »Gebt rungen an die Hörer gestellt haben. Mit den eins- Hitler den Rundfunk frei«! 38 tigen, im »Plauderton« übermittelten Sendungen eines Landsbergs jedenfalls war diese an eine tro- ckene akademische Vorlesung erinnernde Rede Ka- ehlers kaum zu vergleichen. In der »Schlesischen Zeitung« zeigte man sich wenigstens darüber er- 32 So Siegfried A. Kaehler an Hermann Aubin. Brief vom 22.2.1933. leichtert, dass der »Freigewerkschaftler Swolins- Zit. n. Eduard Mühle (Anm. 22), S. 90f. – Ganz ähnlich Kaehler in einem Brief an Hans Rothfels vom selben Tag. In: Siegfried A. Kaehler. Brie- ky« aus dem Programmteil ‚Zeitblick‘ verschwun- fe (Anm. 18), S. 225. den und durch einen Universitätsprofessor ersetzt 33 Volkswacht für Schlesien (13.2.1932). Auszugsweise (masch.) Ab- worden sei. Darüber hinaus ließ sich wenig bemän- schrift im Nachlass Kaehlers. Cod.Ms. S.A. Kaehler 4, 4a. 34 Cod.Ms. S.A. Kaehler 4, 4a. – Konkreter Anlass war der Jahres- geln, allenfalls das Fehlen klarer politischer Schuld- tag des »Notrufs«, den die »Notgemeinschaft für die deutsche Wissen- zuweisungen für die offenkundige Not der Hoch- schaft« am 31. Oktober 1930 veröffentlicht hatte und der, weil er »wir- schulen.35 kungslos verhallt« sei, im Breslauer Aufruf jetzt wörtlich wiederholt wurde. 35 Die Hochschulnot im ‚Blick der Zeit‘. In: Schlesische Zeitung, Schon mit dem zweiten ‚Zeitblick‘ vom 21. März Nr. 81, 14.2.1932. 1932, in dem Kaehler auf das Resultat des ersten 36 Die beiden Gesichter des Rundfunks. In: Schlesische Zeitung, Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl einging und Nr. 157, 27.3.1932. – Kaehler hatte das Ergebnis des ersten Wahlgan- ges als »Sieg der Staatsautorität über den Eigennutz der Parteifüh- vor allem die plakative Wahlagitation der äußersten rer« und damit als »ersten Schritt auf dem Weg aus dem Engpaß« ge- Linken und der NSDAP unter der Spitzmarke »ge- feiert. logen wie gedruckt« scharf angegriffen hatte, war 37 Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik. Das Kabinett von der von nun an durchgängigen Kritik an Kaehler Papen. Bearb. von Karl-Heinz Minuth. Bd. 1. Boppard am Rhein 1989, S. 238. Tor und Tür geöffnet. Von einem den »Mittelpartei- 38 Die beiden Gesichter des Rundfunks. In: Schlesische Zeitung, en nahestehenden Professor« habe man zwar nicht Nr. 157, 27.3.1932. 40 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Der letzte »Blick in die Zeit« Kaehlers am 12. Au- gust 1932 war zugleich der erste Zeitblick nach den Reichstagswahlen vom 31. Juli. In der »Funk-Kritik der Woche« fand sein zusammenfassender und die prekäre Verfassungssituation klug erläuternder Be- richt kaum mehr ein Echo. Lediglich in der »Ostdeut- schen illustrierten Funkwoche« hieß es, dass Kaeh- ler »freimütig seine persönliche Meinung« geäußert habe, mit der er allerdings »nicht bei allen Hörern auf Zustimmung gestoßen« sein dürfe.39 Nach dem nächsten »Blick in die Zeit«, den Roman Reisse »mit herzlichen Worten der Erinnerung« dem im Au- gust 1932 verstorbenen schlesischen Heimatdich- ter Paul Keller gewidmet hatte, wurde dem Sender auch von wohlwollender Seite nahe gelegt, die Sen- dereihe einzustellen.40 Ob nach einem »Blick in die Zeit« von Rudolf Mirbt, der sich Anfang September unter anderem über die Anekdote von einem Schul- entlassenen verbreitet hatte, der Bismarck aus dem dreißigjährigen Krieg zu kennen glaubte, noch eine weitere Sendung ausgestrahlt wurde, lässt sich nicht belegen. Der Breslauer Rundfunk hatte 1930 als derjeni- ge Sender Erwähnung gefunden, der unter allen deutschen Sendern mit 40 Beiträgen wöchent- lich den höchsten Prozentsatz an Vorträgen anbie- te. Bei dieser Zahl sei es verständlich, wenn ein- mal ein zeitweiliger Themenmangel entstehe.41 So etwas in Zukunft auszuschließen, darum bemühte sich unmittelbar nach dem Inkrafttreten der neuen Rundfunkordnung die »Stahlhelm-Funkhörer-Verei- nigung«. Im Juli 1932 unterbreitete sie dem zustän- digen Reichsrundfunkkommissar Hans Bredow »praktische Vorschläge zu Sendezyklen«. Darun- ter befand sich auch der, über »Deutsche Freiheit« zu sprechen, von »Hermann dem Cherusker über die Sachsenkaiser, die Kämpfe im Osten (…) über die Freiheitsideen des Deutschen Idealismus hin zu Schiller, Kleist (…) und bis zur Freiheitsbewegung der Gegenwart«, wie die »Schlesische Zeitung« be- richtete.42 Für ein derartiges neues Programm wur- den allerdings andere ‚Zeitblicker‘ benötigt. 39 Funk-Kritik der Woche. In: Ostdeutsche illustrierte Funkwoche, Nr. 34, 19.8.1932. 40 Funk-Kritik der Woche. In: Ostdeutsche illustrierte Funkwoche, Nr. 35, 26.8.1932; Funk-Kritik der Woche. In: Ostdeutsche illustrierte Funkwoche, Nr. 36, 2.9.1932. 41 Funk-Kritik der Woche. In: Ostdeutsche illustrierte Funkwoche, Nr. 26, 27.6.1930. 42 Rundfunkreform, wie sie der Stahlhelm fordert. In: Schlesische Zeitung, Nr. 372, 24.7.1932. Dokumentation 41 Dokumente1 seiner Arbeit und der häufi g großen Opfer seiner An- gehörigen rechnen. Die Not der akademischen Ju- I. Universitätsprofessor S. A. Kaehler: gend ist also handgreifl ich, sie ist beklemmend groß. Blick in die Zeit. Schlesische Funkstunde – Wer hat sie verschuldet? Kann hier überhaupt von (Breslau), 11.2.1932, 19.05 bis 19.25 Uhr »Schuld« die Rede sein? Können einzelne Instanzen, können die Hochschulen im allgemeinen, können die Ein »Blick in die Zeit«, m[eine] D[amen] u[nd] Universitäten im besonderen für diese verhängnis- H[erren], kann in Deutschland heute nichts anderes volle Entwicklung verantwortlich gemacht werden? sein als der Blick auf einen Notstand. Und wenn ein Professor (ein Mitglied der hiesigen Universität) zum Auf diese Frage müssen die Antworten verschieden ersten Mal Gelegenheit erhält, im Rahmen dieser ausfallen, je nach dem Standpunkt des Befragten. Veranstaltung sich vernehmen zu lassen, so wird Man kann und muß zunächst die Notlage der aka- es nicht wundernehmen, wenn er den »Blick in die demischen Jugend und der von ihr besuchten Bil- Zeit« und damit Ihre Blicke, m[eine] D[amen] u[nd] dungsanstalten auffassen als einen Sonderfall der H[erren], auf den akademischen Notstand zu lenken allgemeinen deutschen Not. unternimmt. Dann erscheint als letzte Ursache der Notlage »Wir sind Wanderer ins Nichts geworden« – so lau- unserer akademischen Jugend die gewaltsame tet die eindrückliche Schlagzeile eines Flugblattes,2 Einschnürung des deutschen Lebensraumes durch welches kürzlich unter die Studenten der hiesigen das Versailler Diktat und durch die sogen. Reparati- Universität verteilt wurde. »Wanderer ins Nichts« onspolitik. Der Engpaß, welcher den Weg in eine le- – so pessimistisch wird oder muß, wie es scheint, benswerte Zukunft fast zu versperren scheint, führt die akademische Jugend heute ihre Zukunft sehen. durch die beiden düsteren Torpfeiler des verlorenen Hat sie Recht mit diesem Pessimismus? Die Zahlen, Krieges und des verlorenen Friedens. welche Zeitungen und Zeitschriften neuerdings ver- öffentlichen über den Zustrom zu den Hochschulen, (Die Tatsache und die Tragweite dieser politischen sind leider Beweis (für die Richtigkeit solcher trüber causa causans dürften wohl mit ziemlicher Ein- Ansicht deutscher Zustände): 43.000 Schüler und mütigkeit in den verschiedensten Lagern unseres Schülerinnen stehen zu Ostern vor dem Abgang von Volkes als das Grundübel auch des akademischen der höheren Schule – d.h. doppelt soviel als 1926 Notstandes anerkannt werden).4 zur Entlassung kamen.3 Und nach der Erfahrung der letzten Jahre ist damit zu rechnen, daß 75% dieser Abiturienten, trotz aller Warnungen vor der schon bestehenden Überfüllung, sich dem Besuch dieser 1 Handschriftliche Ergänzungen Kaehlers sind, soweit es sich nicht oder jener Hochschule zuwenden. Es werden also um rein stilistische Korrekturen handelt, kursiv gesetzt, alle Hervorhe- am Beginn des Sommersemesters vermutlich 32.000 bungen unterstrichen. Streichungen sind in runde Klammern, eigene »Immatrikulationen« an den verschiedensten deut- Zusätze in eckige Klammern gesetzt. schen Hochschulen, nicht nur auf den Universitäten, 2 Es handelt sich um ein undatiertes Flugblatt der »Freie[n] Vereini- gung der sozialistischen Studierenden zu Breslau«, in dem aus Anlass stattfi nden. Die Gesamtzahl der in Deutschland Stu- der neuerlichen Erhöhungen der Studiengebühren durch den sozialde- dierenden ist von rund 79.000 im letzten Winter-Se- mokratischen Kultusminister Adolf Grimme gegen die »Front des Kapi- mester vor dem Kriege – 1913/14 – auf rund 138.000 talismus, die [im Werden befi ndliche] Front Hitler-Brüning-Severing« polemisiert wird. Hinter diesem Kampf gegen den Marxismus verber- im Sommer-Semester [19]31 angeschwollen. Die ge sich das »nackte Interesse des Kapitals«. Zahl der stellungslosen Akademiker wird auf etwa 3 Sämtliche Zahlen hat Kaehler einem Beitrag von Dr. Hans Siko- 50.000 bereits jetzt geschätzt. Aber der deutsche rski (Dresden) entnommen, der am 23.1.1932 unter dem Titel »Abituri- Wirtschaftskörper ernährt nur etwa 370.000 aka- ent 1932« in der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« erschienen war und der sich seinerseits auf Veröffentlichungen des Statistischen Reichs- demisch Gebildete in den verschiedensten Berufs- amts stützte (vgl. Hartmut Titze: Das Hochschulstudium in Preußen stellungen. Auf dem akademischen »Arbeitsmarkt« und Deutschland 1820–1944. Göttingen 1987 (= Datenhandbuch zur können jährlich bestenfalls 12.000 Plätze besetzt deutschen Bildungsgeschichte. Band 1. Hochschulen. Teil 1), S. 29f., 181,185,189). Sikorski war maßgeblich am Aufbau des Studentenwerks werden, während für die nächsten Jahre mit einem der Marburger Universität beteiligt und Kaehler seit dieser Zeit wohl jährlichen Angebot von mindestens 20.000 »fer- auch persönlich bekannt. 1929 hatte Sikorski einen vom Deutschen tigen« Akademikern gerechnet werden muß. Mit Studentenwerk betreuten »Ratgeber« zur Berufswahl von Abiturien- anderen Worten: Nur jeder zweite Student kann bes- ten veröffentlicht, der 1933 in 3. Aufl age vorlag. Vgl. Hans Sikorski: Die Zahlen der Studierenden an den deutschen Hochschulen. Entwicklung tenfalls mit der sachgemäßen Verwendung seiner und Wertung. In: Studentenwerk 3(1929), S. 10–21. erworbenen Kenntnisse, mit der sozialen Verwertung 4 Die Klammer so im Original. 42 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Wendet sich die Frage aber von der allgemeinen Notstandes dringt daher vielfach weiter, als das Ver- Ursache zu den besonderen Bedingungen, unter ständnis für die Bedingungen seiner Verwirklichung denen die deutsche Hochschule den sehr verschie- verbreitet ist. denen Aufgaben ihres Lebensbereiches zu genügen hat, so gehen die Meinungen sofort sehr weit aus- Dieser in mancher Hinsicht sehr begründete einander. Aber aus dem mannigfachen Stimmenge- Wunsch nach einer Umgestaltung der akademi- wirr klingt ein Ton beherrschend hervor; das ist die schen Lebensbedingungen hat in letzter Zeit man- ziemlich einmütige Kritik an der Hochschule und ches beachtenswertes Projekt gezeitigt. Manche an ihrer Organisation. Man ist enttäuscht über das heftige und langwierige Erörterung wurde hervorge- angebliche Versagen der Hochschule und beson- rufen über die geistige, wirtschaftliche und soziale ders der Universitäten alten Stils gegenüber den Grundlage des akademischen Betriebes. So ver- Aufgaben, deren bessere Lösung Staat, Wirtschaft schieden ihre Ausgangspunkte und Ziele sein mö- und das gesamte Volksleben von ihnen zu erwarten gen, so teilen sie alle das gleiche Schicksal: Sie sind berechtigt sind. gescheitert an der wirtschaftlichen Notlage. Für ihre Durchführung standen die erforderlichen Geldmittel Enttäuschung wird laut in weiten Kreisen der nicht zur Verfügung. Im Gegenteil: Unter dem Zwan- Studentenschaft. Sie sieht ihre Ausbildungsmög- ge der allgemeinen Wirtschaftsnot hat der Staat lichkeit in steigendem Grade behindert durch die neuerdings zu tief eingreifenden Sparmaßnahmen Überfüllung, durch den Mangel an Arbeitsraum und auch im Haushalt der Hochschulen greifen müs- Arbeitsmitteln, durch den Mangel an Lehrkräften, sen,6 bei deren Auswahl und Durchführung nicht nur durch das angeblich überalterte Unterrichtsverfah- sachliches Urteil, sondern auch manches Vorurteil ren. Enttäuschung wird laut innerhalb anderer Volks- bestimmend geworden ist. So wenig diese Tatsa- kreise, welche dem Lebensbereich der Universität che ein Geheimnis ist, so wenig ist es eine andere: fernstehen und mit Erwartungen verschiedenster Diese Zurückschneidung der geldlichen Grundlage Art an sie herantraten, denen die Universität ihrem des mit Studierenden überfüllten Hochschulbetrie- Wesen nach gar nicht gerecht werden kann. bes gefährdet ernstlich seine Leistungsfähigkeit. Sie wird mit großer Wahrscheinlichkeit dahin führen, (Und man kann sagen, daß die Enttäuschung um daß die in ihrem Unterbau bedrohte Institution den so lauter sich äußert, je weniger die enttäuschten vermehrten Anforderungen weniger genügen kann Kritiker geneigt sind, einen anderen als den eigenen als bisher, daß sie daher ohne eigenes Verschulden Standpunkt und den eigenen Gesichtskreis gelten vermehrter Kritik und gemindertem Verständnis be- zu lassen; je weniger sie, um es deutlich auszu- gegnen wird. Denn schon vor mehr als Jahresfrist sprechen, von der Aufgabe verstehen, welche die sprach ein gewiß zuständiger Beurteiler, der preußi- Universitäten im Dienst des Volksganzen zu lösen sche Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbil- von jeher berufen und imstande sind). dung,7 in einem Zeitungsartikel seine Meinung dahin aus: »die allgemeine Verknappung der Mittel wirkt Die allgemeine Kritik an der Leistung der deutschen Hochschule hat sich verdichtet zu einem ebenso all- gemeinen Ruf nach einer durchgreifenden Reform, in erster Linie nach einer Reform der Universität. Daher will denn eine weit verbreitete Meinung in 5 Handschriftlicher Hinweis von Kaehler auf »J. R. Curtius«. Gemeint den vielen kritischen Stimmen auch das Anzeichen ist Ernst Robert Curtius, dessen 1932 erschienenes Buch »Deutscher erblicken für den Tatbestand einer umfassenden Geist in Gefahr« die Ausführungen Kaehlers erkennbar geprägt haben. Universitätskrise. Und diese Krise oder dieser «Not- Die entsprechende Stelle bei Curtius lautet: »Die deutsche Universität stand« der Universität ist deshalb mehr, als man- ist eine Idee, sie ist aber auch eine Institution. Sie ist eine Lebensge- meinschaft und zugleich ein wissenssoziologischer Apparat. Sie ent- cher es zugeben möchte, ein allgemeines Anliegen hält die Spannung der Generationen, der Konfessionen und der Partei- unseres geistigen Volkslebens, weil die deutsche en. Sie ist verfl ochten in die Problematik unserer Bildung, aber auch in Universität – als Idee wie als Institution, nach ihrem die unserer Jugend. Sie ist ein Schnittpunkt aller dieser und noch vie- ler anderer ideellen Linien« (Stuttgart und Berlin 1932, S. 56). Grundgedanken wie nach ihrer körperschaftlichen 6 Kaehler dürfte hier allgemein die Brüningschen »Notverordnun- Gestaltung – der Schnittpunkt ist aller geistigen und gen zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen« (1.12.1930; 5.6.1931; gesellschaftlichen Richtungen und Spannungen in 6.10. und 8.12.1931) im Auge gehabt haben. Volk und Staat; weil sie verfl ochten ist in die Proble- 7 Adolf Grimme (1889–1963) war im 3. Ministerium von Braun-Se- vering vom 30. Januar 1930 bis zu seiner Amtsenthebung am 20. Juli matik der Generationen, der Konfessionen und der 1932 durch das Kabinett von Papen Minister für Wissenschaft, Kunst Parteien.5 Der Ruf nach Abhilfe des akademischen und Volksbildung. Dokumentation 43 bis an die Grenze des noch eben Erträglichen [auch] wichtige Angelegenheiten. Aber es muß doch auf- auf die Hochschule zurück«.8 fallen, daß das Wort Forschung – und damit der eine der grundlegenden Baugedanken der Universität Was vor einem Jahr noch als »Grenze des Erträgli- – nur in einem Satz dieser eingehenden Denkschrift chen« von autoritärer Seite bezeichnet wurde, das auftaucht. Und dieser Satz besagt, daß die For- ist heute bereits zu einem fast schon legendären Pa- schung – wegen der Not der Zeit – bis auf Weiteres radies geworden. Kein Verständiger wird den harten zurücktreten müsse. Als man vor mehr als 100 Jah- Zwang der Not verkennen, der zu solchen Eingriffen ren in Preußens Notzeit Universitäten gründete, da führen mußte. Aber die Hochschule als Ganzes wie geschah es gerade, um durch die wissenschaftliche die für ihre Leistungsfähigkeit im Besonderen ver- Forschung den in der Routine des Fachunterrichts antwortliche Dozentenschaft würde die erforderli- erstarrten Hochschulen neue Lebenskräfte zu er- chen Einschränkungen ohne Beunruhigung hinneh- schließen. Mit welchem Erfolg das geschehen ist, men, wenn nicht die Gefahr offenkundig wäre, daß beweist die Stellung, welche die deutsche Universi- mit mancher staatlichen Sparmaßnahme andere tätswissenschaft seitdem in der Weltmeinung errun- Tendenzen sich verquicken, welche es nicht auch gen hat. Dieses Projekt will weiterhin für die ersten [sic] auf eine »Reform«, sondern auf eine Vernich- Semester Zwangsvorlesungen zur Pfl icht machen, tung der Eigenart der Universität abgesehen haben. welche der »Auslese« dienen und die allgemein Man kann die Betrachtungen, welche sich mit einer anerkannten Schäden des übersteigerten Berech- umgestaltenden oder umstürzenden Neuordnung tigungswesens ausgleichen sollen. Andererseits der Universität beschäftigen, zusammenfassen in werden für höhere Semester »Verweilgebühren« von drei große Gruppen. beträchtlicher Höhe (bis 1.000 Mark pro Semester) in Vorschlag gebracht, um durch diese doppelte Die eine geht aus von den gegenwärtigen drän- Einschränkung der akademischen Lernfreiheit der genden Lebensfragen der Studenten; die andere Überfüllung abzuhelfen. Solche Vorschläge verraten von den mehr auf die Ganzheit der Universität ge- sehr deutlich, daß der »Lebensprozeß« der Hoch- richteten Wesensfragen, durch welche sie mit dem schule hier ein sehr geringes Verständnis gefunden geistigen Leben des deutschen Volkes und seiner hat. Mit der Herabdrückung der Universität zur geschichtlichen Entwicklung, aber auch mit dem Fachschule würde man einen »Nürnberger Trichter« europäischen Geistesleben verwachsen ist. Zu der von riesigem Ausmaß schaffen, durch welchen nur dritten Gruppe endlich zählt manches Reformpro- noch mehr »überzählige Akademiker« am laufenden gramm, welches nicht lebenswichtige Fragen der Band produziert werden würden.10 Universität als solche, sondern Gesichtspunkte und Wünsche ganz anderer Voraussetzungen und ganz Es würde damit der eigentlichen Notlage, der Über- anderer Zielrichtung zum Maßstab nimmt. Derartige füllung der akademischen Berufe, nicht abgeholfen. Vorschläge müssen daher notwendig das begrün- Aber es würde die eigentliche Aufgabe der Uni- dete Mißtrauen der Kreise wachrufen, denen aus versität, die Erziehung nicht der Masse, aber einer einer jahrzehntelangen Lebensarbeit auch ein wirk- starken Minderheit, zu wissenschaftlicher Arbeit liches Verständnis sowohl für die Bedürfnisse und und zu selbständigem Denken unmöglich gemacht. Vorzüge, wie für die Mängel und Ausartungen der Allen Reformgedanken, von welchem Standpunkt Universität als deutsche Lebensform zugewachsen sie auch geäußert werden mögen, tritt heute das ist. Hindernis der Verarmung von Staat und Wirtschaft Kürzlich ist von einem großen wirtschaftlichen Inte- ressenverband der Öffentlichkeit eine Denkschrift zur Universitätsreform9 übergeben worden, welche 8 In der »Vossischen Zeitung« (Nr. 307 vom 25.12.1930, 2. Beilage) jedes Verständnis für die mehr als materiellen Le- hatten unter dem Titel »Haben unsere Hochschulen eine Zukunft?« ne- bensfragen der Studenten wie für die Wesensfra- ben Adolf Grimme auch Professor Wilhelm Mommsen (Marburg), Dr. gen der Hochschule selbst vermissen läßt. Es ist Ferdinand Friedensburg (Regierungspräsident, Kassel) und Dr. Walter Zechlin (Reichspressechef) zur Lage der Universitäten Stellung bezo- in dieser Denkschrift fast ausschließlich die Rede gen. von den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes – des 9 Dazu handschriftliche Anmerkung von Kaehler: »Allgemeiner frei- akademischen wie des außer-akademischen –; vom er Angestelltenbund, Berlin NW 40, Werftstraße 9: ‚Denkschrift zur Berechtigungswesen und von der Auslese, von Ge- Neugestaltung des Hochschulwesens‘«. Diese Schrift ist bibliogra- fi sch nicht nachweisbar. bühren und Bezügen. – Gewiß lauter wichtige, im 10 Sinngemäße Übernahme aus dem Beitrag in der »Deutschen All- Blick auf die Überfüllung der Hochschule besonders gemeinen Zeitung« (Anm. 3). 44 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) in den Weg. Man kann also nur zu solchen Maßnah- Notstand sein Ende nur fi nden, wenn der Notstand men greifen, welche keinen Geldaufwand erfordern. von Reich, Staat und Volk überwunden sein wird. Eine der einfachsten wäre die Einschränkung der Zulassung zum Universitätsstudium. Es gibt jetzt Eine Enttäuschung allerdings wird selten laut und insgesamt 47 Zugangswege zum Studium; sie ha- gern überhört, das ist die Enttäuschung des einen ben manchen Befähigten, aber auch vielen Untüch- zur Zeit wenig populären Trägers der Hochschule, tigen und Unbegabten den Weg freigemacht.11 Hier der Dozentenschaft. Auch sie ist enttäuscht und darf wäre zunächst einmal die Schere anzusetzen. Denn es sein über die geringe Anerkennung, welche ihren gerade die Überfüllung mit solchen Studierenden, Bemühungen um Bewältigung der schwierigen Auf- welche nicht die erforderlichen Voraussetzungen gaben widerfährt, vor welche sie sich gestellt sieht mitbringen und eine Art von »Nachschulung« nö- durch die auch für die Dozentenschaft spürbare tig machen, belastet die Universität mit Aufgaben, Kehrseite der Überfüllung; sie fühlt sich enttäuscht, welche ihr nicht gemäß sind. Das muß immer nicht zuletzt dadurch, daß der eine lebenswichtige wieder ausgesprochen werden, auch wenn diese Zweig des akademischen Organismus, das ist die Wahrheit nicht gern gehört wird. Wenn der Ehrgeiz Forschung, zum Absterben verurteilt zu sein scheint vieler Studenten auch nicht höher greift als auf die infolge der übermäßigen Anforderungen, welche die Aneignung der Kenntnisse einer Fachschule, so darf Lehrtätigkeit heute an die Arbeitskraft der Dozenten die Universität selbst doch nicht verzichten auf die stellt. Denn nach der »Idee« der Universität soll der Aufgabe, welche sie übernommen und bisher zwar Dozent ja nicht nur Lehrer, sondern auch Gelehrter nicht in vollkommener, aber doch in hinreichender sein. Von dieser doppelten Aufgabe und doppelten Weise gelöst hat: wenn nicht der Ursprungsort, so Leistung wurde ja die Eigenart der deutschen Uni- doch die Pfl egestätte zu sein für die Idee wie die versität bestimmt. Hierin ist auch heute noch ein Tatsache der deutschen Geistesbildung. entscheidender Vorzug der deutschen Universität und der deutschen akademischen Bildung vor dem Es scheint doch auch mit der »überalterten« Lehrme- Unterrichtssystem des angelsächsischen Volkes zu thode nicht ganz so schlimm zu sein, wie mancher erblicken. Das hat ganz kürzlich der amerikanische Außenstehende glauben möchte. Denn nicht alle Professor Flexner in einer vergleichenden Darstel- Hörsäle zeigen im Laufe des Semesters die häufi g lung des deutschen Universitätswesens mit der beobachtete Erscheinung des »fortlaufenden Bei- Unterrichtsorganisation der Ver[einigten] Staaten falls«; es soll sogar vorkommen, daß die Hörerzahl [von Amerika] und Englands mit Nachdruck hervor- nicht nur nicht abnimmt, sondern sogar wächst. gehoben.12 Hierin liegt die eigentliche Bedeutung der deutschen Universität. Sie weist grundsätzlich über die nächs- 11 Die Angaben und Urteile sind dem genannten Buch von E. R. Cur- ten Bedürfnisse des Tages hinaus. Diese Bedeutung tius (Anm. 5) entnommen. Dort heißt es, dass die Missstände an den soll man nicht überschätzen. Denn es hat manche Universitäten an den »fragwürdigen Neuerungen auf dem Gebiet des Periode gegeben, in welcher die lebendigen Kräfte Schul- und Bildungswesens [lägen], die den Zugang zur Universi- des Geisteslebens sehr weit ab vom ausgetrock- tät immer mehr erweitert und damit ihr Niveau gesenkt [hätten]. Es gibt jetzt insgesamt 47 Zugangswege zum Studium. Die Losung ‚Dem neten Strombett des akademischen Lehrbetriebes Tüchtigen freie Bahn!‘ hat die Träger und die Interessenten unserer sich neue Bahn brachen. Man soll aber auch die Demokratie berauscht. Wir haben jetzt als Ergebnis zu buchen, daß wissenschaftliche und erzieherische Leistung der den Untüchtigen und Unbegabten der Weg freigemacht wird«. 12 Abraham Flexner: Universities: American, English, German. New Universität für die Überlieferung des deutschen York u. a. 1930. Das Buch lag 1932 auch in deutscher Übersetzung vor Kulturgutes nicht unterschätzen. Und schließlich: (Berlin: Springer). Abraham Flexner (1866–1959), von Haus aus Medi- Die Universität steht als gleichgeordnetes Glied mit ziner, dann Lehrer, hatte sich durch eine Abhandlung über »Medical anderen Organen im Dienste von Staat und Volk. Education« als Universitätskritiker einen Namen gemacht, 1928/29 deutsche und englische Universitäten besucht und in Oxford als Rho- Nicht nur nach eigenen Lebensgesetzen und im des-Stipendiat Vorlesungen gehalten. Die deutsche Universität kam luftleeren Raum kann sie sich ihr Dasein gestalten. Flexners Ideal, wissenschaftliche Lehr- und Lernstätte zu sein, am Von jenem Schicksal hängt auch das ihre ab, hat es nächsten. Ein weit verbreitetes Vorurteil meine, dass »der deutsche Professor in erster Linie sich als Forscher fühle und seine Lehrtätig- immer abgehangen. Aber sie hat auch die Aufgabe keit leicht nehme«. Das könne man nur behaupten, wenn »man ‚lehren‘ zu warnen, wenn ein bloßer Utilitarismus, der Stand- mit ‚eintrichtern‘ (…) verwechsel(e)”. Mit Nachdruck wurde von Flex- punkt nächstliegender, kurzsichtiger Nützlichkeitser- ner auf das schwierigstes Problem der »heutigen deutschen Universi- wägungen, wichtige ideelle Güter zu opfern droht. tät« verwiesen, das sei »ihr Geldmangel«. Über die Studie Flexners war in der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« im Januar und Februar 1932 Weil das Schicksal der Universität bedingt ist vom eine dreiteilige Artikelfolge eines Dr. A. H. Kober erschienen, über die Schicksal des Staates, darum kann auch ihr heutiger Kaehler wohl auf Flexner aufmerksam geworden war. Dokumentation 45 II. Universitätsprofessor S. A. Kaehler: niemals eine Partei oder eine »Bewegung«, sondern »Blick in die Zeit”. Schlesische Funkstunde »stets nur der Staat als Ganzes«. (Breslau), 21.3.1932, 19.00 bis 19.30 Uhr13 Die wahre Staatsautorität könne nicht auf »schwan- Ausgehend von der Notverordnung der Regierung kenden zahlenmäßigen Mehrheiten« gedeihen, wie Brüning vom 17.3.1932,14 mit der für die Osterzeit sie in »dem Dutzend deutscher Volksvertretungen (vom 20.4. bis zum 3.4.1932) ein sog. »politischer in ganz verschiedener Weise« zustande gekommen Burgfrieden« angeordnet worden war, kommentiert seien, sie müsse wachsen auf dem Mutterboden Kaehler kritisch das Fehlen »staatlicher Macht« »vollgültiger Leistung (...) nicht für einen Teil, nicht während der vergangenen Jahre, mit der man für eine Partei, sondern für das Ganze von Staat während der »ernsten Osterzeiten von 1919, 1920, und Volk«. Diese wahre Staatsmannschaft verkör- 1921« einen ähnlichen Stillstand der verlustreichen pere Hindenburg, der wiederholt in das deutsche Kämpfe hätte durchsetzen können. Die jetzige Re- Schicksal eingegriffen habe, von Tannenberg ange- gierung könne dies, weil der durch den Zusammen- fangen bis zu seinem entschlossenen Eintreten »in bruch in seinen Tiefen erschütterte Staat »eine so die Bresche, welche das Versagen des Reichstags große Autorität« zurück gewonnen habe, dass der als Träger der Souveränität [habe] klaffen lassen«. Bürger der Regierung das »sittliche Recht auf solch »Darin liegt die größte Gabe, welche die einzigartige fast ‚patriarchalisch‘ anmutende Maßnahme aus und fast schon einsam gewordene Gestalt des Feld- dem Arsenal des viel geschmähten ‚Obrigkeitsstaa- marschalls heute schon bedeutet für den gemein- tes‘ nicht unwillig« zugestehe. samen Lebensbesitz des deutschen Volkes, für den deutschen Staat. Sie wird ihm dereinst als kostbares Das Wachstum der staatlichen Autorität sei »ver- Erbe hinterlassen werden. Kein anderer Mann des wachsen (...) mit der persönlichen Autorität« Hin- öffentlichen Lebens kann heute der Nation diese denburgs. Noch nie habe im politischen Leben des Gabe der mit seiner Person verwachsenen Staats- deutschen Volkes ein Mann so viele Stimmen aus autorität leisten: denn so viele auch im Vordergrund so verschiedenen Lagern in einem Wahlgang auf des politischen Lebens stehen als verantwortliche sich vereinigt. Der Hauptrichtungspunkt sei »die Politiker oder als unverantwortliche Agitatoren, sie staatsmännische Gestalt« gewesen, »welche sich sind nur dem Anschein nach Führer, tatsächlich bewußt mit gutem Gewissen über die Parteien« aber mehr oder minder die Gefangenen der eigenen gestellt habe. Die »Überordnung der Staatsautorität Partei«. 15 über den Eigennutz der Parteien« sei der erste und notwendigste Schritt, der das »deutsche Volk aus Anschließend kritisiert Kaehler die Propaganda, mit dem Engpaß dieses und der kommenden Jahre al- der die Öffentlichkeit beim ersten Wahlgang der lein herausführen« könne. Reichspräsidentenwahl am 13. März 1932) durch Kaehler erinnert an das Beispiel der Notlage des preußischen Staates zwischen 1806 und 1813, während der die Aufrechterhaltung der Staatsau- 13 Eigenhändiger Zusatz: »12 S[eiten] zu knapp. Zu wenig Stoff für torität sich »als unentbehrliche Lebensform für den 25 Min. infolge der Kürzungen«. Fortbestand des ganzen Volkes« erwiesen habe. Die 14 Vgl. E. R. Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band »Ungeduld« der damaligen »patriotischen« Kreise, VII. Stuttgart u. a. 1984, S. 935. 15 Einer handschriftlichen Bemerkung Kaehlers zufolge hat es um die man heute als »nationale Opposition« bezeich- den kursiv gesetzten Text eine Auseinandersetzung mit dem Inten- nen könne, und ihr Verlangen nach einer »aktivis- danten Bischoff gegeben. Der Text musste für den »Blick in die Zeit« tischen« Außenpolitik habe nur zu Fehlschlägen am 21. März 1932 gestrichen werden, wurde dann aber in der folgen- geführt. Dass es gelungen sei, die Staatsautorität den Sendung vom 15. April 1932 von Kaehler wörtlich wieder aufge- nommen und jetzt akzeptiert. In einer Sitzung des Kulturbeirats am gegenüber »dieser schwungvollen Opposition zu 20. April 1932 (Sitzungs-Protokoll. GStA PK, I. HA Rep. 76 Rep. 76 Ve wahren«, sei die entscheidende Voraussetzung für Sek. 1 Abt. VII Nr. 77 Beih. a (Berichte des Kulturbeirats bei der Schle- das Gelingen des Befreiungskrieges von 1813 ge- sischen Funkstunde A.G. Breslau), Bl. 64f.) hieß es, dass die »Strei- chungen« im Kaehler-Manuskript von »überängstlicher Vorsicht« des wesen. »Denn nicht die Bewegung eines Volksteiles zuständigen Überwachungsausschusses diktiert gewesen seien; sie gegen den Staat, sondern das vom Staat geführte waren aber von Bischoff »auf Grund der von der Reichs-Regierung für Volk« habe die Befreiung Europas, und dies im die Zeit vor der Wahl besonders gegebenen Richtlinien« für »unbedingt Bündnis mit auswärtigen Mächten, von der dama- notwendig« erachtet worden, »weil es sich um eine propagandistisch wirkende Äußerung für die Person des Reichspräsidenten« gehandelt ligen französischen Vorherrschaft erkämpft; »bünd- habe. Der dort erwähnte dieserhalb »gepfl ogene« Schriftwechsel war nisfähig« für eine erfolgreiche Außenpolitik sei aber nicht zu ermitteln. 46 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Wort und Bildmaterial aufgereizt worden sei. Im Mit dem Blick auf die am 24. April bevorstehenden Vergleich von Flugschriften der äußersten Rechten Landtagswahlen in Preußen konstatiert Kaehler, und Linken16 wird deren insoweit identische Hetze dass die Agitatoren aller Parteien – wie im bisheri- gegeißelt, die mit »einer Art Montierung des unwi- gen Wahlkampf auch – an der »Vernebelung des po- derleglichen Bildes« dem Anschein nach alles zu litischen Geländes« arbeiteten. Es bleibe zu hoffen, beweisen in der Lage sei. Man brauche nur zwei dass die Schwierigkeiten der Außenpolitik die »not- »solcher Giftpfl anzen aus derselben Wurzel neben- wendige staatspädagogische Aufgabe« erfüllten einander zu halten, um sich von dem Wahne dieser und dazu beitragen würden, das lebensnotwendige verzerrenden und verlogenen Beweisführung frei zu Bewusstsein der Zusammengehörigkeit des Volkes machen«; und man komme zu der neuen Form des nicht gänzlich zu verlieren. alten Sprichworts: »Gelogen wie photomontiert«.17 Die deutsche Außenpolitik stehe vor der Aufgabe, Den Schlusspunkt bildet ein Blick auf das »welt- sich in den Konferenzen (London: Donaustaaten; literarische Programm« der Goethe-Gedenkfeiern Genf: Abrüstung; Lausanne: Reparationsproblem) 1932, in deren langer Reihe kaum ein Staat fehle, »gegenüber dem konzentrischen Angriff der fran- deren Unterschrift auch unter dem Diktat von Ver- zösischen Politik« zu behaupten. Dieser liege »die sailles stehe. Tendenz zur kontinentalen Einkreisung Deutsch- lands« zu Grunde, die der »politische Testaments- vollstrecker Clemenceaus« – André Tardieu – »mit III. Universitätsprofessor S. A. Kaehler: elastischer Energie« verfolge. »Blick in die Zeit«. Schlesische Funkstunde (Breslau), 14.4.1932, 19.30 bis 20.00 Uhr18 Seit 1919 habe Frankreichs »Sicherheit« einen neu- en Sinn bekommen. Frankreich besitze mit dem Rückblick auf das Resultat des zweiten Wahlgangs System von Versailles die Hegemonie in Europa der Reichspräsidentenwahl am 10. April 1932: Die und wolle sie verteidigen. Diese politische Tendenz »Aufmarschrichtung« der Wählermassen sei am schildert Kaehler am Beispiel der von Frankreich be- 10. April ziemlich die gleiche geblieben wie am 13. absichtigten Neuordnung des Donauraumes. Mit ihr März. Aus dem Vergleich mit dem zweiten Wahlgang ziele Paris darauf ab, die Lebensfähigkeit der öster- bei der Wahl 1925, bei dem durch die Kandidatur reichisch-ungarischen Nachfolgestaaten durch die Hindenburgs die Wahlbeteiligung um etwa 10% Kombination der »Elemente des Wirtschafts- und zugenommen, jetzt dagegen nur um etwa 2% ab- Geldkrieges« zu sichern und eine »machtpolitische genommen habe, könne man den Schluss ziehen, Flankenstellung im Donaubecken« zu schaffen. dass die so genannte Partei der Nichtwähler aus ihrer »stumpfen Beharrung aufgeschreckt und von den Strömungen des politischen Kampfes wirklich ergriffen worden« sei. Die bereits 1925 erkennbar gewordene Entwicklung habe jetzt ihren Höhepunkt erreicht: Seien 1925 im ersten Wahlgang sieben, mehr oder minder dem Typus des Berufspolitikers angehörende Kandida- ten angetreten, so hätten jetzt zwei »repräsentative Gestalten, welche über den Typus des Berufspo- 16 Für die »alleräußerste Linke« unter Hinweis auf Kurt Tucholsky litikers, wenn auch jeder in ganz anderer Weise (»Deutschland, Deutschland über alles«), das – wie Kaehler auch er- – hinausrag[t]en – den politischen Willen oder die wähnte – schon 1929 erschienen war. Der Name Tucholsky musste ge- strichen werden. Das Flugblatt der »äußersten Rechten« unter dem Ti- politische Sehnsucht breitester Massen in ihre tel »Das Gesicht der Demokratie« war nicht zu ermitteln. Gefolgschaft« gezogen. Der Kampf sei nicht um 17 Ein Abschnitt, in dem Kaehler rhetorisch zu fragen gedachte, wel- abstrakte Parteiprogramme ausgefochten worden, che »Wirkung sich die Agitation von Plakaten [verspreche], in denen z.B. der überaus nüchterne Soldat Hindenburg als Kreuzritter romanti- sondern um »lebendige Repräsentanten politischer siert erschein[e], oder von einem anderen Bild, auf welchem der große Anschauungswelten«. Hindenburgs Sieg bedeute Volksredner Hitler mit den Mitteln sowjetischer Filmmontage ‚dämoni- den Sieg der Staatsautorität, eine Schlussfolgerung, siert‘ werden soll[e]?«, durfte nicht gesendet werden. Vgl. Sitzung des die durch ein ausführliches wörtliches Zitat aus dem Kulturbeirats am 20. April 1932 (Anm. 15). 18 Handschriftlicher Zusatz: »13 ½ S. – 1 ½ = 12 S. für 25 Min.« – Zu vorigen »Blick in die Zeit« wiederholt vorgetragen der gestrichenen Passage Sitzung des Kulturbeirats am 20. April 1932 wird. (Anm. 15). Dokumentation 47 IV. Universitätsprofessor S. A. Kaehler: V. Universitätsprofessor S. A. Kaehler: »Blick in die Zeit«. Schlesische Funkstunde »Blick in die Zeit«. Schlesische Funkstunde (Breslau), 25.6.1932, 19.30 bis 20.00 Uhr19 (Breslau), 12.8.1932, 19.30 bis 20.00 Uhr Ausgehend von dem 1931 verkündeten einjährigen Nach den Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 Reparations-Moratorium steht die in Lausanne zur stehe die Frage zur Entscheidung, ob die als »Über- Diskussion stehende Reparationsproblematik im gangskabinett« bezeichnete Präsidialregierung Pa- Vordergrund. Zwar wären, nach dem neuerlichen pen nur einen »Zwischenzustand (...) innerhalb der Vorschlag des amerikanischen Präsidenten, die verschiedenen Möglichkeiten einer eindeutig rechts von Deutschland nach Ablauf des Hoover-Jahres oder einer eindeutig links gerichteten Parteiregie- wieder zu zahlenden Reparationen während der rung« bilde oder ob sie, auf das Vertrauen Hinden- Dauer der Konferenz ausgesetzt, doch bleibe »das burgs gestützt, es versuchen und vermögen werde, Damoklesschwert der Tributzahlungen (...) über der »ohne [sich] in den Dienst der einen oder anderen wirtschaftlichen Zukunft Deutschlands schweben«. Partei zu stellen, jedoch auf [deren] kontrollierende Der gegenwärtige Kanzler von Papen habe diese Mitarbeit angewiesen, die Staatsautorität durch verhängnisvolle Wirkung der Reparationen treffend sachliche, unparteiische Geschäftsführung der end- charakterisiert. Angesichts der unnachgiebigen lichen Gesundung wieder zuzuführen«. Haltung Frankreichs befürchtet Kaehler, dass die Hoffnung auf eine »endgültige und präzise Lösung« Die »seelische Entspannung«, die man von der des gesamten Reparationsproblems eine Illusion Reichstagswahl erwartet habe, sei nicht einge- bleiben werde; Paris sei weit davon entfernt, das treten. Mit einer neuen Notverordnung solle dem die französische Hegemonie sichernde Instrument in Deutschland bisher unerhörten Terror in letzter der Reparationspolitik aus der Hand zu geben. Stunde Einhalt geboten werden; man könne nur hoffen, dass die Abwehrmaßnahme zur Sicherung Während die Lausanner Besprechungen stagnier- der Staatsautorität nicht zu spät kommen und ih- ten, sei jetzt durch die gleichzeitigen Genfer Abrüs- ren Zweck erfüllen werde. Das Hauptergebnis der tungsgespräche und die dortige Rolle USA zumin- vier heftigen Wahlkämpfe, die 1932 zu überstehen dest die Möglichkeit einer »mittelbaren Einwirkung« waren, müsse darin erblickt werden, dass »die der Abrüstungsfrage auf die Reparationspolitik Aufteilung der deutschen Wählermassen nach den entstanden. Im Folgenden diskutiert Kaehler den hauptsächlichen Parteibildung nicht imstande ist, Vorschlag Hoovers, »die Weltrüstungen ungefähr im Reichstag eine wirkliche, verantwortungswillige um ein Drittel herabzusetzen«. Aus der Sicht des Mehrheit und damit ein echtes parlamentarisches bereits bis auf eine »Minimalrüstung« entwaffneten Regime herbeizuführen«. Dieser Zustand habe Deutschland sei er bereits erfüllt. Aber nicht nur schon der Regierungsführung Brünings zugrunde Frankreich, sondern auch England widersetze sich gelegen, die nur über eine Mehrheit, die wenigstens den keineswegs so altruistischen Vorschlägen der negativ, durch die Ablehnung von Misstrauens- Amerikaner. Als Fazit betont Kaehler, dass die »Poli- voten, dem Kabinett das Vertrauen der Volksver- tik Hoovers, welche (...) ihren Anteil an der europäi- tretung habe aussprechen können. Damit sei der schen Verantwortlichkeit zu tragen sich bereit zeigt, Grundgedanke jeder parlamentarischen Verfassung sich leider zu ähnlicher Unwirksamkeit verurteilt – eine klare und verantwortungsbewusste Mehr- [sehe], wie in Versailles – 1919 – die Einwirkung der heitsbildung – im deutschen Reichstag seit 1930 Amerikaner lahmgelegt war«. Nachdem man Frank- nicht mehr zu verwirklichen gewesen. reich 1918 zum Sieg verholfen habe, besitze man bis heute kein wirksames Mittel zur nachdrücklichen Im Folgenden weist Kaehler auf das veränderte Einwirkung auf die Politik der stärksten Militärmacht »äußere Bild« des Reichstags hin, in dem nicht nur des Kontinents. »Das Schicksal der Lausanner Kon- die bisherigen Splittergruppen, sondern auch die ferenz darf als feststehend betrachtet werden: Die einigermaßen fest gefügten und organisatorisch mit ihr verknüpften Hoffnungen auf eine durchgrei- unterbauten so genannten »Mittelparteien« von den fende Bereinigung der Störungsursachen des euro- stärkeren Strömungen völlig aufgesogen worden päischen Daseins scheitern an der unnachgiebigen seien. Nur noch fünf Parteien würden die erforderli- Haltung der französischen Politik«. che Fraktionsstärke von mindestens 15 Mitgliedern 19 Handschriftlicher Zusatz: »12 ½ S. für 25 Min. (knapp!)«. 48 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) aufweisen. Mit dem Blick auf die Vergleichszahlen beim zweiten Wahlgang der Reichspräsidenten- wahlen zeige sich, dass die entschiedenen Linken (SPD und KPD) ungefähr gleichstark der äußersten Rechten gegenüber stünden. »Damit dürfte die Anziehungskraft der beiden großen Flügelgruppen auf die Masse der immer noch mehr als 3 Millionen zählenden Nichtwähler erschöpft sein«. Ob sich eine tragfähige Mehrheit für irgendeine Regierung wird bilden lassen, sei offen. Man werde nur sa- gen können, dass »eine negative Mehrheit in dem Sinne sich stets [werde] fi nden lassen, daß nur eine von den Kommunisten ‚tolerierte‘ Regierung der sogen. Weimarer Koalition sich rechnerisch nach der bisherigen parlamentarischen Methode würde behaupten können«. Dagegen sei es mehr als zwei- felhaft, ob eine solche labile Regierung sich neben einem »stabilen Verfassungsfaktor des mit absolu- ter Mehrheit wiedergewählten Reichspräsidenten würde halten können«. Unübersehbar sei, dass das deutsche Verfassungsleben sich in einer »offenkun- digen Wandlung« befi nde, »einerseits von den Län- dern zum Reich, andererseits vom Reichstag zum Reichspräsidenten«. Kaehler vergleicht die geschäftsführende Regie- rung Preußens unter Braun-Hirtsiefer mit der von Papens, die beide über keine parlamentarische Mehrheit verfügten, aber zwischen deren Legiti- mation ein entscheidender Unterschied bestehe: »Während die preußische Landesregierung gegen den Wechsel der parlamentarischen Lage aus eige- ner Autorität zu bleiben versuchte, handelte die Re- gierung Papen im Auftrag und aus der Autorität des Reichspräsidenten heraus«. An diesen Vorgängen werde der Wandel im Verfassungsleben deutlich, der seit den Anfängen der Regierung Brüning die Staatsautorität mehr und mehr vom Parlament dem »Geltungs- und dem persönlichen Autoritätsbereich des Reichspräsidenten [habe] zuwachsen« lassen. Die Verfassung enthalte keine Bestimmung, die eine derartige Verfassungsänderung im Verhältnis der verschiedenen Verfassungsfaktoren verbiete. Dieser stehe kein Hindernis im Wege und dass eine solche Änderung unvermeidlich sei, wäre vielen Reden und Äußerungen zu entnehmen. Den pessimistischen Schluss bildet der Blick auf die Genfer Abrüstungs- gespräche. Deutschland stehe nicht nur im innen-, sondern auch im außenpolitischen Bereich inner- halb eng gezogener Grenzen. Forum Die Medienbestände im Unternehmensarchiv (1960–1980) und zur Ullstein AV Produktions- der Axel Springer AG in Berlin und Vertriebsgesellschaft mbH, Berlin-Hamburg, die, 1969 gegründet, 1981 in Ullstein Tele Video Vor 60 Jahren entstand in Hamburg das nach Axel Produktions- und Vertriebsgesellschaft mbH um- Springer (1912–1985) benannte Verlagshaus, das benannt wurde. Eine vielschichtige Überlieferung heute der größte Zeitungsverlag Deutschlands ist. existiert zum Fernsehpreis »Goldene Kamera«, der Neben den Zeitungen gibt die Axel Springer AG ei- von der Programmzeitschrift »Hörzu« seit 1966 ne breite Palette von Zeitschriften im In- und Aus- vergebenen wird. Hierzu sind Planungsunterlagen, land heraus. Insgesamt sind dies mehr als 150 Ti- Gästelisten, PR-Material, Pressespiegel und tel in 31 Ländern. Hinzu kommen Online-Dienste Videoaufzeichnungen der Verleihungsveranstal- der Printmedien sowie Fernseh- und Radio-Be- tungen archiviert. Eine weitere aussagekräftige teiligungen (unter anderem ProSiebenSat.1 Media Quelle stellen die über Jahrzehnte gesammelten AG, Hamburg 1, Antenne Bayern, Antenne 1, Radio Pressespiegel zu Rundfunk- und TV-Aktivitäten der Hamburg, Hit Radio FFH, Radio ffn, Radio NRW). Axel Springer AG dar (unter anderem zu SAT1, Leo Eine in der Fernsehproduktion tätige Tochtergesell- Kirch, Übernahmebestrebung von ProSiebenSat1 schaft von Axel Springer ist die in Hamburg ansäs- Media AG 2005–2006). Die Sammlung besteht sige Schwartzkopff TV Productions GmbH. zum größten Teil aus Artikeln der nicht zu Axel Springer gehörenden Presse. Hinzu kommen Seit Ende der achtziger Jahre betreut ein eigenes mehr als 6.000 Bücher und Aufsätze zu Presse- Unternehmensarchiv die Geschichte des Medien- und Mediengeschichte, Journalismus und dem unternehmens. Es ist organisatorisch der Stabs- Pressewesen allgemein. Darunter sind auch abteilung Information und Öffentlichkeitsarbeit zu- unveröffentlichte Studien und unter Einbeziehung geordnet. Dieses im Axel Springer Haus in Berlin der Archivalien erarbeitete Examensarbeiten und – dem Hauptsitz des Verlags – befi ndliche Firmen- Publikationen über die Aktivitäten des Hauses Axel archiv sammelt und erschließt Akten, Nachlässe, Springer bzw. Ullstein. Fotos, Ton- und Filmaufzeichnungen, Werbemittel, Zeitschriften, Zeitungen und Bücher, die für die Von besonderer Bedeutung ist der Aktenbestand zur Geschichte des Hauses und seine Aktivitäten Person des Verlegers Axel Springer, eine ca. 1.700 relevant sind. Nähere Informationen über die Be- Ordner umfassende Sammlung der Korrespondenz stände und die Recherchemöglichkeiten sind über des Verlegers aus den Jahren 1940–1985. Der die Homepage des Verlages zugänglich. Zugang hierzu ist beschränkt, kann allerdings bei besonders begründeten Anliegen gewährt werden. Das Unternehmensarchiv steht gleichermaßen Vorwiegend wird dieser Bestand für biografi sche verlagsinternen Nutzern und externen Kreisen, Arbeiten genutzt. d.h. Journalisten, Publizisten, Wissenschaftlern und Studierenden, zur Verfügung. Vor allem Bislang sind unter Einbeziehung der Bestände Examenskandidaten mit dem Schwerpunkt Medien- des Unternehmensarchivs vergleichsweise weni- und Verlagsgeschichte nutzen das Archiv, das nicht ge Arbeiten entstanden, die Axel Springers Rund- allein über Bestände zum Axel Springer Verlag, funk- und TV-Aktivitäten bzw. Überschneidungen sondern auch zur Geschichte des Hauses Ullstein mit diesen Medien (Programmzeitschriften) behan- verfügt. Durch die Übernahme der Ullstein AG im deln. Zu nennen wären hier die Publikationen von Jahre 1959 kamen Materialien hinzu, die die Berliner Lu Seegers (Hör zu!: Eduard Rhein und die Rund- Verlagsgeschichte bis über die Ullstein-Gründung funkprogrammzeitschriften 1931–1965, 2001) und von 1877 hinaus betreffen. Florian Kain (Das Privatfernsehen, der Axel Sprin- ger Verlag und die deutsche Presse. Die medienpo- Andere Bestände erstrecken sich inhaltlich litische Debatte in den sechziger Jahren, 2003). Auf auch auf Rundfunk- und TV-Themen. So sind – diesem Gebiet und der vorhandenen Quellenlage zum Teil allerdings in geringem Umfang – Akten könnte durchaus intensiver geforscht werden. zum Nordwestdeutschen Rundfunk vorhanden, »Nordwestdeutsche Hefte«, »Hörzu«, zur Fern- Wiederholt wenden sich Interessenten an das Unter- sehgesellschaft Berliner Tageszeitungen mbH nehmensarchiv, die dort die kompletten Ausgaben 50 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) von »Bild«, »Welt« oder »Hörzu« erwarten. Diese der letzten 60 Jahre gestellt und beantwortet wer- Sammlungen sind allerdings in den verlagseige- den. Dass vom FWF (Fond zur Förderung der wis- nen Rechercheabteilungen in Hamburg (recherche. senschaftlichen Forschung in Österreich) fi nanzier- infopool@axelspringer.de und Berlin (textberlin. te Projekt behandelt die Geschichte des Hörspiels infopool@axelspringer.de) archiviert und dort ge- im Radio des 20. Jahrhunderts. Gegenstand der gen Entgelt einsehbar. Bislang ist die Nutzung des Forschung sind dabei die zahlreichen Beispiele ös- Unternehmensarchivs der Axel Springer AG kos- terreichischer LiteratInnen, die als HörspielautorIn- tenfrei. nen, die deutschsprachige Rundfunklandschaft be- Erik Lindner, Berlin reichert haben und bereichern. Ziel ist es, sich einer Kulturgeschichte des Hörspiels im deutschsprachi- Kontakt: gen Raum anzunähern und so die Entwicklungsge- Axel Springer AGUnternehmensarchiv schichte österreichischer Hörspiel- und Radiolitera- Axel Springer Straße 65 tur und deren Rezeption im Zeitraum zwischen 1945 10888 Berlin und 2000 aufzuzeigen. unternehmensarchiv@axelspringer.de 0049 (0) 25 91– 7 17 80 (Dr. Erik Lindner) Ausgangspunkt für das ambitionierte Vorhaben 0049 (0) 25 91– 7 36 12 (Rainer Laabs, M.A.) ist der Nachlass des österreichischen Schriftstel- http://www.axelspringer.de/inhalte/unterneh/ lers und Rundfunkdramaturgen Franz Hiesel (1921– frame.htm 1996) und dessen umfangreiche akustische und schriftliche Sammlung. Neben zahlreichen Hörspie- len, Features und Interviews befi nden sich darunter Hörproben. vor allem Hörspielmanuskripte von Ingeborg Bach- Das Forschungsprojekt »Hörinszenierungen mann, Ilse Aichinger, Gerhard Fritsch und vielen an- österreichischer Literatur« des Instituts deren AutorInnen, sowie Korrespondenzen mit Hör- für Theater-, Film- und Medienwissenschaft spielautorInnen und Rundfunkdramaturgen. Dank in Wien und der Wienbibliothek der Übernahme des Tonbandbestandes und des schriftlichen Nachlasses von Franz Hiesel durch die »Im Rundfunk enthüllten die Geräusche und Stimmen der Wirk- Wienbibliothek, sowie der Verfügbarkeit von Quel- lichkeit ihre sinnliche Verwandtschaft mit dem Wort des Dich- len aus dem Bereich Hörspiel und Radio in anderen ters und den Tönen der Musik (…) das bisher nur Gedachte, Be- österreichischen Bibliotheken und Archiven, ist die schriebene schien materialisiert, leibhaftig gegenwärtig.«1 Grundlage zur systematischen Erforschung der Ent- wicklung des österreichischen Hörspiels gegeben. Die Auseinandersetzung mit Hörspielen kann sich Mit dieser neuen Materiallage bietet sich die Mög- nicht auf den literarischen Text allein beschränken, lichkeit, bekannte und bisher unbekannte Quellen vielmehr ist es das »Ineinander dreier Mittel – Ge- zusammenzuführen. räusch und Stimme; Musik; Wort«2, welches nicht nur das Hörspiel selbst konstituiert, sondern auch Seine verschiedenen Funktionen, etwa als Hörspiel- die wissenschaftliche Erforschung von Hörspielen dramaturg beim NDR und im Landesstudio Wien so- bestimmen muss. wie seine große Sammelleidenschaft, die er unter anderem für das Hörspielnachschlagewerk »Reper- Das zweijährige Forschungsprojekt »Hörinszenie- toire 999. Literaturdenkmal-Hörspiel« nutzte, wei- rungen österreichischer Literatur im Radio« des In- sen Hiesel als Drehscheibe der internationalen Hör- stituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft spielgeschichte aus. Sein eigenes Hörspielschaffen der Universität Wien gemeinsam mit der Wienbibli- steht dabei exemplarisch für den Weg vieler junger, othek im Rathaus, schafft die Möglichkeit, Hörspie- österreichischer AutorInnen der Nachkriegsjah- le und Radioarbeiten in ihren vielgestaltigen Formen re. Erste Versuche, Hörspiele im österreichischen und Wirkungen zu bearbeiten. Dadurch sollen über Programm (zuerst noch in den Besatzungssendern, den Text hinausgehende Fragen an die Hörkunst später im ORF) unterzubringen, waren selten er- folgreich und darüber hinaus schlecht bezahlt. Die weitaus größere Hoffnung wurde in die deutschen Rundfunkanstalten der BRD gesetzt. Hier konn- 1 Rudolf Arnheim: Rundfunk als Hörkunst. Frankfurt am Main 2001, ten sich LiteratInnen aus Österreich etablieren und S. 14 2 Rudolf Arnheim: Rundfunk als Hörkunst. Frankfurt am Main 2001, auch fi nanzielle Anerkennung fi nden. Die Vergabe S. 14 des renommierten Hörspielpreises der Kriegsblin- Forum 51 den an AutorInnen wie Ingeborg Bachmann, Franz lung Funkdramatik beim Rundfunk der DDR, Peter Hiesel, Friederike Mayröcker und Ernst Jandl in den Gugisch, der Redaktionsleiter der Abteilung Litera- 50er und 60er Jahren ist dafür nur ein Zeugnis von tur und Hörspiel beim Sender Österreich 1, Konrad vielen. Zobel, und der Schriftsteller Helmut Peschina, des- sen Hörspielfassung von Elias Canettis Roman »Die Nichtsdestotrotz zeigen erste Recherchen, dass Blendung«4 zum Hörspiel des Jahres 2002 in Öster- sich das Hörspielschaffen in Österreich weitaus reich gewählt wurde. Das Symposium ging der Fra- umfangreicher ausnimmt als bisher angenommen ge von vergangener Bedeutung und zukünftigem und dass zahlreiche Hörspiele zum Beispiel beim Stellenwert des Hörspiels in der Medienlandschaft amerikanischen Besatzungssender Rot-Weiß- nach und setzte damit wichtige Impulse für das vor Rot produziert wurden. Leider sind Tondokumen- kurzem gestartete Projekt. te aus dieser Zeit kaum erhalten und nur in selte- nen Glücksfällen (wie zum Beispiel dem lange Zeit Mit diesen Erkenntnissen und Fragestellungen aus- vergessenen Hörspiel »Ein Geschäft mit Träumen«3 gestattet, gilt es nun aufzuzeigen, dass das Hör- von Ingeborg Bachmann aus dem Jahr 1952) wie- spiel, im direkten Sinne des Wortes als (akustischer) der auffi ndbar. Der Nachlass von Franz Hiesel ver- Kulturträger fungieren kann, der ein bis dato kaum spricht hier die Aussicht, Hörspiele aus diesem ausgeschöpftes Repertoire an Forschungsmöglich- Zeitraum zumindest wieder als Typoskripte aufzu- keiten für Medien- und Kulturwissenschaft bietet. fi nden. Dabei sollen aber nicht nur die Sendema- nuskripte und Druckfassungen genauer unter die Informationen: Lupe genommen werden, sondern vielmehr gilt es »Hörinszenierungen österreichischer Literatur die verschiedenen Stadien von schriftlichen Hör- im Radio (1945–2000)«: spielfassungen mit der akustischen Umsetzung in FWF-Projekt des Instituts für Theater-, Film- Verbindung zu bringen. Damit kann der künstleri- und Medienwissenschaft der Universität Wien sche und kulturelle Wandel im Laufe der Geschich- und der Handschriftensammlung der Wien- te aufgezeigt werden und darüber hinaus auch der bibliothek im Rathaus. Grundstein für kritische Editionen einzelner Litera- Laufzeit: Mai 2006 bis April 2008 tInnen gelegt werden. Die Verbindung von Papier- Projektleitung- und betreuung: und Audioware ist dabei ein wichtiger Ausgangs- Univ.-Prof. Dr. Hilde Haider-Pregler (Institut für punkt zur Einbettung von Hörspielen in den Kontext Theater-, Film- und Medienwissenschaft); der interdisziplinären Radioforschung. Um sich da- Dr. Julia Danielczyk (Wienbibliothek) bei auch einer Kulturgeschichte des Hörspiels anzu- ProjektmitarbeiterInnen: nähern gilt es, Hörspielgeschichte mit einer Kultur- Wilhelm Fotter; Mag. Christine Ehardt geschichte des Hörens in Beziehung zu setzen. So Kontakt: Institut für Theater-, Film- und prägen etwa Produktionsbedingungen und die Ver- Medienwissenschaft, änderung der technischen Möglichkeiten bei Auf- Hofburg, Batthyanystiege, 1010 Wien, nahme und Wiedergabe ebenso die Kultur des Hö- Email: christine.ehardt@univie.ac.at rens, wie die unterschiedlichen gesellschaftlichen und rundfunkpolitischen Voraussetzungen in den Sendeanstalten der BRD, DDR, Österreich oder der „Dableckt! Vom Roider Jackl«. Schweiz. Eine Ausstellung des Bayerischen Rundfunks zum 100. Geburtstag von Jakob Roider In einer am 23. Mai 2006 in Wien abgehaltenen (1906–1975) Hörspieltagung anlässlich des 80. Geburtstages von Franz Hiesel, die ebenfalls gemeinsam von der Der Roider Jackl zählt wohl zu den bekanntes- Wienbibliothek und dem Institut für Theater-, Film- ten bayerischen Volkssängern der Nachkriegs- und Medienwissenschaft veranstaltet wurde, konn- zeit. Brunnendenkmäler in München, Freising und ten bereits erste Refl exionen zum Thema angestellt Weihmichl, zwei Straßenschilder in Freising und werden. TeilnehmerInnen des Symposions waren Landshut sowie Gstanzlsängerwettbewerbe erin- unter anderem der ehemalige Leiter der Hauptabtei- nern heute an ihn. Über die Suchmaschine Goog- le fi ndet man unter dem Stichwort »Roider Jackl« über 10.000 Einträge. Es gibt eine Homepage, 3 RWR Wien, EA: 28.02.1952 www.roider-jackl.de, ein Buch mit einer Auswahl 4 NDR/DLR/BR/ORF 2002 (EA: 29.10.2002) von Texten, das der Sohn Werner Roider 1980 he- 52 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) rausgeben hat, eine fünfteilige CD-Edition »Roider Gstanzl erfand und als Erster landes-, bundes- und Jackl« mit biografi schen Booklets von Maximilian weltpolitische Ereignisse besang. Roider machte Seefelder, dem Bezirksheimatpfl eger Niederbay- das Gstanzl – den alten bayerischen Brauch, sich ern, ein Fernsehporträt von Gerald Groß, mehrere mit Stegreifversen über Zeitgenossen lustig zu ma- Gedenksendungen im Hörfunk sowie zwei wissen- chen – berühmt. Mit Scharfsinn, Prägnanz und bis- schaftliche Studien.1 sigem Humor traf er den Nerv seines Publikums. Der Roider Jackl entwarf in seinen Gstanzln und Re- Am 17. Juni 1906 wurde Jakob Roider in Weihmichl den ein vielschichtiges Bayernbild. Einerseits orien- bei Landshut geboren. 1931 gewann er als 25jähri- tierte es sich an traditionellen Vorstellungen, an- ger beim 1. Niederbayerischen Preissingen in Lands- dererseits an den aktuellen Entwicklungen in der hut den zweiten Preis. Nach dem ersten legendären Wirtschaft und Gesellschaft des Freistaates. In Ro- Preissingen in Egern am Tegernsee im Jahre 1930 iders 30jähriger Laufbahn als politischer Gstanzl- fanden in ganz Bayern Volkslieder-Preissingen statt, sänger von 1945 bis 1975 vollzog sich in Bayern die von der Bayerischen Rundfunk GmbH (so hieß ein Strukturwandel von einem agrarisch geprägten der Bayerische Rundfunk von 1931 bis 1934) über zu einem industrialisierten Land. Roider war nicht ohne Stolz auf Bayerns wachsende wirtschaftli- che Kraft. Dennoch blieb seine Skepsis gegenüber Neuerungen und schnelllebiger Mode bestehen. So war er zum Beispiel einerbitterter Gegner des neu- en Flughafens im Erdinger Moos und scheute sich nicht, mit seiner Popularität Einfl uss auf die Politik zu nehmen. Der Bayerische Rundfunk machte ihn zur »Stimme des Volkes«. Aus Jakob Roider wurde der Roider Jackl. In Volksmusik- und Unterhaltungssendungen, in Hörspielen, im Landfunk oder der Politischen Ab- teilung stand sein Name über 40 Jahre lang auf dem Programm. In der Faschingszeit sprach Roider ab 1951 den Samstagskommentar. In der beliebten Funksendung »Weißblaue Drehorgel« von Olf Fi- scher war Roider mit seiner Rede als »Bürgermeis- ter« der Star und Mittelpunkt des Programms. Seine Erzählungen über das bäuerliche Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Sendereihe »Bairisch Herz« sind heute wertvolle Quellen bayerischer So- zialgeschichte. Nebenrollen spielte er 1952 im Baye- Roider mit Spicker (Quelle: BR Historisches Archiv) rischen Hörspiel »Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies« oder 1965 in der Fernsehsendung »Die den Deutschlandsender bis ins benachbarte Aus- Pfi ngstorgel«. Der Roider Jackl war Teil der baye- land übertragen wurden. Professor Kurt Huber und rischen Rundfunk- und Zeitgeschichte. Die Men- der Kiem Pauli waren die geistigen Väter und Initia- schen warteten gespannt auf seine Kommenta- toren dieser Preissingen und somit Begründer einer re, von denen viele gut 30 Jahre nach seinem Tod neuartigen Volksliedpfl ege in Bayern. noch immer aktuell sind. Damals begann Roiders Karriere als Volks- und Die Unterhaltungsabteilung des Bayerischen Rund- Gstanzlsänger. Seine »große Zeit« allerdings funks vermittelte Roider den Kontakt zum Nockher- kam erst nach 1945, als er das politisch-kritische berg. 20 Jahre lang – von 1953 bis 1974, mit einer Ausnahme 1973, als er im Löwenbräukeller »fremd- ging« – »dableckte« er beim Salvatoranstich auf 1 Birgit Stein: Der Roider Jackl: Förster, Gstanzlsänger und Levi- dem Münchner Nockherberg die bayerischen und tenleser – Studien zur bayerischen Volksmusikkultur, Staatsexamens- bundesdeutschen Politiker. Das so genannte »Politi- arbeit der Hochschule für Musik und Theater München, 2002; Bastian Mahler: Der Roider Jackl – Politik in Vierzeilern, Zulassungsarbeit am ker-Dablecka«, das Aussingen der »Großkopferten« Institut für Bayerische Landesgeschichte, 2006. nach Manier des Roider Jackl, wurde in späteren Forum 53 Jahrzehnten zum gefl ügelten Wort für vergleichba- und eine große Wanderausstellung »Dableckt! Vom re Anlässe und gab der Ausstellung ihren Titel. Die Roider Jackl« in Regen, Landshut und Freising, die größte Strafe für Politiker war es, von ihm übergan- das Historische Archiv des BR konzipiert und orga- gen zu werden. Der Bayerische Rundfunk zeichne- nisiert hat. 12 thematisch-chronologische Stationen te alle Salvatoranstiche auf und strahlte sie im Hör- erzählen die Geschichte von Roiders öffentlichem, funk und Fernsehen aus. berufl ichem und privatem Leben und Wirken. Mit oder ohne den Rundfunk zog Roider zeit sei- Die Auswahl der über 200 Exponate orientierte sich nes Lebens durch ganz Bayern und trat bei Festen, an den Kategorien: Dokumentarisch-Wichtiges, Eröffnungen und Jubiläen aller Art auf: Freisinger Highlights, Kurioses und Witziges. Recherchiert Metzger-Fasching, Milchprüfring Allgäu, Wein- und wurde vor allem beim Sohn Dr. Werner Roider – der Bierfeste, Bayerischer Forstverein, 800-Jahrfeier während des gesamten Projekts mit Rat und Tat zur München, Attenhamer Bauerntheater, Akademie Seite stand, – und in den BR-Archiven, wo Texte, der bildenden Künste in München, 1200-Jahrfeier Töne und Bilder in großen Mengen lagern. Zu se- in Pasing, Bayerische Vertretung in Bonn, 25jähri- hen sind Fernsehausschnitte (darunter ein originel- ges Jubiläum der SZ, Schwimmbadeinweihung in ler Werbefi lm mit Roider über Kälbermast), Fotos, Freising und und und … Briefe, Zeichnungen seines Freundes Josef Ober- Blick in die Ausstellung im Niederbayerischen Landwirtschaftsmu- Der Lieblingsstuhl vom Roider Jackl aus seinem Haus in Freising. seum, Regen. In den Vitrinen vorne links Roiders Gitarre mit Spicker und seine Schreibmaschine. berger, Karikaturen, Zeitungsartikel, Programm- hefte, Plakate, Manuskripte, Kleidungsstücke, sein Allein in seinem letzten Jahrzehnt absolvierte er et- Lieblingsstuhl ebenso wie seine Gitarre und seine wa 500 Auftritte. Begleitet wurde er meist von der Notizbücher, sein Förstermantel oder seine selbst Kapelle Otto Ebner oder den bekannten Dellnhau- gebastelte Klingelordnung, nach der Bayern 1 ✕, ser Musikanten unter Michl Eberwein. Neben die- Franken und Schwaben 2 ✕, Preußen aber 3 ✕ sen »Verpfl ichtungen« übte er von 1945 bis 1967 in klingeln mussten, um seine Wohnung in Freising zu Freising seinen Beruf als Forstamtmann aus. Poli- betreten. Außerdem sind 31 verschiedene Tondoku- tisch unbelastet konnte er bereits im Juni 1945 mit mente aus dem Schallarchiv des Bayerischen Rund- seinem Forstdienst beginnen. Er kümmerte sich um funks zu hören. die Verteilung von Brennholz oder den Kastanienan- Bettina Hasselbring, München kauf für die Wildfütterung. 1960 zum Oberförster er- nannt, betreute er bis zu seiner Pensionierung rund Ausstellungstermine 2006: 500 Hektar Staatswald in den Freisinger Isarauen. ■ 2. Juni bis 10. September: Von 1946 bis 1948 vertrat Roider zudem als Freisin- Niederbayerisches Landwirtschaftsmuseum Regen. ger Stadtrat die CSU. Hier lebte er mit seiner Familie www.nlm-regen.de seit den 40er Jahren. In Freising starb Jakob Roider ■ 15. September bis 8. Oktober: auch am 8. Mai 1975, im Alter von 68 Jahren. Landshut, Große Rathausgalerie ■ 13. Oktober bis 31. Oktober: Zum 100. Geburtstag seines berühmten freien Mit- Freising, Asamfoyer arbeiters präsentiert der Bayerische Rundfunk – auf ■ 26. Juni bis 10. August: Initiative der Redaktion Volksmusik – Hörfunk- und München, BR-Hochhausfoyer Fernsehsendungen, einen Online-Schwerpunkt www.br-online.de/roiderjackl 54 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) »Geschichte in den Medien – Medien eigenen Erlebnisse während des Arbeiteraufstan- und ihre Geschichte. des im Juni 1953 in der DDR zeigen, dass Litera- Wirtschaftsarchive im Geschichtsboom tur und Politik in der DDR häufi g eine symbiotische des 21. Jahrhunderts«. Verbindung eingegangen waren. Außerdem stellte Jahrestagung der Vereinigung er anschaulich dar, dass manchmal auch Kleinigkei- deutscher Wirtschaftsa rchivare (VdW) ten – wie ein Gewitterguss – zu einem geschichtsre- levanten Ereignis werden können. Denn ein heftiges Nach den Schwerpunkten Internetpräsentation, Sommergewitter am Nachmittag des 17. Juni 1953 Aufgaben und Visionen von Wirtschaftsarchiven, in Berlin führte zeitweilig dazu, dass viele Demonst- Rechtsfragen und dem immerwährenden Thema ranten sich in Häuser und U-Bahnhöfe zurückzogen der Bestandserhaltung in den letzten Jahren wid- und als diese sich nach dem Gewitter wieder ver- mete sich die Vereinigung deutscher Wirtschafts- sammeln wollten, standen an vielen Orten plötzlich archivare (VdW) auf ihrer diesjährigen Tagung der Soldaten der Roten Armee. Dieser Fakt wird aber Darstellung von Geschichte in den Medien sowie häufi g bei der Beschreibung der damaligen Ereig- dem Umgang der Medien mit ihrer eigenen Ge- nisse übergangen, da er Historikern, so Loest, zu schichte. Die erstklassig organisierte Tagung fand profan ist. Erich Loest fasste seine Erfahrungen in vom 7. bis 10. Mai 2006 in den Tagungsräumen der das Bonmots »Zeitzeugen sind oft Gegner der His- Bertelsmanns Repräsentanz in Berlin statt. toriker«. Völlig anders geartet war der anschließen- de Vortrag von Edgar Lersch (SWR, Stuttgart). Er Die Tagung wurde am Sonntag mit einer Lesung von versuchte, fast unmöglich in der vorgegebenen Walter Kempowski literarisch eingeleitet. Nach der Zeit, einen Überblick über die Entwicklung von Ge- Eröffnung der Jahrestagung am Montag durch den schichtsdokumentationen im deutschen Fernsehen Vorsitzenden des VdW, Herrn Dr. Harry Niemann zu geben und thematisierte dabei u.a. auch die De- (DaimlerChrysler, Stuttgart), und der Begrüßung fi zite bei der wissenschaftlichen Untersuchung die- durch die Leiterin des die Tagung ausrichtenden ses Metiers. In den folgenden Vorträgen von Rainer Bereiches Unternehmenskommunikation der Ber- Volk (Bayerischer Rundfunk, München) und Vol- telsmann AG hatte der Vorsitzende der VdW die eh- ker Ulrich (Die Zeit, Hamburg) beschäftigten die- renvolle Aufgabe, den diesjährigen Preis des »Wirt- se sich mit ihren Erfahrungen als Radio- und Print- schaftsarchivs des Jahres« zu vergeben. Nachdem Journalisten bei der Arbeit mit historischen Themen die Jury aus den eingereichten Bewerbungen und und der Akzeptanz bzw. Rezeption dieser Beiträge Vorschlägen keinen eindeutigen Sieger ermitteln durch Hörer und Leser. konnte, vergab der VdW in diesem Jahr zwei ers- te Preise. Den Preis »Wirtschaftsarchiv des Jahres« Der erste Beratungstag schloss, nach dem Gruß- erhielten das Siemens-Archiv in München und das wort des Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann Historische Archiv Krupp in Essen. AG, Gunter Thielen, mit einem weiteren Höhepunkt ab. Der bekannte Regisseur Heinrich Breloer (Köln) Die zweitägige Tagung wurde durch einen Vortrag schilderte in seinem durch Filmausschnitte bildlich von Paul Nolte eingeleitet. Dieser ging in seinem ergänztem Vortrag die Schwierigkeiten von Filme- Vortrag auf die Verbindung von Geschichte und machern bei der Umsetzung historischer, v.a. zeit- Gesellschaft, der Darstellung geschichtlicher Ent- historischer Themen. Außerdem zeigte er am Bei- wicklungen in den Medien und der Wahrnehmung spiel der fi lmischen Aufarbeitung des Lebens von durch die geschichtsinteressierte Öffentlichkeit ein. Albert Speer, welchen bedeutenden Beitrag Filme Er zeigte auf, welchen Schwankungen die Darstel- und Dokumentationen zur historischen Wahrheits- lung der Vergangenheit unterliegt und wie sie so- fi ndung leisten können. Dieser Vortrag bot dann wohl durch die Politik als auch durch marktbedingte auch, neben dem üblichen Fachaustausch, ge- Mechanismen bei der medialen Präsentation verän- nügend Gesprächsstoff beim abendlichen Emp- dert wird. fang im Tagungsgebäude, dem wiederaufgebauten Kommandantenhaus »Unter den Linden 1«. Die Nachmittagssektion des ersten Tagungsta- ges stand unter dem Titel »Geschichte in den Me- Der zweite Tag begann mit der Sektion »Unterneh- dien« und wurde mit einem launigen Vortrag durch mensarchive der Medienbranche«. In dieser Sek- den Schriftsteller Erich Loest eröffnet. In seinem frei tion stellten fünf Vertreter ihre Medienarchive bzw. vorgetragenen Referat konnte der 80jährige Schrift- bestimmte Aspekte der Arbeit dieser Archivgattung steller aus Leipzig sehr überzeugend an Hand seiner vor. Erik Lindner (Axel Springer AG, Berlin) und He- Forum 55 len Müller (Bertelsmann AG, Gütersloh) berichteten den Einblick in die Kompliziertheit einer großan- über die Entstehungsgeschichte und die daraus re- gelegten Veröffentlichung (inzwischen erschienen sultierenden Bestände ihrer beiden Unternehmens- unter dem Titel »50 Jahre WDR. Am Puls der Zeit« archive. Dabei ging Lindner in seinem Vortrag »BILD, Bd. 1–3). Frau Witting-Nöthen thematisierte auch BAMS und Glotze« u.a. auf die Bedeutung der Per- die Probleme für die Archivarbeit durch die zeitin- sönlichkeit von Axel Springer für das Verständnis tensive Beschäftigung mit einer solchen Publikati- der Entwicklung des Springer-Konzerns ein. Helen on. Peter Meier und Thomas Hässler (beide Institut Müller nahm in ihrem Vortrag »Zwischen Gütersloh für Medienwissenschaft in Bern) gaben in ihrem ge- und dem Rest der Welt – Archivarbeit in einem de- meinsamen Vortrag einen kurzen Einblick, wie der zentralen Unternehmen« Bezug auf ihre Ausführun- schweizerische Medienkonzern Ringier bisher mit gen zum Aufbau des Unternehmensarchivs, die sie seiner Geschichte umgegangen war, wie und wa- auf einer der früheren Jahrestagungen vorgetragen rum sich diese Einstellung geändert hat und Rig- hatte, und berichtete nunmehr über die Umsetzung nier nun über ein eigenes Firmenarchiv verfügt. Sie der damaligen Überlegungen in Form des erfolgrei- konnten sehr anschaulich darstellen, wie der Be- chen Aufbaus des Unternehmensarchivs der Ber- wusstseinwandel bei Ringier zu Aufl egung eines telsmann AG. Sie verschwieg dabei nicht die Pro- Projektes zusammen mit dem Institut für Medien- bleme bei der Archivierung von Unterlagen der wissenschaft Bern geführt hat, wie die Projektmit- verschiedenen Tochterfi rmen der Bertelsmann AG arbeiter versuchen mussten, archivrelevante Doku- und informierte über verschiedene derzeit in der mente zu ermitteln und zu archivieren sowie wie nun Realisierung befi ndliche Archivprojekte. Dem Auf- als Ergebnis des Projektes die Entwicklung des Rin- gabengebiet der Öffentlichkeitsarbeit von Rund- gier-Konzerns vom kleinen Verlag zu einem der be- funkarchiven war der Vortrag von Bettina Hassel- deutendsten schweizerischen Medienunternehmen bring (Bayerischer Rundfunk, München) gewidmet. mit Hilfe des Unternehmensarchivs nachvollzogen Sie berichtete über die guten Erfahrungen die das werden kann. Sie verwiesen dabei u.a. auf die Be- Historische Archive des Bayerischen Rundfunks deutung der Firmenhistorie für die Schaffung einer mit eigenen Ausstellungen, der Teilnahme an Ta- Corporate Identity. Zum Schluss der Sektion berich- gen der offenen Tür oder mit Veröffentlichungen zur tete der Publizist Adalbert Rohloff (Berlin) über die Mediengeschichte gemacht hat und welche Chan- Geschichte der UFA. Herr Rohloff hatte ebenfalls cen für die Anerkennung des eigenen Archivs bzw. an einem Buchprojekt mitgearbeitet, in welchem des Medienunternehmens in der Öffentlichkeit darin die Entwicklung der UFA von der Universum-Film liegen. Veit Scheller, der Leiter des Unternehmens- AG (Ufa) der 20er Jahre zur heutigen »UFA Film & archivs des ZDF, referierte in seinem Vortrag »Die TV Produktion« nachvollzogen worden war. In sei- ZDF-Archive – Nur für interne Nutzer?« über die ver- nem Vortrag ging Herr Rohloff knapp auf diese ver- schiedenenartigen Probleme bei der Nutzung der schiedenen Entwicklungsstadien der UFA ein und Rundfunkarchive durch externe Nutzer. In seinem gab abschließend per Kurzfi lm einen Einblick in die Vortrag spannte er den Bogen von Rechtsgrundla- heute vielfachen Medienaktivitäten der Bertels- gen der Arbeit der Rundfunkarchive (Archiv- und Ur- manntochterfi rma UFA Film & TV Produktion. Am heberrecht, Datenschutz, Medienprivileg) über die Dienstag-Nachmittag fand die Mitgliederversamm- Einbeziehung der Rundfunkarchive in den journa- lung der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchiva- listischen Workfl ow bis hin zu den konkreten Nut- re (VdW) statt. Zum Abschluss der Jahrestagung zungsmöglichkeiten der ZDF-Archive durch externe konnten dann noch das Politische Archiv des Aus- Wissenschaftler. Durch die Fülle an Informationen, wärtigen Amtes oder per Exkursion verschiede- über die die ersten drei Referenten berichtet hatten, ne Museen bzw. das Landesarchiv Berlin besucht war das Zeitbudget dieser Sektion leider am Ende werden. der Referate schon überschritten, so dass eine Dis- kussion fast nicht zu Stande kam. Die Jahrestagung des VdW war hervorragend orga- nisiert und besaß mit dem Kommandantenhaus am Die dritte Sektion mit dem Titel »Umgang der Medi- Beginn der Berliner Prachtstraße »Unter den Lin- en mit ihrer Geschichte« hatte die Aufarbeitung der den« eine Tagungsörtlichkeit per Excelence. Durch eigenen Unternehmensgeschichte zum Thema. Hier die thematisch breit gefächerten Vorträge und der erhielten die Tagungsteilnehmer von Petra Witting- guten Auswahl der Referenten beleuchtete diese Nöthen (WDR, Köln) Informationen zum Buchpro- Tagung viele Facetten der Historie der Medien bzw. jekt anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung der Darstellung der Historie in den Medien. Die Ver- des WDR. Witting-Nöthen gab einen umfassen- bindung von »Medienpraktikern«, Wissenschaftlern 56 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) und Archivaren belebte die Tagung, die als sehr ge- and practices that illustrate my points. I will use lungen bezeichnet werden kann. Begrüßenswert some data later, but I think that stories are often a ist, dass der VdW geplant hat, die Vorträge in sei- better way to illustrate tendencies and outlooks. ner Zeitschrift »Archiv und Wirtschaft« zu veröffent- lichen. When I fi rst arrived in Africa as a student in 1967 I Veit Scheller, Mainz went to Tanzania where I did fi eldwork for my re- search. This took me to remote parts of the country. One of the most remote places I went to was in Kig- How Africa Sees Europe1 oma District in the far west. I travelled by railway to Kigoma town from Dar es Salaam, a journey taking An African Paradox a day and a half. When I arrived, I devised a plan to cover all parts of Kigoma District with a survey in- There are two ways of approaching this topic of how volving face-to-face interviews with people chosen Africa looks at Europe. They are contradictory. On at random to represent the adult population of the the face of it, they cannot both be true, and yet both district. Kigoma District covers a large area along themes have arisen when I have considered this ti- the eastern shores of Lake Tanganyika. Its southern- tle over the last few months since I was asked to most parts could be reached only by boat, and so give this presentation. I have had to conclude that it was that I hired one and travelled south to the vil- although they cannot both be true absolutely, they lages of Kalya and Mgambo. At that time, these vil- are both true ways of looking at this topic. lages could not be reached by road. Their only reg- ular physical contact with the outside world was by As with many things to do with Africa, we confront a boat. The elderly steamer, the Liembe, plying the paradox. Europe looms very large in the African out- lake called from time to time but apart from this the look. At the same time, Africa is separate and dis- villagers in these two places had little contact with tinct from Europe and most European affairs are not the world outside, aside from their radio sets. We ar- of great importance or signifi cance to Africans. rived in Kalya and while my research assistant be- gan selecting people to interview I had to pass the At this point I need to state that what I have to say time in some other way. And so while the interviews about Africa relates almost entirely to Africa south of were going on, I was invited by the village headman the Sahara and north of the Limpopo. I will be most- to sit in his house and meet some other people from ly excluding the Arab north and South Africa. They the village. What happened over the next few hours are different enough to require separate treatment has stayed with me ever since. During that very for the most part. week, in February 1968, the British Parliament was debating a bill that would restrict the right of Asians African culture, since that is what we have to talk with British passports who lived in East Africa to about, is fi ercely independent and at the same time emigrate to Britain. The villagers who came to meet dependent and often derivative, especially in its me- me in the headman’s house were not only very well dia. I could equally have given a talk on how Africa informed about the debate and the issues involved. depends on Europe on the one hand, while on the They wanted to know what I thought about it. Why other I could talk about how Africa strives, often very had it happened? Why did Asians want to leave Ken- successfully, to be independent and different. ya and Tanzania and why was Britain so unwilling to take them? They were intrigued by the moral, polit- Some News Stories, or Stories about News ical and constitutional issues involved, both in Brit- ain and in East Africa. I want to begin with some stories. This might sur- prise those of you who, knowing my background, The quality of the debate would not have disgraced would expect me to provide solid data on attitudes a discussion in a university in the UK or anywhere else. They were very well informed and understood many of the complex issues involved. The discus- sion demonstrated the power of radio in providing accurate information about a major issue of impor- 1 Dieser Aufsatz ist ebenfalls im aktuellen Jahrbuch Medien und Ge- tance. It also showed how people in a remote place schichte »Der Blick der Anderen. Europa in der Wahrnehmung von Me- dien Afrikas, Asiens und Lateinamerikas«, hrsg. von Oliver Zöllner, er- could, despite their isolation and distance, be aware schienen. of the facts surrounding an event or series of events. Forum 57 The relevance for this paper’s topic is also very clear. My next story comes from Ghana in 1985. I had News from Europe would be more likely to have res- been invited by the late Professor Paul Ansah to give onance and be a topic of interest and debate when a lecture on recent developments in British media it had an African connection. to his journalism students at the University of Gha- na at the Legon campus. I had prepared myself well, My next story is from Uganda in 1975 at the time of or so I thought, and had brought detailed informa- the Organisation of African Unity (OAU) conference tion about the latest proposals of the Thatcher gov- there, hosted by Idi Amin. This OAU conference ernment relating to the deregulation of broadcasting made the news in the global sense and more than in Britain. In the process of explaining something to any pan-African conference before or since. And yet Professor Ansah’s students I made one minor mis- it was a conference without news media. Although take of fact. I was rather taken aback when several the world’s news media were present in quite large of the students present showed that they knew I had numbers, in the most important sense, this was a got something wrong! The government’s policy pa- conference without media. The Ugandan authori- per to which I had been referring was in some impor- ties banned all incoming newspapers and maga- tant respects better known to some of them than it zines. The state radio was heavily censored. There was to me and they let me know. The point was that was no real news available anywhere, unless you they had taken some interest in the process of de- had a radio capable of picking up shortwave serv- regulation in Britain because it was very much a live ices available coming from elsewhere. I was part of issue also in Ghana. the BBC team covering that conference. The week was marked by major news stories happening else- Incidentally, I have a theory about this. Ghanaians where, both in Africa and beyond. General Gowon at that time were information poor. They had on- of Nigeria was overthrown – while he was actually ly one monopolistic broadcasting station, the state in Kampala for the OAU meeting. There were major controlled Ghana Broadcasting Corporation (GBC) developments connected with the moves towards running all TV and radio in the country. There were independence for Portugal’s African colonies, es- two state owned and controlled daily papers. These pecially Mozambique and Angola. The Comoro Is- students had little else to inform them other than lands were approaching possible independence but what Professor Ansah painstakingly photocopied there were problems between different political fac- for them from papers and articles that he obtained tions there and between them and the French au- from various sources. But they made very good use thorities. There were other world events of interest of what he provided and remembered much of it in and importance to the African delegations present. considerable detail. At the other extreme I have of- But how were they to keep themselves informed ten addressed students in the UK and the US who with what was in effect a complete news black- have a surfeit of media sources and content and out? Delegations began to besiege members of the yet who are almost always far less well informed. Is BBC team for news. We were in touch with London there a law here that states that the more access and a source of news and independent information. people have to a multiplicity of sources and con- What was happening in Nigeria? What was the Brit- tent the less actual information they retain or under- ish reaction going to be? How would other Europe- stand? I offer this merely as an observation. an countries react? What was the latest news from Lisbon? Would the Comoros become independent? My last story is very recent. In November 2004 I was What was the latest on this and several other sto- in the Gambia setting up and directing a national ries? Many African delegations carried shortwave media survey. I was working with some very com- radios with them of course, as they do still today petent and professional researchers who had little whenever they travel. But they did not all have sets experience of media research and yet they had im- with them and besides, even when they did, they still mense ability to make good use of limited resourc- seemed to expect us, representatives of this major es to do what turned out to be an outstandingly pro- European news medium, to have access to all the fessional job. They learned fast, took on board new latest news. It was a telling example to me of Afri- skills and applied them with a minimum of interven- ca’s dependence for its news from outside the con- tion or further training from me. I also noted that tinent. (I am aware of the ambiguity of that last sen- they were making good use of the Internet to gain tence. Africa, then as now, shows its dependence resources and information that they lacked and to on outside channels for news about itself as well as complement their skills and knowledge. It was an news from elsewhere.) exhilarating and also humbling experience. Not for 58 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) the fi rst time I have seen African professionals mak- Welle Television (DW-TV) and others. But radio, es- ing good use of what little they had access to, and pecially the BBC World Service, Radio France Inter- doing so in an intelligent, original and creative way. nationale (RFI), Radiodifusão Portuguesa (RDP) and Deutsche Welle (DW) are of huge importance and I could tell several more stories like these, all of infl uence. For all four Europe-based radio stations, which show that reliance on outside sources of in- Africa provides by far their largest audiences. It is an formation does not mean a subordinate dependen- astonishing fact but true that at one time, in 1998 be- cy. To the contrary, it is evidence of something both fore the end of military dictatorship the weekly reach positive and progressive. of the BBC in Northern Nigeria was greater than the BBC’s weekly reach in the UK. Deutsche Welle’s Does Europe Dominate? reach in Tanzania was at one time higher than most national radio stations anywhere in the world enjoy Europe has been a dominant infl uence in African in their own countries. The BBC’s service in the So- media from the beginning of modern times. Euro- mali language has probably at times been listened peans played a major role in the establishment of to by more Somalis than any single Somali radio sta- the press and the electronic media. This does not tion in that country. mean that the media today are European or take all their cues from Europe. Far from it. But it does But here we have to be reconciled to another par- mean that African media have an important Europe- adox. Despite this apparent dominance of Europe, an legacy. And this legacy survives in several impor- African media are strongly African in content and tant ways today. outlook. This is less true of TV perhaps and for un- derstandable reasons, but with radio and the press, First of all we see European infl uence in the fact that the dominant themes and concerns are African. African media retain certain features today that were inherited from colonial times. The colonial powers, African Media Underdevelopment without exception, left broadcasting in the hands and the Impact of European Media of the state. When I wrote my book on African me- dia in 1983 I was able to fi nd only two countries on One major feature of African media is their general the continent that had any private radio or TV sta- underdevelopment. African media are neither what tions.2 Even today, despite the emergence of private they ought to be, nor yet what their owners might radio and TV since 1989, the state is still the domi- want them to be. They struggle to survive and do on- nant force. The state remains dominant in the con- ly what they can afford, which is often not very much. tent, control and funding of media. In news terms many of them rarely cover what they might want to cover if only resources would permit. Another legacy of great signifi cance is seen in the As far as coverage of Europe is concerned, very few lines of communication which remain Eurocentric. African media employ reporters in Europe. Some Despite many changes, it is still in many cases easi- have stringers. This is of course very much cheaper er to communicate with Europe than with other Afri- and is likely to happen more in the future. But even can countries. For example, lines of communication this is beyond the means of many African media. between the Democratic Republic of Congo and Europe, or Zambia and Europe, have usually been The last few years have brought about a change easier and speedier than between these two neigh- however. Despite copyright issues and possible bouring countries. Many lines of communication challenges an increasing number of African media between one part of Africa and another still pass are using the Internet as a way of obtaining news of through Europe. events around the world including Europe. An additional area of continuing European infl u- However, it is not from African media that many Af- ence and dominance is in incoming media to Africa. ricans get their information about Europe, but from This is mainly through the medium of radio, but TV European media. The BBC, RFI, RDP and DW are has also played a part, through the media of BBC very widely listened to in several parts of Africa. In World, Canal France International (CFI), Deutsche many capital cities and in some lesser cities and towns these stations are also available on local fre- quencies. This has happened increasingly over the 2 Graham Mytton: Mass Communication in Africa. London 1983. past ten years but it is a new phenomenon. Forum 59 Local relays, rebroadcasts and other ways in which ply programmes of various kinds on tape. These in- the output of European broadcasters could be cluded the BBC, DW, RFI, Radio Netherlands and heard in Africa is not itself new. It happened ex- several others. But these programmes were, almost tensively during colonial times when the British, without exception, outside the fi eld of news and cur- French, Belgian, Portuguese and Italian nation- rent affairs. They had to do with development issues, al radio broadcasters enjoyed a special status in health, education, culture and such less controver- the state broadcasting systems that these coloni- sial content. But they maintained contacts between al powers had established. These special relation- European broadcasters and the African stations ships continued after independence. I remember that were to be important later. as a student in Tanzania in 1967 tuning into Radio Tanzania Dar es Salaam’s English service to hear Deregulation of African broadcasting seemed at such BBC entertainment programmes as Round one time unimaginable. Remember what I said ear- the Horne and My Word. And I well remember when lier about the dominance of the state in broadcast- I later lived in Zambia hearing recordings from the ing in the 1960s. This persisted until the late 1980s. Aldburgh Festival or the Promenade Concerts being Even then it was broken only slowly and fi tfully. And played on Zambia Broadcasting Service (ZBS), the despite the emergence of hundreds of radio sta- state broadcaster. tions not under direct state control, the state still dominates and the state remains the main actor in But by this time, all relays of news broadcasts from broadcasting throughout the continent. But it was the former colonial power had ceased. Nationalism the process of deregulation that gradually allowed required that the news at the very least should be the BBC, RFI, VOA, RDP and others to re-establish wholly national in origin. What this meant in practice rebroadcasting arrangements and facilities all over was very often the suppression of certain kinds of Africa. They can now be heard on frequency modu- news, including anything that refl ected badly on the lation (FM) in several capital cities and lesser towns people in power. all over the continent. Meanwhile the external broadcasters began to build However, while these rebroadcasts are important in a strong reputation for reliable and accurate news. making these broadcast services more widely avail- The BBC developed a very strong African journal- able, they are not the principal reason that these sta- ism strand with programmes such as Focus of Afri- tions continue to attract large audiences in Africa. ca and Network Africa whose reporting on Africa’s The large audiences achieved by these broadcast- events made these programmes required listening ers date back to the period when they were entirely for anyone who wanted to know what was happen- reliant on shortwave. And it remains true today that ing around the continent. Audiences to the BBC by far the greatest proportion of audiences to the grew rapidly throughout the 1970s and 80s and even major international radio broadcasters are reached into the 90s. The same happened with Deutsche on shortwave and not through local FM relays. Be- Welle and, after it had been relaunched in the ear- sides, and this is a point of major importance, FM ly 1980s, Radio France Internationale. (There was relays can be, and often are, cut at a moment’s no- a time when RFI virtually disappeared in the 1970s. tice. Political and other upheavals and controversies After a decade of neglect and decline, it began to have suspended, restricted or ended FM relays of grow again and audiences followed, with great suc- the BBC or RFI or others in Nigeria, the Democratic cess.) RDP from Portugal also had a considera- Republic of Congo, and Ivory Coast. ble degree of success in former Portuguese colo- nies but not until the 1990s when they began again I mention all this not to make any point about the to take seriously the idea of broadcasting to these effi cacy of the different forms of delivery, which countries. would be the topic of a different lecture or presen- tation,3 but to make the point that these news serv- But during the period between about 1965 and 1985, relays of BBC were minimal and there were very few countries taking any news services from RFI or Deutsche Welle either. The same applied 3 See Graham Mytton: International Radio Continues to Depend on to other developed country broadcasters such as Shortwave. An Evaluation of Its Myths of Decline. In: Oliver Zöllner (ed.): Targeting International Audiences. Current and Future Approa- Voice of America (VOA) and Radio Canada Interna- ches to International Broadcasting Research (CIBAR Proceedings, Vol. tional (RCI). Several broadcasters continued to sup- 3). Bonn 2005, pp. 153–164. 60 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) ices on radio remain of great importance today in Af- I have left out the Internet. This is because usage is rica. They almost certainly play a major role not only still very low, but what I do have are comparable da- in informing Africa about itself but also at the same ta on the four media, radio, TV, press and the Inter- time of informing Africa of the rest of the world. In net in terms of ever being used. The national data for the excellent book on this topic, Festus Eribo noted the Gambia are shown in the next chart (Fig. 2).5 in 1997 that foreign radio had a major importance in 100% Radio 96% Nigeria is providing an alternative view of events in 90% TV 83% that country under its military dictatorship. 80% 70% The Nigerian audiences … benefi t enormously from 60% such objective, fair and accurate reporting of local 50% events in foreign media … The availability of interna- 40% tional electronic media has rendered futile the cen- 30% Press 23% sorship instrument of banning the circulation of for- 20% eign print media which were found to be critical of 10% Internet 6% local policies and events.4 0% Figure 2: Media »ever used« in the Gambia (2004, n=2,000) Interest in News Topics and Actual News Coverage These are typical fi gures and are repeated with var- iations in all countries in Africa south of the Sahara We know a great deal these days about media use and north of the Limpopo. in Africa. Largely as a result of surveys conducted mainly for the European and United States broad- My purpose in providing these data here is to give casters, the VOA, BBC, RFI and DW, we have a de- context to a brief section on interest in different tailed picture of media access and use in Africa. I kinds of news, for it has been the practice for sev- don’t propose to summarise this now, other than to eral years on surveys conducted for the BBC to ask say that it shows Africa south of the Sahara as an questions about respondents’ interest in different area where radio is the dominant medium for news. kinds of news or programme topics. Always top of TV is growing fast but is still a long way behind ra- the list of priorities comes local news – that is to say, dio in terms of both access and use. The press is al- news about the country in which the survey is tak- so a long way behind. For example, a national sur- ing place. Next comes news about the rest of Afri- vey in Zambia in 2002 showed that while 63% had a ca. What comes next varies greatly. Sport is usual- radio set at home, the equivalent fi gure for TV was ly high on the list as does news on issues such as 37%. The problem of comparing those two fi gures health and science. News about European coun- with data for the press is to decide what measure to tries is not usually very high up the list, although it is use. And comparable data are diffi cult to fi nd. How- certainly there and signifi cant. ever, results of the recently completed national sur- vey in the Gambia, which I mentioned earlier, pro- Unfortunately I don’t have a lot of recent data and vide comparable data on daily and weekly use of the none that actually focus on the specifi c question three principal media (Fig. 1). of news about Europe. This is usually subsumed under a general heading of »Other International 100% News« or »World News« to distinguish it from Af- Radio 88% 90% rican news. But here for example are some fi g- 80% ures from a survey in Mozambique in 2001. The 70% base for analysis here is all radio listeners, and 60% TV 56%Radio 55% the question asked them to say what types of 50% 40% 30% TV 23% 20% Press 16% 10% Press 5% 4 Festus Eribo/William Jong-Ebot (eds.): Press Freedom and Com- munication in Africa. Trenton 1997, p. 70. 0% Daily Reach Weekly Reach 5 I am indebted to the Gates Foundation and the Gambian Centre for Innovation Against Malaria for permission to publish these results. Figure 1: Daily and weekly reach of press, radio, and TV The survey was conducted in support of a continuing national project in the Gambia (2004, n=2,000) to reduce the incidence of malaria using radio. Forum 61 subject interested them on the radio. I have cho- I would have taken several African media sources sen to show just the top nine topics (Table 1). over a fi xed period and analysed how much of their output was devoted to Europe and compared this National News 91% to total output. But I believe that it would not have Local News 85% shown that there was very much coverage. Howev- Entertainment 79% er, in 2001 I did do some content analysis of media in one country, albeit a rather exceptional one, So- Health 77% malia. Family Life 77% Religion 75% The European Union has been funding a programme News of other African Countries 67% in Somalia to train Somali journalists in both print International News 66% and electronic media. The training until today has been done by the BBC World Service Trust. The EU Sport 58% always wants to know, quite properly, how its mon- Table 1: Information interests (top nine topics) in Mozambique ey is spent and so the BBC commissioned me to (2001, all radio listeners, n=1,372) do some research, and this included doing some analysis of what the media actually reported. In Au- Africans are interested in international news, includ- gust and September 2001 I took the entire output of ing news about Europe. But Europe is less important as many Somali newspapers that I could get hold to them than their own country and less important of, and as many radio stations’ news bulletins that to them than the rest of Africa. It is also of less inter- the BBC Monitoring Unit in Nairobi could record for est than topics such as health, religion and matters me off air. Over the period of four weeks between concerning their home life. The above chart shows the beginning of August and the beginning of Sep- international news coming ahead of sport. That is tember, I analysed over a thousand news stories in not always the case and in several instances from the press and on the radio from media published or recent surveys I have seen, sport, especially foot- broadcast mainly in Mogadishu, Bossaso and Har- ball, comes higher up the list. geisa. The following chart (Fig. 3) shows the results. Of course, Somalia and the autonomous self-de- Not much coverage of Europe clared independent state of Somaliland have many in African media problems that are very much local in scope and as- pect and Europe is not going to be very high on their How much coverage does Europe get in African me- list of what matters. So the following analysis may dia? The short answer is: not a lot. African radio and not be typical. But it shows that an African country’s TV stations do not, with very few exceptions, have media focus on what is important to its consumers their own reporters or stringers in European coun- and so perhaps it is not so exceptional. tries. They rely on the agencies, mainly Reuters and Agence France Presse, and these come mainly via other 17% the national news agencies in the various countries. Africa’s press similarly employs very few of its own social issues, crime, health, reporters or stringers in Europe, although several education, enjoy the occasional facility visit to Brussels or oth- business 23% domestic 49% er European capitals with funds from the European Union or individual countries. But as I noted earlier, we are seeing an increasing use of the Internet for external 3% regional 8% news. Several of them have their own websites and you can read the content of several African media Figure 3: Content of news stories in Somali news media today on the web, but I am not referring to that very (August–September 2001, n=1,087) important development now. What an increasing number of them do is to use the resources of the In- ternet to supplement their news sources for stories from around the world, including Europe.6 6 For an excellent overview of the content of African media see Lou- ise M. Bourgault: Mass Media in Sub-Saharan Africa. Bloomington Ideally I would have done some content analysis 1995. Although written over ten years ago, her analysis and observati- of African media especially for this conference. ons are largely true today. 62 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Only 3% of all stories were about events happen- RELATING RADIO – Das Radio ing outside the East African region. Very few actu- als Beziehungskiste. Ein Tagungskonzept. ally were from other parts of Africa, and most were from Europe or the United States. Many had to do Englischsprachige Begriffe im Feld der Wissen- with Somalia, the United Nations or international is- schaft, stärker noch in Kunst und Kultur, als Label sues to do with security and related matters.7 zu verwenden, hat meist etwas mit einem erhofften Zugewinn an »fl ow« des bezeichneten Gegenstan- In most other countries in Africa we might see a des zu tun. Das gilt auch für den Titel dieser Tagung. slightly higher rating for international news in gen- Im Allgemeinen entsteht dieser »fl ow« aus einer ge- eral and European news in particular. But the fi gure wissen Unschärfe der Begriffe, zwischen intendier- will rarely rise above 10%. ten, vermeintlichen und sich zufällig überlagernden Bedeutungen. Ganz besonders gilt dies, wenn man That project in Somalia is signifi cant to the theme über Medien spricht, bildet doch hier die begriffl iche of this paper – how Africa sees Europe. Europe has Unschärfe das passende Pendant zum romantisch been the continuing source of a great deal of train- geprägten Bild von Medien als rätselhaften Mitt- ing for press and broadcasting professionals. And lern, entweder aufgrund der Unschärfe des Emp- I want to end with an observation by Festus Eribo fangs, oder wegen der scheinbaren Mystik drahtlo- in his book, referred to earlier. He believes that the ser Übertragung, der Unsichtbarkeit der Quelle, der strongest European infl uence in Africa’s media has gespenstischen Verteilung der Radiostimme usw. been through training and with it the spread of the Und auch der Mythos der folgenreich verzerrenden idea of press freedom. He is not saying that Africa’s oder enthüllenden Information trägt zu dieser Vor- press need to get lessons in freedom from Europe, stellung bei. but something rather more interesting and I believe positive. »Relating Radio« ist ein Versuch, sich auf eine dop- pelte Unschärfe zu beziehen: Einerseits geht es im Western education and language have been sig- eben beschriebenen Sinn um das Radio als ein in nifi cant to the freedom of press in Nigeria, but the paradigmatischer Weise mystifi ziertes und mytho- trenches in which the battles are being fought are logisiertes Medium. Andererseits fi ndet sich nach dominated by Nigerians. The journalists are armed 100 Jahren Ideengeschichte und mehr als 80 Jah- with Western libertarian and social responsibili- ren Sendepraxis des Radios eine enorme Fülle an ty media theories in addition to indigenous values. ganz konkreten, gewöhnlichen und kaum spektaku- The availability of Western mass communication lit- lären Verbindungslinien zwischen dem Radio und erature and research is the bedrock of intellectu- der Welt im Allgemeinen. Letztere sprechen unse- al yearning for press freedom. The literature also re alltäglichen sozialen und ästhetischen Beziehun- serves as the source of inspiration for press free- gen zum Radio an, die in den erstaunlich bestän- dom in Nigeria.8 digen Verweisen auf Bertolt Brecht genauso zum Ausdruck kommen wie in Fragen der Eignung und I feel sure that he would agree that the same point Nutzbarmachung für unkonventionelle künstleri- could be made about African media generally, not sche Formen. just Nigerian media. Graham Mytton, Dorking, UK In Bezug zum Radio steht so vieles; fast jede heu- te denkbare Tätigkeit, vom Frühstück über die Ar- beit bis zum Einkauf1 kann durch die Präsenz von Radio gekennzeichnet sein (und ist es auch nicht selten). Nicht alles was wir tun, betrifft auch das Radio ganz unmittelbar, aber es bieten sich heute dazu mehr Möglichkeiten etwa der technischen In- teraktion als je zuvor, z.B. in digitalen Radioformen wie im Fall des Podcasting oder auch, ziemlich ana- 7 Graham Mytton/Robert Fortner: A Baseline Content Analysis of 1 vgl. Thiermann, Sven: Mediale Entgrenzungen im Supermarkt. Zur Somali Media for the Somali Journalists Training Programme of BBC Standort- und Funktionsbestimmung von Instore-Radio, in: Hellmann, World Service. Report, London 2001. Kai-Uwe; Schrage, Dominik (Hg.): Das Management der Kunden, VS 8 Eribo/Jong-Ebot 1997 (as in footnote 3), p. 71. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, S.177–195. Forum 63 log, durch den enormen Zuwachs an Bürgerradios äußerst fragilen und spezifi schen Medienbereich während der letzten Jahre. Mittelbar, also auf Um- kommt die europäische Entwicklung in nicht weni- wegen, betrifft dann aber doch nahezu alles, was gen Aspekten zeitlich nach wie vor nach der (nord-) wir tun, auch das Radio, weil die Welt im Radio ge- amerikanischen. spiegelt, radiophon gedoppelt auftritt, und es stellt sich natürlich die Frage, was dieser Eintritt ins Me- Die Tagung »Relating Radio« prüft die Verbindun- dium mit den Ereignissen, Sachen und Konzepten gen von Radio sowohl zur Kunst als auch zur Wis- anstellt. Über das Radio wurden und werden auch senschaft auf Belastbarkeit. Im institutionellen Ge- immer wieder Geschichten erzählt, etwa von den fl echt steht ein Medium im Ausgangspunkt: Radio verschiedenen Inbesitznahmen und Experimenten Corax, ein nichtkommerzielles Lokalradio in Hal- in der Vergangenheit. Dieser Blick zurück muss mit le, das fast ausschließlich durch ehrenamtliche Tä- dem auf die Zukunft des Radios aktualisiert werden tigkeit betrieben und durch Rundfunkgelder (mehr – und ist umgekehrt Anlass, den Blick nach vorne kri- schlecht als recht) grundfi nanziert wird. Corax’ Re- tisch zu prüfen. levanz liegt weniger im publizistischen als im kul- turellen und sozialen Bereich, wie das wohl für die Radio als »Beziehungskiste« – dieses Sprachbild meisten nichtkommerziellen Radios gilt. Diese all- gibt es nur im Deutschen und es hätte deswegen gemeingesellschaftliche Relevanz ist auch die Ba- gut gepasst, weil eben diese Kiste abhanden zu sis für die Ansiedlung zahlreicher Drittmittelprojekte kommen scheint: Radio geht als technische Funk- an diesem Radio, sei es für die Unterstützung re- tion in andere Geräte ein und verschwindet als Ge- daktioneller Prozesse oder für die Begleitung regi- genstand – schon lang ist es aufgrund seiner All- onalen und überregionalen kulturellen Austauschs. gegenwart so banal geworden, dass es selbst als Sie ist ebenfalls die Basis dafür, dass das Festival, Werbepräsent kaum noch taugt. Was übrig bleibt das als Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bun- ist am Ende vielleicht die reine Idee, das radiopho- des realisiert wird, Radio von Anfang an als gesell- ne Beziehungsgefl echt – eine Struktur, das Radio schaftliches und künstlerisches Gesamtphänomen betreffend. refl ektiert. Dass Medien Veranstaltungen über sich selbst or- Das Ergebnis ist RADIO REVOLTEN, unter des- ganisieren, ist nicht ungewöhnlich. Schließlich wol- sen Dach die Tagung »Relating Radio« stattfi n- len sie etwas über sich selbst erfahren, ein ganz det. Als »kleines Medium« suchte Radio Corax und gar menschliches Bedürfnis. Dabei institutio- das Gespräch mit ganz verschiedenen weiteren nelle Kooperationen einzugehen, ist zwar manch- Institutionen. So schlossen sich an die bestehen- mal unbequem, aber naheliegend – besonders der den Verbindungen zu nationalen und internationa- Gang in Richtung Wissenschaft. In den Sozial- und len Bürgermedien-Verbänden Kooperationen mit Kulturwissenschaften blüht die Beschäftigung mit dem Studienkreis Rundfunk und Geschichte, der Medien, der unaufhörlich zunehmende Umgang Medienanstalt Sachsen-Anhalt und dem Insti- mit Medien bewegt die Gemüter, hier gibt es For- tut für Medien- und Kommunikationswissenschaft schungsgelder, und für Medienthemen lässt sich der Universität Halle an. Das Nebeneinanderstehen leicht Öffentlichkeit herstellen. Aber auch in Rich- dieser Institutionen bzw. Sichtweisen drückte sich tung Medienkunst (im umfassenden Sinne) beste- bereits in der Zusammensetzung der Tagungsjury hen Anknüpfungspunkte. Die letzten Jahre brachten aus: Sabine Breitsameter (eine der Kuratorinnen einen regelrechten Boom an temporären (Kunst- von RADIO REVOLTEN und Professorin für Sound )Projektradios, regional und international, wie ei- in Darmstadt und für experimentelle Klanggestal- nige Beiträge der hier vorgestellten Tagung wider- tung in Berlin), Reinhold Viehoff (Professor für Me- spiegeln werden, denn zum einen ist das Radio ein dienwissenschaft in Halle und aktives Mitglied des maßgeblicher Bestandteil des massenmedialen Ge- Studienkreis Rundfunk und Geschichte), Christia- fl echts und unseres medialen Alltags und daher fa- ne Mennicke (Leiterin des Kunsthauses Dresden), cettenreiches Thema medienkünstlerischer Arbeit; Dieter Daniels (Professor für Kunstgeschichte und zum anderen ist das Radio unter dem Konkurrenz- Medientheorie in Leipzig und Direktor des Ludwig druck neuer Medien(praktiken) seit einigen Jahren Boltzmann Instituts in Linz) sowie Golo Föllmer und auf der Suche nach neuen radiokünstlerischen For- Sven Thiermann (beide Radiopraktiker, Medienfor- men über Hörspiel und Radiokunst im engeren Sin- scher und Kuratoren im audio-/radiokünstlerischen ne hinaus, und diese werden vielfach in intermedi- Bereich) als Tagungsleiter vom Produktionsteam alen Verbindungen gesucht. Und selbst in diesem RADIO REVOLTEN. 64 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Aber nicht nur die wissenschaftlichen Perspekti- benutzt wird und wie es sich den technischen und ven sind vielfältig, sondern der wissenschaftliche institutionellen Wandlungen entsprechend verän- Blick wird hier auch durch den komplementären dert. Die weiteren Fragen ergeben sich von selbst: künstlerischen Blick ergänzt. Das erkennt man viel- Solange es Medien in welcher Form auch immer leicht am besten daran, dass sich die Schwerpunk- gibt, stellt sich die Frage, wer sich ihrer bedienen te der Tagung »Relating Radio« unmittelbar aus den kann und darf. Die daraus abgeleitete Forderung übergreifenden konzeptionellen Fragen des Festi- nach neuen Formen des Zugangs (»Access«) zu den vals ergaben. Ganz oben über den Diskussionen produktiven Mitteln und vor allem zu den Sendeka- zur Ausrichtung des Programms an Ausstellungen, nälen des Radios ist es, die neue Konzepte wie das Performances und Sendungen stand schon früh Podcasting entstehen lässt. Unmittelbar damit ver- die irritierend allgemeine Frage nach der Zukunft bunden ist die Frage nach deren gesellschaftlichen des Radios. Diese machte sich fest an der Verdich- Effekten, nach den Möglichkeiten, die sich durch tung von Umwälzungen seit Mitte der 1990er Jahre. zugangsoffene Medienstrukturen für die Gemein- Neben politischen Umbrüchen im ehemaligen Ost- schaft (»Community«) ergeben. Und schließlich sind block brachten neue Technologien gleich eine gan- politische Umwälzungen in Osteuropa Ursache für ze Reihe neuer Radiokonzepte mit sich: Internetra- vielerlei mediale Veränderungen, die von der »East- dio, digitaler Rundfunk und Podcasting bescherten Side« auch in den Rest der Welt hineinstrahlen und in verschiedenen Lagern Schübe euphorischer daher keinesfalls nur dort Relevanz haben, sondern Aufbruchsstimmung. Und während diese Innova- zum einen als paradigmatische Beispiele weltweite tionen sich zumindest in den ersten beiden Fäl- Tendenzen besonders deutlich aufscheinen lassen, len als erheblich weniger tragfähig erwiesen, als er- zum anderen in der Differenz die (nicht immer zu- hofft, machten Hörerzahlen überraschenderweise recht für selbstverständlich erachteten) Eigenschaf- deutlich, dass das Radio auch angesichts massiver ten der westlichen Radiomodelle noch einmal klarer Konkurrenz durch alte und neue Medien zumindest vor Augen führen. quantitativ partout nicht sterben will. Im Tagungsprogramm spiegelt sich die Parallelisie- Was bei den Diskussionen um die revolutionären rung von Sichtweisen und institutionellen Kontex- neuen Konzepte ebenfalls deutlich wurde, war der ten wider: Die einzelnen Beitragenden wurden nicht Umstand, dass die Konzepte zwar revolutionär, als ‚Vertreter‘ eines Typs von Institution, sondern als aber tatsächlich nur zu geringen Anteilen neu waren. Repräsentanten eines Diskurses ausgewählt, der in Die Öffnung der Sendekanäle wie auch die Fundie- ihrem Arbeitsumfeld geführt wird. Im Ergebnis ste- rung der neuen Radiopraktiken in Grassroots-Ak- hen dezidiert politische neben ästhetischen, prag- tivitäten zur Jahrtausendwende waren knapp 100 matischen und historisch einordnenden Positionen Jahre zuvor in sehr ähnlicher Weise schon einmal das Radio betreffend. Wenn dabei Radiomacher, geschehen oder gefordert worden. So entstand das Künstler und Wissenschaftler (nicht selten auch in Bild von einer nicht abreißenden Serie von Umbrü- einer Person vereint) sich gegenseitig zuhören und chen und Revolten, die ein Medium begleiten – und verständigen, könnte dies dazu beitragen, die oft- am Leben halten. Und es stellte sich natürlich die mals engen formalen und logischen Grenzen des ei- Frage, inwiefern sich die jeweiligen Visionen decken, genen institutionellen Kontextes zu überschreiten – inwiefern sie mittlerweile als umgesetzt gelten kön- auch eine Art Beziehungsarbeit mit und durch das nen und welche noch auf ihre Umsetzung warten, Radio. wo also Potenziale des Radios schlummern. Golo Föllmer (Halle/Saale) Sven Thiermann (Berlin) Wie divers die künstlerischen Ansätze in Bezug zum Radio – relating radio – sind, zeigt sich daran, dass »Relating Radio« Fragen zur Kunst des Radios nicht ausschließlich 4.–5.10.2006 in Halle im Panel »Radio und Kunst« vertreten sind, sondern Das ausführliche Tagungsprogramm auch zu »Community«, »Access« und »East-Side« ist erhältlich unter: existieren radiokünstlerische Projekte und werden http://www.radiorevolten.radiocorax.de/fi les/RR_ dementsprechend dort diskutiert. Im Panel »Radio Flyer_RZ.pdf und Kunst« geht es daher um die allgemeine Frage, Anmeldungen bitte bis 22.9.2006 unter: wie das Radio als produktive Struktur »initialisiert« http://radiorevolten.radiocorax.de/kongress/ werden kann und wie es in seinen Einsatzformen als anmeldung/ künstlerische Struktur funktioniert, wie es konkret Forum 65 Nur Kiezgeschichten aus dem Global Village? ger, Buch-, Film- und Technikblogger, vor allem Ein Spaziergang in der Blogosphäre. aber Querbeet-Blogger. … In Klein-Bloggersdorf geht es nicht anders zu als in jedem real existieren- Kürzlich las ich über eine neue Ich-Manie im In- den Kaff.«3 ternet: »So entblößen sich Abermillionen im Netz – mal als Besserwisser bei Wikipedia & Co, mal im Auf der Suche nach für einen Medienhistoriker eigenen Online-Tagebuch, mal ganz profan mit ver- nutzbaren Ressourcen in der Weblog-Welt emp- huschten Nacktfotos vor der heimischen Schrank- fängt mich freundlich das »Recherchen-Blog«4. wandkombination.«1 Gehören also die Online-Tage- Die Schweizer Webseite dreier Infobroker, also pro- bücher, wie Weblogs oft genannt werden, zur rein fessioneller Rechercheure, hat folgendes Credo: unwissenschaftlichen, zur privaten, zur »verhusch- »Grundsätzlich berichten wir vor allem über Info- ten« oder maximal kommerzialisierten Seite des quellen, die kostenlos zugänglich sind und unse- Internet? An privaten Online-Entblätterungen bin ren Lesern dadurch einen hohen Nutzen bringen. ich nicht interessiert, aber Wikipedia ist als Lexi- Darüberhinaus verraten wir Tipps und legale Tricks, kon für mich geradezu unersetzbar geworden. Ins- wie auch mit kommerziellen Fachdatenbanken ak- besondere für die digitale Welt sind die Informatio- tiv Geld gespart werden kann.« Die Seite ist in zwei nen aktueller als jeder mühsam zu recherchierende Säulen geteilt, auf der rechten Seite fi nden sich Grundsatzartikel. Sie sind gut strukturiert, und sie in einfacher Struktur Links zu Suchkategorien wie enthalten eine Vielzahl von Netz- und Literaturver- Pressearchive/Onlinearchive, Fachblogs oder Inter- weisen, die letztlich auch zur Verifi zierung der ange- netrecherche. Dahinter wiederum sind die Einträge botenen Inhalte beitragen. Und wie sieht es mit den der »Recherchenblogger« mit den entsprechenden Weblogs aus? Links zu fi nden. Zur Recherchen-Kategorie »Serie Fachblogs« fi nden sich hier beispielsweise als ak- Wikipedia bringt es defi nitorisch auch hier auf den tuelle Information der Hinweis auf eine Magisterar- Punkt: »Ein Weblog, […] oft einfach nur Blog ge- beit über »Weblogs in der Wissenschaft« und der nannt, ist eine Webseite, die periodisch neue Ein- dazugehörige externe Link. Die Recherchen-Kate- träge enthält. Neue Einträge stehen an oberster gorie »Pressearchive/Onlinearchive« berichtete zu- Stelle, ältere folgen in umgekehrt chronologischer letzt von dem Onlineprojekt der Schweizerischen Reihenfolge.«2 Diese Einträge können kurze Web- Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR-Archive. Links sein, Kommentare zu Fundstücken im Netz Die Nachricht stammt aus einem anderen Weblog, enthalten, oder ganze Kurzgeschichten sein. Das dem »Netbib-Weblog«. Selbstverständlich sind die schließt Tonmaterial, Fotografi en oder Videoschnip- Texte auf dem Rechercheblog mit Netbib, mit der sel ein. Weblogs waren seit Mitte der 1990er Jahre Startseite der SRG SSR-Archive und mit einzelnen zunächst vor allem kommentierte Linklisten, eben Unterkapiteln verlinkt. Online-Logbücher, die die Reise der jeweiligen Ka- pitäne durchs Internet dokumentierten. Es entwi- Bereits die Hauptseite des »Recherchen-Blogs« ckelten sich schnell persönliche Netz-Tagebücher enthält neben diesen internen Verlinkungen auch sowie format- und themengebundene Weblogs. externe Links ins Netz, Links zu empfohlenen Blogs5, Seit mehreren Jahren gibt es recht einfach zu hand- Feedlinks, Newslinks und selbstverständlich Kom- habende Programme, mit denen man sich ein eige- mentarlinks. nes Weblog basteln kann. Das wiederum hat seit einigen Jahren zur weiten Verbreitung, professio- Die dahinter liegenden vernetzten Strukturen nellen Anerkennung und Ausdifferenzierung von sprachlich zu vermitteln, gestaltet sich allerdings Weblogs geführt. Inzwischen gibt es Vlogs (Video- recht schwierig. Betrachtet man das »Recherchen- logs), Warblogs (Kriegstagebücher), Linkblogs (the- Blog« als einen Marktplatz in »Klein-Bloggersdorf«, matische Linklisten in Blogform), Watchblogs (me- von dem verschiedene Verkehrsschilder in unter- dienbeobachtende Blogs) und vieles andere mehr. Eine andere, zwar weniger sachliche und dennoch sehr treffende Charakterisierung der Weblog-Welt 1 Frank Hornig: „Du bist das Netz!« Spiegel 29/17.7.2006, S.62. gibt Monika Porrmann, Journalistin der Frankfurter 2 http://de.wikipedia.org/wiki/Weblog. Abruf 30.7.2006. Rundschau und www.dailymo.de-Gastgeberin: »Da 3 http://www.fr-online.de/blogs/?em_cnt=654255. Erschienen am gibt es Wort- und Rädelsführer, Großmäuler und 23.3.2005, letzter Abruf 30.7.2006. 4 http://recherchenblog.ch/ stille Wasser, Individualisten, Kuschelgruppen, Ver- 5 Ein weiterer nützlicher Link ist hier etwa der Archivalia-Blog unter eine und Cliquen. Es gibt Politblogger, Strickblog- http://archiv.twoday.net, letzter Zugriff am 30.7.2006. 66 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) schiedlichste thematische Richtungen der Inter- entmaterialisieren. Zack weg, nie da gewesen. Lei- netwelt zeigen, dann verbergen sich hinter den an- der geht das nicht so einfach. Daher kann man jetzt gegebenen Links eben weitere Marktplätze, die 50 Jahre Fernsehgeschichte in der dritten und vier- wiederum in die unterschiedlichsten Richtungen ten Etage des Filmhauses Revue passieren las- weisen, mal zu Vergnügungsparks und manchmal sen. Aber wer will das schon?«9 Neben Presse- und auch in Einkaufszentren. Das ist ein Unterschied zu Zeitschriftenaufsätzen fi ndet sich auch das Online den Internetportalen, die zwar auch externe Links Grimme Award-Preisträger-Blog »Ehrensenf«10. Die enthalten, ihre eigentlichen Informationen jedoch Internet-Nachrichtenshow wird auf den 10.Jahres- eher bündeln als verknüpfen. Deshalb steht an die- tag der Gründung des Fernsehmuseums vorverlegt ser Stelle der einfache Hinweis: Ein Besuch lohnt und Moderatorin Katrin Bauerfeind zeigt den Besu- sich. chern die Dekoration von »Ehrensenf« (»Aber bitte nicht berühren. Das ist Sperrholz«), das als media- Das »Jonet-Medienlog« ist mein letzter Anlaufpunkt le »Eintagsfl iege« in selbige Geschichte eingegan- im kurzen Netzspaziergang. Die Journalisten-Web- gen sei. site beinhaltet vor allem das Medienweblog6, auf dem tagesaktuell sämtliche Zeitungen nach Nach- Fazit: Nein, Blogs sind nicht in etwa das Gleiche wie richten zu Medienthemen ausgewertet und als Portale oder Netzzeitungen. Sie besitzen meist ei- Linkliste eingestellt werden. Doch mich interessiert ne sehr einfache Oberfl äche, sie sind jedoch in der die Archivrecherche. Interessant an den Weblogs ist Tiefe zeitbezogener und interaktiver als die anderen ja, dass die neuesten Einträge grundsätzlich ganz Webformate. Vor allem thematisch bieten sie neben oben stehen. Damit trägt jedes Blog sein Verfalls- riesigen Bandbreiten sehr große Differenzierungs- datum wie auf die Stirn gedruckt. Man spart sich die möglichkeiten. Jedem sein Dorf: The Global Village Suche nach der »letzten Aktualisierung«, man sieht erfi ndet sich seine Kiezgeschichten. Und die müs- auf den ersten Blick, ob es sich um frisches Obst sen nicht unwissenschaftlich sein. oder angetaute Ware handelt. »Jonet« ist selbstver- Steffi Schültzke, Halle/Saale ständlich brandaktuell, aber hier gibt es eben auch eine Archivsuche. Die meisten Weblogs enthal- ten ihre eigene Archivierung an prominenter Stelle: nach Tagen sortiert oder mit einer einfachen Such- abfrage. Das bedeutet ganz medienwissenschaft- lich beobachtet: Hier schreibt das schnelllebigste Medium seine Archivierung gleich mit. Bei »Jonet« funktioniert das für ältere Einträge nur noch wie ein Findbuch oder ein elektronischer Aufsatznachweis. Denn, wenn man einen Suchbegriff eingegeben hat, erscheinen zwar noch alle Links und das Veröffent- lichungsdatum. Die weiter zurückliegenden Inhalte sind jedoch oft auf den Verweisplattformen bereits gelöscht oder in das – jetzt kostenpfl ichtige – Zeit- schriftenarchiv verschoben. Immerhin waren im Ju- li7, also acht Wochen nach Eröffnung des Berliner Fernsehmuseums, bei der Suche nach dem Stich- wort »Fernsehmuseum« noch 12 von 13 Links nutz- bar und enthielten Beiträge der Printmedien wie FAZ und SZ, Beiträge von Deutschlandradio Kultur so- wie netzexklusiver Anbieter wie der Netzeitung: ein schönes multimediales Ergebnis, wie ich fi nde. 6 http://www.jonet.org/showlog.html, letzter Zugriff am 30.7.2006. Eine Suche nach gleichem Stichwort erzeugt bei 7 Letzter Zugriff auch hier am 30.7.2006. der Blog-Suchmaschine »Technorati«8 26 Treffer. 8 http://www.technorati.com Drunter befi nden sich Kommentare wie: »Wenn ir- 9 „Ach, wat is dat schön« von Lars Roth In: http:// gendwas zum alten Eisen gehört, kommt es eben kunst.germanblogs.de/archive/2006/07/05/l4g01iege73a.htm#fullte xt , letzter Zugriff am 30.7.2006. ins Altersheim oder ins Museum. Obwohl es viel 10 http://www.ehrensenf.de/2006/06/01/im-fernsehmuseum/ sinnvoller wäre, für alle Beteiligten, es einfach zu ?vid=WMV, letzter Zugriff am 30.7.2006. Rezensionen Internet-Rezension Einen solchen Versuch der Vernetzung unternimmt Das Netzwerk Mediatheken das 2002 gestartete Internetportal »Netzwerk Me- diatheken«, das gemeinsam vom Deutschen Rund- Wer sich heute in Deutschland auf die Suche nach funkarchiv (DRA) und der Stiftung Haus der Ge- historischen Filmen und Fernsehbeiträgen macht, schichte (HdG) betrieben wird. Erklärtes Ziel dieses muss nicht nur einen fast schon kriminalistischen Projekts ist »die dezentral-vernetzte Sicherung, Be- Spürsinn aufbringen, sondern auch über ausgewie- wahrung, Erschließung und Bereitstellung audiovi- sene Insiderkenntnisse verfügen, sieht er sich doch sueller Quellen und Materialien als bedeutendes einer geografi sch unübersichtlichen und in sich he- Kulturgut für die interessierte Öffentlichkeit, im Spe- terogen strukturierten Archivlandschaft gegenü- ziellen für Erziehung, Unterricht, Wissenschaft, For- ber. Heterogen sowohl hinsichtlich der Bestände schung, Lehre und Kunst«6. Diesen Anspruch gilt es und deren Trägerschaft wie auch in Hinblick auf im Folgenden zu überprüfen. den Grad ihrer Erschließung und die Form ihrer Zu- gänglichkeit. Eine oftmals mangelhafte personel- Das Portal wird über sechs Hauptmenüpunkte er- le wie fi nanzielle Ausstattung vieler Archive, unter- schlossen: »Ziele«, »Partner«, »Termine«, »Projekte«, schiedliche Gebührenordnungen sowie fehlende »Publikationen« und »Recherche«. oder unzureichende Findmittel erschweren darüber hinaus den Zugriff auf das anvisierte Material. Unter »Partner« fi ndet sich eine Liste von über 40 teilnehmenden Institutionen, zu denen neben den Anfang 1994 unternimmt das Bundesarchiv Kob- beiden bereits genannten auch die Bundeszentrale lenz den ersten großen Versuch einer Erhebung für politische Bildung, das Goethe-Institut, das IWF - aller deutschen Archive, die über Film- und Vide- Wissen und Medien gGmbH, das ZKM – Zentrum für obestände verfügen. Erfasst und 1996 in einem Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, zahlreiche voluminösen Materialband veröffentlicht werden Museen und Medienarchive in universitärer, kom- knapp 1.000 Einrichtungen.1 Dass diese Kompila- munaler und Landes- sowie Einrichtungen in priva- tion keineswegs den Anspruch der Vollständigkeit ter Trägerschaft, wie das Klaus-Kuhnke-Archiv für für sich erheben kann, zeigt unter anderem eine vier populäre Musik gGmbH gehören. Mit dem Arbeits- Jahre später erfolgte Umfrage des Filmverbandes kreis Filmbibliotheken ist zudem der Anschluss an Sachsen e.V., die allein für dieses Bundesland 183 ein weiteres bestehendes Netzwerk gefunden. Zu Bestandsträger aufl istet .2 Die Erhebung des Bun- den meisten Partnern kann eine zusätzliche Infor- desarchivs hatte für Sachsen nur 43 relevante Ar- mationsseite über das jeweilige Haus und seinen chive ermittelt. In der Folge sind es dann in erster Medienbestand aufgerufen sowie, wo vorhanden, Linie auch regionale Initiativen, die die mediale Ar- auf deren Datenbanken gelinkt werden. Die inhalt- chivlandschaft weiter erschließen.3 liche Ausgestaltung dieser Infoseiten war offenbar den Archiven selbst überlassen worden, was sehr Angesichts dieser Zahlen und Sachlage stellt sich uneinheitliche Ergebnisse zur Folge hat: So fi nden die Frage nach der Relevanz einer zentralen Deut- schen Mediathek, wie sie seit 1986 auf eine Initia- tive des Dokumentarfi lmers Eberhard Fechner hin 1 Topographie audiovisueller Quellenüberlieferung – Film- und Vi- betrieben wird und bis heute zu keinem stimmigen deobestände in Archiven und archivischen Einrichtungen in der Bun- Ergebnis gekommen ist4. Wäre es da nicht opportu- desrepublik Deutschland, bearbeitet von Verena Bockhorn, Helmut ner und der komplexen und föderativen Struktur des Morsbach, Silke Ronneburg und Wolfgang Schmidt (= Materialien aus dem Bundesarchiv Heft 3). Koblenz 1996. deutschen Archivwesens adäquater, die zur Verfü- 2 Bewegte Bilder – Film- und Videobestände in Sachsen, hrsg. vom gung stehenden Kompetenzen und Mittel in die Er- Filmverband Sachsen e.V., Dresden 2000. schließung und den Ausbau der bestehenden ar- 3 Siehe u.a.: Filmschätzen auf der Spur. Verzeichnis historischer Film- bestände in Nordrhein-Westfalen, hrsg. vom Nordrhein-Westfäli- chivarischen Infrastruktur und deren Vernetzung zu schen Hauptstaatsarchiv. Düsseldorf 1997 und Filmschätze in Baden- investieren? Ein Ziel, wie es schon ansatzweise in Württemberg, hrsg. vom Haus des Dokumentarfi lms. Stuttgart 2002. den ersten Planungen zu einer Deutschen Media- 4 Kramp, Leif: Happy-End im Trauerspiel? Die Entwicklungsge- thek formuliert und in einer Projektskizze des Grün- schichte der »Deutschen Mediathek« und Perspektiven für ein »Deut- sches Fernsehmuseum«. In: RuG Jg. 31 (2005), H. 3/4, S. 5–19. dungsbeauftragten Helmut Drück aus dem Jahre 5 Ebenda 2005, S. 12. 1995 ausdrücklich gefordert wird.5 6 www.netzwerk-mediatheken.de/zielsetzung/ziel.html 68 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) sich auf der Seite zum Haus der Geschichte zwar boten. Die Unterkategorie »A–Z« bietet eine alpha- ausführliche Informationen über den Einsatz audi- betische Schlagwortsammlung, die offensichtlich ovisueller Medien in den Ausstellungen des HdG, nicht redaktionell erstellt, sondern den Netzwerk- aber kaum Angaben über Zugang und Sichtung der partnern überlassen worden war. Die Auswahl der Bestände für externe Nutzer. Hier wäre die Anwen- hier verwendeten Begriffe wirkt unkoordiniert und dung eines standardisierten Fragebogens, wie er im willkürlich. Einträge wie »Akusamtische Musik«, Falle der oben genannten Buchveröffentlichungen »Musik für Lautsprecher« oder »Postkutsche« er- durchgängig üblich war, sinnvoll gewesen. schließen sich in ihrer Intension nur dem Insider. Zum Teil schon kurios auch die Zuordnung der Netz- Bei der Durchsicht der Partner fällt das Fehlen werkpartner zu den Schlagworten. So fi ndet man wichtiger deutscher Medieneinrichtungen auf. So unter dem Stichwort Kino allein das Goethe-Insti- vermisst man etwa die Friedrich-Wilhelm-Murnau- tut, wo man zumindest die Stiftung Deutsche Kine- Stiftung und die Transit-Film mit ihren immensen mathek und das Filmmuseum Berlin erwartet hätte, Filmbeständen vor 1945, wie auch die DEFA-Stif- unter Künste erstaunlicherweise nur das IWF, aber tung und den Progess-Film, die wichtigsten An- keinerlei Hinweis auf das ZKM oder die Kunsthoch- sprechpartner und Archive für das DDR-Kino. Alle schule für Medien in Köln, allesamt Netzwerkpart- vier genannten Institutionen stellen auf ihren Inter- ner. Nicht nur hier wären eine stringentere redakti- netseiten Bestandsabfragen und in ihren Häusern onelle Betreuung des Portals und die Anwendung Sichtungsmöglichkeiten ihrer Medienbestände zur eines systematischen und benutzerorientierten Verfügung.7 Auffällig auch der fehlende Hinweis auf Thesaurus dringend anzuraten. das Internetportal Filmportal.de, ein Projekt des Deutschen Filminstituts – DIF e.V. in Zusammenar- Das erklärte Ziel des Internetportals »Netzwerk beit mit CineGraph – Hamburgisches Centrum für Mediatheken« ist zu begrüßen, nämlich durch die Filmforschung e.V. und Mitgliedern des deutschen gemeinsame Allianz Kompetenzen und Wissen zu Kinematheksverbundes und den Verbänden der bündeln, den beteiligten Institutionen eine kommu- Filmwirtschaft, das nach eigenem Bekunden eine nikative Plattform zu schaffen und die Medienbe- Datenbank mit Archivnachweisen zu 38.000 deut- stände einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu ma- schen Filmen zur Verfügung stellt.8 Dies überrascht chen. Es wäre somit wünschenswert, wenn das umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass das DIF Netz an Partnern kontinuierlich ausgebaut würde. Mitglied des hier besprochenen Netzwerkes ist. Ob eine solche Erweiterung intendiert ist, ist nicht zu erkennen. Wenn es darüber hinaus dann noch ge- Vergeblich sucht man darüber hinaus auch die deut- länge, die allein schon durch die unterschiedlichen schen Fernsehanstalten unter den Partnern. Zwar Trägerschaften und fi nanziellen Handlungsrahmen fi nden sich unter »weitere Partner« erstaunlicher- der Archive gegebenen Divergenzen in der Erschlie- weise das ARD-Hauptstadtstudio und die Doku- ßung, Sicherung und Dokumentation des Archivgu- mentations- und Archivabteilung des WDR, doch tes auf gemeinsame Standards zu harmonisieren sind zu beiden Einrichtungen keine weiteren Infor- sowie eine übergreifende Benutzer- und Gebüh- mationen hinterlegt und die Links führen nicht auf renordnung zu erwirken, wäre tatsächlich ein »zu- deren Archivbestände, sondern nur auf die Start- kunftsorientiertes Handlungskonzept«9 erreicht. seiten der beiden Sender. Hinweise auf die priva- Thomas Hammacher, Essen ten Sender fehlen zur Gänze. Damit erweist sich der bisherige Korpus an Netzwerkpartnern als ausge- sprochen rudimentär. Unter den Rubriken »Termine«, »Projekte« und »Pu- blikationen« fi ndet man entsprechende Einträge zu den gelisteten Netzwerkpartnern. Alle durchweg in- formativ und tagesaktuell. Den für den Nutzer des Portals größten Mehrwert bietet sicherlich die Rubrik »Recherche«. In der Un- terkategorie »Datenbanken« werden alle von den 7 Siehe hierzu: www.murnau-stiftung.de, www.transit-fi lm.de, www.defa-stiftung.de, www.progress-fi lm.de Netzwerkpartnern zur Verfügung gestellten Online- 8 www.fi lmportal.de Datenbanken aufgelistet und Links zu diesen ange- 9 www.netzwerk-mediatheken.de/zielsetzung/ziel.html Rezensionen 69 Manfred Kops (Hrsg.) Jahren wenig übrig geblieben. Seinen Funktions- Der Kulturauftrag begriff, den Stock im Verlauf des Bandes anhand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. der Rundfunkentwicklung in Nord-Rheinwestfalen (= Beiträge des Kölner Initiativkreises überprüft, entwickelt er aus der vom Bundesverfas- öffentlicher Rundfunk, Band 2) sungsgericht begründeten Rundfunkfunkfreiheit als Münster: Lit-Verlag 2005, 181 Seiten. einer dienenden Freiheit, die er als Funktionsgrund- recht bezeichnet, das auch für den privaten Sektor Martin Stock zu gelten hat. Das deutsche duale Rundfunksystem: Alte Probleme, neue Perspektiven. Dass dies umzusetzen aber keinesfalls gelungen (= Schriften zum Informations-, Telekommunikati- ist, macht er an der Analyse des Landesmedien- ons- und Medienrecht, Band 31) gesetzes in NRW deutlich. Stock beschreibt die Münster: Lit-Verlag 2004, 118 Seiten. Schwierigkeiten der Regulierung ebenso wie die in- haltlichen Eckpunkte und Schwachstellen, die Ne- »Im kommerziellen Sektor des Dualen Systems wird gativentwicklungen sowohl auf Seiten des privaten die Public Service-Konzeption des Rundfunks we- wie auf Seiten des öffentlich-rechtlichen Rund- sentlich, systematisch und notwendig verfehlt«. Die- funks zur Folge hatten. Dies seien einerseits De- se – nicht unbedingt neue – Feststellung, die Ros- fi zite bei der Ausgestaltung der Programmaufsicht sen-Stadtfeld innerhalb des von Manfred Kops durch die Landesmedienanstalten, wie sie durch herausgegebenen Bandes ausführt, um die öffent- das neue Landesmediengesetz in NRW geschaf- lich-rechtliche Verantwortlichkeit für Kultur im Rah- fen worden seien. Stock argumentiert, dass noch men des dualen Rundfunksystems zu begründen, nicht absehbar sei, ob man auf dieser Grundlage wird in einer anderen Publikation des Lit-Verlages die verfassungsrechtlichen Standards auch im pri- von Martin Stock ausführlich erläutert. Während vaten Sektor im ausreichenden Ausmaß realisie- die zuerst genannte Schrift zum Kulturauftrag des ren könne. Auf der anderen Seite wirke der öko- öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf eine Tagung nomisch-publizistische Wettbewerb innerhalb des des Initiativkreises öffentlicher Rundfunk in Köln dualen Systems auf die Programmgestaltung im zurückgeht, hat Stock, ebenfalls Mitglied des Initi- öffentlichen Sektor, was gerade im Unterhaltungs- ativkreises, den Band »Das deutsche duale Rund- sektor zu einer Dominanz quotenträchtiger Mas- funksystem: Alte Probleme neue Perspektiven« in senprogramme jenseits von öffentlich-rechtlichen der Reihe zum Informations-, Telekommunikations- Qualitätsstandards führe. und Medienrecht herausgegeben. Beide ergänzen sich hervorragend.1 Es ist das Verdienst dieser Schrift, dass sie es nicht bei dieser deprimierenden Analyse belässt, son- Stocks Schrift ist eine pointierte, gleichermaßen dern vielmehr aufzeigt, welche Handlungsalternati- parteiliche – parteinehmend für eine konsequente ven verbleiben. Stock empfi ehlt eine Refl exion über Umsetzung des normativ geprägten Rundfunkfunk- Programmauftrag und Programmgrundsätze, die tionsauftrages – wie kritische und desillusionieren- sensibel ist für die Risiken, die sich im dualen Sys- de Analyse dessen, was als Bilanz des dualen Sys- tem ergeben. tems zu ziehen ist. Sein Ansatzpunkt ist hierbei die notwendige Orien- Von der Grundidee der funktionsadäquaten Ord- tierung der Öffentlich-Rechtlichen an einem Qua- nung, nämlich einen publizistischen Qualitätswett- litätsbegriff, den es noch zu konkretisieren gelte bewerb und darauf fußend ein funktionstüchtiges und dem durch die neuen gesetzlichen Instrumente duales System zu schaffen, ist laut Stock nach 20 »Selbstverpfl ichtung« und »programmliche Selbst- bindungen« neue Dynamik zu geben sei. Im Ergeb- nis könne es dann vielleicht zu einer Erneuerung 1 Der Initiativkreis öffentlicher Rundfunk setzt sich nach eigenen des dualen Systems kommen, das in der Zukunft Angaben mit Veranstaltungen, Tagungen und Publikationen für einen leistungsfähigen öffentlichen Rundfunk ein und begleitet insbesonde- möglicherweise einen asymmetrischen Charak- re rechtliche Rundfunk-Debatten. Neben dem Initiativkreis Köln, dem ter bekommen werde: ein stabiler öffentlicher Sek- vor allem ehemalige Mitglieder des WDR aber auch Wissenschaftler tor, der Qualitätssicherung als permanente Heraus- angehören, gibt es noch zwei weitere Kreise in München und Berlin. forderung ernst nimmt und der einen im Seichten Es sei der Transparenz halber angemerkt, dass die Rezensentin eben- falls dem Initiativkreis öffentlicher Rundfunk angehört. Ihr wurde die ausufernden privaten Sektor auszugleichen in der Rezension angetragen, bevor sie dem Kreis beitrat. Lage ist. 70 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Ein wesentlicher Ansatzpunkt, den öffentlichen rechtlichen Kulturauftrags und zeigt Lücken auf, Sektor zu stärken und zu stabilisieren, ist sein Kul- die der schwierigen Gratwanderung zwischen kul- turauftrag. Doch was verbirgt sich hinter diesem viel turellem Anspruch des öffentlich-rechtlichen Pro- genutzten Begriff, der die Gebühren rechtfertigen gramms und dem Versuch, Massenattraktivität zu muss, Programmziele defi niert und von jeweils inte- wahren, geschuldet sind. Er plädiert dafür, das Ver- ressierter Seite anders ausgelegt wird? Wie ist der fahren zur Quotenmessung grundsätzlich zu revi- Stellenwert der Kultur für den öffentlich-rechtlichen dieren, damit der öffentliche Kulturauftrag neu be- Rundfunk aus rechts- und medienwissenschaftli- wertet werden kann. cher Sicht zu bestimmen? Wie erfüllt er seinen Kul- turauftrag? Und wie ist der Stellenwert der Kultur Erfreulich ist die Stellungnahme aus Sicht der Bun- im Programmangebot zu bestimmen? Die im Januar desregierung. In Stellvertretung verweist Hans 2005 vom Initiativkreis öffentlicher Rundfunk in Köln Ernst Hanten auf die Gefahren einer blinden Öko- veranstaltete Tagung sollte hier Klärung bringen. nomisierung im Rundfunksektor. Zugleich plädiert Einig war sich die Mehrheit der Redner auf dieser er für eine normative Betrachtungsweise, die Kul- Tagung darin, dass es wenig zum Ziel führend sei, tur umfassend als eine Werthaltung defi niert, aus einen Begriff der Hochkultur gegen einen anderen der sich besondere Anforderungen an das gesam- auszuspielen, der sich daran orientiert, was in brei- te Programm, nicht nur das der Kulturberichterstat- teren Schichten der Bevölkerung an Kultur goutiert tung ergeben. Diese Herausforderung sei nicht nur bzw. dafür gehalten wird. in der Aufgabe zu sehen, sich nicht nur auf Wirklich- keit zu beziehen, sondern sie auch verständlich zu Zu erwarten war angesichts der Gastgeber und der machen. Dass dieser so verstandene Kulturauftrag Referenten, dass im Ergebnis der öffentlich-recht- weder auf die bisherigen Zielgruppen noch auf die liche Rundfunk als wichtiger Kulturträger defi niert bisherigen Übertragungswege zu beschränken ist, werde. Doch wie ist die diesbezügliche Argumen- macht Hanten mit seinem Eintreten für eine stärke- tation und Beweisführung? Nimmt sie auch Defi zi- re Berücksichtigung von Migranten deutlich, zu de- te in den Blick? ren Integration elektronische Medien auch einen Beitrag leisten könnten. Zudem verweist er auf die Es gerät zu einem Manko des Tagungsbandes, dass Möglichkeiten, die neue Online-Medien für die Ent- der überwiegende Teil der Beiträge die Klärung aus wicklung eines kulturellen Gedächtnisses bereit- einer grundlegenden Haltung der Verteidigung her- stellen könnten. aus vornimmt. Das gilt insbesondere für die Beiträ- ge, die punktuell deskriptiv über die Aktivitätsfel- Am weitesten greift der eingangs schon erwähnte der des WDR die hervorragenden Kulturleistungen Beitrag von Helge Rossen-Stadtfeld aus, der aus dieser größten der öffentlich-rechtlichen Anstalten rechtswissenschaftlicher Sicht zu klären versucht, schildern. Sie bieten gute Argumente für die Per- wie der Kulturauftrag überhaupt zu bestimmen ist. spektive, dass und wie öffentlicher Rundfunk den Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit Kulturauftrag realisiert, lassen aber naturgemäß dem schwierigen Kulturbegriff entwickelt er eine eine Analyse der Schwachstellen vermissen. Das Bestimmung des Kulturauftrages, die deutlich über wird auch in den Diskussionsbeiträgen zu den Vor- das hinaus geht, was in den Landesrundfunkgeset- trägen dokumentiert. Auch der Beitrag von Josef zen ohnehin schon als Aufgabe für den öffentlichen Eckhardt, der über einen langen Zeitraum seit Be- Rundfunk formuliert wird und Kultur – in einem wei- ginn des Rundfunks empirische Erkenntnisse zu An- ten Verständnis – immer schon beinhaltet. Rossen- gebot und Rezeption kultureller Programme darlegt, Stadtfeld versucht stattdessen, den Kulturauftrag bietet diesen Fokus nicht. aus der aktuellen Befi ndlichkeit des dualen Rund- funksystems heraus zu entwickeln. Er plädiert für ei- Und Ingrid Haas, die aus Sicht des privaten Rund- nen differenzorientierten Kulturauftrag, der sowohl funks Desiderate für Kulturprogramme im öffentli- im hochkulturellen wie im massenkulturellen Be- chen Rundfunk beschreibt, bringt ebenfalls keine reich »auf die Vermittlung, Darstellung und Durch- neuen Impulse, da ihre Ausführungen zu offensicht- dringung dessen (zielt), was sonst nicht wahrnehm- lich von dem Interesse dominiert sind, Hochkultur in bar wäre« (S. 45). Weil der kommerzielle Rundfunk Nischenprogrammen zu proklamieren. zunehmend auf »Nivellierung, Entdifferenzierung, Vereinfachung und Entwirklichung« (ebd.) verfalle, Kritisch analysiert Heinrich Bleicher-Nagelsmann sei es für den öffentlichen Rundfunk so bedeutsam, den gegenwärtigen Stellenwert des öffentlich- darauf hinzuweisen und der medialen Wahrneh- Rezensionen 71 mung zugänglich zu machen, was in diesem Main- Wandel ihrer Bedeutung, die Regeln und Instrumen- stream untergehe. te sowie die Probleme beim Entstehen einer euro- päischen Öffentlichkeit. Die Crux dieser Vorstellung vom Kulturauftrag ist, dass er – ähnlich wie es sich auch schon beim Qua- Was die Akteure angeht, lautet ihr Befund, die EU- litätsbegriff als sehr schwierig erwiesen hat – einer Kommission sei zu einem Handlungsfaktor in der empirischen Überprüfung nur schwer zugänglich Medienpolitik geworden, der inzwischen nicht nur zu machen ist. Diese Schwierigkeit – und das galt von den Mitgliedstaaten unabhängig ist, sondern ebenfalls bislang für die Suche nach der Bestim- sie bereits überspielt. Allerdings sei dies nicht die mung von Qualität – enthebt die Verantwortlichen Folge einer förmlichen Kompetenzverlagerung, son- aber nicht dessen, genau dies zu versuchen. dern ergebe sich aus der Internationalisierung der Medientätigkeit, bedingt durch grenzüberschrei- Die positive Bewertung der neuen Instrumente tende Technik und transnationale unternehmerische »Selbstverpfl ichtung« und »programmliche Bindun- Aktivitäten, die sich dem Zugriff nationaler Medien- gen«, die sowohl im von Manfred Kops herausge- politik entziehen. gebenen Tagungsband als auch in der Analyse von Martin Stock vorgenommen wird, weist also einen Als Verlierer dieser Entwicklung nennt die Autorin Ausweg aus der Misere, die beide Publikationen be- außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Uni- nennen: dass nämlich ein Rundfunksystem, in dem on die deutschen Bundesländer in ihrer Zuständig- die kommerzielle Dynamik überwiegt, nicht die Bei- keit für den Rundfunk, das Europäische Parlament, träge zur Kommunikation in einer Gesellschaft lie- das im Umgang mit der Kommission weitgehend auf fern kann, die sie zu ihrer demokratischen und kul- appellative Rhetorik beschränkt wird, die Europäi- turellen Weiterentwicklung benötigt. Beide Bände sche Rundfunkunion (EBU), den Zusammenschluss liefern – gerade auch in ihrer Zusammenschau – ei- vorwiegend öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstal- nen guten Einblick in die aktuelle Diskussion. ten, der sich vom Partner zum Objekt europäischer Barbara Thomaß, Bochum Medienpolitik herabgestuft sieht, und den Europa- rat, der keine Regelungsbefugnis hat, sondern sich mit der Rolle einer moralischen Instanz zufrieden Christina Holtz-Bacha geben muss. Medienpolitik für Europa. Wiesbaden: VS-Verlag 2006, 384 Seiten. Der Machtzuwachs der EU-Kommission gehe ein- her mit einem Richtungswechsel ihrer Medienpoli- Die bevorstehende Neufassung der Fernsehrichtli- tik von der Kultur zur Ökonomie. Diese These ent- nie der Europäischen Union ist Anlass zum Streit wickelt Holtz-Bacha überzeugend an wesentlichen insbesondere darüber, dass sie Productplacement Eckpunkten europäischer Medienpolitik. Am An- legalisieren will. Dies wird von den kommerziellen fang europäischer Medienpolitik, den Holtz-Bacha Fernsehveranstaltern als zwangsläufi ge Liberalisie- auf die frühen 80er Jahre datiert, standen Bestre- rung der Werberegeln begrüßt und von den öffent- bungen, die hauptsächlich vom Europäischen Par- lich-rechtlichen als unerlaubte Vermischung von lament ausgingen und von der Kommission unter- Werbung und Programm abgelehnt. Eben erst ha- stützt wurden, ein europäisches Fernsehprogramm ben ARD und ZDF, nachdem ihnen Productplace- zu schaffen, das helfen sollte, europäische Identi- ment nachgewiesen worden war, die Bekämpfung tät zu erzeugen. Ein konkretes Projekt, Europa-TV, von Schleichwerbung in ihren Programmen inten- eine gemeinschaftliche Unternehmung öffentlich- siviert. rechtlicher Rundfunkanstalten aus fünf Ländern unter Beteiligung der ARD, scheiterte am Aufwand Der Streit lädt dazu ein, sich darüber zu informieren, für mehrere Sprachfassungen, am Ausbleiben aus- wer in der Medienpolitik der Europäischen Union reichender technischer Verbreitung und von Werbe- nach welchen Grundsätzen und mit welchen Zielen einnahmen sowie daran, dass kein integriertes euro- das Sagen hat. Christina Holtz-Bacha, Professorin paspezifi sches Programm zustande kam, sondern für Kommunikationswissenschaft an der Universität nur eine Kombination nationaler Beiträge. Mit dem Erlangen-Nürnberg, bietet mit ihrem Buch »Medi- Verzicht auf die Durchsetzung eines europäischen enpolitik für Europa« dafür eine gute Handhabe. Sie Fernsehprogramms als Integrationshelfer ging die stellt die Entwicklung der europäischen Medienpo- medienpolitische Initiative vom Parlament auf die litik mit ihren Richtungswechseln dar, die Akteure im Kommission über. 72 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Das Ziel war nun, angesichts des grenzüberschrei- Befugnis der Mitgliedstaaten zur Finanzierung des tenden Charakters des Fernsehens (der Hörfunk öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach ihren eige- blieb unbeachtet) und der Unterschiedlichkeit na- nen Vorstellungen. Die Kommission betrachtet je- tionaler Regelungen einen gemeinsamen Rechts- doch die deutsche Rundfunkgebühr als staatliche rahmen zu schaffen. Da die Gemeinschaft keine Beihilfe und strebt nach Kontrolle über deren Zuläs- Regelungskompetenz für die Kultur und damit für sigkeit. ARD, ZDF, Bund und Bundesländer bestrei- den Rundfunk als Kulturfaktor hat, mobilisierte die ten den Beihilfecharakter, versuchen aber, durch Kommission die Zuständigkeit der EU für die Her- Berücksichtigung von Beanstandungen der Kom- stellung freien Verkehrs auf dem europäischen Bin- mission den Streit zu entschärfen. nenmarkt. Die Richtung wies der Europäische Ge- richtshof (EuGH), indem er nach europäischem Gleichwohl, so Holtz-Bacha, blieben die europäi- Gemeinschaftsrecht den Rundfunk als Dienstleis- schen Instanzen auf die (nationalen) Medien ange- tung und die Rundfunkanstalten, auch die öffentlich- wiesen. Die Autorin wirbt dafür, dass die Medien die rechtlichen, als Unternehmen qualifi zierte. »affektive Bindung« der Bürger und Bürgerinnen an Europa stärken. Wie das vor sich gehen soll, über- Am 3. Oktober 1989 verabschiedete der Europäi- lässt sie den Medien. sche Ministerrat eine Fernsehrichtlinie, die die Mit- Dietrich Schwarzkopf, Starnberg gliedstaaten in nationales Recht umzusetzen hat- ten. Geregelt wurden unter anderem Umfang, Dauer und Form der Werbung sowie der Anteil europäi- Nadja-Christina Schneider scher Werke am Programm, »im Rahmen des prak- Zur Darstellung von »Kultur« und »kultureller tisch Durchführbaren«. Mit der Einführung von Min- Differenz« im indischen Mediensystem. destquoten für europäische Produktionen berührte Die indische Presse und die Repräsentation die Direktive die Programminhalte, für die Brüssel des Islams im Rahmen der Zivilrechtsdebatte, nicht zuständig ist. Im Jahr 1997 wurde die Fern- 1985–87 und 2003 sehrichtlinie ergänzt durch eine Bestimmung über Berlin: Logos Verlag 2005, 326 Seiten. die Zugänglichkeit von Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung im frei empfangbaren »Tiefschürfend« und »gründlich« sind zwei Attribu- Fernsehen, d.h. nicht nur im Pay-TV. Die deutsche te, die man dieser Berliner Dissertation ohne Zö- Ereignisliste umfasst lediglich Sportveranstaltun- gern zuschreiben kann. Sie ist zudem sprachlich gen. Kurz vor dem EU-Beschluss über die Fernseh- brillant und thematisch hoch relevant. »Exotisch« richtlinie hatte der Europarat ein Übereinkommen mutet das Thema nur aus einer sehr eurozentris- über das grenzüberschreitende Fernsehen verab- tischen Perspektive an. Aber da Indien, boomen- schiedet, das, im Gegensatz zur ökonomischen de Volkswirtschaft und riesiger Markt, neuerdings Orientierung der Fernsehrichtlinie, die kulturelle sogar Politiker außerhalb der Entwicklungshilferes- Bedeutung des Fernsehens hervorhob, aber kaum sorts interessiert und zudem die Produkte der indi- praktische Wirkung hatte. schen Filmindustrie, der größten der Welt, sogar um 20.15 Uhr im deutschen Fernsehen laufen, muss die Holtz-Bacha kommt darüber hinaus zu dem Schluss, Bedeutung von Schneiders Thema nicht mehr son- dass eine deutliche Europäisierung des nationalen derlich betont werden. Und nicht zuletzt ist es auch Medienrechts mit dem Schwerpunkt Wirtschaft be- mühelos auf heimische, europäische, nordameri- reits erkennbar ist. Der Umgang der Kommission kanische, australische usw. Gegebenheiten über- mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mache tragbar – man denke nur an Phänomene der Mig- deutlich, »wie sich mit der Kommerzialisierung des ration und daraus resultierende neue, konfl ikthafte Rundfunks auch die Medienpolitik kommerzialisiert Identitäten. hat« (S. 308); dies vor dem Hintergrund des Feh- lens europäischer Medien, europäischer Öffentlich- Es geht in Schneiders Abhandlung, kurz gefasst, um keit und europäischer Identität. Die Frage nach den das »eigene Fremde« oder, etwas ausführlicher, um Grenzen der Gemeinschaftskompetenz im Bereich die mediale Konstruktion von kultureller »Andersar- des Rundfunks entzündet sich immer wieder am tigkeit« am Beispiel einer religiösen Minderheit im Status öffentlich-rechtlichen Rundfunks, einem der Staate mit all den dazugehörigen historischen, po- »kontroversesten und drückendsten Probleme« eu- litischen, ökonomischen und vorgeblich religiösen ropäischer Medienpolitik. Das Amsterdamer Proto- Bezügen und Hintergründen. Es geht um Machtaus- koll sichert unter bestimmten Voraussetzungen die übung und Hegemonie. Da die behandelte Minder- Rezensionen 73 heitsreligion der Islam ist, kann man sich notfalls voneinander zu trennen: Bestimmte Verlage fuhren auch ohne Kenntnisse der indischen Situation aus- eine Doppelstrategie und agierten in beiden Dis- malen, worum es konkret geht – speziell seit dem 11. kursräumen, wie Schneider sehr differenziert und September 2001: um die Topoi »Rückständigkeit«, hintergründig darlegt. »Fremdheit«, auch »Gewalt«. Mit diesem Rüstzeug widmet sich die Autorin in Teil Die historische Entwicklung Indiens seit der musli- III ihrer Studie schließlich dem eigentlichen Fallbei- mischen Mogulherrschaft über die Kolonialepoche spiel: der Konstruktion von medialer Realität und bis zur Teilung des Subkontinents in einen mehrheit- kultureller Hierarchisierung in der indischen Zivil- lich hinduistisch geprägten und dem mit ihm ver- rechtsdebatte und der damit verbundenen Darstel- feindeten muslimischen Folgestaat Pakistan ma- lung der Muslime bzw. des Islams in der englisch- chen die genannten Themen allerdings ungleich sprachigen Presse Indiens. Die Analyse greift den so komplizierter als verwandte Hegemonialdiskurse in genannten Fall Shah Bano Mitte der 80er Jahre auf: Europa. Schneider legt ihre Fallstudie entsprechend Eine von ihrem Ehemann verstoßene muslimische hoch komplex an. Man erwarte an dieser Stelle da- Inderin fordert von ihrem Ex-Gatten Unterhalts- her keine knappe Zusammenfassung der wichtigs- zahlungen; in letzter Instanz spricht ihr der Obers- ten Ergebnisse. te Gerichtshof diese zu, macht in seiner Urteilsbe- gründung aber auch Aussagen über »inhumane«, Die Autorin analysiert in einem ersten Schritt das »rückständige« und »vormoderne« Wesensmerk- Mediensystem Indiens im Zustand seiner zuneh- male des Islams und den Fortbestand des islami- menden Globalisierung. Die zentralen Begriffe »Na- schen Standesrechts. Diese kontrovers diskutierte tion«, »Kultur« und »Konsum« erfahren dabei be- Entscheidung kam einer Steilvorlage für den Auf- sondere Beachtung, münden sie doch in einer Art schwung des als »säkular« und »modern« agieren- »Propaganda des Marktplatzes«, wie Schneider for- den Hindu-Nationalismus gleich, in dessen Folge muliert: das transnationale Mediensystem, in dem es in den 90er Jahren zu zahlreichen blutigen Aus- das »nationale Projekt« der Vorherrschaft der Hin- schreitungen zwischen Hindus und Muslimen kam. dus von politischen Interessenträgern vielfältig in- Schneider zieht für ihre eingehende Diskursanalyse szeniert und zirkuliert wird – als »Aufstieg« und einschlägige Artikel aus den vier englischsprachi- »Fortschritt der indischen Nation« (S. 77). Diese gen Zeitungstiteln »Indian Express«, »The States- quellenreiche Darstellung und messerscharfe Au- man«, »The Hindu« und »Hindustan Times« heran. topsie des indischen Mediensystems gehört zum Betrachtungszeitraum ist der Höhepunkt des pola- Besten, was man über das Thema lesen kann. risierenden Shah-Bano-Falls 1985 bis 1987 sowie die publizistische Neuaufl age der Zivilrechtsdebatte Im zweiten Teil ihres Buches nähert sich die Auto- im Jahr 2003 mit Artikeln der vier vorgenannten Zei- rin ihrem Fallbeispiel mit einer Analyse der indischen tungen sowie ergänzend von »Times of India«, »Asi- Presse und deren historischer Entwicklung vom an- an Age« und »The Pioneer«. tikolonialen Befreiungskampf bis zu ihrer heutigen Ausprägung als strikt marktwirtschaftlich-kom- Schneiders Ergebnisse berühren den Kern des in- merziell ausgerichtete Unternehmungsform. Das dischen Mediensystems wie auch des Staatsver- koloniale Erbe schwingt noch mit, wenn man von ständnisses und der indischen Identität: Innerhalb den sprachlichen Hierarchisierungen liest, mit de- einer propagierten »Hierarchie der Zivilisationen« nen in Indien Presseerzeugnisse in der öffentlichen werden in den 80er Jahren der Islam abgewertet Wahrnehmung belegt werden: von englischsprachi- und die hindunationalistische Bharatiya Janata Par- gen Titeln, die als die »nationale« (Qualitäts-)Pres- ty (BJP) legitimiert sowie die Anhänger eines kri- se gelten und von Titeln in den zahlreichen einheimi- tischen Liberalismus und Säkularismus marginali- schen Sprachen, die als »lokal/regional« bezeichnet siert; die englischsprachige Presse bot hierfür ein und oftmals abgewertet werden. Dieses Wertschät- Forum. Demgegenüber wird in der Berichterstat- zungsgefälle sowie der Kampf um Aufl agenzahlen tung 2003 das Bemühen erkennbar, pauschal ne- sind wichtig zum Verständnis des Phänomens, gative Kollektivzuschreibungen des Islams bzw. der dass sich bedeutende Teile der hindisprachigen Muslime als u.a. »kulturell rückständig« zu vermei- Presse zu Agitatoren des (im Kern antiislamischen) den; allerdings stoßen nunmehr die Topoi des »is- Hindu-Nationalismus machten. Allerdings sind bei- lamistischen Terrors« und des als Bedrohung emp- de Gruppen – die säkular-nationale und die kom- fundenen »rasanten Bevölkerungswachstums« der munalistisch-regionale Presse – keineswegs streng muslimischen Teilbevölkerung hinzu (S. 304). 74 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Diese und zahlreiche weitere Ergebnisse breitet ties – The Hour in English«) bis in die jüngste Ver- Schneider selbstverständlich weitaus differenzier- gangenheit im Irak und an anderen Krisenherden ter und detaillierter aus, als hier wiedergegeben (»The Millennium – Back to Basra«). Gut getan hat werden kann. Wie viele andere Dissertationen auch dem Band die thematische Erweiterung um BFBS- ist die besprochene Fallstudie erschöpfend: Wur- Sender in aller Welt und die damit verbundene sti- de irgendein Diskursstrang übersehen? Wohl nein. listische Straffung. Beim Vorgängerband störten Was bleibt noch zu untersuchen? Wohl kaum et- etliche Anekdoten und Details, deren Relevanz für was. Der Rezensent fühlte sich nach der Lektüre Außenstehende nicht ersichtlich war bzw. nicht er- positiv angeregt, aber erschöpft. Speziell der drit- klärt wurde. Dies ist hier vermieden worden. Nach te Untersuchungsteil dürfte vorrangig Leser mit po- wie vor sollte der Leser allerdings keine Refl exionen tenziertem Spezialinteresse an Indologie und Islam- zu Zweck oder Funktionen des Militärrundfunks er- wissenschaft ansprechen. Die ersten beiden Teile warten. Aber das dürfte auch kaum das Ziel einer allerdings sollten Medien-, Kommunikations- und Festschrift sein, die sich ein Sender schreiben lässt, Kulturwissenschaftler sowie ebenso Historiker kei- der vom Verteidigungsministerium alimentiert wird. neswegs übersehen. Schneider hat einen wichtigen Nützlich ist das Buch dennoch: als Quelle für weiter- Beitrag zur Konstruktion von medialen Diskursen führende Recherchen. Es bietet zudem etliche Foto- geliefert und überdies eine sehr lesenswerte Einfüh- grafi en und manches wertvolle Zitat von Zeitzeugen. rung in einen Grundkonfl ikt des modernen Indien. Hervorragend ist die kommentierte Aufstellung al- Oliver Zöllner, Stuttgart ler zwischen 1943 und 2003 vom britischen Militär- rundfunk betriebenen Sender (S. 227–231). Oliver Zöllner, Stuttgart Alan Grace The Link With Home. 60 Years of Forces Radio Florian Cebulla Chalfont: 2003, 236 Seiten. Rundfunk und ländliche Gesellschaft 1924–1945. Dieses rare Buch, eine senderinterne Jubiläumspu- (=Kritische Studien blikation, ist die aktualisierte, überarbeitete und zur Geschichtswissenschaft, Band 164). thematisch erweiterte Neuaufl age einer früheren Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004, Verlagspublikation des Autors.1 Anlass der Veröf- 358 Seiten. fentlichung war der 60. Jahrestag der Gründung des britischen Militärrundfunks zum Jahreswechsel Keine Frage, die Quellen gesättigte Dissertation von 1943/44. Weitgehend kann man sich der Rezension Florian Cebulla ist die umfassendste Studie, die es anschließen, die seinerzeit Thomas Guntermann in bislang zum Thema Rundfunk und ländliche Gesell- »Rundfunk und Geschichte« dargelegt hatte.2 Auch schaft in der Weimarer Republik und während des dieses Buch ist historiografi sch auf eine anekdoti- Nationalsozialismus gibt. Manche Ergebnisse sind sche Perspektive beschränkt, die mit Hilfe von (lei- zwar im Kern nicht neu, sie sind aber noch nirgends der eher spärlich) vorhandenem Archivmaterial um so ausführlich und systematisch zusammengestellt illustrative »Fundstücke« ergänzt wird. Der Ton ist worden wie in dieser Arbeit. Anhand der Analyse nüchtern bis heiter und erzählt anschaulich die tur- des Landfunks geht es Cebulla darum, die kulturel- bulente Vergangenheit des heutigen British Forces le und soziale Entwicklung der ländlichen Gebiete Broadcasting Service (BFBS). in Deutschland zwischen 1924 und 1945 zu unter- suchen. Insbesondere die Nutzung und Verbreitung Wie seine Vorgängerpublikation ist auch das be- des Radios auf dem Lande zeichnet Cebulla in ei- sprochene Buch chronologisch nach Dekaden nem ersten Kapitel in Bezug auf regionale und sozi- aufgebaut: von den experimentellen Anfängen im alstrukturelle Komponenten differenziert nach. europäischen und mittelmeerischen Kriegsgesche- hen und der allmählichen Institutionalisierung des Die Arbeit ist in zwei große Teile gegliedert. Im ers- BFBS nach Ende des Zweiten Weltkriegs (»The For- ten Doppel geht es um die Einfl ussnahme auf den Landfunk in der Weimarer Republik sowie um die Inhalte des Landfunkprogramms – eine ähnliche Aufteilung fi ndet sich im zweiten Doppel für die NS- 1 Grace, Alan: This Is the British Forces Network. The Story of Forces Broadcasting in Germany. Stroud. Sutton 1996. Zeit. Dabei stellt der Autor in den ersten beiden Ka- 2 Vgl. RuG Jg. 23 (1997), H. 1, S. 73. piteln die Einfl ussnahme auf den Landfunk in der Rezensionen 75 Weimarer Republik perspektivenreich dar und ar- sche Kultur dem Land näher gebracht. Auf der an- beitet vor allem zwei Stränge in den Diskursen her- deren Seite war das Medium bereits in der Weima- aus. So setzten sich die Vertreter der Agrarverbän- rer Republik durch eine ausgeprägte Agrarromantik de und Landwirtschaftsinstitutionen im Rahmen der stark kulturkonservativ geprägt. Diese Denkmuster damaligen protektionistischen Agrarpolitik für eine waren leicht anschlussfähig an den Nationalsozia- Modernisierung, Rationalisierung und Effi zienzstei- lismus und konnten schnell um rassistische Ideolo- gerung der landwirtschaftlichen Betriebe ein, zu der geme »erweitert« werden. im Radio eine Vielzahl von agrarwissenschaftlichen und -technologischen Vorträgen sowie Informatio- Insgesamt handelt es sich bei der Dissertation von nen präsentiert wurde. Demgegenüber waren bür- Florian Cebulla um eine moderne Mediengeschich- gerliche Kulturkonservative in Stadt und Land, vor te, die die Bedeutung der Medien für die Gesell- allem städtische Intellektuelle, Pädagogen und Pro- schaftsgeschichte facettenreich belegt. Interes- grammverantwortliche, hauptsächlich an der volks- sant ist, dass Cebulla kulturelle Vorbehalte und kulturellen, volksbildnerischen und volksgemein- prinzipielle mentalitätsbedingte Abneigungen ge- schaftlichen Popularisierung des Landlebens durch gen den Rundfunk bei der ländlichen Bevölkerung den Rundfunk interessiert. Der Rundfunk sollte als kaum feststellt bzw. als eine reine Generationenfra- Volkshochschule die Bildungsnot auf dem Land lin- ge darstellt. Dies gelte auch für die Mediennutzung dern und möglichst gemeinschaftlich gehört wer- der jüngeren Generation im Nationalsozialismus, den. Tatsächliche Multiplikatoren des Rundfunks die nicht mehr durch staatliche Bildungsprogram- waren neben den Popularisierungskampagnen der me, sondern durch die attraktiven Verheißungen Rundfunkgesellschaften vor allem Mitglieder der des Regimes motiviert gewesen sei. Hierbei han- dörfl ichen Elite wie Pfarrer und Lehrer, die ihre Ge- delt es sich um Schlussfolgerungen, die, obgleich räte zum Empfang zur Verfügung stellten und damit sie plausibel erscheinen, durch das Quellenmate- zum Kauf eines eigenen Gerätes animierten. Viele rial vom Autor leider nur unzulänglich belegt wer- Bauern nutzten das Radio denn auch eher eigensin- den können. Anzumerken ist ferner, dass das The- nig – so erfreuten sich neben agrarwissenschaftli- ma ländliche Gesellschaft und Rundfunk keinesfalls chen Vorträgen Unterhaltungssendungen, die »ne- nur isoliert auf den Landfunk zu betrachten ist, son- benbei« beim Melken im Kuhstall gehört werden dern in weiteren Forschungen auch die Nutzung konnten, großer Beliebtheit. und Rezeption von anderen programmbezogenen Angeboten in die Analyse einbezogen werden soll- Für die NS-Zeit zeichnet Cebulla ein ebenso facet- ten. Auch wäre es interessant gewesen, Kontinui- tenreiches Bild. Der Landfunk diente als mediale täten und Brüche im Landfunk über die Zäsur von Vermittlungsinstanz der NS-Ideologie mit der Ins- 1945 hinweg zu untersuchen.1 Dieser Ausblick soll zenierung einer rassistischen Volksgemeinschaft, jedoch die Verdienste von Florian Cebulla insge- dem Blut- und Bodenmythos und der Propagie- samt nicht schmälern, der eine ebenso interessan- rung eines Stadt-Land-Ausgleiches. Zudem zeigt te wie akribisch recherchierte und gut geschriebe- Cebulla – ähnlich wie andere Studien zum Rund- ne Studie vorgelegt hat. funk im Nationalsozialismus – eine Verschiebung Lu Seegers, Hannover von direkter politischer Propaganda hin zu mehr Unterhaltungsformaten mit einer subtileren Beein- fl ussung der Hörerinnen. Nach der Wende zum »to- talen Krieg« vermittelte der Landfunk dann neben Informationen zur Betriebsführung und Verbrauchs- lenkung, die sich nun besonders stark an die ver- bliebenen Frauen richtete, vor allem Durchhaltepa- rolen an die ländliche Bevölkerung. Der Autor sieht im Landfunk ein Medium, das die Ambivalenz der Moderne im Sinne einer »reaktio- nären Modernität« (Jeffrey Herf) widerspiegelt. So habe der Landfunk auf der einen Seite die agrarge- 1 Vgl. dazu Daniela Münkel: Der Rundfunk geht auf die Dörfer. Der sellschaftliche und -ökonomische Modernisierung Einzug der Massenmedien auf dem Lande von den zwanziger bis zu den sechziger Jahren. In: Dies. (Hrsg.): Der lange Abschied vom Agrar- fl ankiert, zur Zeitsynchronisierung ländlicher und land. Agrarpolitik, Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft zwi- städtischer Räume beigetragen sowie die städti- schen Weimar und Bonn. Göttingen 2000, S. 177–198. 76 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Thomas Bräutigam ten entsteht. Bräutigam versucht den Standpunkt Hörspiel-Lexikon. des Rezipienten einzunehmen, um das zu erfassen, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2005, was ihm aus den Lautsprechern entgegenkam und 540 Seiten. entgegenkommt. Das kann ihm natürlich nicht auf dem engen zur Verfügung stehenden Raum gelin- Allenthalben diagnostizieren Hörspiel-Produzenten gen und so dominiert dann doch der »Höhenkamm«. und -Kritiker eine Renaissance der Radiokunst. Da Die Unterhaltungsgenres sind letztlich nur mit weni- passt es gut, wenn jetzt ein Hörspiel-Lexikon er- gen Beispielen vertreten. scheint, das sich an ein breiteres Publikum wenden will. Die Popularität des vor 36 Jahren erschienenen Rund 400 Hörspiele stellt Bräutigam alphabethisch »Hörspiel-Führers« von Heinz Schwitzke, die Bräu- nach Titeln geordnet vor, führt die Daten der ersten tigam anvisiert, wird es allerdings nicht erreichen. Produktion an: Sender und Jahr, Regisseur, Kom- Bezeichnenderweise reihte sich Schwitzkes längst ponist, Sprecher sowie Hinweise auf spätere Pro- vergriffenes Werk in die im Reclam-Verlag erschei- duktionen. Darauf folgen Inhaltsangaben mit inter- nende Reihe von Schauspiel- und Opernführer ein, pretierenden Querverweisen, die häufi g Zitate aus Bräutigams Lexikon erschien in einem Universitäts- Kritiken oder anderen Auseinandersetzungen mit Verlag. Zudem gibt es mit den seit 1981 jährlich er- dem jeweiligen Hörspiel enthalten. Am Ende wird scheinenden Dokumentationen des DRA zu den auf Publikationen im Druck oder als Hörbuch sowie »Hörspielen der ARD« und Franz Hiesels zweibän- Sekundärliteratur hingewiesen. digem »Repertoire 999. Literaturdenkmal Hörspiel«1 bereits weitere Publikationen, in denen sich der inte- Es folgt ein biografi scher Anhang mit Angaben zu ressierte Hörspiel-Forscher informieren kann. Den- über 300 Autoren, Regisseuren, Sprechern und noch liefert das neue Lexikon einen verdienstvollen Komponisten, eine Liste der Preisträger des be- Überblick. deutendsten deutschen Hörspielpreises, des »Hör- spielpreises der Kriegsblinden«, sowie ein Lite- Seit über 80 Jahren gibt es Hörspiele, ihre Zahl raturverzeichnis zu Anthologien, zur allgemeinen ist mittlerweile kaum noch überschaubar. Inso- Hörspiel-Literatur, zu einzelnen Autoren und Daten- fern sind für eine Bewertung des vorliegenden Le- banken im Internet. So bietet das Lexikon vielfälti- xikons die Auswahl-Kriterien entscheidend. Bräu- ge Einstiegsmöglichkeiten für die Beschäftigung mit tigam legt sie in seiner Einleitung offen. Wie bereits dem Hörspiel, dem interessierten Radiohörer eben- Schwitzke orientiert er sich am Typus »Originalhör- so wie dem Studenten der Medienwissenschaft und spiel«, lässt allerdings Ausnahmen zu: H.G. Welles’ Germanistik. »Krieg der Welten« (1938) etwa, Max Ophüls’ Goe- Wolfram Wessels, Mannheim the- und Schnitzler-Bearbeitungen (50er Jahre) und Douglas Adams’ »Per Anhalter durch die Galaxis« (1981). Bräutigam rechnet auch sie zum Hörspiel- Annegret Braun Repertoire, seinem zweiten Auswahl-Kriterium. Re- Frauenalltag und Emanzipation. pertoire-Zugehörigkeit stellt er anhand der Zahl der Der Frauenfunk des Bayerischen Rundfunks Wiederholungen sowie der Anerkennung durch ei- in kulturwissenschaftlicher Perspektive nen Preis fest. Als Drittes schließlich möchte Bräu- (1945–1968) (= Münchner Beiträge tigam alle Etappen der Hörspielgeschichte und alle zur Volkskunde, Band 34). Formen, Stoffe, Motive und Genres repräsentiert Münster: Waxmann Verlag 2005, 380 Seiten. wissen, wobei er die Basis weit fasst. Er beschränkt sich nicht auf den »literarisch-künstlerischen ‚Hö- Die gesellschaftliche Situation von Frauen nach henkamm‘« (S.10), sondern bezieht explizit Un- 1945 ist eine Geschichte voller Umbrüche. Die Rolle terhaltungsgenres mit ein: beispielsweise Kriminal- der Frauen – durch den Krieg auf sich gestellt, lan- und Science-Fiction Hörspiele. Dieser weitgefasste ge Jahre für die Familie verantwortlich und oft die Ansatz geht erkennbar über Schwitzke hinaus und alleinigen Ernährerinnen – ändert sich im familien- scheint weit mehr an der Vielfältigkeit des Hörspiel- politisch konservativen Deutschland der 50er Jah- schaffens orientiert als an dem, was traditionell re wieder grundlegend. Von den Arbeitsstätten wer- in den Hörspiel-Abteilungen der Rundfunkanstal- den sie zurück an den Herd beordert, bis man im »Wirtschaftwunderland« der späten 50er Jahre ver- mehrt Arbeitskräfte braucht und die Frau als »Dazu- 1 ORF 1990. Wien. verdienerin« in Teilzeit nochmals neu erfi ndet. Das Rezensionen 77 Recht auf die Berufstätigkeit haben Frauen damals Durch die Verwendung von Zeitzeuginnenaussa- allerdings noch nicht. Um einen Arbeitsvertrag ab- gen, die Analyse von Sendemanuskripten sowie zuschließen, bedarf es noch Jahrzehnte der Geneh- Hörspielen und etwa den darin propagierten Rol- migung des Ehemannes. lendarstellungen schafft Annegret Braun eine auch methodisch überzeugende, sehr feingliedrige Ar- Annegret Braun untersucht in ihrer Dissertation beit zur bundesrepublikanischer Frauengeschich- eben diese unterschiedlichen Rollenzuweisungen, te nach 1945, die teilweise überrascht. Nicht nur mit denen Frauen in den jeweiligen Jahren konfron- die gesellschaftliche Situation veränderte sich kon- tiert werden, sowie deren mediale Darstellung. Ein tinuierlich, auch ihr Erscheinungsbild in den Medi- Schwerpunkt ist der politischen und gesellschaft- en. Braun kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen bis lichen Einfl ussnahme des Frauenfunks gewidmet. 1950 noch als selbstbewusst und kompetent darge- Die Quellengrundlage sind Sendemanuskripte stellt werden. Nach 1950 wird die Frau angepasster des Frauenfunks des Bayerischen Rundfunk eben- gezeigt und nunmehr zuständig für das Wohl des so wie Berichte von Zeitzeuginnen, Hörerpost und Mannes. Erst ab Anfang der 60er Jahre, mit zuneh- zahlreiche Interviews und Kommentare von Frauen- mender Berufstätigkeit und besserer Ausbildung funkmitarbeiterinnen. Der interdisziplinäre Ansatz von Frauen wird die Vollzeit-Hausfrau in den Beiträ- – Volkskunde, Medienforschung, Geschlechterfor- gen nicht mehr als zeitgemäß betrachtet und einsei- schung – ermöglicht einen adäquaten Umgang mit tige Rollenzuweisungen kritisiert. Braun stellt dies verschiedenen Quellen und eben das ist eine große fest, ohne es zu bewerten, aus dem Wissen, dass Qualität der Arbeit. Frauenfunk-Mitarbeiterinnen Teil einer männerdo- minierten Gesellschaft und Angestellte einer eben- Im Vorfeld beschreibt Braun die Geschichte des solchen Rundfunkanstalt sind. Aus diesem Grund Frauenfunks bis zur Umbenennung in Familienfunk ist das emanzipatorische und politische Engage- 1968, als der erste Mann in die Redaktion aufgenom- ment des Frauenfunks trotz einer teilweise ambiva- men wird. Thematisiert sind im Anschluss die gesell- lenten Haltung nicht zu unterschätzen. schaftliche und rechtliche Situation der Frau sowie die Rolle der unterschiedlichen Frauenorganisationen. Zusammenfassend ist zu bemerken, dass Anne- gret Braun ein interessantes Stück Rundfunkge- Den Schwerpunkt der Arbeit bilden die Auswertung schichte und ein bislang noch nicht aufgearbeite- der Sendemanuskripte aus dem Historischen Archiv tes Stück Zeitgeschichte vorgelegt hat. Der Ansatz, des Bayerischen Rundfunks sowie Reaktionen von die Geschichte nach 1945 aus Sicht der Frauen zu Hörerinnen und Hörern. Braun zeigt auf, inwieweit in erforschen, schließt eine erhebliche Lücke im For- den einzelnen Sendungen die konkrete Einfl ussnah- schungskanon. me auf die gesellschaftlichen Verhältnisse mit dem Sabine Rittner, München Ziel einer Gleichberechtigung versucht wird. Die Frauenfunkbeiträge beschäftigen sich beispiels- weise mit der weiblichen Form in der Sprache, mit Barbara Sichtermann/Andrea Kaiser dem Thema Mithilfe im Haushalt durch den Mann, Frauen sehen besser aus. mit Rechtsfragen, z.B. »Doppelverdienergesetz« Frauen und Fernsehen oder »Letztentscheidungsgesetz« des Ehemannes, München: Verlag Antje Kunstmann 2005, und mit der Diskriminierung durch die Bezeichnung 192 Seiten. »Fräulein«. Braun beschreibt die emanzipatorischen Ansätze dieser Rundfunkarbeit, benennt aber auch Die Darstellung von Frauen und die Behandlung von eine ambivalente Haltung, wenn traditionelle Ge- Frauenfragen im Fernsehen ist für die Bundesrepub- schlechterhierarchien zwar kritisiert, aber gleich- lik seit Küchenhoffs umfangreicher quantitativer Un- zeitig bestätigt werden. tersuchung von 1975 eine Thematik, die hin und wie- der ins Blickfeld gerät. Nach den letzten größeren Nicht nur durch Sendemanuskripte der Magazin- Studien von Weiderer 19921, Becker/ Becker 1999 und Ratgebersendungen, wie »Das Notizbuch«, »Für die Hausfrau« oder »Für die berufstätige Frau« beleuchtet Braun ein Stück Zeitgeschichte. Sie un- tersucht mit der gleichen Fragestellung auch Unter- 1 Weiderer, Monika: Das Frauen- und Männerbild im Deutschen haltungssendungen wie »Die Familie Brandl« und Fernsehen: eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme Briefe von Hörerinnen und Hörern. von ARD, ZDF und RTL plus. Regensburg 1992. 78 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) und der leider weniger beachteten von Esther Wen- Auch Weiderer, Wenger und Becker/ Becker stellten ger 2 2002 liegt nun eine aktuelle Publikation von den in ihren Studien eine größere Vielfalt von Frauenbil- Journalistinnen Barbara Sichtermann und Andrea dern in den Medien heraus, machten aber deutlich, Kaiser vor, die sich dem Frauenbild im deutschen dass es sich dabei gerade um konservative (anti- Fernsehen zuwendet. Im feuilletonistischen Stil ver- emanzipatorische) Frauentypen handelt. suchen sie eine Bestandsaufnahme des Frauen- bilds im Fernsehen anhand ausgewählter Einzelfäl- Positiv zu werten, weil bisher in keiner anderen le. Gelegentlich wird – recht plakativ – auf besagte Publikation zu fi nden, ist, dass aktuelle Tenden- Studien verwiesen, allerdings eher als Querverweis zen, wie die Aufwertung und stärkere dramaturgi- denn als konsequente Bezugnahme. Auch wenn die sche Nutzung von Frauenfreundschaften (»Sex and Autorinnen keine wissenschaftliche Arbeit für sich the City«) und die Mythologisierung der Mutterrol- beanspruchen, hätte dem Band ein etwas systema- le als Opfer beschrieben werden. Auch die Erotisie- tischerer Zugang zum Thema sehr gut getan, wie im rung bzw. Sexualisierung von Heldinnen in Action- Folgenden noch zu sehen sein wird. Genres (»Buffy« und »Charmed«) fi nden Beachtung. Ganz ähnlich die zunehmende Präsenz von weibli- Der vorliegende Band wendet sich drei Problem- chen Kommissaren und Polizistinnen. Der Rezen- kreisen zu: Frauen auf dem Bildschirm, als Rezi- sent hätte sich an dieser Stelle allerdings eine kri- pientinnen und als Produzentinnen hinter den Ku- tische oder überhaupt eine Auseinandersetzung lissen. Der interessanteste und aufschlussreichste gewünscht. Die Befunde stehen leider lose neben- Teil ist dabei der erste, der sich dem Frauenbild in einander, konservative und progressive Frauendar- fi ktionalen und nicht-fi ktionalen Fernseh-Formaten stellungen existieren parallel. Hier kann man sich zuwendet. des Eindrucks nicht erwehren, dass eine systema- tischere Vorgehensweise bei der Auswahl der Bei- Überraschend positiv fällt das Bild der weiblichen spiele zugunsten eines positiven Saldos am Ende Protagonisten in unterhaltenden Formaten aus: umgangen wurde. Zahlreiche selbstständige, starke und sogar eini- ge »ältere« Frauen seien zu sehen. Dieser Befund Auch für den nicht-fi ktionalen Bereich fi nden Sich- stützt sich auf Beispiele, die zumindest diskutabel termann und Kaiser zahlreiche gute Nachrichten sind: Evelin Hamann als Sekretärin »Adelheid« und über die Etablierung von Frauen in den verschiede- Jutta Speidel als »Schwester Lotte«. Insbesonde- nen Formaten, die sie an den Fernsehjournalistinnen re bei Letzterer werden Angriffslust und Risikofreu- Maischberger, Illner und Christiansen im Polit-Talk de der Frauenfi gur bewundert. Dabei übersehen festmachen. Interessant – aber zu knapp abgehan- die Autorinnen, dass Ordensschwestern anderen delt – ist dabei ein Prozess der »Überkreuzung«: Bewertungskriterien unterliegen als »zivile« Frauen, Frauen sind verstärkt in politischen Sendungen d.h. traditionelle mediale »Don Camillo und Peppo- zu sehen, Männer hingegen erobern die gefühls- ne«-Muster in die Interpretation einbezogen wer- betonten Beziehungs-Talks. Die Frauenmagazine den müssen. werden durchaus lobenswert, aber auch teilweise problematisch in ihrer Themenwahl betrachtet. Das Die Autorinnen stellen eine größere Vielfalt von Frau- ist ebenfalls ein interessanter Befund, der über die enbildern fest, deuten diesen Befund aber durch- bisherigen Studien hinausweist. weg positiv. Sichtermann und Kaiser beachten dabei nicht, dass die Ausdifferenzierung der Frau- Der zweite Teil des Buches wendet sich den Rezep- enbilder gerade an den gewählten Beispielen nur tionsgewohnheiten zu, bietet allerdings wenig Neu- oberfl ächlich ein Fortschritt ist. In der (neuen) Viel- es. Die bekannten Daten werden präsentiert: Frau- falt werden stark hierarchische Beziehungsmuster en sehen mehr Unterhaltungssendungen – vor allem immer wieder bestätigt. Nur schwer nachvollzieh- Soaps und Familienserien – Männer ziehen Sport- bar ist, wie die Autorinnen hier Passivität und tradi- sendungen vor. Ein längerer Exkurs zur Entwicklung tionelle »Aschenputtel-Verhaltensmuster« zu einem der Rezeptionsforschung bindet verschiedene an- progressiven Frauenbild (um)gedeutet werden. dere Befunde ein. Dabei klingt an, dass die deut- schen Frauen konservative Bilder zunehmend ab- lehnen und diese daher mehr und mehr auch aus der Fernsehwelt verschwinden würden. Eine Prog- 2 Wenger, Esther: Wie im richtigen Fernsehen. Die Inszenierung der nose, die zumindest aus heutiger Sicht sehr opti- Geschlechter in der Fernsehfi ktion. Hamburg 2002. mistisch ist. Der dritte Teil, medienschaffende Frau- Rezensionen 79 en thematisierend, stützt sich im Wesentlichen auf nen, wie die Film- und Fernsehproduktion von den einzelne Interviews mit Frauen in exponierten Positi- jeweiligen politischen Konjunkturen und Wendun- onen in der Medienbranche. Die Schiefl age, welche gen abhing. hier abschließend zwischen den vielen vermeintlich starken Frauen auf dem Schirm und den wenigen Thomas Heimann zeigt in seinem Beitrag, dass die Frauen in verantwortungsvoller Position in den Fern- DEFA noch Mitte der 50er Jahre »ostentatives Des- sehanstalten festgestellt wird, refl ektieren Sichter- interesses« gegenüber dem Stoff signalisierte, der mann und Kaiser ebenfalls nicht ausreichend. Der unter dem Titel »Nackt unter Wölfen« 1958 als Ro- Leser bleibt gerade an dieser Stelle angesichts der man und 1963 als Kinofi lm zum Publikumserfolg Diskrepanz zwischen dem überaus positiven Frau- wurde. Damals, Mitte der 50er Jahre, habe man »ak- enbildes, das die Autorinnen im Vorfeld dieses Ka- tuelle Stoffe zum Kampf gegen die westdeutsche pitels zeichneten, und der realen Situation von Frau- Refaschisierung« erwartet und keine Darstellungen, en in Medien-Berufen ratlos zurück. in denen der »leidende« und nicht der »unverzagt kämpfende« Antifaschismus im Vordergrund stand. Insofern versucht auch die Zusammenfassung ver- (S. 14f.) Thomas Beutelschmidt illustriert in seinem geblich, die stückligen und widersprüchlichen Be- Aufsatz den Einfl uss des politischen Klimas am Bei- funde zusammenzubinden. Sichtermann und Kaiser spiel der langwierigen Suche nach einem Regisseur schließen mit einem Lob auf das Privatfernsehen, für »Die Fahne von Kriwoi Rog« – das Kino-Projekt welches die Zuschauerinnen erst entdeckt habe. zum »50. Jahrestag der Großen Sozialistischen Ok- Das überrascht, da die Beispiele aus dem fi ktiona- toberrevolution« 1967. Mehr als fünf namhafte Re- len Bereich diesen Schluss nicht nahe legen. Selbst gisseure sahen es kurz nach dem 11. Plenum vom die gelobten Frauenmagazine sind allesamt öffent- Dezember 1965 offensichtlich nicht mehr als loh- lich-rechtliche Produktionen. nende künstlerische Herausforderung, sich einem derart politisch überhöhten Stoff zuzuwenden, in Am wenigsten nachvollziehbar bleibt jedoch ins- dem »für einen Fetzen roten Stoffes Menschen ihr gesamt das Bild von äußerst emanzipiert und pro- Leben lassen, und das noch als vorbildlich hinge- gressiv handelnden Frauen, das Sichtermann und stellt werden soll.« (S. 92) Kaiser heraufbeschwören und nicht überzeugend herleiten. Darüber hinaus zeigen die Studien des Bandes – Sascha Trültzsch, Halle (Saale) besonders der Aufsatz von Rüdiger Steinlein über verfi lmte Kinder- und Jugendliteratur und der Auf- satz von Susanne Liermann zu Frauenfi guren in Fil- Thomas Beutelschmidt/Rüdiger Steinlein (Hrsg.) men über den antifaschistischen Widerstand –, wie Realitätskonstruktion. sich die ästhetischen Normen in der Darstellung Faschismus und Antifaschismus des Nationalsozialismus und seiner Gegner über die in den Literaturverfi lmungen des DDR-Fernsehens vier Jahrzehnte der DDR entwickelten. Seit den 70er (= Programmgeschichte des DDR-Fernsehens – Jahren kommt neben dem heldenhaften Widerstand komparativ. Materialien – Analysen – Zusammen- der unheroische Alltag des Nationalsozialismus ins hänge MAZ, Band 12) Bild: »Jetzt gibt es auch eigentlich klassenbewußte Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2004, Arbeiter, die schwach werden, klein beigeben und 222 Seiten. trotzdem nicht unsympathisch sind, HJ-Angehöri- ge werden nicht mehr a priori als verabscheuungs- Den DDR-Antifaschismus ordnet die Einleitung des würdige Brutalos dargestellt etc.«, resümiert Stein- vorliegenden Bandes als »Begründung und Integra- lein. (S. 164) tionsideologie« für den Sozialismus und als »Entlas- tungsideologie« für die DDR-Bevölkerung ein. So- Alle Aufsätze des Buches rekonstruieren akri- mit haben auch die antifaschistisch orientierten bisch Planung, Produktion und Inhalt der behandel- Literaturverfi lmungen sowohl »zur idealistischen ten Werke sowie auch deren Rezeptionsgeschich- Wirklichkeits-Konstruktion als auch zur Veranke- te. Leider führt die Faktenfülle der Beiträge häufi g rung des Antifaschismus-Diskurs im allgemeinen dazu, dass die Thesen nicht genügend expliziert Bewußtsein beigetragen« (S. 9). Die Analyse jener und diskutiert werden. Die Defi zite des DDR-An- literarischen Werke, die über ihre Bearbeitung für tifaschismus-Diskurses werden in dem Band gut das Kino oder den Bildschirm im Antifaschismus- herausgearbeitet. Seine Bedingtheit durch die Er- Diskurs der DDR bedeutsam wurden, lässt erken- fahrungs- und Konfl iktgeschichte des 20. Jahrhun- 80 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) derts und die Konkurrenz zum bundesdeutschen allen politischen Lagern gegen die Programmatik Aufarbeitungs-Diskurs bleibt aber unterbelichtet. des NWDR und dessen ersten Chef Hugh Carle- Als Motto stellen die Herausgeber ihrem Buch vor- ton Greene bis hin zur Zerschlagung des NWDR un- an: »Das Gegenteil von Faschismus ist nicht Anti- ter Adenauer werden hier zahlreiche rundfunkhisto- faschismus, sondern die demokratische Kultur.« rische Eckdaten noch einmal in Erinnerung gerufen. Einige Jahrzehnte zuvor noch hatte man in Ost- Bertram zeigt mit einer teils scharfen Polemik die deutschland propagiert, dass das Gegenteil von Dominanz des politisch konservativen Konsenses Faschismus nicht die bürgerliche Demokratie son- jener Jahre und den mühsamen Versuch einiger Me- dern der Sozialismus sei. Die Auswahl des moder- dien, diesem etwas entgegenzusetzen. nisierten Mottos, das die Problematik jedoch nur auf andere Art verkürzt und einseitig darstellt, er- In der zweiten Phase, die Bertram in seinem Buch innert an jene Identifi kationsfi gur, die die Angehö- mit »Turbulenzen« betitelt, setzt er anhand von Pres- rigen der ersten in der DDR ausgebildeten Gene- sezitaten, eigenen Erlebnissen und Erzählungen Be- rationen in den 50er und 60er Jahren mit Hilfe des teiligter, darunter Journalisten und Politiker, diesen heute zu Recht als einseitig kritisierten Antifaschis- Reigen fort. Aus seiner Arbeit als Asienkorrespon- mus vollzogen: Abkoppelung von einer belasteten dent, die er persönlich als Glücksfall und »journalis- Vergangenheit zum Zwecke der zukunftssichernden tischen Idealzustand« (S. 85) empfand, steuert Bert- Selbstvergewisserung. ram einige aufschlussreiche Geschichten bei. Diese Thomas Ahbe, Leipzig stützen seine zentrale Forderung, sich der Einfl uss- nahme auf die journalistische Arbeit durch Politiker und andere Lobbyisten zu entziehen, was er z.B. ko- Jürgen Bertram kett anhand der Visite des damaligen niedersächsi- Mattscheibe. schen Ministerpräsidenten Albrecht in Shanghai (S. Das Ende der Fernsehkultur 84) beschreibt. Aber auch das Innenleben einiger Frankfurt am Main: Fischer Verlag 2006, ‚Schlachtschiffe‘ des kritischen TV-Journalismus, 240 Seiten. wie z.B. von »Panorama«, wird mit Insiderkenntnis, aber zuweilen verbittert auseinander genommen. Als gestandener Journalist liefert Jürgen Bertram Als pensionierter Journalist spricht Bertram diese mit seinem anekdotischen Sachbuch eine bildungs- Fragen sehr persönlich und polemisch an. Im dritten bürgerliche Rückschau auf die Fernsehgeschichte Teil des Buches wird dann endgültig der »Absturz« der BRD und den qualitativen und moralischen Ver- der Fernsehkultur behandelt. Das macht der Autor fall des öffentlich-rechtlichen Fernsehjournalismus an der unheiligen Verknüpfung von politischen Ap- heutzutage. Bertram gelingt es in einigen seiner epi- paraten und Medieninstitutionen fest, an der mäch- sodisch aufbereiteten Kurzkapitel durchaus, inter- tigen Allianz von Sport, Fernsehen und Kommerz, essante Zusammenhänge von Politik und Fernseh- an der Quotenjagd und der damit verbundenen Ma- anstalten darzulegen. Dabei geht es vor allem um nie aus Vermarktung, Verwertung und Nivellierung Fragen des Qualitätsjournalismus, der kritisch und (S. 104). Das Kapitel über Sport im Fernsehen (S. in jeder Hinsicht unabhängig sein sollte, von Partei- 97ff.) ist in jeder Hinsicht aufschlussreich und reiht enproporz ebenso wie von wirtschaftlicher Einfl uss- Altbekanntes und Neues imposant auf. Gleiches nahme und Quotenmanie. Bertram bringt zahlreiche gilt für andere beklagte (generelle) Phänomene wie Beispiele, die das Gegenteil belegen und eine teil- Productplacement, neoliberale Ideologie, Schleich- weise inakzeptable Verknüpfung dieser Partikularin- werbung, Korruption, Boulevardisierung, Banalisie- teressen mit der Personal- und Programmpolitik der rung, die Arroganz der Mächtigen in Politik und Me- Sendeanstalten offenbaren. dien. In der Kritik sind Formate und Themenfelder, die für Bertram den Verfall der öffentlich-rechtli- Bertram, der 1972 zum NDR kam, ist ein ARD-In- chen Fernsehkultur verkörpern. Ganze Kapitel wid- sider. Einer Zeitreise gleich widmet sich der Autor met er z.B. der Volksmusik, »Sabine Christiansen« diversen Etappen der bundesdeutschen Fernseh- und dem so genannten »Society-Journalismus«. und Rundfunkgeschichte, die er in drei große Pha- Das ist durchaus amüsant und interessant zu le- sen einteilt: »Aufstieg«, »Turbulenzen«, »Absturz«. sen, wenn auch des Autors Selbstschau manch- Im ersten Teil geht es um den »Aufstieg« des öf- mal zu idealisiert und feierlich erscheint. Nicht nur fentlich-rechtlichen Rundfunks zu einem qualita- mit Blick auf die Quellenangaben entsteht zuweilen tiv hochwertigen publizistischen Medium. Von der der Eindruck, dass es sich um ein salopp zusam- Entstehungsgeschichte und den Anfeindungen aus mengestelltes Sammelsurium aus Pressezitaten, Rezensionen 81 passenden Literaturverweisen und Insideranekdo- Staaten ihre Unterscheidung [...] überhaupt erst ten handelt. Eine wissenschaftliche Analyse des kommunikativ hervorbringen müssen, genauso wie angeprangerten Verfalls ist jedenfalls nicht auszu- sie im gleichen Zug – zumindest solange sie sich als machen und wurde auch nicht angestrebt. Bertram Teile einer deutschen Nation begreifen – die Einheit ist vielmehr ein engagierter Sammler, der den »pu- der Unterscheidung behaupten.« (S.16) blizistischen« Finger in einige Wunden jener Fern- sehkultur legt, die vom Feuilleton genauso beklagt Der Aufsatz-Band ist in zwei Themenfelder unter- werden wie von medienwissenschaftlichen Unter- schieden. In »Orte und Anlässe der Beobachtung« suchungen, aus denen Bertram in seiner Anklage- werden konkrete mediale Ereignisse als Diskurs- schrift gern zitiert. gegenstand untersucht. Neben Westbeobachtun- gen im DFF (Nikolas Tosse) stehen der »Kommuni- Bertram, der vor allem die »eklatante [...] Diskrepanz kationsanlass Springer« (Christina Bartz und Jens zwischen Postulat und Praxis« (S. 65) in den öffent- Ruchatz), der VIII. Parteitag und seine viel zitierte lich-rechtlichen Medien beklagt, liefert ein Zeitkolo- ‚Überwindung der Langeweile‘ (Jens Ruchatz) so- rit der medialen Kultur der 50er bis 90er Jahre. Das wie die Berichterstattung zur Fußball-Weltmeister- ist nicht unbedingt neu, aber in seiner Zusammen- schaft 1974 (Nikolas Tosse) im Fokus des Interesses. stellung wieder einmal gut nachzulesen. Bekann- Der zweite Teil dreht sich um theoretische Konstruk- termaßen geraten viele solcher Geschichten auch te, die die Wissenschaftler hinter den Diskursen als schnell in Vergessenheit. Vergessen wird oft eben- »Kategorien der Selbstbeschreibung« ausmachen. falls die programmatische und institutionelle Entste- Dazu gehören die Bedeutungen von Massenwirk- hungsgeschichte der öffentlich-rechtlichen Sender. samkeit, Bildung durch Medien, Unterhaltung, Me- So ist Bertrams Buch auch ein kämpferisches Plä- dienwirkung, Medialität und Kybernetik. doyer, den Programmauftrag der öffentlich-rechtli- chen Sender wieder ernst zu nehmen und nicht nur Das klingt auf den ersten Blick alles sehr stringent, vermeintlichen Quoten hinterherzujagen. Bertrams auf den zweiten Blick ist es das nicht immer. Zu- Credo dieser Entwicklung fi ndet sich am Ende des nächst stellt sich die Frage nach dem analysierten Buches: »Keine öffentliche Institution in Deutsch- Material. Welche Quellen konkret ausgewertet wur- land hat sich von ihrem Auftrag seit ihrer Gründung den und nach welchen Kriterien diese ausgewählt so weit entfernt wie das öffentlich-rechtliche Fern- sind, bleibt trotz einleitender Bemerkungen unklar. sehen.« (S. 227) Auffallend ist auch, dass in verschiedenen Aufsät- Uwe Breitenborn, Berlin zen einige wenige Diskurselemente, wie etwa der DDR-Film »Ich – Axel Cäsar Springer«, immer wie- der ventiliert werden. Allein der derzeit einfachere Jens Ruchatz (Hrsg.) Zugang zu den Quellen des DDR-Fernsehens dürfte Mediendiskurse deutsch/deutsch. eine offensichtliche ‚Ostlastigkeit‘ in den Aufsätzen Weimar: Verlag und Datenbank verursacht haben. Ein Hinweis auf diese Schiefl age für Geisteswissenschaften 2005, hätte dem Band keinen Abruch getan und von der 276 Seiten. Refl exion der Autoren zur eigenen Materialgrundla- ge gezeugt. Es ist gut, dass es dieses Buch gibt. Denn mit »Me- diendiskurse deutsch/deutsch«, herausgegeben Die zweite Frage, die sich dem Leser immer wieder von Jens Ruchatz, steht ein Projektergebnis zur aufdrängt, lautet: Welche Diskurse untersucht man Diskussion, das im DDR-Medienforschungsfeld hier eigentlich? Zwar wird der »öffentliche und ver- zwischen Oral History, Grundlagenforschung und öffentlichte Diskurs« als Gegenstand benannt. Aber Herrschafts-Paradigma erfrischend andere Wege neben fernsehinternen Akten werden die unter- beschreitet. Gerade das jüngst leidenschaftliche schiedlichsten Pressestimmen, Fernseh- und Ra- Ringen um die Empfehlung der Expertenkommis- diobeiträge bis hin zu wissenschaftlichen Arbei- sion zur »Aufarbeitung der SED-Diktatur« zeigt, wie ten untersucht oder zumindest zur Argumentation tief gespalten die deutsche Geschichtsforschung verwendet. Zudem muss die Frage gestattet sein, immer noch ist. Dies allerdings weniger zwischen ob sich eine demokratische so einfach mit einer re- Ost und West als vielmehr zwischen Repressions- pressiven Öffentlichkeit vergleichen lässt. Gibt es und systemisch-diskursivem Verständnis. Das eine ‚BRD-Meinung‘, die einer »sozialistischen Bril- Buch basiert auf letzterem Ansatz. Zugrunde ge- le« (S.189) gegenüber zu stellen wäre? Ganz sicher legt wird die Annahme, »dass die beiden deutschen nicht und das behaupten die Autoren auch nicht. 82 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Trotzdem laufen diejenigen Aufsätze, die einen Ver- leitung: Das Fernsehen sei ja an sich schon schlimm gleich anstreben, Gefahr, die DDR-Meinungsdokt- genug. Müsse jetzt unbedingt noch eine eigene Phi- rin mit einem – dann recht beliebigen – Vertreter ei- losophie des Fernsehens ausgerufen werden? nes pluralistischen Systems zu polarisieren oder zur banalen Feststellung eben der Meinungsvielfalt im Bei ihrer Beantwortung dieser selbst gestellten Fra- Westen zu gelangen. Als Beispiel sei hier etwa der ge setzen Oliver Fahle und Lorenz Engell im »Sci- Aufsatz zur Massenwirksamkeit benannt. Während ence Ranking« gleich ganz oben an: Medienphi- die Autorin, Christina Bartz, der DDR die »optimis- losophie sei eine Art Meta-Wissenschaft, eine tische Perspektive« zuschreibt, nämlich dass die Wissenschaftstheorie der Medienwissenschaft (S. Semantik von Massenmedien das »Potential eines 8). Ihre Aufmerksamkeit richtet sich nicht primär auf kommunikativen Austauschs innerhalb der Masse« bereits erfolgte Refl exionen durch etablierte Philo- bedeute, befi ndet sie für die Bundesrepublik, dort sophen wie etwa Heidegger oder Derrida, sondern seien mit der Diskussion um die »mediale Einfl uss- auf jene Form des Denkens, die das Medium selbst nahme« »auch Ängste um das gesellschaftliche Zu- gemeinsam mit uns längst praktiziert, »denn wir sammenleben verbunden« (S.157). Dieses Ergeb- sind alle Teil des Fernsehens« (S. 7). Zentral ist die nis greift schlichtweg zu kurz, auch in Bezug auf »Refl exivität des Mediums im Spiegel seiner beob- die Tatsache, dass die beiden verglichenen Deu- achtbaren Formen« (S. 158), wobei die Angebots- tungen, de Mans »Vermassung und Kulturverfall« formen im Sammelband eine eher untergeordnete 1951 und die Massenwirksamkeits-Publizistik der Rolle spielen und die Rückbindung der Refl exio- DDR ab Anfang der 1960er Jahre, zehn Jahre aus- nen auf die Sendungsanalyse und die konkrete Pro- einander liegen. grammpraxis eher vernachlässigt wird. Interessant bleiben dennoch die Fragestellungen, Die Philosophie des Fernsehens bestehe vor allem die sich auf die »dominante« Semantik (S.21) in der in dem »Beitrag, den das Fernsehen zu seiner ei- DDR konzentrieren. Hier seien, so Ruchatz, Friktio- genen Konstitution leiste« (S. 9). Ein zentrales Inte- nen und Widersprüche weitaus »bedeutsamer als resse von Fahle und Engell gilt den »Bau- und Ver- offen kontroverse Äußerungen« (S.21). Diese aufzu- laufsfi guren dieses televisionären Denkens« (S. 7). fi nden und als Eigenschaften eines totalitären Re- Dem derzeit aktuellen medientheoretischen Turn gimes zu beschreiben, ist im vorliegenden Band je- (Schmidt, Winkler) entsprechend, folgen die He- doch nur ansatzweise gelungen. rausgeber einem diskurstheoretischen Ansatz: Ausgangspunkt ist die Annahme, »dass das Fern- Die offerierten Fragestellungen öffnen Blicke auf sehen – und wohl auch andere Medien […] von ei- Propaganda-Mechanismen im Kalten Krieg, auf nem Diskurs oder einer Vielzahl von Diskursen pro- Semantik-Regelungen und Diskursabsichten in duziert wird« (S. 9). In dieser Annahme erlebt, ohne beiden deutschen Staaten. Zwar sind deren Ergeb- dass dieser Zusammenhang Erwähnung fi ndet, die nisse nicht immer neu und rufen auch einige Zwei- Sichtweise der Angebotsforschung, nämlich dass fel hervor. Aber sie zeigen eine andere Heuristik auf die Pluralität der Inhalte das Angebot des Fernse- und damit ist ihre Diskussionswürdigkeit auch eine hens ausmacht, eine aktuelle Bestätigung. Stärke der Publikation. Steffi Schültzke, Halle/Saale Trotz der propagierten Konzentration auf die Selbst- refl exion des Fernsehens prüfen Herausgeber und Autoren auch, »welche philosophischen Texte und Oliver Fahle/Lorenz Engell (Hrsg.) Gedanken angetan sein könnten, auf das Mediale Philosophie des Fernsehens. und die Medien beziehbar zu sein. So könnte man München: Wilhelm Fink Verlag 2006, 203 Seiten. freilegen, wo in älteren, auch klassischen philoso- phischen Texten das Mediale oder auch ein be- Medienwissenschaftler treten dem Fernsehen tra- stimmtes Medium in seiner Eigenheit bereits vor- ditionell mit kritischer Grundhaltung gegenüber. So bedacht worden ist, auch wenn dafür nicht immer konstatiert Hartmut Winkler im vorliegenden Band: explizit der Medienbegriff benutzt wurde«. (S. 9) Auf »Zwischen der Philosophie und dem Fernsehen eine diese Recherche nach medialen Bezügen bei den Verbindung herstellen zu wollen hat einen milde sa- Klassikern folgt die Untersuchung medialer Aspekte tirischen Zug« (S. 93). Dieser vom Buchtitel aus- bei der Konstitution der philosophischen Texte und gelösten Skepsis begegnen die auch sonst recht der Beantwortung philosophischer Probleme (S. 11). strategiebewussten Herausgeber gleich in ihrer Ein- So lasse, wohl eine kleine Provokation der Heraus- Rezensionen 83 geber in Richtung bisheriger Leitphilosophien, sich (S. 40) Auch die weiteren Analysen Diensts bleiben der Radikale Konstruktivismus auf der Basis unthe- auf vergleichbar hohem Abstraktionsniveau. matisierter und unausgesprochener Erfahrungen te- levisiver Wirklichkeitskonstruktionen verstehen. Ähnlich wie Dienst in seinen Ausführungen zu Hei- degger orientiert sich Claudia Blümle in ihrem Bei- Eine weitere Beziehung zwischen Philosophie und trag »Blue Box. Künstlerische Refl exionen einer Medien bestehe in der Suche nach Antworten auf Studiotechnik« an der apparativen Bedeutung des philosophische Fragen und Probleme in Medien- Mediums, sie wählt jedoch mit Derrida eine aktu- angeboten (S. 9). Dieser Umgang der Philosophie ellere Variante und konzentriert sich auf das Zu- mit Medienangeboten laufe Gefahr, »das Medi- sammenspiel von Produktionstechnik und Wahr- um auf etwas zu beziehen und an etwas zu mes- nehmung. In einem medienhistorischen Überblick sen, das dem Medium selbst völlig äußerlich ist« beschreibt Blümle zunächst, auf welche Wei- (S. 10). Erst eine Untersuchung der eigenen Kon- se seit der frühen Neuzeit Instrumente »Auge und zepte und Konstruktionen des Mediums könne er- Hand über eine Apparatur (verknüpfen), um auf die- kennen lassen, ob sich das Mediale auf die Selbst- se Weise einen perspektivischen und topographi- erkenntnis eines Mediums beschränke. »Nicht um schen Zugriff auf die Welt zu gewährleisten« (S. 43). die Erkenntnis des Mediums als Gegenstand geht An Beispielen aus der Medienkunst interpretiert sie es deshalb der Medienphilosophie, sondern um das spezifi sche Formen der medialen Wahrnehmungs- an Erkenntnis, was das Medium immer selbst schon steuerung durch den Einsatz der fi lmischen und te- ist, um das, was das Medium an Erkenntnis mög- levisionären Produktionstechnik und veranschau- lich macht, realisiert und konditioniert« (S. 10). Da- licht so die theoretische Refl exion. hinter verbirgt sich das grundlegende Interesse an der Strukturierung der Weltwahrnehmung durch die Ralf Adelmann und Markus Stauff verweisen im Medien, das ja bereits Publikationen u.a. von Niklas Kapitel »Ästhetiken der Re-Visualisierung« auf die Luhmann bestimmte. aus ihrer Sicht bislang fehlende philosophische Be- trachtung der Fernsehästhetik. Eine Diagnose, die Richard Diensts wieder abgedruckter Beitrag angesichts der Vielzahl der von ihnen aufgegriffe- »Seinsgefahren in einer televisuellen Welt« rich- nen Refl exionen (u.a. von Dewey, Sontag) etwas tet den klassischen Blick des Philosophen auf das überrascht. Adelmann und Stauff setzen sich je- Fernsehen und wird in Fortsetzung der Traditions- doch vor allem mit der Position Adornos ausein- linien medientheoretischer Refl exion mal wieder ander, um schließlich eine Kritik des Philosophen dort fündig, wo Technik im Zentrum des Denkens Stanley Cavell aufzugreifen, wonach es nicht ge- steht. Dienst konzentriert sich vor allem auf allge- lungen sei zu begreifen, »wofür das Medium da ist; meine medientheoretische Refl exionen aus Mar- was seine Stärken und Besonderheiten sind« (S. tin Heideggers Vorträgen »Einblick in das was ist«. 55). Adelmann und Stauff führen den iconic turn Dort verweist Heidegger wie später Paul Virilio auf der Kulturwissenschaft auf diese unbeantwortete die Überwindung von Zeit- und Raumgrenzen, etwa Frage nach den Stärken und Besonderheiten des auf die Aktualisierung des Vergangenen durch den Mediums zurück und versuchen selbst durch eini- Film. Erst gegen Ende seines Artikels geht Dienst ge »Probebohrungen auf dem Feld der bildästhe- über die Beschreibungen allgemeiner medienbezo- tischen Funktionen des Fernsehens« (S. 57) zu ar- gener Positionen Heideggers hinaus und leistet ei- gumentieren. Mit dem Begriff der Re-Visualisierung nen Transfer zum Fernsehen. Das mächtigste Mit- erfassen sie elementare bildästhetische Operatio- tel des Gestells Fernsehen sei »der frame, das heißt nen des Fernsehens der Wiederverwertung vorhan- der Rahmen, das Gehäuse oder Vollbild: der Ges- denen Materials (S. 57). tus des Einklammerns, der etwas sehen lässt auf Kosten von allem anderen« (S. 35). Aus Sicht Hei- Dieser Beitrag lässt exemplarisch erkennen, dass deggers werde das Fernsehen »zum Schauplatz ei- der ‚blinde Fleck‘ der medienphilosophischen Re- ner Verhandlung ohne Verweigerung, wo das Den- fl exion dieses Bandes in der bisherigen angebots- ken des Seins und die Vorstellung des Fernsehens orientierten fernsehwissenschaftlichen Forschung in ihrem Aufstieg und ihrem Niedergang voneinan- und ihren theoretischen Refl exionen liegt.1 Gera- der abhängig sind, wo der Abgrund so sehr wie der Grund in eine fl üchtige Erscheinung eingebunden ist. Ob es sich als das letzte Absolute einer über- 1 Vgl. dazu etwa die Forschung von Horace Newcomb und David holten Metaphysik erweisen kann, wird sich zeigen.« Marc. 84 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) de in der amerikanischen Fernsehwissenschaft war tät und unterschiedliche Subjektkonzeptionen bil- der Bereich der Ästhetik Ausgangspunkt vielfältiger den die Eckpfeiler, um die Winklers unabgeschlos- Theoriebildungen, aus deren Spektrum Stauff und sene, assoziative Refl exionen kreisen. Adelmann sich auf Caldwells Televisualitätskonzept und seine Kategoriebildung konzentrieren.2 Mary Ann Doane integriert die Zeit als wesentli- chen Faktor in die fernsehphilosophische Diskus- Oliver Fahle eröffnet seinen Beitrag »Das Bild und sion. Die Konzeptualisierung von Ereignissen durch das Sichtbare« mit einer Kritik an dem Wechsel der das Fernsehen hänge von drei verschiedenen Be- Bildtheorien von Malerei, Photographie und Film trachtungsweisen ab: »Information, Krise und Kata- ins Digitale, der dem Fernsehen ausweicht. Eine strophe« (S. 103). Während Doane die Information Ursache hierfür sieht er in dem ständigen Wandel auf den täglichen Ereignisstrom bezieht, sieht sie in der Bildmedien, der die Theoriebildung erschwere. der Krise eine Verdichtung der Zeitlichkeit, die in der Die Brücken zum Fernsehen schlägt Fahle durch Katastrophe als der kritischsten aller Krisen münde. die Konstruktion seines Gerüstes einer Bildtheorie Während diese zeitliche Zuordnung noch plausibel des Fernsehens. Dabei betont er nicht nur das Zu- erscheint, ist die von Doane getroffene Feststellung, sammenspiel medienexterner Schwellen, wie etwa im Unterschied zur Narration sei die Information technisch dispositiver Perspektiven und den me- nicht an eine besondere Organisation der Signifi - dieninternen Schwellen des ästhetisch Poetischen, kanten gebunden (S. 105), angesichts vorhandener sondern auch die Bedeutung des Verhältnisses von Ergebnisse der Journalistikforschung fragwürdig. Bild und Sichtbarkeit. (S. 78, 84) Fragen nach einer medienspezifi schen Ästhetik werden in Fahles Re- Matthias Thieles Beitrag zum spannungsvollen Ver- fl exion und in dem Beitrag von Jürgen Trinks zu »er- hältnis von Ereignis und Normalität bildet einen lebter und erzeugter Serialität« eng mit der Wahr- Gegenpol zu dieser Krisen- und Katastropheno- nehmung verknüpft. rientierung von Doane. Sowohl die kontinuierliche Betonung des Ereignischarakters3 als auch der Ver- Auch in Fahles Beitrag ist die bildtheoretische Kon- weis auf Einblicke in Alltäglichkeit und Normalität struktion durch Ausgrenzung angebotsorientier- etwa in den Reality Soaps sind zentrale Faktoren ter Forschung gekennzeichnet. Fahles Betonung der Programmwerbung von Fernsehsendern. Thie- der fehlenden Autorenorientierung des Fernsehens le befasst sich in seinem Beitrag mit der Frage, auf stehen Studien zum Autorenfernsehen eines Ale- welche Weise mit der »Ereignishaftigkeit des Fern- xander Kluge oder Dieter Wedel entgegen. Die feh- sehens«, die in der Regel eben mit Vorstellungen lende Angebotsorientierung macht sich auch in un- wie Nichtalltäglichkeit, Abweichung, Störung, Aus- genauen historischen Angaben bemerkbar, wenn nahmezustand und punktuellem Tod von Normali- etwa Wolfgang Menges Fernsehspiel dem ZDF tät verbunden wird, gerade auch mit der Herstel- statt dem WDR als ausstrahlender Sendeanstalt lung von Normalität einhergeht (S. 122). Dabei zeigt zugewiesen wird. Thiele Prozesse auf, beispielsweise, wie Informati- onssendungen die Ereignisse durch ihre mediale Hartmut Winkler sucht den Weg von der Wahrneh- Weiterverarbeitung in Normalität überführen. mung zur spezifi schen Wirkung des Fernsehens angesichts der interaktiven Medienkonkurrenz des Lorenz Engell begibt sich im kontinuierlichen Pro- Computers. Winklers Beitrag befasst sich »mit dem grammfl uss des Fernsehens auf die Suche nach Gegenpol der Kontemplation, mit dem Handeln« (S. Endsituationen: »Fast nichts endet im Fernsehen, es 93) und folgt dem Ziel »einer Wiederaufwertung des hört allenfalls auf, und das meist mit dem Verweis couch potato angesichts der Provokation des Inter- darauf, wie es weitergeht und wann, was als nächs- aktiv Digitalen« (S. 93). Ausgangspunkt ist eine Be- tes kommt, was in der nächsten Sendung, der neu- obachtung des eigenen Fernsehverhaltens auf der en Folge der nächsten Ausgabe zu erwarten ist« (S. Couch, begleitet von Junk-Food und mit dem Re- 137). In der Vergangenheit stellte sich dies anders sultat eines umfassenden Sehens und eines ebenso dar. Früher fand das Ende des Fernsehens im Test- umfassenden Gedächtnisverlustes. (S. 93ff.) Mary bild seinen ikonographischen Ausdruck. In der Ge- Ann Doane sieht an anderer Stelle des Bandes gera- de in dieser Produktion von Vergessen den beson- deren Gewinn des Fernsehens (S. 107). Winkler hin- 2 Caldwell John Thornton: Televisuality: Style, Crisis, and Authority gegen setzt das Gleiten der Bilder in Beziehung mit in American Television. New York 1995. dem Gleiten eigener Gefühle. Interaktivität, Passivi- 3 Phoenix etwa präsentiert sich selbst als Ereigniskanal. Rezensionen 85 genwart fi ndet Engell das Ende bei Ereignissen der hung zwischen Medien- und Kommunikationswis- Zeitgeschichte, wie etwa den im Band häufi g er- senschaft. Es scheint, als versuche die deutsche wähnten 11. September 2001. Hier markierten die Medienwissenschaft die oberen Hierarchieplätze Worte eines Reporters »This is the End«, dass auch im Bereich medientheoretischer Refl exionen zu be- das Fernsehen sich mit der Möglichkeit des Nicht- setzen. Dabei aber überlässt sie gleichzeitig die an- mehrseinkönnens konfrontiert sah (S. 139). Der 3. gebotsorientierte Forschung immer mehr den Kom- Oktober 1990 ist ein zeit-, aber auch medienhisto- munikationswissenschaften. In den USA etwa sind risches Datum, das auch für das Ende des DDR- derartige Konfrontationen nicht denkbar. Fernsehens steht. Bei beiden Ereignissen sei »das Joan Kristin Bleicher, Hamburg Ende des Fernsehens offenbar insonderheit an die Live-Sendung gebunden« (S. 141). Darüber hinaus sieht Engell in der Selbstrefl exion seines Endes die Jürgen Bellers/Maren Königsberg (Hrsg.) einzige Möglichkeit des Fernsehens zu enden, was Skandal oder Medienrummel? jedoch den Programmfl uss nur weiter vorantreibe Starfi ghter, Spiegel, Flick, Parteienfi nanzierung, (S. 153). AKWs, »Dienstreisen«, Ehrenworte, Mehmet, Aktenvernichtungen Galt in der Forschung bislang vor allem das Ereignis (= Politikwissenschaft, Band 108) als eigentliche Domäne der Television, so beschrieb Münster: Lit-Verlag 2004, 262 Seiten. der Fernsehkritiker Michael Schwarze in den 80er Claudia Gerhards/Stephan Borg/Bettina Lambert Jahren das Fernsehen als serielles Medium. Mit die- sem zentralen Aspekt des Seriellen befasst sich der TV-Skandale. abschließende Komplex des Sammelbandes. Kay (= Kommunikation audiovisuell. Kirchmann analysiert in »Philosophie der Möglich- Beiträge aus der Hochschule für Fernsehen keiten« das TV-Programm als »Anschaulichwerden und Film München, Band 35) seiner eigenen Theorie« (S. 157). Seine Phänomen- Konstanz: UVK 2005, 408 Seiten. beobachtung etwa des Programms als »Hyper-Nar- rativ«, »das sich in zahllose kleinere Narrative (For- Nachdem eine Vielzahl von wirklichen oder schein- mate, Sendungen, Serien) ausdifferenziert, die baren TV-Skandalen die letzten Jahrzehnte die Öf- ihrerseits wiederum in noch kleinere narrative Ein- fentlichkeit in der Bundesrepublik immer wieder heiten zerfallen« (S. 162), entspricht bisherigen Un- beschäftigt hat, war die wissenschaftliche Ausei- tersuchungen, die das Fernsehen als Erzählmedi- nandersetzung mit diesem Phänomen längst über- um vorstellten.4 fällig. Insofern kann es kaum verwundern, dass sich innerhalb eines Jahres gleich zwei Sammelbände Vrääth Öhners befasst sich mit seriellen Ordnungen mit diesem Phänomen auseinandersetzen. im Spannungsfeld unterschiedlicher ästhetischer und wirkungsorientierter Theoriebildung, die er Die wissenschaftlichen Ansätze beider Bücher un- auch mit Aspekten der Aufmerksamkeitsökonomie terscheiden sich grundsätzlich. Die von Bellers und verknüpft. So greift er u.a. Diensts Beschreibung Königsberg herausgegebenen Aufsätze sind deut- von der Zeit als Währung auf. Heidemarie Schuma- lich erkennbar politikwissenschaftlich orientiert. cher befasst sich mit einem eher performanzorien- Aus dem Untertitel wird bereits erkennbar, dass hier tierten Aspekt des Seriellen, nämlich dem Reper- ausschließlich politische Skandale behandelt wer- toire sich kopierender Gesten (S. 181), die sie der den. Die im Untertitel bereits genannten Fälle sind allgemeinen Substituierung des Realen durch Zei- gleichsam auch die Gliederung des Bandes. chen des Realen zuordnet. Sie vergleicht Aktualisie- rungen des Gestenrepertoires der Hysterikerinnen Die in der Reihe der Hochschule für Fernsehen und des 19. Jahrhunderts mit aktuellen Hysterodramen Film München erschienenen Aufsätze sind der Me- des Vorabendprogramms (S. 184). Hier wie dort las- dienwissenschaft verpfl ichtet. Mit insgesamt 24 sen sich Affekte auf Kommando in Gang setzen. Fallbeispielen ist das Spektrum der behandelten Mit seiner selbst gewählten Positionierung steht der Themen in dem von Gerhards, Borg und Lambert Band symptomatisch für die spannungsvolle Bezie- herausgegebenen Band weitaus größer. Aus dem unterschiedlichen Wissenschaftsver- 4 Vgl. Bleicher, Joan Kristin 1999. Fernsehen als Mythos: Poetik ei- ständnis ergeben sich die differenzierten Ansät- nes narrativen Erkenntnissystems. Opladen. ze zur Beschreibung von TV-Skandalen. In der Pu- 86 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) blikation des LIT-Verlages defi niert Michael Neu inhaltlichen und methodischen Annäherungen an stringent und ausführlich das Phänomen aus po- die Thematik stark variieren. Diese phänomenolo- litischer, moralischer und juristischer Perspektive. gische Betrachtung hat den Vorteil, dass das The- Auf seine Erkenntnisse beziehen sich im Folgen- menspektrum wesentlich umfangreicher als in dem den alle weiteren Aufsätze, die sich jeweils ihrem erstgenannten Sammelband ist. Der Nachteil be- konkreten Untersuchungsgegenstand auf die glei- steht darin, dass der Leser letztlich keine wirkliche che Weise nähern. Zunächst wird die Lage am Be- Vorstellung davon bekommt, was ein TV-Skandal ginn des jeweiligen Skandals geschildert. In einem wirklich ist und vor allem nicht, welche Folgen er im zweiten Schritt werden die unterschiedlichen Posi- Einzelnen auslöste. Insgesamt wird jedoch erkenn- tionen dargestellt, es folgt eine genaue Bewertung bar, welch wichtige Funktion den Fernsehskandalen der Sachverhalte und am Ende wird dem Leser mit- aus medienwissenschaftlicher Sicht zukommt: Sie geteilt, weshalb der Autor/die Autorin der Meinung geben Aufschluss über die Moral der Gesellschaft, ist, dass der Skandal berechtigt war oder ob er nur sie können Auskunft geben über diesbezügliche der Profi lierungssucht einzelner Politiker bzw. Par- Wandlungen und sie sind Elemente, um über Auf- teien entsprang. Im Sinne der von Neu getroffenen merksamkeit Rezipienten an die Kanäle zu binden. Unterscheidung wird also unterschieden zwischen Wolfgang Mühl-Benninghaus, Berlin Skandal und »Pseudoskandal«. Beide eint die Fest- stellung Luhmanns, dass sie etwas Neues und als solche »eine Vermutung der Wichtigkeit für sich« Ludwig Fischer (Hg.) (S.17) in Anspruch nehmen. Der Skandal bricht mit Programm und Programmatik. Konventionen, mit dem Selbstverständlichen, mit Kultur- und medienwissenschaftliche Analysen dem nie Hinterfragten und ist deshalb immer in ei- Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2005, nen gesellschaftlichen Kontext eingebunden. Von 440 Seiten. daher ist ein Skandal nicht eo ipso negativ konno- tiert, sondern kann durchaus auch positive Folgen »Es gab einen Begriff, den ich aus einer Diskussion zeitigen, etwa indem er verkrustete Strukturen auf- im Studienkreis ‚Rundfunk und Geschichte‘ adap- bricht oder die Bürgerinnen und Bürger politisiert. tiert habe, nämlich: Programmgeschichte. In dieser Zu unserem Verständnis vom Menschen zählt, dass Debatte wurde Mitte der 70er Jahre heftig darü- dieser immer wieder Fehler macht. Von daher gehö- ber gestritten, ob man eine Programmgeschichte ren Skandale zu einer liberalen Demokratie dazu. In des Rundfunks schreiben kann und soll. Ich habe diesem Punkt unterscheidet sie sich von autoritären den Begriff auf das Fernsehspiel angewendet: Pro- Staatsstrukturen, die den Medien verbieten, Fehler grammgeschichte des Fernsehspiels. Man sucht in- von Führungspersönlichkeiten zu publizieren. (S. 5 ff.) nerhalb des Programms nach Linien und schreibt Das hier nur ansatzweise wiedergegebene Skan- keine Institutionengeschichte, sondern setzt das dalverständnis impliziert, dass in dem Band nicht Programm als zentrale Ebene.«1 nur sehr genau zwischen Handlungsebene und Öf- fentlichkeitsebene unterschieden wird, sondern in So einfach erklärt Knut Hickethier den Beginn einer Bezug auf Letztere wird auch noch aus kommu- 30 Jahre währenden Debatte um den Begriff »Pro- nikationswissenschaftlicher Perspektive zwischen gramm«, seiner Theorie und seiner Geschichte im medialer Sphäre und der Sphäre der Rezipienten Zusammenhang mit der deutschen Medien- und differenziert. Kommunikationswissenschaft. Hickethier hat diese Diskussionen wie kein anderer inspiriert, geprägt Die wissenschaftliche Stringenz des Politikansat- und differenziert. Zum 60. Geburtstag des Medi- zes lässt der medienwissenschaftliche Band ver- enwissenschaftlers eignet Ludwig Fischer, der von missen. Er ist neben den beiden Aufsätzen zur Ein- 1978 bis 2004 Professor für Neuere deutsche Lite- leitung in vier Abschnitte geteilt: »Shows«, »Fiktion«, ratur und Medienkultur an der Universität Hamburg »Musikfernsehen & Videoclips« und »TV-Magazi- war, Knut Hickethier nun ein Buch zu, das genau ne: Der ‚Fall Michael Born‘«. Jedem Abschnitt sind diesen Verdienst in das Zentrum seiner Botschaft sechs Aufsätze zugeordnet. Da die Herausgeber of- fensichtlich keine einheitlichen Vorgaben für die Be- griffsbestimmung gegeben haben, ist die Zahl der Vorstellungen bzw. Interpretationen von einem TV- 1 Knut Hickethier: »Ich bin da eher ein Historiker«. Ein Gespräch mit Knut Hickethier über die Geschichte der Fernsehhistoriographie, per- Skandal mit der Zahl der Autoren weitgehend iden- sönliche Erinnerungen und die Konstruktion von Sinnzusammenhän- tisch. Diese Feststellung schließt ein, dass auch die gen. In: montage/av 14/1/2005, S.42–59. Rezensionen 87 stellt. Unter dem Titel »Programm und Programma- the Programm?«, S. 87). Ohne einen zumindest li- tik. Kultur- und medienwissenschaftliche Analysen« terarischen Verweis auf eines der Standardwerke fi ndet sich ein – ja was? Knut Hickethiers kommt kaum ein Beitrag aus. Ver- bunden sind die Aufsätze oft mit teilweise sehr per- Ein Aufsatzband ist es in jedem Fall, der, so Fischer, sönlichen Zueignungen der Autoren. »Fallstudien aus unterschiedlichen Sektoren der medienwissenschaftlichen Programmforschung Mit zwei disparaten Beiträgen zu den Cultural Stu- mit kulturanalytischen und theoretischen Betrach- dies von Rolf Lindner zu Beginn des Bandes (»Pro- tungen zu weiten Geltungsbereichen von Program- grammatisch unprogrammatisch. Cultural Studies men und Programmatiken zusammen bringt« (S.14). als Anti-Disziplin«, S.17) und Hans-Dieter Kübler am Dieses Programm ist gelungen, denn in den knapp Ende des Bandes (»Programmerosion und subjek- 30 Beiträgen fi ndet sich mitnichten ein irgendwie tive Rekonstruktionen. Mikrotheoretische Konzepte zu ermittelnder gemeinsamer Nenner des Begriffes zur Medienrezeption seit der ‚parasozialen Interak- Programm. Vielmehr sind die Wörter »Programm« tion‘«, S.412) öffnet der Herausgeber andererseits und »Medienwissenschaft« die beiden gemein- ein interessantes Spektrum wissenschaftlicher Pro- samen Nenner, auf die die Vielfalt der Ansätze zu grammatik. Dass der – durchaus erfrischend – pole- bringen ist. Das dürfte so manchen bibliografi eren- mische Aufsatz von Siegfried Weischenberg (»Kopf den Studenten verwirren, der unter dem Hauptti- an Kopf mit Küblböck. Kultur als Programm der öf- tel eine Art Systematik zum Thema vermutet. Denn fentlich-rechtlichen Sendeanstalten«, S. 180) so eher ist das Buch ein – gelungenes und lesenswer- ziemlich die Mitte des Bandes markiert, fügt sich tes – Nummernprogramm aus bekannten und neu- hervorragend in dieses Spektrum ein. Die Anord- en, kontroversen, konsensuellen, theoriegeleiteten, nung jedenfalls lädt ein zum refl ektieren über die exemplarischen, schlaglichtartigen und essayisti- aktuelle deutsche Forschungssituation. Knut Hi- schen, meist kurz gehaltenen Aufsätzen rund um ckethier nimmt sich unter dieser Perspektive als ge- das Thema. meinsamer und streitbarer Bezugspunkt aus. Damit ist das Buch eben vor allem eine Festschrift für den Einige Beiträge bescheiden sich zur »Notiz« (Ma- Hamburger Medienwissenschaftler. rianne Schuller: »Fehltritte und Von der Schwierig- Steffi Schültzke, Halle/Saale keit des Umgangs mit Programm«, S. 26), zur »lite- raturhistorischen Randnote« (Bernd Stenzig: »‘Ein Publikum zusammenrufen und vor ihm Nüsse kna- CD-Rezension: cken‘«, S. 47) oder zur »medienarchäologischen Mi- Deutsches Rundfunkarchiv (DRA): niatur« (Siegfried Zielinski: Stadt als Musicbox: Die Hermann Kasack und der Rundfunk. CD wo01 Hupensymphonie von Avraamov in Baku und Mos- Deutsches Rundfunkarchiv (DRA): kau 1922/1923, S. 146). Andere Texte verweisen auf Ernst Busch und der Rundfunk. CD wo03 Knut Hickethier, in dem sie sich argumentierend mit den von ihm initiierten und mitgeprägten Diskussi- Neben seinen CD-Produktionen »Stimmen des onen, etwa um den Dispositiv-Begriff, auseinander- Jahrhunderts« in Kooperation mit dem Deutschen setzen (Ludwig Fischer: »Dispositiv und Programm. Historischen Museum Berlin hat das DRA im Rah- Anmerkungen zur Karriere eines Konzepts«, S. 89). men seiner Wort-CDs eine neue Reihe aufge- Historisch orientiert sind vor allem die Fallstudien legt, die Prominente der Vergangenheit und deren zu Kino-, Hörfunk- und Fernsehprogramm, die Er- Rundfunkarbeit vorstellen, Schätze aus dem Archiv gebnisse aus aktuellen Forschungsprojekten, wie ans Licht bringen und Rundfunkgeschichte akus- dem Projekt zur Kino-Öffentlichkeit in Hamburg tisch erlebbar machen will. Die beiden ersten Aus- oder der Forschungsstelle Geschichte des Rund- gaben wurden vom DRA-Standort in Potsdam-Ba- funks in Norddeutschland, vorstellen. Hier zeigt belsberg publiziert, Autorin ist Ingrid Pietrzynski. Die sich, dass der besprochene Band in seiner Zusam- Besonderheit dieser Reihe besteht darin, dass nicht menschau auch einen Spiegel derzeitiger Hambur- nur Töne aneinander gereiht werden, sondern ein ger Forschungsschwerpunkte bildet. Historische umfangreiches Booklet von jeweils 36 Seiten dem Erkenntnisse mit aktuellen Medienentwicklungen Hörer die zeit- und rundfunkhistorische Einordnung verknüpfen etwa die Beiträge von Joan Kristin Blei- der auf den CDs versammelten Sendungen oder cher (»Vom Programm durch das Portal zum Cyber- Sendungsausschnitte erleichtert. Die essayartigen space. Ordnungsmodelle von Internet-Angeboten«, Informationen sind sowohl für den Kenner als auch S. 357) oder Joachim Paech (»How Do we Get into für den interessierten Laien eine Fundgrube. Leider 88 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) haben sich im ersten Booklet zwei ärgerliche Feh- Zweifel bedrängen ihn, mit denen er sich im Wach- ler eingeschlichen: Der Name der Berliner Sende- traum auseinandersetzt; ein imponierendes Stück gesellschaft Funk-Stunde wurde durchgehend in ei- literarischer Psychoanalyse! nem Wort, d.h. ohne Bindestrich, geschrieben und der Beginn des Rundfunks in Berlin und damit in Das zweite Stück auf der CD ist Kasacks Funkdich- Deutschland auf den November 1923 datiert. Dabei tung »Der Ruf«, knapp eine Stunde lang, ein Klas- war es doch der 29. Oktober 1923! siker der Hörspielgeschichte, auch heutzutage vielfach gesendet. Wiederum von Edlef Köppen in- Was gefällt, ist das dezent, wohltuend unaufgeregt szeniert, mit Musik von Karl Knauer unterlegt, wur- gemachte Booklet1, das sich durch zahlreiche Fo- de es am 12. Dezember 1932 von der Berliner Funk- tos auszeichnet, über den Text sanft geschwunge- Stunde ausgestrahlt und zwar zur besten Sendezeit ne zarte weiße Linien zeichnet, wohl Ätherwellen an- um 20.00 Uhr. Hier greift Kasack die politischen und deutend. sozialen Probleme am Ende der Weimarer Republik auf. Im Mittelpunkt des Hörspiels steht Martin Keller, »Hermann Kasack und der Rundfunk« ist dem Pi- 26 Jahre alt, seit fünf Jahren in einer festen Stellung, onier der noch jungen Gattung Hörspiel gewid- die er eines Tages verliert. Den Martin spricht Ernst met. Heute ein leider fast vergessener Schriftstel- Busch. Auch hier experimentierte Kasack mit dem ler, 1896 in Potsdam geboren, hatte Kasack bereits Spiel von inneren und äußeren Stimmen, die sich 1925 für die Berliner Sendegesellschaft Funk-Stun- überlagern, die Martins Handlungen kommentieren, de gearbeitet – und zwar mit einer völlig neuen Sen- ihn bedrängen, aber auch ermutigen. Nach sechs dereihe »Lyrik der Gegenwart«, in der Gedichte von Wochen Arbeitslosigkeit wird Martin mürrisch und zeitgenössischen Autoren vorgestellt wurden. In verzweifelt: »Keiner, der noch seine Arbeit hat, kann der Weimarer Republik verfasste er über 100 Ra- sich vorstellen, wie es ist, arbeitslos zu sein... Ar- dio-Sendungen, Schriftstellerporträts und Hörspie- beitslos, ein Fall ohne Ende, und niemand fängt ei- le. Während der NS-Diktatur zog er sich von der nen auf.« Er bewirbt sich bei zig Firmen um Arbeit, Rundfunkarbeit zurück und begann damit erst wie- egal welche. Doch umsonst. Dann kommt die reale der 1946, nun für den Berliner Rundfunk. 1949 sie- Politik ins Spiel, Reichstagswahlen stehen an. Un- delte er nach Stuttgart über, wo er 1966 starb. In verkennbar Hitler: »Ich will Gemeinschaft! Ich gehö- seinen letzten Lebensjahren war er Präsident der re zum arbeitslosen Deutschland!« Gegen Schluss Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in scheint Martin aus seiner Lethargie zu erwachen. Darmstadt. Fast singend deklamiert er: »Ich bin der Ruf! Alle Arbeitslosen hören mich. Wir sind ein Wille, ein Die CD beginnt mit einer knapp zwölfminütigen Schicksal... Wir wollen Arbeit! (Marschmusik) Die »Funkdichtung. Ein Versuch«, genannt: »Eine Stim- Gemeinschaft geht zur Arbeit.« Und wieder Hitler: me von Tausend«. Regie führte Kasacks Schul- »Wir werden arbeiten. Aufwachen!« Darunter sind freund Edlef Köppen, Schriftsteller wie er. Die sehr Luftschutzsirenen und stampfende Maschinenkol- pathetische, aber für die Zeit typische Musik liefer- ben zu hören. - Ein beklemmendes Stück Funkdich- te Karl Knauer. Ausgestrahlt wurde dieses Hörspiel- tung, das unter die Haut geht und vom Thema her Fragment am 6. Oktober 1932 von der Berliner Sen- – Arbeitslosigkeit – so brennend aktuell ist. Das da- degesellschaft Funk-Stunde um 21.00 Uhr. Nach mals Kommende hat Kasack vorausgesehen. »Stimmen im Kampf« (1930), einem inneren Dialog zweier Tennisspieler im Match, war dies Kasacks Kennern sind diese Hörspiele und Kasacks Funkak- zweites Psychologie-Hörspiel, in dem er mit inneren tivitäten bestens bekannt. Pietrzynski stellt in ihrem und äußeren Stimmen experimentierte und sich der Text darüber hinaus die Mitarbeit Kasacks im Ber- Freudschen Theorie annäherte, dass das Ich nicht liner Rundfunk nach dem Krieg erstmals zusam- unbedingt Herr in seinem eigenen Haus ist. menhängend dar. So bildet ein Kasackscher O-Ton aus dieser Zeit den Abschluss der CD: die »Ein- Zentrale Figur ist der junge Büroangestellte Alexan- leitung zur Rezitation von ,Kinderkreuzzug 1939‘ der (Ferdinand Moissi), der spätabends von der Ar- durch Kate Kühl«, geschrieben von Bertolt Brecht beit nach Hause kommt, den grauen und harten 1941 in der US-amerikanischen Emigration, ge- Alltag abstreift und sich endlich frei fühlt. Doch – sprochen im Berliner Rundfunk am 14. Juni 1946, gut sechs Minuten lang. Mir gefi el diese Hommage Kasacks an den zwei Jahre jüngeren Brecht nicht. 1 Layout: Burga Fillery. Es ist eine fast peinliche Lobhudelei. Über den In- Rezensionen 89 halt des Kinderkreuzzugs erfährt man nichts. Statt- Moritat »Eduard auf dem Blutgerüste« und eine Sze- dessen: Brecht strahle eine »Unbestechlichkeit des ne aus »Die heilige Johanna der Schlachthöfe« von Gefühls« aus, und »wenn er sprach, knisterten die Bertolt Brecht. Busch emigrierte 1933 und nahm Worte wie elektrische Funken«. Im Kinderkreuzzug am Spanischen Bürgerkrieg teil. Dieser Lebens- »spürt man seinen unverwechselbaren aufrütteln- spanne ist der folgende Teil der CD gewidmet. Es den Ton«. Nur der Hörer leider nicht. Und deshalb folgen Erinnerungen an seine Gefangennahme 1940 ist dieses Tondokument zum Abschluss der CD ei- in Frankreich, die Auslieferung an die Gestapo und gentlich überfl üssig. Im Booklet sind akribisch die die Befreiung durch die Rote Armee 1945 aus dem Rundfunkarbeiten von Kasack von 1929 bis 1948 Zuchthaus Brandenburg. Die Jahre 1950 bis 1957 aufgeführt, fast alle als Tondokument nicht mehr sind seiner Schauspielkunst am Berliner Ensemble vorhanden. Ein weiteres Tondokument gibt es aller- gewidmet, hauptsächlich mit Werken von Brecht. dings noch, auch im Booklet aufgeführt: Am 10. Juni 1952 geriet Busch in die Schusslinie der Staatlichen 1948 las Hermann Kasack im NWDR Hamburg aus Kulturkommission: Ihm wurde »Formalismus« vor- seinem 1947 erschienenen Roman »Die Stadt hin- geworfen und »Soldatenlieder der imperialistischen ter dem Strom«, einem surrealistischen Nachkriegs- USA« in sein Repertoire aufgenommen zu haben. roman, für den er 1949 den Fontane-Preis erhielt. Der Booklet-Text weist nach, dass auch dieses Ka- Wäre ein Auszug daraus nicht ein eindrucksvollerer pitel DDR-Rundfunkgeschichte differenzierter ge- Abschluss gewesen? sehen werden muss. Die zaghaften Rehabilitati- onsversuche von Gerhart Eisler, Vorsitzender des Die zweite CD ist eine Hommage an Ernst Busch – Staatlichen Rundfunkkomitees, des Theaterkritikers und das zu Recht! Ein Mann mit vielen Talenten: Er Herbert Ihering und anderen zu Anlass von Buschs war Schauspieler, Sänger, Kabarettist und Regis- 65. Geburtstag sind ebenso vertreten wie eine post- seur. Der Arbeitersohn wurde 1900 in Kiel geboren, hume Würdigung 1990. Busch war 1980 gestorben. nahm mit 18 Jahren Schauspielunterricht und hatte Die CD ist eine beeindruckende Dokumentation ei- 1927 sein erstes großes Engagement an der Berli- ner ungewöhnlichen Lebensgeschichte, die gleich- ner Volksbühne unter dem Intendanten Erwin Pisca- zeitig Zeitgeschichte widerspiegelt. tor. Er spielte in Stücken von Friedrich Wolf, Bertolt Brecht und Ernst Toller, arbeitete seit 1929 auch für Das Konzept der neuen Reihe des DRA überzeugt den Film, unter anderem spielte er die Hauptrolle in in ihren ersten beiden Ausgaben und in ihren unter- Slátan Dudows »Kuhle Wampe«. Und er sang in ei- schiedlichen Präsentationsformen des akustischen ner ganz neuen Art, denn er mischte Elemente der Materials. Rundfunkgeschichte wird nicht nur durch Volksmusik, der Arbeiter-Gesangsbewegung, aber die unmittelbare Wirkung von Stimmen, Tönen, Ge- auch der Unterhaltungsmusik und kreierte mit sei- räuschen und Musik lebendig, auch die informa- ner scharfen, explosiven Stimme eine überraschend tiven Begleittexte erfüllen den Anspruch, den sich neue Gesangskultur. das Deutsche Rundfunkarchiv gesetzt hat: Zeit- und Rundfunkgeschichte nicht nur zu sammeln, sondern Während auf der Kasack-CD überwiegend ganze auch zu vermitteln und publik zu machen. Wie wäre Sendungen präsentiert werden, hat die Autorin hier es, den großen Meister selbst, nämlich Brecht, mit 22 Ausschnitte aus Sendungen featureartig mon- seiner Rundfunkarbeit vorzustellen? Oder Friedrich tiert, die besonders Buschs Rundfunkauftritte und Wolf, Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler, die von sein nicht konfl iktloses Verhältnis zum DDR-Rund- 1926 bis 1929 intensiv für den Rundfunk gearbeitet funk dokumentieren. Seit 1929 arbeitete er für den hat? Und da gibt es noch viele andere Persönlich- Rundfunk, hauptsächlich für die Berliner Sendege- keiten, Rundfunkpioniere, Autoren, auch Musiker, sellschaft Funk-Stunde. Er wirkte mit in Hörspielen, deren Rundfunkarbeit auf CD bekannt zu machen Revuen, Operetten und er sang natürlich. Doch nicht sich lohnen würde. Es wäre eine Bereicherung der seine politischen Lieder, das war der Funk-Stunde akustischen Geschichtsschreibung. Man darf auf zu links, sie wählte weniger politische Songs aus, die nächsten Ausgaben gespannt sein. so z.B. von Ringelnatz und auch mal von Tuchols- Heide Riedel, Ventabren ky. Die CD ist überzeugend in verschiedene Zeitab- schnitte gegliedert, die das wechselvolle Leben des Künstlers widerspiegeln. Den Anfang machen drei Ausschnitte aus Produktionen der Funk-Stunde von 1929 bis 1932: eine Szene aus dem Hörspiel »SOS rao rao – Krassin rettet Italia« von Friedrich Wolf, die 90 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) Eckhard Lange/Hans-Gerhard Stülb (Hrsg.) stellt Philipp Diekmeyer mit dem WDR-Archivpor- Informationsprodukte auf dem Prüfstand. tal eine nutzerfreundliche Lösung vor, verschiede- Qualitätsanforderungen an die ne Datenbanken unter einer Oberfl äche anzubieten. Mediendokumentation in der Krise der Medien Dass in den einzelnen Aufsätzen selbst eine edito- (= Beiträge zur Mediendokumentation, Band 7) rische Hand fehlte, zeigt der Beitrag von Axel Bun- Münster: Lit-Verlag 2004, 286 Seiten. denthal, in dem noch ausführlich erklärt wird, was ein Intranet überhaupt ist. Der siebte Band der Reihe »Beiträge zur Mediendo- kumentation« enthält die Vorträge der beiden Früh- Ganz interessant nachzulesen ist die Vorstellung jahrs-Tagungen der Fachgruppe der Medienarchi- des »Netzwerk Mediatheken«, in das Dietmar Preiß- vare und -dokumentare im Verein der Archivare der ler und Claudia Wagner im Jahr 2002 unter dem Ti- Jahre 2002 in Ravensburg und 2003 in Mainz. tel »Netzwerk Mediatheken oder: Wo fi nde ich das HB-Männchen?« einführten. Damals fokussierten Leider kommt im Band, wie so oft in Tagungsbän- die Autoren, wie durch das Internet-Portal ein kla- den, lediglich ein Teil der Vorträge zum Abdruck. Ob rer sachlicher und institutionsbezogener Zugang es sich dabei aber tatsächlich, wie im Vorwort (S. zu den deutschen Mediensammlungen ermöglicht 6) erwähnt, um eine repräsentative Auswahl han- werden könne. Hier hat sich natürlich seit der Prä- delt, ist zu hinterfragen. Insgesamt sind von den 55 sentation einiges getan. Was damals lediglich in bei beiden Tagungen gehaltenen Vorträgen ledig- Planung war, konnte bis heute weitgehend verwirk- lich 29 nachzulesen. Im Tagungsband werden die licht werden. Nun stellen sich neue Fragen und An- Beiträge der beiden Tagungen in vier Bereiche ein- forderungen an das Netzwerk: Wie geht man da- geteilt: »Archive, Netze, Medienkrise – von außen mit um, dass unter den Teilnehmern am Netzwerk und innen betrachtet«, »Digitaler Informationsfl uß«, noch wichtige Mediensammlungen, wie beispiels- »Kommerzielle Potentiale« und »Rationalisierungs- weise die der Rundfunkanstalten, fehlen? Wäre es druck und Qualitätsmanagement«. Ein Vergleich mit nicht viel nutzerfreundlicher, statt eines pauschalen den Tagungsprogrammen im Anhang zeigt, dass Verweises auf die Institutionen lieber eine (zumin- beispielsweise jeweils alle drei Beiträge der The- dest virtuelle) gemeinsame Datenbank der Medi- menblöcke »Dokumentation und Medienrecht« und enbestände vorzufi nden? Das Konzept des »Netz- »Fernseharchive und Redaktionen auf dem Weg werks Mediatheken« scheint angesichts der großen zum digitalen Paradies« komplett fehlen. Dies ist zu Heterogenität der Institutionen jedoch auch mo- bedauern, denn beispielsweise wären die Vorträ- mentan noch der einzig machbare Weg der Vernet- ge zur rechtlichen Situation elektronischer Presse- zung zu sein. spiegel oder zur Bedeutung des »Digitalen Rechte- managements« in einem Medienarchiv viel eher von Den Eröffnungsvortrag der Mainzer Tagung hielt grundsätzlichem Interesse gewesen als so mancher Guido Knopp zum Thema »Zeitgeschichte im ZDF abgedruckte Situationsbericht. Auch wenn man den – Aufklärung braucht Reichweite«. Guido Knopp vorliegenden Band als Dokumentation einer techni- berichtet in dem publizierten Beitrag von seinem schen Entwicklung im Bereich der Archive liest, ist Konzept, mit Hilfe des Genres »Doku-Drama« Ge- doch das zeitliche Verfallsdatum nicht weniger Bei- schichte zu vermitteln. Dabei gelte es, Qualität und träge zu offensichtlich. Was ursprünglich als Mo- Quote miteinander zu verbinden. Dies werde mit at- mentaufnahme des Stands der Technik 2002 oder traktivem historischem Ereignisfernsehen erreicht, 2003 gedacht war, hat nicht nur im Jahr 2006, son- da so auch ein eher geschichtsfernes Publikum an- dern hatte bereits bei der Publikation 2004 beträcht- gesprochen werden könne. Knopp bezeichnet diese lich an Aktualität verloren. Das bringt die technische Vermittlungsform als »Demokratisierung des histori- Entwicklung im Allgemeinen mit sich. Hier sollte al- schen Diskurses« (S. 98), eine Formulierung, die be- lerdings die Konzeption der Tagungsbände auf den kanntlich so manchem Historiker fraglich erscheint. Prüfstand. Dies gilt insbesondere für Beiträge mit Nicht unerwähnt bleibt die große Bedeutung des wegweisenden Lösungsansätzen, wie etwa von Bildmaterials für die Arbeit des ZDF-Redakteurs. Zu Axel Bundenthal und Philipp Diekmeyer. Beide be- seiner Arbeit gehöre es nicht nur, noch ungehobe- richten über die Entwicklung im Bereich Internet/In- ne Schätze zu fi nden, sondern Bilder auch in ihren tranet in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Wäh- Kontext zu stellen. Archivare und Mediendokumen- rend Axel Bundenthal am Beispiel des ZDF vor tare dürften gerade in Bezug auf die archivarische allem die veränderten Arbeitsweisen schildert, die Arbeit Knopps dennoch skeptisch sein, insbeson- sich durch die Einführung eines Intranets ergeben, dere angesichts seines Credos, dass Geschichts- Rezensionen 91 vermittlung »nicht nur investigativ, sondern span- nend und bewegend und zugleich authentisch« (S. 97) sein soll. Denn der Arbeitsalltag in den Ar- chiven zeigt doch nur allzu oft, dass zwischen Au- thentizität und Sensation häufi g Welten liegen. Andreas Kozlik, Marbach am Neckar Bibliografi e Zeitschriftenlese 93 (1. 7.–31. 12. 2005) Abschied von Peter Glotz [14 Beiträge] BAUMGARTNER, SUSANNA, BIRGIT WOLF: Frauen- In: Die neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte. Jg. 52. bewegtes Fernsehen im ORF der 1970er: medien- 2005. H. 10. S. 12–48. historische und genderperspektivische Betrachtun- Nachrufe auf den Politiker, Medienpolitiker/ gen zur ORF-Magazinsendung »Prisma« unter der Medienmanager, Kommunikationswissenschaftler Leitung von Trautl Brandstaller. In: Medien & Zeit. und Publizisten Peter Glotz (6. 3. 1939–25. 8. 2005). Jg. 20. 2005. H. 2. S. 20–29. ADLBRECHT, JO: Flüchtig aber authentisch – Zur BECK, OSKAR: »Eugen, hast du die Eisensäge da- Glaubwürdigkeit elektronischer Medien in ihrer An- bei? « Rudi Michel. Zur Person. In: Doppelpfeil: das fangszeit: eine Spurensuche zwischen Röhrenradio Unternehmensmagazin des Südwestrundfunks. und Schwarz-Weiß-Fernseher. In: Medien & Zeit. Jg. 2005. H. 6. S. 40–41. 20. 2005. H. 3. S. 25–43. Porträt des Sportreporters und langjährigen »Einblick in die Rezeptionsgeschichte des frühen Sportchefs des Südwestfunks. Radios bzw. Fernsehens.« Am Beispiel vor allem der österreichischen Rundfunkgeschichte (im Vergleich BENTELE , GÜNTER , TOBIAS L IEBERT: PR-Ge- zu Deutschland und den USA). schichte in Deutschland: allgemeine Entwicklung, Entwicklung der Wirtschafts-PR und Berührungs- ANDERSON, MARK A.: Die Kinder und der Holo- punkte zum Journalismus. In: Alte Medien – neue caust: eine amerikanische Geschichte. In: Merkur. Medien: Theorieperspektiven, Medienprofi le, Ein- Jg. 59. 2005. H. 7 (675). S. 571–585. satzfelder: Festschrift für Jan Tonnemacher/Klaus Zum Holocaust-Bewusstsein in den USA, vor Arnold; Christoph Neuberger (Hrsg.). Wiesbaden allem bei Kindern, ausgelöst durch die Holocaust- 2005. S. 221–241. Fiktionalisierung in Fernsehen und Film, beginnend mit der Fernsehserie »Holocaust. Die Geschichte BERGMANN, ERICH, HANSJÖRG BIENER: Radio Ti- der Familie Weiss« (1978). misoara. In: Radio-Kurier – weltweit hören. 2005. H. 9. S. 22–23. ARNOLD, KLAUS: Auf dem Weg zu sich selbst?: die Zur Geschichte des deutschsprachigen Minder- Entwicklung des Radios vom Bildungs- zum Un- heitenprogramms des rumänischen Senders Radio terhaltungsmedium. In: Alte Medien – neue Medi- Timisoara (Radio Temeswar) seit 1943. en: Theorieperspektiven, Medienprofi le, Einsatzfel- der: Festschrift für Jan Tonnemacher/Klaus Arnold; BERNARD, BIRGIT: Bibliothek und Archive beim Christoph Neuberger (Hrsg.). Wiesbaden 2005. S. Westdeutschen Rundfunk 1924–1945. In: Info 7: 132–157. Medien – Archive – Information. Jg. 20. 2005. H. 2. S. 79–88. Audiovisuelles Gedächtnis: [5 Beiträge] / Peter Dusek u.a. In: Medien & Zeit. Jg. 20. 2005. H. 3. 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Geburtstag/Ludwig Fischer RÜDEN, PETER VON: Ein neuer Rundfunk: alliier- (Hrsg.) Konstanz 2005. S. 314–328. te Absichten und deutsche Strategien in der Grün- dungsphase des NWDR. In: Programm und Pro- SCHMOLKE, MICHAEL: Erinnerungen an Otto B. Ro- grammatik: kultur- und medienwissenschaftliche egele. In: Communicatio socialis. Jg. 38. 2005. H. 4. Analysen: Knut Hickethier zum 60. Geburtstag/ S. 419–424. Ludwig Fischer (Hrsg.). Konstanz 2005. S. 283– Nachruf auf Otto B. Roegele (Publizist »Rheini- 298. scher Merkur« und Kommunikationswissenschaftle r/Institut für Zeitungswissenschaft der Universität SALA, ROBERTO: »Gastarbeitersendungen« und München), 1920–2005. »Gastarbeiterzeitschriften« in der Bundesrepub- lik (1960–1975) – ein Spiegel internationaler Span- SCHOLL, ARMIN: Klaus Merten 65 Jahre. In: Publi- nungen. In: Zeithistorische Forschungen; Studies zistik. Jg. 50. 2005. H. 4. S. 475–476. in contemporary history. Jg. 2. 2005. H. 3. S. 366– Kommunikationswissenschaftler, geb. 31. 7. 1940. 387. SAUTER, ENGELBERT: 20 Jahre 3sat – anders rück- blicken. In: ZDF Jahrbuch 2004. Mainz 2005. S. 163– 164. Bibliografi e 99 SCHULZ, WINFRIED, REIMAR ZEH: The changing Fernsehprogrammdirektor des WDR. Fritz Pleitgen: election coverage of German television: a content »Die Holocaust-Serie bleibt Hübners ewiges Ver- analysis: 1990–2002. In: Communications: the Eu- dienst«; Dietrich Schwarzkopf: »Ein Hüter der Pro- ropean journal of communication research. Vol. 30. grammqualität«; Friedrich-Wilhelm von Sell: »Ein 2005. Nr. 4. S. 385–407. Glücksfall für den WDR wie für die ARD«. Analyse der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 unter dem Aspekt der VIEWEG, CHRISTINE: Schluß mit Lustig? 25 Jahre Amerikanisierung. »Löwenzahn« beim ZDF. In: Fernseh-Informationen. Jg. 56. 2005. H. 8. S. 10–12. SEEL, MARTIN : Das Wagnis des Scheiterns: Fass- Zum Abschied des Moderators Peter Lustig von binder-Notizen. 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In: Sechzigsten! 60 Jahre SWR Sinfonieorchester Ba- Birgit Bernard, Stefan Kames, Hans-Ulrich Wag- den-Baden und Freiburg, Radio-Sinfonieorches- ner: Medien und Musikjournalistik in Köln um 1933: ter Stuttgart und SWR Vokalensemble Stuttgart. In: drei Schlaglichter auf eine Usurpation. Eingef. und Doppelpfeil: das Unternehmensmagazin des Süd- hrsg. von Robert v. Zahn. (Beiträge zur rheinischen westrundfunks. 2005. H. 5. S. 74. Musikgeschichte. Bd. 166). Kassel 2005. S. 63–85. Harry Hermann Spitz (1899–1961), Dirigent, Ka- STEFANOWSKI, MICHAEL: Seit 40 Jahren: Kultur pellmeister; 1929–1933 Leiter der Konzert- und hat »aspekte«: Deutschlands älteste TV-Kultursen- Schallplattenabteilung der WERAG; als Jude 1933 dung feiert Geburtstag: as time goes by – Chronik entlassen; danach freier Kapellmeister im Exil; 1941 der laufenden Ereignisse. In: ZDF Kontakt. 2005. in Südfrankreich verhaftet und in Konzentrations- H. 11. S. 3–6. lager (u.a. Auschwitz) deportiert; 1945–1947 Ka- pellmeister in Schweden, u.a. am Schwedischen Unbestechlich. Heinz Werner Hübner ist am 28. Au- Rundfunk; seit 1947 Redakteur bzw. Hauptabtei- gust im Alter von 84 Jahren gestorben. In: WDR lungsleiter Musik beim NWDR/NDR; Leiter der Ka- print. Nr. 354. 2005. S. 11. pelle »Harry Hermann«; 1956 nach jahrelangen In- Auszüge aus den Reden der Trauerfeier für Heinz trigen und Verleumdungen gegen ihn Rücktritt vom Werner Hübner (1921–2005). Hübner war 1977–1985 Amt des Hauptabteilungsleiters Musik. 100 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) WAGNER, HANS-ULRICH: Sounds like the Fifties: in Deutschland/Peter Zimmermann; Kay Hoffmann zur Klangarchäologie der Stimme im westdeut- (Hrsg.), im Auftr. des Hauses des Dokumentarfi lms, schen Rundfunk der Nachkriegszeit. In: »Sound«: Bd. 3. Stuttgart 2005. S. 710–719. zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien/Harro Segeberg; Frank Schätzlein ZIMMERMANN, PETER: Kontinuitäten und Wandlun- (Hrsg.). Marburg 2005. S. 266–284. gen im Zeichen von »Entnazifi zierung« und »Reedu- cation«: »Auferstanden aus Ruinen«. Zur Wirkungs- WAGNER, HANS-ULRICH: »Wir sind nicht unpo- geschichte von Kulturfi lm und Wochenschau nach litisch, sondern bewusst politisch«. Karl-Eduard 1945. In: Geschichte des dokumentarischen Films von Schnitzlers Programmarbeit beim NWDR 1945– in Deutschland. Peter Zimmermann; Kay Hoffmann 1947. In: Programm und Programmatik: kultur- und (Hrsg.), im Auftr. des Hauses des Dokumentarfi lms. medienwissenschaftliche Analysen: Knut Hickethier Bd 3. Stuttgart 2005. S. 691–709. zum 60. Geburtstag/Ludwig Fischer (Hrsg.). Kon- Über die frühen Fernsehdokumentationen in der stanz 2005. S. 299–313. BRD der 50er Jahre in der »Wochenschau- und Kul- turfi lmtradition« der Zeit vor 1945. Was in fünf Jahrzehnten so alles über den Äther ging. In: WDR Radioprogramm. 2005. Woche 52 / Rudolf Lang, Köln 2006. Woche 1. S. 6–7. Vorschau auf das WDR-Hörfunkprogramm zum Jubiläum »50 Jahre WDR« (1.1.1956). WEISS, OLIVER: 20 Jahre Dualer Rundfunk in Deutschland. In: Konkurrenz der Wirklichkeiten: Wilfried Scharf zum 60. Geburtstag/Martina Thie- le (Hrsg.). Göttingen 2005. S. 55–66. WERNER, HANS ULRICH: Unbändige Gestaltungs- kraft: der Klangtechniker Heinrich Schütz (1921– 2005). In: MusikTexte: Zeitschrift für Neue Musik. H. 105. 2005. S. 82. Heinrich Schütz arbeitete seit den frühen 50er Jahren bis 1986 als Klangtechniker im Elektroni- schen Studio bzw. im Tontrickstudio des Westdeut- schen Rundfunks. WITTING-NÖTHEN, PETRA: Ein geniales Provisori- um: Das NWDR-Studio Bonn. In: Die Geschichte des Nordwestdeutschen Rundfunks/Hrsg. von Pe- ter von Rüden und Hans-Ulrich Wagner. Hamburg 2005. S. 311–321. WITTING-NÖTHEN, PETRA: Vom Rheinland bis Ost- westfalen: Die Studios im rheinisch-westfälischen Sendegebiet. In: Die Geschichte des Nordwest- deutschen Rundfunks/Hrsg. von Peter von Rüden und Hans-Ulrich Wagner. Hamburg 2005. S. 297– 307. ZIMMERMANN, PETER: Im Banne der Ufa-Ästhetik und des »Kalten Krieges«: Film- und Fernseh-Do- kumentationen der BRD und DDR über das »Dritte Reich«: »Auferstanden aus Ruinen«. Zur Wirkungs- geschichte von Kulturfi lm und Wochenschau nach 1945. In: Geschichte des dokumentarischen Films Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte Jahrestagung 2007: Ziel der Tagung ist es, die umfassende und sich Von der Politisierung der Medien wandelnde Rolle der Medien bei der Vergesellschaf- zur Medialisierung des Politischen? tung von Politik für eine ganze Zeitperiode – das 20. Zum Verhältnis von Medien und Politik Jahrhundert – herauszuarbeiten und somit Erkennt- im 20. Jahrhundert nisse über grundlegende und langfristige Prozesse Call for Papers im Verhältnis von Politik und Medien zu gewinnen. Die aktuellen Diskussionen über das Verhältnis von Das 20. Jahrhundert war im Hinblick auf Politik nicht Medien und Politik sollen dadurch um eine histori- nur ein »Zeitalter der Extreme« (Eric Hobsbawm), sche Dimension erweitert werden, auch um zu enge, das etwa durch den Gegensatz von Demokratie allein auf die Gegenwart bezogene Schlüsse und und Diktatur gekennzeichnet war, es lässt sich auch Wertungen zu vermeiden. als eine Zeit der Vergesellschaftung von Politik be- schreiben. Gemeint ist damit die – schon im 19. Jahr- Um das Verhältnis von Medien und Politik im 20. hundert einsetzende – Involvierung immer weiterer Jahrhundert auszuloten, sollen in den Beiträgen der Teile der Bevölkerung in politische Diskurse: Poli- Tagung fünf Themenfelder diskutiert werden: tik konnte zunehmend weniger in Arkanbereichen stattfi nden, sondern hatte sich der (inszenierten) 1. Politisierung der Medien und ihre Grenzen: Ne- Unterstützung breiter Bevölkerungskreise zu versi- ben medienpolitischen Vorstellungen und Öffent- chern. »Moulder« und »Mirror« der Vergesellschaf- lichkeitskonzepten in Diktaturen und Demokratien tung von Politik sind die Massenmedien, deren Nut- des 20. Jahrhunderts wird die vielfältige Einfl uss- zung sich nun schichtübergreifend zur Alltagspraxis nahme der Politik auf die Medien z.B. in Wahlkämp- entwickelt hatte – der Medialisierungsprozess hat- fen, durch Public Relations oder Propaganda be- te eingesetzt. Die Medien gewannen an Autonomie handelt. Eine besondere Rolle spielt hier auch das und brachten spezifi sche Verarbeitungsregeln her- Verhältnis zwischen Politik und Medien im (kalten) vor. Dies musste von der Politik bei der Ansprache Krieg. Grenzen der Politisierung sind u.a. in der gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt werden. Kommerzialisierung der Medien, in transnationalen Öffentlichkeiten oder der begrenzten Aufmerksam- Die »Kommunikationsrevolution«, d.h. die Herausbil- keit des Publikums zu sehen. dung neuer, elektronischer Medien vom Radio über das Fernsehen bis hin zum Internet, hat neu kontu- 2. Medialisierung der Politik und ihre Grenzen: Ge- rierte Öffentlichkeiten hervorgebracht. Die themati- fragt wird hier insbesondere nach den jeweiligen sche Fragmentierung und der Einschluss großer Pu- Rückwirkungen von Medien und Medialisierungs- blika sind dabei zwei zentrale Prozesse. Durch die prozessen auf Politik und das politische System. Zu Vielfältigkeit von Öffentlichkeiten sowie ihrer Trä- denken ist dabei an sich wandelnde Darstellungs- germedien gestaltet sich das Verhältnis zwischen konventionen wie z.B. Visualisierung, Personalisie- Politik und Medien zunehmend komplex. In dyna- rung oder Unterhaltungsorientierung. Grenzen der mischen Aushandlungsprozessen werden Wirklich- Medialisierung können u.a. in Eigenlogiken des po- keiten konstruiert, selbst was unter »Politik« zu un- litischen Systems und in Traditionen der politischen terschiedlichen Zeiten jeweils verstanden wurde, ist Kultur und ähnlichem liegen. Ergebnis von Kommunikation; »Politik« im 20. Jahr- hundert erscheint aus dieser Perspektive geradezu 3. Rezeption von Politik durch das Publikum: Wie als »Produkt« massenmedial vermittelter Diskurse, veränderte sich die Rezeption von Politik in den ver- oder anders ausgedrückt: Darstellung und Her- schiedenen Zeitperioden. Welche Inhalte und For- stellung von Politik fallen zunehmend zusammen. men wurden bevorzugt. Inwieweit blieb das Publi- Durch die Medialisierung sind neue Akzente in der kum passiv, wann und wie wurde es aktiv? Diskussion um das Verhältnis von Politik und Medi- en gesetzt worden: Es geht nicht nur um eine mög- 4. Verhältnis Journalisten und Politiker: Eine zen- liche Dominanz der Politik über die Medien, sondern trale Bedeutung im Verhältnis von Politik und Me- auch um die Frage, ob die Politik durch die Medien dien hat die Akteursebene. Wie verändern Politiker in ihrer Substanz gefährdet ist. ihr Verhalten gegenüber Medien? Wie gehen sie mit 102 Rundfunk und Geschichte 1–2 (2006) dem Zwang der Medialisierung um? Andersherum: Veranstalter: Wie wandelte sich das Selbstverständnis von Jour- Fachgruppe Kommunikationsgeschichte nalisten? Was sehen/sahen sie als ihre zentrale Auf- der DGPuK gabe? Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) 5. Die Medien als vierte Gewalt? Historische Diskur- Studienkreis Rundfunk und Geschichte se über Medien und Politik: Hier sollen in einer Meta- Perspektive Konzeptionen zur Rolle der Medien ge- Zeit/Ort: genüber der Politik im 20. Jahrhundert behandelt 18.–20. Januar 2007 im Bundestag in Berlin werden, z.B. die Ausgewogenheitsdebatte oder kul- turkritische Depolitisierungskonzepte. Organisation: Klaus Arnold, Christoph Classen, Edgar Lersch, Mit diesen Fragen ist die Tagung interdisziplinär Susanne Kinnebrock, Hans-Ulrich Wagner ausgerichtet. Erwünscht sind Einreichungen aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft, Kontakt und Einsendungsadresse der Zeitgeschichte sowie aus Politikwissenschaft für die Abstracts: und Soziologie. Dr. Klaus Arnold Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Vortragsvorschläge (je 20 Minuten) zu einem der Lehrstuhl Journalistik II fünf Themenfelder sind als »extended abstracts« Ostenstraße 25 (max. zwei Seiten Text) bis Sonntag, den 15. Ok- 85072 Eichstätt tober 2006, möglichst in elektronischer Form als E- Tel.: 08421/93-1556 Mail-Attachment einzureichen beim Sprecher der E-Mail: Klaus.Arnold@ku-eichstaett.de Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der DG- PuK Klaus Arnold (Klaus.Arnold@ku-eichstaett.de). Der Beitrag darf in dieser Form nicht bereits in ei- Jahrbuch Medien und Geschichte 2006 ner Verlagspublikation veröffentlicht oder auf ei- ner wissenschaftlichen deutschsprachigen Tagung Das Jahrbuch Medien und Geschichte 2006 ist er- präsentiert worden sein. Die Vorschläge werden schienen. Alle Mitglieder des Studienkreises er- in einem anonymisierten Review-Verfahren begut- halten das Buch zugesandt. Weitere Bestellungen achtet. Deshalb bitten wir, die Abstracts mit einem können beim Paragon-Verlag direkt oder bei Veit abnehmbaren Deckblatt zu versehen, auf welchem Scheller, dem Schatzmeister des Studienkreises, der Beitragstitel sowie Name und Adresse des Ein- aufgegeben werden. reichenden vermerkt sind. Die Abstracts sollen ne- ben der Inhaltsangabe des Vortrags den Bezug zum Tagungsthema sowie die Relevanz und Originalität Oliver Zöllner (Hrsg.): der Fragestellung verdeutlichen. An diesen Aspek- Der Blick der Anderen. ten werden sich auch die Reviewer orientieren. Da- (= Jahrbuch Medien und Geschichte 2006) neben wird die Tagungsleitung einzelne Kolleginnen Europa in der Wahrnehmung von Medien und Kollegen mit der Bitte um Beiträge direkt an- Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. sprechen. Reise-, Verpfl egungs- und Unterkunfts- kosten für die Vortragenden können ganz oder in Wie wird Europa, wie werden Europäer von schein- Teilen vorbehaltlich einer in Aussicht gestellten Fi- bar ‚peripheren‘ Mediensystemen in Übersee wahr- nanzierung von der Tagungsleitung übernommen genommen? Wie wird über diesen nicht nur ökono- werden. misch privilegierten Kontinent und seine Bewohner berichtet? Was ist gewissermaßen als »mediale Es- Die Tagung wird am Donnerstag, den 18. Januar, senz« von Europa fassbar? Spitz formuliert: Was abends mit zwei Keynotes und einem Get-Together überhaupt ist »Europa« – im Blick der »Anderen«? beginnen und am Samstag, den 20. Januar, gegen Dies waren Fragestellungen, die der Studienkreis Mittag enden. Genauere Angaben zum Veranstal- Rundfunk und Geschichte als Ausgangspunkt für tungsort, Unterkünften etc. werden rechtzeitig in ei- ner Einladung zur Tagung bekannt gegeben. Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte 103 die Planung seiner 33. Jahrestagung nahm. Im März Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Exposé von 2005 debattierten im Bonner Funkhaus der Deut- maximal 4.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen). schen Welle rund 100 interessierte Teilnehmer »die Rezeption Europas in Medien Afrikas, Asiens und Veranstaltungsort: Lateinamerikas«. Mitteldeutsches Multimediazentrum Institut für Medien und Kommunikation Der hier vorgestellte Dokumentationsband dieser Mansfelder Str. 56, 06108 Halle/Saale Tagung hat sich zum Ziel gesetzt, in wesentliche Grundbedingungen der gegenseitigen Wahrneh- Ansprechpartner: mung von Nationen und Kulturen einzuführen. Die Sebastian Pfau, M.A. (Universität Halle/Saale) Autorinnen und Autoren liefern Fallbeispiele, die ak- Anmeldeunterlagen bei: tuelle Schlaglichter auf den Stand der Entwicklung Sebastian Pfau, Institut für Medien- und von Mediensystemen und Berichterstattungsrouti- Kommunikationswissenschaften, Universität Halle, nen in Afrika, Asien und Lateinamerika werfen und Mansfelder Str. 56, D-06108 Halle (Saale), Möglichkeiten erkunden, inwieweit Europa – oder Tel. 0345 / 55 23 586, Fax 0345/5527058, sind es nur bestimmte europäische Referenznatio- E-Mail: pfau@medienkomm.uni-halle.de nen? – innerhalb dieser Systeme ein Thema ist. Weitere Informationen unter: Änderungen der Kontaktdaten http://www.paragonverlag.de/strug1.html Der Studienkreis bittet seine Mitglieder, bei Adress- änderungen oder Änderungen der Bankverbindung Examenscolloquium des Studienkreises doch eine kurze Nachricht an unseren Schatzmeis- Rundfunk und Geschichte ter Veit Scheller zu senden. Rücksendungen der am 6. und 7. Oktober 2006: Call for Papers Zeitschrift und Rückbuchungen von erloschenen Konten verursachen unnötige Kosten und selbst- Das Colloquium des Studienkreises richtet sich be- verständlich auch unnötigen Aufwand. Es wäre gut, sonders an jüngere WissenschaftlerInnen, welche wenn die Mitglieder neben Postanschriften auch im- hier die Gelegenheit bekommen, sich gegenseitig mer gleich die jeweilige E-Mail-Adresse angeben. ihre aktuellen Forschungsprojekte (z. B. Magister-/ Nachfragen oder Informationen können auf diese Master-/ Diplomarbeiten, Dissertationen) vorzustel- Weise einfacher und schneller übermittelt werden. len. Außerdem werden in einzelnen Arbeitsgruppen sachkundige Beraterinnen und Berater anwesend Studienkreis Rundfunk und Geschichte e.V. sein, die bei Bedarf hilfreiche Hinweise und Kritik Schatzmeister Veit Scheller geben können. Die Gruppe der BeraterInnen setzt c/o ZDF sich aus Kommunikations- und Medienwissen- ABD / Übergreifende Funktionen schaftlern, Rundfunkpraktikern und Archivfachleu- Unternehmensarchiv ten zusammen. 55100 Mainz Deutschland Neben der beratenden Funktion versteht sich das Colloquium zudem als ein Ort, an dem persönliche E-Mail: Scheller.V@zdf.de Kontakte für eine mögliche zukünftige Zusammen- arbeit geknüpft werden können. Hierbei sind unter anderem der Erfahrungsaustausch bei Schreiben größerer wissenschaftlicher Texte sowie Strategien zum Zeitmanagement von Bedeutung. Teilnehmen können höchstens 20 Personen, die im Rahmen ihrer Abschlussarbeit ein Thema aus dem Bereich der Rundfunkforschung bearbeiten. Dies können sowohl historische als auch gegenwartsbe- zogene Themen mit organisations-, programmge- schichtlichen, technikbezogenen oder rezeptionso- rientierten Schwerpunkten sein. Herausgeber: Studienkreis Rundfunk und Geschichte e.V. www.rundfunkundgeschichte.de Redaktionsanschrift: Dr. Hans-Ulrich Wagner (Aufsätze/Dokumentation), Hans-Bredow-Institut, Forschungsstelle zur Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland, E-Mail: hans-ulrich.wagner@uni-hamburg.de Christoph Rohde (Forum), NDR/Dokumentation und Archive, E-Mail: ch.rohde@ndr.de Claudia Kusebauch (Rezensionen), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, E-Mail: kusebauch@medienkomm.uni-halle.de Steffi Schültzke (Redaktion/Koordination), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Medien- und Kommunikationswissenschaften, MMZ, Mansfelder Str. 56, 06108 Halle, Tel. 0345– 552 35 89, E-Mail: schueltzke@medienkomm.uni-halle.de Herstellung: Michael Puschendorf, Halle Druck: Druckerei Teichmann, Halle Redaktionsschluss: 15. Juli 2006