Kaum ein Film kommt ohne Schrift aus. Trotzdem wird sie häufi g unterschätzt, da sie mit Ende des Stummfi lms an die zeitlichen und räumlichen Ränder des Films abgewandert ist: in Vor- und Abspann sowie Untertitel. Dass sie dennoch von den Rändern aus, aber auch zwischen und über den Bildern, auf den Film ein- wirkt, zeigt das vorliegende Buch. Sich für die Schrift zu ent- scheiden, ist eine Kritik an der Bildzentrierung dieses Mediums. Das erklärt auch die zahlreichen Deabtten, die seit Beginn der Filmgeschichte das Unfi lmische der Schrift diskutieren. Die Ent- wicklung des Films aus der Perspektive der Schrift zu betrach- ten, bedeutet, Aus- und Einschließungen zu hinterfragen und die Randzone auszuweiten. Es wird daher nicht allein die Schrift im Film untersucht, sondern auch der Ort, an dem sie erscheint. Strategien der Schriftvermeidung sind dafür so wichtig wie die Buchstaben auf der Leinwand selbst. Dargestellt wird der Wandel der Schrift in Spiel- und Experimen- talfi lm, vom Stumm- zum Tonfi lm bis hin zu aktuellen Beispielen. Mit Analysen von Filmen von Eisenstein, Godard, Greenaway, Hollis Frampton und Marcel Broodthaers. www.lit-verlag.de ISBN 978-3-643-12013-7 Medien ‘ Welten 9 *ukdzfe#yx-ycm* LIT Florian Krautkrämer Florian Krautkrämer SCHRIFT IM FILM Schrift im Film Florian Krautkrämer Medien ‘ Welten Braunschweiger Schriften zur Medienkultur herausgegeben von Rolf F. Nohr Band 21 Lit Verlag Münster / Hamburg / Berlin / London Florian Krautkrämer SCHRIFT IM FILM LIT LIT INHALTSVERZEICHNIS Bucheinbandgestaltung: Jörg Petri  Abbildung Umschlag Rückseite aus dem Film Tabu (F. W. Murnau, USA 1931) Buchgestaltung: Jörg und Nina Petri http://www.jop.net Satz: Lisa Hoefer und Jörg Petri Schriften: Foundry Form Sans, Foundry Form Serif, Gotham Ultra Lektorat: Eyke Isensee Einleitung: Eine Ortsbestimmung ........................................................ 7 © Lit Verlag Münster 2013 Grevener Straße / Fresnostraße 2 D-48159 Münster 1. Kapitel: Auf der Suche nach dem Filmalphabet ........................... 30 Tel. 0251-23 50 91 Fax 0251-23 19 72 e-Mail: lit@lit-verlag.de http://www.lit-verlag.de Chausseestr. 128 / 129 D-10115 Berlin 2. Kapitel: Zwischentitel ...................................................................... 66 Tel. 030-280 40 880 Fax o30-280 40 882 2.1 Exkurs zum Paratext ......................................................................... 68 e-Mail: berlin@lit-verlag.de  http://www.lit-verlag.de/berlin/ 2.2 Zwischentitel im Stummfilm .............................................................108 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek 2.3 Emanzipation der Schrift ..................................................................140 Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen  Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über  2.4 Exkurs zum Vorspann .......................................................................192 http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-643-12013-7 3. Kapitel: Schriftfilme ....................................................................... 228 Printed in Germany 3.1 Experimentelle Schriftfilme ..............................................................231 Gedruckt mit Mitteln des   3.1.1 Schrift als »Text« im Film .............................................................. 239 Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT  3.1.2 Schrift als »Ornament« im Film ..................................................... 246 3.1.3 Zwischen Wirklichkeit und Zeichen: Expanded Cinema ............... 256 3.2 Schrift in den Filmen von Jean-Luc Godard ................................... 272 Gestaltung des Bandes bezuschusst von der HBK Braunschweig Schluss: Schriftfilme – Kalligramme in der Zeit .............................321 Anhang Literatur ................................................................................................. 349 Die Onlineausgabe dieses Buches ist deckungsgleich mit der 1. Auflage der  Filmindex ............................................................................................... 378 Druckversion. Die Onlineausgabe ist lizenziert unter einer Creative Commons  Abbildungsverzeichnis ........................................................................... 382 Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedin- gungen 3.0 Unported Lizenz   http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/deed.de EINLEITUNG Eine Ortsbestimmung   Kurz vor Ende der Stummfilmära, im Jahr 1926, schrieb der russische Litera- tur- und Filmtheoretiker Boris Ejchenbaum, dass der Kunst der Zwischenti- tel eine große Zukunft vorherbestimmt sei, sofern sich diese in den Stil des  Films einfügten und den Rezipienten auf die  richtige Weise beeinflussten  (cf Ejchenbaum 2005 [1926]: 191f.). Doch nur wenig später wurde mit dem  Tonfilm jener Kunst ein rasches Ende bereitet, und für die Schrift  im Film  gab es kaum noch eine Notwendigkeit. Sie wurde an die Ränder des Films  abgedrängt, an die räumlichen als Untertitel am Bildrand oder die zeitlichen  als Vor- und Abspann. Erst  in den  letzten Jahren  ist wieder vermehrt ein  Auftauchen der Schrift an anderen Stellen im Film zu beobachten. Wörter  und Sätze erscheinen in der Szenerie, ergänzen das Bild oder kommentieren  es; sie werden in die Tiefe integriert, nehmen über Materialität, Farbigkeit  und Belichtung räumliche Komponenten der Bildgestaltung auf oder bewe- gen sich wie Gegenstände durch die Räume. So z. B. in der Zombie-Komödie  Zombieland (Ruben Fleischer, USA 2009), in der sich der Protagonist auf  einer von Untoten verseuchten Erde das Überleben sichert,  indem er sich  6 – 7 nach einem strengen von  ihm aufgestellten Verhaltenskodex  richtet. Die- se Regeln werden zu Beginn des Films aufgezählt und dabei auch im Bild  eingeblendet – zur Erinnerung sowohl für den Protagonisten als auch die  Zuschauer: Wenn Columbus (Jesse Eisenberg) zögert, die Tür zur Toilette zu  öffnen, erscheint neben dem Griff die dritte Regel: »Beware of bathrooms«.  Gerade  zu  Beginn  des  Films  entsteht  der  spezielle  Humor  durch  diese  Schrifteinblendungen und das der jeweiligen Szene angepasste Timing. So  auch, als ein Autofahrerin vor einer Horde Zombiekinder flieht: Wegen eines  Unfalls wird sie dabei in absurd hohem Bogen durch die Windschutzscheibe  geschleudert,  und die  Erklärung, wie  dieser  Tod hätte  vermieden werden  können, wird erst etwas später nachgeliefert: »Rule #4: Fasten your seat- belts«  Formal  handelt  es  sich  dabei  um  eine  zeitgenössische  Version  der  klassischen Zwischentitel, die auch im Stummfilm schon die Gedanken der  Protagonisten ausschrieben und bei Komödien, ähnlich wie bei Bilderwit- zen, Komik aus der Konfrontation von Bild und geschriebenem Text bezie- hen konnten. Die Wörter können dabei auf ein Detail hinweisen, eine Erwar- tungshaltung wecken, die vom Bild unterlaufen wird, oder sich einfach über  das Bild selbst lustig machen. Neu bei Beispielen wie Zombieland ist, dass  durch die Gestaltung der  Schrift  diese  in Raumtiefe  des Bildes  eingefügt  wird und sie zusätzlich noch animiert ist. Auf immer wieder unterschiedliche  Art  und Weise werden  die  nüchtern  formulierten  Regeln  ins  Bild  gesetzt  und dabei mitunter von Personen und Gegenständen angestoßen oder gar  umgerannt. Die Credits im Vorspann werden zudem beschossen, verbrannt,  zerdrückt oder zerschlagen. Das hat weniger mit einem Kampf von Bild und  Schrift um die Wahrnehmung des Rezipienten zu tun, sondern ist Ausdruck  einer neuen Bildlichkeit der Schrift  im Film, die nun auch zu einem räum- lichen Objekt werden kann. Diese Art der Schrifteinblendungen findet sich  nicht  nur  in  Kinofilmen  wie  Stranger Than Fiction  (Marc Forster,  USA  2006) oder Scott Pilgrim vs. the World (Edgar Wright, USA 2010), sondern  auch  im  Fernsehen,  wo  Schrift  üblicherweise  dem  Senderlogo  oder  dem  Börsenticker  vorbehalten  ist.  In  der  inzwischen  sechsteiligen Fernsehserie  Sherlock (BBC 2010-2012) taucht Schrift immer wieder auf, um die Zuschau- er über Inhalte auf Telefondisplays zu informieren, ohne dafür diese in einer  8 – 9 Großaufnahme  ins  Bild  setzen  zu müssen. Und  die Ge- der  Schrift  ist  schnell  bestimmt,  die  Schrift  hat  hier  oft  den  Status  eines   In Filmen wie Stranger Than Fiction danken des modernen Sherlock Holmes werden  teilwei- Hilfsmittels, sie unterstützt das Bild. Die anderen Orte der Schrift  im Film  oder Sherlock werden die Schrifteinblen- se  durch Wörter  im  Bild  visualisiert, mitunter  an  genau  sind schwieriger zu fassen. Weil die Zwischentitel sich zwischen den Bildern  dungen meist mit dem Bild verbun den, jenen Gegenständen, auf die sie sich beziehen. Auch das  befanden, wurde ihnen ihr Platz im Film zugunsten eines Abgrenzungs- und  indem sie in Gestaltung, Platzierung und – Information oder Gedanken in schriftlicher Form zu ver- Reinheitsdiskurses, der das neue Medium frei halten wollte von sogenann- Erscheinen auf Gegenstände und Ge- mitteln – ist dem klassischen Zwischentitel verwandt und  ten wesensfremden Elementen, häufig streitig gemacht. Die Titel waren im  schehnisse reagieren. In Stranger Than scheint im aktuellen Format eine zeitgenössische und vor  Stummfilm Teil ästhetischer Auseinandersetzungen, und vielen Regisseuren  Fiction wird die Schrift mit dem Prota- allem akzeptierte Form gefunden zu haben. Die Gründe  gonisten getrackt, das heißt, sie be- dafür  hängen  mit  den  digitalen  Möglichkeiten  zusam- wegt sich häufig mit ihm mit. In Sher- men.  Zum  einen  ist  es  bedeutend  einfacher  geworden,  Schrifteinblendungen  lock taucht die Schrift oft auf, wenn Schrift auf unterschiedliche Weise ins Bild zu integrieren.  in Stranger Than Fiction  es ums Lesen geht, beispielsweise von und Sherlock Zum andern imitieren diese Schrifteinblendungen genau  SMS. Der Schrifteinsatz wirkt dadurch jene  Schrift,  der  wir  am  Bildschirm  tagtäglich  in  unter- natürlicher und weniger unvermittelt. schiedlichen Zusammenhängen begegnen. Sie sind damit  auch  eine Möglichkeit,  die  Filme  dem gewohnten Umfeld  ein  Stück weit  visuell anzupassen.   Die  Beziehungen  von  Schrift  im  Film  zu  außerfilmischen Orten  der  Schriftfiguration, die Parallelen von auf den ersten Blick unterschiedlichen  Visualisierungsstrategien, die Unterschiede und Neuerungen sowie die Aus- einandersetzungen, die  in diesen Zusammenhängen geführt wurden,  sind  Gegenstand  des  vorliegenden Bandes,  der  sich  damit  als  Beitrag  zur Ge- schichte des Filmstils versteht. Im Zentrum steht deswegen nicht allein die  Schrift im Film, sondern auch der Ort, an dem sie erscheint. Die Schrift ist  ein Teil der Filme,  ihre Untersuchung daher ein Teil der Filmwissenschaft  und das Isolieren und Klassifizieren von Fonts und typografischen Entwick- lungen nicht primäres Ziel dieses Buches. Strategien der Schriftvermeidung  sind ebenso wichtig wie ungewöhnliche Beispiele für Schrift im Film.  Bevor es also darum gehen wird, Fragen nach den historischen Verän- derungen des Gebrauchs und der Darstellung von Schrift im Film zu stellen,  muss der Ort,  an dem diese  Schrift  auftaucht,  thematisiert werden,  denn  im  Folgenden  wird  der  Film  fokussiert,  der  Schrift  zeigt,  nicht  allein  die  Schrift,  die  im  Film  auftaucht. Meist  erscheint  diese  Schrift  an Orten,  an  denen sie eine konkrete Aufgabe zu bewältigen hat, sie ist stark konventi- onalisiert und rahmt den Film durch ihre randständige Position. Dieser Ort  10 – 11 war  es  ein  Anliegen,  im  visuellen  Part möglichst  auf  Vermischungen  von  in der Diskussion,  die  sich  zwar  dazu  eignen,  bestimmte Elemente  in der  bildlicher und sprachlicher Information zu verzichten. Analyse zu fokussieren, gleichzeitig aber auch immer wieder dazu genutzt  Zudem sind die Orte schriftlicher Figuration im Film keine beständi- werden, eine Trennung  innerhalb des Films etablieren, die häufig anhand  gen: Untertitel lassen sich durch Synchronisation vermeiden, die heute üb- der Schrift verläuft: Der Vorspann ist ein Paratext, Untertitel sind extradie- lichen, langen Rolltitel des Abspanns ersetzten nach und nach das einfache  getisch, beides nicht wirklich Teil des Films. Ziel der Arbeit ist jedoch nicht,  Ende-Signet, mit dem die meisten Filme noch in der ersten Hälfte des 20.  neue Trennungen aufzufinden und bestehende zu verstärken, sondern ei- Jahrhunderts  aufhörten,  und  von  den  ausführlichen  Vorspannsequenzen  nen umfassenderen Blick auf die Schrift im Spielfilm zu richten. Neben der  ist  inzwischen bei vielen Filmen nur noch der Titelschriftzug geblieben. In  Darstellung und Analyse ästhetischer Veränderungen geht es auch um die  einer Arbeit über die Schrift  im Film genügt es daher nicht, die Schrift zu  Diskurse, die eben jene Konventionen konstituieren oder hinterfragen.  Im  lokalisieren und zu analysieren, sondern es müssen auch die Orte, an denen  Sinne  einer  Geschichte  des  Filmstils  werden  so  auch Veränderungen  und  Schrift auftaucht, in ihren Veränderungen dargestellt werden.  Einflüsse sichtbar, die sich konkret an der Schrift  im Film (oder  ihrer Ver- Der Wandel des Schrifteinsatzes  im Verlauf der Filmgeschichte wird  meidung) aufzeigen lassen. Deshalb wurde auch darauf verzichtet, andere  im zweiten Kapitel dargestellt.  Im Zentrum steht dabei der Zwischentitel,  nicht minder  interessante Gebiete  ausführlicher  zu  behandeln,  bei  denen  womit hier vor allem  jener Schrifteinsatz bezeichnet wird, der  Informatio- Schrift und Bewegtbild aufeinandertreffen, wie im Dokumentarfilm, in der  nen  vermittelt,  die  zum Verständnis  der  erzählten Geschichte  nötig  sind.  Werbung oder  im Fernsehen, da dort andere Diskussionen, Konventionen  Befand sich diese Schrift im Stummfilm meist auf gesonderten Texttafeln,  und Praxen vorherrschen als im Spielfilm. diezunächst zwischen zwei Szenen, später auch zwischen zwei Einstellun- Erst ab den 60er Jahren kann eine verstärkte Beschäftigung mit der  gen  oder  gar  innerhalb  einer  Einstellung  eingeschnitten wurden,  drängte  Schrift im Film festgestellt werden. Filmkünstler und Autorenfilmer machten  die Etablierung des Tonfilms diesen Schrifteinsatz an den zeitlichen Rand  teilweise reichlich Gebrauch von Zwischentiteln, um auf die Transparenzillu- der  Filme: Erklärende Zwischentitel  erschienen meist  nur noch  zu Beginn  sion des filmischen Bildes hinzuweisen.  In den experimentelleren Arbeiten  des Filmes, um Ort, Protagonisten und Handlung vorzustellen. Inzwischen  der 60er und 70er Jahre wurden die Titel auch als Erweiterung des filmischen  sind die schriftlichen Informationen über die Bilder gewandert: Hinweise zu  Materials  gesehen.  Zudem  ist  die  Schrift  im  Film  ein  Thema,  das  sowohl  Ort und Zeit werden, wenn sie erscheinen, zu Beginn einer Szene mit den  Praxis  als  auch  Theorie  beschäftigt  hat.  Hatte  die  frühe  Filmtheorie  und  ersten Bildern zusammen eingeblendet.  -kritik ausführlich die Wortdebatte und dem so genannten Reinheitsdiskurs  Insgesamt  jedoch taucht die Schrift  im Film nach Ende des Stumm- geführt,  gibt  es  seit  den  50er  Jahren eine Öffnung gegenüber heteroge- films seltener auf. Die Schrift soll  im Film nicht stören und die Zuschauer  neren Filmformen und -konzepten. Zu nennen wäre hier vor allem André  nicht daran erinnern, dass sie mangels bildlicher Alternativen zum Einsatz  Bazin, der sich der Frage nach der Kunsthaftigkeit des Films nicht mehr im  gelangt. Üblich ist nach wie vor die Schrift im Vor- und Abspann sowie bei  Sinne der medialen Reinheit widmete, um bestimmte Elemente kategorisch  den Untertiteln, zwei Themen, die das Kapitel zum Zwischentitel rahmen, da  aus  dem Film  auszuschließen,  sondern  sich  stattdessen  um eine  kritische  sich am Vorspann und am Untertitel theoretische Diskurse verfolgen lassen,  Diskussion  angewandter  Mittel  kümmerte.  In  den  60er  Jahren  beschrieb  die das Verhältnis von Schrift und Bild  im Film thematisieren. Sowohl die  Christian Metz den Film als ein Zusammenspiel verschiedener Elemente wie  randständige Platzierung  als  auch die  erkennbar  hohe Normierung dieser  Bild, Ton, Sprache und Schrift (cf Metz 1973: 188). Parallel entstehen Werke,  Schrifteinblendungen verführt dazu, die Schrift aus dem Film auszuschlie- bei denen die Schrift ein eigenes stilistisches Merkmal einiger Regisseurin- ßen. Vor allem die Konzepte des Paratextes und der Diegese stehen dabei  nen und Regisseure ist. Diese Filme stehen im Zentrum des dritten Kapitels  12 – 13 und  werden  Schriftfilme  genannt.  Schriftfilme  kennzeichnet  dabei  nicht,  Schreiben hat das menschliche Bewusstsein nicht nur aufgrund seiner Fi- dass die Schrift besonders häufig oder außergewöhnlich gestaltet zum Ein- xierung auf das Visuelle verändert, sondern auch, weil die Anordnung von  satz kommt, sondern dass ihr Auftauchen mit einem bestimmten Konzept in  komplexen Gedanken in der schriftlichen Form vollkommen anders vollzo- Beziehung steht, das es hier aufzuzeigen gilt. Ein gesonderter Blick auf das  gen werden kann als in der mündlichen (cf Ong 2005 [1982]: 77). Das beste  Konzeptuelle von Schriftfilmen nimmt auch solche Filme in den Fokus, die  Beispiel für die radikale Änderung schriftlicher Wissensordnung ist für Ong  sich einer deutlichen gestalterischen Ausarbeitung der Schrift verwehren.  die alphabetische  Indexikalisierung. Begriffe werden nicht mehr nach Be- Diesem neuen Umgang mit  der  Schrift  im Film  steht  eine  ebenfalls  deutungen, sondern zunächst nach ihrem Anfangslaut sortiert, eine Fähig- neue theoretische Auseinandersetzung mit der Schrift im Bereich der Phi- keit, die die Visualisierung des Alphabets voraussetzt.1 losophie,  Semiotik,  Linguistik  und  Literaturwissenschaft  gegenüber.  Zu  Diese  Aspekte,  die  den Wert  der  Schrift  jenseits  ihrer  lautsprachli- nennen wäre dabei vor allem Jacques Derridas Kritik am Phonozentrismus,  chen Fixierung herausarbeiten – Visualität, Materialität, Räumlichekit – , hat  der  dem  gesprochenen Wort  eine  kulturelle  Vormachtstellung  gegenüber  Sybille Krämer unter dem Aspekt der »Schiftbildlichkeit« zusammengefasst  dem geschriebenen einräumte  (cf Derrida  1974). Vermehrt weisen  in der  und debei  auch auf den Wandel  im Übergang der Schrift  in den Compu- zweiten Hälfte des  20.  Jahrhunderts  zahlreiche Positionen auf die  eigen- ter hingewiesen. Durch die Arbeit am Computer kann die Schrift auch auf  ständige Visualität schriftlicher Aufzeichnungen hin und sehen die Schrift  eine neue Art und Weise untersucht werden: Denn dass sie als »Form sich  nicht mehr  allein  in der Tradition eines  sekundären Speichermediums der  auskristallisieren lässt, kraft derer sie dann als ein Einzelmedium überhaupt  Sprache. Abgrenzungsdiskurse und Kritik, wie sie bei Derrida noch wichtig  erst hervortreten kann«, wird für Sybille Krämer durch das Auftauchen  im  waren, der sich vor allem mit de Saussures Cours de linguistique générale Computer möglich  (cf Krämer  2003: 168).    Der  Schriftdiskurs  vollzog mit  auseinandersetzte,  verlieren  an Bedeutung  und  im Zuge  der Debatte  um  dem zunehmenden Einfluss des Digitalen eine weitere Wendung, denn nun  die Unterschiede von Oralität und Literalität werden Aspekte wie Visualität,  mussten Konzepte von Schrift gefunden wurden, die nichts mehr mit her- Materialität und Medialität zunehmend wichtiger. McLuhan betonte, dass  kömmlichen Schriftsystemen zu tun hatten, sondern aus Codes bestanden:  Lesen vor allem eine visuelle Tätigkeit  sei  (cf McLuhan 2001  [1964]: 91ff.).  Programmiersprachen. Zudem erweitert der Computer den »Operationsraum  Die Gutenberg-Galaxis konnte sich nur aufgrund der Separation von Auge  der  Schrift«  (Krämer  2005: 46),  indem mit  der  Schrift  interagiert werden  und Ohr und der  in der Folge an der Schrift verfestigten visuellen Fähig- kann, der Text beispielsweise in Form von Links beweglich wird (cf ebd.). keiten entwickeln. Jack Goody und Ian Watt machten Ende der 60er Jahre  Und natürlich ändert sich durch die Möglichkeiten, die mit dem Com- darauf aufmerksam, dass sich die Funktion der Schrift mit der Sprachspei- puter  in  der  Postproduktion  von  Filmen  gegeben  sind,  auch  der  Einsatz  cherung nicht erschöpft. Die Möglichkeit zur Aufzeichnung ließ sich nicht  von Schrift  in Film. Die Schrift kann nun sehr viel einfacher und besser  in  bloß darauf reduzieren, Wissen über größere Entfernungen und Zeiten zu  die Bilder eingefügt werden und beispielsweise hinter Gegenständen ver- transportieren, sondern sorgte darüber hinaus für einen »unveränderlichen  schwinden. Die Filmwissenschaft hat sich erst in den letzten zwanzig Jah- und unpersönlichen Modus des Denkens«: die Idee der Logik (Goody/Watt  ren umfasender mit dem Phänomen der Schrift im Film auseinandergesetzt.  1997: 88). Florian Coulmas arbeitete heraus, dass durch die visuelle Ausbrei- In Bänden wie Words & Moving Images. Essays on Verbal and Visual Ex- tung der Sprache die Schrift  zu einem der Hauptwerkzeuge  für die Spra- pression in Film and Television (Wees, 1984), Sprache im Film (Ernst, 1994)  chanalyse werde. Nur die Fixierung der Lautfolgen durch die Schrift kann  und Text und Ton im Film (Goetsch, 1997) werden allerdings all jene Stel- eine  eingehendere Untersuchung  derselben  ermöglichen. Wie wichtig  die  len des  Films behandelt,  bei  denen nicht  allein mittels  des Bildes  Inhalte  visuelle Organisation  der  sprachlichen  Speicherung  ist,  zeigt Walter Ong.  kommuniziert werden, also auch der Dialog, die Tongestaltung oder eben  14 – 15 die Schrift im Film. In diesen Bänden ist die Schrift im Film nur einer klei- konzeptuell in die Gestaltung mit einbezogen wurde. Dieser Wandel hängt  ner,  oft  vernachlässigter  Teil.  Selbst  im Sammelband Writing and Cinema  unter anderem damit zusammen, dass man nicht mehr nur darum bemüht  (Bignell,  1999) macht  »Writing  in  Cinema« das  kleinste  war, sich von den etablierten narrativen Medien wie Literatur und Theater  „ Als »[T]he most critically under- Kapitel  aus ƒ,  die  anderen  behandeln, was  Paech  in  ei- abzugrenzen,  sondern  eben  auch  gegen  die  dominanten  Filmformen,  für  represented of film codes« bezeichnet nem  der  oben  angeführten  Sammelbände  die  Vor-  und  die Hollywood als Synonym stand. Mit der Thematisierung des filmischen  Sean Cubitt die Schrift im Film in eine Nach-Schriften nannte (cf Paech 1994b): Drehbücher und  Materials als opaker Oberfläche und der Auseinandersetzung mit dem ein- der drei Aufsätze dieses Sammelbandes Filmkritiken. Dezidiert der Schrift im Film widmet sich da- zelnen Filmkader suchte man die Nähe zur Musik und zur bildenden Kunst  (Cubitt 1999: 60). gegen der von Friedrich und Jung herausgegebene Sam- und erkannte,  dass  auch die  Schrift  eines der Elemente  ist,  die  im Spiel- melband Schrift und Bild im Film (2002), in dem sich Aufsätze zu den unter- film außer in konventionellen Zusammenhängen kaum eingesetzt wurden.  schiedlichen Figurationen von Schrift wie Vor- und Abspann, Zwischen- und  Damit nahm man auch die Entwicklung der in den 60er Jahren entstehen- Untertitel und zur Schrift im Experimentalfilm finden, eine Verbindung die- den Konzeptkunst auf, die sich weg vom Ikonischen hin zum Semantischen  ser Felder gibt es aber nicht. Zu den einzelnen Orten von Schrift  im Film  wandte.  In Bildern  von Sol  LeWitt, On Kawara und Bruce Nauman findet  sind  in  den  letzten  Jahren  zudem einige Monografien und Sammelbände  sich Schrift, die zum einen den Titel aufnimmt und gleichzeitig den Schrift- erschienen,  die  den  Gegenstand  mit  interessanten  Impulsen  anreichern,  zug als zentrales Bezugssystem im Bild belässt.  so z.B auch zum Untertitel: Subtitles. On the Foreigness of Film von Atom  Ein  Filmemacher,  der  selbst  experimentell  mit  Schrift  arbeitet  und  Egoyan und Ian Belfour (2004) versammelt unterschiedliche Aufsätze zum  sich gleichzeitig auch theoretisch dem Thema genähert hat, ist Yann Beau- Untertitel, sowohl aus kulturwissenschaftlicher, anwendungsbezogener und  vais.  1988 organisierte  er  eine Ausstellung  zum Thema mit  dem Titel mot: übersetzungswissenschaftlicher Perspektive. dites, image.  Im  dazugehörigen  Katalog  schlägt  er  drei  Kategorien  für  Neben dem Zwischentitel, dem bereits  in filmhistorischen Veröffent- die  Schrift  im Film  vor:  die  erste  stellt  die Zwischentitel  dar,  die  die Nar- lichungen Aufmerksamkeit zuteil wird,2 stellt der Titel vorspann wahrschein- ration  unterstützen,  die  zweite  ist  konzeptuell,  das  heißt,  es  handelt  sich  lich denjenigen Teil von Schrift im Film dar, zu dem die meisten Publikationen  hier  um  Schrift,  die  reflexiv  das  Medium  befragt,  durchaus  lesbare  und  erschienen sind. Der Vorspann ist nicht nur ein Interessensgebiet für Film- verständliche  Sätze  schreibt,  deren Ziel  aber  nicht  die  Ergänzung  der  Bil- wissenschaftler, sondern auch für Designer. Im Unterschied zu den anderen  der im Hinblick auf die Narration darstellt. Die dritte Kategorie betrifft jene  Schriftfigurationen wird der Titelvorspann in den meisten Fällen von Grafik- Schrift,  die  ornamental  funktioniert,  bei  der  die  grafischen Aspekte  über- Designern hergestellt und ist nicht selten Ausweis ihres Könnens. Die Spann- wiegen  und  die  Wörter  nicht  mehr  zwangsläufig  gelesen  werden  müssen  breite befindet sich hier zwischen designorientierten Publikationen, die Desig- (Beauvais 1988: 12). Der Vorteil dieser Unterscheidung ist, dass sie nicht pau- ner vorstellen und Beispiele analysieren (beispielsweise Uncredited (Solana/ schal Spiel- vom Experimentalfilm trennt,  indem eine Unterscheidung bloß  Boneu 2007)) und filmtheoretischen Untersuchungen unterschiedlicher Per- zwischen den Genres gezogen wird. Narrationsstützende Schrift findet sich  spektivierung, die den Vorspann häufig mit historischem und narrationsthe- sowohl  im Spiel- als auch im Experimentalfilm, der konzeptuelle Ansatz  ist  oretischen Interesse analysieren (beispielsweise The Title is a Shot (Böhnke/ bei Letzterem allerdings deutlich häufiger anzutreffen. Schrift im Film findet  Hüser/Stanitzek 2006)).  auch in der vorliegenden Arbeit im Spannungsfeld von narrationsstützender  Ein weiterer Themenkomplex, zu dem sich Veröffentlichungen finden,  und ornamentaler Schriftgestaltung statt, da diese Perspektive sich sowohl  ist der experimentelle Schriftfilm.3 Mit dem strukturellen Film, dem Fluxus  in  einer historischen Entwicklung abbildet  (hier  im  zweiten Kapitel  darge- sowie  der  Videokunst  entstanden  immer  häufiger  Filme,  in  denen  Schrift  stellt)  als  auch  Experimental- mit  Spielfilm  verbindet.  Zudem markiert  sie  16 – 17 auch  eine  der  deutlichsten  Unterscheidungen  innerhalb  der  Schriftgestal- auftaucht: dem Vergleich von Film mit Sprache oder Schrift. Oft hängt  tung, in der man von dienender und inszenierter Typografie spricht. Erstere  dieser Vergleich eng mit dem Kunstdiskurs zusammen, geht es doch dabei  findet sich beispielsweise  in Form von Lesetypografie  in Büchern, Letztere  um die Behauptung einer eigenständigen Möglichkeit zur Kommunikati- vor allem in der Werbung auf Plakaten und der Logogestaltung. on nicht verbalisierbarer Inhalte. Dies war auch der Grund für die Ableh- Beim  Vergleich  unterschiedlicher  Figurationskontexte muss mit  Be- nung sowohl von Schrift im Film als auch der verbalen Sprache im frühen  dacht  vorgegangen werden.  Die  Gestaltung  und  der  Einsatz  von  Zwi- Tonfilm, beides wurde als Eingeständnis des Scheiterns angesehen, mit  schentiteln  im Stummfilm kann nicht  in  jeder Hinsicht mit den Schriftex- den dem Medium eigenen Mitteln etwas auszudrücken. Die Konzeption  perimenten  in digitalen Filmen verglichen werden. Nicht die Veränderung  des Films als Sprache oder Schrift sagt viel aus über die Erwartungen, die  technischer Produktionsweisen wäre hierbei ein Hinderungsgrund, sondern  sich an das Medium richten, und damit auch über die Akzeptanz, Ableh- die konventionelle sowie konzeptionelle Herangehensweise, die sich in den  nung und Verwendung von Schrift im Film.  unterschiedlichen  Produktionszusammenhängen  verändert.  Zwischentitel  Dieser Vergleich von Film und Sprache oder Schrift zieht sich durch  im  Stummfilm waren  oft  die  einzige Möglichkeit,  Text  außerhalb  des  fo- die gesamte Filmgeschichte, bezeichnet dabei allerdings teilweise völlig un- tografischen  Bildes  zu  kommunizieren.  Die  Lesbarkeit musste  daher  eher  terschiedliche Qualitäten. Im Stummfilm wurde er zur Betonung der präzi- garantiert werden, als wenn Informationen ebenfalls auf der Tonspur ver- sen kommunikativen Fähigkeiten des neuen Mediums verwandt, die Meta- mitteln werden können. pher der caméra stylo, die Alexandre Astruc Ende der 40er Jahre hingegen  Der ästhetische Aspekt der Schrift  im Film  ist  in der vorliegenden  einführte,  verwies  auf die große Freiheit,  die Filmschaffende nun hätten.  Arbeit nur einer unter mehreren, die Schrift ist hier auch nicht die Haupt- Und so, wie sich der Bezugspunkt immer wieder änderte, ändern sich auch  darstellerin, sondern ihr Erscheinen im Film ist der Untersuchungsgegen- die Medien, die mit  Schrift und Sprache verglichen werden. Für Lev Ma- stand. Mindestens so wichtig wie die Analyse der Gestaltung der Schrift  novich beispielsweise ist die Filmsprache nicht mehr allein im Medium des  ist  die des Rahmens,  der  ihr Auftauchen ermöglicht. Dazu gehören die  Films zu finden, sondern in der Software und den Interfaces, die inzwischen  technischen Voraussetzungen ebenso wie die Darstellung des Diskurses,  zur Erstellung genutzt werden (cf Manovich 2001: 333).  der  das  ästhetische  Programm des  Films  verhandelt,  in  dessen  Zusam- Bevor der Film diese Metapher übernahm, wurde die Fotografie mit  menhang dann die Schrift auftauchen darf oder auch nicht. Diese Aus- Sprache  und  Schrift  verglichen,  als  Alleinstellungsmerkmal  dieser  neuen  einandersetzungen, die im ersten Kapitel ausführlich dargestellt werden,  Sprache wurde zudem auch ihre Universalität betont. Bereits 1840, also nur  wurden vor allem zur Zeit des Stummfilms geführt, als man darüber dis- kurz nach der Erfindung der Fotografie durch Daguerre und Talbot, lassen  kutierte, ob die Zwischentitel unfilmisch und von daher zu vermeiden sei- sich Zitate finden, die sie als universell verständliches Medium auffassten.4  en oder ihr Status als Hilfsmittel gerechtfertigt erschien. Sie sind eng ver- Auch in ihrer Verarbeitung im Buchdruck wurde die Fotografie als all- knüpft mit der Diskussion über den Kunststatus des Films, der bestimmte,  gemeine und nationale Grenzen überschreitende Sprache beschrieben. An- was das neue Medium dürfe und was seine Aufgaben sei, um sich von den  hand der  folgenden Ausführungen  soll  auf  das  besondere Verhältnis  von  etablierten Künsten abzugrenzen. Mit dem Tonfilm wurde die Debatte um  Schrift-Bild-Mischungen  im  Film  hingewiesen  werden,  das  im  Gegensatz  die Titel nicht mehr so zentral wie zuvor geführt, aber der Kunstdiskurs  zum Buchdruck durch die Ortlosigkeit der Schrift geprägt ist.  um den Film blieb bestehen – und damit auch Annahmen und Vorgaben  über filmische Möglichkeiten. Das Verfolgen dieses Diskurses geht einher  mit einem anderen Strang, der in der Geschichte des Films immer wieder  18 – 19 Typofoto 3. das kommende Buch anational sein wird; denn um es zu verstehen, muss Die  Illustration von Text mit Fotografien war bis  zu Beginn des 20. Jahr- man am wenigsten lernen (Lissitzky 1971 [1927]: 184). hunderts zunächst nur in Zeitungen, Illustrierten und Fachbüchern üblich,  wobei Bild und Text gestalterisch klar getrennt blieben. Das Bild wurde in  Das Anliegen, mit Foto und Text zu einer neuen Buchform zu gelangen,  der typografischen Gestaltung erst mit einbezogen, als auch die Trennung  gleichzeitig aber auf eine Marginalisierung des gedruckten Wortes zu zie- zwischen Setzer und Bildredakteur aufgehoben wurde,  len, zeigt sich besonders in Moholy-Nagys Projekt Dynamik der Großstadt.  „ »Gerade auf dem Kontrast zwischen was in Deutschland bei den akademischen Gestaltern un- Eigentlich  als  Film  über  das  Großstadtleben  geplant,  entwickelte  er  zu- den scheinbar dreidimensionalen Gebil- ter anderem des Bauhauses der Fall war.  Ihr neuer kon- nächst eine 14 Seiten umfassende »Skizze zu einem Film«, die aus der Kom- den der Photos und den flächigen For- zeptioneller Ansatz war es, in der Kombination von Foto  bination von Fotografie und Text bestand, wobei die Visualität der Buch- men der Schrift beruht die starke Wir- und Text zwei visuelle Formen der Kommunikation mitei- seite mit einbezogen wurde,  indem er die einzelnen Elemente in Blöcken  kung der Typographie der Gegenwart« nander in Verbindung zu bringen. ƒ  Die Fotografie wurde  auf  jeweils  unterschiedliche  Art  und Weise  anordnete,  durch  Linien  und  (Tschichold 1987 [1928]: 94). von der Neuen Typographie des Bauhauses als typogra- Rahmen  abtrennte  und  durch  einzelne,  vergrößerte  Wörter  Einfluss  auf  fisches  Mittel  genutzt  (cf  Tschichold  1987  [1928]: 94).  Rhythmus und Tempo des Lesens nahm. Eine festgelegte Leserichtung gibt  „ »Es handelt sich um eine Maschine, die Wichtig war hierfür auch, dass die Verarbeitung von Text  es nicht. Dieses sehr freie und künstlerische Konzept der  den Satz auf einen Film bringt, und um „ »Was ist Typofoto? Typografie ist in und  Fotografie  von  einer  Person  in  einem  Arbeitsgang  Text-Bild-Montage bezeichnete Moholy-Nagy als Typo- eine Druckmaschine, die das Satznegativ Druck gestaltete Mitteilung. Fotografie vollzogen werden konnte.5 ƒ Der Universalitätsanspruch,  foto. ƒ Es sollte nicht allein eine avancierte Möglichkeit  auf empfindliches Papier kopiert. So fällt ist visuelle Darstellung des optisch der mit dieser neuen Buchgestaltung verbunden wurde,  darstellen, Fotografie im Text zu benutzen, sondern der  das ungeheure Gewicht des Satzmaterials Fassbaren. Das Typofoto ist die visuell bezog sich auf das Überspringen des Buchstabens, da als  Begriff bezeichnet auch die Chance, Bücher herzustellen,  und der Eimer Farbe weg […]. Das Wich- exakteste dargestellte Mitteilung« das Neue in der Foto-Text-Montage der Einbruch der Fo- die  der  Fotografie  einen  möglichst  großen  Stellenwert  tigste dabei ist, dass die Herstellungsart (Moholy-Nagy, 1978 [1927]: 37). tografie in das Textuniversum des Buches gesehen wurde  einräumen und dabei mehr sind als bloß Bildbände. des Wortes und der Abbildung ein und – durchaus mit der Intention, den Text nicht bloß zu er- demselben Prozess unterworfen ist: dem Die typografischen Materialien selbst enthalten starke optische Fassbar- gänzen, sondern zu verdrängen. Diese Entwicklung sollte  Lichtdruck, der Photographie« keiten und vermögen dadurch den Inhalt der Mitteilung auch unmittelbar nicht  mit  der  Möglichkeit  der  Kombination  enden,  das  (Lissitzky 1971 [1927]: 184). visuell – nicht nur mittelbar intellektuell – darzustellen. Die Fotografie als neue Buch musste darüber hinaus gehen: typografisches Material verwendet, ist von größter Wirksamkeit. Sie kann Die Hieroglyphe ist international. Das heißt: wenn sich ein Russe, Deutscher als Illustration neben und zu den Worten erscheinen, oder als ›Fototext‹ an- oder Amerikaner die Zeichen (Bilder) der Begriffe einprägt, kann er chinesisch stelle der Worte als präzise Darstellungsform, die in ihrer Objektivität keine oder ägyptisch lesen (lautlos), ohne die Sprache zu erlernen, denn Sprache individuelle Deutung zulässt. Aus den optischen und assoziativen Beziehun- und Schrift sind je ein Gebilde für sich. Das ist ein Vorteil, den das Buchsta- gen baut sich die Gestaltung, die Darstellung auf: zu einer visuell-assoziativ- benbuch verloren hat. Und so glaube ich, dass die nächste Buchform plas- begrifflich-synthetischen Kontinuität: zu dem Typofoto als eindeutige Dar- tisch-darstellerische sein wird. Wir können sagen, dass stellung in optisch gültiger Gestalt (Moholy-Nagy 1978: 38; Hervh. i. O.). 1. das hieroglyphische Buch international ist (mindestens in seiner Potenz) Im Fall von Dynamik der Großstadt zielte das Projekt explizit auf eine rein  2. das Buchstaben-Buch national, und visuelle Form, bei der die Visualität der Buchstaben keinen Platz mehr ge- habt hätte. Denn was das Typofoto auszeichnete, nämlich die Kombination  20 – 21 Doppelseiten aus Dynamik der Groß-Stadt von Moholy-Nagy, (Abbildungsgröße ca. 78 % vom Original.)  22 – 23 Doppelseiten aus Dynamik der Groß-Stadt von Moholy-Nagy, (Abbildungsgröße ca. 78 % vom Original.)  24 – 25 von Text und Bild auf sehr ungewöhnliche Art und Weise, sollte im fertigen  gestaltete sich im Film noch einmal anders, da es hier keine topografische  Film, der allerdings nie hergestellt wurde, allein in einer Bildsprache aufgehen: Aufteilung von Bild und Schrift geben kann wie im Buch. Was das Typofoto  auch auszeichnet, ist das Spiel mit der Anordnung von Bild und Text, die auf  Der Film ›Dynamik der Groß-Stadt‹ will weder lehren, noch moralisieren, keiner Seite gleich ist und durch die strenge Rahmenziehung unterstrichen  noch erzählen; er möchte visuell, nur visuell wirken. Die Elemente des Visu- wird. Moholy-Nagy  gestaltete  die  Seite  des  Buches,  indem  er  sich  einer  ellen stehen hier nicht unbedingt in logischer Bindung miteinander; trotzdem klaren, wiedererkennbaren Aufteilung widersetzte. Genau diese Aufteilung  schließen sie sich durch ihre fotografisch-visuellen Relationen zu einem le- gibt es im Medium Film aber nicht, da hier immer über das Bild geschrieben  bendigen Zusammenhang raumzeitlicher Erlebnisse zusammen und schalten wird. Schrift erscheint entweder über den Bildern (als Untertitel unterhalb,  den Zuschauer aktiv in die Stadtdynamik ein. […] aber dennoch überhalb des Bildes) oder dazwischen. Aufgrund der allge- Ziel des Films: Ausnutzung der Apparatur, eigene optische Aktion, opti- meinen Konzeption des Films als Bildermedium stehen auch Zwischentitel  sche Tempogliederung, – statt literarisch, theatralischer Handlung: Dyna- über den Bildern, über dem Platz, der der allgemeinen Ansicht nach eigent- mik des Optischen. Viel Bewegung, mitunter bis zur Brutalität gesteigert lich  den  Bildern  gehören  sollte.  Schrift  und  Bild werden  nicht  aufgeteilt,  (Moholy-Nagy 1978: 120f., Herv. i. O.). sondern verdrängen  sich.  In diesem Sinne wäre die Schrift des Typofotos  Dynamik der Großstadt im Film Dynamik der Großstadt aus dem visuellen  Der Aussage, dass das Typofoto Dynamik der Großstadt bereits ein »Film  Bereich in die Struktur des Films gewandert.  auf dem Papier« sei (Gwozdz 2002, oP), muss man dabei nicht folgen, auch  Die sichtbare Schrift im Film hingegen steht aufgrund der nicht vor- wenn Moholy-Nagy das selbst vorgeschlagen hat: er beschreibt das Typofo- handenen  räumlichen Trennung  immer  im Verhältnis  zu  den Bildern,  den  to als »in Text umbrochene[n] filmlose[n] Film« ( Claudia Müller 1994: 82).  vorhergehenden und folgenden oder denen darunter.  Im Medium FIlm ist  Denn zum einen steht bei dem Projekt die drucktechnische, künstlerische  der Ort der Schrift daher auch kein eindeutig zu benennender Platz, son- Innovation des Buches im Vordergrund, die bei einer Bezeichnung als Film  dern ein Ort des Austauschs. ignoriert würde, zum anderen wird der Unterschied der beiden Medien Buch  und Film im Bezug auf die Verwendung von Text und Bild damit unterschla- gen. Die Verwendung der Fotografie im Buchdruck war eine künstlerische  Innovation der Bauhaus-Typografen, da hier offensiv mit der Verwendung  von Bildern innerhalb eines Textuniversums gearbeitet wurde. Dabei gilt es,  die  gegebene  und  erwartete  Dominanz  des  geschriebenen  und  gedruck- ten Textes  zu brechen, ohne dass die Fotografien allein  als  Illustrationen  verwendet werden und damit  einen Teil  ihrer  Eigenständigkeit  einbüßen.  Beim Film hingegen handelt es sich um ein Bilderuniversum. Schrifteinblen- dungen  sind  zwar  notwendig,  nicht  aber  allgemein  akzeptierter  Bestand- teil  dieses Mediums. Dass Moholy-Nagy  im  fertigen  Film nicht  von  einer  Verwendung von Schrift ausging, macht das noch einmal deutlich. Die ty- pografische Innovation bezog sich vor allem auf die Verwendung der Foto- grafie im Druck, nicht allein auf die Kombination von Schrift und Bild. Diese  26 – 27 Anmerkungen 1. Das Argument der visuellen Anordnung sprachlicher Zeichen findet sich auch bei Ivan Illichs Im Weinberg des Textes. Illich sieht den Umbruch nicht durch eine Medieninnovation wie den Buch- druck herbeigeführt, sondern erkennt in der Analyse verschiedener Schriften eine Wende, die mit der systematischen Trennung der Wörter durch Lücken begann (cf Illich 1991: 91f.). Leer- und Satz- zeichen sowie Absätze und die Groß- und Kleinschreibung sind allesamt Elemente, die der Schrift zu eigen sind und nicht in Zusammenhang mit der Lautsprache stehen. Die Ordnung in der Schrift, die allein zur visuellen Orientierung in Büchern eingesetzt wird, beginnt um 1200 und somit vor dem Buchdruck, der sich zunächst an der Handschrift orientierte, also von ihr Wortabstände, Textforma- tierungen und Kapitelüberschriften übernimmt. Um 1200 lassen sich auch die ersten alphabetischen Register finden. »Vor Hugos Zeit [vor 1100, FK] ist das Buch eine Aufzeichnung dessen, was ein Au- tor geredet oder diktiert hat. Nach Hugo wird es zunehmend zu einem Repertorium der Gedanken eines Autors, zu einer Bildfläche, auf die er seine noch unausgesprochenen Intentionen projizieren kann« (Illich 1991: 101). Ab dem 13. Jahrhundert entwickelte sich die scholastische Argumentation hin zu einer, die erst verstanden wurde, wenn man sie auch visuell als Text vor Augen hatte (cf ebd: 97). 2. Beispielsweise Birett 1988, Salt 1992, Gauderault 1997, Bordwell/Staiger/Thompson (BST) 2006. 3. Beispielsweise Scheffer 2009, Stenzer 2010. 4. Allan Sekula demonstrierte an einigen ausgewählten Beispielen den Diskurs, der mit der Meta- pher der universell verständlichen Sprache bezüglich der Fotografie geführt wurde und zeigte, wie sehr dieser mit Expansionsbestrebungen und Kapitalismus zusammenhing. Interessant ist an dieser Stelle der Verweis auf die Hieroglyphen, die gerade 18 Jahre zuvor erst durch Champollion entziffert worden waren, der damit auch die Illusion einer romantisch als universell verständlich verklärten Bildersprache beendet hat, da die Zeichen nicht nur Ideogramme darstellten, sondern eben auch Phonogramme oder als Determinative fungierten. Ein und dasselbe Zeichen konnte je nach Zusam- menhang unterschiedliche Funktionen einnehmen. Die Fotografie kam somit gerade recht, um den damit zerstörten Mythos einer »universal language« wieder zu repräsentieren (cf Sekula 1981). Alei- da Assmann zeigt, dass das starke Interesse für Hieroglyphen in der Renaissance auch parallel zur Entwicklung des Buchdrucks zu sehen ist: »Die europäischen Kulturen, die sich soeben für Druck- technik, verbreitete Lesekommunikation und Nationalsprachen entschieden hatten, wandten sich im selben Zuge auch der gegenteiligen Option zu, dem geheimnisvollen Kode einer interkulturellen Bilderschrift. […] Schrift fällt in der Renaissance in zwei Richtungen auseinander, in eine klare, transparente, auf Lesbarkeit und Breitenwirkung zielende, die zum wichtigsten technischen Mit- tel sozialer Evolution avanciert, und in eine esoterisch-dunkle, auf Geheimnisfülle und meditative Versenkung angelegte Schrift, die Bedürfnissen Rechnung trägt, die vom technischen Fortschritt überholt werden« (Assmann 1994: 138). 5. Die Synthese von Schrift und Bild wurde durch die Fotosatzmaschine erreicht, bei der beides durch ein fotografisches Verfahren auf einen Träger kopiert wurde und sich im Gegensatz zum Druck mit Bleisatz und Klischee nun auch materiell nicht mehr unterschied. Mit dem Fotosatz wurde in den 20er Jahren viel experimentiert, die Zitate sind aber dennoch als visionär einzuordnen, da der Fotosatz erst in den 70er Jahren soweit perfektioniert war, dass er massenwirksam eingesetzt wer- den konnte (cf Wehde 2000: 389f.). 28 – 29 1 Auf der Suche nachdem Filmalphabet 1Die Ablehnung von Schrift und Sprache im Stummfilm „ Ein Jahr später veröffentlichte Canudo hängt, wie bereits erwähnt, mit dem Versuch der Etab­»Le Manifeste des 7 arts«, in dem er den lierung dieses neuen Mediums zusammen, indem man es Film in der heute noch gültigen Zähl­ von den anderen Künsten abzugrenzen versuchte. Insbe­weise den bisher bestehenden Künsten sondere von den erzählenden Künsten wie Theater und Architektur, Malerei, Skulptur, Poesie, Literatur sollte sich der Film unterscheiden und seine ei­Musik und Tanz hinzugefügt hat. Im Ge­ genen Qualitäten zum Ausdruck bringen. Canudos »Nais­gensatz zu dem ein Jahr zuvor geschrie­ sance d‘une sixième art« von 1911 ƒ, eines der Gründungs­benen Aufsatz hat er noch den Tanz als manifeste des künstlerischen Films, sieht die Modernität sechste Kunst hinzugefügt. des neuen Mediums im Bild und durch das Bild begrün­det, womit der Szenenwechsel gemeint ist. Der Film, so Canudo, wird zur Malerei und Bildhauerei in der Zeit (cf Canudo 1993: 59ff.). In vielen Texten der Stummfilmzeit, die versuchen, die Kunsthaftigkeit des Films zu behaupten, werden Analogien zu nicht wortbasierten Kunst­ 30 – 31 formen gezogen.ƒ Die häufige Ablehnung der Zwischen­ oder Produzenten kontrollierbaren Bereich lagen. Auf der Leinwand äu­ „ Zum Vergleich des Films mit anderen titel im Film, begründet sich dabei weniger auf einer Aver­ ßerte sich dies in langen, tableauartigen Einstellungen, wohingegen das Künsten bemerkt Noel Carroll: »Ironi­ sion gegen die Schrift selbst, als vielmehr gegen das an »narrator­system« des klassischen Kinos dem Publikum seine Bilder vorzu­ cally, often a cinema based on musicalist diesen Stellen manifest werdende Wort an sich, auf eine lesen schien, indem es ihm diese in einer festgelegten Abfolge und in un­ analogies is urged over literary cinema in nicht zulässige Vermischung von Wort und Bild. Zentral für terschiedlichen Einstellungsgrößen präsentierte (cf Gauderault 1997: 279). the name of purism. (…) Obviously, the die Autorinnen und Autoren war meist das Streben nach Miriam Hansen hat in ihrer Studie über das Publikum des Frühen Kinos real question in such cases is not one einer Reinheit der neuen Kunst, die sich ganz auf ihre ei­ gezeigt, dass dieses Kino als ein gemeinschaftliches Erlebnis angesehen wer­ of the theoretical differentiation of the genen Mittel beziehen sollte. Welche das dann aber waren, den muss. Das Interesse richtete sich dabei nicht nur auf die projizierten Dar­ arts across the board, but a question unterschied sich zum Teil je nach Autor/in deutlich. stellungen, sondern gerade in den Anfangsjahren auch auf das Sensationelle of dividing up a turf, generally between Ähnlich wie zuvor bei der Fotografie wurde auch der Technik, denn der Vorführapparat stand meist sicht­ und hörbar im Raum. two arts movements that perceive der Film früh schon als eine universell verständliche Spra­ Der Beginn der industriellen Kontrolle des Publikumsgeschmacks so­ themselves as competing for the same che bezeichnet. Die Zunahme dieses Vergleiches um 1910 wie der damit einhergehenden langsamen Standardisierung der Ausdrucks­ audience« (Carroll 1985: 146). vor allem in den USA fällt mit dem Wandel des Films zu mittel im Film kann in den USA auf 1905 mit der Nickelodeon­Period datiert einem Fiktionen erzählenden Medium zusammen (cf Hansen 1996: 79). In werden. Der Einzug der Filmprogramme aus den wechselnden Vorführor­ den USA stieg die Produktion narrativer Filmformen von 1907 bis 1908 von ten der Jahrmärkte in feste Abspielorte gab den Betreibern jener Theater 16 % auf 68 % an (cf Hansen 1985: 322), in Deutschland betrug sie 1908 be­ die Gelegenheit, die Reaktionen eines speziell zu diesem Ort kommenden reits 97 % (cf Müller 1998: 55). In diesen Zeitraum fallen auch die forma­ Publikums zu beobachten und in der Folge von den Produzenten der Fil­ len Anfänge des klassischen Erzählsystems; die Kamera rückt näher an das me genau jene Ware zu fordern, die bei ihrem Publikum auf besonderen abzufilmende Geschehen, womit in der Folge die Filme auch schneller ge­ Erfolg stieß. Auch in Deutschland zog das Kino 1905 – zuerst in Berlin und schnitten werden, da die Szenerie komplexer aufgelöst werden muss. Die Hamburg, ab 1906/07 dann auch in weiteren Städten – in feste Theater ein Universal­Language­Metapher bezieht sich dabei aber nicht auf die Kombi­ (cf Müller 1994: 29f.). Durch die publikumsorientiertere Produktion setzte nation verschiedener Einstellungsgrößen oder standardisierter Szenenüber­ in Deutschland eine Nationalisierung des Kinos ein, die eher den neu ein­ gänge, sondern auf die zunehmende Präzisierung innerhalb des Bildes. gerichteten Kinos geschuldet war denn nationalen Interessen, da man ver­ Die Entwicklung des Films bis 1906 fasst Tom Gunning unter dem suchte, dieselben Zuschauer nun Woche für Woche ins Kino zu bekommen, Begriff des »Cinema of Attractions« zusammen (cf Gunning 1997). Er be­ man also mit kurzen und direkten Produktions­ und Distributionswegen am schreibt damit eine Reihe von Filmen, die sich im Gegensatz zu den Fil­ besten auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Publikums reagieren men der narrativen Integration darauf beschränkten, bestimmte Abläufe konnte (cf Elsaesser 2002b: 28). zu zeigen, anstatt sie mittels Montage und Auflösung zu erzählen. Wenn­ In Amerika setzte sich die nationale Filmproduktion erst ab 1908 stärker gleich die meisten Stilmittel des klassischen Kinos bereits bis 1910 entwickelt durch, bis dahin wurde der Markt überwiegend von ausländischen und vor al­ waren, so kann laut Thomas Elsaesser für die frühe Phase des Kinos doch lem französischen Produktionen dominiert (cf Hansen 1996: 78f.). Mit der He­ festgehalten werden, dass es dabei primär um die Darstellung von Gescheh­ rauslösung des Films aus dem Varieté­Programm waren die Kinobetreiber ge­ nissen und Handlungen ging und das Erzählen selbst mittels Filmerklärern nötigt, das Interesse der Zuschauer vom Apparat weg hin zum Geschehen auf und/ oder der Reihung und Zusammenfassung einzelner Filme in Program­ der Leinwand zu lenken und den Apparat sowie alles, was auf die Künstlichkeit men nach Außen verlagert wurde, also nicht in einem durch den Regisseur des Produktes hinweisen könnte, möglichst zu vermeiden (Hansen 1985: 335). 32 – 33 Der Apparat wurde zugunsten der Illusion versteckt. Gleichzeitig begann Industrie unter anderem mit dem Problem der Produkt­ man auch nicht mehr nur von einem Publikum, sondern von dem Zuschauer piraterie zu kämpfen. Zwar wurden in den USA ab 1903 zu sprechen: die Filmtitel durch einen Copyright­Eintrag geschützt (cf Musser 1994: 331f.), aber durch ein einfaches Austau­ The invention of spectatorship thus marks a point in which the represen- schen der Vorspanne konnte das Problem leicht umgan­ tational process of cinema converges with the social and cultural develop- gen werden: man versah die Filme mit einem neuen Titel ments discussed earlier, in particular the absorption and transformation so als die einer anderen Firma und vertrieb sie. Vor allem of working-class, immigrant audiences. In terms of ideological effect, the ausländische Firmen, die sich keine Dépendance in den creation of a spectator through classical strategies of narration was essen- USA leisten konnten, wurden auf diese Weise betrogen tial to the industry‘s efforts to build an ostensibly classless mass audience, (cf ebd: 365). Je loser die Filme ihre Aufnahmen präsen­ to integrate the cinema with an emerging consumer culture. The ritual of Vorspann und Vergrößerung des tierten, desto einfacher konnten sie auch auseinander­ identification rehearsed in the reception of each individual film, and from Copyright­Vermerks aus The Great Train Robbery (Edwin S. Porter, USA 1903). genommen und neu montiert werden. So beschreibt film to film, helped standardize the consumption of films; it also made the Elsaesser die Kontinuitätsmontage auch als Steuerungs cinema a most powerful matrix of consumerist subjectivity – a symbolic „ Die Internationalität des Stummfilms und Kontrollinstrument der textuellen Form des Konsums form binding vision and desire with myths of social mobility and homo- stützt den Mythos der universal lang- und der Möglichkeiten des Verstehens eines Films (cf geneity (Hansen 1996: 85). uage: In der Zeit vor dem Ersten Welt­ Elsaesser 2002: 89). krieg gab es keinen national do minierten Dieser Umschwung schlug sich auch in der Ästhetik der Filme nieder: Im Auch wenn der Vergleich des Films mit einer uni­ Filmmarkt. Im Bezug auf die an ge strebte Zuge der zunehmenden Produktion wurde der Arbeitsprozess in den Pro­ versell verständlichen Sprache im Zuge dieser Entwick­ Amerikanisierung des Filmmarktes in den duktionen kleinteiliger und spezialisierter. Durch die serielle Arbeitswei­ lung zunimmt, bezieht er sich dabei jedoch weniger auf USA bekommt der Mythos der universal se entstanden zunehmend Standardisierungen, weswegen die Jahre 1907 die Entwicklung der sich der Erzählung unterordnenden language auch zwei Konnotationen: Vor bis 1909 den Umbruch markieren von einem frühen, zeigenden zu einem Montage und damit auf eine Art Pseudo­Film­Gram­ dem Ersten Weltkrieg, als der amerikani­ klassischen, erzählenden Kino. Die Gründe hierfür sind vielfältig, und der matik, sondern zielt auf die rasche Verständlichkeit des sche Markt immer noch einen hohen Be­ Wandel kann keinesfalls bloß auf einen Faktor zurückgeführt werden. Er einzelnen Bildes. Der Mythos eines visuellen Esperanto darf an europäischen Produktionen hatte, vollzog sich auch nicht punktuell, sondern ist lediglich um diese Zeit her­ speist sich aus der Abgrenzung des Kinos mit zwei ande­ wurde die Metapher dadurch belegt, dass um zu datieren. Die Unterscheidung von Frühem und Klassischem Kino ver­ ren Medien: es sei – im Gegensatz zum Theater – ohne aus ländische Filme problemlos auch im weist dabei auch auf sich verschiebende Interessen, die hinter der Produk­ einer Übersetzung zu bedürfen über die Landesgrenzen eigenen Land verstanden werden konn­ tion und dem Konsum von Filmen standen, die sich aber nicht unbedingt hinaus verständlich ƒ und vermöge zudem – im Gegen­ ten, und nach dem Ersten Weltkrieg, als sichtbar und deutlich in die Ästhetik der Filme einschrieben. Als ein ent­ satz zur Schrift – auch denjenigen zu berichten, die des – auch bedingt durch den Krieg – ameri­ scheidender Grund für die Änderungen wurde immer wieder die Ökonomie Lesens nicht mächtig sind. Der Universal­Language­My­ kanische Filme einen großen Markta nteil genannt. Eine inhaltliche und äußerliche Aufwertung des Kinoereignisses thos ist aber auch Teil eines neuen Selbstverständnisses in europäisch en Kinos erobert hatten, stand hauptsächlich im Zeichen der Gewinnung neuer Publikumsschichten. des Kinos sowie einer neuen Vermarktungsstrategie. Die wurde sie dadurch bewiesen, dass ameri­ Die langsame Verdrängung externer Vermittlungsangebote wie der Filmer­ Sensation des Technischen ist zum Alltagsmedium gewor­ kanische Filme überall verstanden werden zähler war dem Interesse der Filmindustrie geschuldet, das Produkt auch im den, sie wird in der Folge ins Bild verlegt: »people forgot konnten (cf Hansen 1996: 78f.). Moment der Aufführung besser kontrollieren zu können. Um 1910 hatte die the film, forgot the screen, and forgot themselves«.2 34 – 35 Miriam Hansen hat in ihrer Untersuchung des Universal­Language­Mythos Absenz des Wortes im Film wurde dabei sowohl positiv als auch negativ (cf Hansen 1985; Hansen 1996: 73ff.) gezeigt, dass die Analogie zwischen beurteilt: »Man wird sich zu entscheiden haben, ob man diejenigen noch als Kino und universell verstehbarer Sprache dicht mit dem Monopolisierungs­ Dichter gelten lassen darf, die bei der Reproduktion ihrer Dichtungen auf bestreben der Industrie verknüpft war – nicht ohne Grund benannte Carl das Wort verzichten zu können glaubten.« 6 Und: »[A]lles dies könnte der Laemmle seine Independent Moving Picture Company in die Universal Film glänzendste Dialog nur abschwächen im Ausdruck, nicht erhöhen; das Mi­ Manufacturing Company um: jeder konnte die Filme verstehen, weltweit nenspiel des Gepeinigten, der krampfhaft erschütterte Körper sagen mehr, sollten sie projiziert werden: und der Zuschauer fühlt mit, er weiß, was hinter jeder Stirn vorgeht, ohne dass ein Laut sein Ohr schlägt« (Rennert 1913: 113). Der Streit um das Wort The motion picture brings its note of sympathy alike to the cultured and im Film wurde angeheizt durch den Versuch der Industrie, mit dem »Auto­ to the uncultured; to the children of opportunity and to the sons of toil. It renfilm« eine anspruchsvollere Publikumsschicht zu erschließen, die bisher is literature for the illiterate, for the man of limited opportunity, or of alien dem Kino eher kritisch gegenüber gestanden hatte. 7 Dies versprach man tongue. It knows no boundary lines of race or nation. The same stories are sich nicht nur durch die Verfilmung von Klassikern der Literaturgeschichte, being flashed upon the screen to-night from Moscow to the Golden Gate.3 sondern auch, indem man an zeitgenössische Autoren herantrat und sie bat, Nicht zu vergessen ist auch der aufklärerische Aspekt; mittels des Kinos speziell für den Film zu schreiben. Bekannte Autoren und gefeierte Theater­ sollte der Bürger mit geschickt im Unterhaltungsprogramm eingestreuten schauspieler/innen waren Attribute, die dem bestehenden System Film hin­ Lehrfilmen erzogen werden: zugefügt wurden; das Drehbuch oder die Vorlage wurde zu einer weiteren Werbemöglichkeit für den Film. Sowohl Literaten, die dem neuen Medium Especially should cities where there are large alien populations, have the ad- kritisch gegenüberstanden, als auch Autoren, die für den Film arbeiteten, vantage of such dramatic instruction on the lantern screen as needs no inter- war daran gelegen, zu betonen, dass das Kino nichts mit dem Buch oder der preter. A picture is a sort of a graphic esperanto 4, a universal language; and Bühne gemein hatte. Erstere bestanden auf dem Unterschied, um die Über­ social and domestic and personal hygiene may well be taught through its aid.5 legenheit ihres Berufsstandes herauszustellen, letztere, um darzustellen, Film war nach diesem Verständnis eine Sprache, weil das Medium abbildete dass es sich beim Film um eine Ergänzung, nicht aber um einen Ersatz ihrer und zeigte, nicht aber, wie eine Wortsprache oder (auch Bilder­)Schrift kodiert bisherigen Ausübung handelte. Überlegungen zur Universalität des Medi­ ist. Der Vergleich bezog sich nicht auf formale Aspekte außerhalb des Filmbil­ ums standen dabei weniger im Vordergrund, vielmehr einigte man sich auf des, auf Montage und Kadrierung beispielsweise. Der Film wurde als das letz­ das, was das Kino im Unterschied zu Literatur und Theater auszuzeichnen te und vollkommenste Kommunikationsmedium betrachtet, das klassen­ und schien: die Geste und die Pantomime. „  länderübergreifend verstanden werden konnte (cf Hansen 1985: 323f.). Die von Helmut Diederichs aufgearbeitete frühe deutsche Filmkritik In Deutschland gestaltete sich die Argumentationslinie, mit der der verdeutlicht, dass bei der Wesensbestimmung des Films auch in Deutsch­ Vergleich vorgebracht wurde, etwas anders, zielte aber auf das gleiche land die Montage nicht in die Überlegungen der Theoretiker mit einbezo­ Ergebnis. Die Debatte drehte sich hier um den Vor­ und Nachteil des im gen wurde. Die sogenannte universelle Verständigung des Films sah man in Film fehlenden gesprochenen Wortes (Dialog­Zwischentitel nahmen erst seiner präzisen Darstellung von Gesten und Mimik, die im Gegensatz zum im Laufe der 10er Jahre zu). In den frühen 10er Jahren war in Deutschland Theater besser erkennbar und somit ausdrucksvoller ist. Trotz der etablier­ immer noch eine heftige Auseinandersetzung zwischen Kinoenthusiasten ten formalen Ausdrucksmittel des Films seit Beginn der 10er Jahre hatte und ­gegnern über den Stellenwert dieses neuen Mediums im Gange. Die man es auf Rezipientenseite noch nicht geschafft, andere Bewertungskri­ 36 – 37 terien an den Film anzulegen als die der Schauspielerei deten und Halbgebildeten, ob gesprochen oder geschrie­ ƒ »Da sich das Kinematographenschau­  »Der Kino bemüht sich durchaus das und Abbildbarkeit, Merkmale also, die das Frühe Kino ben« für sie etwas Fremdes sei (von Hofmannsthal 1978 spiel frech in die Sphäre des Dramas Theater nachzuahmen. Und erkennt dominiert hatten. Die starke Fixierung auf das Wort bei [1921]: 150). Es muss jedoch betont werden, dass die kri­ drängt, so muss man es mit diesem aus­ dabei nicht, dass er im Grunde nichts der Diskussion um den Film, sei es im Vergleich mit Spra­ tische Auseinandersetzung mit der Sprache sich nicht im einander setzen. […] Der Hall, der aus mit dem Theater zu tun hat. Die Mittel, che oder der Betonung seiner angeblichen Abwesenheit Stummfilm selbst manifestierte, sondern im Diskurs zu dem Munde fährt, ist Träger der Botschaft die Möglichkeiten des Kinos sind ande­ im Film, bezog sich dabei auf die scheinbare Ähnlichkeit diesem. Das Kino folgte nicht der philosophischen Ausei­ von Seele zu Seele. […] Das Kinoschau­ re als die des Theaters; der Kino stellt zwischen Theater und Kino. Denn erst im Vergleich mit nandersetzung und ist auch nicht Effekt davon, sondern spiel aber, gerade wenn es sich dem nur Handlung dar, Effekte, Sichtbares; dem Theater, das – im Gegensatz zur Pantomime bei­ die Texte zur Sprachkrise verfolgten ihre Gedanken nun an Wortdrama nähert, wird um so sinnloser. das Theater dagegen strebt zur Diffe­ spielsweise – auf das Wort angewiesen ist und wo Gesten einem neuen Gegenstand. Das Kino hat sich diesen Dis­ […] [D]as Filmschauspiel [würde] nur renzierung zur Psychologie; wichtiger als oft unterstützenden Charakter haben, fällt auf, dass der kurs so wenig ausgesucht, wie er am Kino sich erst ent­ dann eine echte Existenz gewinnen, wenn das Sichtbare ist auf der Schaubühne Film ohne das Wort auskommen kann. Der Eindruck, das zündete, er wurde auf diesem Feld weitergeführt.9 Eine es sich vom Worte so weit wie möglich das Wort. Der Kino muss auf das Wort Kino sei ohne Worte universell verständlich, gründet sich Parall ele der Wortdebatte im Stummfilm mit der Sprach­ entfernte; es müsste zur Pantomime wer­ verzichten und somit auf alles, was das vor allem auf die dem Theater gegenüber bessere gesti­ krise um 1900 verdeutlicht aber auch, dass die Ableh­ den und seine Handlung dürfte nie an die Wort offenbart« (Pinthus 1992 [1913]: 366). sche und mimische Darstellbarkeit im Film, die, je näher nung der Schrift im Film nicht allein auf die Schrift selbst Wirklichkeit rühren, sondern sich bis zur die Kamera den Schauspielern im Lauf der Zeit rückte, zu beziehen ist, sondern auf das Wort generell. Dass der Film im gleichen Abstraktion, bis zum Symbol verflüchti­ auch für jeden Zuschauer im Saal unabhängig der Platz­ Atemzug wiederum als Sprache bezeichnet wurde, ist nicht als Paradox zu gen. […] Wer aber für das in allen Gassen wahl gleich gut zu sehen war. verstehen. Denn in den 10er Jahren bezog sich die Sprachmetapher nicht sich einnistende Kinotheater von heute Der Autorenfilm von 1913 stellt aber auch den Ver­ auf eine wie auch immer geartete semantische Form des Films, sondern auf Erfindungen macht, wer gar durch das such dar, mittels neuer und komplexerer Geschichten die Möglichkeit, allein durch das bloße Zeigen von Bildern Geschichten zu Wort erlöste menschliche Geschehnisse das Kino vom Zwang des Plakativen und des Affekts zu erzählen. In diesem Sinne ist die Vormachtstellung des Bildes im Kino durch­ wieder preisgibt und in die Hölle der befreien, den ihm die Gegner vorwarfen und die Befür­ aus die Sprache, die von Hofmannsthal in seinem berühmten »Brief des Lord blöden, maulaufsperrenden Tatsächlich­ worter zugutehielten. Durch den ersten Weltkrieg wurde Chandos« beschrieb, einem der zentralen Belege für die Sprachskepsis der keit zurückstößt, der versündigt sich, diese Entwicklung jedoch abgebrochen, so dass Carlo Jahrhundertwende: »[E]ine Sprache, in welcher die stummen Dinge zu mir so ahnungslos er es auch tue, gegen die Mierendorff in seinem Aufsatz »Hätte ich das Kino« erst sprechen« (von Hofmannsthal 2000 [1901]: 138). Mehrere Beiträge der Kunst, — ja gegen die Humanität selbst« 1920 das Argument des einfach verständlichen Films wei­ Wortdebatte eigneten sich diese Argumente an. Besonders interessant ist (Heimann 1978 [1913]: 78f.). ter führen konnte, dem dann durch die inzwischen voll­ dabei der Artikel »Prolog vor dem Film« von Egon Friedell aus dem Jahr 1913, zogene Wendung zum Klassischen Kino auch das Moment der Universalität der davon ausgeht, dass man die Sprache einfach weniger nötig habe: eingeschrieben ist. 8 Das Wort verliert allmählich ein wenig an Kredit. Es vollzieht sich so etwas Die starke Fixierung auf die Möglichkeit des Films, sich ohne Worte wie eine Art Rückbildung der Lautsprache. In dem Maße, als die Menschheit auszudrücken,  bringt Kaes mit der Sprachkrise in Verbindung. Von Hof­ zunehmend denkfähiger und vergeistigter wird, wird alles immer mehr ins mannsthal schrieb 1911 einen Essay über die Pantomime als wahrhafte Spra­ Innere verlegt. Wir reden weniger, aber nicht, weil wir die Fähigkeit, gut zu che der Seele (cf Kaes 1978: 20) und 1921 den Essay über das Kino »Der Er­ reden eingebüßt haben, sondern weil wir weniger Reden nötig haben. Wir satz für die Träume«, in dem er auf die Frage, warum das Kino eine so starke leben geräuschloser (Friedell 1992: 205). Faszination auf die Massen ausübe, feststellt, dass die »Sprache der Gebil­ 38 – 39 Auch deswegen ist für Friedell das Kino »ein sehr prägnanter und cha­ mentarfilme ergeben. Am wichtigsten sei es dabei, so Häfker, dass die Bilder rakteristischer Ausdruck unserer Zeit« (ebd: 203). Neben dem Argument, ausreichend erklärt würden. Allerdings dürfe das nicht parallel zum Film ge­ dass die Gebärde mehr auszudrücken vermag als die menschliche Sprache schehen, sondern die Informationen müssten vorher gegeben werden, als (ebd: 206), führte Friedell eine Wendung in den Diskurs ein: der Film sti­ Vortrag oder auf Programmzetteln: »Alles, was man an Erläuterung braucht, muliert die Phantasie des Zuschauers. Der präzis abbildende Film mochte sollte vor dem Film gesagt werden. Begleitmusik und Geräusche sind nur vielleicht eine universell verständliche Sprache sein, als Kunst wurde die rein am Anfang eines Filmes zulässig, um den Zuschauer in den Film zu holen wiedergebende Fotografie jedoch nicht angesehen. Für viele von Friedells oder wenn eine Aufnahme länger andauert und keine „ Konrad Lange plädierte noch 1920 Zeitgenossen lähmte ihre Deutlichkeit die Phantasie 10 oder tötete sie gar Dramaturgie zeigt« (Häfker 1913b: 57). ƒ Nicht minder für das Programmheft anstelle von ab (cf Pfemfert, 1992 [1911]: 168). Für Friedell aber wird der Zuschauer durch wichtig als der Regisseur des Films ist für die gelungene Zwischentiteln (cf Lange 1920: 115). das Fehlen des Wortes zu einer Teilnahme am Objekt gefordert, die die Aus­ Filmvorführung (das »Gesamtkunstwerk«, in dem der Film einandersetzung mit Kunst kennzeichnet: aufgeht (ebd: 50)), der Regisseur der Veranstaltung. Ihm „ »Soviel ist klar, daß das bloße Abrollen obliegt es, durch den richtigen Einsatz von Mitteln und Dadurch, dass den Sinnen weniger gegeben wird, wird der Einbildungskraft nach einer guten Naturaufnahme noch Informationen eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich mehr gegeben. Die Phantasien des nüchternsten beschränktesten Zuschau- kein Kino­Schauspiel ist, oder doch in den die Wirkung des Films erst entfalten kann. ƒ Häfker for­ ers sind immer noch hundertmal packender und geheimnisvoller als sämtli- seltensten Fällen. Der Vorführer oder derte, dass die Regisseure beim Dreh der Szene die Film­ che gedruckten Bücher der Welt. Der echte Dichter lässt auch der Phantasie Regisseur der Vorstellung muß in der La­ aufführung berücksichtigen und dafür genau schriftlich den größten Spielraum. Die bedeutendsten Dichtungen der Weltliteratur sind ge sein, einen Unterschied des Kinobil­ protokollieren sollten, was sich vor der Kamera abspiel­ auch die vieldeutigsten. […] der wahre Dichter jedes Kunstwerks kann im- des von der Wirklichkeit auszugleichen: te, damit der Fachmann im filmischen Genuss der doku­ mer nur das Publikum sein (Friedell 1992: 206f.). die Plötzlichkeit und Unvorbereitetheit, mentarischen Aufnahmen nicht durch Fehlinformationen mit der es sich abrollt und die Undeut­ Doch Friedells Nachdruck auf die kreative Tätigkeit des Zuschauers verhall­ der »Regisseure der Vorstellung« gestört werde (ebd: 21). lichkeit mancher Einzelheiten. Mit ande­ te zunächst weitgehend ungehört, und die meisten Auseinandersetzungen Allerdings zielte sein Bestreben, »den Beschauern im ren Worten: ein kinematogra phisches mit der Kunst Film bezogen sich überwiegend auf die präzisen Darstel­ weitest möglichen Maße das Fehlende zu ersetzen« Bild muß psychologisch vorb ereitet und lungsmöglichkeiten. Nur vereinzelt tauchten Stimmen auf, die das Filmbild (ebd: 52), darauf ab, den Film so direkt als möglich wirken erläutert sowie szenisch erg änzt werden alleine als unvollständig ansahen und es weiter kontextualisiert sehen woll­ zu lassen. Häfker ging nicht davon aus, dass der Film die können (Vortrag, Lichtbilder, Naturgeräu­ ten. Besonders für dokumentarische Filme forderte man um 1913 noch ei­ Primärerfahrung ersetzen könne was er aber wollte, war, sche usw.)« (Häfker 1913b: 19). nen Filmerzähler,11 der aus den Bildern durch gute Recherche, Vorbereitung den Reiz möglichst ungebrochen zu vermitteln. Fehler und Vortragskunst das herausholen sollte, was in der reinen Anschauung störten dabei genauso wie parallel gesprochene oder im Film geschriebene verborgen blieb (cf Windburg 1913). In diesem Sinne argumentierte auch Wörter, Musik und Nachahmungen von Naturgeräuschen. Diese Hilfsmit­ der Erdkundelehrer und erklärte Naturfilmliebhaber Häfker für die hetero­ tel sollten nur äußerst dezent und selten eingesetzt werden, beispielsweise gene Filmvorführung. In seinem Buch Kino und Kunst aus dem Jahr 1913 wenn die Szene eines Films ungewöhnlich lange dauert oder am Anfang thematisiert er die angemessene Kontextualisierung des Filmbildes. Häfker eines Films, »um den Zuschauer in den Film zu holen« (ebd: 57). Häfkers hatte selbst Programme mit Landschaftsfilmen und Naturdokumentationen Buch ist ein Zeugnis der Übergangsphase vom Frühen zum Klassischen zusammengestellt und präsentiert, und aus dieser Arbeit hatte sich die Be­ Kino: er fordert die Transparenz des Klassischen Kinos mit den Mitteln der schäftigung mit dem Problem der angemessenen Aufführung dieser Doku­ autonom dirigierten Kinovorstellung. In Heide Schlüpmanns Untersuchung 40 – 41 zum frühen Kino ist Häfker Anzeichen für »die Funktionalisierung der Auto­ von narrativen Formen wie Theater und Literatur und durch die Vergleiche matik des Mediums zur Unterdrückung der Autonomie des Publikums«, weil mit verschiedenen Disziplinen der bildenden Künste. Diese »Beweisfüh­ er eine Interaktion während der Projektion selbst ablehnt (Schlüpmann rung« bringt Lindsay auf die Bildlichkeit des Mediums, dessen Präzision für 1990: 266). Allerdings geht Häfker immer noch davon aus, dass die Qualität ein schnelles Verstehen des Films verantwortlich sei. In dem Kapitel »Thirty der Filme nur durch die angemessene Aufbereitung und Unterstützung im Differences between the Photoplay and the Stage« kommt Lindsay zu einer Kino geschehen kann, eine Vorstellung, die durch das Kontrollbestreben der Sprachanalogie, die sich zunächst auf die Montage des Films bezieht und Filmproduktion im Zuge des Klassischen Kinos nach und nach abgeschafft mit der er gleichzeitig das Wort im Film, die größte Parallele zum Theater, wurde (siehe auch S. 81ff.). ablehnen kann: »By alternating scenes rapidly, flash after flash: cottage, field, Wie auch in anderen Abhandlungen über die Kunst des Kinos, die mountain­top, field, mountain­top, cottage, we have a conversation between noch folgen sollten, so begründete auch Häfker eingangs, warum es sich three places rather than three persons. […] Moving objects, not moving lips, beim Film um Kunst handelt und kommt in Abgrenzung zum Theater zu dem make the words of the photoplay« (Lindsay 1916: 161). Die Szenenabfolge ver­ Schluss, dass das Wesen der Kinematografie darin liege, »daß sie – innerhalb gleicht Lindsay mit einem Dialog, die einzelne Einstellung funktioniert da­ der gesteckten Grenzen – das Schwarzweiß-Bild wirklicher Vorgänge (nicht bei aber bereits als Satz oder geschlossene Aussage. Das hervorstechendste nur Augenblickszustände) mit dokumentarischer Treue festhält, vervielfältigt Merkmal des Films ist für Lindsay die Präzision des Filmbildes, in dem mittels und wieder sichtbar macht« (Häfker 1913b: 13; Hervh. i. O.). Häfker kümmer­ einer sorgfältigen Darstellung ein Sachverhalt oder ein Zustand auf einen te sich nicht um Sprach­ und Schriftanalogien und ging interessanterweise Blick verdeutlicht werden kann. So bezeichnet er einige Kapitel zuvor den nicht davon aus, dass das fotografische Bewegtbild die Natur vor der Linse Schauspieler als Hieroglyphe (cf Lindsay 1916: 133), was aber nichts anderes so abbildet, wie man sie sieht. Durch das Material, die Kadrierung und die bedeutet, als dass durch eine genaue Kostümierung desselben dem Zuschau­ Unfähigkeit zum Schwenk wird das Bild stark komprimiert (cf ebd: 16f.). Da er unmittelbar klar werden kann, welche Rolle und in welcher Epoche dieser für Häfker aber die Aufführung selbst zentral ist, verfolgte er nicht die Idee spielt. In seinem Hieroglyphen­Kapitel schlägt Lindsay nun vor, sich einen eines Bild­Zeichens, sondern widmete sich der Überlegung, wie man das der Bestand aus 800 Hieroglyphen zuzulegen (sie auszuschneiden und ihre Be­ Aufnahme Entgangene bei der Aufführung für die ursprüngliche Wirkung deutung zu notieren), um sie bei der Konzeption eines Drehbuchs und an­ des Bildes wieder hinzufügen könne. Gerade bei den dokumentarischen schließenden Films einzusetzen. Dieses Hilfsmittel würde dazu dienen, in Bil­ Landschaftsaufnahmen erkannte er den Mangel der Fotografie, dass diese dern anstatt in Worten denken zu können, um das »moving picture alphabet« zwar exakt zeigen, aber eben nicht benennen konnte. (ebd: 174) zu schreiben. Abgesehen davon, dass Lindsay in „ »Several complex methods of making Häfkers Überlegungen zur Präsentation des Films bleibt im Diskurs diesem Kapitel wie auch im gesamten Buch immer wieder visible scenarios are listed in this work. um die Kunsthaftigkeit des Films und in der Wortdebatte der 10er Jahre die schwankt zwischen ästhetischer Analyse und praktischem Here is one that is mechanically simple« Ausnahme. Mit zunehmender Industrialisierung und Durchsetzung des nar­ Drehbuchratgeber ƒ , beruht sein Hieroglyphen­Konzept (Lindsay 1916: 172). Lindsay verteidigte sich rativen, abendfüllenden Films beschränkte sich die Argumentation auf das nicht auf einer Idee der Kombination dieser Symbole un­ später gegen den Vorwurf, bloß ein en Dreh­ Material allein. Beispielhaft hierfür ist ein nur kurz nach Häfker in den USA tereinander, wie es Eisensteins gut zehn Jahre später ent­ buchratgeber geschrieben zuhaben, und erschienenes Filmbuch, Vachel Lindsays The Art of the Moving Picture. Der stehendes Hieroglyphen­Konzept vorschlägt. Lindsay ver­ beschrieb sein Buch als einen Angriff auf Dichter Vachel Lindsay verfasste es als Hilfestellung für das Publikum zur Ein­ sucht, figurative Muster zu etablieren: »Here is a duck: das Streben nach Gewinnmaximierung der und Beurteilung zeitgenössischer Filme (cf Lindsay 1916: 1).12 Lindsay betrieb […] In the motion pictures this bird, […], suggests the Hollywood­Bosse (cf Lounsbury 1995: 89). die Etablierung des Films als eigenständige Kunstform durch die Abgrenzung finalty of Arcadian peace. It is the last and fittest ornament 42 – 43 of the mill­pond. Nothing very terrible can happen with a duck in the fore­ Für Lindsay wie auch andere Theoretiker des Stummfilms Die Vision vom Schrifterzeugnisse er­ ground« (ebd). Auf ähnliche Art und Weise verfährt Lindsay exemplarisch mit lag der größte Vorzug des Films in seiner Einfachheit, die setzenden Film war zu dieser Zeit keine 13 Hieroglyphen. Nicht der Film, sondern das Filmbild stellt für Lindsay die ihn ihrer Meinung nach so kraftvoll und universell ver­ Seltenheit. Griffith (cf Hansen 1985: 324) Schrift dar. In seinem 1925 geschriebenen aber erst posthum veröffentlichten ständlich macht. Lindsays Hieroglyphen­Konzept ist die aber auch Theoretiker brachten diese zweiten Filmbuch führt Lindsay die Hieroglyphen­Idee noch einmal weiter Sichtweise auf ein Medium, das begann, sich an den Vision vor: so plädiert Hugo Münster berg aus. Bei einer Hieroglyphe handelt es sich um ein Objekt im Filmbild, das individualisierten Zuschauer zu richten und dabei Stan­ in seinem Buch The photoplay: A psycho- durch die Aufnahme, Inszenierung und Einbettung in die Narration einen me­ dardisierungen einführte, die es in der folgenden Film­ logical study für die Wissensv ermittl ung taphorischen Wert erhält: »It is the setting in motion of things which we have geschichte immer mehr verhinderten, dass davon abwei­ durch den Film in Schulen, Kirchen, Uni­ assumed were forever motionless« (Lindsay 1995: 178). Lindsay hebt auch sol­ chend hergestellte Filme von einem größeren Publikum versitäten und Bibliotheken, aber auch che Stellen im Film hervor, wo diese hieroglyphische Eigenschaft so gut funk­ noch akzeptiert wurden. In seiner Untersuchung zur Par­ für die Kombination von Lehrfilmen und tioniere, dass man sogar auf Zwischentitel verzichten könne (cf ebd: 180). allele von Film und Sprache streicht Christian Metz auch populären Filmen, um ein möglichst gro­ Seine Ausführungen sind exemplarisch für die Übergangszeit vom die Beschränktheit jener Analogien heraus, da der Ver­ ßes Publikum zu erreichen (und zu erzie­ Frühem zum Klassischen Kino: zwar gab es ein Bewusstsesin für den Ein­ gleich von Wort und Bild in einer primitiven Verwendung hen) (cf Münsterberg 1996 [1916]: 99). fluss, den die Reihenfolge singulärer Aufnahmen hat, im Grunde aber ging von Stereotypen mündete: man immer noch davon aus, dass das Wesentliche eines Films innerhalb Indem es sich auf dieses Terrain begab [das der Sprachanalogie, FK], um sei- einer Einstellung erzählt wird. Nicht »schnell alternierende Szenen« lassen ne Überlegenheit zu proklamieren, verdammte das Kino sich selbst zu einer das Wort überflüssig werden, sondern die klare und metaphorische Bildge­ ewigen Unterlegenheit. Gegenüber einer feinen Sprache (der verbalen Spra- staltung. Die Hieroglyphe wird bei Lindsay zu einer Metapher für die von che) definierte es sich selbst, ohne es zu wissen, als ein grobes Double. Ihm der Massenkultur eingeführte und benötigte Standardisierung. 13 Deutlicher blieb nichts anderes übrig, als dreist seine niedere Herkunft zu plakatieren noch wird das im zweiten, dogmatischeren Teil des Buches, in dem Lindsay (und nichts anderes taten viele Artikel von Marcel d‘Herbier) aus Angst vor seine Vision formuliert, dass das »motion picture« ƒ künf­ „ Lindsay verwendet diesen Begriff in der höhergeborenen verbalen Sprache (Metz 1972: 77). tig alle anderen Schrifterzeugnisse ablösen werde. So soll­ Ab grenzung zum künstlerischen »pho­ ten in Universitäten Forschungsarbeiten, von denen nie Die Idee vom Film als universell verständlicher Sprache oder Schrift grün­ toplay«: »the motion picture [is] a recor­ wieder jemand außerhalb der Universität etwas hört, als det sich zu nicht unerheblichen Teilen auf der Stereotypisierung des Films. ding instrument« (Lindsay 1916: 226f.). Filme verfasst werden: Diese »Sprache« muss nicht aufwändig gelernt werden, sondern erschließt sich aufgrund von Wiederholungen und etablierten Figuren bereits nach ein The relentless fire of criticism which the heads of the departments would paar Kinobesuchen – ein Vorteil, den auch Béla Balázs betont: pour on the production before they allowed it to pass would result in a stan- dardization of the sense of scientific fact over the land. Suppose the film has Noch einige Jahre guter Filmkunst und die Gelherten werden vielleicht dar- the coat of arms of the University of Chicago along with the name of the aufkommen, daß man mit Hilfe des Kinematographen das Lexikon der Ge- young graduate whose thesis it is. He would have a chance to reflect credit bärden und der Mienen zusammenstellen müßte wie das Lexikon der Worte. on the university even as much as a football player (Lindsay 1916: 233f.).  Das Publikum wartet aber nicht auf diese neue Grammatik künftiger Akade- mien, sondern geht ins Kino und lernt von selbst (Balázs 2001 [1924]: 19). 44 – 45 Innerhalb dieser Auffassung vom Film hat der Zwischentitel kaum einen Filmsprache nicht vollständig als Forderung nach Systematik und Diszip­ Platz, höchstens als Hilfsmittel. Deutlich wird das an dem einflussreichen linierung des Films verstanden werden.15 Denn das Interessante an seiner Essay Der sichtbare Mensch von Béla Balázs, der 1924 die verschiedenen Theorie ist, dass er nicht allein auf der präzisen Arbeitsweise des Films vor allem in Deutschland hervorgebrachten Ansichten zur Bildzentrierung, beharrt, sondern gleichzeitig die aktive phantasievolle Mitarbeit des Zu­ Fixierung auf Pantomime und Gestik und Internationalität der Filmspra­ schauers sowie die stimulierende Wirkung des Films forderte (cf ebd: 97f.). che wirkungsvoll bündelt. Helmut Diederichs hat in seiner Analyse der Zwar ist auch dieses Argument nicht neu, aber Balázs zeichnet aus, dass deutschen Filmkritik zeigen können, wie wenig letztendlich an Neuem in er es schafft, diese verschiedenen Ansätze, wenn auch nicht immer ganz Balázs Theorie steckt und dass er aber ausformulierte, was bisher meis­ widerspruchsfrei, in einem Buch zu vereinen. tens bloß in Aufsatzlänge zirkulierte (cf Diederichs 1986: 170ff.). Auch im Einen Unterschied zu anderen älteren Schriften kann man bei Ba­ Bezug auf die amerikanischen Veröffentlichungen, wie die von Lindsay, lázs in seiner Haltung zu den Titeln sowie zum Sprechen im Film erkennen. ist Balázs anschlussfähig, wenn er die Wichtigkeit der Großaufnahme und Die Zwischentitel sind bei ihm ein wichtiger Notbehelf, der nicht zu viel die damit einhergehende leichte und schnelle Erkennbarkeit des Bildes Eigenständigkeit haben darf. Das heißt, die Titel dürfen nicht zu poetisch beschreibt: »Zweitens muß doch auf dem Film jedes Ding zu erkennen sein und auch nicht Mängel am Bild ausgleichen, aber y »Das Leben transponieren. Daher und auch ohne Titel zu identifizieren sein« (Balázs 2001: 61). Die Kraft des verzichten muss man nicht darauf (cf Balázs 2001: 93ff.). der photographierte Dialog so falsch Stereotyps ist bei ihm ebenso ein Argument, hier verbundenmit dem der Die Gelassenheit den Titeln gegenüber ist für solch eine wie in ein Bild eingesetzte Edelsteine« Internationalität (cf ebd: 22), und auch der Einfluss der Sprachskepsis ist starke Hervorhebung der Pantomime und Geste unge­ (von Hofmannsthal in: »Aufzeich­ bei ihm zu finden: »Es ist die schmerzliche Sehnsucht des Menschen einer wöhnlich und zeigt seine Verwurzelung sowohl in Theori­ nungen aus dem Nachlass«, in: Reden verintellektualisierten und abstrakt gewordenen Kultur nach dem Erleben en der 10er Jahre als auch der filmischen Praxis der 20er, und Auf sätze Bd. III, Gesammelte Wer­ konkreter, unmittelbarer Wirklichkeit, die nicht erst durch das Sieb der Be­ in der der Einsatz vor allem von Dialogtiteln sich längst ke Bd. 10, Frankfurt/M 1979, S. 400; zit. griffe und Worte filtriert wird« (ebd: 104).14 Diese Sprachskepsis verbindet durchgesetzt und standardisiert hatte (siehe hierzu Ka­ nach Wetzel 1991: 123, Anm. 13). sich gleich zu Beginn des Buches mit einer direkten Schriftkritik: »Die Er­ pitel 2.2). Diesem Umstand ist sicherlich auch seine Be­ findung der Buchdruckerkunst hat mit der Zeit das Gesicht des Menschen fürwortung des stummen Sprechens im Film geschuldet, „ »Jede gute Theaterszene: gespitzter unleserlich gemacht. […] Denn der Mensch war sichtbar an seinem gan­ das viele Kritiker in den 10er Jahren noch ablehnten, als Dial og, Enthüllung, Vordeutung, Ver­ zen Leib. Doch in der Kultur der Worte ist die Seele (seitdem sie gut hör­ sich die Dialogtitel noch erst entwickelten und bezüglich wicklung wirken im Kino dargestellt bar wurde) fast unsichtbar geworden. Das hat die Buchpresse gemacht« ihrer Platzierung auch noch experimentiert wurde. Unter matt,weil eben das Wort fehlt. Ein (ebd: 16f.). Balázs‘ Konzept einer universell verständlichen Filmsprache anderem von Hofmannsthal z und Pinthus ƒ lehnten den wirksa mer Aktschluss, beispielsweise fußt dabei ebenfalls nicht auf einer Parallelisierung von Grammatik und stummen Dialog ab, das sicht­ aber nicht hörbare Reden die Enthüllung einer furchtbaren Tat­ Filmsyntax, sondern auf der Präzision des Filmbildes und den Möglich­ der Charaktere im Film.16 Balázs hatte sich Mitte der 20er sache, Mitspieler und Zuhörer erschüt­ keiten, die die Kombination von Großaufnahme, Gestik und Pantomime Jahre längst daran gewöhnt, allerdings machte er die ternd, wird auf dem Film nur ein laut­ bietet: »Andererseits scheint gerade die Filmkunst eine Erlösung von dem Aufnahme des stummen Redens konkret zu einem Vor­ loses Geklapper der Unterkiefer und babelschen Fluch zu versprechen. Denn auf der Leinwand der Kinos aller zug des Films, da man sich dabei auf die Mimik und Pan­ einige entsetzte Gesten erzeugen, und Länder entwickelt sich die erste internationale Sprache: die der Mienen tomime der Sprecher konzentrieren könne, ohne durch selbst das erklärende Täfelchen bleibt und Gebärden« (ebd: 22). Doch trotz der teilweise auftauchenden Forde­ die Worte abgelenkt zu werden: »Und das Sprechen ge­ wirkungslos.« (Pinthus 1983 [1913]: 20). rung nach Katalogisierung und Systematik, kann Balázs‘ Konzept einer hört zu den stärksten mimischen Ausdrucksmitteln, die 46 – 47 der Film besitzt. […] Sie [Asta Nielsen in Die Galgenhochzeit, FK] spricht die Möglichkeit, Formen und Farben in der Zeit zu animieren und über den lange. Die Worte hätten uns schon langweilen müssen. Die Gebärden wer­ Rhythmus in ihrer Wirkung zu beeinflussen. Mitunter können die ersten ab­ den immer aufregender« (Balázs 2001: 35f.). Balázs setzt auch hier auf die strakten Filme der den Futuristen nahestehenden Malern Arnoldo Gianna Mitarbeit des Zuschauers, allerdings ist der Moment der Gewöhnung an und Bruno Corra (siehe hierzu Scheugl, Schmidt jr. 1974: 320) oder die die Dialogtitel nicht zu unterschätzen, denn 1920 war Konrad Lange gera­ »Filmtonbuntspiel«­Experimenten von Hans L. Stoltenberg um 1911 „ auch de gegen die stummen sprechenden Münder, eben weil sie zu realistisch als Fortführung der im 19. Jahrhundert so beliebten Lichtorgelspiele ange­ das Leben nachahmten (cf Lange 1920: 81). Auf die Mimik der Sprechenden sehen werden (cf Hein, Herzogenrath 1977: 36ff.). kann man sich eben nur konzentrieren, wenn man sich an die Konvention Standish D. Lawder sieht um 1912 generell in Europa eine Tendenz von Schuss­Gegenschuss, die Mitte der 20er Jahre schon gebräuchlicher zum abstrakten Film aufkommen. In dieses Jahr fällt unter anderem auch war als noch zehn Jahre zuvor, gewöhnt hatte. 17 Doch auch wenn Balázs hier mehr Modernität als andere an den Tag ƒƒ caméra pinceau legt, letztendlich steht seine Schrift für eine Filmkritik und ­theorie, de­ In den 20er Jahren erfährt Balázs‘ Argument der Sti­ ihrer Verwendung des Vergleichs wie Harms auch auf ren Bezugspunkt im Kino in erster Linie das Bild selbst darstellte und de­ mulation der Phantasie der Zuschauer etwas mehr die Kamera; sie spricht die Pinseleigenschaften der di­ Unterstützung als gut 10 Jahre zuvor Friedells Vor­ gitalen Kamera aufgrund der Möglichkeit zur Manipu­ ren Stoßrichtung in der Abgrenzung zu den bestehenden Künsten bestand. stoß in der Sache. Victor Harms folgte dem Argument, lation des Bildes während der Aufnahme zu: »Le tra­ Sprach­ und Schriftmetaphern bezogen sich dabei ebenfalls auf Präzision dass die bloße Reproduktion profilmischer Bilder kei­ vail du réalisateur peut alors s‘apparenter à celui du und Ausdruck, nicht aber auf Syntax oder Kombination von Bilderfolgen. ne Kunst sei und forderte für den künstlerischen Film peintre au sens où celui­ci peut désormais retoucher In diesem System ist der Zwischentitel notwendigerweise ein Fremdkörper, »die wirklichkeitsferne Wiedergabe im Film« (Harms l‘image à sa guise et créer une vision absolument per­ 1970 [1926]: 81). Interessant ist dabei besonders sein sonnelle du réel. Ce qui confère au cinéma numérique bestenfalls ein Hilfsmittel, um das Bild zu präzisieren oder die »Fabelkon­ Vergleich der Kamera mit dem Pinsel: »Der photo­ son caractère réaliste n‘est alors plus le lien physique tinuität« (ebd: 94) zu gewährleisten. Die verschiedenen titelkritischen Äu­ graphische Aufnahmeapparat […] [ist] für den Film­ entre l‘image et la réalité, mais la qualité de présence ßerungen zeigen häufig aber auch, dass die Ablehnung nicht zwangsläufig operateur nicht nur ein einfaches Wiedergabemittel, du réalisateur au sein de la réalité filmée. Cette pré­ etwas mit der Konkurrenz von Bild und Schrift zu tun haben muss, sondern sondern er ist für ihn das, was für den Graphiker die sence ne s‘exprime pas par la stylisation que permet le Feder, für den Maler der Pinsel ist. Die Aufgabe des travail en postproduction mais par l‘immédiate ressen­ einem Reinheitsdiskurs geschuldet sind, der nicht unbedingt nur den Film Operateurs besteht darin, mit der Linse seines Ap­ tie – car réelle – du contact avec la réalité. Le réalisme von der Schrift frei halten wollte, sondern die Bilder vom Wort. parates zu malen, Tiefen zu unterstreichen, Formen cinématographique n‘aurait alors plus pour critère la zu betonen, Schärfen zu vertiefen oder zu mildern« puissance d‘enregistrement de l‘image mais plutôt la (ebd: 53). Der Vergleich der Kamera mit dem Pinsel ist Sprachmetapher und avantgardistischer Film perception qu‘aurait le spectateur de la réalité à tra­ im Gegensatz zur Metapher des Schreibwerkzeuges vers le lien qu‘établirait le réalisateur entre sa caméra Die Präzision des fotografischen Bildes war für den erzählenden und do­ (zur caméra stylo siehe S. 151ff.) eher selten und ist vor et le réel« (Lagesse 2008: 79). Die Metapher der »ca­ kumentarischen Film interessanter als für den avantgardistischen „„, doch allem im digitalen Film wieder ein Argument gewor­ méra pinceau« findet sich auch bei Paech (1989: 59). auch auf diesem Feld stößt man auf den Vergleich von Sprache bzw. Schrift den: Für Lev Manovich kann der Regisseur des digita­ Paech bezieht den Vergleich aber nicht in erster Li­ len Films gleich einem Maler die Realität im Bild den nie auf die Arbeit mit elektronischen Aufzeichnungs­ und Film, der sich allerdings erst später entwickelte. In den 10er Jahren eigenen Wünschen entsprechend formen, die Aufgabe medien, sondern auf eine spezielle Haltung Godards experimentierten in Europa mehrere avantgardistische Künstler mit dem des Films liegt nicht mehr im Beobachten: »No longer den Bildern gegenüber, der diese, der eigenen Aussa­ Film als neuem oder erweitertem künstlerischen Medium; hier sahen sie a kino­eye, but a kino­brush« (Manovich 2001: 308). ge nach, gerne von hinten filmen würde (cf ebd: 62). das geeignete Mittel, vor allem die Malerei aus ihrer traditionellen Rol­ Manovich verweist damit auf die Möglichkeiten der Der Kamera­Pinsel wird hier also weitergedacht auf Postproduktion, wo nun auch der Bereich der Film­ eine flächige Leinwand und flache Bilder, durchaus an­ le zu befreien und weiterzuführen. In den abstrakten Filmen stand nicht sprache läge (cf ebd: 333). Die französische Filmwis­ schlussfähig an Deleuze‘ Konzept der flachen Bilder, der Naturalismus des Films oder sein Erzählpotenzial im Zentrum, sondern senschaftlerin Cécile Lagesse hingegen bezieht sich bei die sich um sich selbst drehen (cf Deleuze 1997: 339). 48 – 49 die Äußerung Picassos, sich dem Film für bestimmte Ex­ ein modernes, »synthetisches« und dem Film zumindest ebenbürtiges Theater ƒ 1911 entwickelte Hans L. Stoltenberg perimente zuzuwenden (cf Lawder 1975: 21). Der franzö­ (cf Marinetti et al 1993 [1915]), proklamierten aber, dass der Film als »auto­ in Deutschland ein Verfahren, um »auf sische Maler Léopold Survage hat 1912 einen dreiminü­ nome Kunst […] vor allem die Entwicklung der Malerei fortführen« müsse. 21 einem bildlosen Filmstreifen die einzel­ tigen Film mit dem Titel Le Rythme coloré gedreht, der Im Vergleich mit dem (narrativen) Kino der Übergangszeit wird somit deutlich, nen auf einander folgenden [sic] Stre­ zwar verschollen ist, von dem aber noch einige Serien dass das, wofür man den Film benutzen wollte, ausschlaggebend war für die cken verschieden lang und verschieden der gezeichneten Vorlagen existieren, die abstrakte For­ unterschiedlichen Vergleiche, mit denen man ihn in Verbindung brachte. Es ist bunt zu färben und damit auf der Lein­ men und Linien zeigen (cf ebd.). Für Survage war der jedoch zu beobachten, dass sich der abstrakte (oder wie ebenfalls oft bezeich­ wand einen künstlerischen Wechsel Film die gelungene Fortführung der noch unvollkomme­ net: pure) Film zu Beginn der 20er Jahre im Zusammenhang mit der Musik­ und Wandel jeweils einer Buntfarbe zur nen abstrakten Malerei. Die Ziele seiner Untersuchungen Metapher um ein ernsthafteres Ansehen unter anderem damit bemühte, dass Anschauung zu bringen« (Stoltenberg fasste er 1914 folgendermaßen zusammen: »A static abs­ die ihnen zugrunde liegenden Konzepte mit Partituren verglichen wurden, um 1937 [1927]: 38). In einem späteren Ver­ tract form is still not expressive enough. […] Only when den eventuell entstehenden Eindruck von Willkürlichkeit abzuwenden: fahren ersetzte er den Filmstreifen set in motion, undergoing change, entering into rela­ durch einen bunten, um eine Birne ro­ Ich weiß, dass einige Gefahr darin besteht, den abstrakten Film mit der tions with other forms, is it able to evoke feeling«. 18 Um tierenden Farbfilter. Musik zu vergleichen, da dies immer zu Missverständnissen Anlass gibt. seine Filmexperimente zu beschreiben, wählte Survage Doch es könnte aufklärend sein, den abstrakten Film mit sichtbarer Musik den Vergleich zur Musik: zu vergleichen, denn ungefähr auf die selbe Weise wie bei der Musik ent- The fundamental element of my dynamic art is colors visual form, which wickelt sich hier im offenen Lichtfeld sichtbar die ganze Komposition. Der plays a part analogous to that of sound in music. Zuschauer sieht die Komposition, die vorher in einer ›Partitur‹ vom Künst- ler festgelegt wurde, im Lichtfeld entstehen, Bestimmtheit bekommen und This element is determined by three factors: wieder verschwinden, wonach wieder eine neue Komposition von einer ganz 1. Visual form, to give it its proper term (abstract); anderen Einteilung, Proportion und Struktur im Lichtfeld aufgebaut wird 2. Rhythm, that is to say movement and the changes visual form undergoes; (van Doesburg 1977 [1921]: 18). 3. Color. 19 Über die Musik führt die Metapher zur Sprache und über die Partitur zum Die Musik­Metapher auch späterer Film­Avantgardisten unterscheidet sich da­ Alphabet: bei deutlich vom narrativeren Charakter der Sprach­Metapher, betont aber auch Die abstrakten Formen [der Filme Eggelings und Richters, FK] vermeiden den Stellenwert des Rhythmus‘, der im Spielfilm erst später wichtig wurde. 20 gleich denen der Musik Analogien oder Erinnerungen an Naturobjekte, fin- Im Avantgarde­Diskurs findet die Sprachanalogie zunächst wenig Beach­ den Spannung und Auflösung in sich, und sind, da alle materiellen Verglei- tung, da die Künstler nicht an einer im Gegensatz zur Schrift internationalen che und Erinnerungen wegfallen, elementar magisch. Die Sprache, die da Ausdrucksmöglichkeit interessiert waren (das war die bildende Kunst sowieso), gesprochen wird, beruht auf einem Alphabet, das aus einem elementaren sondern an einer Alternative zu anderen Künsten. Viele Avantgardisten hatten Prinzip der Anschauung mit der Polarität als Grundgedanken entstanden ist. bei ihren filmischen Experimenten das Ziel, weder gegenständlich noch narrativ Polarität als generelles Lebensprinzip, Kompositionsmethode jeder formalen zu arbeiten. Nicht selten forderten sie eine klare Abgrenzung des Films vom Äußerung. Die ästhetischen Prinzipien dieses Alphabets zeigen den Weg zu Theater und der Literatur, stellten ihn aber sogleich wie selbstverständlich in einem Gesamtkunstwerk (Hilbersheimer 1977 [1921]: 19). eine Linie mit Malerei und Musik. So befürworten die Futuristen beispielsweise 50 – 51 Und Richter selbst fordert 1921 in seinem Aufsatz »Prinzipielles zur Bewe­ Die Sprachmetapher im russischen Stummfilm der 20er Jahre gungskunst« mittels des abstrakten Films die Schaffung eines universellen In Deutschland und den USA hatte sich der Sprach­ und Schriftvergleich Alphabets (cf Wilmesmeier 1994: 33). Der Mythos des Films als universell überwiegend an den Möglichkeiten der präzisen Benennung über das Bild verständliche Sprache galt damit zumindest in den 20er Jahren sowohl für orientiert, die Montage fand erst mit der Aufführung von Eisensteins Bro- szenische Spielfilme als auch für abstrakte Filme. Hier wie dort bezieht sich nenosets Potyomkin (Panzerkreuzer Potemkin, UdSSR 1925) größere Beach­ diese Metapher allerdings allein auf die Bildlichkeit des Films, nicht aber tung (cf Wilmesmeier 1994: 159 25; cf Diederichs 1986: 169). In Russland wur­ auf die Möglichkeiten der Montage, durch Reihung oder Kontrast einzelner de die Analogie von Film und Sprache oder Schrift dagegen bereits Anfang Bild inhalte zu einer Aussagen zu gelangen. Die Argumente der Avantgardis­ der 20er Jahre aufgrund der materialordnenden und ­arrangierenden Mög­ ten zielen bei der Diskussion über das Einsatzgebiet des Films weniger de­ lichkeiten der Montage gezogen. Die postrevolutionäre Filmindustrie hatte zidiert gegen das Wort, als es die Medienspezifiker des Frühen Kinos taten, dort vor allem zwei Aufgaben zu bewältigen, der sich die ästhetische und sondern allgemeiner gegen den Erzählfilm. Sie wählten die Sprachmetapher inhaltliche Entwicklung anpasste: die Kommunikation sozialistischen Gedan­ als Versinnbildlichung allgemein verständlicher Gefühle, nicht als Möglich­ kenguts und das Erreichen großer analphabetischer Bevölkerungsgruppen. keit zur Vermittlung eines Kommunikats. Besonders Germaine Dulac ver­ Die Auffassung vom Film als universell verständlichem Medium war somit wendet die Sprach­ und Schriftanalogie ab Mitte der 20er Jahre sehr häu­ aus ideologischen Gründen eine der ersten Arbeitsgrundlagen der in Russ­ fig, oft jedoch, ohne näher auf die Bedeutung dabei einzugehen. Film ist land arbeitenden Regisseure. Mittels eines Filmalphabetes (cf Vertov 2003 Sprache und Schrift, weil er sich verständlich machen kann, ohne diese zu [1922]: 34) wollte man die Menschen erreichen. Mit Chelovek s kino-appa- nutzen: »[L]es auteurs de films sont gens voués à l‘art muet, vous le savez: ratom (Der Mann mit der Kamera, UdSSR) hatte Vertov 1929 nach eigener ils préfèrent le jeu des images à celui des mots. […] [D]onner au cinéma Aussage das internationale Film­ABC gefunden (cf Vertov 1973: 69). Dazwi­ la place qu‘il mérite. […] Le mouvement n‘est­il pas une nouvelle écriture, schen lagen – wie bei den meisten russischen Regisseuren – zahlreiche Mon­ une palette, un cieseau, un archet …« (Dulac 1994 [1924]: 46f.) ƒ.22 Sowie: tageexperimente, mittels derer man versuchte, das Kommunikat so aussa­ »Le cinéma est un art nouveau, une forme d‘expression inédite absolument gekräftig wie möglich zu verbreiten. Präzision und Ordnung hatten höchste étrangère aux formes d‘expressions anciennes. […] Il n‘est ni un succéda­ Priorität. Die Analogie des filmischen Schreibens diente dabei der Betonung né, ni un vulgarisateur, mais une nouvelle écriture (Dulac 1994 [1925]: 51, der klaren und unmissverständlichen Darstellungsweise des Films: Hervh. i. O.) ƒ.23 Wie in der französischen Filmtheorie Mitte der 20er Jahre nicht unüblich, zog auch Dulac direkte Vergleiche zwischen dem syntak­ tischen Satzbau und dem Film: »Les images composées comme les mots d‘une phrase sont coupées, opposées, juxtaposées dans un rythme exclusif au cinéma« (Dulac 1994 [1924]: 45).24 Diese Sprach­ und Schriftvergleiche entstanden aus der Anschauung heraus; das heißt, weil man eine Szene in Einstellungen zerlegen konnte und Einstellungen mitunter in einem gewis­ sen Bezug zueinander standen wie beim Schuss­Gegenschuss­Verfahren, fühlte man sich an Grammatik und Satzbau erinnert. Zwischentitel als Hinweis, dass der fol­ gende Film keine Zwischentitel zeigen wird, am Anfang von Vertovs Der Mann mit der Kamera (UdSSR 1929) 52 – 53 rangiert werden: »The film shot is not a still photograph. The shot is a sign, „ Kuleshov: »If one has an idea­phrase, Montieren heißt, die Filmteilstücke (Bilder) zu einer Filmsache a letter for montage« (ebd: 80). a fragment of the story, a link in the zu organisieren, mit aufgenommenen Einstellungen eine Filmsa- Für Eisenstein stellte die Montagemethode die »einzig mögliche entire dramatic chain, then this idea is che zu ›schreiben‹, und heißt nicht, Teilstücke zu ›Szenen‹ (The- Sprache des Films« dar (Eisenstein 1988 [1924]: 27). Mit seinem im Laufe expressed, laid out in shot­signs, like aterabweichung) oder Teilstücke zu Zwischentiteln (Literaturab- der zweiten Hälfte der 20er Jahre entwickelten Konzept der intellektuellen bricks. ⁋ A poet places one word after weichung) zurechtzusuchen (Vertov 1973 [1929]: 78). Montage distanzierte er sich nicht nur von der europäischen und amerikani­ another, in a definite rhythm, as one Zugleich geht die Analogie aber auch einen Schritt weiter, schen Filmpraxis, die sich seiner Meinung nach allein auf das Dargestellte brick after another. Cemented by him, indem sie auf die Möglichkeiten der Montage verweist, und Bildliche konzentrierten (cf Eisenstein 1973 [1926], cf Eisenstein 1962 the word­images produce a complex da Vertov betont, dass Schreiben und Montieren nicht [1941/42]:118ff.), sondern auch auf die Montagepraxis seines ehemaligen conception as a result. ⁋ So it is that nur bedeutet, das Material visuell logisch anzuordnen, Lehrers Kuleshov. ƒ Für Eisenstein ist »die Filmkunst in der Hauptsache eine shots, like conventionalized meanings, sondern sich Bedeutung mitunter eben erst in der Kom­ ›Kunst der Gegenüberstellung‹ « (Eisenstein 1962 [1941/42]: 116). Eisen­ like the ideograms in Chinese writing, bination eines Bildes mit einem anderen ergeben konnte. steins Montagekonzept, in dem ein Bild nicht mehr nur Referenz für das ist, produce images and concepts. The mon- Neben Vertov hatte vor allem der russische Regisseur und was es auf der bildlichen Ebene darstellt, sondern dessen Symbolgehalt je tage of shots is the construction of whole Theoretiker Lev Kuleshov großen Einfluss auf die Monta­ nach Kombination vorangehender und darauf folgender Bildfolgen variiert, phrases. Content is derived from shots. gepraxis und die damit einhergehende Verwendung der wird von ihm ebenfalls mittels des Bildes der Hieroglyphe (gemeint ist aller­ It is better still if the scenarist gives the Sprach­ und Schriftmetapher. Anders als Lindsay bezie­ dings das japanische Kanji, nicht das ägyptische Zeichen) visualisiert: content by determining the character of hen sich Vertov und Kuleshov nicht allein auf die Hiero­ the shot­material. The direc tor expres­ Es ist nämlich so, dass die Gesamtheit … sagen wir besser: die Kombinati- glyphe als Schrift­Analogie zum Film. Für Lindsay war die ses the conception of the scenar ist by on zweier Hieroglyphen einer einfachsten Folge nicht als deren Summe be- Hieroglyphe das geeignete Symbol für den Film, weil man montage of shot­signs« (Kuleshov 1974 trachtet wird, sondern als ein Produkt, das heißt als Größe einer anderen im fotografierten Bild durch eine präzise Inszenierung [1929] Herv. i. O.: 91.). Eisenstein bemerkt Dimension, einer anderen Ordnung; wenn jede einzelne Hieroglyphe dem den dargestellten Sachverhalt auf einen Blick klar werden dazu, nachdem er diesen Abschnitt iro­ Gegenstand bzw. Fakt entspricht, so steht deren Aneinanderreihung für ei- lassen konnte. Die russische Herangehensweise an den nisierend wiedergegeben hat: »Was für nen Begriff. Durch das Kombinieren zweier ›darstellbarer‹ Gegenstände wird Film bezog sich nicht auf die Bildlichkeit allein, sondern ein schädliches Analyseverfahren, bei etwas graphisch nicht Darstellbares veranschaulicht. erhob die Montage und damit die Reihung von Zeichen dem das Erfassen irgendeines Prozesses Zum Beispiel bedeutet die Darstellung von Wasser und Auge: ›weinen‹, zum Prinzip. Vertov und Kuleshov kommen daher in ihren als ganzem (der Zusammenhang zwi­ Hund und Mund – ›bellen‹, Vergleichen auch zum Buchstaben, sie beziehen sich auf schen Einstellung und Montage) lediglich Mund und Kind – ›schreien‹, die Abfolge von Zeichen, die alleine keinen vollständigen anhand der äußeren Merkmale seines Mund und Vogel – ›singen‹, Sinn ergäben. So besteht für Kuleshov der Film aus zwei Verlaufs (nämlich ein Abschnitt wird an Messer und Herz – ›Trauer‹ usw. Ordnungsprinzipien, einem horizontalen und einem verti­ einen anderen geklebt) zustande kommt« Aber das ist doch Montage!! kalen. Zum einen muss jede Einstellung präzise gestaltet (Eisenstein 1988 [1929]: 80). […] Und in seiner kondensierten und reinen Form ist es Ausgangspunkt für werden: »I repeat, each separate shot must act as each den ›intellektuellen Film‹ (Eisenstein 1988 [1929]: 73f.; Hervh. i. O.). letter in a word – but a complex type of letter, say, a Chinese ideogram. The shot is a complete conception, and it must be read instantly, (Kuleshov 1974 [1929]: 61f.). Und mittels der Montage mussten diese aussagekräftig ar­ 54 – 55 Eisenstein bezieht sich dabei auf eine bestimmte Art der japanischen (und Die kontrapunktische Methode der Schaffung eines Tonfilms wird dem inter- chinesischen) Schriftzeichen, bei denen ein Ideogramm durch Hinzufügen nationalen Charakter des Kinos nicht nur keinen Abbruch tun, sondern sie eines weiteren Elementes einen anderen Sinn bekommt. Zudem war es Ei­ verleiht ihm eine noch nie dagewesene riesige Bedeutung und macht es zum senstein auch wichtig, beim Hieroglyphen­Vergleich zu bleiben: »eine Ein­ kulturellen Höhepunkt. stellung wird niemals zum Buchstaben, sondern bleibt immer eine vieldeu­ Bei einer solchen Konstruktionsmethode wird der Film nicht auf in- tige Hieroglyphe« (Eisenstein 1988 [1929]a: 92). Metz hat allerdings genau ternationalen Märkten eingesperrt sein, wie das bei einem Theaterstück der dort den Widerspruch in Eisensteins Analogie ausgemacht. Denn im Gegen­ Fall ist und bei einem ›abgefilmten‹ Stück der Fall sein wird, sondern er bie- satz zur Montagefolge im Film wird das aus zwei Elementen zusammen­ tet noch stärker als früher die Möglichkeit, die ihm zugrunde liegende Idee gesetzte Ideogramm zu einem neuen Zeichen, das unmittelbar verweist, über den gesamten Erdball zu verbreiten und dabei ihre Weltrentabilität zu wohingegen im »intellektuellen Film« durch zwei getrennte Elemente refe­ bewahren (ebd: 156). renziert wird (cf Metz 1973: 301). Zudem basieren auch die japanischen Kanji auf Standardisierungen, sie sind also weder frei kombinierbar noch können Eisensteins Schriftvergleich lässt sich beim Film auch auf nicht bildhafte Tei­ neue, zusätzliche Formen erfunden werden. Im Vergleich zur Buchstaben­ le beziehen, weil die einzelnen Elemente verbalisiert werden müssen, um metapher geht die Hieroglyphenmetapher stärker auf das Bildliche selbst anschließend in der Reihung zu einem neuen Sinnzusammenhang zu ge­ ein. Der Unterschied beim Lesen dieser beiden Zeichensysteme besteht langen. Wenn Eisenstein in Oktyabre (Oktober, UdSSR 1928) den Kriegs­ grundlegend darin, dass beim phonetischen Alphabet die einzelnen Zeichen minister Kerenski in einer die Arme verschränkenden Pose mit einer Figur durch Ausschluss abgeglichen werden, das heißt ein Buchstabe wird als a Napoleons, die eine ähnliche Haltung einnimmt, durch die Montage verbin­ erkannt, weil er nicht wie ein b oder c aussieht (cf Goodman 1997: 136). det, funktioniert diese Metapher nur, wenn man die Figur auch als die Na­ Ideogramme hingegen werden über Ähnlichkeiten gelesen. poleons identifiziert und diesen im nächsten Schritt als Symbol für autokra­ Die russische Sprach­ und Schriftmetapher stellt insofern eine Beson­ tisches Machtstreben interpretiert. 26 In Staroye i novoye (Die Generallinie, derheit dar, da sie eine spezielle Art der Filmgestaltung beschrieb. Sie kenn­ Sergej Eisenstein UdSSR 1929) funktioniert das Montageprinzip ähnlich. zeichnet somit auch ein bestimmtes ästhetisches Programm, wohingegen Hier wird eine Prozession von Gläubigen mit blökenden Schafen gegenge­ andere Analogien zu ungenau dafür waren und vielmehr eine generellere schnitten, wobei sich der simple Vergleich nicht auf die Parallele von Gläu­ Vorstellung vom Film umschrieben. Mit Durchsetzung des Tonfilms taucht die Sprach­ und Schriftmeta­ pher seltener auf. Regisseure wie Eisenstein und in Deutschland auch Hans Richter (cf Richter 1981 [1929]: 117), befürchteten, dass »der angewandte Ton die Montagekultur vernichten« werde (Eisenstein, Pudowkin, Alexandrow 1988 [1928]: 155). Man versuchte daher, zumindest in der Theorie, das Konzept des »intellektuellen Films« auf den Tonfilm zu erweitern, indem der Ton nicht synchron oder gar übereinstimmend mit dem Bild zu sein habe. Nur so könne die internationale Verständlichkeit des Films weiterhin gewährleistet werden: 56 – 57 bigen und Schafen beschränkt, sondern die Montage das Blöken mit dem Bildung einer inneren, die einzelnen Einstellungen untereinander verbinden­ Beten parallel setzt. Das dafür notwendige Herauslösen der imaginierten den Rede« (Ejchenbaum 2005 [1927]: 29). Entscheidend ist, dass der Filmzu­ Laute aus den stummen Bildern ist eine Aufgabe, von der erst der Tonfilm schauer die jeweilige Bedeutung »in die Sprache seiner inneren Rede« über­ entbinden könnte, indem auf der Tonspur dann bei der Aufnahme der Pro­ setzt (ebd: 30), deswegen steht die Filmkunst für Ejchenbaum trotzdem »in zession statt der Gebete das Blöken zu hören wäre und somit die Aussage Opposition zur Kultur des Wortes« und kann »[d]er Filmzuschauer […] Er­ auf einen Moment kondensierte, der nicht durch zwei alternierende Bilder holung vom Wort« suchen (ebd: 28). Zwischentitel unterbrächen diesen Fluss hergestellt wird. Vertov hat am Anfang von Entuziazm: Simfoniya Donbassa der inneren Rede, »denn er zwingt den Zuschauer, sich für einen Augenblick (Die Donbaß-Sinfonie, UdSSR 1931) diesen Toneffekt mit dem Prinzip der in einen Leser zu verwandeln und sich das einzuprägen, was der ›Autor‹ ihm metaphorischen Montage gedoppelt: Gläubige, die die Füße des gekreuzig­ in Worten mitteilt« (ebd: 30). Für die russischen Formalisten und Filmemacher ten Jesus küssen, alternieren mit öffentlich trinkenden Alkoholikern. Entu- war das Lesen des Films ein wichtiger Bezugspunkt, Ejchenbaums Charakteri­ ziazm ist zudem Vertovs erster Tonfilm, und der Montageeffekt wird durch sierung der Zwischentitel fußt daher auf zwei unterschiedlichen Leseprozes­ den Ton noch unterstützt. So wird der erste Teil der Sequenz – also sowohl sen, die sich nicht zwangsläufig ergänzten. In der Struktur der Filmmontage, die Betenden als auch die Säufer – mit kirchlichen Gesängen unterlegt und die die innere Rede begleitet, übernehmen bei ihm Großaufnahmen Funk­ wechselt dann zu Tonaufnahmen Betrunkener aus einer Wirtshausszene, tionen wie Subjekt und Prädikat (ebd: 43). Der Vergleich von Film mit Spra­ die jeweils beide Einstellungen zusammenhält. Nur durch die Verbalisierung che und Schrift wurde in Russland weniger aufgrund von Metaphorik wie in dieser Montage ist der Vergleich im Sinne von Religion als Opium für das Europa und den USA, sondern wegen struktureller Parallelen gezogen. Die Volk (Lenin) zu lesen, ohne die Deutung würde man sonst bloß eine Paral­ Zwischentitel werden dabei zwar auch als etwas anderes als das Bild erkannt, lelmontage erkennen. aber die spezielle Montagetechnik und ­konzeption hielt genau deswegen Bei dem Prinzip der »intellektuellen Montage« wird besonders das weitere Möglichkeiten für ihren Einsatz bereit, da es sich dabei prinzipiell um Prinzip der »inneren Rede« deutlich, das der Formalist Boris Ejchenbaum die Verbindung zweier nicht auf den ersten Blick zusammenpassender Film­ als zentral für das Filmverstehen ansieht: »Für das Studium der Gesetze des teile handelt, also die Titel durchaus kontrastierend und nicht bloß ergänzend Films (vor allem der Montage) ist es sehr wichtig zu erkennen, daß die Wahr­ oder präzisierend verwendet werden konnten, sofern der eine nicht Aufgaben nehmung und das Verstehen eines Films unauflöslich verbunden sind mit der des anderen übernahm. So wie der Ton als gleichberechtigtes Gegenüber des Bildes verstanden wurde, gibt es in der russischen Filmtheorie auch eine Kon­ zeption des Zwischentitels als dem Bild adäquates filmisches Material. Kule­ shov bezeichnet den Titel daher auch als Einstellung: Pure action constitutes the basis of the film scenario. Movement, dynamics – these are the material of the film-spectacle. That is the reason why people, starting to work in film, when they fa- miliarize themselves with it properly, invariably experience a passion for si- lent film without subtitles. 58 – 59 Im weiteren Verlauf wird auch mittels des Sprach­ und Schriftvergleiches zu The origin of this fascination is obvious: dynamics, pure movement zeigen sein, dass sich die Auffassung vom Film vor allem in den 60er und always nourish the cinema film; conversation and, consequently, subtitles, 90er Jahren in den filmtheoretischen Schriften einem Wandel unterzog, der seem foreign, unnatural elements of the scenario. flankiert wurde von einem sich verändernden Schrifteinsatz im Film. Schrift Though it is wholly comprehensible, this tendency is not correct. Of course, im Film ist nicht einfach nur ein notwendiges Übel, sondern, das zeigt eben a subtitle, like the transmission of dialogue, like the transmission of anything auch die Anbindung an Stildiskurse des Films, ein filmisches Stilmittel, des­ that does not constitute film material, is unnatural in the silent motion picture. sen Einsatz ebenso Moden, Theorien und technischen Entwicklungen un­ The shortcomings of film art must not be replaced by surrogates – sub- terworfen ist, wie die gesamte Menge der filmischen Ausdrucksmittel. So­ titles. A good subtitle must function just like a shot. A subtitle is the same wohl die Verwendung des Schriftvergleiches als auch die Ablehnung oder sort of film material as the exposed pieces of the film, lying before the direc- Befürwortung von Schrift im Film muss daher in den einzelnen Fällen ein­ tor in the editing table. gehender analysiert werden. Generally, a film is cut and then subtitles are added – this is incorrect. Subtitles and shots should be edited simultaneously. Of course it is often necessary to repair a film, to correct, to alter it by subtitles, but repair is another matter; good merchandise should not require repair (Kuleshov 1974 [1929]: 90f.). Kuleshov benutzt das Aufgehen der Schrift im Material des Bildes als Ar­ gument für die gelungene Kombination. Obwohl er festhält, dass die Zwi­ schentitel wie eine Einstellung funktionieren sollen, sagt er aber nicht, wo­ rin ihr spezifischer Wert liegt, warum sie nicht durch ein Bild ersetzt werden könnten. Und es ist Eisenstein, der mit Oktober zeigt, wie das assoziative Potenzial von Zwischentiteln genutzt werden kann, indem sie beispielswei­ se das Bild ironisch kommentieren (siehe S. 125ff.). Sein Konzept der in­ tellektuellen Montage setzt ebenfalls explizit auf die aktive Mitarbeit des Zuschauers, wenn auch mit ganz anderen Argumenten als jene, mit denen Balázs beispielsweise die phantasievolle Tätigkeit umschrieb. Im russischen Beispiel wird deutlich, dass die Sprach­ und Schriftme­ tapher sowie die Auffassung von der Kunsthaftigkeit des Films eng mit der Verwendung von Schrift im Film selbst zusammenhängt. Die Grundlage für den Vergleich beschreibt eine bestimmte Konzeption des Films, die offen für die Verwendung von Schrift ist oder eben nicht. Gleichzeitig sagt sie auch etwas über das Verständnis des Mediums der Schrift aus, schließlich handelt es sich nicht um einen Vergleich von Film und Musik, sondern ganz dezidiert um die Bezugnahme auf Sprache und Schrift. 60 – 61 Anmerkungen 10. Siehe beispielsweise Max Bruns in einer Antwort auf die Umfrage zu Kino und Buchhandel, 1913, in: Schweinitz 1992: 272­277, hier: 275. 1. »Wir sind auf der Suche nach dem Filmalphabet« (Vertov 2003 [1922]: 34; Hervh. i. O.). 11. Zum Filmerzähler siehe auch S. 113f. 2. Rollin Lynde Hartt: »The People at Play«, 1909, zit. nach Hansen 1996: 44. 12. Das Buch erschien 1915 und wurde von ihm 1922 mit einer überarbeiteten und gekürzten Fas­ sung wieder veröffentlicht. 3. Walter M. Fitch: »The Motion Picture Story Considered as a New Literary Form« in: Motion Picture World, 6, No. 7 (19 February 1910), S. 248; zit. nach Hansen 1985: 33).. 13. Lindsay lobte, was Adorno und Horkheimer knapp dreißig Jahre später an der Massenkultur kritisierten. Obg leich Filmbilder gelesen werden können, bietet für sie der Film nicht den Vorzug 4. Christian Metz, der sich auch um die Parallele von Film und Sprache gekümmert hat, stellte einer universell verständlichen Sprac he oder Schrift, sondern den Fluch der Wiederholung, »de­ bezüglich des visuellen Esperanto fest: »Das eigentliche Esperanto wird künstlich hergestellt, es wird ren Immergleichheit identischen Sinn ausdrückt« (Adorno, Horkheimer 1997 [1947]: 332). In der nach der Sprache modelliert. Das ›visuelle Esperanto‹ ist zum größten Teil schon gegeben, es liegt Massenkultur, die in ihrer Ökonomis ierung darauf aus ist, kontemplative Betrachtung zu vermeiden vor der Sprache. In dem Begriff des filmischen Esperantos liegt dennoch etwas Wahres: durch die und den Blick vom Was auf das Wie zu veschieb en (ebd: 333), wird dem Zuschauer bloß noch die zweite Gliederung unterscheiden sich die Sprachen am radikalsten voneinander, und dadurch ver­ Aufgabe zuteil, »immerzu die Bilder in Schrift zu übersetzen« (ebd.). »Optisch selbst näheren die stehen sich die Menschen nicht. Ein Satz ist immer in etwa übersetzbar, wie R. Jakobson feststellt. aufb litzenden, vorübergleitenden Bilderim Kino sich der Schrift an. Sie werden aufgefasst, nicht be­ Und zwar deshalb, weil er einer wirklichen Bewegung der Gedanken entspricht und nicht einer trachtet. Der Filmstreifen zieht das Auge mit wie die Zeile und im sanften Ruck des Szenenwechs els Kode­Einheit. Ein Wort gibt Anlass zu interlinguistischen Äquivalenzen, die sehr unvollkommen, blättert sich die Seite um« (ebd: 332). jedoch ausreichend sind, um Wörterbücher zu ermöglichen. Ein Phonem ist vollkommen unüber­ setzbar, da es erschöpfend definiert ist durch seine Position auf dem phonologischen Raster jeder 14. Jörg Schweinitz hat darauf hingewiesen, dass die Einfühlungsästhetik der Zeit ein weiterer Sprache. Man kann das Fehlen von Sinn nicht übersetzen. Dadurch kommt man auf die Idee, dass, Punkt ist, der Einfluss auf Balázs‘ Theorie gehabt hat (Schweinitz 2006: 139). Siehe hierzu auch den wenn die repräsentische Rede sich jeder Übersetzung entzieht, sie schon im voraus übersetzt ist, in den 20er Jahren in Deutschland populären Ausdruckstanz als Gesellschaftsutopie (Baxmann 1995). weil sie der zweiten Gliederung entgeht: das Höchstmaß des Übersetzbaren ist das Überall­Gleiche« 15. Frey zeigt auch, dass mit Balázs‘ Sprachbehauptung die Forderung einhergeht, dass der (Metz 1972: 94). Zu Metz und der Problematik der Film­Sprache­Parallele siehe auch S. 157ff. Dass Film nicht versuchen sollte, eine Sprache zu sein, und sein Konzept von Sprache damit auf der die Bezeichnung des Films als universal language unter linguistischer Perspektive bereits in den 20er Herder‘schen Philosophie fußt (Frey 2010: 329). Jahren als überholt zu gelten habe, darauf weist Mattias Frey in seiner Analyse der Balázs‘schen 16. Zum Reden im Stummfilm und Schweigen im Tonfilm siehe auch Paech 1997. Analogie hin (Frey 2010: 328). 17. Lange widersprach damit vor allem dem ein Jahr zuvor erschienenen Buch Das Lichtspiel von 5. Herbert Jump: The Religious Possibilities of the Motion Picture, 1911, S. 23; zit. nach Hansen Victor Pordes, in dem Pordes sich für das stumme Sprechen eingesetzt hatte (cf Pordes 1919: 89, cf 1985: 328. Lange 1920: 335, zu dem Streit der beiden siehe S. 123f.). Die Ablehnung des sichtbaren Dialoges fin­ 6. Konrad Lange: »Bühne und Lichtspiel«, in: Deutsche Revue (Berlin), Oktober 1913, S. 123, zit. det sich in Deutschland aber auch noch in den 20er Jahren, beispielsweise bei Bloem, der die Kraft nach Diederichs 1986: 55. Auch 1920 noch ist die Stummheit der Kinodramen das Hauptmerkmal für des Films in den einfachen Geschichten sieht, wohingegen das Geistige – und damit die Sprache – Lange, weswegen sie nicht als Kunst anzusehen sind: »Im folgenden Kapitel werde ich nachweisen, der Bühne vorbehalten bleibe (cf Bloem 1922: 159): »Immer wieder, selbst in den besten Filmen, sieht worin das Unkünstlerische des Kinodramas besteht. Wir werden sehen, daß es vor allem das Fehlen man das ›lautlose Gespräch‹: eine Tollheit, die erst vom Lichtspiel erfunden werden musste. Men­ des Wortes ist, was ihm den rohen und unkünstlerischen Charakter gibt, den wir alle an ihm ken­ schen sprechen miteinander, oft in förmlichen Rededuellen, aber man weiß nur verschwommen, was nen« (Lange 1920: 25). sie sagen. Das ist eine Erziehung zur undeutlichen Einstellung des Verstandes, eine Erziehung zur 7. Ein Aufruf an die Literaten, die Qualität des Films durch Kinostücke zu verbessern, findet sich Verblödung! Mit Kunst oder mit einer ›Beteiligung der schöpferischen Phantasie des Zuschauers‹ hat bei Müller 1912: S.2f. das nichts zu tun« (ebd: 28f.). 8. Wenn im Film Bild ganz das Wort überwand, ist die Verwirrung von Babel überwunden. Er hat 18. Léopold Survage in Soirée de Paris, Nr. 26 – 27, Juli­August 1914, S. 426­249; zit. nach Lawder nicht Dialekt, er ist nicht Idiom. Er ist Jargon in aller Welt! In allen Sprachen geschrieben, Brücke 1975: 25, Hervh. i.O. zu allen. […] [H]aben es nur einmal im Atelier die Schauspieler in das Objektiv gedolmetscht. 19. Léopold Survage in Soirée de Paris, Nr. 26 – 27, Juli­August 1914, S. 426­249; zit. nach Lawder 1975: 22 Es schwillt über die Zonen, zuckt in die Winkel der Kontinente. 20. Eine der wenigen Stellen, in denen sich eine Musikanalogie in den 10er Jahren auch für den Gläserne Kugel, überspanne das Kino den ganzen Erdball. Spielfilm findet, stammt von Paul Wegener, dem Regisseur des Films Der Golem, wie er in die Welt In den Zenith blickend mögen die Pole sich betrachten. kam (D, 1920): »Der eigentliche Dichter muss die Kamera sein. Die Möglichkeit des ständigen Stand­ Gut und Böse zucke mahnend und eifernd am Himmel. punktwechsels für den Beschauer, die zahllosen Tricks durch Bildteilung, Spiegelung und so fort, Der letzte Einäugige auf der nördlichen oder südlichen Halbkugel wird mir nicht entgehen kurz: die Technik des Films muss bedeutsam werden für die Wahl des Inhalts. Nach einigen miss­ Wer das Kino hat, wird die Welt aushebeln« (Mierendorff, Carlo: Hätte ich das Kino!! Berlin: glückten Films, über die ich lieber schweigen will, hatte ich meine Idee des Golem, dieser seltsa­ Reiß 1920; zit. in: Greve/Pehle/Westhoff 1976: 405). men mythischen Tonfigur des Rabbi Löw aus dem Kreis der Prager Ghettosage, und mit ihm kam 9. Siehe dazu auch Winkler 2002: 206ff. ich noch mehr in das Gebiet des rein Filmmäßigen hinein – hier ist alles aufs Bild gestellt, auf ein 62 – 63 Ineinanderfließen einer Phantasiewelt vergangener Jahrhunderte mit gegenwärtigem Leben –, und immer klarer wurde mir die eigentliche Bestimmung des Films, die Wirkung allein aus der pho­ tographischen Technik heraus zu suchen, Rhythmus und Tempo, Hell und Dunkel spielen im Film eine Rolle wie in der Musik. Und als letztes Ziel schwebt mir eine Art kinetische Lyrik vor, bei der man auf das Tatsachenbild als solches schließlich überhaupt verzichtet.« (Paul Wegener, »Von den künstlerischen Möglichkeiten des Wandbildes« 1916/17, zit. nach Greve/Pehle/Westhoff 1976: 118f) Bei der Untersuchung der Filmmetaphern ist auffällig, dass die Musikmetapher für den Film häufi­ ger von Regisseuren als von Kritikern benutzt wurde, unabhängig davon, ob sie Spiel­ der Avant­ gardefilme drehten. 21. Marinetti et al. »Der futuristische Film« (1916), zit. nach Hein, Herzogenrath 1977: 36. Am Theater durfte der Film sich nicht orientieren, wohl aber an anderen Künsten – wichtig war allein seine Nonlinearität und ­narrativität. Spätere futuristische Filme, die ebenfalls überwiegend nicht mehr erhalten sind, sollen allerdings kaum abstrakt gewesen sein, sondern surrealistische Motive vorweggenommen haben (cf Hein, Herzogenrath 1977: 36ff.). Vgl. diesbezüglich auch Teile aus dem Manifest »Der futuristische Film«: »11. Gefilmte Gedichte und Dichtungen […] 13. Gefilmte mu­ sikalische Versuche (Dissonanzen Akkorde von Gesten Fakten Farbe Linien usw.) […] 18. Dramen von gefilmten Verzerrungen (ein Mann mit Durst zieht eine winzige Flöte hervor die sich kreisförmig zu einem See vergrößert den er auf einen Zug austrinkt) […] Gefilmte Worte in Freiheit und Bewe­ gung (synoptische Tafeln lyrischer Werte von Dramen vermenschlichten oder tierischen Buchsta­ ben typografische Dramen geometrische Dramen numerische Sensibilität)« (Marinetti et al. 1997 [1938]: 293f.). Da Raum und Zeit bei Marinetti einen Tag zuvor gestorben waren (cf Marinetti 1995 [1909]: 5), sollte der Film auch nicht, wie Lindsay es beobachtet hatte, Zeit und Raum vermessen (cf Lindsay 1916: 106). 22. Die Filmautoren geben sich, wie Sie wissen, der stummen Kunst hin: sie ziehen das Spiel der Bilder jenem der Worte vor. […] [D]em Kino den Platz gebe n, den es verdient. […] Die Bewe gung, ist sie nicht eine neue Schrift, eine Palette, ein Meißel, ein Geigenb ogen … (Übers. FK). 23. Das Kino ist eine neue Kunst, eine neue Ausdrucksform, komplett anders als die bisherigen Ausdrucksfor men […] Es ist weder ein Surrogat noch etwas Vereinfachendes, sondern eine neue Schrift (Übers. FK). 24. Die Bilder, die wie die Wörter eines Satzes zusammengesetzt werden, werden im besonderen Rhythmus des Films geschnitten, gegenübergestellt und getrennt. (Übers. FK) 25. Beispiele für Ausnahmen sind dort zu finden. 26. Als Chef der Übergangsregierung nach der Februarrevolution in Russland 1917 wurde Kerenski in Eisensteins Film zwischen der Februar­ und Oktoberrevolution für das Verfehlen der Ziele der ersten Revolution verantwortlich gemacht. Für weitere Analysen bezüglich der Montage in Oktober siehe S. 125ff. 64 – 65 2 ZwischentitelDie Schrift im Film lässt sich grob in zwei unterscheidbare Gebiete eintei-len: zum einen in Schrift, die konventionalisierten Bereichen zufällt, wie der Titelvorspann oder die Untertitel, zum anderen in Schrift, die primär text-lichen Inhalt kommuniziert, sowohl in Zwischentiteln als auch freien For-men wie experimentellen Schriftfilmen. Die Grenze zwischen diesen beiden Bereichen ist durchlässig. Im Spiel mit der Konvention gibt es Untertitel, die ihre Form benutzen, um ganz andere Inhalte auszudrücken als die ge-sprochenen. Und ebenso gibt es Zwischentitel, die redundant sind, da sich die Informationen, die sie enthalten, bereits in den Bildern vor und nach ihnen befinden, und sie zum Verständnis nicht notwendig sind. Unabhängig davon unterscheiden sich die beiden Bereiche jedoch grundlegend in der konzeptionellen Herangehensweise, die Produktion des Films betreffend. Vorspanne und Untertitel werden aufgrund von industriellen und distribu-torischen Zwängen hinzugefügt, aufgrund des Copyrights oder damit der Film auch außerhalb des Entstehungslandes vermarktet werden kann. Mit ihrer Herstellung werden Spezialist/innen beauftragt, die nicht zwangsläu- 66 – 67 fig mit den an der Produktion Beteiligten wie Regisseur/in, Kameramann/ pografie. Paratext ist, was die Rezeption steuert und/ oder beeinflusst, frau, Cutter/in oder Drehbuchautor/in zusammenarbeiten. Im Bereich des also auch biografische Kenntnisse über einen Autor (cf Genette 2001: 15). Vorspanns ist inhaltliche Bedeutung durch die Inszenierung der Typografie Wichtigste Funktion des Partextes ist es, den Text des Autors zu kommuni- möglich sowie durch die Bilder selbst, die der Schrift unterlegt sind. zieren: »Paratexte organisieren die Kommunikation von Texten überhaupt« Mit Durchsetzung des Tonfilms verschwand ein großer Anteil der Mög- (Kreimeier/Stanitzek 2004: VII; Hervh. i. O.). Für Genette ist ein Text un- lichkeiten, mittels Schrift inhaltlich im Film zu arbeiten. Dennoch findet sich wandelbar, im Gegensatz zu den sich stetig ändernden Rezeptionsbedin- in vielen Filmen der 30er Jahre immer noch eine Reihe erklärender Titel, be- gungen und -gewohnheiten. Die Aufgabe des Paratextes ist es nun, den sonders zu Beginn oder am Ende eines Filmes werden Informationen – oft Text kommunizierbar zu halten, indem beispielsweise erklärende Vorworte auch heute noch – in schriftlicher Form vorausgeschickt beziehungsweise oder Fußnoten eingefügt werden: nachgereicht. Aber auch eine bestimmte Form des Autorenfilms seit den Die wesentlichste dieser Eigenschaften […] ist der funktionale Charakter. 60er Jahren, wie sie die Filme von Godard oder Alexander Kluge darstel- Das hauptsächliche Anliegen des Paratextes, welche ästhetische Absicht len, verzichtet nicht auf die Möglichkeit schriftlicher Inserts. Aktuell ist eine auch immer hinzutreten mag, besteht nicht darin, im Umfeld des Textes deutliche Zunahme von Schrift im Film auch im Mainstream-Kino zu beob- ›hübsch zu wirken‹, sondern ihm ein Los zu sichern, das sich mit dem Vorha- achten, die allerdings immer weniger textinhaltlich funktioniert. Zugespitzt ben des Autors deckt. Zu diesem Zweck richtet er zwischen der idealen und formuliert wird in diesem Kapitel zu zeigen sein: Obwohl immer häufiger relativ unwandelbaren Identität des Textes und der empirischen (soziohis- Schrift eingesetzt wird, ist es immer weniger entscheidend, dass diese auch torischen) Realität seines Publikums eine, wenn man mir diese ungefähren zu lesen ist. Oder anders ausgedrückt: Die Schrift wird immer mehr zum Bild. Bilder nachsieht, Art Schleuse ein, durch die sie ›auf gleicher Höhe‹ bleiben Da es in diesem Kapitel um die textuellen Inhalte von Schrift geht, können, oder, wenn man lieber will, eine Luftkammer, die dem Leser hilft, stehen Fragen nach der Inszenierung nicht im Vordergrund. Um das Feld ohne allzu große Atemnot von einer Welt in die andere zu gelangen; eine der Zwischentitel trennschärfer von anderen Schrifteinsätzen im Film abzu- mitunter heikle Operation, vor allem wenn letztere eine fiktive Welt ist. Der grenzen und um generell das Gefüge von Schrift und Film eingehender zu Text ist unwandelbar und als solcher außerstande, sich an die Veränderun- untersuchen, beginnt das Kapitel zum Zwischentitel mit einem Exkurs zum gen seines Publikums in Raum und Zeit anzupassen. Der flexiblere, wen- Paratext und endet mit einem weiteren zum Vorspann. digere, immer überleitende, weil transitive Paratext ist gewissermaßen ein Instrument der Anpassung: deshalb jene ständige Modifikationen an der ›Präsentation‹ des Textes (das heißt an seiner Daseinsweise in der Welt), die 2.1 Exkurs zum Paratext zu Lebzeiten des Autors von ihm selbst vorgenommen werden und dann von seinen posthumen Herausgebern, die sich dieser Aufgabe mehr oder minder gut entledigen (Genette 2001: 387f.). Bei dem Konzept der von Genette in der Literaturwissenschaft eingeführ- ten Differenzierung von Text und Paratext wird das der Kategorie Para- An dieser Stelle wird ein Punkt deutlich, der Genette bzgl. seines Konzepts text zuordnet, »was nicht ohne Verlust einer bestehenden Kategorie (hier besonders wichtig ist und den er innerhalb dieses zitierten kurzen Absatzes dem Text) zugewiesen werden kann« (Genette 2001: 313). Paratexte, das gleich zweimal betont: dass der Paratext vom Autor des Textes produziert sind bei Genette unter anderem der Name des Autors, der Werktitel, ein werden soll. Nur der Autor kann entscheiden, welche Informationen nötig Vorwort, Anmerkungen, aber auch der Umschlag des Buches und die Ty- sind, um den Text inhaltsadäquat zu vertreiben. Es ist häufig gesagt worden, 68 – 69 dass hierin eine der größten Unterschiede im Übertrag des „ Zum Beispiel The Tall T (Budd  Anmerkung zum Paratext »gehört« oder nicht, sondern ob es von Vorteil Konzepts auf den Film liegt 1, dessen Herstellung deutlich Boetticher, USA 1957): »Was der Titel be­ und Relevanz ist oder nicht, sie als solche zu betrachten (Genette 2001: 327). arbeitsteiliger ist, bei dem oft nicht der Regisseur oder deuten soll, habe ich selbst nie verstan­ Drehbuchautor den Titel festlegt, sondern das Studio ƒ Besonders am Beispiel der Anmerkung wird deutlich, dass Genette sein den. Der Titel der Erzählung, die dem  und bei dem üblich ist, was es für Genette nicht geben Konzept immer wieder selbst überprüft, um nicht vorschnell und pauschal Drehbuch zugrunde lag, war The Captive,  darf: dass sich spezielle Paratextautoren wie beispielswei- die verschiedenen Elemente einzuordnen. Die Anmerkung wird nicht prin- aber an diesem Titel hatte eine andere  se Vorspanndesigner um jene Elemente kümmern. zipiell aufgrund ihrer räumlichen Disposition eingeordnet, sondern Genette Gesellschaft die Rechte. Wir haben den  Genette unterscheidet zudem zwischen auktoria- unterscheidet hier zwischen den verschiedenen Anwendungen der Anmer- fertigen Film nach New York geschickt,  lem und verlegerischem Paratext sowie zwischen Paratex- kung. So gehört die auktoriale Originalanmerkung zum Text, aber nur, wenn und die Bürokraten da, die von nichts  ten, die sich in räumlicher Nähe zum Text, also im Buch dieser so diskursiv ist, dass sie zu ihm »eine Beziehung der formalen Kon- eine Ahnung haben, haben ihm diesen  selbst befinden und jenen außerhalb des Buches wie bei- tinuität und Homogenität unterhält« (Genette 2001: 313) und die räumliche ›kommerziellen‹ Titel gegeben, der mit  spielsweise Briefwechsel oder Autoreninterviews. Letztere Verzweigung, die sie darstellt, also auch inhaltlich angelegt ist. Ist dies nicht dem Film überhaupt nichts zu tun hat. T  nennt er Epitexte, erstere hingegen Peritexte, beide zu- der Fall, gehören die Anmerkungen zum Paratext, da sie »wegen ihres dis- soll vielleicht für Texas oder Terror ste­ sammen bilden den Paratext. Die Grenze zwischen Peri- kursiven Charakters unweigerlich einen Bruch der Aussageform« darstellen hen« (Budd Boetticher: The Western; zit.  und Epitext verläuft zudem fließend, was einst epitextu- (ebd: 317). Verlegerische Anmerkungen und fiktionale Anmerkungen gehö- nach Hembus 1995: 670f.). Siehe hierzu  ell war, wie eben der Briefwechsel des Autors mit seinem ren jedoch nicht zum Paratext, erstere, weil sie nicht auktorial (ebd: 321) und auch Magener 1995: 10f. Verleger, kann bei einer neuen Auflage an die Stelle eines letztere, da sie ja Teil des Textes sind (ebd: 326). „ »Der Diskurs über den Paratext darf  Vorwortes rücken und damit peritextuell werden. Unter verlegerischem Pe- Das Beispiel zeigt auch, dass der Paratext eine auch nie vergessen, dass er sich auf  ritext fasst Genette Elemente wie den Umschlag und die Typografie, dem diskursive Kategorie ist, keine normative. ƒ Indem man einen Diskurs bezieht, der sich auf einen  verlegerischem Epitext widmet er insgesamt nur eine Seite (cf ebd: 331), da bestimmte Elemente als paratextuell tituliert, trifft man Diskurs bezieht und der Sinn seines  es dabei um Werbematerial geht, an dem der Autor meist anonym und im Aussagen über ein bestimmtes Textverständnis. Dies wird Gegenstands auf dem Gegenstand dieses  Konsens mit dem Verleger mitarbeitet. Bei Werbematerial, das von speziell besonders deutlich, wenn man versucht, den Begriff auf Sinns beruht, der wieder ein Sinn ist«  Firmen hierfür verantwortet wird, verlässt man den Paratext (cf ebd: 36). andere Bereiche als den der Literatur auszudehnen, was (Genette 2001: 391). Auch wenn es an manchen Stellen seiner Argumentation so scheint, Genette selbst vorgeschlagen hat: kann man Genette doch nicht vorwerfen, dass er nur rein klassifikatorisch Denn falls man einräumt, dass sich dieser Begriff auf Bereiche ausdehnen lässt, vorgehen würde.2 Immer wieder merkt er einschränkend an, dass es nicht in denen das Werk nicht aus einem Text besteht, so liegt auf der Hand, dass darum gehe, bestimmte Elemente einer Kategorie zuzuordnen, sondern andere oder sogar alle Künste eine Entsprechung unseres Paratextes besitzen: dass man sich auch immer fragen müsse, welchen Nutzen man von solch etwa der Titel in der Musik oder in der bildenden Kunst, die Signatur in der einer Einordnung hätte: Malerei, der Vorspann im Kino, sämtliche Anlässe zu einem auktorialen Kom- »Der« Paratext existiert genau genommen nicht, man entschließt sich viel- mentar in Ausstellungskatalogen, Vorworte zu Partituren (man denke an die mehr dazu, aus Gründen der Methode und Effizienz oder, wenn so will [sic], Einleitung von 1841 zu den Amnées  de  pèlerinage von Liszt), Plattenhüllen der Rentabilität von einer bestimmten Zahl von Gepflogenheiten und Wir- und andere Peritext- oder Epitextträger: lauter Gegenstände für Untersuchun- kungen in diesen Begriffen zu sprechen. Die Frage lautet also nicht, ob die gen, die parallel zu der vorliegenden laufen (Genette 2001: 387f., Herv. i. O.).  70 – 71 Interessanterweise betont Genette zwar, dass es sich hierbei um Bereiche um. Dabei vernachlässigt er weitgehend visuelle Merkmale und argumentiert handelt, »in denen das Werk nicht aus einem Text besteht«, er aber offenlässt, bezüglich des Paratextes topografisch: Paratexte befinden sich an den Rän- nach welchen Kriterien dann das Äquivalent zum Text und damit die Diffe- dern des Textes, als Vor- oder Nachwort, als Grenze zwischen den Kapiteln renz zum Paratext bestimmt werden könnte. Eine Kritik an Genette müsste oder als Anmerkung am unteren Rand der Seite. Eine visuelle Argumentation an seinem Textverständnis ansetzen. Nicht nur, dass er den Begriff Text auf würde stärker in den Bereich vordringen, den Genette kaum berührt: den der schriftlich fixierte Werke sprachlicher Natur beschränkt, sein Paratextkonzept Schrift. Typografie und Papier widmet Genette ganze drei Seiten (cf Genette funktioniert zudem mit einem sehr starren Textkonzept. Genettes Verdienst, 2001: 38ff.). Seiner Ansicht nach handelt es sich dabei um einen verlegeri- die von ihm aufgeführten paratextuellen Elemente in die hermeneutische schen Peritext, der möglicherweise allein bei einem Gedicht bedeutungstra- Werkdeutung mit einzubeziehen und den Text somit für weitere Einflüsse gend wirken kann (cf ebd: 38). Die Frage des Papiers ist Liebhaberei: zu öffnen, gelingt ihm nur um den Preis einer Textzentrierung. Genette geht Der Unterschied, ob ein Exemplar auf Velin, Japanpapier oder gewöhnli- nicht so weit, diese Paratexte dem Text zuzuschlagen, sondern nutzt sie als chem Papier gedruckt wurde, ist natürlich für den Text weniger relevant als weitere Möglichkeit zur Textinterpretation, weswegen er die Forderung der ein satztechnischer Unterschied. Der Grund liegt vermutlich darin, dass das Auktorialität an sie stellt. Das Differenzkriterium zwischen Text und Paratext Setzen zwar auch nur eine Materialisierung des Textes ist, das Papier aber liegt bei ihm in der Wandelbarkeit. Der Text bleibt immer gleich, der Paratext bloß der Träger dieser Materialisierung und damit von der konstitutiven Ide- hingegen muss sich genau deswegen verändern. Alles, was sich verändert, alität des Werkes noch weit entfernt (ebd: 39). ist somit Paratext, von der Ausgabe über den Einband bis hin zu Papier und Typografie. Und genau diese Unterscheidung impliziert auch, dass der Text Damit ignoriert Genette die Visualität der Schrift. Das „ Beispiele, bei denen das Schriftbild  für Genette nicht visuell ist. Alles, wodurch sich der Text manifestiert, ist Pa- visuelle Erscheinungsbild kann unter Umständen mehr Teil der Geschichte ist: Jan Kjaerstad  ratext. Das Dilemma, das dabei entsteht, ist, dass der Text sich fixieren muss, sein, als nur eine Vereinfachung der Lesbarkeit; mittels hat auf den letzten Seiten seines Ro­ um überhaupt Text zu werden. Genette misst den Elementen, die den Text Überschriften und Gliederungen können weiter ausein- mans Rand mehrere Durchstreichungen  somit erst ermöglichen, hermeneutische Bedeutung bei, ordnet sie aber klar ander liegende Textteile aufeinander bezogen werden, vorgenommen, auf die zwar nicht  unterhalb des Textes ein. Um sein Konzept eben an dieser Stelle zu schließen, und auch die Fußnote ist nicht nur eine Ergänzung zum unmittelbar im Text Bezug genommen  betont er immer wieder, dass er untersuche, was den Text zum Buch macht (cf Text, auf den sie sich bezieht, sondern sie »eröffnet die wird, die aber von der zunehmenden  ebd: 10). Und indem man versucht, das Konzept auf andere Manifestationen Möglichkeit eines mehrspurigen Schreibens, metaphorisch Schizophrenie des Protagonisten kün­ als nur die des Buches zu übertragen (was Genette ja ausdrücklich fordert – ausgedrückt: »einer Vielstimmigkeit im Text« (Krämer den, aus dessen Perspektive die Ge­ siehe oben), zeigen sich die Schwächen seines Konzepts. Genette kümmert 2003: 160). Im Grunde eignet sich Genettes Konzept am schichte geschrieben wurde. Und Eine sich zwar um die Medialität des Buches, nicht aber um die des Textes, die besten für die konventionellen Erscheinungsformen des iranische Liebesgeschichte zensieren von  beispielsweise Lotman bereits thematisiert hatte, indem der den Text als »ein Romans oder des wissenschaftlichen Buches, und hier Shahriar Mandannipur setzt verschie­ invariantes System von Relationen« bezeichnete (Lotman kann es auch die verschiedenen Moden aufzeigen. Aber „ Als Grenze bezeichnet Lotman hier  dene Schriftschnitte und auch (lesbare)  2005 [1970]: 33). Bei Lotman ist der Text eine unveränder- gleichzeitig versperrt es auch den Blick auf die Neuerun- unter anderem das, was bei Genette der  Durchstreichungen ein, die signali­ bare Größe aufgrund seiner Grenzen ƒ, das heisst der Pa- gen, die Innovationen, die diese Konventionen eben auch Paratext ist (cf Lotman 2005: 31) sieren, welche Parts eigentlich für eine  ratext ermöglicht überhaupt erst die Lesbarkeit von Text in Angriff nehmen.ƒ Neuere Textuntersuchungen küm- Veröffentlichung der Geschichte im Iran  durch die Etablierung einer geschlossenen Sinneinheit. Bei Genette hingegen mern sich dezidierter um das typografische und verlege- zensiert werden müssten. wird der Text durch den Paratext zum Buch, also zu einem konkreten Medi- rische Erscheinungsbild (cf Martens 2005: 103f.). McGann 72 – 73 kritisiert Genettes Fixierung auf die rein sprachlichen Texteigenschaften und oft pragmatisch vorgegangen. Die Zuordnungen schließen unterschiedlichs- entwickelt eine Auffassung vom »Text als komplexes Netzwerk von sprachli- te Elemente wie Filmwerbung, Kritik, Plakat (beispielsweise Hediger 2004: chen [linguistic] und bibliographischen Codes« (McGann 2005: 148). Bezüg- 287), Vorspann (beispielsweise Genette 2001: 388), Aushangbild (beispiels- lich der besonderen textlichen Gestaltung von Gedichten schlägt Harris vor, weise Pauleit 2004: 69), Programmverbindungen im Fernsehen (beispielswei- gleich von unterschiedlichen Schriftsystemen zu sprechen, da die Anordnung se Bleicher 2004: 246), Zwischentitel (beispielsweise Nitsche 2002: 63) oder von Zeilen bei Lyrik, gerade bei neueren Formen, oft massiv zur Bedeutungs- das Filmmaterial selbst (beispielsweise Böhnke 2007: 28) ein. Hierbei wird generierung beiträgt und der Sinn eines solchen Textes in einem anderen als deutlich, dass es aufgrund der unterschiedlichen Materialität verschiedene den vom Autor intendierten Satz verloren gehen könnte (cf Harris 1995: 63). Paratexte gibt, die sich vor dem eigentlichen Hauptfilm auftürmen. Der Re- Somit müsste man das Konzept des Paratextes dann jedes Mal dezidiert an zeption eines Films im Kino steht die Passage von Aushangbild, Filmplakat, ein solches Schriftsystem anpassen, weil den einzelnen Komponenten ganz Eintrittskarte, Filmwerbung (Flyer), Kinowerbung, Trailer und Vorspann zuvor, unterschiedliche Aufgaben zukommen können. um nur die wichtigsten zu nennen, abgesehen von einer weiteren Öffnung des Auf den letzten Seiten seines Buches räumt Genette ein, mindestens Konzepts, wenn man auch »Rezeptionssteuerungen« wie Essen3 dazu rech- drei Paratext-Bereiche vernachlässigt zu haben: die Übersetzung, den Vor- nen möchte, das durch Werbung oder verschieden gestaltete Popkorntüten abdruck und die Illustration (cf Genette 2001: 386f.). Indem er die Illustra- mit dem Film in Verbindung gebracht werden kann. Außerdem hängt die Ge- tion zum Paratext zählt und sie damit allein unter textkommentierenden wichtung des jeweiligen Paratextes stark vom Aufführungsort und -kontext Aspekten betrachtet, wird deutlich, dass sich seine Ausführungen nicht ein- ab. Eine Filmvorführung auf einem Festival präsentiert sich sehr viel »nackter« mal für das Buch pauschalisieren lassen. Konzepte wie Moholy-Nagys Ty- als die des gleichen Films im kommerziellen Zusammenhang im Multiplex oder pofoto oder Comics, in denen das Bild mindestens gleichwertig der Schrift im Fernsehen. In letzterem Kontext ist der Vorspann beispielsweise einheits- gegenüber ist, müssten den Genette‘schen Paratext schon allein aufgrund stiftender als auf einem Festival, da er neben sehr viel ähnlichem Material der schwer zu bestimmenden »Textualität« vor einige Probleme stellen. Und (Werbung, Trailer – allesamt Bild-Schrift-Mischungen) trotzdem anhand der Übersetzung wird deutlich, wie schwierig eine Genette-getreue eine Anfangsmarkierung setzen muss, wohingegen auf einem Übernahme des Begriffes auf den Film ist. Die Praxis der frühen Tonfilm- Festival vor Fachpublikum, das sich einen möglicherweise noch zeit, fremdsprachige Versionen herzustellen, indem man jede Szene nach- völlig unbekanntem Film gegenüber sieht, der Vorspann stärker einander mit Schauspielern verschiedener Nationalitäten drehte, würde den noch als Informationsquelle dient. Schauspieler selbst zum Paratext werden lassen: Er ist veränderbar, um eine Wie beim Buch können beim Erscheinen eines Films in bessere Kommunikation des »Textes« zu gewährleisten. einem anderen medialen Zusammenhang einstmals epitex- Genettes Öffnung seines Konzepts für den Film (cf ebd: 387f.) sowie tuelle Elemente peritextuell werden, was sich besonders am das erstarkte Interesse der Filmwissenschaft für Bereiche wie Aufführung Beispiel der DVD zeigt: Das Filmplakat ist nun sozusagen der und Filmwerbung führten zu einer vermehrten Übertragung dieser Kate- Umschlag des Mediums (die DVD-Hülle), Making-ofs, Trailer gorie in diesen Bereich. Dabei hat man sich vor allem darauf geeinigt, den und Interviews rücken in die direkte Nähe, nämlich auf den- Begriff in seiner Autorenzentrierung kritisch anzupassen, es aber meist ver- selben Träger des Films. Wie die Paratextanalogie an sich, säumt, die mediale Lücke in Genettes Konzept ausreichend zu thematisie- scheint auch dieser Vergleich zunächst schlüssig, hält aber ei- Trinkbecher, der zum dritten ren. Anstatt sich zu fragen, wie ein dezidiert nicht-visueller Begriff in einem Teil von Pirates of the Caribbean im ner genaueren Untersuchung nicht stand. In seinem Aufsatz überwiegend visuell argumentierenden Bereich funktionieren könne, wurde Kino ausgegeben wurde. zum Filmprogramm hat Joachim Paech darauf hingewiesen, 74 – 75 dass sich nicht nur diese Programmelemente ändern, sondern gesamte Film- hat, ist aber nicht möglich. Denn was im einen Fall noch ein Bestandteil des zusammenhänge unterschiedliche Wertungen und Gewichtungen erfahren, Paratextes ist, kann im nächsten bereits Text sein und umgekehrt. (Oder wenn sich der Blick auf ein anderes Medium ändert: man müsste (absurde) Abstufungen einbauen: der Vorspann ist weniger Pa- ratext als das DVD-Menü, beziehungsweise: Der Vorspann ist der Paratext Die Literaturgeschichte geht (zu Unrecht) vom identischen ›Programm Buch‹ des Films und das Menü der der DVD.) für ihre Texte aus, die Filmgeschichte kann sich das im ständigen radikalen Wandel technisch-apparativer, medial-institutioneller, dispositiver etc. Bedin- Die Ausweitung der Randzone7 gungen ihres Gegenstandes ›Film‹ noch viel weniger leisten (Paech 2004: 217).4 Diese Verkettungen lassen sich bereits kinogeschichtlich feststellen und Eine Neuauflage eines Buches bleibt ein Buch, wohingegen ein Film im am Beispiel des frühen Kinos exemplarisch nachweisen. Anfang des 20. Fernsehprogramm den Gesetzen dieses Mediums unterworfen ist, genauso Jahrhunderts wurden die Filme innerhalb eines heterogenen Programms wie auf der DVD. Das Medium DVD besteht nun aus verschiedenen Teilen, mit anderen Darstellungsformen gezeigt, begleitet von Filmerzählern und von denen einer davon der Film ist, der nicht unbedingt das ausschlagen- Musikaufführungen. Mit dem Umschwung vom Kino der Attraktionen zu de Argument für den Kauf der DVD sein muss. Der Film ändert sich nicht einem selbständig erzählendem Medium Film verschwanden diese externen allein visuell – beispielsweise der Formatwechsel beim Vollbildtransfer eines Vermittlungsangebote oder nahmen andere Formen an. Das hing zum einen Scope-Filmes, um nur eines der deutlichsten zu nennen – sondern wird al- mit der einhergehenden Standardisierung zusammen, zum anderen aber lein durch die Struktur zusätzlich mit Bedeutung aufgeladen: Kapitelmar- auch mit einer Übernahme dieser Möglichkeiten in den Film selbst. So ist kierungen können aufgrund ihrer Akzentsetzung und möglichen Benen- ab 1910 ein allmähliches Verschwinden der Filmerzähler zu beobachten. Ne- nung bestimmte Inhalte des Films betonen.5 Selten erscheint ein Film in nur ben den quantitativ zunehmenden Zwischentiteln, die auch nicht mehr bloß einem medialen Zusammenhang, wodurch sich die Frage nach dem »origi- Szeneüberschriften enthielten, übernahmen seine Funktion 8 gleichzeitig nalen« Paratext des Films stellt. Es scheint also einen Paratext des Films zu auch die den Film flankierenden Druckerzeugnisse. Gerade in der Über- geben, der sich dann relativ unverändert durch die einzelnen Erscheinungs- gangsphase zum Klassischen Kino gab es häufig noch Verständnisprobleme formen »retten« müsste wie den Vorspann, und analog dazu gäbe es eine beim Publikum, wenn ein Film versuchte, eine längere, etwas komplexere Reihe von Paratexten, die nicht film- sondern medienspezifisch wären, wie Geschichte zu erzählen. Um Frustrationen vorzubeugen, versuchte man, beispielsweise das DVD-Menü, das zwar für den jeweiligen Film aufbereitet, den Inhalt des Films, der sich noch nicht immer allein im Film vermitteln aber in keinem anderen Kontext möglich ist. konnte, anderweitig zu kommunizieren. Einen Paratext im Film oder Kino auszumachen, ist durchaus sinn- In den USA etablierten sich dazu ab 1911 die fiction tie-ins.„„ Tie-in voll, um den Einfluss und die Genese bestimmter Elemente aufzuzeigen. bezeichnet Verbundwerbung, also alles vom Fanmagazin bis hin zum Mer- Der Haupt unterschied zum Genette‘schen Paratext des Buches besteht aber chandising und dem ausgekoppelten Popsong, mit dem sich der Konsu- nicht so sehr in der multiplen Autorschaft beim Film, sondern in der ganz mentenkreis eines Produktes noch vergrößern lässt. Fiction tie-ins sind in anders gearteten Materialität und seiner Manifestation in visuell sehr ver- Zeitungen und Zeitschriften abgedruckte Fotoromane, die die Geschichte schiedenen Medien (Kino, DVD, TV etc.).6 Zwar können trotz dieser engen der teils parallel dazu im Kino der Stadt gezeigten Filme erzählten: »Read Verbindung des Films zu den ihn bedingenden Elementen diese als Paratext it Here in the Morning; See it On the Screen Tonight!« (Singer 1993: 489). herausgestellt und untersucht werden, eine klassifikatorische Pauschalisie- Dabei stehen die Tie-ins nicht bloß im Zusammenhang mit dem Bedürfnis rung, wie man sie teilweise analog zu Genette in den Medien vorgenommen nach mehr Information, sondern speziell in der USA auch mit einer ent- 76 – 77 stehenden Fankultur, die Elemente der jeweiligen Filme bereitwillig auch in munikator der Narration verließ.ƒ Folgendes Zitat des Vi- „ »Both film makers and spectators  anderen Verbundsystemen aufgriff. So erschienen zu dieser Zeit auch die zepräsidenten von Pathé führt Singer zur Stärkung seiner may have relied on them as a key to  ersten Fanmagazine. Janet Staiger betrachtet diese fiction tie-ins daher al- These an: narrative comprehension. Recent  lein unter dem Aspekt der Filmwerbung (cf Staiger 2005: 26ff.). scholars have emphasized that, unlike  We can now, through the medium of all these newspapers, which Obgleich die fiction tie-ins noch bis in die 20er Jahre hinein üblich primitive cinema‘s heavy dependence  cover so large a portion of the more thickly settled sections of the waren, ging ihr Erscheinen Ende der 10er Jahre wieder zurück, zu einer Zeit on spectatorial foreknowledge (viewers  country, tell the story of the picture in a satisfactorily complete also, zu der man die Entwicklung des Kinos hin zum Klassischen Kino als were already familiar with skits and  form. We can do fully what the subtitles try to do: we can make abgeschlossen ansieht. Ben Singer sieht sie daher auch als ein Medium der tales early films drew upon), films after  intelligible all the happenings of the play; we can analyze cha- Übergangszeit, in der man sich noch nicht auf den Film als alleinigen Kom- around 1908 became more autonomous,  racter, explain motives — we can, if you will, amplify the action more adept at telling complete, compre­ and set forth those things which cannot be shown on the screen.9 hensible stories ›on their own‹, solely  Die einzelnen Bestandteile eines Spielfilms, so die Aussa- through images and limited intertitles.  ƒƒ Fankultur und der entstehende Vorspann ge, müssen noch zusätzlich erläutert werden, ob es sich Fiction tie­ins prompt one to re­assure  dabei um Personencharakterisierungen, Vorgeschichten Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts nötig sei, da man den Stil eines FIlms kaum anhand sei- this generalization« (Singer 1993: 499). hatte sich bei den Produktionsfirmen noch kein Be- ner Autoren erkennen könne (»Giving Credit where Cre- oder den Verlauf der Geschichte selbst handelt, spielt wusstsein dafür entwickelt, den am Film Beteiligten ei- dit is Due«, in Movie Picture World 6, No. 10 (12. März keine Rolle, es ist im Druck schneller und kostengünstiger nen Credit zuzubilligen. Der Firmenname selbst bewarb 1910): S. 369f.). In den Folgeausgaben finden sich leider „ In den USA wurden die Zwischentitel  zu tun. Die Zwischentitel ƒ waren zu diesem Zeitpunkt das (möglichst standardisierte) Produkt und kommuni- keine Leserbriefe zu der Frage, aber ein knappes halbes zunächst »leader« genannt, als »titles«  zierte die Differenz in der Werbung: »The motion-pic- Jahr später erschien die nachdrückliche Forderung, die noch nicht ausgereift genug, um diese Funktion zu über-bezeichnete man die Credits am Anfang  ture industry in 1909, like any manufacturer in twentieth- Namen der Schauspieler im Vorspann zu nennen, da sich nehmen. des Films. Unter »subtitles« verstand  century America, advertised and distributed its products das Interesse des Publikums längst nicht mehr auf das Für den europäischen Raum hat Sandberg in den by the brand« (Bowser 1994: 103). In Frankreich begann Geschehen auf der Leinwand beschränke: »Let each pic- man generell Zwischentitel. Später ver­ gedruckten Filmprogrammen eine ähnliche Funktion aus- man im Zuge des Film d‘Art, bei dem man den als billiges ture or reel be preceded by the full cast of the characters wendete man diese Bezeichnung für  Vergnügen missachteten Film aufwerten wollte, berühm- in the play, with the names of the actors and actresses machen können. In einer Untersuchung zu dänischen Dialogtitel, in Abgrenzung zu den ande­ te Theaterschauspieler für einen Auftritt in einem Histo- playing the parts. (Moving Picture World 7, No. 10 (12. Filmprogrammen konnte er feststellen, dass diese eben- rienfilm zu gewinnen und diese dann auch im Vorspann November 1910): S. 1099). ren »titles« (cf BST 2006: 442). falls um 1910 deutlich zunahmen. Die Filmprogramme zu nennen. Allmählich begann man damit ab 1909 auch Ab 1911 wurden die Namen der Stars jedoch schon so mussten an der Kinokasse gekauft werden und entsprachen in Preis und in den USA einige bekanntere Schauspieler im Vorspann gut kommuniziert, dass ganze Werbekampagnen auf ih- aufzuführen, viele Firmen taten sich damit aber noch nen aufgezogen wurde. Im selben Jahr erschienen auch Aufmachung dem jeweiligen Filmtheater, waren in den größeren Premi- schwer. Publikum und Presse forderten jedoch zuneh- die ersten Fanmagazine (cf Bowser 1994: 114). Allerdings erenhäusern also in der Herstellung aufwändiger und damit teurer. Auch mend, dass die Namen und damit auch die Schauspie- zögerte man noch, auch andere Personen aufzuführen, hier hatten die Programmhefte nicht selten die Aufgabe, den Zuschauer ler selbst bekannter wurden, sprach man bis dahin doch da man sich von ihnen keinen werbenden Wert beim Pu- immer vom Biograph-Girl (Florence Lawrence) oder dem blikum versprach. Einzig die Edison Company gab bei je- mit zusätzlichen Informationen zur Geschichte zu versorgen (cf Sandberg Vitagraph-Girl (Florence Turner). Im März 1910 fragte die dem Film eine vollständige Creditlist an (cf ebd 1994: 118). 2001: 20) und konnten wie die amerikanischen fiction tie-ins auch eine Viel- Branchenzeitung Moving Picture World ihre Leser ob sie In Deutschland forderte man im Umfeld des Auto- zahl von Bildern enthalten (cf Sandberg 2001: 11). Sandberg betont aller- es für sinnvoll erachteten, dass Drehbuchautoren einen renfilms eine stärkere Heraushebung der Namen von Re- dings, dass diese Programmhefte, die häufig besser die Zeit überdauerten Credit im Vorspann bekämen. Sie stelle dabei ein gene- gisseur, Autor und Schauspielern, um die Filme wie bei relles Interesse des Publikums nach Hintergrundwissen der Literatur unter Werksperspektive diskutieren zu kön- als die Filmkopien, nicht bedingungslos als Referenz für den Film selbst fest, war aber unsicher, ob speziell der Autoren-Credit nen (cf Elster 1913: 262). herangezogen werden dürften, da man hier oft wie auch in den fiction tie- 78 – 79 ins die günstige Gelegenheit nutzte, um die Geschichte mit zusätzlichen Abspielkontrolle im Kino Elementen anzureichern. Wie sehr diese Filmprogramme zum damals eta- Die Wandlung vom frühen zum klassischen Kino hängt für Thomas Elsaesser blierten System Kino gehörten, verdeutlichen zwei interessante Ergebnisse mit einer Verlagerung der Abspielkontrolle aus dem Bereich der Kinob esitzer in Sandbergs Untersuchung. So konnte er nachweisen, dass sie nicht selten in den der Regisseure und Produzenten zusammen (cf Elsaesser 2002a: 89). auch als Grundlage für Zensurentscheidungen dienten, da die dafür zustän- Dies geschah zwischen 1909 und 1919 eben nicht durch weitere technische digen Stellen längst nicht mehr alle zur Entscheidung vorgelegten Filme Innovationen, sondern indem bestimmte Standards und Standardisierungen sichten konnten und sich daher auf die dort wiedergegebenen Inhaltsbe- durchgesetzt wurden (cf ebd: 210).10 Elsaesser zufolge war beispielsweise die schreibungen verließen. Wo man das Gefühl hatte, dass es sich dabei um Parallelmontage eine Möglichkeit, um zu verhindern, dass Kinobesitzer die einen möglicherweise kritischen Film handeln könnte, Filme ihrem Gutdünken nach umschnitten, da das komplexe Geflecht der „ »One swings easily between fetish­ zog man anschließend das Zelluloid zurate (Sandberg Szenen nun einer ganz bestimmten Reihenfolge gehorchte, die ihre beson- isation of the programs as valuable  2001: 19), weswegen manche Programme den Inhalt des dere Dramatik nur aus dieser speziellen Anordnung heraus erhielt (cf ebd.). trace­evidence and dismissal of them  Films beispielsweise durch eine Vorgeschichte oder Cha- Eine weitere Veränderung ist die deutliche Zunahme der Zwischentitel, die  as irrelevant, extra­diegetic trash.  rakterisierung des Milieus ganz anders kontextualisieren, sich zudem auch inhaltlich und stilistisch von den einfachen Szeneüber- The best that can be done, it would seem,  als es im Film selbst dann später der Fall war. Ein wei- schriften zu wortreicheren Erklärungen und Dialogtiteln wandelten. Sowohl  is to recognize the trace for what it  teres Beispiel für den engen Verbund von Film und Pro- die Filmerzähler als auch die Programmhefte und fiction tie-ins gehen in den opens onto – not just a filmic text, but  gramm findet Sandberg in einer zeitgenössischen Kritik zur Anwendungsreife gebrachten Zwischentiteln auf. Wurde der Film vorher a complex web of past cinematic prac­ eines Films, in dem der Kritiker auf Details der Geschichte mit diesen Medien kostengünstig und effektvoll fortgeschrieben, so konnte tice. Pocket movies, understood as prac­  eingeht, die nur im gedruckten Programm, nicht aber im seine Narration nun mittels der Zwischentitel ganz vom Regisseur und Pro- t  ice instead of object, provide the re­ fertigen Film zu finden waren (cf Sandberg 2001: 12). ƒ duzenten kontrolliert werden. Anhand der Zwischentitel lässt sich zudem gut minder that notions of films have not  Vor allem Programme aus teureren Kinos enthiel- darstellen, dass sich auf diesen Plätzen, die sich zur Konstruktion filmischer always been confined to the screen«  ten neben Bildern aus dem Film und einer hochwerti- Einheit besonders eigneten, oft ganz unterschiedliche Elemente anhäuften, (Sandberg 2001: 20). gen Verarbeitung auch vom Film inspirierte Prosa (cf mittels derer sich die narrative, künstlerische und ökonomische Geschlossen- Sandberg 2001: 11). Für Sandberg zeugen diese auch von dem Bedürfnis der heit beherrschen ließ. Bereits vor 1910 finden sich die Logos der Produkti- Zuschauer/innen, vom Kinoerlebnis etwas zur Erinnerung mit nachhause onsfirmen auf den Zwischentiteln, und 1912 legte die Mo- „ Wenn der Film überwiegend im Freien  zu nehmen. Dies Bedürfnis, durch Devotionalien das Vergnügen des Films tion Picture Patents Company fest, dass in jedem Positiv spielte, wurde das Logo auch schon mal  zu verlängern und damit auch seine Immaterialität zu kompensieren, wurde eines Films, das Logo der Produktionsfirma auf dem Titel an einen Baum genagelt (cf Bowser  von der Filmindustrie früh erkannt. Seit Beginn der 10er Jahre finden sich enthalten sein musste (cf Bowser 1994: 137, siehe dort 1994: 138f.). In The Penniless Prince (1911)  verschiedene tie-ins wie von Filmen inspirierte Romane, Songs und sogar auch zu den unterschiedlichen Logos). Da diese Maßnah- steht das Logo der Independent Movie Mode (cf Staiger 2005: 35). So konnten sich diese Filme in andere Bereiche me auch nicht endgültig vor Raubkopierern schütze, ver- Production Company frei auf einer Wie­ ausdehnen und gleichzeitig demonstrieren, welche Elemente noch zum Film lagerte man die Logos mitunter auch in die Kulissen, wo se und dabei im Weg der beiden Haupt­ gehörten. Jede einzelne Plattform kann zudem den Radius noch weiter aus- es an ein bis zwei Stellen im Film im Hintergrund, meist personen, so dass die Schauspielerin ihr  dehnen, indem sie den Film wiederum mit weiteren Elementen verknüpft. auf einer Wand, angebracht wurde.ƒ Der Hahn der fran- Kleid anheben muss, um nicht daran  zösischen Produktionsfirma Pathé findet sich bereits ab hängen zu bleiben. 1904 auf den Zwischentiteln und ab 1907 in der Kulisse 80 – 81 (cf de Mourgues 1994: 178). Die Logos verschwanden aus Schminkspiegel sitzt und scheinbar plötzlich überrascht der Kamera im Bild „ Auch auf der DVD sind die Zwischen­ den Kulissen wieder um 1912, verblieben aber in den 10er des Spiegels gewahr wird; eine Aufnahme, die eine Nähe suggeriert, wie sie titel Orte, an denen sich Veränderungen  Jahren noch in den Zwischentiteln. eben aus Berichten über die Stars bekannt sein dürfte, die man in Fanmaga- einschreiben: Auf der DVD zu Das Cabinet Wie wichtig dieser Ort der Einschreibung genom- zinen und Making-ofs findet. des Dr. Caligari (Robert Wiene, D 1920)  men wurde, demonstriert besonders der Anfang von Grif- Die Vorspanne präsentieren sich damit als ein besonderer Verbin- von Hollywood Classics (2002) findet man  fith‘ Birth of a Nation (USA 1915), bei dem ein Zwischen- dungspunkt, indem sie Formen aufnehmen, die die Zuschauer erst kurz die expressionistischen handgeschriebe­ titel darauf hinweist, wie die Zwischentitel des Films zuvor bei Fanmagazinen oder Trailern selbst noch konsumiert haben. Die- nen Zwischentitel, die ein Markenzeichen  auszusehen haben und welcher Art die Akzidenzen sind, se Verbindungspunkte sind dabei jedoch mehr als die Schwellen, von de- des Films geworden sind, ausgetauscht  damit die Zuschauer wissen, dass sie es mit »dem Origi- nen Genette in seinem Buch im Bezug auf den Paratext spricht.12 Für Ge- durch simple englischsprachige in Courier  nal« zu tun haben.ƒ nette werden sie vom Leser auf den Weg in den Text passiert, wohingegen gesetzte Titel. Und auch die berühmte  Die Einführung des Tonfilms stellt in dieser Hinsicht im Film diese Schwellen häufig auch in einer Bewegung des Films selbst Einstellung, in der der Satz »Ich muss  eine weitere Kontrollmöglichkeit dar, konnte man nun nach außen zu verorten sind. Was für die Filmwissenschaft möglicherwei- Caligari werden« sich mehrfach über und  auch dem kleinsten Kino noch ein voll besetztes Orches- se ein Problem darstellt, da sich der Gegenstand nicht so einfach fixieren in das Bild einschreibt, ist erfolgreich ge­ ter auf der Tonspur bieten. Auf verschiedenen Ebenen lässt (cf Bellour 1999b), ist für den Film selbst ein großer Vorteil. Gera- tilgt worden, indem man in dieser Szene  wurden die Freiheiten der Kinobesitzer eingeschränkt, in- de aufgrund seiner Immaterialität kann er sich in viele weitere Bereiche eine so starke Ausschnittsvergrößerung  dem man ihre Möglichkeiten sukzessive in den Film selbst einschreiben und ausdehnen, indem Konzepte verwandt werden, die im vornahm, dass nur noch Caligari in der  verlagerte. So sind für Hediger die großen und opulenten Bereich des Produktdesign und des Corporate Design bekannt sind. Hier- Mitte des Bildes zu sehen ist. Natürlich  Vorspanne auch eine Reaktion auf die szenischen Prolo- bei müssen visuelle Formen gefunden werden, um ein Unternehmen oder erschließt sich sein wildes Gestikulieren  ge, die noch bis in die 40er Jahre hinein in den Kinos vor ein Produkt nach außen hin zu repräsentieren. Logos und erschrockenes zur Seite Blicken  ƒ  Diese Prologe gut 60 Jahre später:  dem Film geboten und von den Kinobetreibern als zusätz- kommunizieren nonverbale Inhalte und bieten gleich- (wenn er die Sätze liest) nun nicht mehr. Für den Film Mission Impossible II (John  liche Attraktion beworben wurden (Hediger 2003: 85f.). „ zeitig einen möglichst hohen Wiedererkennungswert  Woo, USA/D 2000) wurde eigens eine  Der Vorspann als wichtigstes Element des Copyright sollte sich ganz be- in unterschiedlichen Zusammenhängen. Für den Film Lasershow zum Titelsong von Metallica  sonders als Dreh- und Angelpunkt nach innen und außen etablieren. „„ So werden häufig die Filmtitel als solche Logos entworfen, angefertigt, die vor diesem und anderen  subsumiert er nicht nur Funktionen, die im Theater das Programmheft inne die auf eine hohe Wiedererkennbarkeit abzielen. Be- Filmen gezeigt wurde. hat und erinnert ansonsten in der typografischen Gestaltung auch an das sonders vor diesem Hintergrund ist die Wichtigkeit des Filmplakat, sondern nahm mitunter auch Formen an, die der Zuschauer mit anderen Formaten verband. So findet sich zum Beispiel die Anmoderation ƒƒ Vorspann und Copyright und das Making-of innerhalb des Vorspanns der 30er bis 50er Jahre, die Bereits am Anfang der Filmgeschichte steht das Prob- standene Copyright-Chaos wurde erst gut ein Jahr spä- lem des Copyrights. 1897 fügte Edison einem seiner Fil- ter im April 1903 geklärt, als man wieder zur ursprüngli- den Kinozuschauern unter anderem aus den zu dieser Zeit üblichen Trailer- me den Titel sowie seinen Firmennamen hinzu, um die chen Methode zurückkehrte, den Filmtitel eintragen zu formaten bekannt waren: 11 Der Vorspann zu Sacha Guitrys Le Roman d‘un Eigentumsrechte daran zu proklamieren (cf BST 2006: lassen und den Copyright-Vermerk im Vorspann zu er- Tricheur (F 1936) ist ein gesprochener Vorspann, in dem die Beteiligten mit 312). 1896 wurden die Titel meist noch als Dias gezeigt, wähnen (cf Musser 1994: 331f.). Trotz dieses Urteils ver- einer Aufnahme, die sie bei der Arbeit zeigt, humorvoll präsentiert werden. waren also noch nicht mit dem Film verknüpft. 1902 ent- kauften viele Firmen immer noch Filme von anderen, die schied ein Gericht jedoch, dass jedes einzelne Bild eines sie als ihre eigenen ausgaben. Vor allem ausländische Und der Film I Love Melvin (Don Weis, USA 1953) beginnt mit einer Aufnah- Films eingetragen werden müsste. Diese Praxis erwies Firmen, die sich keine Dépendance in den USA leisten me von Debbie Reynolds, wie sie in Vorbereitung auf ihren Auftritt vor einem sich natürlich als nicht durchführbar. Das dadurch ent- konnten, wurden so betrogen (ebd: 365). 82 – 83 Szene aus Rose O‘Salem Town Vorspanndesigners Saul Bass nicht zu unterschätzen. 13 (David W. Griffith, USA 1910). „ Das key­art­signet ist auch heute  Das Logo der American Biograph (AB in einem Kreis) Bass hat es als einer der Ersten verstanden, für den je-noch eines der zentralen Werbemittel  befindet sich in der Mitte an der hinteren Wand. weiligen Film ein Logo zu entwerfen, das sich soweit re- eines Films, selbst wenn dieser keinen  duzieren ließ, dass es auf dem Plakat, im Vorspann und klassischen Vorspann mehr aufweist,  Trailer, aber auch auf allen anderen Werbematerialien des was für die meisten Big­Budget­Filme  Studios und des Films schnell zu erkennen war. ƒ Seine gegenwärtig die Regel darstellt. Hier ist  Arbeitsweise beschreibt Bass hierbei ganz im Sinne eines es dann meist ein individuell und sehr  Designers, der sich dem Produkt unterzuordnen hat: »Ich prägnant gestalteter Titel, der Film, Pla­ versuche also, die besondere Charakteristik des Films und kat, Trailer und Merchandising verbin­ seine Weltanschauung bereits im Vorspann zu vermitteln« det, wie beispielsweise im Fall des Films  (Bass 1993: 412). Bass selbst hat immer wieder betont, 300 (Zack Snyder, USA 2006), dessen  dass der Film in den 50er Jahren nicht mit, sondern erst in »Blut« geschriebene Zahl überall als  nach dem Vorspann begann, da dieser als Signal verstan- Titel des Films erkennbar bleibt. den wurde, langsam zur Ruhe zu kommen: Since trade requirements demand these extensive credits, it seems that this usually neutral interlude should be converted into a positive introduction to the film. Normally the running of the title is a period during which the pat- rons leave their seats for popcorn, make small talk with their neighbors, or simply explore their seats for long-range comfort, and when the film itself begins, there is usually an initial ›cold‹ period. I have approached the titles Zwischentitel am Anfang von Griffith Birth of a Nation; with the objective of making them sufficiently provocative and entertaining (David W. Griffith, USA 1915), Designer: Frank E. Woods to induce the theatre inhabitants to sit down and watch, because something is really happening on the screen. It then may become possible to project a symbolic foretaste of what is to come, and to create a receptive atmosphe- re that will enable the film to begin on a higher level of audience rapport (Bass 1960, 209). Damit käme den Bass‘schen Vorspannen eine Funktion zu, die sich durchaus im Sinne Genettes als paratextu ell beschreiben ließe, wobei diese Schwelle sich für den Film in beide Richtungen überschreiten lässt: „ Bass beschreibt, dass es in den 50er Jahren durchaus gängige Praxis war, den Vorspann noch über den geschlossenen Vorhang zu projizieren: Debbie Reynolds wird im Vorspann zu I Love Melvin (Don Weis, USA 1953) von der Kamera überrascht und schreibt als Reaktion darauf den Titel des Films auf ihren Schminkspiegel. 84 – 85 Die Eingangssequenz ist weder schnell geschnitten noch ƒ Auch Genette hält als letzten Satz  When Otto learned that his The Man with the golden Arm was überfordert sie die Zuschauer mit einer zu großen Infor- seines  Buches fest: »Schwellen sind zum  opening over closed drapes he made sure that there was a note mationsflut. Die emotionale Vorbereitung des Vorspanns Überschreiten da« (Genette 2001: 391). Da  attached to every print instructing the projectionist not to run findet hier also keinen Niederschlag. Die Konvention des für ihn der Text unwandelbar ist, kann  the first reel until the curtains had been drawn back (Bass in langsamen Anfangs ist so omnipräsent, dass sie sich nicht es jedoch auch keine Bewegung nach  Kirkham 1994: 16).  durch eine neue Konzeption des Vorspanndesigns verän- außen geben, der Text bleibt fest und die  Hier wird der Vorspann im Sinne einer Abspielkon- dern lässt, weshalb es auch nur konsequent ist, dass ab Schwellen sind die Zugangswege, die zu  trolle eingesetzt. Er bündelt nicht nur die äußeren Fort- den 70er Jahren die Credits immer häufiger nicht in von ihm führen. Sein abschließendes Fazit  schreibungen des Films in seinem key-art-signet, sondern der Geschichte abgetrennten Vorspannsequenzen zu fin- beschreibt auch, dass der Paratext nicht  suggeriert genau damit eine Wichtigkeit, die es Premin- den waren, sondern über den Anfang selbst gesetzt wur- zu einem Fetisch werden sollte, da er ein  ger ermöglicht, zu erreichen, dass der Film mit dem Vor- den. Die Exposition zeigt dabei wenig Variationen, meist Hilfsmittel darstellt (cf ebd.). Indem Ge­ spann beginnt. Man darf sich durch den Mythos, der sich handelt es sich um die Ankunft des/der Protagonist/in nette aber zu Beginn seines Buches dar­ um die Vorspanne Saul Bass‘ herum aufgebaut hat, nicht am zentralen Ort des Films und damit in der Geschichte, auf hinweist, dass man von den Schwel­ täuschen lassen: Weder waren die animierten Balken aus oder es werden Handlungen in einer Ausführlichkeit ge- len nicht immer weiß, »ob man sie dem  dem Vorspann von The man with the golden Arm (Otto zeigt, wozu der Film, hat die Narration einmal an Fahrt Text zurechnen soll« (ebd: 9), vergrößert  Preminger, USA 1955) so unterhaltsam, dass man allein gewonnen, nicht mehr zurück finden wird. Und natürlich er selbst schon den Bereich des Textes. aufgrund dieser gut 80 sekündigen Sequenz von gebann- ist auch diese Art des Vorspanns, die Credits über die tem Staunen im Zuschauerraum ausgehen darf, noch Introsezene zu setzten, eine Möglichkeit, den Vorspann  Schrift in der Filmdose: Preminger war  schlägt die folgende Exposition einen Nutzen aus der näher an das, was beispielsweise der Vorführer, der den  vielleicht einer der ersten Regisseure,  dadurch aufmerksameren Rezeptionshaltung. Denn diese Vorhang öffnet, Film nennen würde.  die ihrem Film einen Brief an den Vor­ befolgt die klassischen Konventionen des Filmbeginns: in Am Intro-Vorspann zeigt sich, dass hier Paratext führer beilegte. Gebrauch machten davon  Vorspann und Plakat des Films einer ebenfalls über eine Minute dauernden Plansequenz Anatomy of a Murder (Otto Preminger, und Text nicht topografisch fein säuberlich getrennt sind, aber u. a. auch Stanley Kubrick, David  sehen wir Frankie Machine (Frank Sinatra) an dem Schau- USA 1959) von Saul Bass sondern miteinander verschmelzen. Die Credits selbst, Lynch, Michael Bay und Terrence Malick:  platz ankommen, an dem die Geschichte spielen wird. Die also die schriftlichen Zeichen im Vorspann, lassen sich http://www.filmdetail.com/2011/06/26/ Szene ist ruhig und führt in ihren Kamerabewegungen die dem Feld des Paratextes zuweisen, nicht aber die Bilder, über denen sie letters­to­projectionists­kubrick­lynch­ Zuschauer Stück für Stück in die Geschichte ein: Sie be- erscheinen, zeigen diese doch bereits die ersten Bilder der Diegese und malick­bay (letzter Zugriff: 4.1.2012, dort  ginnt mit einer Fahrt durch eine Straße, ein Bus kommt Narration. Konsequent weitergeführt bedeutet dies, dass alles jenseits der datiert: 26.6.2011). an, aus dem Frankie aussteigt: Der Protagonist wird an- bloßen Credits nicht zum Paratext gerechnet werden kann, stellt doch der geliefert. Die Kamera folgt ihm dann in einer durchgehend amerikanischen Vorspann oft im Sinne einer Ouvertüre Themen der Musik vor. Man kann Einstellung, bis sie am Ende der Sequenz auf ihn zufährt, seinem Blick durch den Vorspann unter dem Aspekt des Paratextes betrachten, um beispiels- das Fenster einer Bar folgend, das Intro mit einer enunziativen Figur been- weise zu dem Ergebnis der Abspielkontrolle in diesem Stück des Films zu det, die den Blick auf den wichtigsten Ort des Films freigibt sowie das, wo- gelangen; das ermöglicht jedoch nicht die pauschale Klassifikation dessel- rum es sich dreht, wörtlich ausschreibt: »Beer« steht in Leuchtschrift über ben als Paratext, möchte man sich nicht in unnötigen Aufspaltungen des dem Fenster, die Bar und der Alkohol als Grundstein der Rauschgiftsucht. Films ergehen, wie sie bspw. Sutcliffe in der Beantwortung der Frage, wo 86 – 87 der Film nun wirklich anfange, vornimmt (cf Sutcliffe gewonnen hat. Auch wenn die Studios davon ausgehen, 2000: 21). Sutcliffe kommt bei der Analyse von Filmanfän- dass die Konsumenten die neuesten Tonanlagen und gen zu dem Schluss, dass nicht nur der Vorspann nicht Flachbildschirme zuhause haben, ist eine Abspielkontrolle wirklich zum eigentlichen Film gezählt werden kann, hier doch nahezu unmöglich. Sie ist auch nicht so nötig, sondern auch der establishing shot kein richtiger Teil da der DVD-Markt von einem Technikdiskurs begleitet davon ist: »The establishing shot in its least interesting wird, bei dem jeder selbst dafür verantwortlich ist, die form […] is hardly even taken as part of the film itself, bestmögliche Abspielqualität herzustellen. Man muss sich which is why it is so frequently overprinted with credits selbst darüber informieren, welche DVD-Fassung eines and titles, in a way that more privileged scenes could Filmes die angemessenste ist. In zahlreichen DVD-Foren, not conceivably be« (ebd 2000: 15). Interessanterweise aber auch bei Konsumentenkritiken informieren Nutzer nimmt er die Plansequenz am Anfang des Films Touch of darüber, ob es sich bei dem Film der jeweiligen DVD-Fas- Evil (Orson Welles, USA 1958), der gar keinen Vorspann sung um die ursprünglich Länge handelt, ob das Format aufweist, von dieser Feststellung aus. Und auch Gregor richtig gewählt wurde und wie gut der Bildtransfer ist. „ Stanitzek hat aufgrund des fehlenden Vorspanns bei Die Abspielkontrolle wird auf der DVD durch eine Apocalypse Now (Francis F. Coppola, USA 1979) »das Diskurskontrolle ersetzt, da die außerfilmischen Elemente ungute Gefühl, dass der Film nicht wirklich beginnt, nicht wie Making-ofs und Kommentare auf der DVD gezielt und wirklich begonnen hat – als handle es sich um eine ein- an bestimmten Stellen zum Einsatz gebracht werden kön- zige unförmige pre-title sequence« (Stanitzek 2006: 12 nen. Neben den Kapitelmarkierungen ist das vor allem der und 2009: 48). Auf unterschiedliche Weise ist beiden Aus- Audiokommentar von Regisseuren, Autoren, Schauspie- sagen die Konvention einer Anfangsmarkierung einge- lern, Filmkritikern und -historikern, die die Aufmerksam- schrieben. Wo sie fehlt, tut man sich schwer, den Anfang keit und Interpretation einer jeden Szene steuern können. zu finden, da es sich aber um eine Konvention handelt, Die Diskurskontrolle entsteht nicht allein durch die An- kann sie nicht Teil des Films sein, es sei denn, sie hebt bindung einstmals epitextueller Elemente, sondern durch sich künstlerisch aus der Masse vergleichbarer Elemente deren direkten Bezug auf den Film selbst. Easter Eggs und Vorspann zu The Man with the Golden Eingangssequenz aus Arm (Otto Preminger, USA 1955) ab. Damit folgt Sutcliff in seiner Argumentation im Bezug The Man with the Golden Arm Fact Tracks binden Hintergründe an die jeweiligen Film- auf den establishing shot der allgemeinen Auffassung szenen an, die zum Verstehen des Films nicht zwangsläufig vom Vorspann, der in der Regel ein notwendiges Übel darstellt und nur an nötig sind. Auf der DVD zu The Matrix (Andy & Larry Wachowski, USA herausragenden Einzelfällen sein Pozential offenbare. 1999) 14 erscheinen während des Films an bestimmten Stellen Easter Eggs in Studios und Produzenten haben an einer Abspielkontrolle ein großes Form eines weißen Hasen, die beim Anwählen direkt in das Making-of füh- Interesse, da die adäquate Vorführung eines Films natürlich auch die Re- ren, wo dann der Spezialeffekt der Szene erklärt wird, den man soeben gese- zeption beeinflusst. Ein guter Film kann bei einer mangelhaften Vorführung hen hat. Fact-tracks blenden in Form von Untertiteln Trivia-Informationen ins nicht in dem Maße zur Geltung kommen, wie es ursprünglich intendiert war. Bild ein, die über Produktionshintergründe informieren oder sogar auf Fehler Auf eine andere Art, aber ähnlich erfolgreich funktioniert die Pro- hinweisen können. Auf der Collectors Edition von Jackie Brown (Quentin Ta- duktkontrolle auf den DVDs, einem Markt, der zunehmend an Wichtigkeit rantino, USA 1997) kann man diese Trivias als Spiel rezipieren (man muss sie 88 – 89 erraten und kann dadurch Punkte sammeln). Es ist auch ƒ Auch die Produktionsstudios haben ein  möglich, sich den Film anzusehen und dabei parallel die  Interesse am richtigen Abspiel: Das  betreffende Stelle des Drehbuchs zu lesen. Booklet der Collector‘s Edition des Films  Die Extras auf der DVD kommunizieren selten In- Jackie Brown (Quentin Tarantino,  formationen, die der interessierte Konsument sich nicht USA 1997) liefert auch gleich die Erklä­ schon an anderer Stelle hätte besorgen können. Wie die rung zum richtigen Abspiel: »For techni­ Bullet-Time-Effekte in Matrix erzeugt wurden, war be- cal assistance with this or any Miramax  reits zum Filmstart bekannt und trug bei der Kinoaus- DVD, visit us at video.com/support  wertung zum Erfolg mit bei. Diese Informationen stehen or call 1­800­477­2811. This film presenta­ Die Spur des weißen Kaninchens führt die Rezipienten direkt zum Making-of der gesehenen Stelle auf der DVD des nicht etwa der Logik einer Transparenzillusion entgegen, tion has been enhanced for 16x9 televisi­ Films The Matrix (Andy & Larry Wachowski, USA 1999). sondern sind Teil des Rezeptionsvergnügens. Für Bolter/ ons. If the picture appears distorted on  Grusin rührt die Befriedigung beim Sehen von Actionfil-  your television screen, your DVD player  men zum Teil auch daher, dass man sich bewusst über die  may not be set to the proper TV shape  Funktionalität der Medien ist, dass man zwischen Glau-  selection. Please refer to your DVD  ben und Wissen oszilliert (cf Bolter/Grusin 2000: 157f.). player manuel for set up instructions«  Das Vergnügen der DVD-Rezeption besteht unter ande- (DVD: Buena Vista Home Entertaine­ rem darin, diese beiden Ebenen direkt in Verbindung zu ment, ohne Jahresangabe). setzen, die augenscheinliche Einheit des Films gezielt aufbrechen zu können. Gleichzeitig können die Studios dieses Bedürfnis dahingehend ausnutzen, gezielt zu kontrollieren, welche Informationen über den Film in Umlauf gebracht werden sollen. Die Geschichte des Films im Kino sowie auf der DVD ist auch eine der zunehmenden Ausschließung Screenplay Viewer und Trivia Game auf der Bonus-DVD des Films Jackie Brown (Quentin Tarantino, USA 1997). externer Vermittlungsangebote – vom Filmerzähler bis hin zur Filmkritik. Im Bezug auf die Massenmedien hat Niklas Luhmann dabei von einer Schlie- und Making-ofs bestimmt das Studio, welche Informationen im Zusammen- ßung des Systems gesprochen, »das auf Vermittlung durch Interaktionen hang mit dem Film kommuniziert werden sollen; Fandiskurse, Fehlersuchen, unter Anwesenden nicht mehr angewiesen ist« (Luhmann 1996: 34). Diese Triviasites etc. werden so schon gleich mit in die Distribution des Textes ein- Schließung beinhaltet nicht nur die Abspielkontrolle des Films, sondern in gebunden: »Unterhaltung heißt eben: keinen Anlass suchen und finden, auf zunehmendem Maße auch die Diskurskontrolle über das Produkt. Der Pa- Kommunikation durch Kommunikation zu antworten« (Luhmann 1996: 107). ratext als beweglicher Kommunikator des Textes stellt daher ein wichtiges Die Schwellen, die die Paratexte ursprünglich markierten, werden ebenfalls unter Kontrolle zu bringendes Instrument dar. Für Luhmann muss- in das System hineinkopiert. Der Paratext ist nicht mehr länger bloß ein te bei unterhaltenden massenmedialen Produkten der Autor hinter den Text Kommunikator des Textes, indem er am Text die Rezeption steuert, sondern zurücktreten, da sonst die Aufmerksamkeit vom Kommunikat auf den Kom- agiert von innen heraus. Dabei geht es nicht bloß darum, Lektüren des Tex- munikator abgelenkt würde. Gerade damit funktioniert jedoch die Schlie- tes zu erleichtern, sondern auch, Diskurse über den Text zu kontrollieren. ßung des Systems auf der DVD. Durch die Autorenkommentare, Fact Tracks Der Genette‘sche »Paratext ist eine Übergangszone zwischen Text und Au- 90 – 91 ßer-Text« (Genette 2001: 388), eine Möglichkeit also, die für die Öffnung Paratextuelles Key-Art-Signet in Jurassic Park des Textes verantwortlich ist, wohingegen der Paratext des Films auch für (Steven Spielberg, USA 1993) eine Schließung des Systems genutzt werden kann. Vom System Film können die so genannten Paratexte ebenso wenig ausgeschlossen werden wie vom System Buch. Eine rigorose Unterscheidung von Film und »nicht-ganz-Film« funktioniert hier aber entschieden weniger als solch eine Unterscheidung für die Literatur gelten mag. In welch engem Verhältnis jedoch Film und das, was man allgemein vielleicht mit Werbung umschreiben könnte, steht, zeigen Untersuchungen von Blockbuster- und High-Concept-Filmen.15 Bevor diese Filme gedreht werden, stehen hier schon Überlegungen zur Vermarktung im Vordergrund, die die Produktion und sein Aussehen maßgeblich beeinflussen: »der Film muss Szenen ent- halten, die im Trailer gut ausschauen etc.« (Hediger 2004: 288). Obwohl der Paratext dann als solcher im Film nicht mehr zu erkennen ist, behält er doch seine Funktion bei, weswegen man hier von einem impliziten Paratext spre- chen könnte. Besonders kritisch hat das Marli Dschen im Bezug auf Jurassic Park (Steven Spielberg, USA 1993) formuliert, dessen Marketing-Kampagne sich auf das key-art-signet des Films konzentrierte, mit dem sich dann vor allem auch das Merchandising verkaufen ließ: Wer glaubt, ›Jurassic Park‹ sei ein Film, der irrt. ›Jurassic Park‹ ist ein mer- chandising property, dessen milliardenschwere Vermarktung als Auslöser le- diglich eines Kinoereignisses bedurfte. […] ein Werbespot von zwei Stunden Länge zwecks Produkt-Promotion. (Dschen 1995: 250). Bei Jurassic Park handelt es sich zudem um einen integrierten Paratext, das heißt, dieser wird als solcher im Film ausgestellt. Einmal ist das der Name und das Logos, des Parks, die beide identisch sind mit Titel und Logo des Films; der Film hat somit nicht nur im Vorspann, sondern quasi an jeder beliebigen Stelle die Möglichkeit hat, für sich selbst zu werben. Das ist besonders wichtig, wenn es wie im Fall von Jurassic Park vor allem auch um den Verkauf von Merchandising. Diese Verbindung wird im Film selbst sogar thematisiert: An einer Stelle schwenkt die Kamera durch eine Verkaufshalle des Parks und fährt dabei die Souvenirs ab, die es auch für den Film zu kaufen gibt. diegetisches Key-Art-Signet (Mitte), diegetisches Merchandising (unten) 92 – 93 Neben dieser im Film tendenziell möglichen Verkehrung der Hierarchie von man diese Überlegung noch weiter führt. Dann nämlich würde der »Text« Text und Paratext gibt es einen weiteren Punkt, der die Übernahme des des Films auch davon unberührt bleiben, ob man ihn sich auf einem s/w– Genette‘schen Konzepts erschwert. Text und Paratext sind bei Genette aus oder Farbfernsehgerät ansehe, was in der Folge auch die Farbe im Film als dem gleichen Material (Schrift), was zum einen zu dem bereits themati- Paratext klassifizieren würde. sierten Problem führt, dass man es beim Film hierbei mit unterschiedlichen Der Paratext des Films ist selten so klar isolierbar wie es Genette für Materialitäten zu tun hat, zum andern aber auch zur Annahme verleitet, das Buch gezeigt hat, das entsprechende Element ist fast immer eng mit dass im Film die Schrift paratextuell sei. Auch Alexander Böhnke erkennt in dem Film verknüpft und meist auch nur partiell unter bestimmten Aspekten seiner Untersuchung zum Paratext des Films die Gefahr dieser verkürzten als Paratext klassifizierbar. Selbst anhand so standardisierter Konventionen Argumentation, versucht sie aber durch den Umkehrschluss zu entkräften, wie den Untertiteln lässt sich zeigen, wie fließend die Übergänge sind. dass es auch nicht-schriftliche Paratexte gäbe, wie beispielsweise gespro- chene Vor– und Abspanne (cf Böhnke 2004: 200). Durch die aufrecht er- Untertitel haltene Trennung zwischen Text und Paratext kommt Böhnke in der Folge Der Untertitel stellt ein besonderes Feld für die Schrift im Film dar, unter- zu dem Ergebnis, dass, wenn die Schrift filmisch, das Bild auch ein Paratext liegt er doch streng auf die Lesbarkeit hin ausgerichteten Regeln. Alle Ver- sein kann (ebd.), was ihm erlaubt, die Kadrierung, den Rahmen des Films änderungen und Innovationen dienen dabei dem Ziel, das im Film Gesagte als auch das Filmmaterial selbst auf seine paratextuellen Eigenschaften hin so transparent wie möglich in eine andere Sprache zu übersetzen, damit für zu untersuchen beziehungsweise als solches zu deklarieren: »Das Filmma- die Zuschauer kein Nachteil im Vergleich zur Synchronfassung entstehe. terial ist auf jeden Fall ein Paratext im Sinne Genettes. Denn dem Film- Untertitelungsversuche konnten im Stummfilm nicht die Zwischentitel material entspricht bei Genette der typographische Satz des Textes. […] ablösen. Die ersten Filme, die Untertitel verwendet waren die nach Comic- Ebenso macht es einen Unterschied, welches Format das Filmmaterial hat« Strips entstandenen »Mutt-and-Jeff-Komödien« um 1911. Die Dialogtitel wur- (Böhnke 2007: 28). Doch sowohl die Wahl des Filmmaterials als auch die den dabei unten ins Bild kopiert. Dieses Verfahren wurde als »talking picture« Entscheidung über das Bildformat sowie natürlich jede einzelne Kadrierung beworben, es konnte sich aber nicht durchsetzen (cf Bowser 1994: 144).16 sind Teil des Bildes selbst. Die Bezeichnung des Filmmaterials als Paratext Hatte man im Stummfilm die Zwischentitel leicht durch fremdsprachige Titel impliziert im Umkehrschluss, dass man den gleichen Film im Kino wie auch austauschen können, entstand mit dem Tonfilm ein bis dahin nicht gekann- auf dem heimischen Fernseher sehen kann, es sich dabei eben nur um eine tes Problem mit ausländischen Sprachversionen. Bis in die 30er Jahre hinein andere Ausgabe handelt. Bei einem Buch ändert sich die materielle Erschei- verwandte man hauptsächlich drei Praxen zur Übersetzung fremdsprachiger nungsform, wenn man es von einer fest gebundenen Erstausgabe in ein Tonfilme: die Nachsynchronisation, die Produktion von Mehrsprachversionen Taschenbuch überträgt, es ändert sich nach Genette aber nicht der Text, und die Untertitelung. In Deutschland setzte sich die Synchronisation erst die Buchstaben stehen immer noch in der gleichen Reihenfolge da, und da 1933 durch (cf Müller 2003: 299). In einem Ratgeber von 1933 geht Adrian diese ein arbiträres Referenzsystem bilden, bedeuten sie auch das gleiche, Brunel zudem noch von einer Koexistenz von Stumm- und Tonfilmen aus, rät unabhängig davon, in welcher Schriftart sie gedruckt werden. Der Film ver- aber Stummfilmproduzenten dazu, statt der Zwischentitel Untertitel zu ver- weist nicht arbiträr, es gibt im Film keinen Text, der unterschiedslos sich in wenden: »The principal objections to silent films used to be the interruption verschiedenen Ausgaben oder medialen Erscheinungsformen manifestieren of the pictures in the middle of a scene in order to insert a spoken title. I kann; Film ist Film einschließlich des Mediums, in dem er erscheint. Die would strongly recommend the very serious consideration of the superim- Folgen der analogen Übertragungen des Paratextmodells zeigt sich, wenn posed spoken title by all makers of silent films« (Brunel 1933: 116). Zwar war 94 – 95 die Untertitelung technisch möglich, bezüglich der Form wurde aber noch Aus der Sicht verschiedener Untertitler ist es daher auch nicht nötig, dass die viel ausprobiert. Teilweise wurden Tonfilme auch mit Zwischentiteln vorge- Untertitel eine wortwörtliche Übersetzung des Gesagten darstellen, da die führt, die die Informationen mehrerer Minuten Handlung vorweg nahmen Zuschauer Bild und Ton zum Verständnis hinzu ziehen (cf Nikolić 2009: 152). oder nachlieferten – mitunter wurden die so übersetzten Tonfilme anschlie- Das Funktionieren der Untertitel hängt stark von ßend auch wieder stumm vorgeführt (cf Müller 2003: 293f). Da man es vom den Konventionen und Sehgewohnheiten ab, die Ver- „ Nicht übersetzende Untertitel gibt  Stummfilm noch gewohnt war, nicht jedes Wort des offensichtlich gespro- wendung nicht übersetzender Untertitel im Film bleibt  es beispielsweise in Annie Hall  chenen Dialogs auch lesen zu können, ging man anfänglich auch bei den selten. Inschriften, die Informationen zu Ort und Zeit ge- (Woody Allen, USA 1977). In Vivre sa Untertiteln nicht davon aus, eine wörtliche Übersetzung liefern zu müssen. ben, gelten in dieser Hinsicht nicht als Untertitel, da sie vie (Jean-Luc Godard, F 1962) umar­ Durchschnittlich wurde nur ein Drittel aller Textzeilen in Untertitel übersetzt als eine Weiterentwicklung der Zwischentitel anzusehen men sich die Pro ta gonisten, während  (cf Nornes 1999: 24). Außerdem platzierte man die Untertitel teilweise auch sind, die das Bild mit nicht eingeschriebenen Informati- aus dem Off Musik kommt. Ihr Dialog  im Bild, um eine bessere Zuordnung zu den jeweiligen Sprechern zu gewähr- onen ergänzen. In einigen Beispielen geben die Unterti- wird in den Untertiteln fortgesetzt,  leisten oder vergrößerte sie, um Schreien zu visualisieren (cf ebd: 23ff.). Dass tel die Gedanken der im Bild befindlichen Protagonisten allerdings ohne dass sie im Bild ihre  sich die Untertitelung letztendlich in vielen Ländern nicht durchsetzte, mag wieder, was man entweder dadurch merkt, dass die Un- Lippen bewegen würden. Und in Une an demselben Grund liegen, der auch ihren Erfolg im Stummfilm verhinderte: tertitel erscheinen, obwohl gerade niemand spricht oder Femme mariée (Jean-Luc Godard, F  dass Bild-Schriftmischungen die Zuschauer zu sehr störten. Zumindest ist sie aber das Gegenteilige von dem aussagen, was der 1964) sitzt die Hauptdarstellerin Char­ das einer der Kritikpunkte Arnheims an dieser Praxis: oder die Betreffende eben gesagt hat. ƒ Außerdem han- lotte (Macha Méril) in einem Café und  delt es sich in diesen Fällen sowohl beim Dialog als auch Schließlich gibt es Übersetzungsmethoden. Von ihnen verfälscht das Auf- versucht ein Gespräch zweier Mädchen  den Untertiteln um dieselbe Landessprache. kopieren von Titeln in der Landessprache das Original am wenigsten. Da- zu belauschen, die sich über ihre ersten  Aufgrund der stabilen Konvention in diesem Be- für wird aber durch die hässlichen Inschriften die Bildwirkung zerstört, die sexuellen Erfahrungen austauschen. In  reich gehen einige Komödien spielerisch mit Untertiteln Aufmerksamkeit des Zuschauers missgeleitet und zumeist auch — wegen der Einstellung befinden sich die beiden  um. So stolpert der Protagonist (Emilio Estevez) in Loa- des geringen Raumes — der Text unerträglich vergröbert und versimpelt Mädchen vorne im Bild, dahinter in der  ded Weapon 1 (Gene Quintano, USA 1993) über Unterti- (Arnheim 2004 [1934]: 235). Mitte sitzt Charlotte. Da das Gespräch  tel, die zuvor eindeutig extradiegetisch waren. Und auch durch die umgebenden Geräusche nur  Ungeachtet auch der oft wenig zielführenden Diskussion über Sinn und Un- Chev Chelios (Jason Statham) guckt sich in Crank (Mark in Fetzen verständlich ist, verdeutlichen  sinn von Untertiteln und den speziellen Übersetzungsproblemen17, bieten Neveldine, Brian Taylor, UK/USA 2006) verwirrt einen die Untertitel, die visuell auf Charlotte  Untertitel die Möglichkeit, im Film zugleich die fremde Sprache und die Über- Untertitel an, der vor ihm stehen bleibt, so dass man ihn platziert sind, was sie von dem Gespräch setzung hierzu rezipieren zu können. Für Sinha stellen die Untertitel daher ein im Gegenschuss auch noch seitenverkehrt sieht. aufschnappt. Die Unter titel haben  so­ Phänomen dar, das sich zugleich innerhalb und außerhalb des Films befindet: In zwei seiner neueren Filme, Domino (F/USA mit eine doppelt kommunizierende  2005) und besonders Man on Fire (USA/UK 2004) hat For us, subtitling does not simply signify replacing the audio with an »in- Funktion: Zum einen helfen sie dem Zu­ Tony Scott die Untertitel als grafischen Mehrwert ein- visible« text. It is a phenomenon that is both internal and external, on the schauer beim Verfolgen des Gesprächs,  gefügt. In beiden Filmen müssen die Sätze spanisch borderline between image and voice — an addition, the third dimension, to gleichzeitig zeigen sie aber auch an, was  sprechender Personen übersetzt werden. Die Untertitel the film itself. The subtitles come from outside to make sense of the inside, Charlotte davon versteht und warum sie  erscheinen in sich verändernder Größe mit unterschiedli- but their own genealogy, in relation to the audiovisual mode, is, if anything, sich so dafür interessiert. chem Schriftstil, wobei sie kaum stillstehen, sondern sich spurious (Sinha 2004: 173). 96 – 97 unablässig bewegen (sich vergrößern oder von rechts nach links laufen), in unterschiedlicher typografischer Gestaltung erscheinen und teilweise ins Bild integriert sind, so dass sie von diegetischen Gegenständen verdeckt werden, selten erscheinen die Untertitel dabei an derselben Stelle im Bild. Dass Scott die Untertitel als kompositorisches Mittel einsetzt und die In- formationsvermittlung nur ein vordergründiges Argument ist, zeigt auch die Tatsache, dass, wenn die Untertitel durch die fremdsprachigen Dialo- ge einmal eingeführt sind, sie ebenfalls auch englischsprachige Passagen, Emilio Estevez stolpert über Untertitel in Loaded Untertitel in Man on Fire (Tony Scott, USA/UK 2004), die nicht übersetzt werden müssten, im selben Wortlaut wiedergeben, also Weapon 1 (Gene Quintano, USA 1993). durch eine Person im Bild verdeckt. ohne weiteren Informationswert doppeln. Sie passen sich damit ein in die von Scott eingesetzten unterschiedlichen Stilmittel wie extremer Farb- bearbeitung, Zeitlupen und -raffern, plötzlichen kurz eingeschnittenen Rückblenden, konstanter Musikuntermalung und bewegter Kamera sowie schnelle Wechsel von Großaufnahmen und anderen Einstellungen. (Auf der deutschen DVD (Paramount 2005) findet das Spiel mit den Untertiteln allerdings nicht statt. Dort sind sie in der üblichen Form (weiß, Grotesk) auf dem schwarzen Rand des Fernsehbildes eingefügt, Passagen, in denen nicht spanisch gesprochen wird, werden nicht untertitelt.) Die Untertitel verweilen nicht mehr diskret am unteren Rand des Bil- Extradiegetischer Untertitel wird diegetisch in Crank (Mark Neveldine, Brian Taylor, UK/USA 2006) des, sondern gliedern sich in die Ästhetik des Films mit ein. Das fordert auch Abé Mark Nornes, Untertiteler einiger japanischer Filme ins Amerikanische. Seiner Ansicht nach suggeriert die Untertitelung ein Verstehen einer Fremd- sprache, indem sie transparent bleibt und die oft drastischen Verkürzungen rather than converting everything into easily consumable meaning, the ab- und Veränderungen des Originaltextes verschleiert (cf Nornes 1999: 18).18 usive subtitles always direct spectators back to the original text« (ebd: 32). Nornes schlägt einen absichtlichen Missbrauch der Untertitel vor (»The Abu- Nornes sieht seine Argumentation dabei nicht als Übertrag der Apparatus- sive Turn« ebd: 28), der Probleme der Übersetzung nicht um-, sondern offen Theorie, der es um die Offenlegung impliziter Ideologie ging, auf den Bereich angeht (cf ebd.). Nicht rein linguistische Probleme stehen für ihn dabei im der Untertitel, sondern präsentiert seine Überlegungen dezidiert als das Er- Vordergrund, sondern auch eine adäquate visuelle Umsetzung, indem sich gebnis einer kritischen Analyse der Geschichte der Untertitel (cf ebd: 24).„„ 19 die Untertitel nicht mehr den zeitlichen, räumlichen und grafischen Gege- Jenseits von Übersetzung und Ästhetik bieten Untertitel auch narrati- benheiten anpassen (cf ebd: 30): »but a truly abusive subtitling would have ve Möglichkeiten, wie sie beispielsweise Eric Khoo in Be with Me (Singapur been as wild as the original film« (ebd: 31). Das Ergebnis wäre Nornes zufolge 2005) demonstriert. Der Film besteht aus drei lose miteinander verwobe- nicht ein »eins plus eins«, sondern ein betontes Konfrontieren des Zuschauers nen Episoden, die allesamt um das Thema Liebe und Einsamkeit kreisen. mit dem Originaltext: »Rather than smothering the film under regulations of Er ist recht dialogarm, zeigt aber viel Text auf Bildschirmen und Schreibma- the corrupt subtitle, rather than smoothing the rough edges of foreignness, schinen. Die Nationalsprache Malaiisch sowie das Kantonesische im Film, 98 – 99 aber auch die englischen Passagen sowie der meist in Englisch geschrie- neu lesen und sprechen zu lernen. Immer wieder bis zum Ende des Films bene (Bildschirm-)Text werden untertitelt. Da Englisch offizielle Amtsspra- werden diese autobiografischen Untertitel eingeblendet, ohne das Chan che ist, schreiben die Protagonisten meist auf Englisch, was zum besseren selbst dabei im Bild anwesend sein muss. Der Entscheidung, diese Informati- Verständnis untertitelt wird, da es sich häufig um Texte mit Spezialabkür- onen über die Untertitel zu kommunizieren, mag zum einen die Überlegung zungen handelt (SMS) oder die Schrift auf der Schreibmaschine im Schrei- zugrunde liegen, dass Chans Sprache, obwohl sie englisch spricht, aufgrund ben Wort für Wort abgefilmt wird. Auch englischsprachige Telefonansagen ihrer Taubheit nur schwer zu verstehen ist. Im Film werden ihre gesprochenen werden untertitelt, so dass im Grunde jedes geschriebene oder gesprochene Sätze daher auch englisch untertitelt. Gleichzeitig geht von der Szene aber Wort des Films auch untertitelt wird, unabhängig davon, in welcher Sprache auch eine große Ruhe aus. Die Kombination von alltäglicher Verrichtung und gerade kommuniziert wird. Im Mittelpunkt der zentralen Episode des Films biografischem Hintergrund, der in der ersten Person Singular erzählt wird, steht die taubblinde Theresa Chan, deren autobiografische Geschichte sie baut so eine starke Beziehung zwischen Zuschauern und der portraitierten ungefähr ab der Mitte des Films zu erzählen beginnt. In der Sequenz kann Frau auf. Wären die anderen Passagen des Films nicht un- ƒ Blindenschrift im Film: Der Kurzfilm  man Theresa Chan beim Verrichten alltäglicher Tätigkeiten beobachten, tertitelt, sondern nur die autobiografische Sequenz Chans, Wiedersehen (Stephan Hilpert, D 2004)  beim Kochen oder beim Lesen von Brailleschrift. „ Diese ist sehr ruhig ge- der beschriebene Effekt würde sich möglicherweise nicht erzählt die Geschichte einer blinden Frau  halten, meist ist Chan alleine im Bild, es wird kaum geredet. Allerdings lau- in der Intensität einstellen, da man dann mit den plötz- und der Beziehung zu ihrem Zivildienst­ fen die Untertitel im Bild weiter, ohne dass Chan den Text im Off sprechen lich einsetzenden Untertiteln in stärkerem Maß auf die- leistenden. Der Vorspann und Teile des  würde. Die Untertitel haben keine akkustische Entsprechung auf der Ton- ses Ausdrucksmittel hingewiesen würde. Die Untertitel Abspanns sind sowohl in Braille als auch  spur, sie unterschieden sich dabei visuell und stilistisch nicht von den vor- sind hier kein Zusatz, kein Verweis auf die Fremdheit der lateinischen Buchstaben geschrieben  hergegangenen, weshalb zuerst nicht unbedingt auffällt, dass sie sich nicht gesprochenen Sprache und die Unmöglichkeit des Films, (der Abspann wird zudem noch als Audi­ auf etwas Gesagtes beziehen. Die Untertitel erzählen aus der Perspektive Gedanken der Protagonisten abzubilden, sondern sind das odeskription gesprochen). Im Vorspann  Chans ihre Biografie, wie sie als Kind erst taub wurde und dann erblindete Ergebnis einer künstlerischen Entscheidung im Bezug auf zu Daredevil (Mark Steven Johnson, USA  und wie sie die Leute traf, die ihr halfen, trotzdem zurechtzukommen und die spezielle Konzeption des Films. 2003; Vorspann: Karin Fong) wird eine  Auf eine ähnliche Weise setzt Amar Kanwars die Großstadt bei Nacht gezeigt. Einige der  Untertitel in seiner Videoinstallation The Lightning Tes- ƒƒ Sous­titres d‘auteur: Navajo beleuchteten Fenster erstrahlen heller,  timonies ein, die auf der Documenta 12 zu sehen war. Die In Film socialisme hat Godard ein Untertitelkonzept an- tards sincere« übersetzt. Natürlich ist das aber auch ein während der Hintergrund ausblendet.  Installation zeigt auf mehreren Leinwänden Videos, in de- gewandt, dass zu Nornes Thesen passt. Ein Kapitel des Versuch, die Transparenz der Untertitelung beziehungs- Die weißen Punkte bleiben kurz stehen  Films spielt auf einem Kreuzfahrtschiff (der 2012 gesun- weise Synchronisierung zu thematisieren, was er schon nen die Geschichten von sexuell unterdrückten und ge- und sehen aus wie Brailleschrift, bevor  kenen Costa Concordia), auf dem verschiedenste Spra- in Le Mépris (F/I 1963) probiert hat, indem er dort die folterten Frauen im Grenzgebiet von Indien und Pakistan chen gesprochen werden. Die Dialoge werden entweder Übersetzerin und nicht die Untertitel zwischen Italie- die Punkte dann die Namen der Haupt­ um und nach 1947 erzählt werden. Verbunden werden die gar nicht oder nur bruchstückhaft übersetzt. Diese Art nisch, Deutsch, Französisch und Englisch übersetzen darsteller und schließlich den Titel des  der Untertitelung bezeichnet Godard als »Navajo-Unter- lassen wollte. Und es passt auch zu den neueren Filmen Videos durch die Tonspur atmosphärischer Geräusche, die Films formen. Das soll an die Blindheit  titel« (selbst auf der französischen DVD, wo als Sprache Godards, indem es nicht mehr darum geht, etwas zu er- abwechselnd zu einem der Videos gehören könnte, aber des Superhelden des Films erinnern. Das  bei den optional wählbaren Untertiteln »Navajo« steht). klären, sondern verschiedene Bruchstücke, Eigenes und unverbindlich bleibt. Die Frauen sprechen in den Videos Godard bezieht sich dabei auf das Englisch, das die In- Zitate, nebeneinander zu präsentieren und miteinander Plakat zu Dancer in the Dark (Lars von  nicht, ihre Geschichten werden in Form von Untertiteln dianer in den alten Western gesprochen haben. So wird zu verweben, ohne für den Zusammenhalt auch die Lö- Trier, D/NL 2000) weist im Hintergrund  der Satz »Mais aujourd‘hui, ce qui a changé, c‘est que sung anbieten zu wollen. (Zu den Untertiteln in Film so- erzählt. Auch hier steht zunächst der pragmatische Nut-ebenfalls Braille auf. les salauds sont sincères« in den Untertiteln »todaybas- cialisme siehe auch Bréan 2011). zen dieser Entscheidung im Vordergrund, da der Blick der 100 – 101 Zuschauer somit nicht durch einen andernfalls nötigen textkommunizieren- Erzählung, Darstellung).« (Souriau 1997 [1951]: 144) Souriau unterteilt den Synchronton gelenkt wird. Gleichzeitig befreien die nicht übersetzen- für den Film verschiedene Ebenen: die afilmische Wirklichkeit, die unab- den Untertitel aber auch das dort zu Lesende von einer zu engen Bindung hängig des Films existiert; die profilmische Wirklichkeit, die Inszenierung an die Frauen im Bild, womit die Aussagen allgemeiner bleiben, das Leid vor der Kamera; die filmografische Wirklichkeit, die die auf dem Film- aber trotzdem ein Bild bekommt. streifen bezeichnet, beispielsweise die Montage; und die filmophanische Die Beispiele zeigen zweierlei: Einerseits demonstrieren sie eine Vari- Wirklichkeit, jene, die sich während und durch die Projektion im Kino er- anz im Einsatz der Untertitel, aufgrund derer man sie, egal ob diegetisch im eignet. »Diegetisch ist alles, was man als vom Film dargestellt betrachtet Bild, ins Bild integriert oder darüber geblendet, nicht pauschal aus dem »In- und was zur Wirklichkeit, die er in seiner Bedeutung voraussetzt, gehört« neren« des Films wird ausschließen können. Das gilt auch für die überset- (ebd: 151; Hervh. i. O.).21 Das Verständnis des Diegetischen realisiert sich da- zenden Untertitel, wie das Beispiel Be With Me gezeigt hat. In all den hier bei in einem mentalen Akt (cf ebd: 153), das Erschaffen der diegetischen aufgeführten Filmen funktioniert das filmische Ausdrucksmittel Untertitel Welt entsteht durch die Arbeit der Rezipienten, da jeder für sich und auf- jedoch aufgrund der starken und starren Konventionen, die mit ihm verbun- grund seiner Seherfahrung entscheiden muss, welche Elemente zu der er- den sind. Anordnung und Funktion der Untertitel sind zumindest zu Beginn zählten Welt gehören und welche zur medialen Vermittlung derselben, wie der jeweiligen Filme so gehalten, dass man sie mit dem, was man gemeinhin die Filmmusik, die die Charaktere im Regelfall nicht wahrnehmen. Souri- als Untertitel zu kennen glaubt, in Verbindung bringt. Und erst aufgrund aus Konzept ist zwar eher deskriptiv dafür aber auch sehr offen angelegt, dieser Grundannahme können sie ihr narratives und/ oder künstlerisches was sich unter anderem daran zeigt, dass es keine Negativ-Form wie das Potenzial entfalten. In gewisser Weise benötigen sie, um im »Inneren« des Extradiegetische in seiner Aufzählung gibt (cf Fuxjäger 2007: 24). Und Films wirken zu können, die Möglichkeiten, die sie gemeinhin haben, wenn Souriau hat den Begriff der Diegese als fünfte Kategorie seines filmischen sie von »außen« kommen. Um den Gegensatz zu Nornes dabei klarer he- Universum eingeführt, zwischen der filmophanischen Wirklichkeit und den rauszustellen: diese Untertitel funktionieren als Erweiterung nur in ihrem spektatoriellen Tatsachen, die die subjektive Wahrnehmung der Zuschauer diskreten Erscheinen. beschreiben, also weniger das Verfolgen der Narration, sondern das Empfin- Dass die Untertitel gemeinhin aus dem System des Films ausgeschlos- den dabei. In der Filmwissenschaft hingegen hat es sich inzwischen vieler- sen werden, hängt auch damit zusammen, dass man normalerweise keine orts durchgesetzt, ausschließlich in der Dichotomie von diegetisch und non- Verbindung von Untertitel und Bild herstellt, dass sie nicht im Zusammen- diegetisch (oder extradiegetisch) zu sprechen, wodurch auf Besonderheiten hang mit der Diegese stehen. Der Begriff der Diegese ist eng mit der Schrift spezieller filmischer Konstruktionen, wenn beispielsweise eine Musikquelle im Film verknüpft. Sowohl das Konzept des Paratextes als auch das der Di- vom Off ins On übergeht, gezielt aufmerksam gemacht werden kann (cf egese im Film errichten im Bezug auf die Schrift im Film ein System, bei Bordwell/Thompson 2010: 284ff). Allerdings ergeben sich dadurch eine dem die Schrift in den meisten Fällen außen steht. Aber auch bezüglich der Reihe weiterer Probleme, vor allem im Hinblick auf die Schrift im Film. Diegese lässt sich der Begriff trotz klarer Definitionen nicht immer trenn- Der Begriff bezeichnet inzwischen allgemein die erzählte Welt aus der scharf verwenden. 20 Perspektive der Figuren (cf Kessler 2007, Fuxjäger 2007: 24f). Die ver- Etienne Souriau führte den Begriff der Diegese ein, um apparative schiedenen Elemente müssen dabei weder im Film zu sehen noch zu hören Merkmale von den im Film dargestellten zu unterscheiden: »Der erstge- sein, sie müssen nicht mal Teil der Erzählung sein, es genügt, wenn man sie nannte ist der ›leinwandliche‹ [écranique] Raum. Den anderen nenne wir als Vorbedingung der Geschichte annimmt (cf Wulff 2007: 46). Der die- ›diegetisch‹ [diégètique] (abgeleitet vom griechischen Diegese: Bericht, getische Prozess kann somit auch bereits vor der eigentlichen Filmrezep- 102 – 103 Folgt man dem Konzept der Diegese, das die Elemente im Film danach klas- sifiziert, ob sie von den Figuren im Film wahrgenommen werden, hat man es mit einer starken Konzentration auf das Visuelle zu tun – auch wenn es um das Akustische geht. Musik ist nur als diegetisch zu bezeichnen, wenn sie eine Entsprechung in der Szenerie hat, sie zu sehen ist oder die Cha- raktere sichtbar darauf reagieren. Im Gegensatz zu den Untertiteln werden die synchronisierten Dialoge kaum als extradiegetisch bezeichnet, obwohl man hier davon ausgehen kann, dass Bruce Willis gar nicht so perfekt Lesen in Be With Me  deutsch sprechen kann und schon gar nicht genau die gleiche Stimme wie (Eric Khoo, Singapur 2005) Kurt Russel hat (Synchronsprecher in beiden Fällen ist Manfred Lehmann). Die Synchronstimme hat ihre Entsprechung im Bild, ist aber nur zu hören tion beginnen (cf Hartmann 2007: 58). Wie die Welt in Lord of the Rings (ist transparent) und von daher als diegetisch zu bezeichnen, obwohl sie (Peter Jackson, NEW/USA 2001) funktioniert, weiß man auch, ohne dass ganz offensichtlich nicht aus der erzählten Welt kommt. 22 Untertitel haben es einem erklärt wird, man hat davon unter Umständen bereits vor dem ebenfalls ihre Entsprechung im Bild, sind aber zu sehen, weswegen sie als Filmstart eine Ahnung. Das Problem sind aber nicht unbedingt die Elemen- extradiegetisch kategorisiert werden. Das Problem bei dem reduzierten, all- te, die man nicht sieht oder hört und trotzdem rezipiert, sondern jene, die gemein gebräuchlichen Konzept ist, dass es um ein Ausschließen bestimm- sehr wohl visuell auftauchen, aber trotzdem nicht zur Diegese gehören. ter Elemente, um ein Abgrenzen von Innen und Außen geht. Was ist aber So wird die Schrift im Film häufig als extradiegetisch bezeichnet (cf Metz mit den Untertiteln aus Be With Me, die die Funktion einer Off-Stimme 1997: 131, Garncarz 2002: 37, Brinckmann 2007: 72). Das scheint zunächst übernehmen (und nicht übersetzen!), deren Enunziator gleichzeitig im Bild plausibel, denn die Credits haben mit der erzählten Welt kaum etwas zu zu sehen ist? Nach Metz ist solch eine Off-Stimme als diegetisch zu be- tun, und in den Zwischentiteln oder Ortsangaben »wendet sich der Film an zeichnen, denn diese ist es nur, wenn man auch den dazugehörigen Körper den Zuschauer« (Metz 1997: 131) und zwar direkt und nicht durch die Form innerhalb der erzählten Welt sieht (cf Metz 1997: 123). Man könnte die Un- der Geschichte. Komödien wie Loaded Weapon beziehen einen Großteil ihres tertitel als extradiegetisch charakterisieren, möchte man diese Schrift von Humors aus der spielerischen Vermischung dieser Ebenen. So kann der von durch Personen im Bild geschriebener Schrift unterscheiden. Da die Schrift Whoopi Goldberg dargestellte Charakter die über das Bild geblendete Uhrzeit im Film ein visuelles Medium ist, ist man geneigt, Schrift generell als extra- lesen, eine Information, die sich normalerweise nur an die Zuschauer richtet. diegetisch zu bezeichnen, sofern sie nicht offensichtlich ins Bild integriert Auch die Untertitel müsste man als extradiegetisch bezeichnen, da sie nach- ist. Aber sowohl eine erweiterte Konzeption von Schrift im Film, die unter träglich über das Bild geblendet wurden und allein für das Publikum gedacht ästhetischen Kriterien und narrativen Aspekten funktioniert, muss auf sol- sind. Da sie durch die Dialoge gesteuert werden, unterliegen sie inhaltlich, che einfachen dichotomischen Unterscheidungen verzichten. Das bedeu- und auch was den Rhythmus angeht, diegetischen Elementen. Es zeigt sich, tet nicht, dass die Kategorien Paratext und Diegese überflüssig sind, zur dass vom Visuellen ausgehend, die Untertitel als extradiegetisch zu bezeich- Beschreibung und formalen Untersuchung eignen sie sich durchaus, genau nen wären, sie aber – anders als beispielsweise die Schrift im Vorspann – eng wie auch die eingangs getroffene Unterscheidung der Schrift im Film in or- mit den diegtischen Elementen in Beziehung stehen. namentale und textinhaltliche Bereiche. Aber mit diesen Kategorisierungen kann nur produktiv gearbeitet werden, wenn pauschale Klassifizierungen 104 – 105 unterbleiben und sie eben nicht benutzt werden, um bestimmte Elemente sogleich wieder an der anderen geschlossen. Obwohl Fuxjäger die Kategorie aus verschiedenen Bereichen auszuschließen. explizit an den schriftlichen Informationen im Film festmacht, führt er wie- Anton Fuxjäger hat in seinem Aufsatz zur Diegese vorgeschlagen, ne- der ein Ausschlusskriterium ein, das die Visualität der Schrift betrifft und ben der Dichotomie diegetisch-extradiegetisch noch eine dritte Gruppierung wieder nach Gesichtspunkten beurteilt, die allgemein mit dem Begriff des einzuführen, die speziell auch schirftliche Titel betrifft, die Informationen Filmischen beschrieben werden könnten. Die Untertitel in Be With Me erfül- über die erzählte Welt liefern (cf Fuxjäger 2007: 25). Diese Kategorie ist len die Voraussetzungen, um diegetisch genannt zu werden: sie entspringen notwendig, weil man es im Kino generell nicht mit Elementen aus der er- der erzählten Welt; die Figur, von der sie ausgehen, ist im Bild zu sehen zählten Welt zu tun hat, sondern nur mit Zeichen, »die auf die Diegese ver- und es gibt keine andere Informationsquelle wie beim bloß übersetzenden weisen« (ebd: 27). Allerdings koppelt Fuxjäger diese Erweiterung mit dem Untertitel, die die Aufgabe der Vermittlung übernehmen könnte. Im Grunde Begriff der Mimesis ein, das heißt, es gehören nur solche Elemente dazu, die ist der Begriff der Diegese nur unzureichend dazu geeignet, um das Filmbild ihre Informationen auf nachahmende Art und Weise vermitteln, die »große (und dazu gehören auch die Titel) zu beschreiben, da sie »im Denken des Ähnlichkeit mit Kernaspekten der Vorstellung von der erzählten Welt, die in Zuschauers rekonstruiert wird« (Souriau 1997: 144). Und sie eignet sich noch unseren Köpfen erzeugt werden soll« (ebd: 28f), hat. Ein über das Bild ge- weniger, wenn es dabei um Schrift im Film geht, vor allem, wenn durch die blendeter Titel, der das Schreiben eines Briefes simuliert, wäre demnach als digitalen Techniken die Schrift inzwischen so in die Szenerie eingefügt wer- diegetisches Element zu klassifizieren, nicht aber der gleichlautende Titel in den kann, dass sie Faktoren wie Licht und Materialität der zu sehenden Welt Druckbuchstaben. Die Öffnung des Konzepts an der einen Stelle wird also perfekt nachahmt. Denn dann wäre der Grund für die Differenz allein ein gestalterischer – und die Basis der Argumentation hätte sich seit der Diskus- sion um die Zwischentitel nicht sehr viel weiter entwickelt. The Pillow Book (F/K/NL/LUX 1996) 106 – 107 2.2 Zwischentitel im Arm im Park gesehen. Während des Telefonats werden die beiden in kleinen Kreisblenden links und rechts vom Bild gezeigt, unter ihnen befindet sich Stummfilm eine gemalte Kulisse der Stadt. Das Gespräch wird in Form animierter Dia- logtitel wiedergegeben, die sich vom Sprecher zum Empfänger wellenartig fortbewegen. Die Animationen wurden dabei sehr detailliert ausgeführt. So Die Zwischentitel sind ein Element, das zuerst im Einflussbereich der Vorfüh- purzeln die Buchstaben jeweils am Beginn immer noch etwas durcheinan- rer und Theaterbesitzer lag, sukzessive ihrer Kontrolle entzogen und durch der und sind erst gut lesbar, wenn sie ungefähr die Bildmitte erreicht ha- die Gestaltung und den konzeptionellen Einsatz mit den Bildern des Films ben. Diese Bearbeitung ist nicht zwingend inhaltlich nötig, sondern stellt verbunden wurde. Die ersten Filmkopien wiesen meist weder Titel noch Zwi- einen unterhaltenden Mehrwert da, wenn z. B. die Bindestriche den Wör- schentitel auf. Mögliche Filmtitel wurden als Dia an die Wand projiziert (cf tern nacheilen, um sich am Schluss noch schnell zwischen die betreffenden Musser 1994: 181). In den USA erscheinen Zwischentitel Barry Salt zufolge ab Silben zu schieben, oder wenn das »o« von »Hello« ebenfalls zu spät hinter- 1901 in Form von Szenenüberschriften, die den Ort der Handlung benannten, herrollt. Mit dieser Methode konnte auch der Sprachgestus visualisiert wer- Personen einführten oder über Tageszeiten informierten (cf Salt 1992: 59). den. So wird die zögerliche Ausrede, der Mann habe seiner Frau doch schon In den meisten Fällen dürfte es sich dabei um Titel handeln, die einzelne einmal von seiner Schwester erzählt, schroff von der Entgegnung »You did Plansequenzen miteinander verbanden. Bei längeren Filmen um die 300 Fuß not« unterbrochen. Dieser Satz bewegt sich deutlich schneller und geradli- (über vier Minuten bei 18 B/s) verkaufte man mitunter die jeweiligen Planse- niger als der des Mannes, beide Sätze treffen dann aufeinander, wobei der quenzen einzeln, die die Aussteller dann durch selbst hergestellte Zwischen- Satz der Frau unbeirrt seinen Weg fortsetzt und der des Mannes in die Ein- titel verbinden mussten (cf Musser 1994: 342). Um 1903 gingen die Produk- zelbuchstaben aufgesplittert und unleserlich wird. 23 tionsfirmen in den USA dazu über, die Zwischentitel auch selbst abzufilmen Solch ambitionierte Titel-Verfahren blieben selten, aber mit der Herstel- und so in den Film zu integrieren (cf ebd: 439). Ab 1905 lassen sich animier- lung der Titel durch die Filmproduktionsfirmen wurden diese insgesamt op- te Zwischentitel finden (cf ebd: 393) und auch Kartons mit Illustrationen (cf tisch aufgewertet, was den Ausstellern und Theaterbesitzern bei der Eigenpro- ebd: 486) sowie kolorierte Zwischentitel. Die Produktionsfirma »Kalem Films« duktion der Titel nicht in dem Umfang möglich war. Dies wurde auch nötig, da war bekannt für ihre elaborierten Zwischentitel und wies auch 1907 in Werbe- die Zwischentitel schnell ein gerne genutztes Mittel waren, um die Geschich- anzeigen auf die »Cartoon Titles« hin (ebd: 487). Bereits in How it feels to be run over (Cecil Hepworth, USA 1900), in dem die Kamera (und mit ihr die Zuschauer) von einem heranfahren- den Auto überrollt werden, finden sich am Schluss, nach dem Zusammen- stoß, handgeschriebene Titel, die den überraschten Ausruf des Überfahrenen verbalisieren: »!!! ! oh! mother will be pleased«. Die Wörter erscheinen jeweils nur für ein Bild und wurden ver- mutlich direkt auf das Material aufgetragen. In College Chums (Edwin S. Porter, J. Searle Dawley, USA 1907) wird ein Telefon- gespräch zwischen einem Mann und seiner wütenden Ehefrau gezeigt. Die Frau hatte ihn zuvor mit einer anderen Frau am 108 – 109 weiligen Produktion. Ratgeber von 1911 und 1912 befürch- „ Auch Hermann Häfker riet von in die  ten Kontinuitätsbrüche durch Dialogtitel, die in eine Sze- Szene geschnittenen Titeln ab: »Wor­ ne eingeschnitten werden, und heben den zusätzlichen te dürfen auf keinen Fall die Gebärde  Suspense hervor, der durch die vorausgehenden Titel ent- stören, weder als ›Erläuterungen‹ noch  stünde (cf Bordwell 2006: 184f.). ƒ als ›Dialog‹. Zwischen Worten und Bild­ Trotz des Wunsches nach Illusion und Kontinuität gebärden ist so wenig Übergang wie  mittels Zwischentitel zu Beginn der 10er Jahre27 ist so- zwischen Naturmilieu und Mimik oder  wohl in den USA als auch in Deutschland von 1913 bis 1916 Wirklichkeit und ›Traum‹ im Kinobilde.  eine kurze Abkehr vom Zwischentitel zu beobachten. In Sollen Worte mitwirken, so müssen sie  Deutschland hängt die Ablehnung der Titel mit der be- zwischen die Bilder verlegt werden. [Da­ reits erwähnten Filmdebatte zusammen, bei der man dem mit meint Häfker, dass die Titel zwischen  Film vorwarf, dass er nicht über die Möglichkeit des Wor- den Szenen erscheinen sollen. Als »Bild«  Zwischentitel-Produktion um 1907. tes verfüge, dieser andererseits aber auch keine Schrift bezeichnet Häfker eine Szene, mitunter  Die Zwischentitel wurden mit beweglichen verwenden solle. Die Ablehnung der Schrift im Film steht Lettern auf einer schwarzen Unterlage auch einen Film., FK] Vielleicht kann  dabei auch häufig im Zusammenhang mit einer ange- gesetzt, auch die Akzidenzien waren be- man auch wagen, einzelne Motive nach  wegliche Teile. Dies wurde von oben abfo- strebten Reinheit  des bewegten Bildes. Sie richtete sich tografiert, die Unterlage hatte eine Größe Art lebender Bilder durch erläuternde  aber auch gegen das Sprechen generell, unabhängig, ob von gut einem Quadratmeter. Verse begleiten zu lassen, doch kann  das im Zwischentitel ausbuchstabiert würde oder nicht, das nur zur Verdeckung minderwertigen  te zu erzählen (cf ebd: 454). Ab 1908 lassen sich Quellen der amerikanischen da das Sprechen von der pantomimischen Leistung der Spiels geschehen« (Häfker 1913b: 47) Industrie finden, die einen verständnisfördernden Einsatz von Zwischentiteln Stummfilmschauspieler ablenke: fordern: »at every place on film wherein an explanation is necessary«.24 Vie-  »Außer dem Titel und dem Personen­ Der Verzicht auf das gesprochene Wort erhöht die Kraft der le europäische Firmen, die auf den Exportmarkt der USA angewiesen waren, verzeichnis, sowie den Ueberschriften  Mimik. Das ist ein Vorteil. Es ward von jeher viel zuviel ge- versuchten jedoch auch weiterhin, mit möglichst wenigen Zwischentiteln aus- I. II. III. IV. V. darf in diesem Film kein  sprochen auf der Bühne, und nicht genug gehandelt. […] zukommen (cf Musser 1994: 489). Auch die Praxis, Informationen über diege- geschriebenes, resp. gedrucktes Wort  Eine Mimik wird heranwachsen unterm Zwang des Kinos, tische Inserts zu vermitteln, wurde als weitere Möglichkeit genutzt, um den erscheinen, da meiner festen Überzeu­ die auch aufs geschriebene Wort verzichtet. Wo heute noch Zwischentitel noch stärker in die Szenerien einzubinden.25 gung nach nur die auf solche Weise  das eingeschobene Briefschriftstück auf der Leinwand nötig Zwischentitel, die Dialoge wiedergaben, erschienen vermehrt um 1910 gewahrte relative Reinheit der Form  ist, hat der Schauspieler schlecht gespielt. Briefe müssen auf (cf Salt 1992: 108) 26, und nahmen in der Folge immer weiter zu (cf Musser neuere Versuche auf dem Gebiete des  der Stirne stehen. Dazu kommt noch ein anderes Gutes. Das 1990: 184). Vor allem zwischen 1914 und 1917 wurden erklärende Titel (Titel, Kinostückes auf ein in literarischer  Publikum muss denken lernen, um die Mimik gut zu deuten die bspw. Angaben zu Ort und Zeit enthalten) zunehmend durch Dialog- Nähe gelegenes Niveau emporzuhe­ (Müller 1912: 34).28 titel ersetzt (cf ebd: 188). Um 1915 wurden diese dann innerhalb einer Szene ben vermag« (Arthur Schnitzler 1913,  gezeigt. Die zuvor ebenfalls gebräuchliche Praxis, Dialogtitel auch als Er- Ob Befürwortung oder Gegnerschaft der Zwischentitel, zit. nach Greve/Pehle/Westhoff  öffnung einer Szene zu zeigen, ist dabei nicht als Kennzeichen mangelnder selten finden sich Argumente, die dem Titel mehr als 1976: 148). Erfahrung anzusehen, sondern ist Ursache eines alternativen Ziels der je- den Status eines bloßen Hilfsmittels zuerkennen. „ Dif- 110 – 111 ferenzierter äußert sich der Filmkritiker Alexander Elster. bewusst auf die Erweiterung des Bildes durch die Titel ƒ Die Zwischentitel wurden mitunter  „ »Watch any movie audience and you  Er verband die Forderung nach titellosen Filmen mit der bauten. Bei den Komödien setzte man auf einen witzigen auch als willkommene Ablenkung vom  will notice that after a good subtitle  Notwendigkeit geeigneter Sujets, erkennend, dass sich Mehrwert dieser Titel. Auch deswegen ist in den USA ab Bild betrachtet. Herrmann Häfker war  every one sits up and looks eagerly at  nicht jeder Stoff wortlos verfilmen ließe: 1916 auch ein deutliches Ansteigen des Titel-Gebrauchs zu 1913 der Meinung, dass das Schauen ei­ the screen; for a good subtitle has the  beobachten (cf BST 2006: 183ff.). Anita Loos steht dabei nes Filmes die Zuschauer sehr an­ Daraus ergibt sich nun wiederum zweierlei: 1. Das Kinodrama ist effect of clarifying action that is past  in besonderem Maße für pointiert formulierte Zwischenti- strenge, so dass »Augen und Hirn vor  wie die Pantomime etwas Unvollkommenes, weil die einfachste and at the same time throwing forward  tel, die sich großer Beliebtheit erfreuten. ƒ Diese oft iro- dem Kinob  ilde bald erlahmen«  Ausdrucksweise, der Ausdruck durch das Wort, möglichst um- the mind of the audience to the next  nischen und unterhaltsamen Titel sind hochgradig selbst- (Häfker 1913b: 52) und Titel zwischen  gangen und ausgeschaltet werden muss; 2. aus der Not macht scene, without giving it away before­ bezüglich und schaffen humorvolle Szenen, ohne dass in den Szenen oder Filmen eine Ruhe­ man eine Tugend, wenn man für die Kinostücke Gegenstände hand« (Anita Loos und John Emerson  diesen unbedingt etwas Witziges passieren müsste. Die pause darstellten. Das Argument zur  wählt, bei denen die agierenden Menschen nicht zu reden brau- in der New York Times, 29.2.1920, zit.  kommentierende Form und das Adressieren des Publi- Entspannung der Augen wird noch 1926  chen oder gar nicht reden können (Elster 1914: 264). nach Hüser 2009: 90).  kums führen dabei zum Gefühl einer gewissen Überlegen- beispielsweise von Epstein angeführt:  Elster folgert interessanterweise daraus, dass Zwischenti- heit der Zuschauer dem Film gegenüber. In der Komödie Why Change your »le sous­titre est avant tout un repos  tel vor allem dann einen Gewinn für den Film darstellen, Wife (Cecil B. DeMille, USA 1920) beispielsweise gibt es folgenden Zwischen- pour l‘œil, une ponctuation pour  wenn sie eben nicht in der Funktion des Hilfsmittels, son- titel, als Gloria Swanson ihren Ex-Mann zufällig im Zug wiedertrifft: »If this l‘esprit« (Epstein 1974 [1926]: 148). dern eigenständig eingesetzt werden: were fiction the train would be wrecked or they would have a terrible auto- mobile accident on leaving the station. But in real life, if it isn‘t a woman, Das Eine sind die erklärenden Worte, als Überschriften, Inhaltsangaben, it‘s generally a brick or a banana peel that changes a man‘s destiny.« In der vorbereitende Worte, … Je mehr solcher Worte ein Kinostück braucht, um folgenden Szene rutscht er dann auch prompt auf einer Bananenschale aus. so schlechter in künstlerischem Sinne ist es allerdings. Ganz anders geartet Diese kommentierenden Zwischentitel haben ihren Ursprung im sind die Worte, die neue dichterische Gedanken außerhalb des Gesehenen Filme rzähler, die eben genau zu dieser Zeit (um 1915) spätestens vollstän- vermitteln sollen, die irgendeine feine poetische oder psychologische Bemer- dig verschwunden sind; mit den Zwischentiteln waren die Filme auch dort kung, eine Paraphrase oder Worte des Dialogs in künstlerischer Formgebung verständlich, wo eben kein Filmerzähler dem Kino zur Verfügung stand (cf bringen (ebd; Hervh. i. O.). Bowser 1990: 140).29 Thomas Elsaesser sieht den Filmerzähler als Beispiel Dass die Zwischentitel eine die Handlung im Sinne eines Kommentars ergän- für eine Heterogenität des Frühen Kinos um 1902 30, in dem noch nicht der zende Funktion haben könnten, war eine seltene Forderung, und sie passte Wunsch vorherrschte, im Illusionismus zu versinken (cf Elsaesser 2002: 261). auch nicht zu der sonst verbreiteteren Auffassung, dass der Film allein aus Und auch André Gauderault weist dem Filmerzähler eine Rolle zu, die den dem bewegten Geschehen zu bestehen habe, bei dem jede Ergänzung einen Eigenarten des Frühen Kinos geschuldet sei: Dieses befände sich zwischen Verlust der angestrebten künstlerischen Reinheit bedeutete. Doch genau Laterna-Magica und Theater: »[T]he need for a narrator began to be felt diese Art der Zwischentitel wurde ab 1916 in amerikanischen Komödien po- when films became longer and more complex« (Gauderault 1997: 277; pulär. Zwar handelt es sich dabei nicht um die von Elster angeführten »fei- Hervh. i. O.). Mit der Perfektionierung des narrator systems auf dem Weg nen poetischen« Titel, sondern eher um Titel, die das Geschehen von einer zum klassischen Kino verschwanden die Filmerzähler wieder, so Gauderault, externen Position aus für die Zuschauer kommentieren, gemeinsam mit den da die Filme aus sich selbst heraus verständlich erschienen (cf ebd: 279). von Elster vorgeschlagenen Konzepten ist ihnen aber, dass die Filmemacher Diese Lesweise scheint mir zu verkürzt, da Gauderault den Filmerzähler al- 112 – 113 lein als Erklärer definiert. Der Filmerzähler kam zwar vor allem vor 1910 zum aus. Gegen Ende der Stummfilmära ist es keine Seltenheit mehr, nur noch Einsatz und verschwand in der Übergangsphase zum Klassischen Kino all- Dialogtitel zu nutzen. Ab 1921 ist zu beobachten, dass der Anfang eines mählich, unter anderem da die Produzenten auf die oben Films mehr erklärende Titel enthält als der Rest des Films. Man versuchte „ In Deutschland war der Filmerzähler  beschriebenen Printmedien setzten, die sie zudem leichter verstärkt, Informationen über Dialoge zu vermitteln (cf BST 2006: 28). Dies um 1913 zumindest noch nicht ganz aus  kontrollieren konnten.ƒ Aber neben der rein vermitteln- zeigt auch, dass man sich inzwischen an sprechende, aber tonlos bleibende der Mode gekommen. Häfker plädiert  den Funktion hatte der Filmerzähler oft auch die Rolle Münder gewöhnt hatte.31 noch für einen Erklärer, der zwischen  inne, das Programm zu moderieren und anzukündigen. Er Mit dieser Entwicklung geht auch ein sich verän- den einzelnen Filmen die notwendigen  wies auf die speziellen technischen Innovationen hin und dertes Erscheinungsbild der Zwischentitel einher. Auf den Informationen und Zusammenhänge  sorgte außerdem dafür, dass die Sensationen und Beson- Titeln der 10er Jahre befinden sich mehrere Informatio- liefert (Häfker 1913b: 53). derheiten nicht zu schnell und unbemerkt am Publikum nen wie Titelnummerierungen, der Vermerk des Filmtitels vorbeizogen. Einige Berichte zeigen auch, dass der Filmerzähler zudem ei- und der Produktionsfirma sowie verschiedene Arten von nen oftmals nicht unerheblichen Anteil am Unterhaltungswert der gezeigten Akzidenzen, die die Zwischentitel bis in die 20er Jahre hi- Filme hatte. So waren Filmerzähler häufig stadtbekannte Komiker, die im je- nein teilweise stark überluden. weiligen Dialekt die Filme dem Ort und der Zeit anpass- Wurden Dialogtitel in den 10er Jahren noch häufig „ In Deutschland hatte das Verschwin­ ten, wenn diese älter waren. Bis in die 10er Jahre hinein Dialogtitel mit Akzidenzen und Copy- in Anführungszeichen und ebenfalls in das Layout der üb- den der Filmerzähler noch ganz andere  bildeten Filmerzähler und Filme zusammen das Spektakel, rightvermerken aus Blind Husbands rigen Titel gesetzt, begann man in den USA mit der Zu- Gründe als das Verlagern seiner Funkti­ (Erich von Stroheim, USA 1919) für das das Publikum bezahlte. So ist auch Häfkers Aussa- nahme der Dialogtitel gegen Ende der 10er Jahre, diese onen in die narrative Konstruktion der  ge zum Humor im Kino zu verstehen: »Guter Kinohumor vermehrt schmucklos, weiß auf schwarz zu setzen.ƒ Die Filme. Konrad Lange berichtet 1920 von  „ Ab den 20er Jahren werden Dialog­Titel  wird überhaupt nicht eher eine Statt finden [sic], als bis quantitativ weniger vorhandenen erklärenden und kom- einer Wiedereinführung der Erzähler, die  meist nur noch individuell gestaltet, wenn  die übliche Programmgestaltung Raum und Aufnahmefä- mentierenden Titel wiesen dafür mitunter eine speziell für die Filme mit einer derartigen Derbheit  dadurch ein optophonetischer Mehrwert  higkeit für ihn überlässt« (Häfker 1913b: 49).ƒ den Film angefertigte Hintergrundillustration aus, die ne- kommentierten, dass für das neue Licht­ kommuniziert werden kann, beispiels­ Genauso wenig, wie der Filmerzähler rein zum ben der schriftlichen Information ihre eigene Geschichte spielgesetz beantragt wurde, die Zensur  weise große Buchstaben = Schreien. Siehe  Schließen kausaler Lücken da war, hatten die Zwischenti- erzählen konnte. In Why Change Your Wife? gibt es vier solle nicht nur Bild und Titel prüfen,  hierzu auch Harms: »Aufnahmen von  tel bloß narrative Funktion: Sie kommentieren die Hand- verschiedene Titelgestaltungen für die drei unterschied- sondern auch »den verbindenden Text in  Titeln, deren Schrift von der Normalgröße  lung, erzeugen so zusätzliche Komik und adressieren lichen Kategorien. Die Dialogtitel bleiben einfach lesbar Wort und Schrift« (Lange 1920: 354). Die  und ­stärke der Schriftzüge unvermittelt  mitunter direkt das Publikum. Neben diesen kommentie- weiß auf schwarz, die erklärenden Titel sind durch kleine Kinoreformer wendeten sich vehement  anwächst und sich dehnt, bis sie schließ­ renden Titeln, die wie in einem Roman eine Erzählinstanz Illustrationen an den Rändern verziert, es sei denn, sie zei- gegen die neuerlich aufkommenden Er­ lich (oder bis das einzelne besonders be­ zu Wort kommen lassen – für Bordwell kommen sie direkt gen sehr viel Text, dann sind auch sie weiß auf schwarz zähler bei Filmdramen und erreichten ein  deutungsvolle Wort) die ganze Fläche der  aus der Narration selbst (cf Bordwell 1997: 160) – kenn- gehalten. Die kommentierenden Titel zeigen ebenfalls Il- Verbot durch die Zensurbestimmung, da  weißen Wand einnimmt und lautlos zu  zeichnet eine Reihe von Veränderungen der Zwischentitel lustrationen, im Unterschied zu den erklärenden Titeln, die Stärke der Erklärer in der Improvisa­ schreien scheint, das sind Gebiete, die nur  das klassische Kino in der zweiten Hälfte der 10er Jahre. bilden diese teilweise aber in den Motiven eine Kontinu- tion lag, diese jedoch durch einen abzu­ dem Film als Sonderkunst eigen sind und  Zwischen 1917 und 1921 waren bis zu einem Drittel aller ität, indem diese auf verschiedenen Titeln wieder auftau- gebenden Text hätte genehmigt werden  die er ausnutzen muss, weil er es kann«  Zwischentitel erklärende Titel, nach 1921 machen die er- chen und sich dabei verändern. Zudem ist der Bezug vom müssen (cf ebd: 369f). (Harms 1970 [1926]: 116). klärenden Titel nur noch weniger als ein Fünftel aller Titel Text zu den Illustrationen nicht immer so eindeutig wie bei 114 – 115 den erklärenden Titeln. Dieselbe Anstrengung, die unter- im Vorspann genannt werden konnten. Diese besondere   Die Produktionsfirma Triangle un­ nommen werden muss, um den kommentierenden Titel auf Bildlichkeit der Zwischentitel erleichtert auch den Lese- terhielt eine Abteilung, in der die art  die Geschichte zu beziehen, muss zum Interpretieren der prozess. Die Gestaltung des Titels kündigt schon vor dem titles, aber auch die Bilder, die an den  Illustration angewendet werden. Als der Protagonist (Tho- Lesen selbst an, ob es sich um einen Dialog oder Kom- Wänden der Kulisse hingen, gezeichnet  mas Meighan) nach der Scheidung von seiner Frau (Gloria mentar handelt. Das Erkennen gründet sich weniger auf wurden (cf BST 2006: 187). Swanson) und der Hochzeit mit einem Model (Bebe Da- eine einheitliche Konvention als vielmehr auf das Erken- niels) zusammen mit diesem in seinem Haus gezeigt wird, nen von Differenzen und die Semantisierung derselben. „ Ein ins Bild integrierter animierter  Erklärender Titel in Why Change Your kündigt ein Titel bereits von den ersten Problemen, die Viele der erklärenden und kommentierenden Ti-Zwischentitel findet sich in Flesh and the Wife (Cecil B. De Mille, USA 1920) diese Ehe mit sich bringen wird: »Two who already reg- tel, für die Illustrationen angefertigt wurden, sind für Devil (Clarence Brown, USA 1926). Als  ret Robert‘s marriage«, dazu werden eine Katze und ein das reine Verständnis des Films selbst gar nicht nötig der Protagonist Leo (John Gilbert) von  Hund abgebildet. In der nächsten Einstellung sieht man, und demonstrieren eine gewisse Lust am Erzählprozess seiner Strafversetzung aus Afrika früher  wie der Hund die Katze der neuen Bewohnerin durch das selbst. Zudem waren diese hochwertigeren Titel teurer nach Deutschland zurückkommen darf,  Haus jagt. Durch die Illustration wird die Aufmerksamkeit in der Herstellung  als einfache Zwischentitel. Da man macht er sich gleich freudig und erwar­ des Zuschauers schon vor Beginn der Szene auf die beiden von Produktionshinweisen auf jedem Titel wieder abge- tungsvoll zu seiner Geliebten auf. Zu den  Tiere gelenkt, und die Formulierung des Titels kündigt dies kommen war, ist die aufwändigere Titelgestaltung also Bildern seiner Reise wird immer wieder  bereits als schlechtes Omen für den weiteren Verlauf der nicht ein direktes Herausstellen der Marke, sondern ein das Gesicht von Felicitas (Greta Garbo)  Ehe an. Ein anderes Konzept, das in dem Film ebenfalls zur Aufwerten des Produktes selbst auf einer weiteren Ebe- eingeblendet, an die er dabei denkt, die  Anwendung gelangt, ist, die Titel mittels der Illustration ne. Wie ein aufwändiges Programmheft oder Plakat oder somit Ziel und Motivation seiner Heim­ zu verbinden. Verschiedene kommentierende Titel kündi- verschwenderische Dekors und Kostüme stellen differen- reise ist. Jedes rhythmische Geräusch,  gen immer wieder in ernsthafter Form von Gefahr, die auf zierte Zwischentitelillustrationen ein weiteres Alleinstel- das seine verschiedenen Fortbewe­ die Protagonisten lauere. Damit dieser spezielle Strang in lungsmerkmal dar, das den Film von günstigeren Kon- gungsmittel dabei von sich geben, ist für  den Titeln auch gleich erkannt wird, selbst wenn davor und kurrenten unterscheidet. Auch Zwischentitelanimationen ihn der Klang des Namens »Felicitas«.  danach die Titel von anderen Inhalten erzählen, werden beeindrucken aufgrund der tricktechnischen Bewegung Das wird visualisiert, indem der Name  sie durch eine Figur verbunden, die durch ihren dunklen zusätzlich zu dem optophonetischen ƒ und/ oder drama- »Felicitas« über die Großaufnahmen der  und langen Umhang als eine Ankündigung von schwerem turgischen Mehrwert, den sie kommunizieren. Interessant geräuschevozierenden Quellen gelegt  Schicksal interpretiert werden kann. Dabei verändert sie in dieser Hinsicht ist Murnaus Sunrise (USA 1927). Die Ti- wird: über die schnell galoppierenden  auch jedes mal ihre Position, so dass die Wiedererkennung tel sind vom Vorspann über die Zwischentitel bis hin zum Hufe, den Schiffsdiesel und die Eisen­ nicht bloß über ein einfaches gleichbleibendes Symbol Ende-Signet allesamt mit der gleichen Schrift gestaltet, bahnräder. Dabei wird er unterschiedlich  läuft und somit ästhetisch reizvoller ist. einfache, handgezeichnete Buchstaben, denen man häu- rhythmisch animiert, damit er stärker  Der Versuch, die Zwischentitel nicht allein durch fig noch die Pinselspuren ansieht. Große Teile des Films an das jeweilige Geräusch assoziiert: Er  richtige Platzierung, Rhythmus und Formulierung, son- kommen beinahe ohne Titel aus, aber wenn sie erschei- erscheint in vier Silben sehr rhythmisch  dern auch durch verschiedene Gestaltungsstrategien nen, gliedern sie sich in die Spezialeffekte des Films, die Kommentierende Titel mit durchgehen- beim Pferdegetrappel, oder fließend  der Variation eines Zwischentitel-Motivs dramaturgisch einzubauen, war die Arbeit spezieller Ti- Überblendungen, Doppelbelichtungen und Rückprojektio-durch Wischblende bei der Eisenbahn. in Why Change Your Wife teldesigner/innen, die ab 1920 auch mit einem Credit nen, ein. Oft überblenden sie in das folgende Bild, sie sind 116 – 117 leicht animiert oder in der Schriftgröße unterschiedlich gestaltetet, so dass nicht wegen der verwendeten Zwischentitel, sondern weil sie visuell Abwechslung bieten. Der Film erzählt die Geschichte von der Frau die Narration dieser Praxis angepasst wurde.32 Die Figu- aus der Stadt, die den unerfahrenen Bauern vom Land verführt und ihn dazu ren werden nacheinander vorgestellt, wenn es sich um überredet, seine Frau zu ertränken. Bei der Ausführung des Plans kommt das Familienmitglieder handelt bei einem Essen, zu dem sie Ehepaar sich allerdings wieder näher. Als das City Girl dem einer nach dem anderen eintreffen oder bei der Arbeit, „ »When dialogue titles came to be always  Mann nachts am See ihren Plan erzählt, werden die Nebel- bei der sich die Personen über den Weg laufen. Der Film cut into a scene just after a character starts  schwaden und die Wolken in die Titel integriert, langsam Miss Lulu Bett (William C. de Mille, USA 1921) beginnt mit speaking, and then left with a cut to the  ziehen sie zwischen den Zeilen dahin und transportieren dem Mittagessen einer wohlhabenden Familie. In den character just before they finish speaking,  so die Stimmung aus dem Bild in die Titel und vermindern »Couldn‘t she get drowned?« Animierter ersten fünf Minuten kommen so sieben Figuren zusam- then one has something that was nearly  den möglichen Bruch beim Medienwechsel. Die Frage der Zwischentitel in Sunrise (F. W. Murnau, men, die allesamt mit einem erklärenden Titel und ihrem the same as a sound film« (Salt 1992: 108).  USA 1927) von Katherine Hilliker und Nebenbuhlerin »Couldn‘t she get drowned?« wird langsam H. H. Caldwell, die im Vorspann für die Schauspieler- sowie Rollennamen eingeführt werden.33 Bereits 1915 erklärte der Regisseur Emmett  nach unten eingesaugt, suggeriert dadurch zum einen das Titel einen Credit bekamen. Personen, die erst später in der Handlung auftauchen, Campbell Hill aufgrund der Experimente  Eintauchen eines Körpers ins Wasser, aber zugleich auch bekommen ebenfalls solch einen einführenden Zwischen- mit Dialogtiteln: »We have undertaken to  „ In dem chinesischen Klassiker Xiao die Ungeheuerlichkeit dieses Vorschlags. titel vorangestellt. Diese besondere Eröffnungsform ist visually approximate sound effects.« (zit.  cheng zhi chun (Spring in a small town,  Auch wenn die Gestaltung solcher Titel inhaltlich dabei nicht nur eine spezielle Form der Zwischentitel, nach BST 2006: 188). Auch die Praxis, dass  Mu Fei, China 1948) findet sich auch  sinnvoll ist, fallen sie aber gerade durch diesen unge- sondern kann auch als ein für einige Jahre üblicher Ti- die Schauspieler im Film etwas ganz ande­ noch diese Praxis: Hier wird der Name  wöhnlichen Kunstgriff besonders auf. Die spezielle Ge- telvorspann verstanden werden, der seine Stars sehr pro- res redeten, als die Geschichte suggerierte  der jeweiligen Schauspieler als Unter­ staltung der Zwischentitel befindet sich meist zwischen minent zeigt, aber gleichzeitig auch in der Geschichte (da man ihre Worte ja nicht hören konnte)  titel eingeblendet, wenn sie das erste  diesen beiden Polen. Einerseits reagiert sie auf die For- selbst eingebettet blieb. ƒ Die meist etwas langen und und somit für Zuschauer, die des Lippen­ mal im Film zu sehen sind. derung nach dem Überbrücken der Lücke von Schrift und umständlichen Eröffnungen sind vergleichbar mit Intro- lesens mächtig waren, quasi eine zweite  Bewegtbild, andererseits zieht sie genau damit mehr Auf- Geschichte erzählten, verschwand im Zuge  merksamkeit auf sich als gewöhnliche Zwischentitel, an der transparenten Dialog­Titelung, die die  die man sich aufgrund der Konventionen bereits gewöhnt Titel so zwischen die Bewegung der Mün­ hat. Das Beispiel der Dialogtitel zeigt, dass die Perfekti- der platzierte, dass diese wirklich von den  onierung des Schnittes, indem der richtige Moment für Lippen gelesen werden können. Zur Diffe­ den Einsatz des Dialogtitels sowie die entsprechende renz von Gesagtem und Ausgeschriebenem  Dauer gefunden wird, am transparentesten wirkt. ƒ vgl. auch Conley 1991: XIII, FN 12: Raoul  Um 1920 findet sich eine Methode, bei der der pro- Walsh soll seine Charaktere in Großauf­ duction value mittels der Zwischentitel weiter kommuni- nahme Schimpfwörter haben sagen lassen,  ziert wird. Häufig wird hier beim erstmaligen Erscheinen so dass jeder diese von den Lippen lesen  einer Figur innerhalb des Films diese auf einem Titel an- konnte, aber in den Zwischentiteln standen  gekündigt, auf dem neben dem Rollennamen auch der dann jene Formulierungen, die durch die  Name des Schauspielers verzeichnet ist. Viele Expositi- Zensur gingen. Robert Redford auf dem Weg zur Arbeit im Intro-Vorspann von Three Days of the Condor onen wirken dadurch etwas langwierig und unbeholfen, (Sydney Pollack, USA 1975) 118 – 119 sequenzen in Filmen ab den 70er Jahren, in denen Tä- prägenden Mediendivergenz sollte der Film eigenständig funktionieren. „ Wie ein letztes Aufbäumen der Zwi­ tigkeiten minutenlang ausführlich gezeigt werden, wenn Dziga Vertovs Der Mann mit der Kamera weist gleich zu Beginn mit einem schent itel wirkt es daher, dass bei der ers­ beispielsweise eine Ankunft an einem Ort oder ein Her- Zwischentitel darauf hin, dass es sich im Folgenden um einen titellosen ten Oscar­Verleihung 1929 noch ein Oscar  stellungsprozess verfolgt wird, über die dann nicht selten Film handelt und betont, dass versucht werde, eine wahrhaft internationale für das beste title writing vergeben wurde.  die Credits geblendet werden. Filmsprache zu schaffen, ohne auf die Hilfe von Literatur und Theater an- Der Oscar ging an Joseph Farnham, aller­ Diese Zwischentitelpraxis nahm im Verlauf der 20er gewiesen zu sein. Allerdings weist der Film keine klassische Narration auf, dings allgemein und nicht mit einem be­ Jahre deutlich ab, die einfach weiß auf schwarz gesetzten so dass auf die Titel leichter verzichtet werden konnte. stimmten Film assoziiert; er bekam ihn für  „ Ab Mitte der 20 Jahre verfolgte Mur­ Dialogtitel bildeten die am häufigsten verwendete Form. Mit Der letzte Mann (D 1924) hat auch Murnau ƒ einen die besten formulierten Titelkarten, nicht  nau das Ideal des schriftlosen Films,  Meist finden sich nur noch zu Beginn des Films einige der wenigen titellosen Filme inszeniert. Nur am Schluss für deren Gestaltung. (Zum Schreiben von  siehe dazu auch seinen Aufsatz »Der  erklärende Titel, eine Praxis, die bereits deutlich von der taucht ein einziger, kommentierender, selbstreflexiver Titelkarten siehe auch Brunel 1933: 114f.).  ideale Film benötigt keine Untertitel«  Einführung des Tonfilms kündet. ƒ Titellose Filme wurden Titel auf, der an die amerikanischen Komödien erinnert: Gleichzeitig ging auch noch ein Oscar an  (1990 [1927]). als besondere künstlerische Leistung angesehen und da- »Hier sollte der Film eigentlich enden. Im wirklichen Le- The Jazz-Singer (Alan Crosland, USA  für gepriesen, wirklich international zu sein (cf Harms ben würde der unglückliche alte Mann noch kaum etwas anderes zu erwar- 1927), wegen der technischen Meisterleis­ 1970 [1926]: 93) 34, gleichzeitig aber auch wegen ihres Ma- ten haben als den Tod. Doch der Drehbuchautor hatte Mitleid mit ihm und tung des Tonfilms. Von 1933­1937 wurden  nierismus kritisiert. Für Epstein bestand der Vorteil von sah ein fast unwahrscheinliches Nachspiel vor.« Es scheint beinahe so, als auch noch andere »Randbereiche« ausge­ Zwischentiteln darin, stereotype Aufnahmen in Titeln zu- wollte der Drehbuchautor Carl Mayer damit noch auf seine Funktion hin- zeichnet, wie der beste Regieassistent.  sammenzufassen: weisen, die man vielleicht vergessen könnte, wenn keine literarischen Reste (Für Brunel (1933: 55) ist der Regie­Assis­ aus dem Buch im Film selbst mehr sichtbar sind.36 Denn der titellose Film tent die drittwichtigste Person bei der  Un titre évite souvent une longue explication visuelle, néces- war auch Mayers Projekt, der mit Murnau an insgesamt sieben Filmen zu- Filmproduktion).  saire mais ennuyeuse ou banale. Et s‘il fallait se limiter au film sammengearbeitet hat. Auch zu Scherben (Lupu Pick, D 1921), einem ande- sans titres, combien de scénarii pourtant beaux deviendraient ren als titellos bekannten Film, hatte Mayer die Vorlage geliefert, und wie irréalisables! Enfin il y a de nombreuses indications que je crois in Der letzte Mann gibt es auch hier einen letzten Titel, sieht man von den encore plus discret de donner par un texte que par une image; wenigen Kapitelüberschriften ab, die Angaben zur Tageszeit machen: der il s‘agit de marquer qu‘une action se passe le soir, peut-être Bahnwärter gesteht seinen Mord, ein animierter, handgeschriebener Titel vaut-il mieux l‘écrire tout simplement que de montrer le cad- verkündet: »Ich bin ein Mörder.« Hier darf kein Zweifel aufkommen, das ran d‘une horloge avec les aiguilles arrêtées à 21 heures. Évi- muss man ausschreiben, damit am Schluss auch sicher jeder weiß, wie die demment, le sous-titre n‘est dans un bon film qu‘une sorte Geschichte geendet hat. d‘accident. Mais d‘autre part faire de la réclame pour un film Doch abgesehen von diesen wenigen Ausnahmen setzte sich der Ge- en spécifiant qu‘il est sans sous-titre, n‘est-ce pas comme si on Zwischentitel mit Rollen– und Schau- brauchswert der Zwischentitel immer mehr durch, was sich in Deutschland spielerinnenname am Anfang von Miss vantait les poésis de Mallarmé parce qu‘elles sont sans ponctu- auch in der Zwischentitel-Debatte der 20er Jahre spiegelt. Auch wenn es Lulu Bett (Cecil B. De Mille, USA 1921). ation? (Epstein 1974 [1926]: 148).35 nach wie vor zahlreiche Gegner von Zwischentiteln gab, befürworteten Bis zum Ende des Stummfilms war am titellosen Film vor allem die Avant- doch viele dieses Hilfsmittel. Die Titel sollten klug eingesetzt werden, da- garde interessiert, da die Titel zu sehr auf die Narration und damit auf Li- mit der Nutzen den Schaden (das Unterbrechen der Bildes) überragt. So teratur und Theater verwiesen. Im Sinne einer die künstlerische Moderne plädiert Harms für die schnörkellos gestalteten und gekonnt eingesetzten 120 – 121 Titel, »der eigentlich erst auffallen würde, wenn er anders steller Victor Pordes und dem Kunsthistoriker und Kinoreformer Konrad „ »Im allgemeinen aber scheint ein  wäre oder fehlte« (Harms 1970 [1926]: 97). ƒ Er verweist Lange. Beide haben je ein Kinobuch geschrieben, in dem sie dem jeweils Titel in klarer, guter und leicht lesbarer  darauf, dass titellose Filme auf bestimmte Handlungen anderen völliges Unverständnis angesichts der neuen Kunstform vorwerfen. Druckform die beste Lösung darzustel­ beschränkt sind, »die Filmtitel aber erweitern die An- Dabei sind ihre Positionen auf den ersten Blick ähnlich: beide halten den len. Psychologische und physiologische  schauung zur Erfahrung« (ebd: 95).37 Interessanterweise Film unter bestimmten Voraussetzungen für Kunst und seine Fähigkeit zur Untersuchungen haben dabei ergeben,  unterscheidet Harms nicht zwischen Dialogtiteln und er- Abbildung von Natur als seine Haupteigenschaft. Beide sind prinzipiell auch dass vom Auge am angenehmsten die  klärenden Titeln; die Möglichkeiten, die er mit den Titeln gegen die Schrift-Bild-Kombination im Film eingestellt: Titel in einer ruhigen grünen Farbe auf  beschreibt, sind mehr als nur Hilfsmittel, sie sind konzep- schwarzem Grund empfunden werden«  Es ist mir unbegreiflich, dass man das Unkünstlerische dieses Hilfsmittels [der tionelle Möglichkeit, um die Wirkung des Films allgemein (Harms 1970 [1926]: 98). Zwischentitel, FK] nicht längst erkannt hat. Es liegt nicht nur darin, dass der zu steigern und zu erweitern: Gang der Handlung durch die Titel in störender Weise unterbrochen und mit- [D]ie Titel wirken richtunggebend, sie erleichtern die Einfühlung, bringen je- ten in die sonst gleichartigen Bilder etwas prinzipiell Verschiedenes eingefügt den Zweifel zum Verstummen und lenken von vornherein die Anschauung wird, sondern auch darin, dass sie meistens zu kurz und schnell projiziert des nach dem Titel auf der weißen Wand erscheinenden Bildes in ganz be- werden, und dass der Wechsel zwischen Bild und Schrift große stimmte Bahnen. Sie heben Wesentliches hervor, schwächen das Unwesent- „ Victor Pordes lehnte den Vorspann  Unruhe und Aufregung verursacht. […] So wurden auch die liche des kommenden Bildes oder der abrollenden Handlung noch mehr ab, ab. Alle Credits gehörten in »den ge­ Schriftsätze früher nicht so lange stehen gelassen, daß man sie als es die reine Anschauung tun würde, heben Stärken des Bildes oder der druckten Zettel, teilweise in das Plakat«  ordentlich lesen konnte. Man geriet schon in Aufregung, wenn Handlung womöglich noch viel mehr hervor und überspannen die Lücken, (und Pordes darf mit den anschließen­ nur etwas Geschriebenes auf der Bildfläche erschien. Dazu war die zwischen einzelnen Bildern klaffen (ebd: 95f.). den Absätzen als einer der ersten gel­ die Schrift sehr oft undeutlich und häßlich und an sich schon ten, die sich Gedanken zur Aufgabe und  schwer zu entziffern; außerdem gewöhnlich schlecht stilisiert Er führt damit die Notwendigkeit zur außerbildlichen Erklärung, die Häfker Gestaltung des Plakates gemacht ha­ und voller Schreib- und Druckfehler (Lange 1920: 85). bereits 1913 forderte, weiter. Und auch für Harms sind die Titel eine Mög- ben: »Die Lichtspielplakate sind noch  lichkeit zur Entspannung der Augen: Pordes bemängelte die Starrheit der Schriftzeichen auf immer nicht allgemein als eine künstle­ dem Filmmaterial (cf Pordes 1919: 146). Allerdings bezieht Damit erfüllen sie die wichtige Aufgabe einer Auffrischung des »strebenden rische Angelegenheit erkannt worden«  sich seine Kritik auf die Erscheinung von Schrift im Vor- Verhaltens«, »der gespannten Aufmerksamkeit« und »des Gemeingefühls (ebd: 147)), da die Schrift auf »dem flim­ spann ƒ, innerhalb der Narration erkennt er ihren Nutzen sinnlicher Frische« als notwendiger Vorraussetzung für einen vollen ästheti- mernden Film selbst […] zugleich starr  durchaus an, sofern sich bei ihrem Einsatz an gewisse Re- schen Genuss, während ein titelloser Film den Besucher auf die Dauer recht und störend« wirkte (ebd: 146). Anhand  geln gehalten wird, wenn sie eine Szene nicht ersetzen, erschöpft (ebd: 94). eines Zwischentitels am Anfang von  sondern sie wie bei einem Bild oder einer Skulptur beti- Griffith‘ Birth of a Nation (USA 1915)  Im Gegensatz zum Pro und Contra der Zwischentiteldiskussion um 1910 in den teln (cf. ebd: 44f). Dann wirken die Titel wegen des Infor- kann man sehen, dass Programm hefte  USA und in Deutschland wird die Debatte später durchaus differenzierter ge- mationsbedürfnisses der Rezipienten in »einer gewissen durchaus von den Filmemachern ge­ führt, man betrachtet die Titel als ein Hilfsmittel, bei dem es meist nicht um Beziehung […] ganz gewiß organisch« (ebd: 44). (Eine nutzt wurden, der Titel lautet folgen­ die Daseinsberechtigung, sondern um die richtige Anwendung geht. Feststellung, die Lange in seinem im Jahr darauf erschie- dermaßen: »For the characters in the  Wie unterschiedlich die Zwischentiteldiskussion geführt wurde, zeigt nenen Buch zu einer längeren Replik reizte (cf. Lange play see printed programs«. exemplarisch die Auseinandersetzung zwischem dem Anwalt und Schrift- 1920: 334).) Pordes fügt sogar relativierend an, dass dies 122 – 123 »selbstverständlich nur ein allgemeiner Grundsatz [sei], der von Fall zu Fall te Eisenstein ab (cf Eisenstein 1988 [1929]a: 91). Gemäß seinem Vergleich angewendet werden muß« (Pordes 1919: 47). Pordes scheint also in der Fra- mit den Hieroglyphen ist ein Bild vieldeutig und wird in der Kopplung prä- ge der Titel weniger dogmatisch als Lange, das Interessante an diesem Ver- zise. In seinem Film Oktober hat Eisenstein die Zwischentitel konzeptionell gleich ist nun aber, dass aufgrund ihrer konzeptionellen Erwartungshaltung mit in die Verkettungen der Bilder hineinbezogen. So entfaltet die berühm- an das neue Medium man eigentlich annehmen würde, dass sie genau die te Montagesequenz der Gottheiten ihre Polemik durch den vorangestellten gegenteilige Position einnähmen. So hebt Pordes besonders die Fähigkeit Titel »Im Namen Gottes und des Vaterlandes«, um anschließend von der des Films hervor, die Natur getreu abbilden zu können, sieht dabei aller- orthodoxen Kirche zu einem »Holzklotz-Götzen der Eskimos« (Eisenstein dings nicht wie Häfker ausschließlich im Naturfilm künstlerische Qualitäten. 1975 [1945]: 170) zu gelangen. Der Titel enthält selbst schon eine Reihung Lange hingegen ist am Symbolischen des Filmdramas interessiert, das allein (Gott und Vaterland), das Wort Gott, wird in der anschließenden Montage »den Gesetzen des Materials und der Technik« unterliegt (Lange 1920: 338). bebildert. Der Titel ist wichtig, um als Gemeinsames der folgenden Einstel- Es verwundert also, dass Pordes sich auf das Hilfsmittel Titel einlässt, Lan- lungen das Götzenhafte zu erkennen, er beschreibt die Sequenz aber nicht. ge aber trotz der herausgestellten symbolischen Qualitäten des Filmdramas Die Titel in Eisensteins Oktober sind streckenweise in Rhythmus und diese so gar nicht gelten lassen mag. Die Antwort darauf lässt sich in der Aussage dem Stil des Films angepasst und darauf abgestimmt. Die schnelle unterschiedlichen Bestimmung des Mediums finden. Für Pordes ist der Film Montage der Götzensequenz wird auch in den Titeln beibehalten, da der per se dramatisch (cf Pordes 1919: 16), eine »in lebender Photographie vor- erste Titel noch einmal aufgespaltet wird in die zwei alternierenden Titel »Im geführte Handlung« (ebd: 44). Und da zu solch einer dramatischen Hand- Namen« und »Gottes«, ohne dass dazwischen ein Bild erscheint. Auch in der lung bisweilen auch das Gefühlsleben der handelnden Personen gehört, ist Szene, in der der Kriegsminister der Koalitionsregierung Kerenski nach der eine kurze und prägnante Information darüber unerlässlich. Für Lange hin- Februarrevolution den Winterpalast betritt und sich in die Gemächer des gegen ist der wichtigste Wesenszug des Films seine Stummheit, und diese Zaren begibt, bezieht Eisenstein sein Montage-Konzept mit ein. Die Ironie müsse durch den klugen Einsatz der natürlichen Mittel (Pantomime) nicht dieser Szene erreicht er durch eine geschickte Kombination von kurzen Ti- als Last und Nachteil gereichen und dürfe schon gar nicht durch das ge- teln und einer dynamischen und metaphorischen Montage. So wird dreimal schriebene Wort subsumiert werden (cf. Lange 1920: 80). Was hier deutlich dieselbe Einstellung gezeigt, in der Kerenski die Treppe hinaufsteigt, jedes wird, ist dass sich in den 10er Jahren sehr wohl eine differenzierte künstleri- Mal unterbrochen von den Titeln »Diktator«, »Kriegsminister«, »Marinemi- sche Diskussion über Zwischentitel entsponnen hatte, die allerdings sowohl nister« und »Ministerpräsident«. Der Aufstieg endet mit dem Zwischentitel in Europa als auch in den USA denselben Nenner hatte: dass man die Titel »und so weiter und so weiter …«. Der polemische Stil der Szene wird durch aus dem System des Films ausschloss, um sie danach als geeignetes Hilfs- das Zusammenspiel von Titel und Bild erreicht, die kurzen und knapp for- mittel wieder reinzuholen. mulierten Titel entsprechen den schnell geschnittenen Einstellungen. Die Titel sind geschickt gewählt, um unterschiedliche Töne von Ironie und Pa- Titelkonzepte in den Stummfilmen Eisensteins rodie in dieser Szene anklingen zu lassen. So entfalten die Titel, die Keren- Eine andere Auffassung entwickelte sich erst in den 20er Jahren in Russ- skis Aufstieg unterbrechen, erst ihren Witz, weil sie auf immer die gleiche land. Anders als die meisten europäischen und amerikanischen Theorien zu Einstellung folgen, und diese Idee der Wiederholung benötigt gleichzeitig Zwischentiteln, wurden diese in der russischen Filmtheorie der 20er Jahre jeweils einen Titel als Übergang, damit das Bild nicht »springt«. Der Titel als Äquivalent zum Bild angesehen, wodurch sich eine andere Debatte und »und so weiter und so weiter …« gibt zudem die Leseanweisung für den Verwendung ergab. Die Titel als Hilfsmittel zur Präzisierung zu nutzen, lehn- nächsten Titel, der für sich genommen nicht komisch zu verstehen wäre, 124 – 125 in diesem Zusammenhang aber ironisch wird: »Die Hoffnung des Vaterlan- Eisensteins Zwischentitel in Oktober funktionieren noch auf ganz andere des und der Revolution«. Dieser leitet die folgende Montagesequenz ein, in Art als die bisher grob in drei Kategorien zusammengefassten Titel: Neben der Kerenski von einer Statue aus Stein einen Lorbeerkranz aufgesetzt be- dem erklärenden und kommentierenden Effekt haben sie auch eine stark kommt. Auch der ironische Titel »Welch ein Demokrat!« ist ein Augenzwin- moderierende Funktion. Durch ihr häufiges Auftauchen kern, ein Verbünden mit den Zuschauern, um sich über das Gezeigte lustig und die sehr kurz und knapp gehaltenen Sätze entsteht zu machen, ähnlich den oben angeführten kommentierenden Titeln aus den der Eindruck eines Dialoges mit dem Zuschauer, einer amerikanischen Komödien. besonderen Erzählung, deren Sinn und Ironie sich nicht In der anschließenden Szene, in der Kerenski im Schlafzimmer der Za- auf den ersten Blick erschließt und die im Austausch rin als entscheidungsschwach charakterisiert wird, ändert sich der Stil nicht: mit dem Erzähler an Klarheit gewinnt. Ein Beispiel hier- dynamisch montierte und kadrierte Einstellungen wechseln mit kurzen und für ist die Sequenz, in der die Truppen das revolutionäre prägnanten Titeln, allerdings wird hier die Aussage allein durch die Bilder St. Petersburg angreifen. Auf anrollende Panzer folgt der schon deutlich, die Zwischentitel doppeln diese und amü- Titel »Und die Regierung?«, woraufhin ein unter Kissen sieren sich zusätzlich über Kerenski, indem sie eine Paral- versteckter Kerenski zu sehen ist, und der folgende Titel lele zwischen dem Namen der Ehefrau des Zaren und dem dieses Bild in einer Antwort an die vorhergehende Frage Kerenskis ziehen, um Kerenskis Machtbestreben zu ver- versprachlicht: »Die Regierung ist machtlos«. deutlichen (»In den Gemächern Alexandra Fjodorownas« Im Bezug auf die Zwischentitel unterscheidet – »Alexander Fjodorowitsch« – »In den Gemächern Alex- sich Oktober deutlich von Panzerkreuzer Potemkin. anders III.«). Die Montage schafft zudem eine Verbindung Den überwiegenden Teil der Titel stellen bei letzterem von Kerenski und Napoleon Bonaparte sowie von General Dialogtitel und erklärende Titel, die allerdings ebenso Kornilow und Napoleon, was die Zwischentitel zusätzlich knapp formuliert sind wie jene in Oktober. Im drama- noch einmal ausbuchstabieren. tischen vierten und fünften Akt des Potemkins gibt es An vielen Stellen wird deutlich, dass Eisenstein kaum Titel, die inszenierte Handlung steuert den Film. sein Prinzip der dialektischen Montage auch auf die Zumindest an zwei Stellen wird aber auch hier die kon- Zwischentitel bezogen hat, die häufig das Gegenteil von zeptionelle Bedeutung deutlich, die Eisenstein den Titeln dem meinen, was auf ihnen geschrieben steht. So wer- zukommen lässt, wenn auch anders und reduzierter als in den die Männer, die die Stadt gegen die Truppen ver- seinem nächsten Film. Der Titel »Plötzlich« ist solch eine teidigen, im Zwischentitel als »Verräter« bezeichnet, was Besonderheit. Dieser Titel markiert die Wende vom fried- sie aus der Perspektive der Übergangsregierung waren, lichen Aufstand der Einwohner Odessas zur Niederschla- aber natürlich nicht aus der Sicht Russlands 1928. Dies zu gung durch die Kossaken. Eisenstein zeigt zuerst fröhlich verstehen erfordert dabei die gleiche Leistung wie auch winkende Menschen, dann den Titel und anschließend, das »Entschlüsseln« der metaphorischen Montage des wie die Menschen in Panik auseinanderstreben. Der Films, beispielsweise der Assoziationskette der Götzen- Grund dafür, die wahllos auf die Menge schießenden sequenz, die wiederum mit einem ironischen »Hurra!« auf Kossaken, werden erst einige Einstellungen später ein- einem Titel endet. geschnitten, so dass der Titel selbst zunächst der Aus- 126 – 127 löser für die Panik ist und der Zuschauer möglicherweise einige Momente Beim abschließenden Höhepunkt der Geschichte stehen sich die Potemkin lang ebenso verwirrt ist wie die Menschen in der Geschichte. Der Titel ist und ein anderes Kriegsschiff der Flotte schussbereit gegenüber. Die meutern- auch ungewöhnlich im Sinne eines zeitlich informierenden Titels, der nor- de Mannschaft auf der Potemkin ist unsicher, ob sie nun als Revolutionäre malerweise nicht ein Titel im Präsens ist, sondern in die Vergangenheit oder angesehen und damit vom Kriegsschiff unter Beschuss genommen werden. Zukunft zeigt. Ein Hinweis auf ein plötzlich eintretendes Ereignis wird im Das Besondere an der Szene ist, dass dem Zuschauer nur die Situation auf Stummfilm üblicherweise verwendet, um die nicht vorhandene Möglichkeit der Potemkin gezeigt wird. Man wird emotional in den Entscheidungsprozess der Tonspur zu kompensieren, auf der man im Tonfilm normalerweise die mit einbezogen, der sich in den zwei Titeln »Werden Sie …« und »… schie- Plötzlichkeit unterstreichen würde. Das plötzlich eintretende Ereignis dann ßen …« äußert, gleichzeitig wird man aber von den Kanonen der Potemkin aber nicht zu zeigen, ist eine besondere dramatische Entscheidung, die selbst ins Visier genommen, man ist revolutionärer Schütze und potentiellen, den Titel deutlich stärker konzeptionell belastet, als das der Fall mit dem Gegner in einem. 38 Zu den verschiedenen Möglichkeiten, um die Zuschau- anschließenden Zeigen des Ereignisses gewesen wäre. er/innen stärker in den Film einzubeziehen, die Eisenstein in seinem Aufsatz Der Film enthält vor allem am Schluss mehrere deutlich adressieren- »Über den Raumfilm« (1988 [1947]) aufzählt, muss auch seine Zwischentitel- de Elemente, die im Gegensatz zu Oktober nicht nur mit Zwischentiteln re- praxis gezählt werden, die nicht selten den Rhythmus der Montage beein- alisiert werden. Bei Potemkin sind es die Bilder, die die Zuschauer adressie- flusst und das Publikum direkt adressiert, wie beim finalen Zwischentitel in ren, gegen Ende werden die drei Kanonenrohre deutlich mehrmals auch in Stachka (Streik, Sergej Eisenstein, UdSSR 1925): »Erinnert euch, Proletarier!« Großaufnahme gegen die Kamera und damit gegen das Publikum gerichtet. Eben dieser Zwischentitel ist für Metz ein seltenes deiktisches und daher enunziations-stützendes Beispiel im Film (cf Metz 1997: 55), zumal ihm noch ein direkter Blick in die Kamera vorausgeht. Wie der Schlussti- tel ist dieser Blick ebenfalls nicht diegetisch motiviert, beides bildet eine Art Epilog. Metz zufolge ist in den Einstellungen eines Filmes die Enunzi- ation, der Verweis auf die Quelle seiner Hervorbringung, mehr oder weni- ger stark spürbar. In einigen Bildern wird die Situation der Zuschauer, das Blicken auf die Leinwand unterschiedliche stark reflektiert (ebd: 149ff.), indem beispielsweise die Blickanordnung gedoppelt wird, wenn eine Ein- Ironie und Dopplung durch Montage und Zwischentitel in Eisensteins Oktober (UdSSR 1928) stellung durch einen Torbogen oder ein Fenster gerahmt wird (ebd: 57ff.). Q&A in Eisensteins Oktober »Werden sie … schießen?« – Frage und Enunziation in Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin (UdSSR 1925) 128 – 129 Elemente wie der Vorspann, Ab- und Aufblenden, aber auch Zwischentitel We are back to a conception of narration which not only ignores certain film sind Enunziationsmarkierungen, da sie »offensichtlich von der enunziativen techniques (e.g., music, mise-en-scène) but also treats the diegetic world as Quelle selbst [stammen, FK]; mit ihrer Hilfe wendet sich ›der Film‹ an den a prior unity inflected from the outside by another intelligence: the one that Zuschauer […], und zwar direkt, denn sie sind nicht diegetischer Natur frames the action and puts one image after another (Bordwell 1997: 24). (vgl. Souriau)« (ebd: 131). Nur die Dialogtitel sind für Metz diegetisch, da sie »aufgrund einer metonymischen Zuordnungskonvention vom Zuschauer Bordwell will dabei eher auf eine weiter gefasste erzähltheoretische Unter- diegetisiert« werden (ebd: 51, Hervh. i. O.). Damit unterscheidet Metz den scheidung hinaus, in deren Mittelpunkt das Begriffspaar fabula und syuzhet Bereich der Diegese nicht formal, sondern bezieht sich ebenfalls auf die des russischen Formalismus steht, das zwischen der erzählten Geschichte und mentale Leistung der Zuschauer beim Konstruieren eben dieser. Anders als der Erzählung selbst differenziert.39 Teil der Erzählung sind dann all jene Mög- bei Fuxjägers Definition des Diegetisierens (siehe S. 105f.), ist dies nicht ab- lichkeiten, mit denen die Geschichte präsentiert wird: die Kamera, der Schnitt, hängig von der Visualität, da die Dialogtitel meist ohne gestalterische Zu- Rückblendenkonstruktionen, Musik, aber auch die Schrift. Im Bordwell‘schen sätze auskommen. Rein formale Unterscheidungen, wie sie unter anderem Verständnis stellen diese Möglichkeiten keine nachträgliche Manipulation der Garncarz trifft, der Zwischentitel pauschal als extradiegetisch klassifiziert, erzählten Welt dar, was sich auch in der begrifflichen Terminologie widerspie- da sie »nicht Bestandteil der erzählten Geschichte, sondern ausschließlich gelt: es geht nicht um ein »außer-« oder »extra-«, sondern fabula und syuz- an die Zuschauer (und eben nicht die handelnden Figuren im Film) adres- het sind Teil der Narration 40, eine in sich verschränkte Konzeption. Vor diesem siert« sind (Garncarz 2002: 37), übersehen die Wirkung insbesondere der Hintergrund kann auch wieder partiell mit der Unterscheidung von Diegese Dialogtitel, die zumindest in den 20er Jahren weitgehend so transparent und Extradiegese gearbeitet werden, um bestimmte Elemente genauer zu gestaltet waren und exakt eingeschnitten wurden, dass sie Dialog simulier- unterscheiden und herauszuarbeiten, die Schrift eignet sich dann aber nicht ten. Solche Klassifizierungen verweisen die Schrift wieder pauschal in das mehr als trennendes Element von Innen und Außen. Das Konzept der fabula Außen des Films. Um dies zu vermeiden, muss der Erzählprozess insgesamt bezieht sich weniger auf das konkrete Bild. Zwar sind die diversen filmtech- verstärkt in den Blick genommen werden, wie Bordwell das in seiner Ent- nischen Möglichkeiten Teile des syuzhets, dieses bildet aber eben zusammen wicklung einer Erzähltheorie für das Kino vorschlägt. Auch wenn er selbst mit der fabula die übergeordnete Narration. In dieser Hinsicht können die Di- die Kategorien diegetisch/extradiegetisch für die Filmanalyse nutzt (cf alogtitel dann sogar entweder als diegetisch oder extradiegetisch bezeichnet Bordwell/Thompson 2010: 284ff), spricht er sich doch gegen eine zu star- werden, ohne dass sich daraus pauschale Ergebnisse ableiten ließen: im ersten re und formalistische Anwendung aus: Fall würde damit der Unterschied zu den anderen Titel-Kategorien im Hinblick auf die Einbindung in den Erzählprozess betont, der zweite Fall zielte hinge- gen auf eine Unterscheidung von bildlich-figürlicher Informationsvermittlung im Gegensatz zur schriftlichen ab. Formal eindeutig klassifizieren lassen sich die Titel mittels der Diegese-Begrifflichkeit jedoch nicht. Ebenso wenig eignet sich die Kategorie des Paratextes für eine Kate- gorisierung. Die Titel zum Paratext zu zählen (cf Nitsche 2002: 63), stellt eine Analogie zu Genettes Einordnung der Illustration dar, die im Textuniversum Buch für ihn nur eine Ergänzung darstellt. Die pauschale Zuordnung der Zwi- die letzten Einstellungen aus Eisensteins Streik (UdSSR 1925) schentitel zum Paratext deklariert diese zum Hilfsmittel, die die Rezeption 130 – 131 des Films erleichtern, erkennt ihnen aber eine eigenständige Wirkung ab. Aus Rhythmus der Animation vorgibt, wodurch der Ton illus- „ Der Schriftzug wurde auch für die  diesem Grund ist für Kreimeier zumindest im Kulturfilm der paratextuelle Sta- triert wird. Dies geschieht in separierten Großaufnahmen Werbe kampagne des Films genutzt. Bei  tus der Zwischentitel auch nicht mehr gegeben, da hier der Wissenstransfer und wird nicht von den Protagonisten gesehen, wodurch dieser wurden vor dem Start des Films  oft nur über die Titel läuft (cf Kreimeier 2005: 104ff). Doch nach den hier an- diese Animation vergleichbar wird mit anderen Titelanima- zahlreiche Plakate mit der Aufschrift »Du  gestellten Überlegungen kann auch für den Spielfilm von einer Bezeichnung tionen, die weniger direkt mit dem Bewegtbild interagie- mußt Caligari werden« in Berlin aufge­ der Titel als Paratext keine Rede mehr sein. Die Titel als Surrogat zu betrach- ren. Anders verhält es sich mit den wenigen Beispielen, hängt (cf Sannwald 1995: 49f.), in Bran­ ten, ist nur ein Aspekt unter mehreren, der zudem – wenn er als zentrales Ar- bei denen die Titel nachträglich oder direkt so ins Bild chenblättern wurde mit dem Slogan ge­ gument genutzt wird – eine sinnvolle Perspektive auf die Schrift im Stumm- eingefügt wurden, dass die Protagonisten der jeweiligen worben: »Du musst Caligari werden, wenn  film verstellt. Das Eisenstein‘sche Beispiel zeigt, wie sehr Zwischentitel und Szene sie bemerken. Dies ist der Fall bei Das Cabinet des du nicht sofort Das Kabinett des Doktor  Filmstil miteinander verknüpft sind, dass die Zwischentitel somit mehr als nur Dr. Caligari (Robert Wiene, D 1920), wenn Dr. Caligari sich Caligari abschließt« (Mayr 2003: 21). Bei  ein Hilfsmittel faute de mieux darstellen. Eisensteins Titeleinsatz, kombiniert plötzlich umblickt und überall um sich herum den Schrift- einer späteren Betrachtung des Films erin­ mit der komplexen Art der Montage und Kadrierung, zielt nicht primär auf zug »Ich muss Caliagri werden« erscheinen sieht. Die Titel nert Rudolf Arnheim die Szene, in der der  Transparenz und Kontinuität und steht entgegen dem Trend einer beinahe sind nicht mehr allein für die Zuschauer des Films da, die Schriftz  ug sich im Film bild manifestiert,  ausschließlichen Verwendung von Dialogtiteln zu einer sich im Sinne der fil- Figur des Films kann sie auch sehen. Die Szene markiert an Werbeslogans im öffentlichen Raum:  mischen Transparenz zunehmend perfektionierenden Erzählpraxis. den endgültigen mentalen Zusammenbruch der Figur. Die »Und wenn die Zwangs vorstellungen des  Sätze, die Caligari sieht, sind bloß in seiner Vorstellung Dr. Caligari so dargestellt werden, daß  Ins Bild integrierte Zwischentitel vorhanden, wäre eine andere Figur in derselben Szene, sie die Buchstabenreihe: ›Du mußt Caligari  Neben der inhaltlichen Unterscheidung von Dialogtiteln, kommentierenden würde die Titel nicht sehen, sondern nur den wild gestiku- werden!‹ laufschriftartig auf Wänden  und erklärenden Titeln sowie der formalen Unterscheidung illustrierter, ver- lierenden Caligari. Die Titel sind besonders effektvoll ins und Wolken erscheint, so hindern einen  zierter oder nur mit Schrift versehener Titel gibt es noch eine weitere Art des Bild gesetzte Dialogtitel, nur dass es sich hier nicht um anno 1925 Erinnerungen an Lichtreklame  Titeleinsatzes, die im Stummfilm jedoch nur äußerst selten eingesetzt wurde: eine Konversation, sondern um Stimmen im Kopf des Pro- und Devisen wie: ›Du darfst nur Walesco  die Einblendung der Titel ins gefilmte Bild. Es gibt nur wenige Ratschläge tagonisten handelt. ƒ Wie die sonst üblichen Dialogtitel ist rauchen!‹ an dem richtigen Genuß dieser  zur Integration von Titeln ins Bild selbst und ebenso wenige Beispiele, in de- dieser spezielle Caligari-Titel eine Visualisierung, um den Szene« (Arnheim 1977 [1925]: 178). nen das versucht wurde. Diese Praxis blieb ein selten genutzter Effekt, wie in akustischen Mangel auszugleichen. 41 dem Film Flesh and the Devil (siehe S. 117). Und im Grunde ändert sich dabei Joachim Paech hat in seinem Aufsatz »Der Schatten der Schrift auf wenig an der Diskussion über den Status der Titel. Ein ins Bild integrierter dem Bild« dieses Beispiel sowie zwei weitere (Der Golem – Wie er in die Welt Dialogtitel steht im selben Verhältnis zur Narration wie sein weiß auf schwarz kam (Paul Wegener, D 1921) und L‘Inhumaine (Marcel L‘Herbier, F 1924)) ge- gesetztes Pendant. Sein Verhältnis zum Bild tangiert dabei eher ästhetische wählt, um daran einen besonders filmischen Einsatz von Titeln zu demons- Fragestellungen im Bezug auf die Positionierung als funktionale und prakti- trieren. Zwar ändert sich das Verhältnis von Bild und Schrift zueinander, kable bezüglich der optimalen Platzierung zwischen den Bildern. Einen deut- wenn die Schrift direkt ins Bild integriert wird, besonders im Hinblick auf lichen Unterschied gibt es nur, wenn die Titel in ihrer Bildlichkeit in direktem die Visualität der Schrift, problematisch ist jedoch, wenn mit diesen Son- Bezug mit dem Bild stehen, und hier auch nur, wenn dabei der diegetische derfällen Pauschalisierungen und Ableitungen verbunden werden. So führt Status verhandelt wird. Der optophonetische Titel in dem erwähnten Flesh- Paech die Debatte um die Einordnung des Films in die bestehenden Künste and-the-Devil-Beispiel geht auf das Bild ein, da die Bewegung im Bild den weiter, wenn er schreibt: »Mit der Einbildung der Schrift in die Bildschicht 132 – 133 nen (cf ebd: 215). Entgegenzuhalten wäre, dass die Titel zwar die Kontinuität der Bilder unterbrechen, nicht aber die des Films, was hier die Analysen der Eisenstein-Beispiele gezeigt haben. Paech schließt die Schrift aus dem Be- reich des Filmischen aus, um sie allein unter der Besonderheit der speziellen Bild-Schrift-Verbindungen wieder hereinzulassen. Das Anführen dieser drei Stummfilmbeispiele ist aber auch noch aus einem anderen Grund wenig ge- eignet, um besonders filmische Schrift gegenüber den tradierten Schriftein- sätzen herauszustellen. Denn gerade die Interpretationen, die dabei vorge- nommen werden, zeigen, dass die speziellen Schrift-Bild-Kombinationen bei diesen drei Beispielen, nicht nur punktuell und nur einmal in den jeweiligen Filmen auftauchen, sondern jedes Mal auch in einem bestimmten narrati- ven Zusammenhang. Würden bei Caligari mehrere Titel im Verlauf des Films ins Bild integriert, die spezielle Interpretation im Hinblick auf die akustische Übertragung dieses visuellen Ereignisses würde möglicherweise weniger schnell geschehen. Man würde sich wundern, warum der Protagonist in die- ser Szene die Titel sehen kann, in den anderen jedoch nicht. Eine andere Art der Integration der Titel ins Bild war es, die Titel in des Films selbst verlässt der Film das Theater und nähert „ Hugo Münsterberg berichtet 1916 von  Form von Briefen, so genannten Inserts abzufilmen, da sie so natürlicher sich der Malerei und den Bilderzählungen der Comics« Versuchen, die Zwischentitel ins Bild zu  und weniger störend wirken sollten, was bereits seit den (Paech 1994: 216). ƒ Die oben geführten Auseinanderset- „ »Ich glaube nicht, daß alle Filme Ton­ integrieren: »Einige experimentieren da­ frühen 10er Jahren empfohlen wurde (cf Münsterberg, zungen zeigen, dass gerade bei dem Thema der Schrift filme werden. Es wird Stummfilm wie  mit, die gesprochenen Worte unmittelbar  1996 [1916]: 93). Murnau hatte mittels dieser Praxis noch im Film solche Abstufungen eigentlich zu vermeiden jetzt geben, wenn er sich bis in seine  ins Bild zu projizieren, wobei die Phrase  Anfang der 30er Jahre versucht, seinem letzten Film Tabu wären, da die Betonung von Parallelen im Grunde dazu perfekte Form entwickelt haben wird,  in grell weißen Buchstaben in die Nähe  (USA 1931) trotz des Verzichts auf Synchronton eine mo- dient, bestimmte Elemente zu in- oder exkludieren. So ein Film  ohne eine geschriebene Zeile.  des Kopfes der gerade sprechenden Per­ derne Erscheinung zu geben. ƒ Bis auf die wenigen erklä- geht dieser Unterscheidung eine weitere voraus, in der Filme können ohne erklärende Zwi­ son gebracht wird, ein Verfahren, das in  renden Titel zu Beginn des ersten und zweiten Kapitels Paech die Schrift in der abgefilmten Szenerie, also Pla- schentitel ver ständlich gemacht werden,  gewisser Weise dem der Zeitungscartoo­ werden die Schriftstücke in die Handlung integriert: sie kataufschriften in der Kulisse oder abgefilmte Bücher welche den Lauf der Handlung unter­ nisten ähnelt.« (Münsterberg 1996: 92). erscheinen als Briefe, Zettel, Schilder und Tagebuchein- zur »vor-filmischen Realität« rechnet und behauptet: brechen« (Murnau 1990 [1928]: 149).  tragungen, bei den Großaufnahmen wurde auf die Knicke »[D]ie Schrift gehört zur (dokumentierten) Szene, nicht zum Film« (ebd, und die Materialität des Schriftuntergrundes geachtet, bei den gewöhnli- Hervh. i. O.). Paech setzt also einen materiellen Filmbegriff voraus, was zwar chen Titeln und den Credits auf die der Schrift selbst, deren Versalien mit zum Ziel dieses Aufsatzes passt, der Fragen zur Materialität des digitalen deutlichen Pinselspuren versehen wurden. Films anstößt, nicht aber für den Untersuchungsgegenstand der Schrift im In Tabu ist die Schrift und das, was sie für eine schriftlose Kultur viel- Film, mit dem er es verbindet. Dieser wird von Paech nämlich am Grad der leicht bedeuten mag, selbst Thema, auf einer Metaebene bedeutet sie hier Bildlichkeit der Schrift gemessen, und nur so ist seine Aussage zu verste- Unheil, Macht, Aufschub, Verbot und Distanz. So kommt das Unglück auch hen, dass Zwischentitel allein der »Hermeneutik narrativer Kontinuität« die- 134 – 135 in Form einer Schriftrolle ins Paradies. Dieses ist die Insel Bora Bora, ein Idyll, auf dem sich die Eingeborenen vom Fischfang ernähren und im Ein- klang mit der Natur ihre Bräuche pflegen. Allerdings sehen jene vor, dass von Zeit zu Zeit eine Jungfrau aus der Gemeinschaft als Braut der Götter ausgewählt wird und ihnen fortan enthaltsam dienen muss. Die Wahl fällt auf Reri, eine junge Insulanerin, was Hitu, dem Stammesoberhaupt, schrift- lich mitgeteilt wird. Ab sofort muss sie keusch bleiben und darf von keinem Mann begehrt werden, andernfalls soll sie sterben. Das unbeschwerte Glück, das Reri zuvor auf der Insel genoss, scheint jäh beendet, und so beschließt sie, gemeinsam mit ihrem Freund Matahi auf die Nachbarinsel zu fliehen. Doch es sind wieder Schrifterzeugnisse, die eine gemein- same Zukunft verhindern, denn dort hat bereits die Zivili- sation Einzug gehalten. Es gibt eine Polizei, Alkohol, und die Eingeborenen verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Perlentaucher. Als Matahi in einer Strandbar übermü- tig feiert und ahnungslos einen Schuldschein nach dem anderen mit einem »M« unterzeichnet, sind es genau diese Papiere, die sie an einer weiteren Flucht hindern, hier schriftlich formuliert, eines vom Stammesoberhaupt der Insulaner und als Hitu sie aufspürt. Eines Nachts findet Reri einen klei- eines von der Inselpolizei, und beide werden von Matahi gebrochen, da er nen Zettel mit einer Warnung: wenn sie nicht binnen drei den Zeichen nicht die Autonomie zubilligt, die sie in einer Schriftkultur an- Tagen zurückkehrt, muss Matahi sterben. Matahi ist ein nehmen.42 Murnau wies der Schrift in seinem Film keinen eigenständigen guter Perlentaucher, aber um sich endgültig freikaufen zu Ort zu, sie ist Teil des Bildes. Und als dieser steht sie für das Gegenteil von können, muss er mehr und größere Perlen bergen, und Natürlichkeit, für Zwang, Verbot und Entfremdung. Diesen denaturalisie- diese gibt es nur an einer Stelle, die von einem Hai be- renden Effekt sah Gilles Deleuze für die Schrift im Stummfilm ganz allge- wacht wird. Zum Schutz hat die örtliche Polizei diese mit mein gegeben, kommt dabei aber bezüglich Tabu zu einem anderen Ergeb- einem auf dem Wasser schwimmenden Schild markiert, nis, das die bisher zusammengetragenen Diskurse auf dem in großen Buchstaben das Wort »Tabu« prangt. um eine interessante Perspektive erweitert. Für De- Doch während Matahi als letzten Ausweg das Tabu bricht leuze sind die Titel gelesene und damit indirekte und dort taucht, liefert sich Reri selbst ihrem Volk und Rede, selbst wenn es sich um Dialogtitel handelte: seinem Brauch aus. » ›Ich werde dich töten‹ wird gelesen als ›Er sagt, Thema in Tabu ist nicht nur der Gegensatz von ur- daß er ihn töten werde‹, [die Titel] nahmen so eine sprünglicher Kultur und moderner Zivilisation, sondern abstrakte Universalität an und drückten gewisser- auch, das natürliche Leben auf der Insel mit der Kultur- maßen ein Gesetz aus« (Deleuze 1997: 289). Es geht technik der Schrift zu konfrontieren. Zwei Tabus werden Deleuze dabei jedoch nicht um eine formale Unter- 136 – 137 scheidung oder um Zuweisungen, vielmehr bezieht auch Sprachlichen ein, das nicht zu einem größeren Naturalismus des Bildes er sich auf einen erzähltheoretischen Zusammenhang, bei durch den Wegfall der schriftlichen Informationen führt, sondern im Gegen- dem die Titel Teil des discours sind (im Gegensatz zur his- teil das visuelle Bild denaturalisiert. Indem die Tonspur den »hors-champ toire, cf ebd: 290, FN5). So unterschiedliche Titelkonzep- des visuellen Bildes« konstruiert (ebd: 302, Herv. i. O.), wird der Ton zu ei- te wie die Eisensteins oder der Einsatz der Titel in Tabu nem Bestandteil des Bildes und betont somit in stärkerem Maße als zuvor sind für ihn beides Versuche, in denen er eine möglichst die Künstlichkeit des Bildes, indem der Off-Ton beispielsweise die Kadrie- enge Verknüpfung des gelesenen und des gesehenen rung herausstellt. Der Stummfilm, so Deleuze, bestand aus sichtbaren und Bildes erkennt (ebd): bei Eisenstein, indem die Titel als lesbaren Bildern, der Tonfilm verfügt hingegen über einen sicht- und hör- »Block« in Kommunikation mit den Bildern treten und bei Tabu, indem sie baren Sprechakt. Durch die Lücke, die die fehlende Schrift nur lässt, wird »ins Visuelle übergehen« (ebd). Dass Deleuze im Film von Murnau keine »auch das visuelle Bild […] als solches lesbar, als visuelles Bild, in das sicher Strategie der Schriftvermeidung sieht, liegt daran, dass er an dieser Stelle der Sprechakt als Bestandteil einfügt« (Deleuze 1997: 300) Das produktive bereits den Stummfilm dem Tonfilm gegenüberstellt, es also prinzipiell um Paradox, das Deleuze hier einführt, ist die Dominanz des Visuell-Naturalis- das Verschwinden der Schrift geht sowie den Status des Bildes mit Einfüh- tischen des Films just in dem Moment einzuschränken, da diese eben durch rung der synchronisierten Tonspur. Hintergründe wie das Ziel des titellosen die Möglichkeit der Tonspur hätte potenziert werden sollen. Stummfilms sowie die filmgeschichtlich immer wieder auftretende Ableh- nung der Schrift im Film müssen ihn an der Stelle gar nicht interessieren. Die entscheidende Veränderung stellt sich für Deleuze mit der Akustik des 138 – 139 2.3 Emanzipation der Schrift matvergrößerung, die die Entwicklung aller Filmkunst ernstlich gefährden, nutzen dem Sprechfilm. Der reine Sprechfilm hat mit Filmkunst nichts zu tun« (Arnheim 2002: 218, Hervh. i. O.). Auch hier darf das Wort die Bilder nicht Zwischentitel im Tonfilm dominieren und es herrscht die Auffassung vor, dass der Film vor allem über Zunächst stand mit dem Wechsel zum Tonfilm jedoch die Vermeidung der Bilder erzählen müsse. Die Bilder werden nun zwar nicht unterbrochen, aber Schrift im Vordergrund. Mit dem Umschwung änderte sich auch das in den ihre Bedeutung und Wirkung könnte durch zu viel Gewicht auf der Tonspur 20er Jahren noch akzeptierende Verhältnis den Titeln gegenüber, und durch verlieren. Für die künstlerische Filmdebatte galt noch immer das modernis- die Möglichkeit nun titelloser Filme wurden die früher üblichen Titel pau- tische Paradigma der medialen Reinheit. Zwar verschwanden die Zwischen- schal als wesensfremd erkannt. titel aus den Filmen der 30er Jahre nicht gänzlich, aber es gab auch kaum Die Einführung des Tonfilms wurde von der Industrie massiv vorange- Konzepte, die ihren Einsatz ähnlich kreativ einforderten, wie man sie in den trieben, da man sich neben einem angestrebten größeren Realismus auch 10er und 20er Jahren noch fand. Stattdessen setzte man sich mit den neuen mehr Attraktivität versprach, die Umstellung aber zudem eine weitere Kon- Möglichkeiten des Tons auseinander. trolle des Abspiels mit sich brachte. Die Produktionsfirmen und Verleiher Durch die anfangs noch schwerfällige Technik des Tonfilms wurden mussten sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Kinobetreiber die rich- die einzelnen Einstellungen nicht nur länger 47, sondern die Montage muss- tigen Kapellmeister zur Hand hatten, die mit ihrer Interpretation dem Film te sich nun häufig der Tonspur unterordnen. Der Ton war dabei jedoch nur nutzten und nicht schadeten.43 Gleichzeitig konnten die Firmen, die recht- die prominenteste einer Reihe von technischen Veränderungen, die allesamt zeitig auf die richtigen Patente gesetzt hatten, ihre Monopolstellung damit einen realistischeren Effekt hatten und daher häufig abgelehnt wurden.48 auch weiter ausbauen.44 Zwar war der Wunsch des Publikums nach Tonfilmen So forderte der Filmkritiker Grunter Groll,49 das Wort wie auch die realis- zunächst nicht so stark, dass Stummfilme mit einem drastischen Publikums- tischen Elemente des Films wie Ton und Farbe sollten untergeordnet und schwund rechnen mussten, aber ein paralleles Abspiel von der Rhythmus als das zentrales »Grundelement der abrollenden Filmbilder« „ Das abgefilmte Theater hingegen war  Ton- und Stummfilmen 45 war selten und kostspielig (cf (Groll 1937: 18) erhalten bleiben: »Der stumme Film musste alles, was er sa- für den Schriftsteller Paul Scheerbart  Müller 2003: 60ff.).46 Unabhängig von ihrem Tonformat gen wollte, ins Optische übersetzen, denn die geschriebenen Zwischentitel einer der (visionären) Gründe für den  machten viele Filme weiterhin Gebrauch von erklärenden blieben ein störender und unkünstlerischer Notbehelf, ebenso wie die als Tonfilm gewesen: »Die Verfilmung von  und teilweise auch kommentierenden Titeln. notwendig empfundene Begleitmusik« (Groll 1937: 25f.). Romanen ist m. E. etwas Barbarisches.  Da bereits im Stummfilm der späteren 20er Jahre Im Gegensatz dazu argumentierte im Frankreich der 30er Jahre Mar- Dagegen erscheint mir die Verfilmung  die Dialogtitel die dominierende Form der Zwischentitel cel Pagnol für den Ton- und gegen den Stummfilm. Pagnol verglich das von Theaterstücken, wenn die Sprache  waren, war es nur natürlich, dass die Tonfilme insgesamt Stummfilmkino mit der ideografischen Schrift, beides internationale Schrif- durch das Grammophon hinzugefügt  deutlich weniger Titel enthielten. Die Vorbehalte der Film- ten, die die Unfähigkeit besäßen, präzise Ideen oder Gefühle auszudrücken wird, sehr wertvoll; es könnten dadurch  puristen wandten sich nun auch nicht mehr der visuellen, (cf Pagnol 1995 [1966]: 65): 50 »Il permettait ainsi la collaboration du spec- 90 Prozent der bestehenden Theater  sondern der akustischen Form des Wortes zu, meist mit tateur, qui lisait le film selon son humeur, sa culture, sa sensibilité perso- abgeschafft werden.« (Paul Scheerbart  ähnlichen Argumenten. Arnheim unterschied zwischen nelle« 51 (ebd.). Dies sei, so Pagnol, auch der Grund für das schnelle Kapi- im Börsenblatt für den Deutschen Buch- Ton- und »reinem Sprechfilm«, eine Art abgefilmtem The- tulieren des Stummfilms, der die Zwischentitel, Zeichen der phonetischen handel Nr. 127 vom 5.6. 1913; zit. nach  ater ƒ, bei dem der Dialog im Vordergrund steht: »Die Er- Schrift, einfügen musste, »die das Eingeständnis seiner Unfähigkeit waren« Greve/Pehle/Westhoff 1976: 155) findung des Farbfilms, des plastischen Films und der For- (ebd., Übers. FK).52 Nur die phonetische Schrift kann für Pagnol wirklich 140 – 141 die Gedanken ausdrücken (cf ebd: 69), und der Phonograf vermag zudem films gefordert, versuchte man auch im frühen Tonfilm, Inhaltsvermittlung, die Laute zu speichern, die mit der phonetischen Schrift nicht notierbar sind die über geschriebenen Text laufen muss, in das Bild zu integrieren, indem (cf ebd: 72). Pagnol kommt daher zu folgendem Schluss: »C‘est ainsi que le sie über Inserts, meist in Form von Zeitungen (häufig auch als Montage- mariage de l’idéographie, sous sa forme cinématographique, et de l’écriture sequenz auf den Zuschauer zufliegender Schlagzeilen), Briefen oder Pla- phonétique, sous sa forme phonographique, nous a donné le film parlant, katen, gezeigt wird. Mag es das Ziel dieser Titel sein, die Narration weni- qui est la forme presque parfaite, et peut-être définitive de l’écriture« ger offensichtlich zu gestalten, so tritt sie doch auch hier deutlich in den (ebd: 73).53 Dieses Analogie folgt etwas unvermittelt und bleibt im weiteren Vordergrund. Inserts werden meist länger als andere Close Ups gezeigt, Verlauf des Textes auch ohne Folgen, denn Pagnol geht es zunächst allein um sicher zu gehen, dass sie auch alle Zuschauer gelesen haben. Oft stim- um eine Aufwertung des Tons, eine Reaktion auf die vielen Anfang der 30er men auch Hintergründe nicht, fremdsprachige Versionen tun sich schwer Jahre dem neuen Format noch ablehnend gegenüberstehenden Aussagen. damit, den übersetzten Titel dem Original anzupassen, oder die Hand, die Durch den schriftloseren Tonfilm gibt es keine Notwendigkeit, auch den Brief hält, ist unnatürlich ruhig. Möglicherweise tritt hier die Produk- retrospektiv positive Argumente für die Zwischentitel zu finden. Selbst Ei- tion des Films, die mit der Integration der Zwischentitel ins Bild eigentlich senstein, Pudowkin und Alexandrow beschrieben im Tonfilmmanifest den weiter verschleiert werden sollte, noch deutlicher in Erscheinung. Der ein- Zwischentitel als Sackgasse: »Als Sackgasse Nr. 1 muss der Zwischentitel gel- fache Einsatz von Zwischentiteln verweist auf eine filmische Konvention, ten und alle hilflosen Versuche, ihn als Montageabschnitt einzubauen (das wohingegen zu lange eingeschnittene Inserts die Zuschauer deutlicher auf Aufspalten des Titels in Einzelteile, die Vergrößerung bzw. Verkleinerung der die Unvollkommenheit dieses filmischen Mittels hinweisen können, da hier Schrift usw.)« (Eisenstein et al. 1988 [1928]: 156). Eisenstein lehnt hier das auch immer sichtbar wird, dass man eben diese damit verstecken wollte. ab, was er zuvor sowohl in Potemkin als auch in Oktober getan hatte, zieht Da die Notwendigkeit für die Zwischentitel nicht mehr in dem Maße aber nur zwei Jahre später die Titel auch im Tonfilm wieder in Betracht: gegeben war, wie das noch im Stummfilm der Fall war, wirken sie, wenn sie auftauchen, deutlich artifizieller. Zudem etablierten sich einige bildliche und Ich meine, dass Zwischentitel durchaus auch in Tonfilmen weiter existieren narrative Konventionen, die an ihre Stelle traten, wie die Montagesequenz, können, weil in ihnen Möglichkeiten zu unverhoffter Schärfe angelegt sind. in der üblicherweise eine größere Zeitspanne und die darin entstehenden Wenn [gesprochene] Wörter in Gegensatz zu dem geraten, was da zur glei- Ereignisse kommuniziert werden, beispielsweise eine lange Reise, von der chen Zeit auf der Leinwand geschrieben steht oder gezeigt wird, dann lässt als Zusammenfassung ein fahrender Zug von außen, verschiedene Bahn- sich dies für gelungene Scherze nutzen (Eisenstein 1984 [1930]: 169f.). höfe oder auch Kalenderblätter montiert und mitunter überblendet werden. In vielen Filmen vor allem der 30er Jahre finden sich jedoch immer noch Für BST zielen sie durch die in ihr enthaltene Bewegung sowie die sie unter- klassische, mitunter deutlich in der Tradition der Stummfilm-Zwischentitel malende Musik auf eine Kontinuität, und ihre extreme Gestaltung lässt die stehende, erklärende und teilweise auch kommentierende Titel. Wie auch Narration deutlich in den Vordergrund treten (cf BST 2006: 29). Die zeitraf- schon zuvor sind die meisten dieser Zwischentitel weiterhin am Anfang des fende Montagesequenz wird zum Zeichen, zu einem Meta-Titel, der besagt, Films, wo sie Schauplätze einführen, Charaktere kurz vor-, Mottos voran- dass zwischen der Szene vor der Sequenz und der ihr folgenden eine grö- oder Epochen darstellen. Häufig weisen sie eine Hintergrundillustration ßere Zeitspanne vergangen ist. Obwohl die Montagesequenz keine Erfin- oder eine dem Genre angepasste Schrifttype auf. Des Weiteren finden sich dung des Tonfilms ist, wird ihr Zeichenwert doch gerade dort erst besonders Zwischentitel bei größeren Zeitsprüngen oder unerwarteten Ortswechseln, deutlich, was die Gegenüberstellung von Meinungen zur Montages equenz um die Kontinuität zu wahren. Wie in zahlreichen Ratgebern des Stumm- von Rudolf Arnheim (1932) und Edgar Morin (1956) zeigen.54 Während 142 – 143 Arnheim in der stereotypen Wiederholung von Bildern wie der »Standuhr, ten zeigt ein Titel einen Satz aus einem von Beethovens auf der die Stunden eilen, […] de[m] Aschbecher voller Zigarettenstum- Briefen und dahinter eine Jahreszahl, während im Vorder- mel« stumpfsinnige Imitationen einst bezaubernder filmischer Einfälle sieht grund die Titel von Kompositionen von unten nach oben (Arnheim 2002 [1932]: 160f.), sind für Morin »der welkende Blumenstrauß, fliegen. Arrangiert ist das Ganze vor dem Hintergrund ei- die davonflatternden Kalenderblätter, die rasch herumkreisenden Uhrzeiger, ner Partitur. Mit prägnanter erzählerischer Ökonomie ver- die Anhäufung von Stummeln in einem Aschenbecher« (Morin 1958: 196) mag Gance hier sowohl Beethovens Innenleben als auch Beispiele für die Möglichkeit des Films, Ideen auszudrücken. Arnheim ist bei die diegetische Zeit zusammenzufassen. Sowohl die Sätze seiner Verurteilung noch der Visualität des Stummfilms verpflichtet, bei der Zwischentitel in Un grand Amour de aus seinen Briefen als auch die zeitlichen Bezüge über die das Zeichenhafte (Zwischentitel) nur Hilfsmittel sein und das Bild aber nicht Beethoven (Abel Gance, F 1937) Namen der Kompositionen sind zu diesem Zeitpunkt im zum Titel verkommen durfte. Morin hingegen, der einer grammatikalischen Film so weit eingeführt, dass Gance sie problemlos überei- Struktur des Films nicht abgeneigt war, sah 20 Jahre später das Visuelle des nanderblenden kann, um zusätzliche Dynamik zu schaffen Films nicht mehr als oberstes Gebot an.55 und Beethovens Zustand grafisch zu visualisieren.56 Der Der Titel, so muss in Bezug auf die Schrift noch hinzugefügt werden, Zwischentitel wird zu einem dramaturgischen Zeichen, bei kann diese Zeichenhaftigkeit jenseits seines textuellen Inhaltes erst errei- dem es nur noch in zweiter Linie darauf ankommt, den chen, wenn er überflüssig geworden ist, wenn man sich daran gewöhnt hat, Text zu lesen. dass die Informationen, die er kommuniziert, nicht mehr zwangsläufig not- Andere Filme der 30er Jahre nutzten mit den Titeln wendig für das Verständnis der Narration sind, weil sie sich beispielsweise jedoch auch weiterhin die Möglichkeit, die Narration zu sowohl im Bild als auch auf der Tonspur befinden. Die auf die Zuschauer zu- Erster Zwischentitel in Lost Horizon kommentieren. Little Caesar (Mervin LeRoy, USA 1931) fliegenden Zeitungen sind dabei die »aggressivsten« von allen, ihnen wohnt (Frank Capra, USA 1937) weist zwei solcher Zwischentitel auf, die zudem einen iro- zudem eine doppelte Enunziationsmarkierung inne, die in der Schrift selbst nischen Kommentar auf die Geschichte geben, der in der Inszenierung sonst sowie in der hier deutlich ausgestellten Zeigebewegung liegt. Da Titel im fehlt: »Months passed – Rico‘s career had been like a skyrocket – starting Tonfilm nicht mehr Wort für Wort gelesen werden müssen, kann mit ihnen from the gutter and returning there.« Und: »Rico continued to take care of auch selbstbewusster gestalterisch umgegangen werden. Ein besonders er- himself, his hair and his gun – with excellent results.« Frank Capras Lost Ho- wähnenswertes Beispiel hierfür findet sich in Abel Gance‘ Un Grand Amour rizon (USA 1937) beginnt mit nicht weniger als fünf Zwischentiteln in Form de Beethoven (F, 1937). Der Film weist mehrere Zwischentitel auf, die je- von Seiten eines Buches, das aufgeblättert wird, wovon drei kommentierend weils auf das wichtige Ereignis der folgenden Szene hinweisen, sowie Inserts sind (insgesamt fast 60 Sekunden). Die Titel sind auch ein exemplarisches handschriftlicher Briefe des Komponisten. Da sich die diegetische Zeit über Beispiel für eine Einführung in die Geschichte: die ersten beiden Titel knüp- mehrere Jahre erstreckt, kann Gance somit den Zuschauer gleich zu Beginn fen noch ganz allgemein und unabhängig von der folgenden Geschichte an einer neuen Szene über Orts- und Zeitwechsel informieren und gewährleis- die Erinnerung an bessere Zeiten an (»In these days of wars …«) und adres- ten, dass die Narration im Sinne des Regisseurs rezipiert wird. Möglicherwei- sieren dabei das Publikum direkt: »haven‘t you ever dreamed of a place …« se können die zahlreichen Zwischentitel des Films hier auch als Verweis auf und »Of course you have«. Der dritte Titel stellt dann bereits die Verbin- den kulturellen Anspruch des Films verstanden werden. Mitunter setzt Gance dung zur Geschichte dar: »One man had such a dream and saw it come true. die Zwischentitel sogar als grafische Mittel ein, indem er mehrere Ebenen He was Robert Conway …«. Der vierte Titel ist dann bereits ein erklärender, übereinander blendet und somit das Lesen erschwert. Nach rund 90 Minu- der allerdings noch mit einer deutlichen enunziativen Formulierung beginnt: 144 – 145 »Our story starts in the war-torn Chinese city of Baskul, einem anderen Tier verglichen werden. Eine sehr unge- where Robert Conway has been sent to evacuate ninety wöhnliche Art einer »Glamour-Aufnahme« findet sich zu white people before they are butchered in a local revolu- Beginn des Films La Chienne (Jean Renoir, F 1931). Nach tion.« den Credits folgt ein Kasperletheater, in dem durch das Während die Dialogtitel mit Einführung des Ton- Spiel der Puppen die im Film auftretenden Personen cha- films verschwinden, gehen die erklärenden und kommen- rakterisiert werden und eine Großaufnahme der jeweili- tierenden Titel teilweise in speziellen Inszenierungsstilen gen Schauspieler als Überblendung über der Szenerie zu auf. Die erklärenden Titel werden in Montagesequenzen sehen ist. Die erste Einstellung der Geschichte ist zudem Lilian Harvey und Willy Fritsch entdecken oder Dialogen zusammengefasst, wohingegen das oft- das Publikum in Die drei von der Tank- eine deutliche Enunziationsmarkierung, aufgenommen mals selbstreflexive Moment kommentierender und auf stelle (Wilhelm Thiele, D 1930). aus einem Fahrstuhl, in dem Speisen zu einer tafelnden besondere Art und Weise das Publikum adressierender Gesellschaft gebracht werden: Der Zuschauer wird mit dem Fahrstuhl vom Titel in speziellen Konstruktionen fortbesteht. BST ha- Puppentheater zum Film gefahren. 58 Noch deutlicher wird das Zeigen in der ben auf diese Parallele mit dem Vergleich von Lubitschs pre-title-sequence zu Hitchcocks The Man Who Knew too much (GB 1934) Stummfilm The Marriage Circle (USA 1924) mit seinem thematisiert. Auf einem Tisch liegen mehrere Reiseprospekte, eine Hand Tonfilm-Remake One Hour With You (USA 1932) hinge- wählt nacheinander einige aus, faltet sie auf und hält sie direkt in die Ka- wiesen, da beide Film in der Eröffnung das Publikum ad- mera. Auch in der Titelsequenz zu Sacha Guitrys Le Roman d‘un Tricheur ressieren, einmal in Form eines Zwischentitels und einmal (F 1936) wird das Zeigen und Sehen explizit thematisiert und sich dabei sogar gesungen (cf BST 2006: 303). Die im Stummfilm nicht über die am Film Beteiligten lustig gemacht. Die Aufsicht zeigt einen Tisch, möglichen Musical-Szenen stellen eine Art der Transfor- auf dem Spielkarten ausgeteilt und anschließend nacheinander umgedreht mierung der kommentierenden Zwischentitel dar, wird werden. Auf ihnen sind Buchstaben gedruckt, so dass am Ende der Titel des doch in beiden Fällen das Publikum direkt adressiert und Films zu lesen ist. Daran schließt sich ein visueller Prolog von zwei Minuten sich mitunter über die Narration selbst auch lustig ge- macht. Auch der frühe Tonfilm Die drei von der Tankstelle Zwischentitel am Anfang von Little Caesar „„ Glamour­Aufnahmen (Mervyn LeRoy, USA 1931) und bei einem (Wilhelm Thiele, D 1930) endet mit einer Bühnensituati- Ortswechsel in der 10. Minute des Films. Glamourvorspanne waren um 1910 häufiger zu sehen. nur, die Bilder in Gestalt unbewegter Photographien von on, in der die beiden Darsteller direkt in die Kamera spre- Unten: Weiterer erklärender ZT nach ca. Dabei wurden am Anfang des Films die Hauptdarstel- Visitenkarten- oder Kabinettformat zu geben. Es liegt einer Stunde des Films The Devil‘s Brother chen und vorgeben, mit dem Publikum des Kinofilms zu ler, aber manchmal auch die Regisseure und andere doch wirklich nahe, das Prinzip der Bewegung auch auf (Hal Roach, Charley Rogers, USA 1933) kommunizieren, das ja noch auf das Finale wartet. 57 am Film Beteiligten in einer Einstellung dem Zuschau- sie anzuwenden. Man photographiere als den Dichter an Eine andere Form der Kontinuität von Zuschauerad- er präsentiert, die in keinem diegetischen Zusammen- seinem Schreibtisch, den Regisseur bei der Probe, die hang mit dem Rest des Films steht. In Die arme Jenny Schauspieler beim Einstudieren ihrer Rolle und schicke ressierung im Stumm- und Tonfilm findet sich mit der »Glamour-Aufnahme«, (Urban Gad, D 1912) sieht man Asta Nielsen vor einem diese Laufbilder den Kinopantomimen voraus« (Lange die in den 10er Jahren übliche Präsentation der Stars am Anfang des Films, Theatervorhang, die Einstellung ist eingebettet zwi- 1920: 115). Zur Glamour-Aufnahme oder dem Prolog siehe wurde nun mit den Titelvorspannen verschmolzen. „„ So erhalten die Dar- schen den Credits und dem ersten erklärenden Titel. Für BST 2006: 27; Bowser 1990: 145; Schweinitz 2003. stellerinnen aus George Cukors The Women (USA 1939) nach den Credits diese Art des Vorspanns plädierte Konrad Lange noch Glamour-Aufnahmen der 30er Jahre bestanden anders 1920: »Ist das doch in noch höherem Grade Kunst als das als in den 10er Jahren überwiegend aus Bildmaterial des noch einmal je eine Großaufnahme mit ihrem Namen und dem Namen der gedruckte Programm, das man vor einer Theaterauffüh- folgenden Films (siehe hierzu wie auch zur Analyse des Person, die sie spielen, wobei sie allerdings durch Überblendung jeweils mit rung in die Hand gedrückt bekommt […]. Geistlos ist es Vorspann von The Women, Böhnke 2005). 146 – 147 um einen Analyseprojektor, denn als George als erwachse- „ Probleme der Filmanalyse: wie macht man  ner Mann das erste Mal erscheint, friert das Bild ein, um  ein Standbild eines Standbildes, wie wird  ihn genauer betrachten zu können. ƒ Und in A Matter of anhand des Standbildes kenntlich, dass es  Life and Death (Powell, Pressburger, GB 1946) erstarrt alles sich um das Bild eines Freeze Frame han­ in der Umgebung des eigentlich tödlich verunglückten Pe- delt, im Gegensatz zu den Standbildern aus  ter, sobald der himmlische Bote Conductor 71 auf die Erde den Bewegtbild­Passagen? kommt, um ihn zur Rückkehr in den Himmel zu bewegen.  Conductor 71 freut sich zudem über die schönen Technico- Kasperletheater in der Exposition von La Chienne (Jean Renoir, F 1931), rechts: die erste Einstellung  So auch beim Tischtennis­Spiel: June  der Exposition: die Kamera wird mit einem Speisenaufzug nach oben gefahren. lor-Farben auf der Erde (der Himmel wurde auf schwarz- und der Arzt spielen, als der Bote er­ weiß gedreht). In Deutschland waren solch selbstreflexive scheint. Die Zeit hält an, so dass Peter  Länge an, in dem in Form eines Making-of die Beteiligten des Films von Bezüge in Filmen wie Film ohne Titel (Rudolf Jugert, BRD sich mit ihm ungestört und unbemerkt  Guitry selbst im Off vorgestellt werden. Dabei fährt die Kamera durch die 1948) zu finden, in dem sich ein paar Filmschaffende den unterhalten kann. Die beiden Spieler  Kulissen und zeigt Komponist, Kamera- und Tonmann bei der Arbeit und die Film, den man gerade sieht, erzählen.„ bleiben stehen und der Ball schwebt  Hauptdarsteller im Gespräch während einer Drehpause. Guitrys Kommentar Mit dem Verschwinden der Titel erzählt der Film zwischen ihnen, während die Kamera  aus dem Off verhält sich dabei ironisch, so vergleicht er die Kabine des Ton- seine Geschichte also nicht unbedingt transparenter, weiter um die Platte fährt. Bullet-Time?  mannes mit einer Taucherglocke oder erklärt zu den Aufnahmen der Schau- sondern die »Medialität der filmischen Fiktion« (Müller Zwar erkennt man nach einiger Zeit den  spielerinnen, dass sie nur vorgäben, ihn und die Kamera nicht zu bemerken. 2003: 167) wurde weiterhin partiell betont. Wurde diese Faden, an dem der Ball hängt, und ganz  Das Besondere der kommentierenden Titel, ihre adressierende Funktion Medialität im Stummfilm der 20er Jahre mitunter noch still können die Darsteller auch nicht  und der selbstreflexive Moment, bleiben zunächst also erhalten, auch wenn durch Zwischentitel im Bewusstsein gehalten, thema- halten, aber der Effekt ist im Grunde  sie selbst nicht mehr auftauchen. Zwar unterbricht nicht mehr die Schrift tisierte man sie in den 30er und 40er Jahren in Bild und ein ähnlicher. Als Anal ogie zur groß­ den Fluss der Bilder, aber die deutlichen Enunziationsmarkierungen halten Ton. Diese selbstbezüglichen und autothematischen Mo- spurigen digitalen Effektbezeichnung  bisweilen die Narration an. In den Musicals blicken die Sänger direkt in die mente vieler Tonfilme zu Beginn der 30er Jahre, in denen könnte man das die Table-Tennis-Time  Kamera und tanzen und singen selbst in den dramatischsten Momenten. In beispielsweise der Tonapparat gezeigt wurde (ebd: 354ff.) nennen. Verschiedene Stränge kommen  Beispielen aus den 40er Jahren hält man dabei auch gleich den Film noch an. oder Stimmen »vertauscht« wurden, fasst Müller unter darüber übrigens wieder zusammen: So  So unterbricht der Erzähler aus Our Town (Sam Wood, USA 1940) nicht ein- dem Begriff der »Technikästhetik« des frühen Tonfilms existiert auf youtube eine sehr populä­ fach nur die Geschichte, sondern ruft an einer Stelle in die zusammen, da bei Filmschaffenden und Publikum anfangs re Parodie der Bullet­Time unter dem  Kamera dem Vorführer zu, er solle kurz den Film anhalten, noch ein Interesse an der Technik bestand (ebd: 314).59 Titel MAtrix Ping Pong, in der der Ef­ damit das Publikum an eine Person aus dem Film einige Unter einer allgemeineren Perspektive können diese fekt auf analoge Weise beim Tisch­ Fragen stellen könne. Diese folgen aus dem Off, und nach Szenen jedoch für das generelle Interesse des Films an ei- tennis nachgeahmt wird (http://www. der Beantwortung gibt er dem Vorführer dann ein Zeichen nem Spiel mit dem Medium stehen, das sich im Stummfilm youtube.com/watch?v=dcmDscwEcI,  zum Fortsetzung des Films. In It‘s a Wonderful Life (Frank eben häufig in den Zwischentiteln äußerte und mit dem zuletzt gesehen am 21.3.2012). Capra, USA 1946) schaut sich der Engel George‘s (James Tonfilm andere Formen gefunden hat. The Man who knew too much Stewart) Leben durch einen Vorführapparat an, der erst Dieses Ausstellen und Thematisieren der Medialität wurde unter an- (Alfred Hitchcock, GB 1934) einmal scharf gestellt werden muss. Dabei handelt es sich derem von Tom Gunning als spezifische Eigenart des frühen Kinos beschrie- 148 – 149 ben, die sich beispielsweise in Form der Zuschaueradres- Die Wende zum »unreinen« Kino ƒ Auch in den 50er Jahren findet sich zu­ sierung in spätere Formate wie das Musucal gerettet hat Die kommentierenden und selbstreflexiven Titel wurden erst ab den 60er mind  est in vielen US­amerikanischen  (cf Gunning 1997: 57). Da Gunning den Vergleich allein Jahren wieder häufiger eingesetzt, und zwar hauptsächlich in den so ge- Filmen das Spiel mit dem Medium: in den  vom Bild ausgehend betreibt, übersieht er den Medien- nannten Autorenfilmen. Prologen zu The Girl Can‘t Help it (Frank  wandel, den diese Form in den kommentierenden Zwi- Vom Ton forderte man zunächst, unterstützend zu wirken, damit der Tashlin, USA 1956) und Will Success Spoil schentiteln vollzogen hat, bevor sie in den hier erwähn- Sinn des Films sich nicht allein über ihn transportiere. Mit dem einflussrei- Rock Hunter? (Frank Tashlin, USA 1957) oder  ten Beispielen wieder zum Bild wurde. chen Manifest Alexandre Astrucs und den Aufsätzen André Bazins wurde in William Castles The Tingler (USA 1959),  Sind die Dialogtitel in den hörbaren Dialogen des seit Ende der 40er Jahre dieses homogene Bild-Ton-Zusammenspiel hinter- in dem das Monster des Films auch in ein  Tonfilms aufgegangen, finden sich die kommentierenden fragt und Filme wie Alain Resnais’ Hiroshima mon Amour (F 1959) demonst- Kino eindringt, woraufhin das Bild des Films  Titel in eben jenen besonderen Formen wieder. Für die rierten wortlastige Möglichkeiten einer Ton-Bild-Schere. verschwindet und das Monster als Silhouette  verbliebenen Zwischentitel im Tonfilm bleibt festzuhalten, 1948 hatte Alexandre Astruc mit dem Ausdruck der caméra stylo die auf der Leinwand erscheint, als ob es sich  dass das Lesen der einzelnen Worte nicht unbedingt im Schrift-Metapher nachhaltig wiederbelebt. Wie Pagnol vor ihm, kritisiert auch vor die Linse des Projektors geschoben hätte.  Vordergrund stand. Die Informationsvermittlung verla- er den Stummfilm aufgrund seiner Fixierung auf das Bild sowie seiner »stati- Eine Stimme aus dem Off verkündet, dass  gerte sich deutlicher noch ins Bild und auf den Ton, was schen Konzeption des Bildes« (Astruc 1964 [1948]: 113). Erst mit Filmen wie der Tingler soeben in das Kino eingedrungen  die Titel in der Folge davon befreite und sie somit spiel- La Règle du Jeu (Jean Renoir, F 1939) oder Citizen Kane (Orson Welles, sei. Ein Beispiel für eine besonders selbstre­ erischer und grafischer eingesetzt und gestaltet werden USA 1941) sei der Film zu einer Sprache (language) geworden, flexive Erzählweise in einem deutschen Film  konnten. ist der Anfang von Wir Wunderkinder (Kurt  »das heißt zu einer Form, in der und durch die ein Künstler seine Gedanken, so Hoffmann, BRD 1958), der von einem Filmer­ abstrakt sie auch seien, ausdrücken oder seine Probleme so exakt formulieren zähler bestritten wird. kann, wie das heute im Essay oder im Roman der Fall ist. Darum nenne ich diese neue Epoche des Films die Epoche der Kamera als Federhalter [la Caméra  stylo]. Dieses Bild hat einen genauen Sinn. Es bedeutet, dass der Film sich nach und nach aus der Tyrannei des Visuellen befreien wird, des Bildes um des Bildes Der Erzähler aus Our Town (Sam Wood, USA 1940) lässt das willen, der unmittelbaren Fabel, des Konkreten, um zu einem Mittel der Schrift Publikum Fragen an eine diege- [un moyen d’écriture] zu werden, das ebenso ausdrucksfähig und ebenso sub- tische Person stellen. til ist wie das der geschriebenen Sprache [du langage écrit]« (ebd: 112).   Dieser Vergleich bezieht sich dabei explizit nicht auf die Ideografie-Analo- gie Eisensteins, sondern ist in einem allgemeineren Sinn zu verstehen, auch wenn Astruc sich für »Probleme wie die Übertragung der Zeiten des Verbs« interessiert (ebd: 114). Für Astruc ließen sich die Gedanken »direkt auf dem Filmstreifen« niederschreiben (ebd: 113). Damit müsste auch eine Wandlung der Distribution einhergehen, die bald bevor stünde und den Film aus den »Marguerite Moreno bavarde avec Jacqueline Delubac. Elle fait semblant de lui montrer quelque chose mais elles auront bien de la peine de nous faire croire qu‘elles ne savaient pas qu‘on les cinematographie.« Vorspann zu Le Ro- Kinosälen befreien werde, da er durch die »Weiterentwicklung des 16-mm- man d‘un Tricheur (Sacha Guitry, F 1936). Films und des Fernsehens« bald für jeden auch zuhause verfügbar sei, was 150 – 151 eben auch die Sujets beeinflussen werde, da man dann nicht nur Romane Bild gegenüber. Das »cinéma pur« (ebd.) ist nichts Erstrebenswertes mehr. in Form geschriebener Filme entleihen werde, sondern auch »Literaturkritik, Gleichzeitig kann Astruc aber auch nicht unter das sich in den folgenden […], mathematische Essays, Geschichte oder Populärwissenschaftliches usw.« Jahren im Zuge der Entstehung der Filmsemiotik entwickelnde Textparadig- (ebd: 112). Damit geht Astruc wie auch Vachel Lindsay da- ma des Films subsumiert werden. Die von ihm beschriebene Filmschrift ist als „ Wie unterschiedlich dieselben  von aus, dass durch die Bearbeitung komplexer Themen im eine sehr umfassende und gewollt ungenaue Metapher zu verstehen, Astruc  Metaphern genutzt werden, zeigt ein  Film automatisch ein höheres Interesse in der Bevölkerung äußert sich nicht bezüglich Konstruktion und möglicher Grammatik im Film, Zitat von Murnau: »Wirkliche Kunst  nicht nur für diese Themen, sondern auch für die komple- obgleich Gilbert Cohen-Séat bereits zwei Jahre zuvor im Essai sur les Prin- ist einfach, aber Einfachheit erfordert  xen Ergebnisse vorhanden sein werde, und diese gleich- cipes d‘une Philosophie du Cinéma diese Bezugssysteme wieder ins Spiel ge- die höchste Kunst. Die Kamera ist die  zeitig im Film leichter verständlich erklärt werden könnten bracht hatte. Doch auch wenn Cohen-Séat sich Kino und Film verstärkt von entwerfende Feder des Regisseurs. Sie  (cf Lindsay 1916: 233f.). Mit der Wahl des Federhalters als der Seite der Rezeption in Augenschein nimmt und von »Orthographie« und sollte so beweglich sein, wie es möglich  Analogie schwingt im Gegensatz zu anderen Schrift-Film- »Syntax«, von »Grammatik« und »Adjektiv« im Bezug auf den Film spricht ist, jede vorkommende Stimmung ein­ Vergleichen noch Eleganz und Individualität der Kalligra- (Cohen-Séat 1962 [1946]: 78f.), betont er gleichzeitig auch immer wieder, zufangen, und es ist von Bedeutung,  fie mit sowie die für die folgende Autorendebatte, für die dass es sich mit dem Regelwerk der »Schrift des Films« (ebd.) anders verhält, daß die mechanischen Geräte des Kinos  Astrucs Aufsatz zentral werden sollte, wichtige Möglichkeit als man es von der Sprache kennt. Sprache, so Cohen-Séat, verfestigt und sich nicht zwischen den Betrachter und  einer persönlichen Handschrift. ƒ Präzision im Ausdruck, entwickelt sich durch Wiederholung, wohingegen »[b]eim Film […] genaue den Film schieben. Der Film­Regisseur  was sowohl in den 10er Jahren als auch für Lev Kuleshov als Wiederholungen ebenso unmöglich wie zwecklos sind« (ebd.). Deswegen muß sich selbst von jeder Tradition lö­ Grundlage zur Film-Schrift-Analogie gedient hatte, spielt können mit nur einem Film verständliche Formen erfunden werden, die sich sen, ob vom Theater oder von der Lite­ bei Astruc keine Rolle mehr. danach etablieren und weiter ausgebaut werden. Der Film ist sozusagen eine ratur, um den bestmöglichen Gebrauch  Astruc bleibt den Lesern allerdings eine konkretere Schrift, die sich selbst erfindet. Und deswegen hütet Cohen-Séat sich auch von seinem neuen Medium zu machen«  Ausführung seiner Vision schuldig. Der Absatz, in dem er davor, selbst ein Regelwerk aufzustellen (ebd: 81). (Murnau 1990 [1927]: 153). die neue Filmpraxis beschreibt, ist diesbezüglich vage: Auch wenn Astruc eher für die Erneuerung der Schriftmetapher be- kannt ist, so sind doch die Sätze entscheidender, die der Einführung des Wir haben begriffen, dass dieser Gedanke, diese Bedeutungen, die der Ausdrucks der Caméra stylo vorausgehen: Stummfilm durch symbolische Assoziation zu erzeugen versuchte, im Bild selber bestehen, im Ablaufen des Films, in jeder Bewegung der Figuren, in Der Film ist ganz einfach dabei, ein Ausdrucksmittel [moyen d‘expression] jedem ihrer Worte, in den Kamerabewegungen, die die Objekte miteinander zu werden, wie es alle anderen Künste zuvor, wie es insbesondere die Ma- in Verbindung setzen und die Personen mit den Objekten. Jeder Gedanke wie lerei und der Roman gewesen sind. Nachdem er nacheinander eine Jahr- jedes Gefühl ist eine Beziehung zwischen einem Menschen und einem ande- marktsattraktion, eine dem Boulevardtheater ähnliche Unterhaltung oder ren Menschen oder gewissen Objekten, die Teile seiner Welt sind. Indem er ein Mittel war, die Bilder einer Epoche zu konservieren, wird er nach und diese Beziehungen darlegt, deren greifbare Spur er zeichnet, kann der Film nach zu einer Sprache [langage] (Astruc 1964: 111f).  sich wahrhaft zum Ort des Ausdrucks eines Gedankens machen (ebd: 113). Die Auflistung steht bei Astruc nicht allein im Zeichen der Etablierung des Neben dem für die Cahiers du Cinéma und die Nouvelle Vague wichtigen Ab- Films als Kunst, sondern im Potenzieren der Ausdrucksmöglichkeiten. In- satz über die Untrennbarkeit von Autor und Regisseur (ebd: 114) ist Astrucs dem sich Astruc gegen das Reinheitsgebot des Kinos wehrt und gleich- Manifest vor allem interessant aufgrund seiner relativierenden Haltung dem 152 – 153 zeitig die Sprache (langage) dem Sprachsystem vorzieht (langue), kann er massenwirksam – voneinander profitieren: »In Wirklichkeit geht es nicht wie später Metz auch, der diese Unterscheidung eingehend untersuchte, um Konkurrenz und Verdrängung, sondern um eine neu hinzugekommene als Gegner des Ausschluss produzierenden idealen Filmsystems gelesen Dimension, die der Kunst seit der Renaissance nach und nach verlorenge- werden.60 Diese Öffnung des Systems wird von zahlreichen Theoretikern gangen war: die Dimension des Publikums« (Bazin 2004 [1952]: 137f.). Der und Kritikern im Frankreich der 40er bis 60er Jahre betrieben, was hier im Film solle dabei als Entdecker und Multiplikator der Literatur dienen, da Folgenden exemplarisch an Bazin und Metz verdeutlicht werden soll. Da- er die Werke der Weltliteratur neu und zeitgenössisch interpretieren und bei werden wichtige Aspekte dieser Autoren wie Realismus oder Textpara- somit auch beim Publikum das Bedürfnis auslösen könne, diese Werke digma nicht thematisiert; sie stehen hier für eine veränderte Auffassung zu lesen oder auf der Bühne zu sehen. Die Literaturverfilmung wäre da- der Konzeption von Film, die sich in der Folge auch in der heterogeneren bei nur eine Übergangslösung, wie Bazin gegen Ende in einem Satz be- Verwendung stilistischer Mittel in den Filmen der Nouvelle Vague und des merkt: »Vielleicht kommt eine Zeit des Wiederauflebens, das heißt eines Auoren- und Experimentalfilms wiederfindet (siehe hierzu das Kapitel 3). Kinos, das wieder unabhängig ist von Roman und Theater. Dies jedoch viel- Wichtig zu betonen ist, dass diese Filme nicht durch diese Texte ermöglicht leicht deshalb, weil dann die Romane direkt als Filme geschrieben werden« wurden oder eine Art Antwort darauf darstellen, sondern eher als Ergän- (ebd: 137) – ein Argument, das sich so ähnlich auch bei Astruc findet, der zung zu sehen sind, als eine Veränderung, die sich sowohl in Theorie als der Meinung ist, dass, wenn Descartes »heute lebte […] [er] sich bereits auch Praxis niederschlägt. mit einer 16 mm-Kamera und Film in sein Zimmer einschließen und den André Bazin hat in dieser Hinsicht Astrucs Ansinnen entscheidend ›Discours de la méthode‹ als Film schreiben [würde], denn sein ›Discours‹ weiterentwickelt. In einem Artikel zu den Filmen Pagnols fasst er das mit würde heute so ausfallen, dass nur der Film ihn, wie es sich gehörte, aus- folgenden Worten zusammen: » ›Kino‹ ist nichts Abstraktes, keine Essenz, drücken könnte« (Astruc 1964: 112). sondern die Summe all dessen, was durch die Vermittlung des Films die Auch im Bezug auf das Theater hat Bazin keine Berührungsängste. Qualität von Kunst erreicht« (Bazin 2004 [1952/3]: 218).61 Eine bestimmte Gerade das Theatrale zeitgenössischer Verfilmungen macht er als intellektu- Art des Stummfilms war für Bazin und Astruc zum Untergang verurteilt, elles Moment aus (cf Bazin 2004 [1951]: 201ff.). Der Film habe jedoch zudem weil sie sich angeblich allein auf das Bild verließ. Der neue Film würde die Möglichkeit, dem theatralen Stoff den Raum als Protagonisten zur Seite mehr Elemente einsetzen und damit komplexer und inhaltlich ansprechen- zu stellen, um somit reale Dimensionen zu erreichen (cf ebd: 209). Das Kino, der werden. Der Film könne als neue Kunst nur wirklich ernst genommen das André Bazin nicht müde wird, als neue Kunstform herauszustellen, ist werden, wenn er zu so komplexen Aussagen gelange wie die Werke der eines, in dem sich das Geschehen vor der Kamera abspielt, die eins ist mit Literatur. Zwar ist Bazin hauptsächlich für seine Begeisterung einem mög- einem heimlich zuschauenden, aber gleichzeitig »außergewöhnlich scharf- lichst realistischen Kino gegenüber bekannt, dies ging jedoch nicht einher sichtigen Zuschauer, der in den Stand versetzt ist, alles zu sehen« (ebd: 179). mit der Forderung nach dem reinen Film, da er, wie Elsaesser darlegt, die Der Realismus ist das Markenzeichen, das dieses neue Kino auszeichnet. In Frage ob und wenn ja, warum Film Kunst sei, nicht mehr auf der bis dahin seinem einflussreichen Aufsatz »Die Entwicklung der Filmsprache« nimmt rein ästhetisch geführten Debatte fortsetzte (cf Elsaesser 2009: 24). Ba- Bazin einige der zentralen Argumente Astrucs auf, führt aber als gemein- zin interessieren nicht mehr die Unterschiede von Film und den anderen same Neuerung der veränderten Ästhetik den Realismusanspruch des Films Künsten, sondern die Gemeinsamkeiten.62 »Für ein unreines Kino« heißt und die damit im Zusammenhang stehende Schärfentiefe an (cf Bazin ein Aufsatz Bazins aus dem Jahr 1952, in dem er die Wechselwirkungen von 2004 [1951-5]: 103). Wie Astruc sieht auch Bazin die Wende nicht mit dem Literatur und Film betrachtet und zu dem Ergebnis kommt, dass beide – Tonfilm gekommen, sondern mit neuen Sujets und »Errungenschaften der 154 – 155 Mise-en-scène« (ebd.), wofür er als Beispiel wie Astruc suchen, die in den Debatten des Stummfilms als unfilmisch angesehen wur- „Siehe auch folgendes Zitat eines Auf­ die Filme Renoirs und Welles’ nennt. Der Ton bedeute- den, nämlich der Literatur und des Theaters, bereiten sie durchaus auch den satzes zu La Régle du Jeu: »Schlechte  te somit nur das Ende für die Ästhetik der Filmsprache, Weg für diejenigen Filmemacher, die diese Heterogenität in der Bildgestal- Filme bestehen genaugenommen nur aus  »die sich am weitesten von der realistischen Bestimmung tung dann vorantreiben werden.63  Symbolen, Zeichen, Konventionen, dra­ des Films entfernt hatte« (ebd: 107). Für Bazin sind die Der entscheidende Unterschied zu den Sprach- und Schriftanalogi- matischen, moralischen und affektbe­ Eisenstein‘schen Montage-Filme repräsentativ für diese en des Stummfilms liegt darin, dass man zwar deutlich auf dem Realismus zogenen Hieroglyphen. Insoweit hat der  überkommene Ästhetik (cf ebd: 94). ƒ Bazin plädiert für des Films insistierte, damit aber eben nicht über die Präzision den Bogen gesunde Menschenverstand durchaus  ein mehrdeutiges, dem Realismus verpflichtetes Kino, zu Sprache und Schrift schlug. Nicht, weil man, wie es Lindsay 1916 ent- recht, wenn er den Realismus zum Quali­ kommt aber am Schluss des Aufsatzes überraschend auf warf, ein Wörterbuch des Films aufstellen könnte, bietet der Film die Mög- tätskriterium macht« (Bazin 1980: 60). die Metapher des Schreibens zurück: lichkeit, alles auszudrücken, sondern weil Bild und Ton zusammen dafür genutzt werden können. [Z]ur Zeit des Stummfilms beschwor die Montage, was der Regisseur sagen Theoretisch am nachhaltigsten und fundiertesten ausformuliert hat wollte, 1938 beschrieb der Schnitt, und heute schließlich, könnte man sagen, diesen Aspekt zunächst Christian Metz, der die alte Frage nach der Spra- schreibt der Regisseur unmittelbar auf Film. Das Bild – seine äußere Struk- che des Films neu stellte (cf Nessel 2008: 52). Die Ablehnung des Wortes tur, seine Organisation in der Zeit – verfügt, weil es sich auf einen größeren im Stummfilm und auch im Tonfilmmanifest von Eisenstein, Pudowkin und Realismus stützt, über sehr viel mehr Mittel, die Wirklichkeit zu beugen und Alexandrow führt er auf die Konzeption des Films als langue zurück, als von innen her zu verändern. Der Filmemacher ist nicht mehr nur ein Konkur- eigenständiges Sprachsystem: rent des Malers und des Dramatikers, sondern steht endlich auch gleichbe- rechtigt neben dem Romanautor (ebd: 108f; Hervh. i. O.). Zu der Zeit, wo sich das Kino als eine richtige Sprache [langue] verstand, empfand es für die anderen richtigen Sprachen eine Art heiligen Abscheus. Die Analogie zur Schrift taucht in diesem Aufsatz zum ersten Mal auf und Das Kino fürchtete, sie könnten mit ihm konkurrieren, wo doch das Kino ist ohne die Kenntnis von Astrucs Manifest nur schwer nachzuvollziehen. selbst eine solche Konkurrenz erst möglich gemacht hatte, als es sich mit Bei Astruc wird das Schreiben auf dem Filmstreifen als logische Folge be- ihnen auf eine Stufe stellte (Metz 1972: 75). gründet, da er die Filmkunst an einem Punkt angekommen sieht, an dem das Gemeinte direkt kommuniziert werden kann, »ohne den Umweg über Polemisch weist er darauf hin, dass die Exklusion der verbalen Sprache im die plumpen Bildassoziationen zu nehmen« (Astruc 1964: 113). Die Schrift- Stummfilm einherging mit einer Geschwätzigkeit in Manifesten, »Rede- Analogie hat sich somit deutlich vom Bild entfernt und sagt kaum noch et- schlachten, Ivektiven, Proklamationen, Prophezeiungen […] gegen densel- was über die Art des Bildes (Präzision) oder die Organisation des Materials ben unfaßbaren Gegener: das Wort« (ebd: 76). Metz lehnt eine Modellie- (intellektuelle Montage) aus. Vielmehr wird betont, dass sich der Film neu- rung des Films nach dem Modell der Sprache ab und stellt fest, dass das en Inhalten zuwendet und wertet somit den Film innerhalb des Kunstdis- Kino eine »langage ohne langue« (ebd: 68; Hervh. i. O.) sei, eine Sprache kurses auch auf. Der Film ist nicht mehr bloß eine visuelle Kunst, sondern ohne Sprachsystem. Dass der Film trotzdem so verständlich ist, führte man eine textbasierte. Das unreine Kino, das Bazin fordert, ist also (noch) kei- dabei auf seine Bildlichkeit zurück, die sich an der alltäglichen Wahrneh- nes, das auch selbstbewusst auf eine heterogene Bildgestaltung setzt, son- mung orientiere, sowie auf die Tatsache, dass der überwiegende Teil des Ki- dern sich nicht mehr gegen Einflüsse aus den anderen Bereichen der Kunst nos Geschichten erzähle, ja, dass das Geschichtenerzählen im Kino so stark wehrt. Aber indem Bazin und Astruc bewusst die Nähe zu den Bereichen sei, dass das Bild selbst dahinter zurücktrete: 156 – 157 den kann, dass entweder der Ton oder das Bild hauptsächlich zur Konstruk- Alles läuft ab, als verbinde eine Art Induktionsstrom, ganz gleich was man tut, tion der Bedeutung beitragen. An mehreren Stellen betont er, dass der Film die Bilder unter sich und als ginge es über die menschliche Kraft (des Zuschau- aus fünf »sensoriellen Mitteln« (ebd: 17) bestehe: dem Bild, der Musik, den ers sowie des Filmemachers), einen roten ›Faden‹ zu ignorieren, sobald zwei Dialogen, den Geräuschen und Schriftzeichen (cf ebd.). Dabei weist er nach- Bilder aufeinander folgen. […] Von einem Bild zu zweien überzugehen bedeu- drücklich auf die Schrift im Film hin: »[D]och wird das cinéma – wie der Film, tet: vom Bild zur Sprache [langage] zu kommen. […] Nicht weil das Kino eine nur in größerem Maße – durch die parallele und simultane Entfaltung seiner Sprache ist, kann es uns so schöne Geschichten erzählen, sondern weil es sie uns vier sensoriellen Elemente (genauer gesagt, handelt es sich um fünf, denn erzählt hat, ist es zu einer Sprache geworden (Metz 1972: 71ff).   man vergisst häufig die ausgeschriebenen Schriftzeichen) definiert« (ebd: 27, Obwohl Metz insbesondere Bazin, Astruc und Truffaut vorhält, dass sie sich auch cf ebd: 188). Versuche – und auch hier zeigt sich die Nähe zu Bazin und in ihren Aufsätzen nicht um die Syntax gekümmert hätten (cf ebd: 73), so Astruc –, den Film im Zeitalter des Tonfilms allein auf das Bild hin zu definie- rechnet er Bazin doch an, dass dieser zumindest eine »Konzeption des Ki- ren, indem der Ton mit seinen drei Elementen allein dieses unterstützen soll, nos als langue abgelehnt« habe (ebd: 68, FN 41).64 Metz’ lehnt die Parallele bezeichnet er als ideologisch, eine Homogenität von Sensoriellem und Tech- von Schrift und Montage im Film ab. Der Film bilde nur selten »echte Zei- nischem implizierend (cf ebd: 26). Metz geht dabei so weit, dass die Elemen- chen« aus, konventionalisierte Bildergefüge wie jene der Montagesequenzen te im Film ihre Eigenständigkeit bewahren können und nicht zwangsläufig beispielsweise: »Bestimmte Bilder des Kinos, die ein langer vorhergehender zu etwas Filmischem werden müssen: Gebrauch innerhalb der realisierten Rede [parole] schließlich in eine konven- Einer geläufigen Auffassung zufolge besteht das Wesen des Films darin, dass tionelle und starre Richtung festgelegt hat, werden zu einer Art von Zeichen« er verschiedene nicht-kinematographische Materialien zu einer kinemato- (ebd: 109). Die kinematografische Sprache [langage] ist bei Metz »die Summe graphischen Komposition formt. Hier hingegen wird behauptet, das Wesen […] aller besonderen kinematographischen Codes, die verschiedenen Arten des Films bestehe darin, kinematographische und nicht-kinematographische von Filmen eigen sind« (Metz 1973: 74), und der Versuch, das Kino auf die Codes zu einer Gesamtkonstruktion zusammenzufassen, die diese Dualität Kunst der Montage zu reduzieren, würde bedeuten, »die Nachricht des Films bewahrt, durch die logische und strukturelle Einheit eines singulären Sys- allein auf den Code der Nachricht zu reduzieren« (ebd: 44). Auch für Metz tems jedoch über sie hinausgeht: die die Dualität in eine Mischung (mixté) ist die Schrift in erster Linie ein Notationssystem und das „ Die kinematografische Sprache »ist  transformiert (ebd: 116). Medium textueller Aktivität (cf ebd: 309). Als »Filmschrift ƒ allein Schrift und Sprache (langue):  (écriture filmique)« (ebd; Hervh. i. O.) im Sinne von »textu- Das Filmische besteht für Metz in der Eigenständigkeit der einzelnen Ele- Sprache (langue), wenn man sie von  eller Aktivität« (ebd.) bezeichnet Metz daher den Film als mente, die darin zusammenwirken. Nicht das realistische Abbild allein ist ihren allgemeinen Codes her betrachtet,  Komplex von Textsystemen (ebd: 310), unabhängig von sei- das Zentrum des Films, sondern es ist nur eine unter mehreren Möglich- Schrift, durch bestimmte ihrer Sub­ ner Gestaltung und den eingesetzten Mitteln. keiten, die man im Film verwendet. Die Bedeutung des Films liegt in seiner Codes, jene nämlich, die den Stil eines  Damit legt Metz eine theoretische Basis für eine Geschichte, nicht mehr allein in diesem Bild oder jener Kombination. Über einzelnen Filmemachers durch ihre  Untersuchung des Films, die diesen als heterogenes Me- diesen Umweg begann man in Frankreich auch wieder die Zwischentitel des Weite überschreiten: z. B. den Genres  dium auffasst, da es bei ihm nicht mehr primär um die Stummfilms »zu verteidigen« (Fieschi 1976: 10): […]. Das cinéma ist keine Schrift,  Bedeutung des Bildes oder des Tons geht, sondern um die doch enthält es mehrere von ihnen«  Ainsi l‘image muette, isolée par l‘intertitre, dont parfois le temps de lecture est Bedeutung des Medienverbundes im Film. Das impliziert (Metz 1973: 291). artificiellement prolongé, peut nous hanter comme un corps autonome. Elle est auch, dass die Hierarchie sich von Fall zu Fall unterschei- 158 – 159 sen«.69 Auch der innere Monolog der Figuren wird sachlich auf Titeln ge- proche de la vignette, sur laquelle s‘arrête notre regard, qui la scrute et grossit äußert: »Sie will sich bessern«. Kluge konnte sich so ganz auf die Folgen son approche. La parenté avec la bande dessinée est plus étroite qu‘une simple der in den Titeln beschriebenen Ereignisse sowie die weitere Entwicklung homologie scripturale: elle tient à un arrêt sur l‘image comparable, et suscité der Charaktere konzentrieren, ohne durch die Darstellung des Effekts zu par l‘intertitre. Le carton est la »structure sous-jacente« du film (ebd.).66   sehr mit Affekten abzulenken. Die Titel fügen sich dabei zum einen in die In Deutschland war diese Debatte weniger stark ausgeprägt.67 Ungefähr auch sonst heterogene Gestaltung der Filme ein, die immer wieder auch zeitgleich zu Metz finden sich in einem Aufsatz von Edgar Reitz, Alex- Found-Footage-Material und dokumentarische Szenen in die Spielhand- ander Kluge und Wilfried Reinke jedoch ganz ähnliche Argumente: Auch lung verweben, sind zum andern aber auch Ausdruck der „  In Kluges Fernseharbeiten scheint  bei ihnen entsteht Filmsprache zunächst durch das Erlernen von Stereo- komprimierten Montage-Bausteine, mittels derer Klu- sich die Schrift mitunter ver selb­ typen (cf Reitz, Kluge, Reinke 1992 [1965]: 213) und der Tonfilm muss ge häufig seine Filme strukturiert (cf Wach 2009: 182). ständi gt zu haben. Einige Folgen sind  vor allem von den unkonventionellen Möglichkeiten der Kombination Diese bewusste Heterogenität, das Aufeinanderprallen durchzogen von Titeln, die das Gesagte  von Wort und Bild profitieren, wozu neben dem Off-Kommentar und der von inszeniertem, gefundenem und dokumentarischem ergänzen oder doppeln, selten jedoch  scheinbar unrealistischen Dialoggestaltung auch der Einsatz von Titeln Material sowie von Bild und Text bezeichnet Kluge wie- despektier lich kommentieren. Häufig  zählt (cf ebd: 217ff.). Auf der Ebene der Sprache gehen die Autoren da- derum als eine Art von Realismus: »Wenn ich Realismus ist die Schrift dabei stark inszeniert  von aus, dass der Film der Literatur unterlegen sei, da er aufgrund seiner als eine Kenntnis von Zusammenhängen begreife, dann und geht eine inhaltliche Verbindung  »Oberflächengenauigkeit« (ebd: 212) nicht zu der Vervollkommnung der muss ich für das, was ich nicht im Film zeigen kann, eine mit den Wörtern ein: »Qualm« ist un­ Sprache gelangen könne, wie es der Literatur möglich ist. Seine Vorteile Chiffre setzen. Diese Chiffre heißt: Kontrast zwischen scharf, »niedertrampeln« groß über  liegen woanders, beispielsweise in einem komplexen Ausdruck von Bild Einstellungen; das ist ein anderes Wort für Montage« den Bildschirm geschrieben (in der  und Wort. Für die Schrift im Film schlagen die Autoren daher auch vor: (Eder, Kluge, Hörmann 1980: 98). ƒ Folge Hinrichtung eines Elefanten (D  »Schrift kann den Bildinhalt fast völlig verdrängen, Passagen des Films Viele Szenen in Kluges Filmen sind doppelt zu 2000)). Zur Schrift im Film Kluge selbst:  können nur aus Schrift bestehen, geschriebene und gesprochene Texte lesen: zum einen innerhalb der Narration, zum andern »Ich bin und bleibe in erster Linie ein  können einander überlagern usf« (ebd: 220). aber auch als Verweis auf den Status der Szene, als de- Buchautor, auch wenn ich Filme her­ In den 60er und 70er Jahren hat Kluge dieses Programm in seinen zidiert inszeniertes, dokumentarisches oder eben nicht gestellt habe oder Fernsehmagazine.  Filmen versucht umzusetzen. In einigen Filmen aus dieser Zeit 68 erschei- bildliches Material. Dieser doppelte Status der Sze- […] Von daher ist es für mich nicht  nen Textinserts in Form von kurzen Zitaten, Zwischentiteln oder Kapitel- nen ist Reitz, Kluge und Reinke zufolge nötig, denn die entscheiden de Frage, ob etwas ge­ überschriften. Häufig sind die Titel knapp formuliert und geben präzise »[d]er Ausdruck verdichtet sich nicht materiell im Film druckt, gefilmt oder in Textstellen auf  Stimmungen, Informationen oder Beschreibungen wieder. Ihr Einsatz in selbst, sondern entsteht im Kopf des Zuschauers aus einen Fernse her geschrieben wird. Viel  Abschied von Gestern (D 1965) erinnert dabei an Jean Epsteins Forderung den Bruchstellen zwischen den filmischen Ausdruckse- wichtiger ist es, ob man die Geduld, die  nach knappen Titeln, mit denen die Handlung vorangebracht werden soll, lementen. Diese Form von Film rechnet nicht mit dem Gründlichkeit und das Wartenkönnen  ohne die betreffenden Stellen langwierig inszenieren zu müssen (siehe passiven Zuschauer, ›der nur dasitzen will und gucken‹ « der Texte in die neuen Medien ein­ S. 119f.). Doch was bei Epstein als Vermeidung stereotyper Bilder gedacht (Reitz, Kluge, Reineke 1992: 214).70 Und die Wahrneh- bringt« (Alexander Kluge: »Schriften an  war, nutzte Kluge zur Entemotionalisierung seines Inszenierungsstils. So mung dieser zweiten Ebene wird gerade durch den un- der Wand«, in: Die Woche 50, 1993: 43,  wird ein entscheidender Moment in der Geschichte nur als Titel wieder- konventionellen Einsatz der Mittel erreicht, dass eben zit. nach Wach 2009: 173). gegeben: »Eines Tages der Geschäftsführer ist nicht da wird Anita entlas- häufig nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob 160 – 161 es sich im konkreten Fall um inszenierte oder dokumentarische Aufnah- sehen, welchen Stellenwert und welche Möglichkeit die „ »Schreiben im Sinne einer Aneinan­ men handelt und dass die Titel an Stellen erscheinen, an denen man sie Schrift im digitalen Film besitzt, ist es ratsam, beides zu- derreihung von Buchstaben und anderen  nicht erwartet. Diese Betonung des Zeichenhaften ist, was die Titel angeht, nächst zu trennen. Schriftzeichen scheint kaum oder über­ ebenfalls nur möglich, da sie nicht mehr zwangsläufig notwendig sind für In seinem Essay über die Schrift wie auch in seinem haupt keine Zukunft zu haben. Es gibt  die Kommunikation der Inhalte im Film. Das ist auch gleichzeitig der Grund Buch über die Geste hat sich Flusser speziell der bildge- mittlerweile Codes, die besser als die  dafür, dass ihr Zeichencharakter so schnell ins Auge springt: man ist die nerierenden Schrift, dem Code, im Bezug zur herkömm- der Schriftzeichen Informationen über­ Schrift im Film nicht mehr gewöhnt. Diese Störung ist aber eben nur vor- lichen Schrift auseinandergesetzt. Die Perspektive, die mitteln. Was bisher geschrieben wurde,  handen, wenn es keinen zwingenden Grund mehr für ihr Erscheinen gibt. er dabei einnimmt, ist die einer pessimistischen Betrach- kann besser auf Tonbänder, Schallplat­ Anders als das ornamentale Spiel mit den Titeln, das aus eben jenem Grund tung, die davon ausgeht, dass die phonetische Schrift ten, Filme, Videobänder, Bild platten oder  mit dem Tonfilm möglich geworden ist, sollen die Titel bei Kluge aber gele- bald ausgedient habe und man zum Schreiben mit den Disketten übertragen werden. Und vie­ sen werden. Und trotz ihrer transparenten Erscheinungsweise (meist weiß elektronischen Medien in Bild und Ton übergehen wer- les, das bislang nicht geschrieben werden  auf schwarz) sollen sie gleichzeitig auch die Medialität des Films im Be- de. ƒ Dabei argumentiert er nicht gegen die neuen elek- konnte, ist in diesen neuen Codes notier­ wusstsein halten. tronischen Medien, sondern gesteht ihnen zu, im Grunde bar. Die derart codierten Informationen  alles besser als ihre analogen Vorgänger zu vermögen, sind bequemer zu erzeugen, zu über­ Digitale Heterogenität und indem Flusser das Schreiben als etwas Unzeitgemä- tragen, zu empfangen und zu speichern  Eine Zunahme dieser Zwischentitel war zunächst nur im Experimental- und ßes und eigentlich Überflüssiges darstellt, als etwas, das als geschriebene Texte. Künftig wird mit  Autorenfilm der 60er und 70er Jahre zu beobachten.71 Im kommerziellen nicht einem natürlichen Zwang, einem natürlichen Be- Hilfe der neuen Codes besser korrespon­ Spielfilm sind erst in den letzten Jahren diesbezüglich Veränderungen zu dürfnis unterliegt, als Tätigkeit, die eigentlich unmöglich diert, Wissenschaft getrieben, politisiert,  erkennen. Die Schrift, die inzwischen in vielen großen wie kleinen Filmen ist, aber trotzdem ausgeführt wird, kann er das Schreiben gedichtet und philosophiert werden kön­ auftaucht, ist häufig Teil einer digitalen Ästhetik: Ihre Gestaltung und ihr als Geste definieren und ihm somit den Mehrwert zuord- nen als im Alphabet oder in arabischen  Einsatz referiert auf andere Umgebungen, in denen es spezifische Schrift- nen, den es im Vergleich zu den elektronischen Medien Zahlen. Es sieht ganz so aus, als ob die  Bild-Mischungen gibt, wie auf dem Computerbildschirm oder im Fernse- verloren haben soll (cf Flusser 1997: 39f). Dadurch be- Schriftcodes, ähnlich den ägyptischen  hen.72 Im Vergleich zu den vorher üblichen Bearbeitungsarten der Schrift im kommt das Schreiben den Stellenwert einer freiheitli- Hieroglyphen oder den indianischen  Film fällt nun auf, dass die Schrift in der Nachbearbeitung sehr viel besser chen, sehr bewussten, gar revolutionären Tätigkeit, da Knoten, abgelegt werden würden. Nur  diegetisiert werden kann, indem sie nicht auf sondern im Bild erscheint, die elektronischen Medien generell zweckgebundener noch Historiker und andere Spezialisten  möglicherweise durch Gegenstände verdeckt. sind. Erst durch diese Haltung bekommen die positiven werden in Zukunft Schreiben und Lesen  Die Schrift im digitalen Film steht maßgeblich im Zusammenhang mit Argumente die negative Bedeutung, denen gegenüber lernen müssen« (Flusser 1992: 7). zwei Diskursen: einem ästhetischen, der generell die Verschmelzung ver- Flusser die Schrift aufwertet: schiedener Elemente auf digitalen Oberflächen untersucht und einem, der All das ist wahr. Und doch gibt es diejenigen, die sich nicht zu dieser Wahr- sich auf die materielle Ebene des digitalen Bildes konzentriert und aus der heit durchringen können. Archaische Existenzen, in denen die Wörter der Parallele, dass diese aus Zeichen, nämlich Zahlen, besteht. Wie oben aus- geflüsterten Sprachen mit derartiger Stärke und Verführungskraft laut wer- geführt, hat Joachim Paech in seinem Aufsatz zum Schatten der Schrift auf den, dass sie der Versuchung nicht widerstehen können, sie zu schreiben. dem Bild versucht, diese beiden Diskurse auf der Basis der Schrift zusam- Natürlich wissen sie, dass es sich um eine lineare, jämmerlich eindimensiona- menzuführen. Um nach dem Stumm-, Ton- und Autorenfilm nun aber zu 162 – 163 le Geste handelt. Aber sie sind unfähig, eine solche Armut zu empfinden. Für ne Bildkadaver, es sind Bilder, die dem mörderischen Reißzahn „ Diese etymologische Bedeutung wird  sie sind die Sprachen und deren Virtualität dermaßen reich, dass alle Lite- des Schreibens zu Opfer wurden. […] Darum ist im Grunde von Illich in eine ganz andere Richtung  raturen der Welt kaum begonnen haben, sie ans Licht zu bringen, und beim jede Schrift entsetzlich: Sie entsetzt uns aus den vorschriftli- gedeutet: »[M]an nimmt die Einritzungen  Schreiben für sie von arte povera keine Rede sein kann. Sie wissen, dass chen Vorstellungen, sie reißt uns aus den Bildern heraus, die in als Furchen wahr, in denen die Saat der  Schreiben nicht mehr der Mühe wert ist. Sie tun es trotzdem. […] sie können unserem vorschriftlichen Bewusstsein die Welt und uns selbst Worte aufgehen wird« (Illich 1991: 94). nicht besonders gut leben, ohne zu schreiben, denn ohne das Schrei ben hat darin bedeutet haben (Flusser 1992: 17).ƒ ihr Leben nicht viel Sinn. Für diese archaischen Existenzen gilt: scribere ne­ Die neuere Beschäftigung mit der Schrift verdankt der Programmiersprache cesse est, vivere non est (ebd: 40; Herv. i. O.). und ihrer Subsumierung zu einem Schriftsystem generell eine eingehendere Schreiben ist eine Geste des freien Denkens 73, die den elektronischen Bil- Beschäftigung mit der unterschiedlichen Funktionalität von Schrift. Dabei dern so nicht inhärent ist, da sie auf Schrift (Code) basieren, die nicht-red- werden Aspekte des einen Systems erst auch durch die Gegenüberstellung undant ist, bei der jede Ziffer gleich wichtig ist wie die andere, und das Ver- klarer, ohne dass dabei aber vom Ablösen des einen Systems durch ein tauschen oder Weglassen nur einer davon das ganze System zum Erliegen anderes gesprochen werden muss. Wenn Flusser das Ablösen des Alpha- bringen kann (cf ebd: 185). Für Flusser bedeutet dies, dass die herkömmli- bets durch den Code prophezeit, hängt das mehr mit einer Verdrängung che Schrift die Intelligenz des Lesenden beanspruchte, da dieser selbst ent- der Schrift durch die Bilder zusammen als durch die Programmiersprache. scheiden musste und konnte, welche Zeichen im Leseprozess vernachlässigt In Signs of Writing hat Roy Harris versucht, diese Aspekte in eine Theo- werden können und welche nicht. Diese Tatsache schlägt sich in der Mani- rie der Schriftsysteme zu fassen. Dafür geht er von Saussures semiotischer pulierbarkeit der Massen durch die elektronischen Medien nieder: Theorie aus, definiert aber seine »integrational semiology« in Abgrenzung zu dieser. So betont Harris die Selbständigkeit des Kommunikats und damit Das offizielle Denken einer immer bedeutenderen Elite äußert sich in der auch der Schrift, die er nicht zwangsläufig in Abhängigkeit von der Spra- Programmierung kybernetischer Datenbanken und Rechenanlagen, die eine che definiert. Zentral in seiner Theorie ist der emblematische Zeichenan- andere Struktur haben als die Geste des Schreibens. Und die Massen wer- satz, bei dem das Zeichen seine Bedeutung sowohl als Surrogat als auch den durch die Codes technischer Bilder programmiert und in diesem Sinne strukturell beziehen kann, diese aber in erster Linie vom Kontext abhängt, wieder zu Analphabeten (der Systemanalytiker braucht nicht zu schrei- in dem es produziert wird (cf Harris 1995: 52f.). Die Bedeutung ergibt sich ben, der Computer funktioniert ohne Alphabet, und der Massenmensch sowohl aus den skriptografischen als auch den piktografischen Elementen hat es nicht nötig zu lesen, das Fernsehen informiert ihn ohne Buchstaben) der Zeichen. Das Alphabet als ein Schriftsystem wird als Notation erklärt, (Flusser 1997: 39). wodurch verdeutlicht wird, dass die Zeichen ihren jeweiligen Wert durch Bild und Schrift verbinden sich für Flusser erst durch den Code des Digita- das System erhalten, in dem sie auftauchen und nicht über feste Bedeu- len, ansonsten stehen sich die beiden Systeme unvereinbar gegenüber: tungszuweisungen verfügen, was die Beziehung vom Signifikanten und dem Signifikat sonst implizierte. Nur so ist es für Harris erklärbar, dass man Das englische ›to write‹ (das zwar, wie das lateinische ›scribere‹, auch ›ritzen‹ eine Ziffer im einen Fall als Mengenangabe und im anderen als Teil einer bedeutet) erinnert daran, dass ›ritzen‹ und ›reißen‹ dem gleichen Stamm ent- Telefonnummer lesen kann oder Zahlen in der römischen Schreibweise nicht springen. Der ritzende Stilus ist ein Reißzahn, und wer Inschriften schreibt, phonetisch gelesen werden (cf ebd: 101ff.). Moderne Beispiele dafür sind ist ein reißender Tiger: Er zerfetzt Bilder. Inschriften sind zerfetzte, zerrisse- Abkürzungen wie »4U« oder Schreibweisen wie die des Films Se7en (David 164 – 165 Fincher, USA 1996). Ausdruck einer neuen und veränderten Auffassung ge- [sei, FK], die sich selbst schreibt« (Paech 1994: 233), handelt es sich nicht genüber der Schrift ist die gleichwertige Behandlung der mathematischen mehr um einen Vergleich, sondern um eine Gleichung. Der digitale Film ist und phonetischen Schrift. Anhand der Schriftsysteme von Mathematik und nun wirklich Schrift, die Schriftmetapher kommt damit zu einem Ende. Und Musik verdeutlicht Harris den grafischen und nicht primär sprachbezogenen was die vorliegende Untersuchung angeht, erschöpft sich der Wert dieser Wert von Schrift (cf ebd: 134f.). Komplexe Berechnungen sind nicht mehr Metapher für das digitale Kino auch in dieser Aussage, denn die Schrift im anders als schriftlich durchführbar, und eine Fülle von Zeichen regelt die Film ist eine ganz andere als die, die im Digitalen die Grundlage dafür bildet. Beziehungen innerhalb des Zeichensystems, ohne lautsprachlich zu wirken. Die Schrift im digitalen Film spitzt die Fragen nach der Ornamentik Zudem ist in der Mathematik die Anordnung der Zeichen in der Fläche von von Schrift zu, da sie an jeder Stelle ins Bild gesetzt werden kann. Durch Wichtigkeit. Dem Computer kommt dabei eine besondere Stellung zu, ist Materialimitation und eine kontrollierte Bearbeitung der Parameter wie doch die Schrift hier ganz von der Lautsprache befreit. Zahlen und Wörter Farbigkeit und Belichtung, können Schriftzüge perfekt in die Szenerie ein- in Programmiersprachen funktionieren im Computer allein im Bezug auf das gepasst und dort auch animiert werden. Und weil es weniger aufwändig System, neben der phonetischen und ikonischen Funktion ergibt sich für ist und besser aussieht als mit dem Tricktisch, nimmt die Häufigkeit, mit die Schrift damit noch eine operative (cf ebd: 162f.). Harris geht auf die der das geschieht, auch zu. Die digitale Bildgestaltung aber als Fluchtpunkt Programmiersprachen nicht weiter ein, betont jedoch, dass erst diese Art von Schrift-Bild-Mischungen im Film zu begreifen, würde bedeuten, allein der Schrift im Computer letztendlich auch einen freien Blick auf die Schrift auf den gestalterischen Aspekt zu blicken. Bei Christine Stenzers jüngerer generell ermögliche (cf ebd: 163). Monographie zum Thema ist der Fluchtpunkt der zahlreichen Analysen die Diese stärkere Trennung von Schriftsystemen ist hilfreich, da so die zeitgenössische Werbung (cf Stenzer 2010: 40, 78, 361, 378f.). Die besonde- Veränderung des Umgangs mit und der Konzeption von Schrift im Digita- re Betonung gelungener Animationen stellt die Inszenierung der Schrift im len zum einen thematisiert, gleichzeitig aber auch die Schrift im Bild un- Film in den Vordergrund, vernachlässigt dabei aber andere Möglichkeiten. abhängig von der Materialität untersucht werden kann. Der ästhetische Ein Kapitel der Schrift im Spielfilm fehlt bei ihr daher auch. Diskurs konzentriert sich weniger direkt auf die Materialität, sondern ver- Für Lev Manovich sind diese Möglichkeiten einfach herzustellender handelt Fragen, die verschiedene Bildelemente betreffen. Die Materialität Kombinationen von Schrift und Bild ein besonderes Merkmal digitaler Pro- spielt dabei insofern eine Rolle, als der Bearbeitung der Bilder keine Grenzen duktionen: »New forms of computer-based cinema: […] Motion graphics, gesetzt sind, verschiedene Elemente so miteinander in Beziehung gesetzt or what I might call typographic cinema: film + graphic design + typography. werden können, ohne dass die Spuren des Postproduktionsprozesses dabei Example: film title sequences« (Manovich 2001: 287, Hervh. i. O.). Bewegte noch erkennbar bleiben. Für die Untersuchung der Schrift im Film ist die Typografie, wie sie beispielsweise zum Markenzeichen des Vorspanndesi- Betonung des Codes weniger hilfreich, auch wenn die Schriftanalogie des gners Kyle Cooper geworden ist, ist auch eine Demonstration von Rechner- Films dadurch eine neue Wendung bekommen hat. Denn bisher funktionier- leistung, hängt jedoch nicht zwangsläufig mit dem Computer zusammen: ten die Vergleiche von Film und Schrift auf einer metaphorischen Ebene, Der Vorspann zu Se7en, mit dem Cooper bekannt wurde, ist zu großen Tei- was bedeutet, dass bestimmte Eigenschaften des Films separiert und durch len analog entstanden,74 und der Einfluss von Designern auf Titelvorspanne den Vergleich betont oder gedeutet wurden. Interessant war dabei zu sehen, ist spätestens seit Saul Bass und seinen Vorspannsequenzen seit den 50er welche Wandlungen diese Metapher in den Jahren genommen hat und dass Jahren vorhanden. Es lassen sich in der (analogen) Filmgeschichte selbst dabei die Schrift in ganz unterschiedlicher Art und Weise benutzt wurde. Mit Beispiele für Vorspanne finden, in denen die Buchstaben einzeln animiert der Aussage, dass der Film mit dem Digitalen »in der Schrift angekommen sind, bereits der Vorspann zu The Whole Dam Family and the Dam Dog 166 – 167 zeigte durcheinanderpurzelnde Buchstaben, aus denen sich der Titel formte — allerdings fliegen sie nicht in 3D- Optik durch den Raum. Manovich kommt im Weiteren zu der Feststellung, dass die neue, von den neuen Medien beeinflusste Ästhe- tik des Films einen sehr viel heterogeneren Stil produziert des neuen Autorenfilms, dessen Programm ja auch im sicht- und deutlich hat, als das vorher der Fall war: »If we are surrounded by wahrnehmbaren Mischen der Mittel bestand, denn den digitalen Mischungen Die Lettern des Filmtitels Flubber (Les Mayfield, USA 1997; Vorspann von Kyle highly dense information surfaces, from city streets to Web geht es nicht prinzipiell um Störung. Gerade im Falle der Schrift steht häufig Cooper) fliegen computeranimiert durch pages, it is appropriate to expect from cinema a similar lo- eine perfekte Integration der Schriftzüge in die Bildtiefe im Vordergrund. den Raum. gic« (Manovich 2001: 328). Die Betonung der besonders Diese Heterogenität hängt nicht allein mit der Verfügbarkeit der neu- heterogenen Zustände der Gegenwart impliziert auch eine höhere Einstufung en Möglichkeiten zusammen, sondern steht auch mit den sich verändernden der eigenen kognitiven Leistungen im Vergleich zu »früher« und damit eine Rezeptionsgewohnheiten. Der spielerischere Umgang mit dem Medium, der bevorzugte Beschreibung des Zeitgenössischen. Auch Moholy-Nagy stellte in der Heterogenität oft sichtbar wird, ist nicht nur möglich, weil der Zugang fest, dass er in einer Zeit mit höchst unterschiedlichen visuellen Ausdrucks- erleichtert wird (cf Manovich 2001: 333), sondern weil der erhöhte Medien- mitteln lebte: »Jede Zeit hat ihre optische Einstellung. Unsere Zeit: die des konsum sowie die größere Medienkenntnis des Publikums auch eine Befrei- Films, der Lichtreklame, der Simultanität sinnlich wahrnehmbarer Ereignisse« ung und Dekontextualisierung von verschiedenen vorher determinierten Sti- (Moholy-Nagy 1978 [1927]: 37). listiken und Ausdrucksmitteln mit sich bringt. Stilistische Veränderungen in Auch wenn die Euphorie, mit der Manovich und andere teilweise den den High-concept-Filmen der 80er Jahre (beispielsweise die Integration von digitalen Umbruch beschreiben, manchmal übertrieben erscheinen mag, das Musik-Clip-Elementen) erklärt Wyatt beispielsweise damit, dass das Publikum Besondere, auf das es in diesem Zusammenhang zu verweisen gilt, ist die inzwischen vor allem durch das Fernsehen deutlich vertrauter mit Narrativen Heterogenität der Filme, die die Autoren beschreiben. Dies ist etwas anderes und Stereotypen sei, als zur Zeit des Klassischen Kinos (cf Wyatt 1994: 58, als das unreine Kino, das Bazin einforderte, da es sich meist auf den Mix siehe dazu auch Schweinitz 2006: 245). Bezüglich der Veränderungen in Stil der Stilmittel bezieht, wohingegen Bazin einer Verstärkung des Einflusses von und Ausdruck der postklassischen Filme stellt auch Elsaesser fest, dass diese Literatur und Theater verpflichtet war. Sie steht auch nicht in der Tradition unter anderem damit zusammenhängen, dass man ein Publikum ansprechen muss, dessen visuelle Prägung primär durch das Fernsehen erreicht wurde (cf Jane Fonda schüttelt Elsaesser 1998: 191ff. und cf Elsaesser, Buckland 2002: 78). die am Tricktisch ani- mierten Buchstaben Die Exposition der Komödie Thank you for smoking (Jason Reitman, aus ihrem Haar im USA 2005) ist ein typisches Beispiel für solch einen heterogenen Stil, bei Vorspann zu Barba- dem auch Schrift zum Einsatz kommt. Der Film erzählt die Geschichte ei- rella (Roger Vadim, F/I 1968; Vospann von nes zynischen und selbstherrlichen Tabaklobbyisten, der durch Unvorsich- Maurice Binder). tigkeit seinen Job verliert, am Ende sein Redetalent aber wieder anderen Firmen anbieten kann. Der Humor entsteht überwiegend durch die Dialoge und Kommentare des Protagonisten Nick Naylor (Aaron Eckhardt), der ei- nen recht undankbaren Job hat, muss er doch das Rauchen im heutigen 168 – 169 Amerika schönreden. Der Film beginnt mit einer animier- der die Bilder und Objekte häufig seitlich verschoben und gekippt werden. ten Vorspannsequenz, in der die Credits auf verschiede- Bei Thank you for Smoking finden sich diese unterschiedlichen Bildelemen- nen Zigarettenschachteln zu lesen sind und eröffnet die te (Schrift, Animation, Symbole) allerdings nur an den zeitlichen Rändern Geschichte mit einer TV-Talkshow, in der Nick Naylor des Films, am Anfang und am Ende, wo die Narration generell eine größere einem durch das Rauchen an Krebs erkrankten Jungen Offenheit besitzt und der Film häufig selbstreflexiver ist als danach bzw. und diversen Zigarettengegnern gegenübersitzt. Nach davor (cf BST 2006: 26f.). Zwischen der 10. und der 70. Minute wird der Film der Begrüßung in der Show friert das Bild ein und die im Vergleich dazu relativ konventionell erzählt, es gibt kaum Schrifteinblen- Kandidaten werden noch einmal aus Naylor‘s Perspektive dungen oder selbstreflexive Sequenzen zu sehen (außer in einer Traumse- vorgestellt, wobei der Junge mit »Cancer-Boy« unterti- quenz) und der Off-Kommentar wird nur selten genutzt. Für Filme, die von telt wird und Naylor selbst mit »me«. Dann blickt Nick einem bestimmten Zeitgeist profitieren oder ihn eben karikieren wollen, ist Naylor in die Kamera, gefolgt von seiner Subjektive und es besonders wichtig, gerade an den Rändern zeitgemäß zu wirken, auch beschreibt aus dem Off auf zynische und selbstbewusste um einen angemessenen Übergang von der Werbung, den Trailern oder je Weise seine Arbeit: Er gibt zu, dass der Tabakkonsum so nach medialem Zusammenhang dem DVD-Menü oder den Programmüber- viele Menschen tötet wie kein anderes Produkt, es aber gängen im Fernsehen zu schaffen. seine Aufgabe ist, die Zigarette trotzdem zu verkaufen. Ähnliche Muster lassen sich auch beim Actionfilm Crank (Mark Ne-  Ironische Untertitelung ist dabei keine  Der Exposition kommt dabei nicht nur die Aufgabe zu, veldine, Brian Taylor, GB/USA 2006) beobachten. Wie auch Speed (Jan de Erfindung des postklassischen Kinos.  dem Zuschauer möglichst viel Information gleich zu Be- Bont, USA 1994) gehört Crank zu der Art Actionfilme, die kaum narrative Bereits in The Servant Girl Problem von  ginn des Films zu vermitteln, sondern auch den Charakter Entwicklung, dafür aber konstante Actionhöhepunkte aufweisen und daher  1905 werden zu Beginn zwei Frauen,  und den spezifischen Humor des Films zu verdeutlichen. auch schon im Titel beschreiben, um was es geht. Die Geschichte ist dabei  die sich um die Stelle einer Bedienste­ Unterlegt werden die Ausführungen durch die schnelle so einfach wie auch schnell erzählt: Als der Gangster Chev Chelios aufwacht, ten bewerben, »untertitelt« wobei die  Abfolge kleiner Animationen, Bilder und Schrifteinblen- stellt er fest, dass man ihm eine hoch giftige Injektion verpasst hat, die ihn jüngere ein Schild mit der Aufschrift  dungen. Die Visualisierung seiner einführenden Worte innerhalb der nächsten Stunden töten wird. Nur eine konstante Adrenalin- »His choice« in der Hand hält und die  erinnert deutlich an Clips und Werbespots, die ebenfalls zufuhr kann ihm diese kurze Zeitspanne noch verlängern, damit er sich an andere, von einem Mann in Frauenklei­ mit animierten Piktogrammen und Ähnlichem arbeiten, denjenigen rächen kann, die dafür verantwortlich sind, weswegen er sich dern gespielte, eines mit »His wife‘s  um auf einfache, abwechslungsreiche und unterhaltsame ununterbrochen in Verfolgungsjagden, Überfälle und Schießereien bringt. choice« (cf Musser 1994: 410f.). Art Gesagtes oder Geschriebenes zusätzlich zu illustrie- Der visuelle Reiz besteht bei Crank auch aus zahlreichen nachträglich ein- ren. Dabei handelt es sich um eine ironische Spiegelung der Informations- gefügten visuellen Stimuli: der Film zeigt eine Reihe sehr ungewöhnlicher überflutung der Zuschauer auf der Bildebene unter Anbindung an zeitge- Aufnahmewinkel und ist schnell geschnitten; immer wieder werden anstelle nössische Fernseh- und Internetästhetik, aber auch an die dem Film bei der eines Stadtplans schnelle Zooms in Aufsicht auf die Straßen eingesetzt, die Kinoauswertung vorausgehenden Paratexte wie Werbung und Trailer. Die rechts unten alle das Google-Logo tragen; das Bild teilt sich öfters in einen Mischung der Stilmitel ist besonders im Vorspann des Films zu beobach- Split Screen, und die Ästhetik von Bildern aus Überwachungskameras wird ten. Musik und Design der Zigarttenpackungen erinnern an die 50er und aufgenommen; wenn Chelios telefoniert, sieht man seinen Gesprächspart- 60er Jahre, aber die Animationen der Packungen sind geprägt von der ty- ner als Projektion an einer Wand oder eingekeyt in den Rückspiegel seines pischen After-Effects-Ästhetik, die vielen Animationen zu eigen ist und bei Autos, und wenn er Red Bull trinkt (wegen des Adrenalins), wird dem Zu- 170 – 171 Auch Untertitel und eingeblendete Schrift gehören zum heterogenen Material, das neben den Google-Zooms auch nach dem ersten Drittel noch auftauchen. In einem Untertitel ist zu lesen, was Chelios jemandem am Telefon buchstabiert, als ob man es als Zuschauer ebenfalls nicht ver- standen hätte. Als jemand zu ihm etwas in einer fremden Sprache sagt, wird das mit einem englischen Untertitel zunächst für die Zuschauer google.earth in Crank (Mark Neveldine, Überwachungskameras, die Geschichte geht im übersetzt, im Gegenschuss auf Chelios bleibt dieser Untertitel aber ste- Brian Taylor, GB/ USA 2006) oberen rechten Viertel weiter. hen, so dass die Zuschauer ihn nun von hinten sehen und auch verfolgen können, wie Chellios verwundert diesen Untertitel liest. In einer weiteren Szene macht sich die Schrifteinblendung über die diegetische Figur lus- tig: Chelios fragt jemanden: »What do you think, I‘ve got ›cunt‹ written on my forehead« und zeigt dabei auf seine Stirn, auf der in just diesem Moment das erwähnte Wort erscheint. Die Heterogenität der Stilmittel, die sowohl extra- als auch innerdie- getische Schrift beinhaltet und sich häufiger in Form von Großaufnahmen auf Computer-Displays, dynamischen Karten, Animationen und Schriftein- schauer die Perspektive aus Chelios Speiseröhre geliefert. Aber auch hier blendungen in vielen (Action-)Filmen der letzten fünf Jahre befindet, re- nimmt die Heterogenität nach dem ersten Drittel des Films deutlich ab. Der flektiert eine technische Ästhetik, die vor allem im Blockbuster-Kino be- Film bleibt zwar schnell geschnitten und liefert auch weiterhin eine Reihe vorzugt eingesetzt wird. Gerade am Anfang präsentieren diese Filme einen ungewöhnlicher Einstellungen, aber Split Screens, Keying und Schriftinserts Technikfetischismus, der die Offenheit der Narration und die Selbstrefle- werden weniger. Chelios braucht das erste Drittel des Films, um sich in seine xivität des Films zusätzlich flankiert. In Iron Man (Jon Favreau, USA 2008) Situation zu finden, die Nachricht zu bekommen, dass es keine Heilung gibt wird immer wieder eine ganze Reihe Computerdisplays gezeigt, die zudem und sich dazu entschließen, seine Feinde noch zur Strecke zu bringen, be- auch noch in Fenster integriert sind. Die Großaufnahmen dieser Displays vor das Gift in seinem Körper wirkt. In dem Maße, in dem die Action weiter zunimmt, geht auch der heterogene Stil deutlich zurück. Ebenfalls findet sich am Anfang und Ende des Films eine extreme Enunziationsmarkierung: Chelios Erwachen zu Beginn des Films wird zunächst aus einer extremen fish-eye-Subjektive gezeigt, die so subjektiv ist, dass sie sogar das Blinzeln integriert. Des Weiteren schaut er sich eine DVD an, auf der die Informatio- nen über das Gift enthalten sind und auf der sein Gegner ihn – und im Ge- genschuss damit auch den Zuschauer – direkt adressiert. Am Ende des Films ist die Google-Zoom-Ästhetik diegetisch eingefügt, da Chelios aus einem Flugezeug auf die Erde stürzt. Er landet mit dem Kopf direkt vor der Kamera und blickt in sie hinein. Displays in Iron Man (Jon Favreau, USA 2008) 172 – 173 Display in 2001: A Space Odeyssey (Stanley Kubrick, GB/USA 1968) dienen dabei kaum der Informationsvermittlung für die „ Tony Stark benutzt u. a. einen Compu­ Zuschauer, viel mehr geht es darum, durch diesen Look ter, bei dem er sein Modell in 3D durch  auf einen Lifestyle anzuspielen, der einen Teil der mit  das Bewegen seiner Hände modellieren  diesem Film anvisierten Zielgruppe tagtäglich umgibt. kann – ähnlich wie Tom Cruise sein In­ Dabei ist es unwichtig, ob die Zuschauer selbst über terface in Minority Report (Steven Spiel­ ähnliche Produkte verfügen, da es für diese Blockbuster berg, USA 2002) benutzte. Bewegung  bereits genügt, auf die Bedürfnisse anzuspielen, d.h. auf und Look erinnern dabei auch an iPhone  technologische Produkte, die der Zielgruppe bereits aus 1994) mit der Kamera gegen die Wand rennt. In anderen (Action–)Filmen und iPad. Bei beiden kann der Nutzer  der Werbung bekannt sind. Wichtig ist dabei die Erinne- wird inzwischen auch das transparente Objektiv bewusst als Trennschei- mittels Fingerbewegungen eine dynami­ rung an das Bedürfnis, das diese technologischen Pro- be zwischen Publikum und diegetischer Welt thematisiert, wenn Blut und sche Bewegung auf dem Display auslösen,  dukte wecken.75 ƒ Dreck darauf spritzen und in Tropfen auf der Linse hängen bleiben. Dass die die nicht mit der Fingerbewegung aufhört,  Das nachdrückliche Präsentieren von Technik ist im- Medien sich selbst thematisieren, ist nichts Ungewöhnliches und auch keine  sondern den Schwung aufnimmt und  mer auch eine Demonstration über die Möglichkeiten der Erscheinung, die mit dem postklassischen oder digitalen Film zusammen- langsam anhält, so dass das durchaus wie  visuellen Medien an sich. Schon in 2001: A Space Odys- hängt, sie sieht inzwischen aber anders aus: ein realistischer Bewegungsablauf aus­ sey (Stanley Kubrick, GB/USA 1968) werden auffällig oft sieht. Zudem erinnert Tony Starks blau  So fährt das Protagonistenpaar in Natural Born Killers (Oliver Stone, USA Computerdisplays gezeigt, ohne dass dadurch ein narrati- leuchtendes Technikherz an einen um  1994) gleich zu Beginn des Films im Cabriolet nicht einmal mehr durch eine ver Wert kommuniziert würde. Modernität und High-Tech den Hals gehängten iPod. Realität imaginierende Landschaft, sondern durch eine Collage aus konventi- spiegeln sich in diesen Gegenständen, in denen das Kino onellen Film- und Medienbildern, deren Materialstatus als Medienbilder und selbst gar nicht mehr vorkommt. ƒ „ Auffällig ist, dass wenn das Kino sich  deren hybride Verbindung durch neue digitale Verfahren der Bildbearbeitung Bleibt bei Iron Man die Werbereferenz noch klar selbst zeigt, dies häufig in nostalgischer  und inneren Montage eindeutig kenntlich gemacht wird. Eine neue Geste von im Bild, bezieht sie sich in den Filmen des ehemaligen Form gemacht wird. So sind sowohl in  Offenlegung und Hingabe an mediale Muster im digitalen Zeitalter. […] Mit Werbeclip-Regisseurs Tony Scott auf die Bildgestaltung Fight Club (David Fincher, USA/D 1999)  den steten Codewechseln hebt Natural Born Killers die Inhomogenität, das selbst, also inklusive ihrer Oberflächen. Vor allem seine als auch in dem Spot »Best Ager« der  Hybride, das aus disparaten präformierten Mustern Zusammengesetzte sei- neueren Filme wie Domino (F/USA 2005) bieten eine deut schen Pro­Kino­Kampagne, die  ner Imagination wieder und wieder hervor. […] Eine Erfahrungswelt hinter Mischung an unterschiedlichen Stilmitteln wie extreme beide in der Gegenwart spielen, Um blend­  den Imaginationsmustern der Medien scheint nicht mehr auffindbar zu sein. Farbbearbeitung, Zeitlupen und -raffern, plötzliche kurz Projektoren zu sehen, die so wahr­ Das Realitätsmaterial bietet die intertextuelle, und zunehmend intermediale eingeschnittenen Rückblenden, konstante Musikunter- scheinlich fast nur noch in Kommunalen  ›Realität‹ der medialen Stereotypen (Schweinitz 2006: 236f.). malung und bewegte Kamera sowie schnelle Wechsel von Kinos und Archiven sowie auf Filmfes­ Großaufnahmen und anderen Einstellungen, die sonst Diese Heterogenität ist jedoch nichts, was aufgrund von Marketing, High tivals zu sehen sind, sicher aber nicht in  nur selten in Mainstreamfilmen vorkommen und in dieser Concept und Big Budget allein den Blockbustern vorbehalten ist, sie findet  den großen Sälen, die in den beiden  Häufung – wenn überhaupt – aus Werbeclips und Musik- sich auch in ambitionierteren Independent- und Autorenproduktionen. So Zusammenhängen gezeigt werden. videos bekannt sind (siehe S. 98f). Filmemacher wie Oli- setzt Sean Penn in Into the Wild (Sean Penn, USA 2007) einen dezenten ver Stone lassen in ihren Filmen durch die artifizielle Gestaltung die Kamera Schrifteinsatz sowie vereinzelte Split Screens und direkte Zuschaueradres- spürbar werden, wenn sein Kameramann wie in National Born Killers (USA sierungen ein. Chris McCandless (Emile Hirsch) ist zivilisationskrank und 174 – 175 bricht mit seiner Familie, um ganz alleine im Norden Ka- „ Der Film beginnt mit einem Zitat von  nadas in der Wildnis zu leben. Der Film ist in großen Tei- Lord Byron, aber noch bevor die Credits  len eine One-Man-Show des Hauptdarstellers. Technikaf- erscheinen, kann man schon die ersten  finität, Lifestyle und digitale Ästhetik sind aufgrund des Texte von McCandless in gelb über dem  Inhalts ungeeignet. Penn nutzt die Schrifteinblendun- Bild lesen. Der Titel des Films ist eine  gen, die Tagebucheintragungen oder Briefe von McCan- Verbindung der über das Bild gesetzten  dless wiedergeben, um Ruhe in den Film zu bringen.ƒ mit der Diegese verbundenen Texte und  Die Stimmung wird nicht durch einen Off-Kommentar des Titelvorspanns: In gelben hand­ gestört und die handschriftlichen Versalien drücken In- In Hal Hartleys Fay Grim (USA/D 2006) ist die »digitale Ästhetik« 76 Teil der schriftlichen Versalien steht geschrie­ timität aus. Schrift und Zuschaueradressierung stellen Satire des Films. Dieser ist eine indirekte Fortsetzung von Hartleys Henry ben »I now walk into the wild«. »Into  zwar einen leichten Bruch zu den sonstigen Sehgewohn- Fool (USA 1997). Henrys Frau Fay versucht darin, ihren verschollenen und the Wild« wird dabei vergrößert und  heiten dar, verstärken aber die Bindung des Zuschauers totgeglaubten Ehemann wiederzufinden und gerät in eine internationa- die Buchstaben färben sich grün und zu  zum Protagonisten. Gerade solch ein Moment wie der, le Verschwörungsgeschichte, bei der sich fast alle Personen als Terroristen Druckbuchstaben, um zu verdeutlichen,  in dem Hirsch unvermittelt eine Grimasse in die Kame- oder Spione herausstellen. Fay Grim funktioniert als Satire auf Agentenfil- dass es sich bei diesen drei Worten um  ra schneidet, sind ein kleiner, aber wichtiger Baustein in me, bei denen der Held sich auf niemanden mehr verlassen kann und aus den Filmtitel handelt. der Charakterisierung des Protagonisten. Da McCandless den kleinsten Hinweisen weitreichende Spuren rekonstruieren muss. Der auch wie ein Fanatiker wirken kann, da er jegliche Hilfe ablehnt und alleine Film verwendet insgesamt acht Zwischentitel, die in großen Buchstaben in die Wildnis aufbricht, versuchen Penn und sein Team ihn unter ande- und weißer Schrift quer über das Bild gesetzt sind. In den meisten Fällen rem mit solchen Mitteln dem Publikum nahezubringen. Ein aus dem Off geben sie Ort und Zeit der Geschichte sowie manchmal auch eine Kapitel- gelesener Text interpretiert das Vorgelesene auch immer ein Stück und kann überschrift an. Häufig sind diese Informationen redundant und eines der dozierend und belehrend auf die Zuschauer wirken, wohingegen die Schrift, Mittel, mit denen Hartley die Zuschauer zusätzlich verwirrt; schon bald ist wenn sie lesbar bleibt, nicht zu häufig auftaucht und nicht in Konkurrenz man nicht mehr in der Lage, all den Informationen zu folgen. Die satiri- zu anders vermittelten Informationen steht, auch als ein »organischer« Teil sche Distanzierung befindet sich dabei nicht innerhalb der Geschichte, die des Films verstanden werden kann. Als Zuschauer/in muss man die Schrift ernsthaft vorgetragen wird, sondern äußert sich allein in solch Zusätzen wie selbst in Zusammenhang mit dem Rest des Films bringen und sie einer der den Schrifteinblendungen. Ähnlich der »Cunt«-Einblendung in Crank oder Figuren zuordnen. Man gibt ihr damit auch selbst eine Stimme, die je nach dem Zwischentitel in Why Change Your Wife amüsiert sich Hartley mittels Rezipient/in anders ausfallen kann. der Titel über die Geschichte. Bei Minute 69 greift er mittels über das Bild gelegter Titel ein Wort aus einem Dialog heraus und friert das Bild ein, auf dem Fay Grim (Parker Posey) direkt in die Kamera blickt, während der Di- alog im Off weiterläuft. Daraufhin reiht er im Film bereits gehörte Wörter als Texteinblendungen aneinander und parodiert damit die Methoden der Sprachcodierung und Geheimhaltung der Personen im Film. Im letzten Drittel des Films taucht kein Titel mehr auf. Wie bei den an- deren Beispielen liegt das auch hier daran, dass der Verlauf der Geschichte 176 – 177 und die Lösung der Rätsel inzwischen im Zentrum stehen Balken, die Entfernungen abmessen und in sich rasch verändernden Zahlen und kein Platz für Ablenkung mehr ist. Da fast alle Ti- ausgeben; für Harold ästhetisch korrekte Winkel werden angezeigt, indem tel aber immer auch bei einem Szenen- und Ortswechsel sie durch die Linien nachgefahren werden. Nachdem der Tagesablauf des auftauchen, gibt es im letzten Drittel zumindest dafür Protagonisten so vorgestellt wurde, kann dieser am nächsten Morgen die keine Notwendigkeit mehr, da sich alle Personen an ei- Erzählerin aus dem Off plötzlich selbst hören, die Stimme hat sich von einer nem Ort in Istanbul befinden. extradiegetischen zu einer diegetischen gewandelt, was auch durch einen Auch in Stranger Than Fiction (Marc Foster, USA leichten Hall und die nicht mehr vorhandene Musikuntermalung verdeutlicht 2006) füllt die Schrift im Film Funktionen aus, die ab der wird. Crick ist entsprechend verwirrt und findet in der Folge heraus, dass es Mitte des Films nicht mehr gebraucht werden, so dass sich dabei um die Stimme der Autorin »seines« Romans handelt, die aller- die Schrift wieder verschwindet. Ihr Verschwinden hängt dings nur er hören kann. nicht allein mit einer Fixierung auf die Geschichte zusam- Während die Information durch den Kommentar also auf konventio- men, sondern ist auch durch die Handlung motiviert. Der nelle und literarische Weise vermittelt werden, orientieren sich die grafischen Film erzählt vom Steuerprüfer Harold Crick (Will Ferrell), Zusätze an zeitgenössischer Interface- sowie Piktogramm-Gestaltung. Die der feststellt, dass er die Hauptfigur eines sich im Entste- Grafiken und Schriften sind so geschickt gestaltet und ins Bild integriert, hen befindenden Romans ist. Außer den Produktionslo- dass sie zu einem Teil von Harold Crick werden. Häufig sind sie seiner Per- gos zeigt der Film keinerlei Credits am Anfang und auch spektive angepasst, so dass man sie beispielsweise im Gegenschuss »von keinen Filmtitel. Trotzdem stellt der Film seinen Prot- hinten« sieht – und damit nicht mehr lesen kann. Konsequent durchgehalten agonisten in einer klassischen Exposition vor: mit Musik wird das allerdings nicht. Eine der Hauptleistungen des Schrift-Designs ist unterlegt, beschreibt eine weibliche Off-Stimme Harold es, schnell zu verdeutlichen, dass die Schrift zu Crick gehört. Gelöst wurde Crick und seinen Tagesablauf, während er bei seinen pri- das dadurch, dass die Schrift mit kleinen Balken an ihn und an Gegenstände vaten und beruflichen Tätigkeiten zu sehen ist. Während von ihm »geheftet« wurde oder durch kleine und subtile Animationen seine Schilderung und Tagesablauf weitergehen, taucht auffällig Bewegungen und teilweise sogar seine Gefühlszustände aufnimmt. Wichtig viel Schrift im Bild auf. Das meiste sind Informationen, die ist dabei nicht allein die angepasste Gestaltung, sondern ebenfalls die Iden- aus Abmessungen und Zahlen bestehen. Diese sind dabei tifizierung als Graphic User Interface (GUI), einem grafischen Zeichensystem, so ins Bild integriert, dass schnell klar wird, dass sie die mit dem die meisten Zuschauer/innen des Films tagtäglich an ihrem Com- Gedanken Cricks visualisieren: Die aufsteigenden Zahlen puter oder Handy zu tun haben. Während ein GUI normalerweise in einer beim Zähneputzen verdeutlichen, dass er jede Bewegung für den durchschnittlichen Nutzer einfachen Art und Weise darstellt, was im mitzählt. Der Off-Kommentar führt zusätzlich aus, dass Computer passiert, damit man diese Vorgänge beeinflussen kann, beispiels- Crick recht pedantisch sei, er darauf achte, dass jeder Tag weise mittels eines Internt-Browsers, dient Cricks GUI dazu, darzustellen, dem vorherigen gleiche, weshalb er auch die morgend- was in ihm vorgeht. So ist Crick, nachdem er nach und nach aus seiner Rou- lichen Schritte zur Bushaltestelle zähle oder die exakten tine gebracht wird, sehr gedankenverloren am Zähneputzen, was dadurch Winkel und Abstände in seiner Umwelt registriere, was im visualisiert wird, dass die Nummerierung der einzelnen Bürstenbewegungen Film durch die Grafiken auch visualisiert wird: Beim Lau- nach »20-Times« auf »AN-Times« wechselt, er also augenscheinlich nicht fen ist Harold umgeben von kleinen sich bewegenden mehr mitzählt. Als er etwas später eine Buchprüfung durchführt und über 178 – 179 den Rechnungen sitzt, mit sich addierenden Zahlenkolon- dass Crick die Zwangsneurose besitzt, alles unablässig zählen zu müssen. Er nen rechts und links neben seinem Kopf, falten diese sich fragt ihn daher etwas spöttisch, wie viele Kacheln in der Toilette zu sehen verschämt in sich zusammen, weil die Frau, deren Buch- seien, und Crick erwidert, dass er die Kacheln nicht gezählt habe. Durch die prüfung er macht, unvermittelt ins Zimmer kommt. Informationen der GUIs kann man sehen, dass Crick nicht lügt, er hat nicht Die ins Bild integrierte Schrift ist eine Erweite- die Kacheln gezählt, sondern die Füllhöhe der Seifenspender verglichen. rung von Harold Cricks Innenleben, das sich allein an Der diegetische Status der GUIs entspricht in diesem Film dem von Unter- die Zuschauer/innen des Films richtet, gleichzeitig aber titeln, die Gedanken verbalisieren, die sonst nicht zu hören sind. Sie sind in hohem Maße diegetisiert wird. Die Off-Stimme wird die Visualisierung der Off-Stimme, die in anderen Beispielen die Gedanken von Crick bewusst wahrgenommen, ob das auch für sein des Protagonisten für die Zuschauer hörbar macht. Sie sind im wahrsten GUI gilt, erfährt man nicht, jedenfalls reagieren weder Sinne des Wortes ein Interface, eine Möglichkeit, abstrakte innere Vorgän- er noch andere darauf. Die Art der Animation 77 verrät ge zu visualisieren, um Kommunikation (in eine Richtung) zu ermöglichen. viel über den jeweiligen Zustand des Protagonisten und Sind Untertitel und Off-Stimme Hilfsmittel, um Möglichkeiten des Romans ist ein Hinweis auf seine emotionale Verfassung. Dabei auch im Film zu verwenden, ist das hier inszenierte GUI eine Variante, die kommt es gar nicht darauf an, die Schrift auch zu le- nicht eine Konvention des Films übernimmt, sondern eine Möglichkeit sen, die häufig auch nur aus Zahlen besteht; anders als inszeniert, die auf den speziellen Fall der Geschichte abgestimmt ist. Ab Zwischen- oder Untertitel transportiert sie auf textlicher der Hälfte des Films verschwinden die GUIs wieder, ab einem Moment, da Basis in den meisten Fällen keine für das Verstehen der Harold Crick Urlaub nimmt, sich zu entspannen beginnt und eben nicht Geschichte notwendigen Informationen. Der Inhalt wird mehr zwanghaft seine Umwelt abmisst. Die Off-Stimme hingegen bleibt, durch die Gestaltung und die Animation vermittelt. Die sie verschwindet erst, als die Arbeit an »seinem« Roman beendet ist. Damit GUIs werden zu Zwischentiteln, die man nicht mehr le- fügt sich der Film auch wieder ein in das Muster der oben angeführten sen muss, und die ihrerseits inszeniert werden wie Cha- Beispiele, in denen die heterogenen Ausdrucksmittel ebenfalls ab der Mitte raktere eines Animationsfilms.78 Wie ein Off-Kommentar verschwunden sind und der Film sich von alleine zu erzählen scheint.79 können sie das Innenleben der Figur visualisieren. Als Das Beispiel von Stranger Than Fiction zeigt, dass sich die Gestal- Harold Crick noch am Anfang des Films wie gewohnt auf tung der Schrift an der bekannten digitalen Umgebungen orientiert. Man dem Weg zum Bus ist, begleitet von verwinkelten Ab- ist es gewohnt, dass Gegenstände mit dynamischen Zahlen versehen messungen und dem Zählen seiner Schritte, und plötz- werden oder Schrift zu mehr als bloß Text wird, beispielsweise zu einem lich der Off-Kommentar wieder für ihn zu hören ist, ist er Hyperlink. Das Navigieren im Internet setzt das Unterscheiden zwischen darüber so aus dem Konzept gebracht, dass das GUI klir- diesen beiden unterschiedlichen Anforderungen der Schrift, der phone- rend zu Boden fällt und dort zerschellt. An einer anderen tischen und der operativen in ein und demselben Bild voraus. Manovich Stelle unterhält er sich mit dem Literaturprofessor Jules spricht diesbezüglich vom opaken und transparenten Bildschirm: Hilpert (Dustin Hoffman), von dem er glaubt, dass die- Three-dimensional space becomes surface; a photograph becomes a dia- ser ihm eher helfen könne als ein Psychiater, schließlich gram; a character becomes an icon. […] we can say that the screen keeps scheint er ja Teil eines Romans zu sein. Das Gespräch fin- alternating between the dimensions of representation and control. What at det auf der Toilette statt und Hilpert hat längst erkannt, 180 – 181 one moment was a fictional universe becomes a set of buttons that demand action (Manovich 2001: 207). Manovich ist an der Ästhetik dieser interaktiven Formen interessiert: »Can Brecht and Hollywood be married?« (cf ebd: 209) und findet diese unter anderem in Computerspielen, in denen der User den Avatar durch Gän- ge lenkt, gleichzeitig aber immer auch auf die schriftlichen Informationen im Bild fixiert bleibt, die einem zusätzliche Hinweise zum Spiel liefern (cf ebd: 210). »The oscillation between illusionary segments and interactive segments forces the user to switch between different mental sets - different kinds of cognitive activity« (ebd.). Im Bezug auf das postklassische Kino beschreibt Elsaesser diese He- terogenität folgendermaßen: What from the point of view of cinematic modernism or European art cine- ma might be a ›foregrounding of the device‹ would from the vantage point of ›classical cinema‹ appear merely as a gratuitous ›showing off‹, the ›bad taste‹ of B-movies, or even confusing the viewer by obstructing narrative progress and transparency. Yet from another vantage point, such gyrations of tenor and tone invoke an altogether different viewing experience and viewing habit: not of the cinema, nor even television, but the viewing ex- perience of the screen as a monitor, as a flat surface, upon which, in a visu- al-video overlay, any number of elements can be called up simultaneously: graphics, images, script, text sound, voice, in other words, a whole array of media signals (Elsaesser 1998: 203f.). Diese verschiedenen Elemente müssen dabei nicht mehr getrennt bleiben, sondern können sich vermischen, wie Schweinitz das oben in Bezug auf Natural Born Killers zusammengefasst hat. Die Leinwand wird ein Ort, der nicht mehr zwangsläufig nur einem Bilderuniversum Platz gibt, sondern eine Menge unterschiedlichster visueller Informationen. Unabhängig davon, ob der Schrifteinsatz im digital postproduzierten Film nun zugenommen hat oder nicht, zeigen die Analysen jedoch einige Unterschiede bezüglich der Verwendung von Schrift im Spielfilm im Vergleich zu Beispielen, die vor der Jahrtausendwende entstanden sind. Durch die digitalen Compositing-Pro- 182 – 183 gramme kann die Schrift in stärkerem Maße und mit mehr Varianten- und Detailreichtum bearbeitet, gestaltet und animiert werden. Es geht bei der digitalen Schriftgestaltung und -konzeption nicht mehr allein um die Les- barkeit und Anpassung der Wörter ans Bild, sondern in besonderem Maße auch um die Kommunikation nonverbaler Inhalte. Dies ist zwar schon immer Ziel der modernen Typografie gewesen, doch durch die neuen Möglichkeiten von Animation und Integration ins Bild, kann die Schrift – wie im Beispiel von Stranger than Fiction gesehen – selbst nun auch unabhängig von ihrem Text Maschinen-PoV 2009 und 1984 Träger narrativer Inhalte werden. Ein großer Teil der Schriftgestaltung im Film orientierte sich am Printbereich und beeinflusste die Rezeption in erster Linie die digitalen Möglichkeiten vollenden, was schon immer Teil der Möglichkei- durch Lesefreundlichkeit, Emotionalität, Optophonetik oder Flächensyntax. ten von Schrift im Film war: Die Schrift wird zum Bild. Dient die Schrift nicht mehr in erster Linie einer Sprachcodierung, kann sie Speziell in den neueren Filmen gliedert sich diese Schrift, bei der es somit zu einem visuellen Element werden. Erst diese Freiheit ermöglicht den nicht mehr primär um das Lesen geht, ein in ein weiter zu fassendes Spekt- Designern den freien Umgang mit der Schrift. Das postklassische Kino und rum digitaler Stilmerkmale im Film. Eines dieser häufig genutzten Merkma- le sind grafisch hinzugefügte Gitternetze, die den Übergang vom Lebendi- Gitternetze in Tron (Steven gen ins Digitale im Sinne eines Scanning bedeuten.80 So wird der von Jeff Lisberger, USA/Taiwan Bridges verkörperte Charakter in Tron (Steven Lisberger, USA/Taiwan 1982) 1982) und Resident Evil (Paul W.S. von einem Gitternetz überzogen, als ihn der Computer ins Innere »saugt«. Anderson, UK/D/F 2002) Bis hin zu Filmen wie Resident Evil (Paul W.S. Anderson, UK/D/F 2002), in denen es in der Subjektive einer Überwachungskamera anzeigt, dass hier ein Computer verantwortlich für das Geschehen ist, stehen diese Gitter für das digitale, im Prinzip nicht darstellbare Auge sowie für einen Übergang vom Analogen zum Digitalen innerhalb der Diegese. Der häufige Schrifteinsatz in den neueren Filmen referenziert hingegen meist eine gewisse digitale Ästhe- tik, die die Filme in ihrer Gestaltung anschlussfähig werden lässt an andere zeitgenössische Medien — an das Monitorstadium des Films, wie Elsaesser es beschreibt. Das trifft in besonderem Maße auf die Point-of-view-Ein- stellungen der Maschinen zu. In der Subjektiven des Terminators im ersten Teil der Filmreihe (James Cameron, UK/USA 1984), wird das Bild rot gefärbt und an den Rändern blinken Zahlencodes auf, die auf eine Aktivität schlie- ßen lassen. Im bisher letzten Teil (Terminator Salvation, McG, USA/D/UK/I 2009) hat sich die Gestaltung stark verändert: wenn man mit den Augen des Terminators blickt, befindet sich die Schrift an den entscheidenden Stellen im Bild, nimmt auf das Bild direkt Bezug, kann Objekte beschreiben und 184 – 185 durch grafische Elemente einrahmen. Wie in Stranger Than Fiction werden anhand derer sich der Spieler im Spiel orientieren kann, verlieren in der Ver- hier auch in der Bewegung des Bildes Objekte vermessen und die Verän- filmung ihre Funktion und bleiben bloße Referenz an das Spiel. derungen im Abstand angezeigt. Durch die Schrift wird der jeweilige Stand Für Karten im Fernsehen hat Rolf Nohr festgestellt, dass das schein- der Technik visualisiert, ohne dass man diese dafür im buchstäblichen Sinne bare Durchbrechen der Transparenzillusion, die durch den Kontrast von Bil- lesen müsste. Die damit einhergehende Befreiung ursprünglich intendierter dern realer Ereignisse und den digital animierten Karten entsteht, sich im Semantiken findet sich laut Elsaesser im postklassischen Kino an verschiede- Medium des Fernsehens eben nicht einstellt, sondern im Gegenteil dadurch nen Stellen. Bezüglich der von Coppola häufig eingesetzten Überblendun- »die Instantinierung einer neuen Transparenzillusion« (Nohr 2002: 170) er- gen in Bram Stoker‘s Dracula (Francis F. Coppola, USA 1992) stellt er fest: reicht wird, da die möglicherweise in ihrer Referenz zum Objekt nur noch wenig stabilen Bilder durch Animationen des »vorgeblich objektivierende[n] The key technical means or figural trope used in order to achieve this end is Apparatesystem[s] Computer« (ebd.) zu neuer Objektivität gelangen kön- superimposition. There is superimposition in classical cinema, too, but it is nen.81 Was im Fernsehen jedoch im Dienst der Etablierung eines Wahrheits- mainly used to indicate either a shift in time and/or space, or to signal inte- begriffes steht (cf ebd.), dient im Kino der ästhetischen riority, that is, the character‘s thoughts. But in a post-classical film such as „ »Auto­critique, scandal, and reve­ Anbindung an andere Medien und ist damit ebenfalls re- Bram Stoker’s Dracula, superimposition is freed from these connotations, no lation of its machinery became new  levanzsteigernd, wobei hier natürlich das Objekt und nicht longer functioning as boundary marker (Elsaesser 1998: 202). structural components of modern  das Faktum im Vordergrund steht. ideology […]. The ideology does not  Übertragen auf die Schrift setzt in neueren Filmen eine Ornamentalität Wie die Analysen auch gezeigt haben, befindet sich demand that the subject blindly believe  der Schrift ein, in der es nicht mehr unbedingt darum geht, diese zu ent- die Schrift überwiegend an den Rändern des Films, am it, as it did early in the twentieth cen­ ziffern. Selten kommuniziert diese Schrift narrativ relevante Informationen, Anfang und am Ende. Der starke Einsatz von Schrift, klei- tury; rather, it puts the subject in the  die ausschließlich dort zu finden wären. Die Schrift wird zum Bild, das über nen Animationen und Piktogrammen kann zudem auch master position of someone who knows  die Gestaltung, die inszenierte Typografie, den Film zusätzlich konnotiert, als Brückenfunktion zu dem den Film rahmenden Paratext very well that she is being fooled,  im zeitgenössischen Blockbuster häufig mit technizistischen, hypermoder- gesehen werden, der damit ästhetisch auch Einfluss auf and generously lets herself be fooled.  nen – digitalen – Inhalten. Diese ornamentale Schrift ist keine reine Erfin- die Filmgestaltung ausübt. Im Kino, Fernsehen und auf […] [T]he new materialism is based  dung des digitalen Films, wie Abel Gance‘ Beispiel in Un grand Amour de der DVD ist der Film häufig von heterogenen Ausdrucks- on oscillation between illusion and its  Beethoven gezeigt hat, aber die Schrift fügt sich in ein ganzes Set heteroge- mitteln eingerahmt: fliegende Menübuttons, Bauchbin- destruction, between immersing a vie­ ner Stilmittel ein, die sowohl im Zusammenhang mit dem Einfluss des Digi- den, die sich im Fernsehen noch weit in den Film hinein wer in illusion and directly addressing  talen als auch mit den Veränderungen der Ästhetik des postklassischen Films erstrecken und die Schrift der Titelvorspanne selbst finden her. In fact, the user is put in a much  zu tun haben. Häufiger Grund für Schrifteinblendungen sind Orts- und Zeit- ihre Entsprechung in den typografischen Animationen in stronger position of mastery than ever  wechsel, die dadurch kenntlich gemacht werden. Ersetzt oder sogar ergänzt den Anfängen der Filme und setzen so den Flow von Ad- before when she is ›deconstructing‹  werden sie oft auch durch digital animierte Karten, deren Orientierungswert vertising, Announcement und Vertrautheit fort. commercials, newspaper reports of  jedoch ebenfalls meist gering ist. Diese Karten sind dabei mehr als nur eine Deutliche Enunziationsmarkierungen wie in Crank scandals, and other traditional nonin­ weitere Form von Zwischentiteln oder Montagesequenzen, sie beziehen sich oder Fay Grim hängen weniger mit einem ausgeprägte- teractive media. The user invests in the  konkret auf außerfilmische Medialitätsmanifestationen, ohne jedoch auch rem Hang zur Selbstreflexion und Sichtbarmachung von illusion precisely because she is given  dieselbe semantische Kodierung anzunehmen. Besonders deutlich wird das Ideologie zusammen, die durch die digitalen Medien laut control over it« (Manovich 2001: 209). in Resident Evil. Die aus Computerspielen bekannten Karteneinblendungen, Manovich möglich werden,ƒ sondern lassen sich zu Zwi- 186 – 187 schentiteln wie dem in Why Change Your Wife zurückverfolgen. Die Frage, ob Producers of digital media want to challenge the cultural status of conven- und wann es sich dabei um eine Art der Reflexivität handelt, ist aufgrund der tional film and television by appropriating and refashioning the represen- oft ideologischen Aufladung des Begriffes nur schwer zu beantworten. Robert tational practices of these older forms. Creators of film and television series Stam zählt in seiner Untersuchung der Reflexivität im Film überwiegend nur are ready to appropriate digital techniques in turn, whenever they can do solche Filme dazu, die die Transparenz des Films mit brechtschen Techniken so while retaining what they regard as the key qualities of their systems of gezielt zu durchbrechen oder hinterfragen versuchen und ihre Gemachtheit representation (Bolter 2008: 568). nicht verstecken suchen, wie die Filme Jean-Luc Godards. Der Begriff wird dabei schnell zu einem Unterscheidungswerkzeug zwischen Hollywood- und Bolter fügt allerdings gleich an, dass die Möglichkeiten des Digitalen vom Autorenfilm, inklusive der damit verbundenen Wertung. Bordwell und Staiger Hollywoodkino dazu benutzt werden, um einen noch realistischeren Effekt lehnen die Nutzung dieser Begriffe als Dichotomien daher auch ab: zu generieren, allein Autorenfilmer wie Greenaway oder Marker würden die Hybridität ihrer Filme deutlich herausstellen (cf ebd: 570). Wie schwierig Theorists usually discuss alternatives to the classical cinema in general and diese Diskussion ist, zeigt sich auch an den oben besprochenen Filmbei- largely negative terms. If the classical style is ›invisible‹, we will then prai- spielen. Crank oder Stranger Than Fiction vermischen sehr wohl und gut se films that show the camera. To the pleasure of the classical style, critics sichtbar ganz unterschiedliche mediale Manifestationen, verstecken also have counterposed a cinema of ›unpleasure‹ or frustration or boredom; to a zunächst nicht den »störenden Einfluss von Computergrafiken auf den tra- representation of depth, a cinema of flatness or ›materiality‹. Working with ditionellen Stil der transparenten Repräsentation« (Bolter 2008: 569, Übers. such mighty opposites, it becomes easy to claim that the favored filmmaker FK). Aber sie passen diese besser ein in den gesamten Stil des Films als bei- (Godard, Vertov, Stan Brakhage, whoever) ›subverts‹ or ›deconstructs‹ the spielsweise die dazu vergleichsweise groben Schrifteinsätze bei Godard. Da- dominant style. […] [O]ne cannot simply oppose narrative or pleasure; one bei unterscheiden sie sich auf der visuellen Ebene wiederum aber nicht von must at the same time show how films can construct systematic alternatives einigen Filmen Greenaways, der die Schrift ebenfalls sehr ornamental in die (BST 2006: 379f.). Bilder einfügt. Dass diese Filme jedoch nicht als ebenso leicht konsumierbar Bordwell hat deutlich darauf hingewiesen, dass die Reflexivität keine Sel- angesehen werden, hängt bei Greenaway damit zusammen, dass nicht die tenheit war im klassischen Hollywoodkino der 20er bis 40er Jahre, also Narration allein die Aufmerksamkeit der Zuschauer steuert. einer Periode, deren Stil besonders häufig als transparent oder unsichtbar Wie bei den Zwischentiteln auch bilden sich bei den aktuellen beschrieben wird (BST 2006: 21ff.). Das Herausstellen der Produktionsmit- Schrifteinsätzen ebenfalls unterschiedliche Adressierungsebenen, die der tel und die Reflexivität bezogen auf die Narration wurde allerdings nicht Zuschauer selbst zuordnen muss: von den Untertiteln bei Thank you for mit derselben Konsequenz eingesetzt wie im künstlerischen Film und hatte Smoking und Crank (kommentierend) über die Titel, wie sie in Jackie Brown meist auch nicht den ideologischen Hintergrund. (Quentin Tarantino, USA 1997) 82 (erklärend) vorkommen, bis hin zu den Im Bezug auf die Möglichkeiten digitaler (Post-)Produktion bekommt GUIs bei Stranger Than Fiction. Das Stilmittel Schrift wird nicht behutsam diese Diskussion jedoch wieder mehr Gewicht. So argumentiert Bolter, dass eingeführt, sondern es wird darauf vertraut, dass der Zuschauer Sinn und das »late cinema« (seine Bezeichnung für den postklassischen Film bei El- Bedeutung der Schrift erkennt und in den narrativen und/ oder diegeti- saesser) stark unter dem Einfluss sowohl der digitalen Produktion als auch schen Kontext einordnen kann. anderer, es umgebender neuer digitaler Medien steht: Auch Nornes Theorie der abusive Subtitles geht von einer zwischen- zeitlich größeren Vertrautheit der Zuschauer gegenüber Bild-Schrift-Mi- 188 – 189 schungen aus, die er bei im Internet kursierenden, durch Fans selbst un- darauf findet sie in der Fernsehserie 24 (USA 2001-9, Ro- tertitelten Anime-Serien beobachtet. Dabei werden unübersetzbare Wörter bert Cochran, Joel Surnow), die ebenfalls teilweise mit nicht übersetzt, sondern als fremdsprachiger Fachausdruck in die Über- vier Fenstern arbeitet. Trotz ihrer sehr ungewöhnlichen setzung eingegliedert, die in der Erklärung derselben längere Nebensätze Optik funktionieren beide Beispiele aber mit einem sehr (Fußnoten) 83 einfügen kann: »Some tapes include small-type definitions konventionellen Verfahren, um die Rezeption zu verein- and cultural explanations which are illegible on the fly (here we find a com- fachen. In Timecode wird die Aufmerksamkeit der Zu- pletely new viewing protocol made possible by video where the viewer halts schauer durch den Ton gelenkt, der immer nur aus einem the apparatus‘s mindless march and reads subtitles at leisure)« (Nornes Timecode (Mike Figgis, USA 2000) der vier Fenster kommt, die anderen drei bleiben derweil 1999: 32). Obwohl Nornes hier betont, dass diese Untertitelungspraxis auf stumm. Wie bei einer herkömmlichen Totale arbeitet der den Gebrauch einer Pausetaste hin abzielt, zieht auch er den Schluss, dass Ton dramaturgisch, um Wichtiges von Unwichtigem zu das Kino sich ebenfalls auf diese neue Möglichkeit einlassen müsste: trennen.84 Und bei der Serie 24 finden sich die vierfachen Split Screens meist nur an den Übergangsstellen kurz vor The time is ripe for abuse, if only because we are in an age where moving oder nach der Werbeeinblendung, an Stellen also, die äs- image literacy includes the ability to manage complex text/image relations. thetisch auf Angrenzendes referieren bzw. auch immer Audiences bring those talents to the foreign film, but they go entirely un- noch kurz zusammenfassen und verdeutlichen müssen, used, what once was radical experimentation is now stuff of Hollywood ci- welche Cliffhanger noch im Spiel sind. nema, MTV and pop-up video, commercials, sitcoms, and the nightly news. 24, kurz nach der Werbepause. Indem der Film also besonders an seinen Rändern Complex image/text relationships are a normalized textuality from everyday einen Hang zur heterogenen Gestaltung zeigt, wird auch experience (ebd.). noch einmal eine Schere zwischen ästhetischem und narrativem System ei- Verschiedene Untersuchungen digitaler Phänomene im zeitgenössischen nes Films offenbar. Geht man bei der Konstruktion von Handlung davon Kinofilm gelangen zu der Ansicht, dass der Zuschauer im digitalen Zeital- aus, dass diese in der Eröffnung eines Films in konzentrierter Form vor-an- ter selbständiger Informationen verarbeiten kann und muss (cf Manovich gelegt wird (Drehbuchautoren sprechen dabei von Foreshadowing), so gilt 2001: 210). bezüglich der ästhetischen Gestaltung noch ein anderes Programm. Grafi- Viel zitiertes Beispiel dafür ist Timecode von Mike Figgis (USA 2000). ken, Animationen und Schriften verbinden den Film ästhetisch mit anderen Der Film erzählt vier Geschichten, die sich alle zeitgleich in Hollywood ab- Medienformen und dienen damit einer Hin- und Einführung der Zuschauer. spielen. Das Besondere des Films ist, dass alle vier Narrative in einer Ein- Ist dies geschehen, treten diese Elemente wieder zurück. Der Schrift kommt stellung gleichzeitig von jeweils einer Kamera gefilmt wurden. Anschließend dabei nicht mehr die primäre Aufgabe der textlichen Informationsvermitt- wurden die vier Filme im Splitscreenverfahren in ein Bild eingefügt, so dass lung zu, vielmehr wird die Schrift im Film zu einem gestalteten und ge- man immer alle gleichzeitig sehen kann. An einigen wenigen Stellen treffen stalterischem Stilmittel, dessen spezielle Funktion erst durch die textinhalt- sich die Protagonisten der einzelnen Filme und sind dann kurz in zwei Fel- liche Redundanz sowie die neuen gestalterischen Möglichkeiten zustande dern zu sehen. Da Timecode die »›Desktop-Ästhetik‹ der Gleichzeitigkeit« kommt – eine Entwicklung die auch im Grafikdesign seit Anfang der 90er (Weingarten 2008: 228) nachahme, erkennt Weingarten durchaus Möglich- zu finden ist, beispielsweise in den Arbeiten David Carsons (siehe S. 206ff.). keiten einer schnelleren Aufnahmefähigkeit gleichzeitig ablaufender Ereig- nisse im Kino durch das alltägliche Training am Computer. Erste Hinweise 190 – 191 2.4 Exkurs zum Vorspann Seit dem frühen Kino ist der Vorspann im Hinblick auf die ökonomische und rechtliche Situation des jeweiligen Films eines der wichtigsten Topoi gewesen, das bereits Die Inszenierung der Schrift spielt besonders beim Vorspann eine wichtige früh mit aufwändiger Titelgestaltung gewürdigt wurde Rolle. Die Credits richten sich nur an eine Minderheit im Publikum und sind und damit ein weiteres Production Value darstellt, das zu- zum weiteren Verständnis des Films nicht unbedingt wichtig, was die Orna- dem an zentraler Stelle auf sich, den Film und damit auch mentalität der Schrift im Vorspann entscheidend begünstigt. Die Prinzipien auf alle im Vorspann Genannten aufmerksam macht. ƒ der Schriftgestaltung folgen denen der inszenierten Typografie und der Ti- Und auch an dieser Stelle wurde und wird versucht, den tel- beziehungsweise Logogestaltung. Sie unterstützen nicht den Sinn der Einfluss der Ökonomie herunter zu spielen. Nicht zuletzt Worte, sondern inszenieren den Inhalt, dem der Vorspann vorausgeht. Saul Bass selbst hat an dem Mythos mitgearbeitet, dass Die meisten Titeldesigner/innen sind nicht bloß für die Kunst der Vorspanngestaltung entstanden sei, da es „ »Ich zahle all diesen Leuten das Geld, also  die Typografie, sondern allgemein für den Vorspann ver- für das Publikum zu langweilig wäre, die Credits einfach sollen ihre Namen auch groß erscheinen!«  antwortlich, also auch die Bilder, die möglicherweise da- bloß zu lesen (siehe S. 86). Aus dieser Perspektive sind (Jack Warner, zit. nach Harris 2006: S. 126).  rin gezeigt werden oder auch die Musik, die zu hören ist. die Credits ein notwendiges Übel, das man atmosphä- Indem der Vorspann in seiner Gestaltung  In enger Abstimmung mit Regisseur, Produzent und Mar- risch oder narrativ nutzbar machen kann, um die Zeit deutlich aus dem Film heraussticht, macht  ketingabteilung wird der Vorspann entwickelt, im Idealfall nicht zu verschwenden. Der Vorspann ist dann eine Art er natürlich auch Werbung für seinen  sind die Designer/innen außerdem für andere grafische Ouverture 86, die in Bild und Ton die zentralen Motive des Gestalter: »Mit dem Vorspann macht der  Elemente des Films verantwortlich, wenn beispielsweise Films vorstellt. De Mourgues hat in seinem Buch über Werbefilmer Werbung für sich selbst. Der  noch an weiteren Stellen Schrift auftaucht 85 aber auch den Vorspann in den fünf Einstellungen, die unter den Vorspann ist Vorwand zur Inszenierung  für Plakat, Trailer und andere Medien der Werbekampa- Credits von Stagecoach (John Ford, USA 1939) liegen, die eigener storytelling­Fähigkeiten« (Böhnke  gne, so dass der Schriftzug des Filmtitels wie der einer gesamte Geschichte des folgenden Films vorerzählt ge- 2003: 17), fasst Böhnke es zusammen und  Marke in unterschiedlichen Zusammenhängen kommu- sehen (de Mourgues 1994: 164-8): Die Postkutsche wird Coupland verweist darauf, dass Imagi­ niziert und zweifelsfrei identifiziert werden kann, eine von Indianern verfolgt, der Himmel ist dunkel behangen, nary Forces, die Firma von Kyle Cooper  Methode, die Saul Bass perfektioniert hat. Er übertrug in in der letzten Einstellung aber wieder hell. ebenfalls sehr innovativ im Entwickeln  seiner Arbeit Erfahrungen aus dem Grafikdesign und der Aufgrund der hohen Komprimierung von Informati- einer »graphic language for football stadi­ Werbetypografie auf den Film und nutzte dabei die Iko- on sowie der am Anfang des Films noch hohen Rezepti- ums« ist (Coupland 1998: 69). Der Erfolg  nizität der Schrift. Handelt es sich bei den zu gestalteten onsbereitschaft, können die Bilder semantisch stark aufge- des Vorspanns zu Se7en (David Fincher,  Worten um Eigennamen, muss die Schrift zum Bild wer- laden werden. Diese müssen dann interpretiert (gelesen) USA 1995) ermöglichte es seinem Designer  den, damit Konnotationen funktionieren. Dabei kommt werden, so wie die Credits selbst auch, die aber zu einem Kyle Cooper, die LA Dependance von R/ es nicht so sehr auf das genaue Entziffern der Wörter an, anderen Bedeutungssystem gehören. Die Schrift nimmt im Greenberg Associates aufzukaufen, für die  sondern auf den Effekt und den Wiedererkennungswert, Vorspann eine besondere Stellung ein, da sie keine zum er zuvor gearbeitet hat. Richard Greenberg  den die Schriften haben müssen, damit die Leser/innen Verständnis notwendigen Informationen wie Zwischen- hat selbst Vorspanne gestaltet, u. a. für den  sie schnell und ohne den Text zunächst wörtlich zu erfas- und Untertitel kommuniziert. Sie befindet sich zudem an Film Altered States (Ken Russell, USA 1980).  sen, einem Produkt zuordnen können. einem allgemein akzeptierten zeitlichen Rand des Films. 192 – 193 Auch deswegen ist der Vorspann inzwischen zu einem beliebten Analyse- steht, die man in dieser Kombination und in dieser Art im weiteren Verlauf objekt geworden, der neben den ihm gewidmeten Publikationen auch auf des Films nicht mehr findet. André Gardies (2006) und Roger Odin (2006) zahlreichen Internetseiten 87 und in Ausstellungen 88 zu finden ist. Grund haben beide auf diesen besondern Aspekt des Vorspanns hingewiesen, der dafür ist seine scheinbare Selbständigkeit, durch die er sich gut aus dem dazu geeignet ist, durch seinen ankündigenden Charakter die spezielle Fik- Film herauslösen lässt. Dabei wird häufig darauf verwiesen, wie wichtig tionalität des folgenden Films zu betonen und herauszustellen. der Vorspann für den Film ist 89 und gleichzeitig darauf verwiesen, dass er Die Schrift im Vorspann ist auch dafür notwendig, dass die spezielle eigentlich nicht zum Film selbst gehört.90 Die paratextuelle Deklarierung Ästhetik als Vorspann überhaupt erkannt und damit auch akzeptiert wird. des Vorspanns ermöglicht, ihn aufgrund der grafischen Leistungen zu ana- Erst in diesem Zusammenhang wird die Schrift im Vorspann als Untersu- lysieren und die Anbindung an den Film zu vernachlässigen. Seine visuel- chungsgegenstand produktiv: es kommt nicht so sehr auf ihre Ikonizität an, le Andersartigkeit gegenüber dem Rest des Films ist immer wieder betont sondern auf ihren Status der Markierung, der die Sequenz zu einem Vor- worden 91, doch die Betonung der Abgrenzung dieses stark konventiona- spann macht. Zu fragen wäre also weniger, wie das Verhältnis von Schrift lisierten Bereichs macht einen Vergleich zwischen der Schrift im Vorspann und Bild im Vorspann zu bewerten wäre, sondern viel mehr danach, warum und der im übrigen Film zu einem Problem. Wenn Stanitzek also den Vor- dieser oder jener Vorspann an eben dieser Stelle folgt, warum er weggelas- spann als Beweis dafür anführt, dass der Film auch noch nach den 50er sen wurde und welche Bilder und damit Informationen er im Bezug auf die Jahren von Schrift »imprägniert« sei (Stanitzek 2006b: 94), impliziert das Geschichte vermittelt. Hierbei wird deutlich, dass der Vorspann vor allem im Umkehrschluss, dass die formale Unterscheidung zwischen einer textlich ein erzählerisches Instrument darstellt. Den Vorspann als Paratext zu klas- kommunizierenden Schrift und den Credits im Vorspann zu vernachlässigen sifizieren, suggeriert hingegen, dass es sich dabei um ein Element handelt, sei, was aber schon allein aufgrund der allgemein akzeptierten Randstellung das sein Wissen über den Film gerade daraus bezieht, dass es etwas außer- des Vorspanns problematisch ist. Eine Rechtfertigung der Schrift im Film halb des »eigentlichen Textes« steht. Die oben gemachten Ausführungen durch den Verweis auf die Tradition des Vorspanns stärkt den randständigen zum Paratext und zur Diegese sowie die Darstellung der kommentierenden Status der Schrift und ist eine unausgesprochene Forderung danach, text- Zwischentitel haben jedoch gezeigt, dass der Film nicht nur im Vorspann inhaltliche Aspekte allein über das Bild zu kommunizieren. immer wieder auf ein Vermittlungsangebot zurückgreift, das strenggenom- Immer wieder wird auch von einer konfliktuösen Schrift-Bild-Be- men nicht Teil der Geschichte sondern Teil der Narration ist. Diese Unter- ziehung im Vorspann ausgegangen, trotz der besonderen Ikonizität der scheidung in der Erzähltheorie zwischen fabula und syuzhet, also zwischen Schrift: »Qui va gagner? Le lisible ou le visible? A chaque spectateur de der erzählten Geschichte und der Erzählung, die man präsentiert bekommt, mener sa propre bataille!« (de Mourgues 1994, 113).92 Auch Joachim Paech ist zwar ein anderes Begriffspaar, als Genettes Paratext-Diskurs, der stärker sieht die Bilder am Anfang eines Films bedroht durch lieblos darüber ge- bestimmte Elemente der Produktion in Augenschein nimmt und weniger ein setzte Schrift: »[Die Titel], die oft das Bild bis zur Unkenntlichkeit zude- Analysewerkzeug für Aspekte der Geschichte darstellt. Es handelt sich aber cken […]. Jede nicht-diegetische Schrift muss notwendig wie ein Schatten nicht um weitere, sich ausschließende Kategorien, da man den Vorspann auf das Bild fallen und die Illusion der räumlichen Tiefe durch die Fläche, als Teil des Paratextes bezeichnen und trotzdem seine Rolle innerhalb des auf der die Schrift erscheint, bedrohen« (Paech 1994: 224). Doch die Schrift syuzhets genauer untersuchen kann. Es stellt jedoch eine Entscheidung im Vorspann ist, anders als an anderen Stellen im Film, Teil eines komplexen dar, innerhalb welchen Zusammenhanges man den Vorspann überwiegend Gefüges, dass ähnlich der Montagesequenz eine Konvention darstellt, die analysiert. Das Insistieren auf dem paratextuellen Status des Vorspanns ist aus einer Mischung von Bildern, Musiken und eben auch Buchstaben be- wenig produktiv, zumal man dabei wie oben dargelegt schnell auf Prob- 194 – 195 leme trifft, wenn bspw. die Schrift über den ersten Bildern der Geschich- Ein Beispiel hierfür ist der Vorspann des Films The Naked Kiss (Sam Fuller, te erscheint und man verschiedene Schichten des Filmbildes voneinander USA 1964 - Vorspann: Pacific Title). Der Film beginnt mit dem Logo des US- ablösen müsste. Als Teil des Textes und Möglichkeit für das syuzhet bleibt Verleihers Janus Films, zwei Tafeln, die die Produzenten nennen, und zeigt die Sequenz jedoch intakt, der Konstruktionsprozess zeigt sich hier jedoch als erste Einstellung eine Frau (Constance Towers), die direkt in die Kamera deutlicher als in anderen Teilen. blickt und zu einem Schlag ausholt. Der Gegenschuss aus ihrer Subjektive Den Vorspann in diesem Sinne als Teil der Narration aufzufassen, be- zeigt den Empfänger: ein Mann wird im Gesicht getroffen. Selten sind die deutet, ihn als »Geste« zu konzipieren, durchaus analog zu Flussers Phäno- Enunziationsmarkierungen zu Beginn eines Films so deutlich wie hier. Der menologie, bei der die Geste nicht das Ergebnis einer reinen Kausalverkettung Kampf wird zu Beginn ausschließlich aus der Subjektive der Kämpfenden ist, sondern ein »kodifiziertes Symbol«, eine Darstellung (cf Flusser 1997: gezeigt. Mehrmals wird zwischen beiden hin und her geschnitten, dabei ist 10ff). Der Vorspann stellt eine Konvention dar, derer man sich bedienen kann. laute Jazzmusik zu hören (die Musik, mit der die ersten Tafeln unterlegt wa- Man kann die Geste weglassen, sie entleeren oder besonders bedeutungsvoll ren, war eine andere), und die Kamerabewegungen sind schnell und schein- einsetzen, dass es dabei deutliche Unterschiede gibt, vergleicht man bspw. ei- bar unkontrolliert. Der Mann kann sich nicht wehren, die Schläge prasseln nen Vorspann, der einfache Titelkarten einsetzt mit einem, der die Schrift über auf ihn ein – und damit auch auf den Zuschauer, denn nicht immer wird gefilmte Bilder legt, erklärt sich von selbst. Damit werden gerade jene Vor- rechtzeitig auf den Mann geschnitten, so dass der ein oder andere Schlag spanne greifbar, die eben nicht abgetrennt vom Beginn der Geschichte sind auch auf die Kamera geht. Erst nach einer halben Minute und zehn Schnit- und bei denen die Credits eine Verbindung mit den ersten inszenierten Bildern ten wird kurz eine Raumtotale gezeigt, dann geht es aber wild weiter. Sie eingehen. Dieses Konzept befreit den Vorspann aus seiner Design-Domäne 93, solle doch bitte aufhören, fleht er (zack), er sei doch betrunken (zack). Um in der er meist nur auf sein Kommunikationskonzept hin untersucht wurde, sich irgendwo festzuhalten, fasst er nach vorne, erwischt ihre Haare und als Film im Film, selten aber als auktoriales Element der Narration. Der Vor- zieht ihr eine Perücke vom Kopf. Er geht zu Boden, sie ist aber gleich wieder spann transportiert nicht zwangsläufig eine Aussage, die über ihm, um ihn mit Soda nass zu spritzen. Dann nimmt sie seine Briefta- „ Godard folgend, wonach ein Film  es erst durch den Gestalter zu verpacken und anschließend sche und zählt das Geld. 800 Dollar hat er, sie nimmt aber nur die 75, die er zwar Anfang, Mitte und Ende, doch  durch den Rezipienten zu entschlüsseln gilt – sondern mar- ihr schuldet. Sie steckt sich das Geld unter ihren BH und wirft den Rest auf nicht zwangsläufig in dieser Reihen ­ kiert erst einmal: den Anfang des Films und der Geschich- ihn. Dann steht sie auf und geht, nicht, ohne ihm vorher noch einen Tritt folge habe, muss die Anfangsmarkie­  te, der Verweis auf die Herstellung durch die Credits selbst in die Seite zu versetzen, vor einen Spiegel. Bis hierhin sind insgesamt 100 rung nicht unbedingt auch am Anfang  und seine besondere Stellung im Film. Diese spezielle An- Sekunden vergangen, dann beginnt die Credit-Sequence. Die Kamera fängt des Films liegen. In Apichatpong  fangsmarkierung ƒ kann dann vom Regisseur und / oder die Frau als Subjektive des Spiegels auf. Sie adressiert direkt den Zuschauer Weerasethakuls Sud sanaeha (Blissfully Vorspanndesigner genutzt und mit Bedeutung aufgeladen (der jetzt der Spiegel ist) und setzt sich mit entschlossenem Blick ihre Perü- Yours, Thailand/F 2002) kommt die Ti­ werden. Nicht weil der Vorspann Teil des Produktionspro- cke wieder auf. Man hört noch ein Husten des Mannes im Off, dann weicht telsequenz erst nach fast der Hälfte des  zesses ist, ein aufgrund distributorischer Zwänge und kre- die (diegetische?) Jazzmusik einer ruhigeren Filmmusik und der Filmtitel Films. In der Geschichte davor befan­ ativer Ausflüchte entstandener Experimentierplatz, ist er erscheint, leinwandfüllend über das Bild gesetzt, wobei das Wort »Naked« den sich die Protagonisten in der Stadt,  für die Analyse von Interesse, sondern weil er aufgrund der des Titels wie die anderen Worte auch mit Schlagschatten dargestellt, die danach im Dschungel. Dazwischen zwei  Konventionen für die Narration genutzt werden kann. Wie Buchstabenfläche aber transparent ist, allein die Kontur ist weiß nachge- Schwellen: die Credits, über die Auto­ und auf welche Rolle dabei die Schrift zum Tragen kommt, zogen. Auch der Gesichtsausdruck der Frau mildert sich etwas, soweit man fahrt von Stadt nach Land geblendet. verdeutlichen die folgenden Analysen. das durch die Credits hindurch beurteilen kann, und sie beginnt, die Spuren 196 – 197 der Aufregung, die der Kampf in ihrem Gesicht hinterlassen hat, zu besei- länger, um mit ihr emphatisch mit zu fühlen. Die Expositi- „ »There is some connection bet­ tigen: sie kämmt sich, zieht sich die Augenbrauen nach, pudert sich und on verhindert nachhaltig die Identifikation mit der Heldin. ween scenes we feel entitled to talk  testet vor dem Spiegel ihr Lächeln. Darüber werden fast unbarmherzig die Erst schlägt sie den Zuschauer, dann hat sie auch noch over in the movies and scenes that  Credits geblendet, in einer weißen, fetten serifenbetonten Linearantiqua, eine Glatze und fixiert anschließend mit strengem Blick the makers themselves feel entitled  die mit einem starken Schatten versehen wurde. Nach knapp dreieinhalb das Publikum, einer der schlimmsten Tabubrüche des kon- to write over« (Sutcliffe 2000: 18).  Minuten endet die Credit Sequence, die Jazzmusik blendet ein, und wir sind ventionellen Mainstreamkinos. Die Credits sind dabei zu Die Vorspannsequenz von Breakfast wieder in dem Raum des Kampfes. Die 100 Sekunden Credits wirken wie zweierlei nützlich: Zum einen mildern sie den direkten at Tiffanys (Blake Edwards, USA  eine Insel, eine intimes Entfliehen vor der anstrengenden Realität (wie ein Blick in die Kamera ab, indem sie sich als Schutz zwischen 1961) ist für Hüser (2009b) deswegen  Kinobesuch eben). Bevor sie die Wohnung verlässt, nimmt sie noch ein Foto ihn und das Publikum schieben, zum anderen sind sie aber so gelungen, weil die verträumte  von der Wand, zerreißt es und geht. Erst dann traut sich der Mann, sein auch die Entschuldigung für diese 100 Sekunden Blick in Holly (Audrey Hepburn) mit Buch­ Bewusstsein wieder zu erlangen. Er dreht sich um, klaubt sein Geld zusam- die Kamera. Solch eine direkte Sequenz wäre ohne die staben im Bild kombiniert wird. Es  men und häuft es auf einem Kalender seines Schreibtisches an, der das Da- Credits kaum vorstellbar. ƒ Verschiedene Elemente fallen ist andersherum: die verträumte  tum 4. Juli 1961 (Independence Day!) zeigt. Die Kamera fährt näher an das in der Credit-Sequence zusammen: die enunziatorischen Holly können wir deswegen so aus­ Datum heran und dann wird auf ein weiteres Datum geschnitten, das von Figuren des direkten Blicks in die Kamera und der Schrift führlich bewundern, weil die Buch­ da an mehr als zwei Jahre in die Zukunft weist und auf einem Banner des des Vorspanns, sowie die erneute »Maskerade« von Con- staben (der Credits) mit im Bild sind  Örtchens Grantville gedruckt ist. Hier, nach ziemlich genau vier Minuten stance Towers und der Hinweise auf die Gemachtheit des (sein müssen). filmischer Zeit, beginnt die Geschichte. Films in den Credits. Die konzeptuelle Bedeutung dieser höchst ungewöhnlichen Eröff- Fullers Film ist eine Abrechnung mit der kleinbürgerlichen Moral der nung lässt sich erst nach Ende des Films gänzlich erschließen. Kurz nach 60er Jahre. Kelly enttarnt in dem Örtchen, in das sie als Krankenschwester dem Vorspann hat man kaum Informationen. Zwar weiß man, dass zwischen geflüchtet ist, einen Mann, der kleine Kinder missbraucht. Dieser ist jedoch der Episode im Vorspann und der danach einsetzenden Geschichte mehr als einer der angesehensten Bürger des Städtchens, weswegen man ihr nicht zwei Jahre vergangen sind und dass die Frau Kelly heißt, zumindest nennt sie der geprügelte Mann so, aber diese Informationen können in der unver- mittelten Hektik des Anfangs auch schnell übersehen werden. Man braucht länger, um einerseits die Frau, die man doch während der Credits so eingehend betrachten konnte, als die Krankenschwester des Dorfes zu identifizieren, die nun im Zentrum der Geschichte steht und noch 198 – 199 glauben mag, schon gar nicht, als man ihre Vergangenheit wieder hervor Eine Analyse der gestalterischen Mittel untermauert diese These. Die Ein- zerrt, in der sie als Prostituierte gearbeitet hat. Und erst jetzt können die blendung der Schrift in optisch horizontaler und vertikaler Bildmitte, direkt Handlungen der Pre-Title-Sequence entschlüsselt werden. Der Mann, den über das Gesicht der Hauptfigur entspricht der Geste einer deutlichen Set- sie damals zusammen geschlagen hat, war ihr Zuhälter. Das Bild, das sie zung, nicht der des zufälligen Überschreibens. Die Schrift soll ganz bewusst zerriss, war ihr Foto, das neben denen der anderen Prostituierten hing, die das Bild überdecken, den Blick versperren, trotzdem aber einen Teil an Ein- für ihn arbeiteten. Er hat ihr die Haare abrasiert, ein Zeichen dafür, dass blick lassen. Schon in der ersten Einblendung »THE NAKED KISS« ist das sie ihren Zuhälter betrogen hat. Erst als Kelly eindeutige Beweise für den Wort »NAKED« als weiße Outline dargestellt, der Buchstabenkörper ist nicht Kindsmißbrauch liefern kann, erkennen die Bewohner/innen des Dorfes, gefüllt. Die Schrift wurde mit einem Schatten nach rechts unten versehen, dass sie im Recht ist. Natürlich zeigen sich alle betroffen darüber, ihr nicht was den Moment des Verdeckens noch verstärkt, häufig gehen die Schatten geglaubt zu haben, aber Kelly möchte nicht mehr mehr an dem Ort bleiben. sogar direkt in die folgende Buchstabenform über. Die Schriftwahl deutet Ursprünglich plante Fuller eine Abschiedsrede, in der sie den Bewohner/ jedoch darauf hin, dass es nicht Fullers Absicht war, das Bild komplett hinter innen ihre Verlogenheit deutlich vor Augen führte. Diese Rede war in ihrer der Schrift zu verstecken. Die hier verwendete Egyptienne, eine schmalfet- Deutlichkeit so direkt und in ihrer Direktheit so deutlich, dass unschwer zu te Bleisatzvariante der Clarendon, weist starke Serifen auf, die besonders erkennen war, dass sie auch den Zuschauer/innen des Filmes galt, weswe- die Großbuchstaben nach rechts und links verbreitern.94 Der Schatten ist so gen Fuller sie wieder entfernen musste: breit gewählt, dass bei der kleineren Schrift durch die Überschneidung von Schatten und Buchstabenform eine fast undurchsichtige Fläche entsteht. What interested me was the type of mentality found in many small towns in Für die Namen werden jedoch Versalien verwendet, hier bleibt zwischen the United States. And the people they look up to and the people they look den Buchstaben und in ihren Innenräumen (z. B. im »O«) noch genügend down at.« [In der Vorspannsequenz blickt die Prostituierte auf das Publi­ Platz, um das dahinter stehende Bild zu erahnen. Der Abstand zwischen den kum herunter! Fuller weiter:] »And I have one of those local heroes who’s Zeilen ist ebenfalls so gewählt, dass trotz Schatten noch Bild zu erkennen the son of the mayor or the bank president and he’s rich and a war hero, ist. Für eine vollständigere Überschreibung müsste eine serifenlose Schrift and they don’t know that the sonofabitch [sic] is a child molester. The man gewählt werden, die Zeilen in geringerem Abstand gesetzt und der Schat- they all look up to is the lowest of the low. And the one they despise, the ten noch weiter von den Schriftzeichen entfernt abgebildet sein müssen. hooker, is above him. They’re hypocrites. And I have a speech in there at the Trotzdem war der Moment der Überdeckung wichtig für die Gestaltung der end where she tells them what they are, she rubs it in so they know it. And Credits. Die schiere Textmenge bei Tafeln mit mehreren Nennungen zeigt the theater owners wanted this speech out. They said, ›You don’t need that dies deutlich. Auch die fette Schrift verweist auf diese Absicht, eine magere speech.‹ I said, ›I think I do.‹ They said, ›We’re not going to be able to go all Version hätte deutlichere Durchblicke erlaubt. Der deutlichste Hinweis ist out for this picture with that speech in there.‹ People aren’t going to want to jedoch die Flächensyntax; in ihrer zentralen Position enthalten die Credits hear this speech, because it’s about them (Server 1994: 48). den gestischen Verweis einer Überschreibung. Fuller nutzt den Freiraum der Es scheint, als habe Fuller seine Anklage vom Ende des Films in den Vorspann Konvention Vorspann, um seine Anklage zumindest hier noch anzudeuten. versetzt. Der Vorspann als Zeichen des Produktionsprozesses fällt zusammen Gleichzeitig wird das Verdecken des Bildes durch die Schrift auch Symbol mit der Anklage der Geschichte, Autoren- und Figurenintention verbünden für das Abschwächen der Aussage durch die Anforderungen des Filmbe- sich zur Botschaft des Films. Sie ist nicht mehr so deutlich wie einst geplant, triebs. Fuller hat sich dafür entschieden, die Möglichkeiten, die ihm der aber hinter dem Vorspann versteckt sie sich doch noch erkennbar. Vorspann als Teil der Exposition bietet, für die Aussage des Films zu nutzen. 200 – 201 Im Sinne des Grafikdesigns wird der Vorspann häufig als verdichtete Lektü- re des Films interpretiert, als eine Verpackung, die den Inhalt schon kom- muniziert, als ein Buchdeckel, der andeutet, was zu erwarten ist. Natürlich passt sich der Vorspann insbesondere bei Genre-Filmen dem Film an, in- dem Schrift und Musik bekannte Elemente aufgreifen. Der Vorspann als Geste ermöglicht es aber auch, den Freiraum zu nutzen, um Dinge zu zei- gen, die im Film sonst nicht vorkommen können. Ein besonderes Beispiel hierfür ist der Vorspann zu Se7en (David Fincher, USA 1995; Vorspann von Kyle Cooper). Der Film beginnt mit einer rund dreiminütigen Pre-title-se- quence, in der Detective Somerset (Morgan Freeman) an dem ersten der insgesamt sieben Tatorte eintrifft, an dem er auch seinen neuen Kollegen Mills (Brad Pitt) kennen lernt. Sie endet damit, dass Somerset in seinem Bett einschläft. Durch die Gestaltung (Fahrt in die Großaufnahme) wird der folgende Titelvorspann als Traum eingeführt – mit ein Grund für die andersartige Ästhetik des Vorspanns. Er unterscheidet sich hauptsächlich dadurch, dass er in Großaufnahmen erzählt, die stark bearbeitet sind, fli- ckern und flackern und nicht selten auch zerkratzt sind. Dabei beginnt der Vorspann ganz »klassisch«: ein Buch wird aufgeschlagen.95 Es ist aber nicht das Buch, das die Geschichte erzählt, sondern das Tagebuch des Serien- mörders. Was man zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: man sieht Tätig- keiten des Mörders, wie er näht, unleserliche Notizen macht oder Fotos einklebt. Den restlichen Film über wird man keine Subjektiven des Mör- ders mehr bekommen, geschweige denn solch intime Großaufnahmen. Laut Kyle Cooper 96 wurden die Bilder mit einer alten Kamera und einem speziellen Filmmaterial aufgenommen. Das Ziel war es, mit dem Vorspann die Gedankenwelt des Serienmörders zu verbildlichen. Der Vorspann zeigt also eine andere Ästhetik als die des restlichen Films und stellt eine Figur in sein Zentrum, die man so erst am Ende des Films kennenlernt. Doch in den Vorspann hat sich eine weitere Ebene des Unzeigbaren eingeschlichen, die sich erst in der Einzelbildanalyse offenbart. Die Kratzer entpuppen sich als eingeritzte Wörter, als Durchstreichungen und Übermalungen. Sie sind nicht einfach nur Ästhetik des Kaputten und des Chaos sondern sind die vom Papier (Tagebuch) auf das Filmmaterial ausgedehnten Fingerabdrücke des Serienmörders.97 Wörter wie »Repent« und »God« blitzen für ein Bild 202 – 203 auf, als säße der Wahnsinnige hinter uns im Kino und hätte seine Botschaft einem Ort ohne Zombies. Der Abspann setzt ein, aber die Geschichte ist noch schnell direkt auf den Filmstreifen geschrieben. noch nicht zu Ende erzählt. Alternierend zu den Tafeln, auf denen in roter Die Geste des Vorspanns bedeutet, sich die Konvention der erzähle- Schrift vor schwarzem Hintergrund die Credits geschrieben stehen, wird die rischen Pause nutzbar zu machen, um anders und weiter zu erzählen. Das Geschichte der Überlebenden auf dem Boot weiter erzählt. In kurzen Auf- Beispiel von Se7en zeigt, dass man im Vorspann sogar Schrift verstecken nahmen sehen wir, dass sie an Bord eine Videokamera gefunden haben, kann. Vor dem Hintergrund der sich verändernden Schrift im Film, die von durch die der Fortgang erzählt wird. Da die gefilmten Personen meist in die einem primär bedeutungstragenden Ausdrucksmittel zu einem in starkem diegetische Kamera und damit direkt zu den Zuschauern blicken, handelt Maße auch ornamental operierenden geworden ist, ergibt sich auch eine es sich bei dem Abspann wie in Naked Kiss um eine doppelte Enunziation. veränderte Perspektive auf den Vorspann als Geste. Wie die Montagese- Der Abspann scheint auch merkwürdig unentschlossen, „ Damit auch diejenigen das Ende  quenz ist auch der Vorspann ein Metazeichen, das inzwischen von seiner es gibt keine Musik, keine Rolltitel, ganz so, als sei der noch sehen, die normalerweise beim  eigentlichen Funktion befreit wurde. Es geht nicht mehr darum, die Credits Film zwar zu ende, aber aufhören wolle man eigentlich Abspann gleich das Kino verlassen,  und damit den Film zu verpacken, der Vorspann ist Teil der Erzählstrate- noch nicht, man tritt auf der Stelle. In kurzen Moment- waren die ersten Bilder, die zwischen  gie geworden. Dazu gehört auch, dass auf den Vorspann verzichtet werden aufnahmen wird erzählt, dass den Personen auf dem die Credits geschnitten wurden, die  kann. Filme ohne eine Credit Sequence tauchen seit den 70er Jahren öfters Boot allmählich das Wasser, Essen und Benzin ausgeht einer barbusigen jungen Frau, Bilder  auf (Bspw. The Godfather (Francis F. Coppola, USA 1974)) und sind seit Ende und dass sie auch untereinander anfangen, sich zu strei- des Vorbesitzers der diegetischen  der 90er Jahre häufig anzutreffen. Meist beginnt der Film mit den aufwän- ten. Sie steuern schließlich eine Insel an (immer noch ist Kamera. Im Interview erzählt Cooper,  dig animierten Logos der Studios und ein bis zwei Tafeln, die die Produzen- nach jeder Einstellung eine Tafel mit den Credits des Ab- dass der Film ursprünglich mit dem  ten nennen. Der Titel des Films wird am Anfang, möglicherweise nach einer spanns zu sehen). Doch kaum haben sie diese betreten, offenen Schluss enden sollte. Da die­ Pre-title-sequence oft als Logo herausgestellt und bildet in Verbindung mit werden sie von den dort weilenden Zombies überrannt. ser aber bei Testvorführungen durch­ dem Plakat, der Internetseite und anderen Materialien die Marke des Films. Es gibt keine Chance, es sind zu viele. Die Kamera fällt fiel, gab man der Geschichte mit dieser  Je nach Film werden die Hauptdarsteller noch mit einem Credit benannt, zu Boden, ein verzweifelter Schuss streckt noch einen Variante ohne großen zusätzlichen  Vorspanne, die den Cast aber bis in die Nebenrollen aufführen sowie die Zombie danieder, der mit seinem Gesicht direkt vor die Aufwand diesen Dreh. Beim Vorspann  wichtigsten Positionen benennen, sind seltener geworden. Die Exposition Kamera fällt. Aus dem offenen Ende wurde während des war es laut Cooper ähnlich: dieser  ist inzwischen von der Konvention befreit, den Vorspann miteinbeziehen zu Abspanns ein schlechtes Ende. ƒ Wie der Vorspann, kann besteht aus Fernsehbildern, die zwi­ müssen; ganz im Sinne der Geste, kann entschieden werden, ob das Poten- auch der Abspann nicht vom Film und seiner Geschichte schen die Credits geschnitten werden  tial des Vorspanns genutzt werden soll oder die Eröffnung durch einen so abgetrennt werden, in machen Fällen taugt er nicht mal und die suggerieren, dass der Virus  genannten Cold Open, also ohne Vorspann, geschehen soll, wie im Beispiel als Endmarkierung. Aber mit dem Ende der Geschichte überall auf der Welt ausgebrochen  von Stranger Than Fiction. ist der Film noch nicht vorbei, und auch die Zombies sei. Diese Informationen sollten dem  Deutlich seltener wird das narrative Potential des Abspanns einge- »leben« noch. Heavy Metal-Musik ertönt aus dem Off, Film noch nachträglich zum besseren  setzt. Für das Remake von Dawn of the Dead (Zack Snyder, USA/CAN/J/F dann rennen sie auf die diegetische Kamera – also auf Verständnis der Handlung beigegeben  2004; Vor- und Abspann: Kyle Cooper) hat Kyle Cooper noch einmal ein das Kinopublikum – zu, bis ihr Kopf in Großaufnahme er- werden (http://watchthetitles.com/ ähnliches Konzept wie beim Vorspann zu Se7en benutzt. Wie das Original scheint, es folgt eine Tafel mit Credits, die anschließend articles/00170­Kyle_Cooper_interview  von George Romero endet der Film mit einem offenen Ende: die Protago- aufplatzt.98 Die roten Titel werden dabei zu roter Far- _pt_1_2, letzter Zugriff: 11.4.2012). nisten besteigen ein Schiff und fahren ins Ungewisse, auf der Suche nach be, die nach außen wegspritzt, das Bild öffnet sich, der 204 – 205 Zombie erscheint dahinter, sie stürmen in den Kinoraum. Wie in Se7en wird elle Texturen und Oberflächen besitzen. Coopers Spezialität der bewegten, die Schrift benutzt, um eine Verbindung von außen und innen zu schaffen, einzelnen Buchstaben ist eine Weiterführung von Carsons Gestaltungsein- um zu suggerieren, dass der Horror auch außerhalb des Filmstreifens weiter fluss auf der zeitlichen Achse. Wenn bei Carson verschiedene Schriften ge- gehe, die Schwellenfunktion der Credits wird um eine zusätzliche Perspek- mischt werden und die Buchstaben sich frei auf der ganzen Fläche verteilen tive erweitert. und teilweise umgedreht erscheinen, springen sie bei Cooper dann einzeln Anhand der Arbeiten Kyle Coopers zeigt sich auch der Einfluss zeit- durch das Bild. Ein Merkmal dieser neuen Art des Vorspanndesigns ist – genössischer Strömungen des Grafikdesign. Nahm Saul Bass erfolgreich ähnlich wie bei den animierten Vorspannen Saul Bass’ – dass sie sich selbst- den minimalistischen Stil der 50er Jahre in seinen Vorspannen auf, so ist bewusst die Zeit am Anfang des Films nehmen, um ihre Ästhetik auf- und bei einigen Arbeiten Coopers der Einfluss David Carsons zu sehen. Mitte auszubauen. Neben der Aufnahme zeitlich vorhergehender Elemente wie der 90er Jahre, also zum Beginn der Karriere von Kyle Cooper, war David Werbung und Trailer ist die Verarbeitung und Weiterführung aktueller Ein- Carson einer der einflussreichsten Typografen. Sein besonderer Stil bestand flüsse des Grafikdesign in der Gestaltung der Credits eine weitere Schwel- in der subjektiven und instinktiven Mischung von Schriften, die nicht mehr lenfunktion des Vorspanns. Die Schrift ist hier speziell das Element, über den bis dahin geltenden typografischen Gestaltungsregeln gehorchten. das Verbindungen und Angleichungen an bereits bekannte, außerfilmische Lesefreundlichkeit stand nicht mehr im Vordergrund, verschiedene Schrif- Konzepte entstehen können; was die Gestaltung angeht, ist sie damit eine ten wurden gemischt, die Buchstaben verdeckten sich teilweise. In seinem Erweiterung des Bildes. einflussreichen Buch The End of Print (1995) wird diese Art der Gestaltung Den Trend zu animierten Vorspannen, den Kyle Cooper 1996 mit dem dadurch erklärt, dass der Tod der Printmedien eben diese wieder in einer Vorspann zu Se7en erneut ausgelöst hat, betrachtet Sutcliffe kritisch: neuen Freiheit auferstehen ließe, da Nachrichten und andere Inhalte inzwi- »Those dazzling displays of just what the film can do offer a conclusion schen über die elektronischen Medien vermittelt würden. to publicity campaign rather than a preamble to what follows« (Sutcliffe Zu dieser Zeit sind auch die sogenannten »Grunge-Schriften« in Mode, 2000: 6). Im Sinne des Marketing-Instruments Vor- „ Kyle Cooper ist der Ansicht, dass der  Schriften, die kaputt und angegriffen wirken, ausgefranst sind oder spezi- spann ƒ hat sich seit den Vorspannen Saul Bass’ bis heu- Vorspann den Zuschauer verführen  te wenig geändert, die Veränderung liegt woanders. Wie müsse, gleich der Geschichte folgen zu  oben ausgeführt, nutzt der Film inzwischen auch die wollen (im Interview: http://watchthe  Schrift, um zu demonstrieren, was im Bild möglich ist. In titles.com/articles/00170­Kyle_Cooper_ diesem Sinne behält Sutcliffe recht: der Film zeigt auch interview_pt_1_2, letzter Zugriff: 1.2.2013).  im Vorspann, wozu er fähig ist, wenn Credits ins Bild in- Hartmann bewertet diesen Effekt deut­ tegriert werden und sich hinter die Gegenstände schie- lich geringer, da das Eintrittsgeld be­ ben. Ein Grund für das Verschwinden des Vorspanns, so reits entrichtet wurde, muss auch nicht  Böhnke, mag die momentane Akkumulation von Para- mehr verführt werden (cf Hartmann  texten vor dem eigentlichen Film im Kino und auf der 2009: 125f.). DVD sein (Böhnke 2009: 106). Doch es ist nicht nur ein Paratext, der einen anderen verdrängt, vielmehr hat sich der Vorspann in den Film verlagert. Damit ist nicht gemeint, dass er sich über die Bilder legt. In seiner heterogenen Form (verschiedene Stilmittel und Inhalte, Mu- 206 – 207 sik, Schrift) ƒ findet er sich nun in der Exposition des „ Der berühmte animierte Vorspann zu  Films wieder: in Schriftzügen, die ebenso wie die eines The Pink Panther (Blake Edwards, USA  Vorspanns eher ornamental denn textlich funktionieren, 1963) erzählt sogar eine ganz andere  in Mischungen unterschiedlicher Stile, in freeze frames, Geschichte als der folgende Film: der  jump cuts und lettering (siehe S. 169ff). Der Vorspann rosarote Panther aus dem Titel ist im  muss gar nicht mehr bemüht werden, um seine ästheti- Film nicht die berühmt gewordene Zei­ schen Vorteile eines anything goes zu nutzen, so wie die chentrickfigur sondern ein Diamant. Schrift nicht mehr bloß dort ihr Refugium findet. Für Odin (2006: 36), de Mourgues (cf 1994: 49), Böhnke (cf 2009: 106) und andere fungiert der Vorspann als Bindeglied zwischen Paratext und Text, als Einladung zum Eintritt in die Diegese und Bruch mit der Wirklich- Ähnlichkeiten in der typografi- keit. Einige Vorspanne thematisieren diesen Bruch mit den Wirklichkeiten schen Gestaltung bei David Carson und Kyle Cooper oft ganz bewusst: Der Film beginnt mit Szenen, die vom Publikum als »real« oben: Vorspann aus The Isle of im Sinne der Handlung angesehen werden. Nach den Credits wird jedoch Dr. Moreau (John Frankenheimer, USA 1996) enthüllt, dass die Szenen einen Film im Film darstellten, eine Inszenierung unten: eine Seite aus David und die eigentliche Erzählebene erst nach den Credits beginnt. Caché (Mi- Carson: The End of Print, Phase 2 chael Haneke, F/D/I/AU 2005) eröffnet mit einer Einstellung aus einer Sei- tenstraße heraus auf eine Häuserfront. Darüber werden in den ersten 90 Sekunden die Credits geschrieben. Am Ende blenden sie wieder weg, die Einstellung bleibt aber unverändert. Nach einer weiteren Minute wird die Einstellung aus dem Off kommentiert und nach einem kurzen Zwischen- Frei bewegliche Typografie. Rechts: Hanging at Carmine Street (Reportage über ein Schwimmbad in New York, 1991. mit kopfstehender Typografie. Gestaltung David Carson, Foto Pat Blashill). Links: aus dem Vorspann von Flubber (Les Mayfield, USA 1997; Vorspann: Kyle Cooper). 208 – 209 schnitt vorwärts gespult: es handelte sich um eine diegetische Einstellung, Manipulation des Filmbildes selbst deutlich. Hier verweisen nicht allein die die sich die beiden Hauptpersonen auf dem Video angesehen haben. Credits auf die Herstellung des Films, das nachträgliche Überblenden unter- Auch Targets (Peter Bogdanovich, USA 1968) beginnt mit einem Film streicht auch die Bearbeitung der Bilder. im Film, der nicht als solcher kenntlich gemacht ist. Während die Credits Bei einer stärkeren Integration der Credits ins Bild ist die Manipulati- erscheinen, werden wir Zeuge eines Showdowns in einem Schloss, bei dem on weniger deutlich und wird erst durch die Arbeit des Rezipienten als sol- Boris Karloff am Ende der Vorspannsequenz in den Fluten unter geht. Das che enttarnt. Die unterschiedlichen Modelle von ins Bild angepassten und Ende des Vorspanns ist auch gleichzeitig das Ende des Films im Film, der tatsächlich im Bild vorhandener Credits verwischen zudem.99 Bei solch einer (anders als Targets selbst) mit »The End« abschließt. Dann geht das Licht Integration wird Schrift als Teil des Filmbildes verwendet, sie wirkt dort als an, und wir sehen Boris Karloff, der sich den Film zusammen mit seinem Element der Kulisse und ist Teil des filmischen Geschehens. Diese Integrati- Produzenten angesehen hat. Die Credits allerdings, das weiß man gleich, on kann auf materieller Ebene, durch physische Integration der Schrift in die hat er sicher nicht gesehen, aus Erfahrung rezipiert man sie trotz der diege- Filmwelt geschehen. Schrift wird hier materiell integriert und beschreibt das tischen Konstruktion des Dispositivs als extradiegetisch. Es ist hier auch die gefilmte Material, die Kulisse direkt. Obwohl ihr Adressat das Filmpublikum ist spezielle Art des Titel-Designs, das eine nicht genauer zu spezifizierende und nicht die handelnden Personen, ist sie so in die Diegese integriert, dass Unruhe bei der Rezeption hervorruft. Zum einen ist diese sicherlich dem sie von den Schauspieler/innen gelesen werden könnte. „„ In School of Rock ungewöhnlichen Anfang geschuldet, der den Eindruck erzeugt, dass man (Richard Linklater, USA/D 2003) sind die Credits als Plakate und Leuchtrek- einiges verpasst hätte. Anders als eine pre-title-sequence befindet man sich lamen in einer Disco Teil der Filmwelt. Sie könnten von den Figuren gesehen schon an einer Stelle im Film, die nicht so aussieht, als bekäme man sie werden, diese verhalten sich aber wie gute Discobesucher und interessieren demnächst noch erklärt. Zum anderen ist es aber auch die Anordnung der sich nur für einander, nicht aber für die überall aufgebrachten Credits. Schrift. Der Schriftzug des Titels erinnert an den Bleidruck, seine dicken Schrift kann auch nachträglich in den Film integriert werden, als sei Buchstaben befinden sich im oberen Drittel des Bildes. Erwartungsgemäß sie ein materielles Element der diegetischen Welt. Sie beschreibt hier nicht müsste solch ein »schweres« Wort im unteren Drittel des Bildes stehen. Die nur die Filmwelt, sie wird direkt in ihr materialisiert, sodass eine Interak- anderen Titel wechseln schnell, sie verdecken dabei Handlung, die nicht wie tion zumindest denkbar wäre und visuell plausibel scheint. Um die Inte- sonst redundant ist, weil sie als Grundlage für die Credits inszeniert wurde. gration des künstlichen Elements Schrift transparent und natürlich wirken Die »einfach« über das Bild gelegte Schrift macht unmissverständlich die zu lassen, wird sie z. B. wie ein physikalischer Körper bewegt. Gestalterisch wird dem Wunsch nach Transparenz auf unterschiedliche Weise begegnet, beispielsweise: Animation entsprechend Materialträgheit, Simulation na- türlicher Licht- und Beleuchtungsverhältnisse, Schattenwurf, Kollision mit Gegenständen der Filmwelt, Materiesimulationen oder Nachvertonung von Bewegungen. „ Obwohl die Gestaltungsmittel so gewählt werden, dass der Schrifteinsatz nicht künstlich erscheint, z. B. durch die Aufnahme der Raumgeometrie, richtet sie sich an den Zuschauer und ist für die handeln- den Personen unsichtbar. Die Rezipient/innen lösen die Credits mit Hilfe ihrer Filmerfahrung aus der diegetischen Welt heraus.100 Dabei stellt dieses Anfang und Ende des Anfangs in Targets (Peter Bogdanovich, USA 1968) Modell keine besonders subtile Möglichkeit der Titeleinblendung dar, viel- 210 – 211 mehr lenkt sie den Blick gerade auf diese selten Form des ƒ Am Besten wird die Realität auch  Vorspanns und nicht unbedingt weiter ins Bildinnere. gleich digital nachgebaut, um die  Das Spiel mit unterschiedlichen Ebenen wird in der Ex- Schrift noch einfacherer in das Bild  position häufig auch innerhalb der Geschichte thematisiert. einzufügen. Der Vorspann zu The Day Wie im Beispiel von Targets wird während des Vorspanns After Tomorrow (Roland Emmerich,  (oder noch davor) eine Welt erzählt, die wenig später auch USA 2004) zeigt den Flug über ein  für die Protagonisten als eine erzählte, konstruierte oder fik- Eismeer zu einer Forschungsplatt­ tive Welt enttarnt wird. In der pre-title-sequence des Films form im ewigen Eis. Der Schatten  Blue Steel (Kathryn Bigelow, USA 1989) wird die Protagonis- der Schrift bricht sich dabei an jeder  tin Megan Turner (Jamie Lee Curtis) bei dem Versuch, den einzelnen Einscholle, und die Strahlen  Streit eines Paares zu schlichten, erschossen – was sich al- der tief stehenden Sonne brechen  lerdings anschließend als Übung herausstellt, woraufhin die sich im jeweils richtigen Winkel an  Vorspannsequenz folgt (Motiv: Ankleiden) und die Geschich- der Schrift und färben diese rot: tech­ te mit ihrer feierlichen Aufnahme in den Polizeidienst be- nisch ist das deutlich weniger auf­ ginnt. Der James-Bond-Film Never Say Never Again (Irvng wändig, wenn nicht nur die Schrift,  Kershner, USA/GB/D 1983) hatte eine ähnliche Eröffnung, sondern auch das Eismeer digital  bei der James Bond während einer Übung — scheinbar — erstellt werden. erschossen wird. Andere Zuschauertäuschungen sind der Dreh einer Filmszene, oder ein Traum, aus dem der Protagonist am Ende – linke Reihe: Die Credits von Cat Ballou (Elliot Silverstein, und damit am Anfang des Films – aufwacht (zum Beispiel in Day of the Dead USA 1965) in einem bunten Westernheftchen. rechte Reihe, oben und Mitte: School of Rock (Richard (George A. Romero, USA 1986). Bei der Täuschung wird die Geste des Vor- Linklater, USA/D 2003), Filmtitel und Regiecredit in der spanns wörtlich genommen. Drastisch wird dem Publikum vor Augen geführt, Disco. unten: Joe Black zeigt auf Namen im Abspann „„ Gelesene Credits In den meisten Fällen, in denen die Credits nachträglich Stadt interessiert sich dafür und schaut den Sängern zu. ten: Martin Cortland (Robert Benchley), der Leiter einer ter reagieren. Das einzig mir bekannte Beispiel, bei dem in das Bild integriert wurden oder sich sogar real in der Im Hintergrund des Geschehens fängt die Kamera den Tanzgruppe, sieht im Vorbeifahren Schilder an der Stra- eine Person der Geschichte auf die Wörter in den Credits abgefilmten Szenerie befanden, werden sie nicht von alten Mann ein, der sich nicht darum kümmert und statt- ße, auf denen die Credits geschrieben stehen. Er befiehlt reagiert, ist der Abspann aus School of Rock, der aller- den Protagonisten der Geschichte gelesen, nicht ein- dessen die Geschichte in einem Westernheftchen nach- seinem Chauffeur, kurz langsamer zu fahren (das Tempo dings nicht diegetisiert wurde. Joe Black singt mit seinen mal, wenn sie ihren eigenen Credit mit Edding auf der liest. (Das passt zum Film, denn Cat Ballou hatte sich ei- der Narration zu verlangsamen), damit er/ wir sie bes- Schülerinnen einen Song, während der Abspann in be- Stirn geschrieben haben wie im Vorspann zu Ex Drummer nen Westernhelden (Lee Marvin) gemietet, von dem sie ser lesen können, danach kann er wieder weiter fahren kannter Art von unten nach oben über das Bild läuft. Ge- (Koen Mortier, B 2007). Einige Beispiele gibt es jedoch, ebenfalls in solch einem Heftchen gelesen hatte). Die (und die Geschichte weitergehen). In beiden Fällen wer- gen Ende singt er, dass ja immer noch einige Zuschauer bei denen die diegetischen Credits immerhin mit einer le- Kamera zeigt die Credits dann in einem falschen An- den die Credits aber bildfüllend für die Kinozuschauer im Kino säßen, obwohl der Abspann bereits laufe, dann senden Tätigkeit der Personen korrespondiert: Cat Ball- schluss von oben, der alte Mann blättert die Seiten um. eingeschnitten und ohne einen Gegenschuss auf den Le- zeigt er in die Luft und damit auf einige Namen der Roll- ou (Elliot Silverstein, USA 1965) beginnt mit einem Song, Auch in You‘ll Never Get Rich (Sidney Lanfield, USA 1941) senden, so dass zwar klar ist, dass die Personen der Ge- titel und sagt, dass er diesen Typen gar nicht kenne. der von Cat Ballou (Jane Fonda) erzählt, die bereits im werden die Credits von einer Figur der Geschichte gele- schichte diese zwar auch sehen, wir aber nicht wissen, Gefängnis sitzt und bald gehängt werden soll. Die ganze sen, diesmal ist der Lesende sogar einer der Protagonis- ob sie die Credits auch lesen, da sie nicht auf die Wör- 212 – 213 er hereinzulegen ist. Gleichzeitig etabliert der überraschende Schluss der Täuschungssequenz aber ein tieferes Vertrauen in die folgende Handlung, die vergleichbar ist mit dem Erwachen aus einem Traum: nun befinden wir uns in der Wirklichkeit. Jenseits dieser Funktion des Vorspanns als Umschlag- platz der Filmrezeption war er jedoch immer auch ein Puf- fer, der auf einer ästhetischen Ebene die Einflüsse der ihm vorausgehenden Paratexte wieder aufnahm. Die schnellen Schnitte und abstrakten Aufnahmen der Werbefilme finden sich als Einflüsse im Vorspann ebenso wieder wie die Schrifta- nimationen der Trailer. Wenn dem Vorspann keine bombasti- sche pre-titel-sequence vorangeht, die das zuvor Gesehene vergessen lässt 102, überführt der Vorspann die visuellen Er- wartungen in den Film, und die heterogenen Möglichkeiten digitaler Postproduktion postklassischer Filmerzählungen Nachträglich in den Bildraum einge- überführt den Vorspann in die Exposition. fügte Credits, die nur die Zuschauer/ innen sehen können: Vorspann zu Desperate Measures (Barbet Schro- eder, USA 1998; Vorspann: Robert Dawson) und Hulk (Ang Lee, USA 2003; Vorspann Garson Yu). dass man sich am Anfang des Films alles erlauben kann und die Zuschauer/ innen vorerst alles glauben müssen, da es noch keine anderen Referenzpunkte gibt. Außerdem wird mit dem Auflösen der Täuschung meist auf das Medium selbst verwiesen, auf die Situation, im Kino oder vor dem Fernseher zu sit- zen und sich inszenierte Bilder anzusehen. Für Odin erleichtert der Vorspann den Bruch mit der Wirklichkeit, da er eine Distanz zwischen Rezipient und Film schafft, wodurch der Rezipient sicher sein kann, nicht auf die Handlung Das Auto wird verlangsamt, damit hereinzufallen, um es sich dann zu »erlauben, ein wenig mehr darauf herein- sein Fahrgast die Credits besser lesen kann in You‘ll Never Get Rich (Sidney zufallen« (Odin 2006: 36).101 Odin bezog sich zwar ganz allgemein auf die ge- Lanfield, USA 1941). schriebenen Credits, aber die Täuschung zu Beginn eines Filmes funktioniert in diesem Sinne ebenfalls. Sie schafft zunächst ebenfalls eine unüberwindbare Distanz, da dem Zuschauer gleich zu Beginn verdeutlicht wird, wie einfach 214 – 215 Anmerkungen eign« (Sinha 2004: 189). Beide Auffassungen sind anschlussfähig an Walter Benjamins Überlegungen,  der 1921 an Übersetzer die Forderung stellte, die eigene Sprache aufzubrechen und zu erweitern, um  einen fremdsprachlichen Text zu übertragen. Der Übertrag des Sinns, so Benjamin, sei nur ein kleiner  1.  Beispielsweise Hediger 2004: 288; Stanitzek 2004: 13. Punkt, ebenso wichtig sei, dass die Übersetzung ihren eigenen Bedürfnissen folgen solle, gemäß dem  2.  Ein Vorwurf beispielsweise von Hahn: »Genettes klassifikatorischer Furor« (Hahn 2004: 180). Gesetz der »Treue in der Freiheit« (Benjamin 1972: 20): »Jene reine Sprache, die in fremde gebannt ist,  in der eigenen zu erlösen, die im Werk gefangene in der Umdichtung zu befreien, ist die Aufgabe des  3.  Siehe hierzu Hastie 2007. Übersetzers. Um ihretwillen bricht er morsche Schranken der eigenen Sprache« (ebd. 1972: 19). 4.  Joachim Paech hat sich in mehreren Aufsätzen besonders um den Aspekt der unterschiedlichen  20.  Vgl. beispielsweise die Definition bezüglich des Ich­Erzählers in Metz 1997: 120ff. medialen Manifestation von Paratexten gekümmert, beispielsweise um die Collectors-Edition-DVD  und das Gimmick in Paech 2009. 21.  Im Bezug auf die Literatur verwendet Genette den Begriff der Diegese auf eine andere, wenn auch  ebenfalls auf eine zur Unterscheidung gereichende Art. In seiner Untersuchung der narrativen Instanz  5.  Zu Kapitelmarkierungen siehe auch Lowenstein 2007: 68. führt Genette den Begriff ein, um verschiedene Erzählebenen voneinander zu unterscheiden. Anders  6.  Das Paradox, dass der Filmtext ein nicht fixierbarer, entfliehender, »unauffindbarer« Text ist,  als im Film, bezeichnet er deshalb den (fiktiven) Erzähler der ersten Ebene einer Geschichte als extra­ hat Raymond Bellour ausgeführt (Bellour 1999 [1975]: 16). diegetisch, einen Erzähler innerhalb dieser Geschichte aber als diegetisch, ungeachtet dessen, dass ja  7.  Einige Überlegungen dieses Unterkapitels wurden in anderer Form bereits in  auch schon der Erzähler der ersten Ebene ein Produkt der Phantasie des »richtigen« Autors sein könnte,  Krautkrämer 2008 und 2009 publiziert. der allerdings nicht der narrativen, sondern der literarischen Instanz zugeordnet wird (cf Genette 1998  8.  Dem Filmerzähler kamen mehrere Funktionen zu: Zum einen konnte er einen Mehrwert der  [1972]: 164). Zur Genese des Begriffs von der Filmologie zur Narratologie vgl. auch Kessler 2007. Filmvorstellung darstellen, wenn das Kino es schaffte, eine lokale Bekanntheit dafür zu gewinnen,  22.  Der knapp zweiminütige Kurzfilm Specialized Technicians Required: Being Luis Porcar des Vi­ zum anderen hatte er auch die Aufgabe, aus den Filmen mit seinen begleitenden Reden zusätzlich  deokünstlers Manuel Seiz (E 2005) thematisiert das Problem der Synchronstimme auf eine sehr er­ dramatisches oder komisches Pozential zu schlagen (cf Elsaesser 2002b: 24). Wie ein Filmerzähler  staunliche Art: Ein älterer Mann sitzt vor einer Kamera und erzählt auf Englisch von seiner Arbeit.  einen Film vollkommen änderte, berichtet ein Augenzeuge 1912 in Greve 1976: 31f. Zum Filmerzähler  Er ist Synchronsprecher, unter anderem auch für John Malkovich. Gegen Ende des Monologs stellt  siehe auch S. 113f.). sich heraus, dass die Stimme, die man gehört hat, die von John Malkovich ist, dass dieser seinen  9.  L.P. Bonvillain: »Boosting Pathé Pictures«, in: The Moving Picture World 1392 (March 14, 1914);  spanischen Synchronsprecher synchronisiert hat. zit. nach Singer 1993: 496. 23.  Bei Telefongesprächen wurden häufiger Bild­Schrift­Kombinationen genutzt. Schlüpmann sieht  10.  Zu den Möglichkeiten der Kinobesitzer der Nickelodeon­Ära in den USA um 1908 siehe Musser  darin  selbstreflexive Szenen, da  sich der Kommunikationsprozess materialisiert  (cf Schlüpmann  1990: 439. 1990: 137ff.). 11.  Zu den making-of-Trailern siehe Hediger 2001: 133ff. 24.  Moving picture World, 22 February 1908. Letter to the editor from one W.M. Rhoads in reply to Van C. Lee‘s earlier article, zit. nach Gauderault 1997: 279. Und: »Manufactures should produce films  12.  Genettes Buch heißt im französischen Original auch Schwellen (»Seuils«). which can be easily understood by the public. It is not sufficient that the makers understand the plot  13.   Bass  gilt  als  einer  der  einflussreichsten  Vorspanndesigner.  Mit  dem  Vorurteil,  dass  Vor­ – the pictures are made for the public.« (Van C. Lee, ›The value of a lecture‹, Moving Picture World,  spanngestaltung überhaupt erst mit Saul Bass begonnen habe, räumt Deborah Allison in ihrer Ana­ 8 February 1908; zit. nach Gauderault 1997: 278). lyse von Vorspannen im klassischen Hollywoodk  ino auf (Allison 2006). 25.  Siehe hierzu auch einen Ratschlag in der Moving Picture World von 1911 in Bowser 1990: 142. 14.  DVD: Warner 1999. 26.  Für ganz frühe Ausnahmen siehe Salt 1992: 59. 15.  Zum High­Concept­Film siehe Wyatt 1994. 27.  Siehe: Paul Lenz­Levy: »Kino­Kritik. Union­Theater«, in: Die Lichtbild-Bühne, Nr. 75, 30.9.1909,  16.  Bowser gibt keine Gründe dafür an, warum sich das Verfahren nicht durchsetzte, einer dürfte  S. 779, zit. nach Diederichs 1986: 39; siehe auch William Lord Wright, ›For those who worry o‘er  aber sein, dass die Erstellung fremdsprachiger Versionen dadurch deutlich teurer würde. plots and plays,‹ MPN, 6, no. 26 (28 December 1912): 12 in: BST 2006: 185. 17.  Siehe hierzu exemplarisch Béhar 2004 und Nikolić 2009. 28.  Siehe auch exemplarisch: »Eins aber hebt diesen Film aus allem Bisherigen hervor: der echte  18.  Das Argument der Verkürzung des Originaltextes führte Arnheim bereits 1934 an (siehe oben).  Stil des Kinodramas, charakterisiert durch die ohne Zwischenbemerkungen ablaufende Bildfolge und  Übersetzungsfehler werden durch die Untertitelung jedenfalls eher transparent als mit einer Syn­ das Fehlen der Sprechbewegungen« (Kuckhoff 1914/5: 7). Zur Zwischentitelkritik in der USA: »We  chronisation. are trying to let the story tell itself so far as possible, to do this we are introducing more scenes and   Nornes‘ Argumentation nimmt Amresh Sinha folgendermaßen auf: »The task of the translator  connecting links« (George Blaisdell, 1913, zit. nach BST 2006: 186) und »Das Lichtspiel von übermorgen 19. is  to  render  the  traditional concept of  translation,  in which  the meaning of  the foreign words and  wird sicher von allen nicht wirklich bildhaften Elementen befreit sein. Der Beginn des Lichtspiels als  sentences are made comprehensible within the reader‘s linguistic milieu, incomprehensible in such a  bloßer Theaterimitation wird an nichts anderem so deutlich erkennbar wie an dieser unorganischen  way that the familiar sight of the reader‘s own language turns radically different in its foreignness. The  Verbindung mit Dialogfetzen oder erklärenden Phrasen. Die Kunst der Worte und die Kunst der Bil­ foreignness is not made ours, on the contrary, in subtitles, what is ours, our own language, is made for­ der wurden hier gewaltsam zusammengespannt. Wer seine Szenarien so schreibt, daß die Bilder ohne  216 – 217 diese sprachlichen Krücken nicht verstanden werden können, ist in der neuen Kunst ein ästhetischer  überhaupt in dem gänzlichen Vermeiden von Untertiteln eine filmkünstlerische Forderung nicht erbli­ Versager. Der nächste Schritt zu einer Emanzipation des Lichtspiels muß fraglos die Gestaltung sol­ cken. Viel mehr glaube ich, dass Untertitel, richtig angewendet, nicht nur keine künstlerische Beein­ cher Filme sein, die ausschließlich die Sprache der Bilder sprechen« (Münsterberg 1996 [1916]: 92f).  trächtigungen hervorrufen, sondern sogar sehr wohl imstande sind, die dramatische Wirkung zu erhö­ Siehe hierzu auch Bowser 1990: 140ff. hen. Richtig angewendet, d.h. zwanglos organisch mit der Handlung verbunden« (Kämpfer 1915: 262). 29. »Some films made in 1907 and later still provided titles for every shot. Producers, in order to  35.  »Ein Titel vermeidet oft eine lange visuelle Erklärung, die zwar nötig aber langweilig oder banal  make a film that was a self­contained unit, to be sent where no lecturer would be provided, often  wäre. Und wie viele Drehbücher könnten nicht verfilmt werden, wenn man sich auf titellose Filme  increased and lengthened intertitles.« (Bowser 1990: 140). beschränken müsste! Außerdem glaube ich, dass viele Gegebenheiten unauffälliger durch einen Text  30.  Filmerzähler tauchen um 1902 auf, ab 1906 nehmen sie jedoch wieder ab, bleiben aber bis 1913 je  als durch ein Bild wiedergegeben werden könnten; wenn sich eine Aktion abends abspielt, schreibt  nach Kino und Filmprogramm noch üblich (cf Elsaesser 2002: 261). man das besser einfach aus, als dass man ein Ziffernblatt zeigte, bei der die Zeiger auf 21 Uhr stünden.  Natürlich ist der Zwischentitel in einem guten Film nur eine Art Unfall. Doch andererseits ist  31.  Bordwell weist darauf hin, dass die Einstellungsfolge Sprecher/Titel/Sprecher keine Selten­ die Reklame für einen titellosen Film als ob man bei einem Gedicht von Mallarmé betone, dass es  heit  in  dialogintensiven Stummfilmen Mitte  der  20er  Jahre war.  In manchen Sequenzen machen  keine Satzzeichen verwende« (Übers. FK). Diese Meinung war  in Frankreich verbreiteter. Bereits  die Zwischentitel gut ein Drittel der Einstellungen aus. Dabei  ist der Rhythmus des Schnitts, die  1923 hatte Robert Desnos ebenfalls im Bezug auf die Aufnahme einer Uhr formuliert: »Les sous­titres  Blickführung und das Agieren der Schauspieler besser aufeinander abgestimmt, als die sonst übli­ sont parmi les préoccupations cinématographiques actuelles l‘une des plus attachantes. […] [L]eur  chen Einstellungen, die beide Sprecher zeigte, die zu Beginn des Tonfilms aufgrund der technischen  absence appauvrissait et alourdissait le film: c‘est ainsi que les auteurs avaient dû faire emploi de  Zwänge noch lange vorherrschte. (David Bordwell: »Unquiet silents«, http://www.davidbordwell. symboles pour les remplacer (pendule exprimant le temps, par exemple). […] net/blog/2011/06/29/unquiet­silents/, letzter Zugriff: 5.1.2012, dort datiert: 29.6.2011).  C‘est qu‘en effet  tout  ce qui peut  être projeté  sur  l‘écran appartient  au  cinéma,  les  lettres  32.  Ein besonderes und frühes Beispiel dazu ist The Whole Dam Family and the Dam Dog (Edwin  commes les visages. Tous les moyens sont bons qui donnent de bons films et c‘est dans l‘esprit plutôt  S. Porter, USA 1905). Während der ersten Hälfte des fünfminütigen Films werden die sieben Fami­ que dans une technique accessoire qu‘il convient de rechercher la pureté« (Desnos 1966 [1923]: 98). lienmitglieder der Dam-Family vorgestellt, jeweils mit einer charakteristischen Nahaufnahme und   Diesen Ökonomie­Aspekt betonte auch Eisenstein bei Zwischentiteln: »Anstatt Hunderte Fotos  ihrem Namen darunter (z.B. »Miss UB Dam«; die Mutter wird nur mit »Herself« untertitelt). Dann  von Filmstreifen für die Darstellung von Ereignissen zu verschwenden, genügt ein einziger Titel,  erst erscheint der animierte Filmtitel, der aus umherfliegenden Buchstaben und durch eine animierte  um all das auszudrücken, was nötig ist. Dies ist eine Frage der Ökonomie der Darstellungsmittel«  Silhouette eines Hundes illustriert wird. Anschließend sieht man die gesamte Familie, wie sie für ein  (Eisenstein 1984 [1930]: 170). Und auch Griffith: »Als 1927 ein Interviewer Griffith erzählte, dass die  Foto posiert, dann beginnt der eigentliche Sketch, bei dem die Familie beim Essen zusammen sitzt  Deutschen jetzt Filme ganz ohne Zwischentitel machten, reagierte der mit milder Ironie. Alle Filme  und der Hund die Tischdecke und damit das gesamte Geschirr vom Tisch zieht. Dass mehr Aufwand  waren ohne Titel gewesen in der Zeit, als er zu filmen begann. Er war es gewesen, der die Schrift in  mit der Charakterexposition betrieben wurde als für die eigentliche Geschichte, ist dadurch zu er­ die Filme hineingebracht hatte. Titel, sagte er, würden den Film von unnötigem Ballast befreien, die  klären, dass die Mitglieder der Dam-Familie um 1905 Gegenstand einer populären Postkartenserie  Handlung beschleunigen, die Geschichte verdichten« (Grafe 1974 [1972]: 222). waren, der eigentliche Inhalt des Films also die Übersetzung der bekannten fotografischen Motive in   Siehe dazu auch Lotman: » [D]as Kino ist im wesentlichen die Synthese zweier Erzähltendenzen –  die Bewegung des Films war. der darstellenden […] und der sprachlichen. Das Wort ist nicht ein fakultatives, zusätzliches Merkmal  33.  Als  ironischen Kommentar auf diese wie auch andere stereotype Praxen hat Adrian Brunel  der filmischen Erzählweise, sondern obligatorischer Bestandteil (Stummfilme ohne Zwischentitel oder  1924 Crossing the Great Sagrada (GB) gedreht. Der satirische Humor liegt hier in den Zwischentiteln,  Tonfilme ohne Dialog […] bestätigen das nur, da der Zuschauer ständig das Fehlen des sprachlichen Tex­ die die Aussagen der Bilder meist unterlaufen und gegenteilig kommentieren. Zu Beginn des Films  tes bemerkt; in diesen Fällen fungiert Sprache als ›Negativ­Kunstmittel‹)« (Lotman 1977: 60; Hervh. i. O.). werden in scheinbar endlosen Einstellungen die Protagonisten des Films portraitiert, wobei die Zwi­ 36.  In der Frankfurter Zeitung schrieb Jospeh Roth 1925, dass es sich bei diesem Zwischentitel um  schentitel darauf hinweisen, dass man sie nun noch in einer anderen wichtigen Pose zeigen müsse.  dichterische Ironie handle, um dann gleich darauf hinzuweisen, dass damit der Film nun zwar intel­ Mit der Konvention der Zwischentitel wird auch in Un Chien Andalou (Luis Buñuel, F 1929) experi­ ligenter aber auch weniger ursprünglich geworden sei (cf Roth 2003: 166f.). mentiert, da der Inhalt der Titel meist in keinem narrativen Bezug zu den Szenen steht. 37.  Dass die Geschichten zugunsten der Titelvermeidung oft drastisch vereinfacht wurden, be­ 34.  Selbst für Balázs stellen die Zwischentitel kein Hindernis für eine Internationalität mehr dar:  merkte auch damals schon die Kritik: »Die Fabel der ›Hintertreppe‹ ist ähnlich [wie in ›Scherben‹,  »Die wenigen Titelaufschriften sind bald von einer Sprache in eine andere übersetzt« (Balázs 2001  FK] primitiv. Die Zahl der handelnden Personen beträgt nur drei. Die Schauplätze sind in ihrer Zahl  [1924]: 22). Titellose Filme sieht er kritisch, auch wenn er an anderer Stelle die Titel als »Notbehelfe«  genauso beschränkt wie in ›Scherben‹ « (Hans Pander, »Zwischentitel«, in: Der Bildwart. Blätter für bezeichnet (cf ebd: 94): »Der Film ohne Aufschrift wird eine sehr interessante und wertvolle Gattung  Volksbildung, 1, 1923, S. 17, zit. nach Paech 1997: 53). der Filmkunst werden, aber ihr ein Monopol einräumen hieße, dem größten Teil der Ausdrucks­ und  38.  Bei der Uraufführung des Films sollte beim anschließenden Finale die Leinwand »zerreißen und  Wirkungsmöglichkeiten für den Film entsagen« (ebd.). Und Ernst Kämpfer hat bereits 1915 nichts vom  dem Publikum den Blick auf das Präsidium der dem Andenken der Helden des Potjomkin­Aufstandes  titellosen Film gehalten: »Es gibt Vorschläge, die eine gänzliche Beseitigung der Untertitel verlangen,  gewidmeten Festveranstaltung freigeben« (Eisenstein 1988 [1947]: 234). da sie in ihnen ein für die Filmdramatik unkünstlerisches Moment erblicken. Ich habe mich dieser  Forderung im vollen Umfang niemals anschließen können [da ein einfaches Publikum seiner Meinung  39.  Ich beziehe mich hier auf die Konzeption Bordwells (cf Bordwell 1997: 49ff), die mir als Werk­ nach zu große Verständnisschwierigkeiten mit solch einem Film hätte, FK]. […] Ich kann aber auch  zeug für die Erzähltheorie des Films geeignet scheint (zur Abgrenzung zu anderen Begriffspaaren wie  218 – 219 histoire/discours siehe ebd: 51). Zum Streit zwischen Metz und Bordwell bezüglich der geeigneteren  Erkenntnis, Klarheit und Kampf dient sie allein dem Leben und der Wirklichkeit des wahrhaften  Bezeichnung, Enunziation oder Narration, siehe Metz 1997: 157 und Bordwell 1997: 22f. Films.« (Groll 1937: XI) 40.  Bordwell hat, wie er anmerkt, selbst eine Verschiebung der Begriffe vorgenommen. Die Nar­ Auch das Geleitwort von Mathias Wieman gibt sich ähnlich kämpferisch: »Der Krieg, welcher  ration bezeichnete in The Classical Hollywood Cinema noch das, was in Narration in the Fiction vom Film zur Eroberung des Landes ›Kunst‹ geführt wird, währt nun schon manches Jahr, und das  Film dann mit syuzhet bezeichnet wurde. An dieser Stelle beziehe ich mich auf die Terminologie des  Kriegsglück ist wechselnd. jüngeren Buches (Narration), das heißt die »Narration« bezeichnet des gesamten Erzählprozess (cf   Immer wieder überschreiten entschlossene Vortrupps die Grenze, immer wieder müssen sie sich  Bordwell 1997: 344, FN 5) zurückziehen, und die Front rückt nicht nach.« (Groll 1937: V).   Groll arbeitete in den 50er Jahren erfolgreich als Filmkritiker, siehe hierzu Prinzler 1990. 41.  Die Szene ist im Grunde auch als eine Reflexion auf die Zwischentitel zu sehen: einige können  sie lesen, andere nicht, und wer sie entziffert, ist der Lösung des Rätsels näher – wenn auch emoti­ 50.  Diese Passagen stammen aus einer von Pagnol überarbeiteten und 1966 erschienenen Fassung,  onal deutlich involvierter. die seiner Aussage nach aber in diesem Wortlaut 1933 in der von ihm gegründeten Zeitschrift »Les  Cahiers  du  Film«  erschienen  und  dabei  sehr  unfreundlich  aufgenommen wurde  (cf Pagnol 1995  42.  Siehe dazu auch: »[C]e paradis, où l‘amour naît près des fontaines sauvages, reste celui d‘une  [1966]: 43 & 50ff.). (Die beiden hier verwendeten Kapitel erschienen bereits 1965 als Vorabdruck in  nature voisine d‘un état primitif, qui n‘évoque point la dureté de temps anciens, mais une harmonie  den Cahiers du Cinéma, ein Vergleich mit der endgültig erschienenen Fassung seines Buches »Ci­ fondamentale entre l‘homme et le monde; on reste très proche, entre lagon et hutte, de la description  nématurgie De Paris« 1966 zeigt, dass die in den Cahiers erschienenen zwei Kapitel im Buch in der  rousseauiste d‘un certain âge d‘or, où règne une vie insouciante encore, car elle ne connaît aucune  Reihenfolge vertauscht und an die Stellen drei und vier gerückt sowie leicht ergänzt worden sind.) médiation entre l‘être et la nature, entre soi et autrui; le langage proprement dit peut en être élidé,  car les signes n‘ont pas – déjà – cette autonomie, que l‘on sait menaçante; à vrai dire, il n‘y a pas  51.  Es bedurfte der Mitarbeit des Zuschauers, der den Film entsprechend seines Humors, seiner  besoin de signe, car tout est expression« (Audibert 1979: 5f.). Kultur, seiner persönlichen Sensibilität las (Übers. FK). 43. Vereinzelt hatte man zwar Originalkompositionen für Stummfilme in Auftrag gegeben, wegen  52.  »Mais les défauts de la vieille idéographie, le manque de précision, l’impossibilité d‘exprimer  der höchst unterschiedlichen Orchesterbesetzungen der Kinos (Premierenkinos in Berlin bis zu 70  des rapports d‘idées, de sentiments, ou de personnages, forcèrent le film muet (si fier pourtant d’être  Musiker, in der Provinz – wenn überhaupt – nur ein Pianist) konnte aber kein gleichbleibender Ton  muet) à capituler: il emprunta très vite, et très humblement les petits signes de l‘écriture phonétique,  und damit Effekt garantiert werden, weswegen diese Praxis nur äußerst selten angewandt wurde (cf  et il imprima, en blanc sur noir, des sous­titres, qui étaient l‘aveau de son impuissance« (Pagnol 1995  Müller 2003: 92). [1966]: 65). Pagnols Meinung nach hat der Stummfilm, diese »mindere Kunst«, auch nicht viele dra­ matische Werke von Interesse hinterlassen (ebd.). 44.  In Deutschland wurde der Tonfilm so rasch vorangetrieben, um die steigende Nachfrage aus  dem Ausland nach Tonfilmen bedienen zu können, aber auch, weil viele der Premierenkinos aus­ 53.  So hat uns die Hochzeit der Ideographie in ihrer Form der Kinematographie und der Schrift in  schließlich Tonfilme zeigten, womit den Stummfilmen nicht nur die Kritiker und damit die Aufmerk­ der Form des Phonographen den Tonfilm gegeben, der die beinahe perfekte und vielleicht definitive  samkeit  entzogen wurde,  sondern auch die Chance auf ein Nachspiel  in der Provinz abnahm  (cf  Form der Schrift ist (Übers. FK). Müller 2003: 67ff.).  Nach eigenen Angaben will Pagnol bereits am 17. Mai 1930 geschrieben haben: »Pour la première  fois, des auteurs dramatiques pourront réaliser des oeuvres que ni Molière ni Shakespeare n‘ont eu  45.  Anfangs gab es auch noch Zwischenformate, wie nachsynchronisierte Stummfilme, die meist  les moyens de tenter.« (Pagnol 1995 [1966]: 18)  noch Dialogtitel enthielten, aber Geräusche und Musik auf der Tonspur lieferten, oder als Stummfilme  konzipierte und nun mit Tonspur realisierte Filme wie Vampyr (Carl Theodor Dreyer, F/D 1932), der  54.  Siehe zu dieser Gegenüberstellung auch Schweinitz 2006: 205f. recht wenig Dialog enthält, aber einige längere erklärende Titel. 55. Dass der Film überhaupt erst eine Sprache wird, hängt für Winkler mit der Konventionalisierung  46.  In den USA wurden noch bis Mitte der 30er Jahre Stumm­ und Tonfilme parallel aufgeführt.  der Bilder zusammen: »Der Abstand zwischen der Sprache als einem konventionalisierten System  Müller zufolge hatte das Publikum Anfangs gar kein Interesse daran, nur noch Tonfilme sehen zu  und den technischen Bildern jedenfalls vermindert sich, und die Bilder drohen ihre Besonderheit  können (cf Müller 2003: 60). einzubüssen, ein ›Sprechen ohne Sprache‹ zu sein« (Winkler 2002: 211). 47.  Eine durchschnittliche Einstellung dauerte zwischen 1917 und 1927 fünf bis sechs Sekunden,  56. Der Film reflektiert in seiner bekanntesten Szene auch über den Tonfilm. Als Beethoven sein  zwischen 1928 und 1934 aber ungefähr 11 Sekunden (cf BST 2006: 304). Gehör verliert, sieht man die Bilder aus seiner Subjektive stumm, dieselben aber aus der Perspektive  einer anderen Person oder der objektiven Perspektive der Erzählung mit synchronem Ton. Später  48.  Siehe beispielsweise Arnheim 2004 [1934]: 239. kann Beethoven das Drama seiner Taubheit mindern, als er entdeckt, dass er sich immer noch an die  49.  Das Buch Film, die unentdeckte Kunst von Gunter Groll vermischt hauptsächlich bereits bekann­ Töne erinnern kann, wobei Gance eine asynchrone Ton­Bild­Montage einsetzt. te Theorien, ohne ihre Autoren jedoch zu zitieren (Balázs und Arnheim konnten bereits ab 1933 nicht  57.  Ein Ende, das an einen den Epilog ankündigenden Zwischentitel aus dem Film Love and the mehr in Deutschland wohnen): »Weil im Film alles Mimik hat, muss die menschliche Mimik zu einem  Law (Edgar Lewis, USA 1919) erinnert, von dem BST berichten: »Patience, gentle audience, just one  Teil der weltumspannenden Pantomime werden, die sich der Kamera darbietet« (Groll 1937: 52).  thing more« (cf BST 2006: 36).  Im Vorwort führt Groll aus, dass der Film bis dato keine wirklichen Meisterwerke hervorge­ bracht habe und auch noch keine nützlichen Abhandlungen darüber geschrieben worden seien. »Sie  58.  Ebenfalls aus einem Fahrstuhl heraus ist die erste Einstellung in Der Letzte Mann [die vorliegende Schrift, FK] will keine ästhetische Theorie um ihrer selbst willen sein, sondern durch  (Friedrich W. Murnau, D 1924) gefilmt. 220 – 221 59.  Als etwas späteres Beispiel siehe dazu auch Das Testament des Dr. Mabuse (Fritz Lang, D 1933).  68. Lehrer im Wandel (BRD 1963), Portrait einer Bewährung (BRD 1964), Abschied von gestern (BRD  Die ersten drei Minuten ist nichts anders als lautes Maschinengeräusch zu hören, während der Ex­ 1965), Frau Blackburn, geb. 5. Jan. 1872, wird gefilmt (BRD 1967), Die Artisten in der Zirkuskuppel: Polizist Hofmeister sich im Keller versteckt. Die Geräuschquelle ist genauso wenig auszumachen wie  ratlos (BRD 1968), Gelegenheitsarbeit einer Sklavin (BRD 1973), In Gefahr und größter Not ist der Mit- man Erklärung darüber bekommt, was dort vor sich geht. Dabei sieht man zwei Leute sich unterhal­ telweg der Tod (BRD 1974), Die Patriotin (BRD 1979). ten, aber wie im Stummfilm dringt nicht ein Fetzen dieser Unterhaltung zum Zuschauer, allein die  69.  Die Titel in diesem Film sind weitgehend ohne Satzzeichen. lauten Maschinen sind auf der Tonspur zu hören.  70.  Vergleiche hierzu die Zwänge der deutschen Filmproduktion, die am Anfang des Aufsatzes  60.  Die Formulierung bezieht sich auf Sabine Nessels Interpretation von Christian Metz‘ Lesweise  aufgezählt werden: »1. Der Zwang zum Naturalismus. Angeblich möchte das Publikum, das im Kino  der cinéma­als­langue­Konzeption (cf Nessel 2008: 53). ›nur dasitzen und gucken will‹, auf keinen Fall durch Worte gestört werden, die es nicht schon hun­ 61.  Bazin steht den Filmen Pagnols zumindest in diesem Aufsatz unentschlossen gegenüber. Zum  dertfach in allen Trivialbereichen gehört hat. 2. Der Zwang, daß ein Film immer einen zusammenhän­ einen preist er sie als großartige Tonfilme und nimmt sie gegen den häufig vorgebrachten Vorwurf  genden Sinn, einen Oberflächen­Zusammenhang besitzen muß, daß er insbesondere einem novellis­ in Schutz, sie seien abgefilmtes Theater (ein Argument, dem Bazin prinzipiell nicht viel abgewinnen  tischen Prinzip gehorcht« (Reiz, Kluge, Reineke 1992: 210). kann), hält Pagnol aber gleichzeitig vor, dass er nicht zwischen filmischen und theatralen Anforde­ 71.  Schrift­Bild­Mischungen nahmen auch  in anderen Bereichen der bildenden Kunst zu, siehe  rungen zu unterscheiden vermöge (cf Bazin 2004 [1952/3]: 223): »Besäße Pagnols Genie  lediglich  hierzu Weingart 2010. Eine genauere Darstellung dieser Schrifteinsätze im sogenannten Autorenfilm  etwas mehr Filmverständnis — er könnte der Chaplin des Tonfilms sein« (ebd.). wurde exemplarisch an den Filmen Jean­Luc Godards vorgenommen, siehe dazu Kapitel 3.2. 62.  Besonders deutlich wird dieser Ansatz in seinem Aufsatz »Malerei und Film«. Bazin verteidigt  72.  Die digitale Ästhetik, die sich unter anderem auch in schnellen Schnitten äußert, wird mitunter  dort das Untergenre des Dokumentarfilms, das Gemälde portraitiert, gegenüber der Kritik, die eine  gerne als Ausdruck von Überlegenheit angesehen: »So wie die extrem beschleunigte Schnittfolge des  Unvereinbarkeit dieser beiden Künste proklamiert: »Der  Film  ist  nicht  gekommen,  um  der  Ma­ heutigen Hollywoodfilms die kognitiven Fähigkeiten eines Zuschauers in den 1950er Jahren über­ lerei  zu  ›dienen‹  oder  sie  zu  verraten, sondern um ihr eine weitere Daseinsform hinzuzufügen.  fordert hätte, heute aber völlig problemlos verstanden wird, so ist eine zukünftige Publikumsgene­ Der Malerei­Film ist eine ästhetische Symbiose zwischen Leinwand und Gemälde wie die Flechte  ration denkbar, die ohne Schwierigkeiten zwischen mehreren Leinwandfenstern ›navigieren‹ kann«  zwischen Alge und Pilz«  (Bazin 2004a: 229). (Weingarten 2008: 228).  63.  Ironischerweise wurde Bazin gerade in der Zeit, als diese Heterogenität sich deutlich im Bild  73.  Zum Schreiben als symbolische Tätigkeit siehe Harris 1995: 33ff. niederzuschlagen begann (in den 60er und 70er Jahren), aufgrund seiner Realismustheorien überwie­ 74.  Siehe hierzu das Making­Of zum Vorspann auf der Special Edition DVD des Films. Siehe auch  gend abgelehnt (cf Andrew 2009: 33), die der dann aktuellen Apparatusdebatte entgegenstanden.  Kapitel 2.4. 64.  Im Bezug auf den Film bedeutet »langage« ein funktionierendes Regelwerk innerhalb des Films,  75.  Justin Wyatt hat festgestellt, dass sich der technologische Look durch viele Blockbuster hin­ das  dort  nach  eigenen  Gesetzmäßigkeiten  funktioniert,  wohingegen  ein Vergleich  des  Films mit  durchzieht  und dabei  durchaus nicht nur  in Actionfilmen  zu finden  ist:  »On  the one hand,  high  »langue« implizierte, dass der Film wie eine richtige Sprache funktioniere, also in kleinsten Einheiten  concept can be identified through the surface appearance of the films: a high­tech visual style and  relativ abstrakt allgemein verständlich zur Kommunikation genutzt werden könne.  production design which are self­conscious to the extent that the physical perfection of the films‘  65.  Vgl. auch Pasolini zur Montagesequenz: »In den rund 50 Jahren seit der Erfindung des Films hat  visuals sometimes ›freezes‹ the narrative in its tracks. Matching the surface perfection of the films‘  sich zwar eine Art Filmlexikon und damit eine Konvention entwickelt, die aber kurioserweise primär  style, these films also privilege style as a way of life; many of the high concept films are driven by  stilistisch und dann erst grammatikalisch  ist.  (Zum Beispiel  im Bild von Zugrädern, die zwischen  the style exhibited by the characters as each moves through the narrative. This style exemplifies a  Dampfwolken rollen: das ist keine Syntax, sondern Stilisierung)« (Pasolini 1971: 40). lifestyle, an approach to life, or ›a way of life‹, in Ewan‘s terms, which, while not utopian perhaps,  66.  So kann uns das durch den Zwischentitel isolierte stumme Bild, dessen Zeit zum Lesen mitunter  certainly replicates the superior, upscale lifestyle promised in many ads« (Wyatt 1994: 25). künstlich verlängert wird, wie ein eigenständiger Körper heimsuchen. Es ähnelt damit dem Einband,  76.  Fay Grim wurde von HDnet Films produziert, der Produktionsfirma von HDnet, dem ameri­ auf dem unser Blick anhält, der ihn prüft und ihn im Näherkommen vergrößert. Die Verwandtschaft  kanischen Fernsehsender, der sein Programm nur in HD­Qualität ausstrahlt. Die von HDnet Films  mit dem Comic beruht auf mehr als bloß der einfachen Ähnlichkeit mit der Schriftlichkeit: sie bezieht  produzierten Filme werden  in HD gedreht und haben  ihre Premiere auf diesem Privatsender am  sich auf ein vergleichbares arrêt sur l‘image, das durch den Zwischentitel hervorgerufen wird. Der  selben Tag, wenn die Filme auch in den Kinos anlaufen. Brian De Palmas Film Redacted (USA/CAN  Titel ist die dem Film »zugrunde liegende Struktur« (Übers. FK). 2007) ist von HDnet Films produziert worden und arbeitet aber mit einer explizit digitalen Ästhetik,  67.  Hüser unterstellt einem großen Teil der deutschen Filmwissenschaft und ­theorie seit den 10er  da alle Bilder so aussehen sollen, als seien sie von diegetischen Kameras aufgenommen und aus dem  Jahren bis heute einen blinden Fleck im Bezug auf Schrift im Film: »[D]ie Filmphilologen können  Internet heruntergeladen worden. Das Produktionsprofil der Firma liest sich auf ihrer Internetseite  Schrift nicht  sehen«  (Hüser  2003:  248). Hüser  zeigt, dass es unter Berufung auf die filmwissen­ folgendermaßen: »All of our films are made in High Definition. Our budget cap is $5m per film. We  schaftlichen Vorbilder wie Kracauer und Balázs sowie die Einführung einer textuellen Filmanalyse  finance films with first­time feature directors and established auteurs. We make films with unique  im Vergleich zu anders verlaufenden Diskursen im Ausland eine Reihe verpasster Chancen gab, sich  characters and narratives that hopefully push the boundaries of what we are used to« (http://www. mit der Schrift auf eine differenziertere Art auseinander zusetzen. hdnetfilms.com/submissions/index.html, letzter Zugriff: 26.5.2008).  222 – 223 77.  Die Animationen wurden von der kanadischen Firma MK12 hergestellt, die sonst für das  88.  Bspw. »The Art of Film Titles« Retrospektive der Film Society of Lincoln Center im April 2000,  Fernsehen arbeitet.  »Filmtitel – Titelfilme, Bed of Film VI.« Kunst­Werke Berlin e. V. 2002 und zuletzt »Vorspannkino«,  78.  In dem zehnminütigen Rythmetic (Evelyn Lambart/Norman McLaren, CAN 1956) werden Zahlen  ebenfalls in den Kunst­Werken von Februar bis April 2009. durch die Animation charakterisiert. Auf einer blauen Fläche formen die Zahlen einfache Gleichun­ 89.  Die »strukturell intelligenteste Stelle« (Hüser 2002: 200), siehe auch Hüser 2010: 310. gen, bis sie anfangen, diese durch kleine Streiche ungültig werden zu lassen. Das Interessante ist,  90.  »Le rôle de médiateur que joue le générique, ›zone intermédiaire entre le hors­texte et le tex­ dass es McLaren und Lambart durch subtile Animationen schaffen, Zahlen, von denen man typogra­ te‹,  qui  fonctionne pour  le public  comme zone d‘adaption à  l‘œuvre.  Le générique est  ce qui  fait  fische Gestaltung weit weniger gewohnt ist und die man deswegen neutraler betrachtet, als eigen­ lien entre ceux qui ont fait le film et se sont absentés et ceux qui sont là pour voir le film achevé«  ständige Charaktere wahrzunehmen: die 0 ist etwas schwerfällig und gemütlich, die 4 unvorsichtig  (de Mourgues  1994: 49); »Ein Vorspann ist ein Konzeptfilm.« (Hüser 2002: 204); »Title sequences  und tolpatschig und die Gleichheitszeichen sind ernste Wächter über die Ordnung der Gleichung, die  create a divided focus of attention, the separation of the inside from the outside, of what is the play  die anderen Zahlen zur Vernunft rufen. of the narrative from what is documenting the production, cinematic narrative from film commenta­ 79.  Im Making­of zur grafischen Gestaltung des Films auf der DVD (Sony Home Entertainment  ry, intradiegetic from extradiegetic information.« (Stanitzek 2009: 45). 2007)  erzählt der Regisseur Marc Forster,  dass  er keinen Vorspann vor dem Film wollte,  da die­ 91.   Vorspann  und  Experimentalfilm:  »Das  Filmmaterial  des  Vorspanns  von  Se7en  ist  auf  eine  ser ebenfalls von MK12 gestaltet worden wäre und alle Vorschläge suggerierten, die Gestaltung der  Art und Weise bearbeitet worden wie sonst vielleicht nur ein Experimental­ oder Avantgardefilm«  Credits an die diegetischen GUIs anzulehnen. Die Vermischung diegetischer und extradiegetischer  (Böhnke 2003: 17); Vorspann als »potenzierter Autorenfilm« (Stanitzek 2006: 17; als Experimental­ Inhalte auf ein und derselben Oberfläche schien Forster wenig sinnvoll. Forster wollte auch auf den  film bei Stanitzek 2009: 50).  Vorspann verzichten, da ihm das bei einem Film über ein Buch unnatürlich vorkam. Interessanter­ 92.  »Wer wird gewinnen? Das zu Lesende oder das zu Sehende? Jeder Zuschauer muss seine eige­ weise zeigt auch der Trailer zum Film kein einziges Bild, in dem die GUIs zu sehen wären. Denkbar ist  ne Schlacht führen!« (Übers. FK) hier, dass die Schrift des Films in dem Format des Trailers zur Verwirrung geführt hätte, da der Trailer  selbst häufig Schrift zur Kommunikation von Informationen einsetzt. 93.  Auffällig  ist, dass bei den Publikationen, die aus dem Design kommen, die Schrift selbst gar  nicht so sehr im Vordergrund steht. Uncredited (Solana/Boneu, 2007) konzentriert sich überwie­ 80.  Diesen Hinweis verdanke ich Serjoscha Wiemer. gend auf die Vorspannsequenzen, ohne der Schrift weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Zwar muss  81. Das gilt auch für die dynamischen Karten: In Resident Evil ist es nur die erste Karte bei Minute  man dem Buch zugute halten, dass die Autoren auch eine Reihe auf den ersten Blick unspektaku­ 20, die dem Zuschauer einen Überblick über die Struktur des unterirdischen Gangsystems gibt. Die an­ lärer Vorspanne behandeln und zudem viele Namen von Vorspanngestaltern nennen, die, wie der  deren Karten haben keinen erklärenden Grund, sondern werden als Übergangslösung zwischen zwei  Titel des Buches es sagt, meist nicht in den Credits aufgeführt werden, die meisten Vorspanne und  Szenen verwendet oder erinnern an die Grundlage des Computerspiels, sind also weiterer visueller  Designer werden  jedoch  bloß  aufgezählt  und  kurz  beschrieben  (»A  centered  and  sober  composi­ Reiz. Karten im Film sind damit eine zeitgenössischere Form der Montagesequenz oder gar Abblende.  tion with the main title as  logo« (ebd: 45)). Typographisch fundierter hingegen  ist Type in Motion  In vielen Filmen ist die Karte weniger eine zu Orientierungszwecken eingesetzte Grafik, sondern viel  (Bellantoni/Woolman, 1999), das sich explizit an Gestalter richtet und neben Internetseiten und  mehr eine grobe Bebilderung, eine Infografik: »Denn eine Infographik ist nachgerade hervorragend in  Medienkunst auch Filmvorspanne untersucht. Hier steht häufig die Schrift im Vordergrund, Schrift­ der Lage, ein per se bilderloses oder ­armes Ereignis visuell ›verwertbar‹ zu machen« (Nohr 2002: 84). arten werden  benannt  und  analysiert.  Leider  werden  die meisten Vorspanne  auch  hier  nur  kurz  82.  Im Film finden sich mehr als zehn Zwischentitel, die Orts­ und Zeitangaben enthalten. aufgezählt, Interpretationen reduzieren den Vorspann auf eine kondensierte Zusammenfassung des  83.  Fußnoten­Titel sind keine Erfindung des digitalen Zeitalters: Einige der Zwischen titel bei Grif­ Films: »Die fragmentierten Buchstabenformen, die sich sporadisch drehen und ihre Position verän­ fith‘ Intolerance weisen Fußnoten auf, um Begriffe zu erklären. dern, entsprechen den ›genetischen Missgeburten‹, die auf der Insel leben« (ebd: 41, Interpretation  des Vorspanns zu The Island of Dr. Moreau (USA 1996, John Frankenheimer; Titel: Kyle Cooper)). 84.  Bolter zufolge gibt es eine DVD des Films, bei dem man als Zuschauer selbst bestimmen kann,  zu welchem Bild man den Ton hören möchte. (Auf der mir vorliegenden französischen DVD des Films  94.  Für die Hinweise auf die typographischen Details danke ich Jörg Petri. war das nicht der Fall): »In this case the viewer becomes the director or sound editor, deciding how  95.  Siehe zum Motiv des Buches am Filmanfang auch Metz 1997: 58. the multiple sound tracks will be linearized« (Bolter 2008: 576). 96.  Im Making­of zum Vorspann auf der Platinium Edition DVD des Films (MAWA Film & Medien). 85.   Bei Terminator Salvation  (McG, USA/D/UK/I  2009) war Karin Fong nicht nur  für den Vor­ 97.  Zu Filmkratzern siehe auch Krautkrämer 2006b. spann sondern auch für die anderen Grafiken und Schriften im Film verantwortlich. MK2 haben bei  Stranger Than Fiction nicht nur die Grafiken im Film, sondern natürlich auch die animierte Titelse­ 98.  Zur Verbindung von Heavy Metal und Horrorfilm siehe Tompkins 2009, zur Verbindung von  quenz am Ende entworfen. Horrorfilm, Metal und Typografie siehe: Krautkrämer, Petri 2011. 86.   Einige Monumentalfilme  sollen  in  den  50er  und  60er  Jahren  über  eine  eigens  komponierte  99.   Neue  Techniken  ermöglichen  die  nachträgliche  realistisch  erscheinende  Einblendung  von  Ouvertüre verfügt haben, die noch vor der Projektion gespielt wurde (cf Hartmann 2009: 117). Schrift  ins  Live­Bild.  Firmen wie Princeton­Video  rechnen beispielsweise  live bei  Footballspielen,  die in den USA landesweit übertragen werden, Werbung für regionale Anbieter in die Bandenwer­ 87.  Bspw. auf http://www.artofthetitle.com/ und http://www.watchthetitles.com//index.jsp, bei­ bung, die dann nur von den Zuschauern der jeweiligen Region gesehen werden kann. de letzter Zugriff: 11.4.2012. 224 – 225 100.  In der Geschichte der Malerei gibt es spätestens seit dem 14. Jahrhundert immer wieder Bei­ spiele,  in denen die Signatur des Malers oder der Titel  des Bildes  in den Bildraum  integriert und  der Abbildung bzgl. der Materialität der Schrift angeglichen wurde (cf Butor  1992: 74ff.). Bei dem  Gemälde »Windiger Tag« von Giovanni Segantini (1891) wachsen die Initialen des Malers als Moos auf  einem Stein, darunter befindet sich noch eine Signatur in roter Farbe, ähnlich einer Wegmarkierung  (cf Gludovatz 2005). 101.  Odin zitiert hier Metz 2000: 67. 102.  Für Bordwell sind diese Pre­Title­Sequences, die vermehrt in den 50er Jahren auftauchen eine  Reaktion auf das Fernsehen und die Praxis, Sendungen mit einem Teaser anzukündigen. Die Credits  sollten so auch nicht mehr als eine eigenständige Einheit herausgestellt werden, und ihre Nachstel­ lung hob die narrative Bedeutung der Eröffnungssequenzen heraus (cf BST 2006: 27). 226 – 227 3 Schriftfilme The image is not exclusive to the visible. There is visibility that does not amount to an image; there are images which consist wholly in words. […].The visible can be arranged in meaningful tropes; words deploy a visibility that can be blinding (Rancière 2007: 7).Stand im Fokus der bisherigen Untersuchung der Spielfilm, so konzentriert sich das folgende Kapitel auf experimentellere Formen. Diese Unterteilung möchte jedoch nicht der sonst allgemein vorgenommenen Trennung von Spiel- und Experimentalfilm das Wort reden.1 Dass die Filme in diesem Ka-pitel dennoch anders und eingehender analysiert werden, verdankt sich dem Umstand, dass bei ihnen die Schrift als visuelles Instrument und kon-zeptuell eine andere Rolle spielt als bei vielen der zuvor angeführten Filme. Einen weiteren Unterschied stellt die Tatsache dar, dass in den folgenden Schriftfilmen das Auftauchen der Schrift im Film nicht unbedingt drama- 228 – 229 turgischen und narratologischen Gesetzen gehorcht und eben dadurch 3.1 Experimentelle häufig den ganzen Film über präsent ist. 3 Schriftfilme zeichnen sich nicht zwangsläufig dadurch aus, dass Schriftfilme der überwiegende Anteil des jeweiligen Films aus Schrift bestehen muss oder die Schrift besonders auffällig durch Animation und Gestaltung ins Sowohl im dramatischen Film als auch im Avantgarde-Film und cinéma pur Auge springt. Diese Perspektive engte den Gegenstand zu sehr ein, würde stand das Wort, und damit im Stummfilm vor allem die Schrift, für die Paral- sie doch implizit wieder eine Wertung gegenüber filmischem und unfil- lele zum Theater und zur Literatur, die es im Sinne der Moderne zu vermei- mischem Schrifteinsatz einführen, indem man nur jene Filme als Schrift- den galt (siehe S. 48ff.). L‘Invitation au voyage (Germaine Dulac, F 1927) filme bezeichnete, in denen die Schrift quantitativ und/ oder qualitativ ist solch ein Idealfilm der Avantgarde, der kaum Schrift enthält. Der Titel besonders auffällt. In Schriftfilmen tritt die Schrift nicht nur durch ihre des Films wird durch die diegetische Leuchtschrift der gleichnamigen Bar Gestaltung hervor, sondern kann auch eine konzeptuelle Ebene aufwei- gebildet; 4 wenn die Menschen im Film sprechen, erscheinen keine Dialogti- sen. Innerhalb der vorliegenden Untersuchung sind Schriftfilme weder tel, sondern mitunter kleine Einblendungen von Bildern, die die gesproche- Gegenmodelle noch Kristallisationspunkte. Durch ihre Analyse werden nen Worte verdeutlichen – überhaupt wird wenig gesprochen, man kommu- weitere Aspekte von Schrift im Film deutlich, die bisher noch nicht aufge- niziert über Blicke und Gesten, nicht mit sich bewegenden Mündern. Und zeigt werden konnten. Dass viele dieser Schriftfilme seit den 60er Jahren am Ende sieht man, wie das Wort »fin« geschrieben wird. Keine nachträglich entstanden, lässt sich insofern wieder dem Kapitel zum »unreinen« Kino in hinzugefügte Schrift könnte hier die Wirkung der Bilder stören. Verbindung bringen (S. 151ff.). Mit dem Einfluss der semiotisch geprägten Frühe Schriftexperimente fanden fast ausschließlich im Rahmen der Filmtheorie und den ideologiekritischen Ansätzen der Apparatusdebatte akzeptierten Anwendungen statt, in Zwischenbildern und Vorspannen. thematisierten einige Filmemacher zunehmend ihre Zweifel gegenüber Schriftfilme, Filme also, die der Schrfit einen größeren konzeptionellen einer die Wirklichkeit realistisch wiedergebenden Aufzeichnungsfunktion Raum eingsteanden, waren entsprechend selten. Ein Beispiel dafür ist Man- des Films. Die Schrift wurde genutzt, um den Zeichencharakter des Film- hatta (USA 1921, Charles Sheeler, Paul Strand), das Szenen von Arbei- bildes zu betonen und um auf die spezielle Ideologie der Filmproduktion tern in Manhatten zeigt und seine Verse auf illustrierten Kartons zwischen aufmerksam machen. Damit stehen diese Schriftfilme auch in enger Be- die Aufnahmen setzt. Die Titel sind hier keine informativen oder narrativen ziehung zur künstlerischen Moderne, in der die illusionistischen Möglich- Stützen, sondern eine poetische Umschreibung des visuell Präsentierten – keiten der Malerei zugunsten einer Zeichenhaftigkeit der Bilder abnahmen eine Art Filmgedicht. Anémic Cinéma (F 1926, Marcel Duchamp), sicher- und sich Bild und Schrift beispielsweise in einigen kubistischen Werken lich einer der bekanntesten Schriftfilme aus der Zeit des Stummfilms, zeigt durchdrangen.2 In diesen Bildern zeugt die Schrift vom „ From the start, word-based art was  Vertrauensverlust in die abbildende Funktion des Bil- as much a critique of language as it  des: Bild und Schrift sind gleichermaßen mangelhaft, was of the ›visual‹ (Godfrey 1998: 351). wenn es darum geht, die Wirklichkeit zu zeigen. ƒ 230 – 231 seine Sätze auf den »Rotoreliefs«, sich drehenden Scheiben, die das Lesen memacher wie Peter Kubelka richteten sich bei der Aufnahme nicht mehr der Wortspiele erschweren und teilweise mit entgegen der Leserichtung bloß auf das vor der Kamera vorgefundene Bild, sondern räumten der zeitli- drehenden Spiralen abgewechselt werden.5 chen und materiellen Dimension des Films einen ebenso hohen Stellenwert Dass man von Schriftfilmen als Genre innerhalb des Experimentalfilms ein (cf Kubelka 1995 [1974/5]: 47). Für Kubelka war jedes einzelne Bild ei- sprechen kann, dass sich Filmkünstler in starkem Maße der Schrift als visu- nes Films gleich viel wert und durfte nicht verschwendet werden (cf Sitney ellem Ausdruckssystem im Film zuwenden, ist erst im Zuge des strukturellen 2002: 349), unabhängig davon, ob darauf eine Fotografie, ein grafisches Bild Films Ende der 50er Jahre und der aufkommenden Videokunst in den 60ern oder materielle Spuren zu erkennen waren. Die Idee, dass das fotografisch der Fall. Der Begriff »struktureller Film« geht auf P. Adams Sitney zurück und reproduzierte Bild nicht mehr in einem auf die vorfilmische Realität bezo- bezeichnet eine Form des Experimentalfilms, die hauptsächlich in den 60er genen direkten Verhältnis steht und stehen soll, ist es, die es vergleichbar und 70er Jahren relevant war. Diese Filme werden auch als »Materialfilme« macht mit anderen, nicht figürlichen Elementen im Film. Wenn also Schrift bezeichnet, da sie ihre Struktur aus dem Filmmaterial selbst, wie Filmkratzer, und Bild im strukturellen Film angeglichen werden, dann nicht wie bisher, in- Klebestellen usw. beziehen. Ihnen gemeinsam ist außerdem, dass sie ihre dem die Schrift ornamental verziert und durch ihre Gestaltung und filmische künstlerische Form nicht mehr allein durch das gefilmte Bild beziehen. Ne- Aufnahme ihr bildlicher Status betont und herausgearbeitet wird, sondern ben den Materialkennzeichen sind laut Sitney eine starre Kameraeinstellung, im Gegenteil, das Filmbild an sich wird so stark abstrahiert, dass es genauso Loops, Flickereffekte und das Reproduzieren bereits gefilmter Aufnahmen wenig direkt auf die Welt referenziert wie die Schrift. Materialität und Zei- weitere Merkmale des strukturellen Films (cf Sitney 2002 [1969]: 348). 6 Fil- chencharakter des Filmbildes treten deutlich hervor. Dadurch können Filmemacher wie Paul Sharits oder Hollis Frampton die Schrift im Film als bildliche Möglichkeit und zur rhythmischen Ausge- staltung ihrer Filme nutzen, da sie nicht mehr in Konkurrenz zu einem Film- bild steht, das im Ziel auf maximale transparente Darstellung von Welt hin Word Movie (Paul Sharits, USA 1967) 232 – 233 konzipiert wurde. Schrift hat den gleichen gestalterischen Stellenwert wie dings gibt es nicht von jedem Buchstaben gleich viele Wörter, so dass jedes andere visuelle Element im einzelnen Kader. So zeigt Sharits in Word Frampton die Wörter, die mit X beginnen, bald durch das Bewegtbild eines Movie (Paul Sharits, USA 1967) jeweils nur ein Wort pro Filmbild, während Feuers austauscht. So werden nach und nach alle Buchstaben ersetzt. Als auf der Tonspur andere Worte recht betonungslos gesprochen werden. Die letzter weicht der Buchstabe C dem Bild eines roten Ibis’, und dieser Teil einzelnen Worte werden dabei in einer Weise angeordnet, dass zwei auf- des Films endet.7 Frampton macht so nicht nur auf das Wort an sich im einanderfolgende Wörter immer mindestens einen gleichen Buchstaben alltäglichen Stadtbild aufmerksam, sondern schafft zu- „ Für Frampton waren die russischen  aufweisen, sie zum einen immer auf der gleichen horizontalen Linie stehen dem ein visuelles Alphabet, das allerdings nur für diesen Theorien Eisensteins, Vertovs und  und die identischen Buchstaben zudem an der gleichen Stelle bleiben, so Film Gültigkeit besitzt. ƒ Die Struktur des Alphabets ist Kuleshovs sehr wichtig für die eigene  dass diese besser und länger erkennbar sind und beim Sehen der Eindruck es allerdings auch, durch die das Konzept so etwas wie Arbeit (cf Frampton 2009: 198). So  von verschiedenen Einzelbuchstaben entsteht, um die herum Wörter auf- eine narrative Spannung entwickelt, die sich darauf rich- ist Zorn‘s Lemma auch als ironischer  blitzen. Sharits betont somit zum einen die besondere Visualität der Schrift, tet, welcher Buchstabe wann durch welches Bild ersetzt Kommentar auf Vertovs Film-Alphabet  die es ermöglicht, im Einzelfall ein Wort zu erfassen, obwohl es nur eine wird. Diese Struktur ist es auch, die den Buchstaben zu verstehen, das eben immer nur für  fünfzigstel Sekunde lang zu sehen ist. Gleichzeitig zergliedert er aber auch auch noch durch das Bild durchschimmern lässt, selbst einen Film gelten kann. Wort und Film, indem in den Wörtern die einzelnen Buchstaben durch die wenn es diesen schon länger ersetzt hat: das Feuer steht Flächensyntax isoliert werden, und durch die schnelle Montage verdeut- bis zum Ende dieses Teils für das X, da es zunächst noch durch Aufnahmen licht er, dass ein Film aus 24 Bildern in der Sekunde besteht, und was man mit Wörtern deren Anfangsbuchstabe V und Y ist, gerahmt wird. (Und darauf erkennt, hängt davon ab, ob die Differenz zwischen den einzelnen nachdem mehr als die Hälfte der Buchstaben durch Filmaufnahmen er- ƒƒ Kadern genügend reduziert wurde. Gleichzeitig wird eine Sinnbildung, die setzt wurden, muss man das Alphabet schon immer mit aufsagen, um die „„ außerhalb des filmischen Materials liegt, vermieden: weder die einzelnen Orientierung zu behalten.) Damit führt Frampton seine eigene Feststel- ƒ Buchstaben noch die Wörter ergeben hintereinander gelesen einen Sinn lung noch weiter: »Once we can read, and a word is put before us, we can- „ und dem Text auf der Tonspur kann nur unter sehr großen Anstrengungen not not read it« (MacDonald 1988b: 49).8 Wenn ein Bild einmal mit einem z gefolgt werden, da zwischen den einzelnen gesprochenen Wörtern jeweils Buchstaben verknüpft ist, kann man diese Verbindung so schnell nicht ungefähr eine Sekunde Pause ist und sie auch nicht durch Betonung geson- mehr lösen. Gemeinsam haben die beiden Filme von Sharits und Framp- dert hervorgehoben werden. ton jedoch, dass es nicht mehr darauf ankommt, die einzelnen Wörter zu In Zorn‘s Lemma (USA 1970) zeigt Hollis Frampton fast 45 Minuten lesen und in einen inhaltlichen Zusammenhang zu stellen. Dabei wird die lang jeweils für eine Sekunde ein Wort aus dem städtischen Raum und Schriftlichkeit besonders betont, ohne dass sie in Konkurrenz zum Filmbild ordnet diese Worte alphabetisch an. Die Schrift kommuniziert hier eben- stünde, vielmehr strukturiert und steuert sie dieses auch. so wenig wie das Bild einen zusammengängenden Inhalt, sondern wird Neben dieser formalen Herangehensweise gibt es auch Filme, die viel mehr in einen ornamentalen Zusammenhang gesetzt. Die Wörter wer- Schrift bewusst in ihrer Möglichkeit einsetzten, Inhalte auf eine andere den in Sets zu je 24 angeordnet. Für jeweils eine Sekunde wird zuerst ein als bloß visuell bildliche Art zu kommunizieren. Jonas Mekas bspw. nutz- Wort mit dem Anfangsbuchstaben A, dann eines mit B usw. gezeigt, bis te Inserts, um seine tagebuchartigen Filme mit poetischen Reflexionen zu nach 24 Sekunden das erste Set durchgelaufen ist. (Grundlage ist das rö- ergänzen, beziehungsweise den nötigen Hintergrund zu den Bildern zu mische Alphabet mit 24 Buchstaben, ohne j und w.) Nach einer Sekunde liefern. MacDonald sieht darin eine Methode, die dem Wunsch entsprang, Schwarzfilm beginnt diese Prozedur mit neuen Wörtern von vorne. Aller- ebenso einfache wie unprätentiöse Filme wie zur Zeit des frühen Kinos zu 234 – 235 machen und die Imagination der Zuschauer zu nutzen (cf die spezifischen Eigenschaften des Materials geschärft „ In Television Delivers People rollt wei-  Wollens Unterscheidung sorgte bei  MacDonald 1995: 8), die im als entgegengesetzten Sys- werden. Wollen nennt sieben Kategorien, in denen sich ße Schrift vor blauem Hintergrund von  deutschsprachigen Filmkünstlern für Ver- tem betrachteten, alles sichtbar machenden, kommerziel- Godards Filme von denen des »orthodoxen« oder Klas- unten nach oben, während dazu seichte  ärgerung. Zum einen sahen sie ihre Film- len Film nicht mehr bedient wurde. Ein Grund für solche sischen Kinos unterscheiden: Narrative Logik gegenüber Berieselungsmusik läuft. Der Text kriti- arbeit ebenfalls als politisch an (cf Hein  Zwischentitel ist jedoch sicher auch, dass Synchronton erzählerischen Brüchen, Identifikation gegenüber Ent- siert kommerzielle Fernsehanbieter und  2003: 125), auch wenn die politischen  schwieriger und teurer zu erzeugen war. Doch auch im fremdung, Transparenz gegenüber Vordergründigkeit, stellt die These auf, dass nicht Fern- Themen nicht explizit, sondern über die  Medium Video, das über eine synchrone Tonspur verfügt, einfache Diegese gegenüber multipler Diegese, Ge- sehp  rogramme nachhause, sondern die  Ablehnung vorherrschender Ästhetik  wurde mit Schrift experimentiert (beispielsweise Weibels schlossenheit gegenüber Öffnung, Gefallen und Nicht- Zuschauer zu den Verkäufern geliefert  thematisiert wurde. Zum andern findet  Videotexte 1974-1975) 9 oder diese bewusst als bildkriti- Gefallen sowie Fiktion gegenüber Realität (cf Wollen werden. Die Schrift soll lesbar bleiben,  sich auch im Experimentalfilm der Ein -  sches Element genutzt (beispielsweise in Richard Serras 1982 [1972], 79). Wie er in seinem später erschienenen, ihr Einsatz demonstriert die bewusste  satz von Kratzern und Bild-Übermalun- Television Delivers People (USA 1974)).ƒ Aufsatz »The Two Avantgardes« darlegt, weist er dem Bildverweigerung im Medium des Fern- gen als dezidiertes Ablehnen von Bildern. Astrucs Forderung, sich nicht vom Dogma des rein Experimentalfilm jene Ebene zu, die sich direkt auf das sehens. »Television delivers people to  visuellen Films erdrücken zu lassen, findet sich in den Material als künstlerisches Ausdrucksmedium bezieht (cf Wollen 2001 an advertiser. […] Mass media means  Schriftfilmen der 60er und 70er Jahre ebenso wieder, [1975]), während Filmemacher wie Godard, mit ihrer Art Filme zu machen, that a medium can deliver masses of  wie Metz’ Beobachtung, dass die Mischungen in der aktuelle politische und soziale Aspekte thematisieren könnten. So kom- people. Commercial television delivers  »Gesamtkonstruktion« bestehen bleiben und die ein- men in dem Film Le Vent d‘Est (I/F/BRD 1970) der Groupe Dziga Vertov, 20 million people a minute. In commer- zelnen Elemente ihre nicht-kinematografischen Eigen- zu der Godard um 1970 gehörte, zwar auch Kratzer im Bild vor, was Godard cial broadcasting the viewer pays for  schaften behalten. Die Radikalität der Mischungen, die aber nur formal in die Nähe der Avantgardefilmer rücke (siehe hierzu auch the privilege of having himself sold. It  im Experimentalfilm möglich (und in Abgrenzung zum S. 289). Diese nutzten das Kratzen, um das Filmmaterial zu thematisieren, is the consumer who is consumed. You  Hollywoodfilm auch nötig) war, versuchte der engli- ähnlich verwandten Techniken in der Malerei, Godard hingegen als Vernei- are the product of t. v.« sche Filmtheoretiker und -künstler Peter Wollen Ende nung des Bildes (cf Wollen 1982 [1972], 83). z ƒƒ der 60er Jahre auf den politischen (Autoren-)Film zu übertragen. In drei Aufsätzen, die 1969, 1972 und 1975 entstanden, verdeutlicht er seine For- derungen vor allem am Beispiel Godards: „„ Gekratzte Schrift auf Film There is no pure cinema in a single essence, hermetically sealed from con- Direkt  auf  dem  Filmmaterial  durch  Kratzen  zu  ma- Schriftzeichen pro Kader eingeritzt wurden, sind bei- len,  ist  im  Experimental-  oder  experimentellen Ani- spielsweise Letter (Dieter Roth, D 1962) und White Cal- tamination. This explains the value of a director like Jean-Luc Godard, who mationsfilm  keine  Seltenheit,  beispielsweise  in  Free ligraphy (Takahiko Iimura, J 1967). Brakhage und Peter  is unafraid to mix Hollywood with Kant and Hegel, Eisenstein montage Radicals  (Len Lye, GB  1958) oder  auch  I … dreaming  Kubelka haben ihre Namen auch auch immer ins Ma- with Rossellinian realism, words with images, professional actors with his- (Stan Brakhage, USA 1988). In letzterem Fall hat Brak- terial geritzt, den Film sozusagen direkt signiert, wo- torical people, Lumière with Méliès, the documentary with the iconographic hage einige Wörter auf den Film ins Bild geritzt, und  bei Brakhage das animiert hat, so dass sich sein Name  hier erfüllt sich Flussers etymologische Herleitung des  schrieb,  Kubelka  aber  ein  Standbild  seines  geritzten  (Wollen 1998 [1969]: 106). Wortes  »to  write«  vom  Ritzen  und  Bilder-Zerfetzen  Namens verwendete. Beispiele, in denen auf das Ma- Mit dem Mischen der Stile (u. a. der Schrift im Bild) im Sinne einer Offen- (siehe  S. 165),  aber  im  Film  entstehen  dadurch  neue  terial mit Farbe geschrieben wurde, gibt es ebenfalls:  Bilder, denn die Kratzer, die auf den einzelnen Kadern  A Colour Box (Len Lye, NEW 1935), Trade Tattoo (Len  legung der Produktionsmittel und als selbstreflexives Moment soll in der noch  statisch  sind, werden durch die Projektion ani- Lye, NEW 1937), und Blinkity Blank (Norman McLaren,  Tradition der russischen Formalisten die Wahrnehmung des Publikums für miert.  Kratzfilme,  in  denen  ein  Buchstabe,  oder  ein  CAN 1955).  236 – 237 Was Wollen mit Nachdruck betont, ist die Idee des Kon- „ »Any theory of the cinema, any film- wurden so gewählt, dass die wichtigsten Aspekte diskutiert werden können. fliktes oder des Kampfes, wenn zwei unterschiedliche making, must take Hollywood into ac- Das sich anschließende Kapitel zur Schrift in den Filmen Jean-Luc Godards Codes vereint werden. ƒ Darin liegt für ihn die Aktualität: count. It provides the dominant codes  dient dazu, die so herausgearbeiteten Aspekte eines Werkes zusammen zu »Godard übernimmt die Idee des formalen Konflikts und with which films are read and will con- führen, um so auch eine Entwicklung in der kontinuierlichen Arbeit mit Schrift Kampfes und überträgt sie auf ein Konzept des Konfliktes tinue to do so for the foreseeable future.  im Film, beziehungsweise der Arbeit des Filmemachers unter dieser speziellen nicht zwischen Inhalt und Bildern, sondern zwischen unter- […] I no longer think that the future  Perspektive in den Blick zu nehmen. schiedlichen Codes und zwischen Signifikant und Signifi- of cinema simply lies in a full use of all  kat« (Wollen 2001: 171). Für Wollen ist der Film nicht per se available codes. I think codes should be  heterogen, vielmehr muss die Homogenität immer wieder confronted with each other, the films are  bekämpft werden. 10 texts which should be structured around  Damit wird die Heterogenität aber auch instrumen- contradictions of codes. […] It is possible  talisiert, anders als bei Metz steht sie in einem bestimm- 3.1.1 Schrift als »Text« im Film that the transitional period we have now  ten Zweck und teilt die Filmgeschichte in die Filme, die sie entered into could end with victories for  zu verstecken versuchen und andere, die sie herausstellen. the avant-garde that has emerged«  Die Opposition zum durchschnittlichen Spielfilm ist da- Poetic Justice (Wollen 1998 [1972]: 118). bei jedoch nur ein Grund unter vielen für eine Integration In Poetic Justice (Hollis Frampton, 1972) werden während 30 Minuten nachei- von Elementen wie der Schrift, damit ist aber nicht erklärt, dass die nander 240 Seiten eines Drehbuches gezeigt, die auf einem Tisch liegen, links Schrift im Film seitdem für einige Filmemacher/innen ein ernsthaf- davon ein Topfkaktus, rechts eine Tasse Kaffee. Der Film ist ohne Ton, und tes Stilmittel geworden ist. Weder Konflikt noch Aufhebung der Dif- die Seiten enthalten die Nummer der jeweiligen Szene, eine Angabe über die ferenz ist dabei das Ziel, sondern die Thematisierung von Inhalten Einstellungsgröße und eine Beschreibung der Szene. Es gibt keine Bewegung, durch eine neue Ästhetik der Heterogenität. alle sechs Sekunden einen Schnitt, und die neue Seite liegt auf der vorheri- Im Folgenden wird nicht, wie Wollen es in seinem Aufsatz gen. Jeder Schnitt wird von einem kurzen Blitzen begleitet, das bei einigen »Die zwei Avantgarden« (2001) macht, zwischen einer politischen 16mm-Kameras entsteht, wenn der Film gestoppt wird. Ein Frame befindet und einer ästhetischen Avantgarde unterschieden, also zwischen sich dann direkt vor dem Bildfenster und wird überbelichtet, im entwickelten den Filmen eines Jean-Luc Godard und denen von Malcolm Le Grice Film also durchsichtig und auf der Leinwand somit als »weiß« zu sehen. Nor- beispielsweise, sondern zwischen jenen Filmen, in denen die Schrift malerweise werden diese Frames herausgeschnitten, das Blitzen ist somit ein exklusiv einen wie auch immer gearteten narrativen Inhalt kommu- Hinweis darauf, dass der Film in der Kamera geschnitten wurde. niziert (z.B. Zwischentitel) und anderen, in denen die ornamentalen Bevor die erste beschriebene Seite gefilmt wird, sieht man den gan- Qualitäten der Schrift im Vordergrund stehen und das Lesen selbst zen Stapel Drehbuchseiten, die oberste ist unbeschrieben – ohne dass man aus verschiedenen Gründen oft zweitrangig ist. Diese Unterschei- es wüsste, wird am Anfang bereits das gesamte Material des folgenden Films dung ist sinnvoll, da dadurch die beiden wichtigsten Eigenschaften präsentiert. Dann beginnt der Film mit der ersten Seite, und da jedes neue der Schrift, Kommunikation von Inhalten und Visualität, eingehender Blatt auf den Stapel der bisherigen gelegt wird, sieht man auch bildlich das untersucht werden können. Dabei geht es nicht um eine vollständi- Verstreichen der Zeit. Am Schluss wird der gesamte Stapel erneut präsentiert, ge Aufzählung von Beispielen und Variationen, die folgenden Filme diesmal bedeckt von einem Plastikhandschuh. 238 – 239 Bei dem Drehbuch (dem geschriebenen Film im Film) ƒ „ Auf die Frage, ob es in diesem extremen  handelt es sich um eine Art impressionistischen Film: er Fall nicht ausreichen würde, sich den Film  spielt in einem Haus, es gibt Visionen, die sich draußen einfach nur durchzulesen, hat MacDonald  hinter den Fenstern abspielen, und eine Liebesszene im die interessante Feststellung gemacht,  Schlafzimmer. Zentrales immer wieder auftauchendes dass sich viele Zuschauer nach dem Film  Element sind Fotografien, die angeschaut werden, sowie eher an den imaginierten Film erinnern,  weitere selbstreferenzielle Bezüge. So beschreibt bereits als an den konkreten abgefilmten Text  die vierte Szene exakt das Bild, das der Zuschauer auch (cf. MacDonald 1988, 41 & ebd. 1988b: 65) die ganze Zeit zu sehen bekommt – die Beschreibung selbst ist darin allerdings nicht enthalten: »#4 (CLOSE- „ Wie viele andere Schriftfilme ist auch  UP) A SMALL TABLE BELOW A WINDOW A POTTED Poetic Justice rekonstruierbar. In Mac- CACTUS / A COFFEE CUP.« Des Weiteren gibt es eine Donald 1995 findet sich der gesamte Text  ganze Reihe von Szenen, deren Beschreibung jeweils mit des Films, der somit jederzeit auch unter  dem Satz endet: »THERE IS NO CAMERA IN THE ROOM.« Verlust der Kopie so ähnlich wieder her- Mittels deiktischer und enunziatorischer Elemente zieht zustellen wäre. Das gleiche gilt auch für  Frampton den Zuschauer noch weiter in den Film hin- Michael Snows So is This (CAN 1982).  ein: »#190 (MIDDLE SHOT) YOUR FACE, SMILING.« oder Dies  e Tatsache zeigt noch einmal die Ver- »#240 (CLOSE-UP) MY HAND COVERS A STILL PHOTO- bindung dieser Schriftfilme zum strukt ur- GRAPH OF MY OWN FACE.« Einige Titel erinnern auch ellen Film: Peter Kubelka schrieb zu sei-    an einen Traum: »#48 (LONG SHOT) YOURSELF VERY nem Arnulf Rainer (AU 1960) bereits, dass  FAR AWAY, WALKING YOU DISAPPEAR AMONG TREES. jeder diesen Film mit seiner Partitur er- (DISSOLVE TO …)« ƒ stellen könne, da er nur aus Schwarz- und  Eigentliches Thema jedoch ist das selbstreflexive Mo- Blankfilm sowie Rauschen und Stille  ment. Die Drehbuchseiten #10 – #19 beschreiben Szenen, in bes  tehe (Kubelka 1995 [1974/5]: 67). Das  denen der Zuschauer des Films selbst eine Kamera nimmt gilt allerdings nicht automatisch für Schrift- und filmt: »#14 ( MIDDLE SHOT ) YOU RAISE A CAMERA filme. Für Jörg Petris Videoclip DOT. (D  TO YOUR EYE.« Weiter gibt es einige Szenen, in denen der 2008) wurde jeder abgefilmte Buchstabe  Autor eine Fotografie der beschriebenen Szene in die Ka- und jede Akzidenzie im Bleisatz gedruckt  mera hält: » #65 ( CLOSE-UP ) MY HAND HOLDING A STILL und die Drucke anschließend zu einem Buch  PHOTOGRAPH OF THE SAME SCENE. YOU ARE OPENING gebunden. Da die Buchstaben aber zur Mu- A DOOR.« Auch Titel werden als Drehbuchseiten abgefilmt: sik animiert wurden, steht hier der unm  it- »#61 TITLE: SECOND TABLEAU«. In den letzten 45 Szenen tel bare kreative Gestus deutlich im Vorder- sollen nur noch Fotografien gezeigt werden, die der Lieb- grund und weniger der konzeptuelle Ansatz. haber des Zuschauers in die Kamera hält (»YOUR LOVER‘S 240 – 241 HAND IS HOLDING A STILL PHOTOGRAPH«) und auf denen entweder der Zuschauer, sein Liebhaber oder der Autor zu sehen ist. Das permanente The- ziert, die sich zwischen den einzelnen Szenen befinden. Die Szenen selbst matisieren des Blicks wird in Poetic Justice noch einmal durch den Versuchs- sind relativ narrationsarm, so dass sie teilweise einer Bebilderung der Titel aufbau gedoppelt, indem das Drehbuch abgefilmt wird. Frampton geht damit gleichkommen, die hauptsächlich die Informationen enthalten, die man benö- noch eine Ebene weiter, als bloß das Aufnahmemedium zu verdeutlichen – tigt, um die Geschichte zu konstruieren. Dadurch wird die Durchführung der ohne dies jedoch explizit zu zeigen. Indem er beschreibt, dass es in manchen formalen Inszenierung begünstigt, da die Vermittlung vernachlässigt werden Szenen eine Kamera gibt, und er ab und zu auch darauf hinweist, dass in dem kann. Anders als beim Stummfilm sind die Titel nicht Hilfskonstrukt, sondern Raum der Szene eben gerade keine sei, befindet sie sich nicht nur im Dreh- Hauptelement der Narration. Trotzdem haben die Bilder mehr als nur illus- buch und damit später in der zu filmenden Szenerie, sondern die Kamera, die trierende Funktion. Das Konzept der Plansequenz und der Kameradrehung das aktuell zu lesende Bild filmt, wird ebenfalls spürbar. Noch deutlicher wird gibt den Rhythmus vor, die Szenerien und Dialoge die Stimmung. Mulveys das am Schluss mit den beiden Szenen: »#237 ( CLOSE-UP ) YOUR LOVER‘S und Wollens Anliegen ist nicht das formale Experiment, sondern der politi- HAND IS HOLDING A STILL PHOTOGRAPH OF MY HAND, WRITING THIS sche – in diesem Fall feministische – Inhalt. Auch hier ermöglicht das spezielle TEXT.« und »#238 (CLOSE-UP) YOUR LOVER‘S HAND IS HOLDING A STILL Konzept der Zwischentitel eine stärkere Identifikation. Die Schrift als Vermitt- PHOTOGRAPH OF MYSELF, FILMING THESE PAGES.« Diese zwei Szenen stel- lungsinstanz zu wählen, ist zwar eine Entscheidung für ein recht vordergrün- len eine mentale mise en abyme dar. Würden die Seiten verfilmt werden, dann diges Stilmittel, bietet in dem Fall aber den Vorteil, dass der Inhalt in einer sähe man jetzt erst zum zweiten Mal im Film die Drehbuchseiten. Das Bild der allgemeineren Form rezipiert wird, da er zunächst nicht an konkrete Personen Fotografie mit den Seiten wäre zwar eine Enunziationsmarkierung, nicht aber gebunden scheint. Selbst wenn diese dann in den Szenen auftauchen, ist das eine Darstellung seiner selbst in einer weiteren Ebene im Bild. Erst über den durch das formale Konzept relativ distanziert. Zudem bestehen die Titel aus Umweg, sich die beschriebene Szene vorzustellen und sie gleichzeitig auch Fragmenten, in denen die Sätze unvollständig bleiben: »bedtime, she likes to in dem vorliegenden Zustand zu rezipieren, wird daraus eine mise en abyme. stay in Anna‘s room, waiting for her to fall asleep and tidying away the traces Framptons Drehbuch wird kein Bild, die Schrift beschreibt das Bild, bezie- of the day. She still seems to need the«. Dadurch wird eine Gleichwertigkeit hungsweise beschreibt sich selbst als Bild. von Bild und Schrift suggeriert, als ob die Bilder die Sätze vervollständigen sollten. Genau das tun sie durch ihre narrationsarme Struktur jedoch nicht. Riddles of the Sphinx Vielmehr sind die Bilder als Ruhezonen zwischen den Zwischentiteln zu ver- Ein weiteres Beispiel für einen Schriftfilm, in dem Bild und Schrift auf gleich- stehen, denen der Zuschauer noch nachhängt und möglicherweise die Sätze berechtigter Ebene kommunizieren, ohne dass die Differenz von Bild und dabei selbst vervollständigt. Die Bilder werden erst durch die Informationen Schrift aufgehoben wird, ist der Film Riddles of the Sphinx von Laura Mul- der Zwischentitel narrativ aufgeladen, durch starke Formalisierung bieten die- vey und Peter Wollen (GB 1977). Mit großer formaler Strenge und sehr frag- se dann die Grundlage für die Reflexionen des Zuschauers. Sie führen damit mentarisch erzählt der Film im vierten, knapp einstündigen Teil die Geschichte den fragmentarischen Zwischentitel nicht auf der Ebene der Syntax fort, son- von Louise, die von ihrem Mann Chris verlassen wird und deshalb ihre Tochter dern auf einer Metaebene: der des Diskurses des Films. Anders als bei Poetic Anna in einen Kindergarten geben muss, um Arbeit zu finden. Die einzelnen Justice ist hier das Bild die Grundlage für den imaginären Text des Zuschauers. Szenen sind dabei als Plansequenzen konzipiert, bei denen sich die Kamera Die von Wollen zuvor geforderte Konfrontation der Mittel findet in diesem unablässig langsam im Kreis dreht und meist eine vollständige 360°-Drehung Teil des Films nicht statt. Seine Forderung nach der Mischung der Stile findet um sich selbst absolviert. Der Inhalt wird über die Zwischentitel kommuni- ihre Entsprechung in den anderen Teilen des Films, in denen teilweise direkt 242 – 243 in die Kamera gesprochen wird und die nichts mit der im vierten Teil erzählten Unebenheiten, die sich an einigen Buchstaben wieder- Geschichte gemein haben. Schrift und Bild funktionieren hier in dem ihnen holen, außerdem kann man unterschiedliche verwende- zugedachten Bereichen und ergänzen sich entsprechend. Der Versuch, einen te Filmmaterialen ausmachen, die an den verschiedenen Film zu machen, der sein Thema distanziert verhandelt und keine Möglichkeit Schwarzwerten erkennbar sind. Von den bisher themati- zur Identifikation mit den Protagonisten bietet, entspricht auch Mulveys eige- sierten Schriftfilmen ist Snows sicherlich der puristischste. ner theoretischer Arbeit (cf Mulvey 1989 [1975]).11 Schrift und Filmbild werden nicht gemischt, der Text ist semantisch schlüssig und will nicht verwirren. Doch trotz So is This dieser textuellen Transparenz verweist Snow deutlicher Dass in den Filmen dieses Kapitels die Schrift exklusiv ihren Inhalt kommu- noch als Frampton und Mulvey/Wollen auf das Dispositiv niziert, bedeutet nicht, dass sie dabei nicht auch Bild sein kann. Ein be- und das Medium. Zum einen thematisiert er es direkt im sonderes Beispiel dafür ist Michael Snows So is This (CAN 1982). Der Film Text und verwendet wie Frampton auch eine Reihe deikti- zeigt 45 Minuten lang nichts anders als Worte. Jedes Wort wird einzeln weiß scher Elemente, von denen das am häufigsten wiederkeh- auf schwarz abgefilmt, hintereinander gelesen ergeben sie ganze Sätze. In rende das titelgebende »this« ist. Die materiellen Aspekte, seinem Film spielt Snow damit, dass man einen reinen Schriftfilm sieht und die durch die Reduzierung auf die Buchstaben noch mehr betont auch immer wieder den Gegensatz von Bild und Schrift. An einer als sonst ins Auge fallen wie das verwendete Filmmaterial Stelle fragt er sich, ob dieser Film auch von der kanadischen Zensurbehörde film, »original« und abgefilmt in Snows oder der Rhythmus, werden in der Mitte des Films noch beschlagnahmt werden kann, wenn er für jeweils einen Frame Wörter wie So Is This (CAN 1982) einmal deutlicher thematisiert. Dort probiert Snow ver- »cunt« oder »ass« aufblitzen lässt. Snow bezieht seinen Witz aber nicht allein schiedene Lesegeschwindigkeiten mit immer demselben Satz aus und be- aus dem Text, sondern auch aus der Inszenierung der Wörter. Der Film ist so schließt dann, den Film von Anfang an bis zu dieser Stelle in einer anderen angelegt, dass immer nur ein Wort erscheint, man also den Satz erst vervoll- Geschwindigkeit zu wiederholen, weil er dann vielleicht einem anderen Teil ständigen kann, wenn das letzte Wort gezeigt wurde. Der Rhythmus ändert des Publikums besser gefallen könnte. Aber Snow setzt nicht die Wörter zu sich beständig, Betonungen werden weniger über die Größe der einzelnen, den Sätzen des Anfangs erneut zusammen, sondern fotografiert den pro- immer gleich gesetzten Wörter erzielt, als vielmehr über die Montage und jizierten Film von der Leinwand ab und verändert dabei die Geschwindig- die Geschwindigkeit. Passagen, in denen die Wörter länger stehen bleiben, keit. Der Unterschied zu den zuvor gesehenen Wörtern zeigt sich sofort und wirken schwerfälliger als jene, in denen sie in eine schnellere Abfolge treten. deutlich: die Kadrierung ist anders, und die meisten Wörter haben einen Hier zeigt sich auch der besondere filmische Effekt von Snows Film, der im leichten Lichthof, der davon zeugt, dass es schwierig ist, die Bilder adäquat Gegensatz zu den oben angeführten Schriftfilmen den Aspekt des Rhythmus zu belichten. Indem die Wörter nicht einfach nur durch ihre textuelle Form, bearbeitet: er konterkariert die gängige Leseerfahrung, die normalerweise sondern samt ihrem Trägermaterial reproduziert werden, werden sie spätes- weder durch eine zeitliche Vorgabe gesteuert ist noch nur aus dem Lesen tens hier zu einem Filmbild. Ironisch hat Yann Beauvais festgestellt, dass So einzelner Wörter besteht. Bei Snow fallen Wort und Einstellung zusammen. is This ein Film ohne hors champ sei (cf Beauvais 1988: 14). Das stimmt zu- Man liest die Montage des Films, wie es Kuleshov für seine reihende Mon- mindest nicht für die Sequenz des »flashbacks«, der durch seinen Einstieg tage gefordert hatte und betrachtet gleichzeitig die Wörter, die durch die nicht nur das Dispositiv thematisiert (»Let‘s look back:«), sondern durch das aufgezwungene Dauer, mit der sie vor einem verweilen, nicht so rasch über- Kenntlichmachen der schlechteren Reproduktion an dieser Stelle auch die lesen werden können, wie man es sonst gewohnt ist. So erkennt man kleine Produktionsweise, in dem Snow mit einer Kamera die Filmbilder von einer 244 – 245 Leinwand abfilmt. Hier entsteht dann auch eine echte mise en abyme, da und Korrekturen nehmen in Dear Phone immer weiter zu, x Greenaway hat sich immer wieder als der Film einen Teil von sich ein zweites Mal auf einer anderen Ebene enthält. die Schrift zeigt sich durch die Überarbeitungen und Ak- Bewunderer der Filme Hollis Framptons zidenzen als flächige Anordnung. In dem Maße, in dem gezeigt. Vereinzelt finden sich auch das Ziselieren zugenommen hat, nimmt die Lesbarkeit ab, konkrete Hinweise auf dessen Filme, bis dem Zuschauer letztendlich nur noch die Möglichkeit 3.1.2 Schrift als »Ornament« im Film wie in H is for House (1973) wo unter bleibt, den Text als Bild wahrzunehmen. Wenn bei Poe- anderem für den Anfangsbuchstaben tic Justice die Schrift erst über den Umweg der mentalen »H« der Begriff »Hapax Legoma« auf- Die Schrift in Snows Film wird dann zu einem Bild, wenn sie wiederholt wird. Konstruktion auch ein Bild wird, das sie gleichzeitig wieder gezählt wird. »Hapax Legoma« hat Schnell erkennt man, dass die Informationen bereits kommuniziert wurden, enthält, so wird in Dear Phone die transparente Schrift zum Frampton seinen Zyklus von sieben das Lesen tritt in den Hintergrund, was es ermöglicht, sich stärker auf die opaken Bild, indem sie unleserlich wird. Da der Text vor- Filmen genannt, zu dem auch Poetic neuen visuellen Informationen zu konzentrieren. In den folgenden Schrift- gelesen wird, entstehen durch die Unleserlichkeit keine se- Justice gehört. filmen liegt der Fokus auf genau dieser Art des Schrifteinsatzes. Ihre primä- mantischen Lücken, und die Schrift kann im Laufe des Films re Funktion der Informationsvermittlung tritt zurück, weil sie z.B. von einem verschwinden. Der (kalli-)grafische Aspekt der Schrift tritt Sprecher im Off vorgelesen wird, und ihre grafischen und ornamentalen As- immer weiter in den Vordergrund, bis die Seiten zu einem pekte können dadurch stärker in den Vordergrund treten. eigenständigen Bild werden. So wie die roten Zellen Sym- bol für die Kommunikation via Telefon sind, wird die Hand- Dear Phone schrift zu einem Bild für den Brief – daher auch die Anrede In den Filmen Peter Greenaways werden immer wieder längere Text-Passagen im Titel des Films. Der transparente, weil lesbare Buchstabe sowohl typografisch visualisiert als auch im Off vorgelesen, so auch in seinem verhindert diese Symbolwerdung – erst wenn es wie Schrift drei Filme umfassenden Werk The Tulse Luper Suitcases (UK/E/I 2003/2004) aussieht, aber nicht mehr entziffert werden muss, wird die oder in The Pillow Book (F/K/NL/LUX 1996). In dem Kurzfilm Dear Phone Schrift in diesem Fall zum Bild – und damit die Umkehrung (UK 1977) wird die Geschichte durch abgefilmte handbeschriebene Seiten er- von Framptons Zitat: erst wenn wir ein Wort nicht mehr le- zählt, die gleichzeitig beim Erscheinen auch von einer Stimme aus dem Off sen können, wird es zum Bild. vorgelesen werden. Dabei geht es um verschiedene Personen, die eine be- Für Paech bleibt der Text in Dear Phone zwar sondere, teilweise absurde Beziehung zum Telefon haben: So werden sie am Schrift, aber er wird als Ort durchquert von der mündli- Telefonieren gehindert, telefonieren extrem viel oder haben Telefonsex (wo- chen Erzählung, »um ihn im Effekt der Mitteilung hinter durch die daran teilnehmende Frau geschwängert wird). Dazwischen werden sich zu lassen wie ein ordentlicher Film sein Drehbuch« Aufnahmen von roten englischen Telefonzellen geschnitten. Stilistisch erin- (Paech 1994: 229f), der Text wird also nur im übertrage- nern die Texte an ein Exposé: sie beschreiben und fassen zusammen, ohne zu nen Sinn zum Bild. Statische Schrift bleibt für Paech zu sehr ins Detail zu gehen. sehr Schrift, als dass sie filmisch werden könnte. Erst in Anders als bei Poetic Justice bleiben die einzelnen Seiten stärker als Prospero‘s Books (Peter Greenaway, F/NL/UK/J 1991) visuelle Ereignisse in Erinnerung, da sich in ihnen die Spuren eines Überar- stellt er »die weitgehende Auflösung der Differenz von beitungsprozesses eingeschrieben haben und die Handschrift auch deutlich Bild und Schrift« fest (ebd: 230). Die animierten kalligrafi- schlechter zu lesen ist als in Hollis Framptons Film. { Die Durchstreichungen schen Schriftzüge, die wie von Geisterhand auf verschie- 246 – 247 dene Oberflächen aufgetragen werden, zeigten deutlicher filmische Bear- wenn beide ausreichend berücksichtigt werden, zeigt sich auch, dass für die beitungsverfahren, die die digitalen Techniken ermöglichen. Gleichzeitig Schrift im Film gar kein so großer Unterschied besteht, ob sie dem einen oder würden die Bilder selbst geschrieben (cf ebd.). 12 dem anderen Feld zugeschlagen wird. Das Ziel der Schrift im Film ist nicht, Woher kommt dieser Wunsch nach der Auflösung von Differenz bei der dass sie durch Gestaltung kaschiert wird, sondern sie kann der Artikulation Schrift im Film? Nicht nur Paech schreibt von einer unauflösbaren Differenz weiterer Inhalte dienen, die sich nicht zwangsläufig allein durch den Inhalt von Schrift und Bild im klassischen Hollywood-Film, auch Irmela Schneider dieser Schrift kommunizieren, sondern auch durch das Wie und Warum der bemerkt, dass die Filme des Erzählkinos »in aller Regel gegen die illusions- Schrift. Diese Schrift kann in einigen Beispielen als Anti-Bild verstanden wer- störende Schrift ankämpfen« (Schneider 1998: 226). Und wie bei Paech ist den, oft wird in den Filmen auch ein Unterschied von Bild und Schrift the- auch hier die Kunst das Modell, das die Differenz zu überbrücken vermag. matisiert, ohne jedoch die Konfrontation dieser beiden Codes im Konflikt zu Es scheint fast so, als hätte sich der Diskurs, der in den 20er Jahren eine lösen. Die besondere Zuwendung zur Schrift in den 60er und 70er Jahren lässt filmische Avantgarde unter anderem durch die Wortlosigkeit beschrieb, da- sich nicht bloß durch die Gegenposition zum Hollywoodfilm als Brecht‘sches hingehend gewendet, dass die Schrift nun zwar durchaus Teil des Films sein Stilmittel zur Brechung und Thematisierung der Transparenz als vorherrschen- dürfe, aber nur, wenn sie Bild wird; d.h. obwohl die Medienkunst inzwischen de Ästhetik des Spielfilms erklären, sondern ist darüber hinaus die (Wieder-) offensiv mit Schrift arbeitet, hat sich in Teilen des theoretischen Diskurses Entdeckung der Schrift als filmisches (Stil-)Mittel. Weder Konflikt noch Auf- diesbezüglich nichts geändert, es zählt allein das Bild. In den Neonbildern hebung der Differenz ist dabei das Ziel, sondern die Thematisierung von In- und Collagen Bruce Naumans sieht Schneider die Differenz von Sehen und halten durch eine neue Ästhetik der Heterogenität. In den Schriftfilmen dieses Lesen aufgehoben. In den inszenierten Schriftzügen Naumans bekommt die Kapitels zeichnet sich die Schrift nicht dadurch aus, dass sie zum Bild wird, Schrift als visuelles Artefakt (cf Schneider 1998: 223) ebenso viel Aufmerk- wie in den digitalen Bearbeitungen oder im Vorspann, sondern sie führt eine samkeit wie als textueller Informationsträger. Wie bei einem Kalligramm, so eigene Ebene zum Filmbild ein, wodurch sich weitere konzeptuelle Zusam- Schneider, schwanken die Betrachter zwischen Lesen und Sehen: menhänge ergeben. Diese Ebene gilt es zu erfassen, ohne dabei die Schrift im Film allein über ihre Bildlichkeit zu rechtfertigen. Denn dann gälten für Aus dieser Schwierigkeit – entweder im Akt der Wahrnehmung das Bild oder den konventionellen Spielfilm und den Experimentalfilm wieder verschiedene die Schrift zu ›zerstören‹ – führt nur heraus, wenn man Sehen und Lesen Regeln, die sich aus den Ansprüchen ergäben. Ziel dieser Arbeit ist es, Unter- nicht mehr als zwei grundverschiedene Wahrnehmungsformen betrachtet, schiede und Parallelen im Gebrauch der Schrift im Film darzustellen, die sich sondern nach Beziehungen zwischen ihnen fragt (Schneider 1998: 233 ). aber nicht in ideologischen Aussagen erschöpfen. Die »Einheit dieser Differenz« (ebd.) mag sicher für einen Bereich der Medien- Die Reduzierung der Differenzqualität von Bild und Schrift kommt vor, kunst gelten, auf den ersten Blick scheint es auch für das vorliegende Projekt, sie ist aber eben nur eine Möglichkeit im Verhältnis von Schrift im Film, und das an dieser Stelle auch zwischen textkommunizierender und ornamentaler dabei nicht die einzig erstrebenswerte. Es ist kein Zufall, dass die Forderung Schrift unterscheidet, einleuchtend, auf Schneiders Oszillieren des Blicks zwi- danach in den 90er Jahren zu einer Zeit entstand, da aufgrund der neuen schen Lesen und Sehen zu rekurrieren, doch was dabei fehlt, ist ein Modell, Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung im Computer, der die Einzelmedien bei dem auch jene Schrift, die nicht besonders bildlich gestaltet oder filmisch in bis dahin nicht gekannter Weise zu einem »Supermedium« verschmelzen animiert wurde, gleichberechtigt analysiert werden kann. Der Schrift sind die- konnte (Spielmann 1998: 9), die Debatten zur Intermedialität und Hybri- se beiden Ebenen zu eigen, sowohl über das Entziffern der Buchstaben einen dität neue Ansätze erfuhren. Die Intermedialitätsforschung hat es sich zur Text zu kommunizieren als auch über ihre Visualität etwas zu erzählen, und Aufgabe gemacht, nach den Beziehungen von Medien und ihren Formen 248 – 249 in neuen Bezugssystemen zu fragen. Obwohl im Zentrum intertextueller Am oberen Rand der Kad rierung, gewissermaßen vor und -medialer Untersuchungen die Differenz steht, liegt durch die Gegen- dem Himmel, steht der Titel des Films: Sailboat – und überstellung der Analog- und Digitalmedien der Fokus letztendlich auf der dieser bleibt die gesamte Dauer des Films dort stehen. Betonung der Aufhebung der Differenzstruktur im elektronischen Bild (cf Wird man das während der ersten Sekunden des Films Winkler 1994: 300f.).13 Trotz der Bildhaftigkeit der Schriftzüge bleiben die noch für einen Titelvorspann halten, merkt man schon grundlegenden Unterschiede von Schrift und Bild jedoch bestehen. Die di- bald, dass Wieland hier wörtlich genommen hat, was gitalen Möglichkeiten begünstigen zwar eine komplexere typografische Aus- vereinzelt immer wieder gefordert wird: der Titel gehört arbeitung, diese kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst bei zum Film. In Sailboat wird ein Wort mit einer Hartnä- unleserlicher, aber räumlicher Integration wie im Beispiel von Stranger Than ckigkeit auf das darunter liegende Bild bezogen, die zur Fiction die Referenz der Schrift immer auch Schrift ist. Die Wahrnehmung der Lösungssuche zwingt. Anders als bei Greenaway wird ornamentalen Möglichkeiten von Typografie hängt unter anderem von den hier nicht ein Off-Text in der Schrift gedoppelt, son- ihr zugedachten Aufgaben ab. Steht das Lesen zur Informationsvermittlung dern das Bild. Und wie bei den beiden vorhergehenden im Vordergrund, werden die bildlichen Funktionen weniger stark wahrgenom- Beispielen wird der Zuschauer eingefangen im Kreis der men als im umgekehrten Fall. Letztendlich kann über die Aufgabe der Les- Beziehungen von Schrift und Bild. Aufgrund der feh- barkeit die Schrift nicht vollständig zum Bild werden. Solange auf die Schrift lenden inhaltlichen Ebene allerdings bleibt das ein auf referenziert wird, ist die Wahrnehmung eine andere. Selbst ornamental ge- den Leseprozess selbst bezogener Entzifferungsakt. Bereits in dem zuvor staltete Logos, die kaum mehr die Buchstaben erkennen lassen, funktionie- fertig gestellten Film 1933 (CAN 1967) hat Wieland dieses Konzept auspro- ren als Schriftzug, weil man um Namen des Produkts oder der Musikband biert, allerdings mit einem anderen Ergebnis. Aus dem Fenster des ersten weiß, ihn folglich in dem Bild sucht. Ein Teil der modernen Typografie und Stocks eines Hauses blickt man auf das Geschehen der davor liegenden Logogestaltung funktioniert genau in diesem Spannungsbereich zwischen Straße. Menschen laufen vorbei und überqueren diese, gefilmt wurde in Lesen und Betrachten. Selbst wenn die ornamentalen Qualitäten stark über- unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die einzelnen Aufnahmen werden wiegen, sind diese in ihrer Komposition doch Teil der Schriftgestaltung und immer wieder durch Blank- und Schwarzfilm unterbrochen. Viermal wird nicht ein nach anderen Kriterien gestaltetes Bild. der Titel des Films über das Bild gesetzt und eröffnet dadurch verschie- dene Interpretationsansätze: handelt es sich bei den vier Ziffern um eine Sailboat Jahreszahl oder um eine Adresse oder sind sie gar ganz beliebig gesetzt? Auch die folgenden Beispiele beziehen ihren Reiz aus dem Zusammen- Und wenn es eine Jahreszahl ist, referiert sie auf die Machtergreifung spiel der Medien Schrift und Bild im Film. Selbst wenn die Differenzqua- Hitlers? (Das Geburtsjahr der Regisseurin ist es jedenfalls nicht, das war lität dabei variiert, geht es doch nicht darum, diese aufzuheben. In dem zwei Jahre zuvor.) Durch das wiederholte Erscheinen und Verschwinden dreiminütigen Film Sailboat (Joyce Wieland, CAN 1968) wird – der Name hat man auch die Möglichkeit, das Bild mit und ohne diesen (warnen- ist Programm – ein Segelboot gezeigt, wie es vom Strand aus gesehen den?) Hinweis zu vergleichen, um zu überprüfen, ob er den Blick Wie- in verschiedenen Aufnahmen (Jump cuts) und Filmgeschwindigkeiten lands und ihre Interpretation teilen kann. Die Schrift wird hier zu einer immer wieder vom linken zum rechten Bildrand fährt – in Leserichtung vom Filmbild verschiedenen Bildlichkeit, der Blick versucht nicht, die Dif- sozusagen. Dabei wird das Boot zunehmend kleiner und auch die Linie ferenzen zu überbrücken, sondern die Beziehung zwischen dem Titel und zwischen Horizont und Meer aufgrund von Diesigkeit schlechter sichtbar. dem Bild, die die Autorin vorgibt, nachzuvollziehen. 250 – 251 tück, die rhythmisch hervorgepressten Laute werden von  Bei MacDonald kann man, sollte  verschiedenen Schlaggeräuschen begleitet. Parallel dazu man Roses Print nicht zur Hand haben,  lösen sich auch die Wörter auf. Die Buchstaben tanzen aus diesen Text nachlesen: »I sense a lu- der Reihe, ergeben keine Wörter mehr, werden zu einer Art minous transparency, a limitless linear  Notation der Musik, zu Bildern, bis sich schließlich alles aperture of indecipherable articulate  umkehrt: durch Maskierung entstehen Wörter in Versalien, intelligence – I sense arising, a silent  die mit dem Buchstabensalat der vorhergehenden Bilder perpendicular emissary unfolding from  gefüllt sind: I FEAR, I DISSOLVE, MY VOICE. Dann eine Ex- the invisible. It is becoming vast, pro- Secondary Currents plosion im Off, und in weißen Versalien erscheint das Wort: votic, spectral. All is clear now !!!!!!!!!! Seit den frühen 80er Jahren beschäftigt sich auch Peter Rose in seinen Fil- Exploding. !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!« (abgedruckt in  men häufig mit unterschiedlichen Arten von Schrift. Im Zentrum steht bei ihm In Secondary Currents werden die sonst transparen- MacDonald 1995b: 158). Dort ist auch  dabei jedoch nicht allein die schriftliche Ausdrucksform, sondern Sprache im ten und rein funktionalen Untertitel zu Schrift, die nicht der gesamte Text des Films aufgeführt. Allgemeinen. So ist Secondary Currents (USA 1982) zwar auch ein typografi- mehr den Inhalt des Gesprochenen übersetzt, sondern scher Film, anders als So is This spielt Rose hier aber mit der Konvention der auch den Ton visualisiert. Das Ausklingen des Explosions- Untertitel. Der Film besteht aus Schwarzfilm – »a film noir by Peter Rose«, so geräusches wird durch flirrende Buchstaben dargestellt. „Vor allem bei 16mm-Filmen finden  der Untertitel –, aus dem Off ist eine nicht verständliche Fantasiesprache zu Der folgende Schluss transferiert die Schrift noch einmal sich häufig handschriftliche Informa- hören, die untertitelt wird. Da die Untertitel synchron zu der Sprache einge- auf eine andere Ebene: das Bild wird weiß, und im Licht tionen auf dem Filmstreifen, die vom  schnitten werden und auch sonst wie gewöhnliche übersetzende Untertitel tanzen blaue Striche, Muster, die man üblicherweise zum Kopierwerk auf das Negativ geschrie- aussehen, liegt es nahe, anzunehmen, dass sie das Gehörte übersetzen, auch nicht mehr projizierten Ende eines Films zählt: mit Filz- ben wurden und somit am Anfang oder  wenn diese Sprache kaum einer bekannten ähnelt. stift beschriebener Blankfilm, der Informationen für den Ende einer jeden Positivkopie ebenfalls  Secondary Currents beginnt mit dem Untertitel: »I don‘t remember Vorführer oder das Kopierwerk enthält. Das Geschriebene enthalten sind. Normalerweise sind das  when the voice began.« Der Sprecher berichtet, dass er eines Tages anfing, braucht nur vom Filmstreifen, nicht aber in der Projektion der Name des Auftraggebers oder der  Stimmen zu hören, die er zuerst nicht verstand. Nach und nach konnte er ablesbar zu sein. Doch nachdem das zu sehen war, bleibt Titel des Films. Bei einer ordentlichen  in den unverständlichen Lauten jedoch einzelne Wörter und Sätze erkennen. ein Ausrufezeichen stehen, was ungewöhnlich ist, da es Vorführung werden diese Informatio- Des Weiteren erzählt er eine Geschichte, in der er auch die Stimmen eines nach diesen für die Zuschauer unleserlichen Informatio- nen nicht projiziert, da der Vorführer  Mannes und einer älteren Frau nachahmt. Dabei werden die Untertitel immer nen nun extra mehrere Bilder lang auf den Filmstreifen vorher die Bildklappe schließt. Diese  länger, verlaufen über mehrere Zeilen und wandern schließlich in die Mitte des geschrieben werden musste, damit man es in der Projek- Informationen sind in der Projektion  schwarzen Bildes. Dann entfernt sich der Sprecher, seine Stimme wird leiser, tion auch rezipieren kann. z auch nicht lesbar, weil die Wörter zum  bis sie nicht mehr zu hören ist, aber die Untertitel – weiterhin mittig – hören Dieses Ausrufezeichen holt in den Film, was als einen über die Länge des Filmstreifens  nicht auf, für ihn zu sprechen. Die neue Stille mache ihn frei, sagen sie. Doch unsichtbarer Paratext beschrieben werden könnte. Zwar ge schrieben und in der Projektion somit  diese Freiheit hält nicht lange an, und die weiterhin unverständliche Sprache kann es beim Experimentalfilm unklar sein, wann genau seitlich gekippt zu sehen sind, zum an- ist wieder zu hören. Diese wird abgehackter, und auch die Untertitel werden der zu projizierende Teil des Filmmaterials beginnt und dern aber auch, weil auf einen Kader ein  fragmenthafter, zeigen an, dass das Gesprochene unübersetzbar wird. Es ge- aufhört, wenn wie bei Bruce Conners A Movie (USA 1958) oder mehrere Buchstaben entfallen. rät dann alles außer Rand und Band: die Tonspur wird zu einem Percussions- immer wieder der Countdown eingeblendet wird. Bei ei- 252 – 253 nem visuell homogeneren Film wie Secondary Currents ist es nicht unbe- Ähnlich verhält es sich mit den Untertiteln: wie das Gekritzel auf den schein- dingt ersichtlich, dass der beschriebene Blankfilm ebenfalls zum für das Pu- bar projizierten Allongen werden sie zunächst als Konvention wahrgenom- blikum sichtbaren Teil des Films gehört. Erst das Ausrufezeichen macht die men, als Hilfsmittel, als Paratext, von außerhalb auf den Film getragen, um bewusste Gestaltung für die öffentliche Projektion deutlich, in seiner Wie- die gesprochene Sprache zu übersetzen. Nach und nach verselbständigen sie derholung schreibt es sich in die Projektion ein. Es verdeutlicht zudem, dass sich, um zu visualisieren, was die Sprache gemeinhin mit Stimme transpor- die zuvor nicht lesbaren, weil zu kurz zu sehenden Buchstaben ebenfalls tiert, mit Betonungen, Färbungen, laut und leise. Hier wird nicht die Schrift zur Projektion gedacht waren, obwohl ersichtlich ist, dass man sie nur mit zum Bild, sondern die Konvention der Schrift, der Untertitel an sich rückt als dem Material in der Hand wird lesen können.ƒ Damit schafft Rose ein Sta- gestalterische Möglichkeit in das Blickfeld, und man stellt sich hier die Fra- dium von Schrift zwischen Lesen und Bild, das zudem auf die spezifischen ge nach der Hilfsfunktion der Untertitel, inwiefern diese zum Inneren oder medialen Eigenheiten eingeht. Das Bildliche der auf den Film geschriebe- Äußeren des Films gehören. Rose deckt die Transparenz der Übersetzung nen Schrift ist nur in der Projektion zu erreichen, es vermittelt dabei eine (siehe 96ff.), die auch in der Praxis der Untertitelung steckt, auf und erfüllt Idee von Schrift, weil man sie erkennen, aber unmöglich lesen kann. Da Nornes Forderung nach einem abusive subtitling. Und indem er eine Fan- die Schrift handschriftlich aufgetragen wurde, ergibt ihr Bild ein unkont- tasiesprache benutzt, geht er noch weiter. Nornes und Sinha ist an einem rollierbares Flickern, was in der Erscheinung nichts mehr mit Schrift zu tun spürbaren Übersetzungsprozess gelegen, der verdeutlicht, „ Ein Jahr später hat Rose mit The Pressures hat. Die Filmschrift wird erst lesbar mit dem Film selbst in der Hand, also dass es sich dabei um eine Hilfskonstruktion handelt, die of the Text einen ähnlichen Film gedreht.  einer eigentlich unfilmischen Handhabung des Materials. Im Licht tanzen sich dem Original annähert, ohne es deckungsgleich wie- Hier wird ein pseudowissenschaftlicher  die Buchstaben einen Tanz, der untypografischer nicht sein könnte, da die dergeben zu können und ihr enges Korsett der Konvention Vortrag immer unverständlicher, bis der  Schrift für diesen Ort nicht unter typografischen oder kalligrafischen Ge- aufsprengt zugunsten einer genaueren Übersetzung. Rose Vortragende ebenfalls in einer Fantasiespra- sichtspunkten gestaltet wurde. Und das Ausrufezeichen verneint den Zufall. hingegen konzipiert seinen Film auf die Konvention der che referiert. Übersetzt wird er von einer  Untertitel hin. Da es nichts zu übersetzen gibt, sind die Gebärdendolmetscherin, die die Aufregung  Untertitel nicht mehr untergeordnet – entsprechend wan- des Referenten in immer hektischeren  dern sie auch in die Bildmitte. Mit dieser Verschiebung, Bewegungen ausdrückt und von einem  vom unteren Bildrand zur Bildmitte, vom Paratext zum Übersetzer aus dem Off, der nach einiger  Text, thematisiert er eine prinzipielle Skepsis gegenüber Zeit darüber zu reflektieren beginnt, inwie- scheinbar transparenten Filmteilen. ƒ Und in der Unver- fern diese Rede überhaupt übersetzbar sei.  ständlichkeit der Untertitel selbst spricht er zugleich von Nachdem der Referent verschwunden ist,  ihrem Manko: nur Text, aber nicht Timbre wiedergeben zu erzählt der Übersetzer weiter, und spielt ein  können. Die Titel werden nach und nach unlesbar, zuerst Ton dokument ein, das durch Pseudohiero- sind Wörter falsch geschrieben, dann tanzen die Buchsta- glyphen weiß auf schwarz »übersetzt« wird,  ben aus der Reihe, bis auch diese am Schluss nicht mehr bis diese ausfransen und auch der Ton un- eindeutig zu erkennen sind. Auch hier stellt sich das Ab- verständlich wird. Der Film endet mit Witt- tasten des Blicks ein, ist man versucht, die Titel zu entzif- gensteins Zitat: »Wovon man nicht sprechen  fern, bis man sich entschließen kann, sie als Bild zu lesen, kann, darüber muss man schweigen.« das zu einer rhythmischen Visualisierung der Tonspur wird. 254 – 255 x »Bei einer Vorführung 1965 bestand  Secondary Currents überführt den Schriftfilm von jenen Beispielen, in de- beendet, indem man den Faden durchschnitt. In Österreich die ›einfache Aktion‹ darin, dass er in  nen Schrift textinhaltlich eingesetzt wird zu den ornamentaleren. Diese Ein- hatte Peter Weibel mit Aktionen und Texten als Theoretiker dem weißen Licht seinen nackten Hin- teilung soll auch nicht ausschließend verstanden werden, vielmehr b etont des Expanded Cinema auf sich aufmerksam gemacht und tern zeigte« (Scheugl 2002: 110).  sie die beiden Möglichkeiten von Schrift im Film. Das Lesen an der Lein- dazu poststrukturalistische Sprachmodelle herangezogen: wand bleibt dabei nicht Selbstzweck im Sinne einer Opposition zum Spiel- Die Tendenz, die ich immer gehabt habe, war, alles in Sprache zu verwan- film, sondern ist selbst oft Thema der Filme. Die dem Experimentalfilm in- deln, wodurch man zeigen kann, dass das Reale eine reine Zeichenkette ist, newohnende Selbstreflexion findet auch auf dieser Ebene ihren Widerhall. die nicht das Gewicht hat, die das Reale zu haben scheint. Ich habe dem Staat vorgeworfen, dass irgendwelche Lautfolgen, die nur Zeichen sind, einen Bürger drei Monate ins Gefängnis zwingen. Das nennt man heute performative Sprachtheorie, Sprechen als Handeln. Der Staat verwendet 3.1.3 Zwischen Wirklichkeit und Sprache als Wirklichkeit. Die Kunst ist dagegen nur ein Sprachspiel wie bei Zeichen: Expanded Cinema Wittgenstein und hat keine normative Gültigkeit. Die Technik setzt die Arbeit der Sprache fort. Der Staat versucht die Technik einzusetzen, um die Wirklichkeit zu zementieren und zu standardi- Zu besonders selbstreflexiven Formen hat auch das Expanded Cinema ge- sieren. Ich würde die Technik einsetzen, um die Wirklichkeit zu demateriali- funden, und häufig wurden hier ebenfalls Wörter und Ziffern eingesetzt. Das sieren, um sie wieder in einen semiotischen Zustand zurückzuführen, denn in Expanded Cinema entwickelte sich im Laufe der 60er Jahre und hat, wie der diesem Zeichenkettenspiel hat das Individuum mehr Möglichkeiten, Freiheit strukturelle Film auch, neben der zu erweiternden Wahrnehmung 14 die In- zu realisieren. Das war die Technik des Expanded Cinema« (Interview mit  fragestellung des kinematografischen Apparates zum Thema. Während der Weibel in: Scheugl 2002: 185). strukturelle Film allein in der Projektion argumentierte (teilweise unter Zu- hilfenahme des Ausstellens von Kaderplänen und an die Wand genagelten In Nivea (Peter Weibel, I/AU 1966/7), stellte sich Weibel Filmstreifen), versuchte das Expanded Cinema im Thematisieren dispositiver mit einem aufgeblasenen Badeball, der die Aufschrift Ni- Strukturen diese zu überwinden und zu neuen Formen zu gelangen. Neben In- vea trägt, in das weiße Projektorenlicht, während auf der stallationen waren das auch Performances und Happenings, die Projektionen Tonspur das Geräusch einer filmenden Kamera zu hören mit einbanden. Lenkte der strukturelle Film den Blick weg vom abgefilmten ist. Ziel war es, die Wirklichkeit mit Sprache in Deckung Bild hin auf das Material selbst, ging das Expanded Cinema noch eine Ebene zu bringen (cf Weibel 1969). „ Das Licht des Projektors weiter und stellte den Apparat selbst aus. In einigen Happenings wurde ge- wird zur Beleuchtung der aufgenommenen Szene, die zielt das Zeichenhafte des projizierten Bildes thematisiert, indem man es der Tonspur des Films zum Zeichen für den Aufnahmepro- Realität im Kinoraum gegenüberstellte. Bereits 1964 hatte Nam June Paik mit zess. Der Autor verweist auf sich und seine Enunziation, Zen for Film sich selbst in einen lebendigen Film verwandelt, indem er in der indem er selbst den Ball ins Licht hält. Und auch im Ball Projektion von Blankfilm eine beliebige Aktion vorführte, { um zu demonstrie- fallen die Zeichen ineinander. Die Schrift als der Platz des ren, dass er in diesem Moment ein lebender Film sei (cf Scheugl 2002: 110). Symbolischen verdichtet sich im Logo der Marke Nivea In zzz: hamburg special (Hans Scheugl, I/AU 1966) wurde ein Bindfaden statt zum Bild. Der Ball steht für die Werbung, ins Licht des eines Films in den Projektor eingespannt und projiziert, die Vorführung wurde Projektors gehalten, gibt er seinen funktionalen Charak- 256 – 257 ter auf und wird zum reinen Zeichen, wobei Weibel ihn der Film besonders dazu neige, seinen Signifikanten zu verstecken. Dies ƒ In dem Konzeptblatt zu Nivea  jedoch nicht als Werbung für die Baiersdorf-Marke ins geschieht auf mehreren Ebenen: einerseits im Realismus des Films, aber schreibt Weibel 1966/7: »wenn der ort  Licht hält, sondern als Zeichen für den Werbefilm. Weibel auch bezüglich seiner Transparenz sowohl im Signifikanten selbst, der seine des films nicht leinwand und der ki- wird im Sinne Paiks zu einem lebendigen Werbefilm. Gemachtheit gekonnt verbirgt und in Form von Kontinuitätsmontage eine nosaal ist, dann können körper wieder  Andere Aktionen richteten sich expliziter auf den geschlossene Welt präsentiert, wie auch in der Generierung der Zeichen, in- auf körper, wiesen auf wiesen, häuser  Kinoraum. Der Filmanfang von Take Measure (William Ra- dem der Kinosaal abgedunkelt und der Projektor im Rücken des Publikums wieder auf häuser projiziert werden.  ban, UK 1973) wird in den Projektor gelegt, die Rolle, auf versteckt ist. Die poststrukturalistische Debatte lehnte sich an Althussers das objekt-abbild problem wird hier  der sich der Film befindet dann aber abgerollt, bis man Ideologiebegriff an, der die Subjektkonstitution nicht nur als eine unper- objektiviert. nicht ein subjekt ist die  sich mit ihr an der Leinwand befindet. Der Film wird an- sönliche, sondern auch imaginäre ausmacht, die vor allem durch Rituale und leinwand, sondern ein objekt. decken  schließend abgeschnitten und projiziert, das Filmende feste Dispositive funktioniere, so dass die Unterwerfung ohne Gewalt und sich abbild und objekt wie es intendiert  wird dabei vom Projektor eingezogen, es schleift durch daher vermeintlich freiwillig passiere (cf Althusser 2006 [1971]: 82). Comol- ist, werden aufnahme und zelluloid  den Kinosaal, die Treppe hinauf bis in die Vorführkabi- li und Baudry, die die Apparatusdebatte zu Beginn maßgeblich anregten, überflüssig. das (verbale) zeichen ›ap- ne. Dabei sieht man in der Projektion das Zählwerk eines zeigten auf, dass das Kino seine Glaubwürdigkeit durch die Transparenz und fel‹ kann nicht annährend zur deckung  Schneidetisches, das bei Null beginnend die Filmlänge in die Entmaterialisierung herstelle, wozu zum einen die Abwesenheit des Zei- mit dem objekt apfel kommen, im ge- Fuß misst. Somit wird vor den Augen des Publikums die chengenerierungsprozesses zähle, aber auch die Immaterialität des Films in gensatz zu dem visuellen zeichen. hier  Länge des Films in seiner räumlichen Dimension erfahr- der Projektion. Im Gegensatz zu Bazin war Baudry der Meinung, dass der können häuser gleichzeitig als ›häuser‹,  bar und der Weg von der Leinwand zum Projektor abge- Eindruck von Realität 15 weniger von Bildaufbau und Bewegung abhänge ein mensch gleichzeitig als ›mensch‹,  messen. Man sieht nicht bloß zu jedem Zeitpunkt, wie viel als vielmehr mit einem dem Traum ähnlichen Zustand, in dem man Dinge nivea als ›Nivea‹ vorgeführt werden.  Fuß des Filmstreifens bereits projiziert wurden, sondern sähe, die man sich wünschte (Baudry 1986 [1975]: 309ff). Wie in Platos für die kontext-funktion und -abhän- es wird auch der Abstand von Leinwand zum Projektor Höhlengleichnis glauben die Zuschauer nicht aufgrund von Ähnlichkeiten, gigkeit des bildes dient hier gleichsam  vorhergehender Abspielstätten sichtbar. Auf den ersten eine wirkliche Welt zu sehen, der Realitätseindruck hat zu tun »with the lack die leinwand als modell. das zeichen  Metern des Films sind noch relativ wenig Kratzer, erst of differentiation between the subject and his environment, a dream scene wird genauso wie die bewegung als il- nach einiger Zeit beginnt das Bild immer wieder kurz zu model which we find in the baby/breast-screen relationship« (ebd: 313). lusion enthüllt. indem solcherart die  springen: da der Film in jedem Kino bei jeder Aufführung Trotz der zeitlichen Parallele und der teilweisen inhaltlichen Überein- technische reproduzierbarkeit durch  durchgeschnitten und anschließend wieder zusammen- stimmung mit Texten wie denen Peter Weibels war die Apparatusdebatte unmittelbarkeit ersetzt wird, wird  geklebt wurde, sind die Spuren jeder Aufführung – und dennoch nicht theoretische Grundlage des Expanded Cinema. 16 Die Appa- der staatlich-industriell reproduzierte  damit auch die Abmessungen der Spielorte – in den Film ratus-Theoretiker bezogen ihre Thesen auf den Spielfilm, der Experimental- wirklichkeits-begriff in frage gestellt.«  eingeschrieben. film hingegen verstand sich als eigenständige Kunstform, die sich nicht nur in (Aus der Ausstellung »X-Screen, Filmi- Das Expanded Cinema thematisierte nicht nur das Form eines Gegenmodells am herkömmlichen Film abarbeiten wollte. Die hier sche Installationen und Aktionen der  Filmmaterial, sondern auch Kinoraum, Technik und öko- aufgeführten Schriftfilme thematisieren das Kino nicht von seinem Apparat Sechziger- und Siebzigerjahre«, Wien,  nomische Struktur des Apparates Kino, Aspekte, die An- her, sondern verdeutlichen den Übersetzungsprozess und dessen inhärente 13.12.03 - 29.02.2004). fang der 70er Jahre auch die in den Cahiers du Cinéma Ideologie, nicht, indem man auf die Technik verweist, sondern auf die Bilder entstehende Apparatus-Theorie untersuchte. Dabei wur- verzichtet. Besonders Framptons Film spielt damit, indem er nicht nur verfilmt, de in den Vordergrund der Betrachtung gerückt, dass also zum Bild verhilft, was sonst »unterdrückt« wird, sondern in Beschreibung 258 – 259 des Bildes Ungenauigkeiten benutzt wie »six or seven zebras«. Auch So is This zug auf die Realität im Film gibt es jedoch keine Unterscheidung mehr. Das ist thematisiert das Bild nicht allein durch seine Abwesenheit, sondern auch, in- die Basis für beide Arten von Schriftfilmen, die die eher textinhaltlich arbei- dem er filmische Verfahren textuellen vergleicht und – nicht ohne Ironie – ten und jene, deren Schrifteinsatz überwiegend ornamental ist. Diese beiden beanstandet, dass nur das Zeigen von Geschlechtsteilen, nicht aber deren Kategorien unterscheiden sich in ihrem Verhältnis zur Schrift, so ist diese in schriftliche Benennung zensiert werde. Auch über diesen Umweg findet sich den Filmen, in denen sie gelesen werden soll, natürlich weniger abstrahiert die Kritik an einer Position, die den Film als Fenster zur Welt definiert. Snow als in den anderen. Aus den hier vorgestellten Beispielen kann jedoch keine stellt fest, dass das Bild anders be- und verurteilt wird als das geschriebene allgemein gültige Regel aufgestellt werden, sie demonstrieren aber Aspekte Wort. Indem er die Schrift an die Stelle des Bildes im Film setzt, drückt er auch des Schrifteinsatzes, die in den bisher untersuchten Spielfilmen so nicht auf- aus, dass es im Bezug auf die Realität keinen Unterschied mache, ob man eine getaucht sind. Die Schrift geht dort in stärkerem Maße eine Beziehung mit Abbildung oder eine Beschreibung nehme. Beide haben – und hier trifft sich dem Bild ein, die Konflikt, Konkurrenz oder einen Austausch zum Ziel haben Snow ebenfalls mit den Theoretikern der Apparatusdebatte – mit der Wirk- kann, die hier vorgestellte Gleichwertigkeit ist in den meisten Fällen jedoch lichkeit, auf die sie verweisen, nur etwas durch Konventionalisierung zu tun. eine konzeptuelle und steht von daher dem Spielfilm zunächst nicht zur Ver- Durch das Dispositiv wird man im Kino darauf konditioniert – so Baudry –, das fügung. Am ehesten finden sich Parallelen von Schrift- und Spielfilmen noch Bild als wahr annehmen zu wollen. Für Baudry kann das Unterdrückte in Form im Vorspann, bei dem die Schrift in einigen Beispielen ja ebenfalls auf das gezeigter Technik wieder ins Bild zurückkehren und Wollen erkennt im Mi- Zeichenhafte reduziert wird. Beim Expanded Cinema kommt nun eine weitere schen der Codes eine Form des Gegenkinos. Die Schriftfilme verhandeln das Ebene zum Tragen, die das Dispositiv selbst noch mit in den Darstellungs- Problem der Transparenz hingegen auf der Ebene des Textes. Snow schreibt prozess einbezieht – und so die Schrift im Film mit Schrift neben dem Film es aus, Frampton beschreibt unmögliche Bilder, Greenaway und Rose testen kombinieren kann. die Differenzqualitäten von Bild und Schrift. Dabei wird die Schrift als eigen- ständiges filmisches Ausdrucksmaterial in den Film importiert, ohne Hilfsmit- Le film est déjà commencé? tel zu sein. Für die Filme bedeutet das, dass die Schrift als Schrift bewusst Vorläufer dessen, was später als Expanded Cinema zusammen gefasst wurde, rezipierbar bleiben soll. Selbst bei den Beispielen von Greenaway und Rose sind u. a. die Filme und Aktionen der Lettristen. Viele ihrer Filme bestanden bekommt die Schrift ihren ornamentalen Mehrwert erst nach und nach – dann aus Found-Footage-Material, von der Gruppe als »film détourné« bezeichnet. jedoch wird sie nicht mehr lesbar. Die Schrift wird hier nicht allein auf ein Der Begriff des »Détournement« (Unterschlagung) wurde auch auf Aktivi- Brecht‘sches Element der Entfremdung reduziert (siehe hierzu Kapitel 3.2), täten außerhalb des Kinos angewandt, (und sollte später bei den Situatio- sondern ist integraler Bestandteil. Da sie eine eigenständige Ebene darstellt, nisten 17 noch von größerer Bedeutung werden). Er bezeichnet das Unter- verweist sie vergleichsweise weniger auf den Herstellungsprozess und funk- wandern gesellschaftlicher Strukturen, wobei bisher bestehende Strukturen tioniert wie bei Snow mitunter ähnlich transparent wie das inszenierte Bild. für den Zweck der Lettristen genutzt werden sollten. (Bei den Situationisten Die Kritik am Medium schreibt sich an anderer Stelle ein und auch nur über bezog sich das »Détournement« oft auf städtebildnerische Eingriffe, indem einen Umweg. Die Schrift ist dort platziert, wo sich sonst die Bilder befinden, man zum Beispiel durch Graffiti Gebäude in Besitz nahm.) die Leinwand ist für die Bilder reserviert, es gibt keinen festen Platz für die Die Gründung des Lettrismus geht auf das Jahr 1946 zurück. Ihr Initia- Schrift wie in einem Layout, man schreibt immer über die Bilder, selbst wenn tor Isidore Isou (Pseudonym des zwischen 1925 und 1928 in Bukarest gebore- die Leinwand schwarz ist. Schriftfilme verdeutlichen, dass die Gleichwertigkeit nen Jean Isidore Goldstein) war 1945 nach Paris gekommen. Isou ging es in von Schrift und Bild keine ist, die sich primär über das Visuelle regelt, im Be- erster Linie um eine Umwälzung der Literatur. Mit Lautgedichten, bei denen 260 – 261 das Vortragen und Betonen durch Schreien, Schlagen, Flüstern, Sprechen Lemaîtres Le film est déjà commencé?, dass er zu seinem und Murmeln sehr wichtig war, plädierte er für eine »Dichtung, die keiner gleichnamigen Film veröffentlichte, schreibt Isou über die Erklärung durch Spezialisten der Interpretation bedürfte, weil sie eine tiefe- »Ciselure«: »L‘auteur a suffisamment démontré dans les re und universellere Ebene der Verständigung aufsuchte, eine Dichtung für pages diverses de son œuvre et dans son propre film que die Masse, zu der die Gesetze der herrschenden Kultur den Zugang nicht l‘introduction du ciselant dans le cinéma signifie le com- regeln können« (Ohrt 1997: 19). Als erste große Erneuerung verstand Isou mencement de la phase de destruction de la limite esthé- die Verlagerung der Dichtung in den Vortrag vor der Menge. Seine Gedich- tique immédiate« (Isou 1952: 16, Herv. i. O.). Und: »Le film te unterschieden sich von dadaistischen Lautmalereien insofern, als dass er ciselant est un cinéma dégoûté de sa propre perfection que in die häufig sinnfrei aneinandergereihten Wortschöpfungen immer wie- se détruit lorsqu‘il ne peut plus s‘enrichir« (ebd: 28).18 Im der klar verständliche Reizworte einstreute. So kommen in dem Gedicht Bezug auf seinen eigenen Film Traité du Bave et d‘Eternité »La Guerre« z. B. die Worte »Hitler Kapout« vor, deren Vortragsweise den (F 1951) besteht die Ciselure hauptsächlich aus dem Text, Marsch von Soldaten suggerieren sollte. Verschiedene andere Worte fol- den Isou über die Bilder spricht. Dieser hat wenig bis gar gen, beispielsweise wird aus »himler« erst »guimlère« (Wort ohne Sinn) und nichts mit den Bildern zu tun und zieht die Aufmerksamkeit dann »mèringue«. Die vierte Strophe besteht aus der Anweisung: »Schrei deutlich auf sich, da der Sinn der Bilder sich nicht so klar ergibt, wie der Inhalt für 5.000.000 niedergemetzelte Juden.« Der Name »Lettrismus« erklärt sich des gesprochenen Textes. Isou macht damit das Gegenteil von dem, was sonst daraus, dass der einzelne Buchstabe als Teil der dichterischen Handlung ge- im Kino üblich ist, er stellt den Ton über das Bild. Damit steht Isou im Zusam- nutzt werden und nicht im Ganzen eines sinnvollen Wortes aufgehen sollte. menhang mit den etwa zeitgleich entstehenden Texten Astrucs und Bazins, Im Gründungsmanifest heißt es, dass man nicht mehr wie bisher Dichtung die forderten, nicht mehr dem Bild allein die Last der Kommunikation aufzu- betreiben könne, die Wörter seien verbraucht und man müsse mit dem ein- bürden (siehe 151ff.). zelnen Buchstaben Gefühle gegen die Sprache erzeugen, um wieder Gefal- Einer der interessantesten lettristischen Filme ist sicherlich Le film est len an ihr zu finden (cf Isou 2006 [1942]). déjà commencé? von Maurice Lemaître (F 1952). Lemaître stieß 1950 zu den Isou sieht die Kunst nach einer langen Phase der Bereicherung ihrer Lettristen und wurde einer ihrer produktivsten Vertreter. Viele seiner frühen Ausdrucksmöglichkeiten nun an einem Wendepunkt, der geprägt ist von Er- Filme und Performances zielten darauf, Filmvorführungen „ Isou in der Beschreibung des Anliegens  schöpfung und Dekadenz, von dem an sie »unumkehrbar in eine Phase der mit Aktionen zu stören (cf Lemaître 1952: 42ff.). ƒ Le film des lettristischen Kinos: »Le cinéma cesse- Zerstörung und Reduzierung der Ausdrucksmittel« gelange, der »phase cise- est déjà commencé? ist eine Inszenierung dieser Störun- ra d‘être un endroit où on ronfle assis. Des  lante” (Ohrt 1997: 19). »Ciselé« ist einer der Hauptbegriffe, die den Lettrismus gen, sowie eine Reflektion über Film, Rezeption und Dis- courants d‘air viendront de l‘écran et dé- kennzeichnen, es wird damit bezeichnet, dass man etwas beschriftet, verfei- positiv, das einige der Anliegen und Gedanken des Expan- bordent vers les rangs le film sera vu do- nert, aber auch wieder zerteilt, eine Handlung, die die Bearbeitung von be- ded Cinema bereits vorformuliert. Der Film hatte am 07. rénavant debout! Que les cris transforment  reits vorgefundenem Material meint. Das Stilmittel der Ciselure, das häufig Dezember 1951 seine Premiere im Ciné-club des Quartier cet asile en un air bombardé. Le cinéma  synonym für die gesamte Praxis der lettristischen Filmproduktion verwendet Latin und provozierte einen Skandal und die Auflösung redeviendra alors jeune« (Isou 1952: 27f.). wird, ist vor allem auch das Schreiben, Malen und Kratzen auf dem Material, der Veranstaltung durch die Polizei. 1952 erschien das wodurch die Bilder eine neue Bewegungsdynamik erhalten und zum Unikat Drehbuch, das gleichwertig neben dem Film steht und für die Rezeption des werden. Man versucht dabei nicht, auf dem Trägermaterial ein vorgefunde- Films unerlässlich ist. »Zum ersten Mal in der Geschichte des Kinos ist ein Film nes Bild zu reproduzieren, sondern erschafft es neu. Im Vorwort zu Maurice ebenso interessant zum Anschauen wie zum Lesen«, schreibt Lemaître in den 262 – 263 einleitenden Kapiteln (ebd: 55, Übers. FK). Die Aufführung des Films sollte taillierte Beschreibungen der unterschiedlichen ciselure-Techniken, wie man durch verschiedene, im Szenario genau beschriebene Interventionen ergänzt eine feststehende Einstellung zu bemalen habe und wie man diese oder und gestört werden. Diese Aktionen werden im Film auf der Tonspur ein wei- jene Bewegung herausarbeite. Den Anleitungen sind Fotografien der be- teres Mal beschrieben, wodurch eine Dopplung entsteht. So musste das Publi- malten Filmstreifen beigefügt. kum eine Stunde darauf warten, in den Saal eingelassen zu werden und wurde Die Bearbeitungen repräsentieren keine Betonung der Materialität, während der Wartezeit belästigt und beleidigt. Auch während der Filmvor- sondern sind als ästhetisches Erlebnis zu rezipieren. In der Montage entfalten stellung fanden einige inszenierte Aktionen statt, eine Putzfrau läuft im Saal die Bemalungen eine Dynamik, die weniger von der genau auf das Motiv ab- umher, Platzanweiserinnen leuchten mit Taschenlampen ins Publikum, und gestimmten Bearbeitung abhängt, sondern generell vom Tempo der Anima- am Ende wird die Leinwand eingerissen. Inszenierung sowie der Aufbau von tion sowie der ebenfalls stark rhythmisierenden lettristischen Lautgedichte Werbematerialien vor und im Kino selbst wurden in Form eines Drehbuches getragen wird. Durch die Länge von einer halben Stunde kann die Sequenz detailliert von Lemaître notiert. Während des einstündigen Films werden auf zudem einen gehörigen Sog entfalten. Die Ziselierungen können durchaus der Tonspur immer wieder die Aktionen sowie der Aufbau beschrieben, also als Schrift aufgefasst werden. Anders als Kratzer, die den materiellen Aspekt das, was das Publikum vor Beginn des eigentlichen Films bereits erlebt bezie- auch durch die Abnutzung thematisieren, aber meist weit weniger kontrol- hungsweise gesehen hat. Auch die Aktionen im Kinosaal finden sich teilweise liert aufgetragen sind, liegt hinter den verschiedenen Zeichen ein System, als Beschreibungen auf der Tonspur, mitunter wird der Dialog der Schauspie- das allerdings, auch wenn es im Drehbuch fixiert wurde, nicht auf eine Art ler, die im Kinosaal agieren, auf der Tonspur gesprochen. Diese enthält außer- hieroglyphisches Alphabet verweist. Kratzer und einfache Übermalungen re- dem noch einige lettristische Lautgedichte sowie eine immer wiederkehrende präsentieren u. a. eine Verneinung des Bildes, die lettristischen Übermalun- Lobpreisung seines Autors Lemaître und auch schon die (fiktiven) Filmkriti- gen können im Sinne von Beschriftungen oder Überschreibungen auch eine ken des folgenden Tages. Das Spiel, das durch Projektion und Inszenierung Aneignungsstrategie. Die Bilder werden signiert und einem neuen ästheti- entsteht, wird in der Frage seines Titels gebündelt: Hat der schen System zugeführt, zu dem auch das Kino gehört, das durch die genau Film schon angefangen? Die Inszenierung des Paratextes beschriebenen Aktionen in Besitz genommen wurde. Le film est déja com- wie Plakat und Aushangfotos (zu beidem finden sich ge- mence? erweitert den Wirkungsrahmen der Schrift, in dem das »Drehbuch« naue Hinweise im Drehbuch, so dass sie auf der Tonspur nicht nur wichtig ist für die Produktion des Films, sondern auch für sein Auf- dann auch genau beschrieben werden können) sowie des führung (in einem ganz anderen Sinne allerdings, als Häfker 1913 forderte, Dispositives und ihre Eingliederung durch Zitat und weite- siehe S. 41). Allerdings findet die Schrift keine Entsprechung im Filmbild (und re Inszenierungsschritte im Film selbst bringen die Grenzen auch nicht im dazugehörigen Kinosaal), da sie in den Aktionen aufgeht. Im zwischen dem, was üblicherweise nicht zum Film gezählt Gegnsatz zu den wenigen Schriftzügen im Film sind die Ciselures nicht lesbar. wird und der Projektion zum Verschwinden. Der Filmstreifen besteht zu großen Teilen aus Found Marcel Broodthaers Footage sowie den Schriftzügen »Fin«, »Maurice Lemaî- Der belgische Künstler Marcel Broodthaers hingegen hat in zwei Beispielen tre« und »Le film est déjà commencé?«. Der größte zu- eine Verbindung von Schrift im und außerhalb des projizierten Bildes gefun- sammenhängende Teil von 30 Minuten besteht aus zise- den, bei der die Schrift dezidiert als Schrift wahrgenommen (aber nicht un- Ciselure aus Le film est déjà commencé? liertem Found Footage, über das in verschiedenster Art bedingt auch gelesen) werden soll. Eine Installation, die die Schreibunterlage (Maurice Lemaître, F 1952) und Weise gemalt wurde. Im Drehbuch finden sich de- vom Filmmaterial auf Leinwand und Vorführraum ausdehnt, ist Le Corbeau et 264 – 265 le Renard (B, 1967). Sie besteht aus einer Schachtel, in der sich eine Filmspu- dergrund als bei anderen Schriftfilmen, auch wenn man ihn durchaus im Kon- le, eine bedruckte Leinwand sowie einzelne, teilweise mit Schrift bedruckte text des Expanded Cinema einordnen kann (cf Royoux 1997: 302). Broodtha- Bilder befinden. Wie man diese Gegenstände anordnet und gebraucht, bleibt ers selbst bezeichnet Le Corbeau et le Renard als Environement 20 und weist dem Besitzer/ Kurator selbst überlassen, Broodthaers hat dezidiert keine An- darauf hin, dass es sich dabei nicht um einen Film handelt: leitung beigelegt. Wenn man die Gegenstände nun aber   Broodthaers sah sich nicht als Filme- L‘édition de ce texte sur carton bristol de format … a été pensée non ihrer gewöhnlichen Lesart entsprechend benutzt, wird man macher: »[J]e voudrais dire que je ne  comme page destinée à favoriser la lecture mais bien comme image de den Film auf die Leinwand projizieren und die Bilder dane- suis pas cinéaste. Le film pour moi, c‘est  valeur plastique. ben an der Wand befestigen. Dabei wird ein Film als Loop le prolongement du langage. J‘ai com- Est-ce un poème? Est-ce un tableau? (da es eine Installation ist) auf eine mit Worten bedruckte mencé par la poésie, puis la plastique et  Le film Le Corbeau et le Renard est un exercice de lecture. Leinwand projiziert. Im gut siebenminütigen Film wird eine finalement le cinéma qui réunit plusieurs  (Broodthaers 1997: 58).21 mit serifenlosen Versalien bedruckte Wand in und entge- éléments de l‘art. C‘est-à-dire : l‘écriture  gen der Leserichtung abgeschwenkt. Von den Wörtern Broodthaers stellt indirekt die Frage nach dem Kal- (la poésie), l‘objet (la plastique) et l‘image  „ Beide Leinwände sind mit Textfrag- sind meist nur einige wenige lesbar, oft werden sie von ligramm: handelt es sich um ein Gedicht oder ein Bild? (le film). La grande difficulté, c‘est évi- menten des von Broodthaers verwende- verschiedenen Gegenständen und Fotografien (unter an- Die unterschiedlichen Zustände der Lesbarkeit der Schrift dement l‘harmonie entre ces éléments«  ten Textes bedruckt. Die eine ist zwischen  derem auch ein Foto von René Magritte), aber auch hand- spiegeln sich in den verschiedenen Materialien der Instal- (Broodthaers 1997: 59). zwei Rundhölzern gespannt und lässt sich  beschriebenen Schriftstücken verdeckt, die Kadrierung be- lation wieder: dem 16mm-Film, den zwei bedruckten Lein- aufrollen, die andere erinnert durch ihren  schneidet zudem viele der Texte. Die Montage greift dabei wänden, auf die der Film projiziert werden sollte ƒ, sowie schwarzen, handschriftlich beschriebenen  nicht als ordnendes Prinzip ein, sondern arrangiert die Bil- je nach Edition vier bis sechs, teilweise mit Text bedruck- Rahmen an einen Fernseher. der nebeneinander. Die Textfragmente beziehen sich auf ten grafischen Blättern. zwei Texte von Broodthaers, wovon sich der eine wieder- J’ai repris le texte de La Fontaine et je l’ai transformé en ce que j’appelle une um auf die Fabel von La Fontaine bezieht, und der andere écriture personnelle (poésie). Devant la typographie de ce texte, j’ai placé typografische Beschreibungen wiedergibt, wie »LE D EST des objets quotidiens (bottes, téléphone, bouteille de lait) dont la destination PLUS GRAND QUE LE T. TOUS LES D DOIVENT AVOIR LA est d’entrer dans un rapport étroit avec les caractères imprimés. C’est un MÊME LONGUEUR. LE JAMBAGE ET L‘OVALE ONT LA essai pour nier autant que possible le sens du mot comme celui de l’image. MÊME PENTE COMME DANS A. […]« Beide Texte blei- Le tournage terminé, je me suis aperçu que la projection sur l’écran normal, ben aber bruchstückhaft. 19 Zusammen mit der bedruckten c’est-à-dire la simple toile blanche, ne reflétait pas exactement l’image que Leinwand entsteht der Effekt, dass man nicht mehr unter- je voulais composer. L’objet restait trop extérieur au texte. Il fallait pour in- scheiden kann zwischen Schrift im Bild, auf dem Bild und tégrer texte et objet que l’écran soit impressionné par les mêmes caractères unter dem Bild, also auf der Leinwand, das Auge springt typographiques que ceux du film. Mon film est un rebus qu’il faut avoir le zwischen den (mindestens) drei Ebenen der Installation désir de déchiffrer. C’est un exercice de lecture (Broodthaers 1997: 59).22 hin und her, ohne Bild, Schrift und Leinwand wirklich von- Abfotografierte Projektion des Films Le einander unterscheiden zu können. Da Broodthaers sich Doch wo führt die Leseübung hin? Der Film selbst zeigt den Text kaum in Corbeau et le Renard auf einer der be- druckten Leinwände (© Maria Gilissen, selbst nicht als Filmemacher begriff, z steht bei ihm das einer für den Zuschauer befriedigenden Weise, zu kurz sind die Einstellun- 1997, Courtsey La Fondation Broodthaers) Dispositiv und die filmische Konvention weniger im Vor- gen, das Schwenken entgegen der Leserichtung. Es ist möglich, einzelne 266 – 267 Wörter zu entziffern, aber der Inhalt des Textes bleibt verborgen. Broodthaers Leinwand war auch der Grund, warum Broodthaers‘ Installation beim Festival hat dezidiert darauf Wert gelegt, dass der Text bekannt ist (cf Broodthaers für den experimentellen Film in Knokke seinerzeit abgelehnt wurde. Die Lein- 1997: 59), Teil der Installation war auch ein Blatt, das den gesamten Text wand ist im Kino ein neutraler Ort. Jedem Film bietet sie die gleiche Chance, enthielt. Dadurch wird vermieden, dass bei der Installation der Entziffe- sich darauf zu präsentieren, die Filme sollen sich nicht in der Einschreibung rungsprozess im Vordergrund steht. Hat man den Text zuvor gelesen, kann auf der Leinwand unterscheiden, sondern dadurch, wie sie selbst geschrieben man seinen Inhalt und damit seine Bedeutung aufgrund der einzelnen les- wurden. Ein Film, der seine eigene Leinwand benötigt, nimmt mehr Platz ein baren Schlüsselwörter erkennen und somit auf die jeweiligen Gegenstände als die anderen Filme im selben Kino, wird zu einem Objekt, das im Gegensatz im Film beziehen. Die abgefilmten Texte werden zu Bildern, die auf den In- zur immateriellen Projektion bleibt und Zeugnis gibt vom Film. Broodthaers halt ihrer außerhalb des Films lesbaren Form verweisen, analog zu den Bil- Leinwand ist nicht einfach nur mit Objekten verhangen wie bei Maurice Le- dern und Gegenständen im Film, die ebenfalls nicht schlüssig argumentieren, maîtres Le film est déjà commencé?, wo es sich um Störungen handelt, son- sondern ein Netz von Verweisen spannen: das Foto von Magritte, die Me- dern es sind dort Textfragmente in genau der Art angebracht, wie man sie lone als Bild für Magritte etc. Wenn Broodthaers sagt, dass er den Sinn von auch im Film sehen kann. Es handelt sich dabei nicht nur um Stellen aus ge- Wort und Bild soweit wie möglich verneinen wollte, dann heißt das, dass es nau demselben Text, diese sind auch in derselben Type angebracht, und die keine direkte Bedeutung mehr gibt, darin liegt die Parallele zum Bilderrätsel. Leinwand gibt genauso nur einen Ausschnitt davon wieder, wie es die Kadrie- Die einzelnen Bilder müssen übersprungen werden, um zur gesuchten Aus- rung im Film tut, das heisst der Text ist links und rechts beschnitten und müss- sage zu gelangen. Der Unterschied zum Kalligramm besteht darin, dass bei te sich hors-écran fortsetzen. Film und Installationsaufbau sind so beschaffen, Broodthaers die Schrift als System von Signifikanten eben nicht zurücktritt, dass die verschiedenen durch die Schrift markierten Ebenen ineinanderfallen. um ganz in der Form aufzugehen. Die säuberlich angebrachten Versalien so- Der Film zeigt Schrift einmal singulär abgefilmt, als Zwischentitel (erste Ebe- wie die akkurate Handschrift sollen auch in ihrer Unleserlichkeit lesbar sein, ne) und abgeschwenkt an Wänden und Gegenständen, räumlich positioniert soll »Schrift« bedeuten und nicht Bild. Die Transparenz von Schrift und Bild durch Gegenstände davor oder dahinter. Die Schrift auf der Leinwand eröffnet geht dabei verloren. Das ist die Leseübung, die Schulbuchfabel, die zum Le- eine dritte Ebene, denn obwohl diese ja unbeweglich ist, ist während der Pro- senlernen verwandt wird und für die Schüler je nach Fortschritt mehr oder jektion nicht immer eindeutig zu sagen, ob die momentan gesehene Schrift weniger schwarzer Buchstabe ist. Ziel von Leseübungen ist es, den Signifi- sich auf dem Filmstreifen oder der Leinwand befindet. Indem Broodthaers die kanten durch Übung vergessen zu lassen, aber Broodthaers stößt die Zu- Leinwand beschriftet, gliedert er sie ein in den Film und verweist auch auf die schauer nicht nur durch den Aufbau seiner Installation wieder darauf, auch einzelnen Elemente des Films beziehungsweise der Filmprojektion. inhaltlich: »LE CORBEAU ET LE RENARD ÉTAIENT DE CARACTÈRES IMPRI- Die Lösung des Rebus bleibt das Bilderrätsel selbst, die Leseübung. MÉS«, heißt es an einer Stelle im Gedicht, Rabe und Fuchs waren nichts als Die einzelnen Elemente werden nicht mehr gebündelt, um auf eine Idee, gedruckte Buchstaben. (Rancière erinnert die Form des Geschriebenen durch einen Inhalt zu verweisen, sondern bleiben sie selbst. Peter Weibel hatte ihre kurzen Sätze wiederum an die Grundschule (cf Rancière 2008: 34).) vorgeschlagen, das Objekt-Abbild-Problem zu objektivieren, indem die Bei Broodthaers geht der Sinn zwischen Wort und Text, Bild und Film, Film Leinwand zum Objekt gemacht wird. Allerdings ging dies Vorhaben bei Wei- und Leinwand verloren, die Verweise stehen im Vordergrund, nicht die Fest- bel mit der Geste einher, den Kinosaal gleich ganz hinter sich zu lassen, legungen. Hier schreibt nicht die Kamera auf den Filmstreifen, sondern der den Film auf reale Gegenstände zu projizieren und ihn somit in der Folge Film auf die Leinwand. Er markiert diese und nimmt auch diesem Teil des Ki- zu überwinden. Hier zeigt sich der Unterschied des Aktionskünstlers Wei- nos seine Transparenz: das Fenster zur Welt bleibt geschlossen. Die bedruckte bel und des Objekt-Künstlers Broodthaers. Bei letzterem wird die Leinwand 268 – 269 zum ausgestellten Objekt. Schrift wird auf Schrift projiziert, wodurch diese teilweise ist die Kamera so dicht am Schaufenster, dass aber nicht klarer hervortritt, sondern durch die Differenz von Filmbild und nur noch einzelne Buchstaben wie z.B, die mittleren drei Bild der Leinwand eingewoben wird in ein Spiel der Zeichen, deren Bedeu- seines Namens, die auch den Untertitel des Films bilden, tung mehr und mehr zurücktritt. sichtbar sind: DTH. Sein Ziel, die Buchstaben von der Be- In seiner Installation MTL (DTH) (B, 1970) treibt Broodthaers das Spiel deutung zu befreien (cf Broodthaers 1997: 109) wird al- noch weiter. MTL ist zunächst eine Ausstellung mit Gedichten und Grafi- lerdings auch hier vollständig erst durch die finale Projek- ken Broodthaers in der Galerie MTL in Brüssel. Der Text der Einladung fand tion erreicht. Diese fand während der Finissage statt und sich vergrößert auf dem Schaufenster der Galerie wieder, so dass er von in- wurde ebenfalls von innen an die Schaufensterscheibe der nen richtig und von verkehrt herum lesbar war. Layout und Satz des Tex- Galerie projiziert. Das Bild, dass sich dabei ergibt, ist ret- tes blieben dabei identisch und waren lediglich auf der Schaufensterscheibe rospektiv nur erahnbar, aber zweierlei wird deutlich: Zum entsprechend vergrößert. Dort verliert der Text von außen gesehen seine einen nimmt Broodthaers hier die transparente Leinwand Hinweisfunktion, zeigt gleichzeitig aber an, dass er von innen lesbar sein wörtlich. Indem er auf ein Schaufenster projiziert, wird der werde. Lediglich der Name Marcel Broodthaers ist von außen richtig herum Film selbst schlechter erkennbar, der Projektor erleuch- lesbar, er befindet sich zu oberst des Textes auf dem Schaufenster, an dieser tet aber gleichzeitig die Straße außerhalb der Galerie, je Stelle steht er aber nicht auf der Einladungskarte, wo er nur in der Mitte er- nach Stärke des Projektors auch das gegenüberliegende scheint. Der Weg in die Galerie führt also über den Text der Einladungskarte. Gebäude und bezieht diese somit in das Bild des Films mit In der Galerie nun wird der Text zwar lesbar, kann seine Funktion als Hinweis ein. Gleichzeitig reflektiert das Glas auch das Licht der aber ebenfalls nicht entfalten, da seine Information (Adresse und Dauer der Projektion und erleuchtet damit den Raum der Galerie, Ausstellung sowie Öffnungszeiten) dem Betrachter ja bekannt sein müssen, Teile des Films könnten möglicherweise in der Reflexion andernfalls wäre er kaum in der Galerie. Während der Dauer der Ausstellung auch an den Wänden der Galerie sichtbar werden, dann fertigte Broodthaers den Film mit dem Titel MTL (DTH) an, der aus dem allerdings wieder mit dem spiegelbildlichen Text. Die »Leinwand« wird zum Abfilmen der Schrift aus dem Innern der Galerie heraus besteht. Die Schrift transparenten Träger der Schrift. Im Film selbst ist sie nicht sichtbar, wie ein wird in verschiedenen Bewegungen und Einstellungsgrößen abgeschwenkt, einfacher Überblendungstrick liegt die Schrift über dem Bild hinter dem Schaufenster. Und ihre Transparenz ermöglicht in der Projektion neben der zur Deckung gebrachten Schrift auch den Versuch einer Deckung von Rea- lität und Abbild, indem die durch die Schaufensterscheibe gefilmten Häuser wieder auf die »vorfilmische« Realität fallen. Es kann letztendlich nur dar- über spekuliert werden, wie gut die Schrift bei dieser Aufführung rezipiert werden konnte. War bei Corbeau et le Renard die Leinwand noch Träger der Schrift, so scheint sich hier das Verhältnis umzukehren: die Schrift ist Grund für das Filmen, die Ausrichtung der Kamera und die Projektion, im Zentrum steht aber eigentlich das Dahinter. Die Schrift wird zum bloßen Ding, durch Einladungskarte und Außenansicht der Galerie MTL, anlässlich der Installation von Broodthaers das man durchsehen kann, das zeigt sich kaum besser als in der Großauf- (© Maria Gilissen, 1997). nahme der charakteristischen zwei OOs im Namen des Künstlers. 270 – 271 3.2 Schrift in den Filmen Für Brecht war die Trennung der Elemente Wort, Musik und Darstellung im Zusammenhang mit dem epischen Theater zentral: von Jean-Luc Godard Solange ›Gesamtkunstwerk‹ bedeutet, dass das Gesamte ein Aufwaschen ist, solange also Künste ›verschmelzt‹ werden sollen, müssen die einzelnen Elemente alle gleichermaßen degradiert werden, indem jedes nur Stichwort- »Perhaps the single most striking formal feature of Godard‘s cinema is the bringer für das andere sein kann. Der Schmelzprozess erfasst den Zuschauer, use that he makes of writing – unparalleled in the history of the cinema« der ebenfalls eingeschmolzen wird und einen passiven (leidenden) Teil des (MacCabe 2003: 146). Gesamtkunstwerkes darstellt. Solche Magie ist natürlich zu bekämpfen. Al- les, was Hypnotisierungsversuche darstellen soll, unwürdige Räusche erzeu- Godards Filme können nicht im eigentlichen Sinne als »Schriftfilme« be- gen muss, benebelt, muss aufgegeben werden (Brecht 1993 [1928/9]: 20f.). zeichnet werden. Auch wenn MacCabe unter Filmgeschichte allein die des abendfüllenden Films versteht, hat er insofern Recht, als dass der Einsatz Das komplexe Sehen, das Brecht mit seiner neuen Dramatik einfordert von Schrift in vielen seiner Filme einen besonderen inhaltlichen und/ oder (cf Brecht 1993 [1931]: 31) entsteht, wenn die Eigenschaften der Elemen- ästhetischen Stellenwert einnimmt. Dass die Filme im Folgenden dennoch te nicht untergeordnet werden unter eine bestimmte Ästhetik. Brechts unter dem Blickwinkel des Schriftfilms analysiert werden, liegt an dem oft- episches Theater setzt nicht auf immersive Effekte, die „ »Beim Ablesen der Tafelprojektionen  mals stark konzeptionellen Einsatz der Schrift. Ein genauerer und ausführ- Zuschauer sollen über die Anschauung und nicht über nimmt der Zuschauer die Haltung des  licher Blick auf das Stilmittel Schrift wird auch zeigen, wie sich Auffassung die Gefühle an dem Stück teilhaben (cf Brecht 1993 Rauchend-Beobachtens ein. Durch eine  und Einsatz im Verlauf seiner Karriere gewandelt haben. [1928/9]: 19f.). Dabei geht es um eine Grundhaltung ƒ, solche Haltung erzwingt er ohne Weite- Godards Interesse für Schrift ist zunächst kein ty- zu der das karge Bühnenbild ebenso gehört wie die „ »People nowadays. ... They are not di- res ein besseres und anständigeres Spiel,  pografisches, sondern ist im Zusammenhang mit dem Sichtbarkeit der Produktionsmittel, indem man bei- soriented by advertising, for example. ...  denn es ist aussichtslos, einen rauchen- von Wollen erwähnten Anliegen zu sehen, verschiedene spielsweise die Lichtquellen nicht versteckt (cf Brecht In four seconds they see Ajax, a carriage,  den Mann, der also hinlänglich mit sich  Stile und Ansätze miteinander zu mischen. ƒ Zumindest 1993 [1940]: 161). Die Titeleinblendungen, die Brecht Marlboro – they don’t say ›Marlboro, that  selbst beschäftigt ist, ›in den Bann zie- für die früheren Filme, auf die sich Wollen bezieht, kann über das gesamte Stück verteilte, sind für ihn daher has nothing to do with the rest‹ – they  hen‹ zu wollen« (Brecht 1993 [1931]; 31). diese Art des Filmens – hier insbesondere die direkte Ad- weder Erklärungen des Stoffes noch ein Signal, um Ak- follow very well, and me too. ... And yet,  ressierung des Zuschauers durch Schrifttafeln oder das tivität zu wecken (cf Brecht 1993 [1928/9]: 19), sondern »[s]ie machen if they see that in a film. ... They don’t  Reden in die Kamera, das Brechen der Transparenzillu- die Wirkung mittelbar. Damit sind sie organische Teile des Kunstwerkes« follow it« (Godard, Jean-Luc: »La Curi- sion und das Spiel mit Zitaten – mit Brecht‘schen Pra- (Brecht 1993 [1931]: 38, Hervh. i. O.). osité du sujet« in: Art Press Hors Serié 4  xen wie der »Literarisierung des Theaters« verglichen Auch in den Filmen Godards können mehrere dieser Entfremdungsef- (Dez. 1984-Feb. 1985), S. 4-18; zitiert nach:  werden, x insgesamt steht es bei Godard aber in einem fekte beobachtet werden: das Inszenieren von Fehlern in A Bout de Souffle Neupert 1995: S. 164).  größeren Zusammenhang, für den eines der Prinzipien (F 1960), die Kapitelstruktur in Vivre Sa Vie (F 1962), das sich wiederho- des Films in der Kombination zweier unterschiedlicher lende Musikstück in Le Mépris (F/I 1963) oder die zerfallende Geschichte { Ich bin wie Brecht (Godard 1984: 209). Elemente (Bilder, Töne oder Schrift) liegt. in Week End (I/F 1967). Deutlich ist der Bezug auf Brecht in La Chinoise (F 1967). Neben der Einblendung eines Fotos von Brecht und einem Vor- trag Guillaums (Jean-Pierre Léaud) darüber, warum Méliès Brechtianer war 272 – 273 (weil man die Abbildung der Wirklichkeit unter verschiedenen Aspekten be- spanngestaltung. Und der Vorspann zu Tout va Bien (F/I „ Im Vorspann zu Nouvelle Vague  trachten muss), wird hier auch das Mittel der Aufnahme deutlich inszeniert: 1972) thematisiert die Produktionsmaschine des Kinos, (CH/F 1990) wird Godards Name nicht  Kamera, Klappe und Regisseur kommen wiederholt ins Bild, inszenierte indem zu jedem Credit ein Scheck unterschrieben und aufgeführt, was er auf der Pressekonfe- Szenen wechseln sich mit Interviews ab, immer wieder wird auf Tafeln und abgerissen wird. In den 60er-Jahren hat Godard sukzes- renz in Cannes damit begründete, dass  Wände geschrieben und Zwischentitel kündigen die folgenden Kapitel, Dia- sive den Vorspann unter anderem dafür genutzt, Fragen die an dem Film beteiligten Personen  loge und »Mouvements« an. der Autorenschaft zu betonen.26 Hatte Godard in eini- erk  lärten, sie hätten den Film gemacht.  Als Entfremdungseffekt ist die Schrift bei Godard eines unter meh- gen Filmen der 60er Jahre seinen Namen im Vorspann Und wenn dreißig Leute behaupten,  reren Elementen in den jeweiligen Filmen. Die sowohl inhaltliche als auch nicht aufgeführt - unter anderem in Vivre sa Vie - ver- sie hätten einen Godard-Film gedreht,  visuelle Bedeutung der Godard‘schen Schriftinserts sowie deren Wandlung zichtete er in La Chinoise und Week End vollständig auf hat ein Godard nicht viel zu sagen (in  soll im Folgenden an Beispielen der 60er (Les Carabiniers, F/I 1963), der die Credits. ƒ Statt eines Titels steht am Anfang von La der Fernsehdokumentation Jean-Luc 70er (Six Fois Deux – Sur et sous la communication, zusammen mit Anne- Chinoise in Blau/Weiß/Rot »UN FILM EN TRAIN DE SE Godard von Katja Raganelli (D 1990)). In  Marie Miéville, F 1976) und der 90er Jahre (Histoire(s) du Cinéma, F 1998) FAIRE« und als Schluss »FIN D‘UN DÉBUT«. Week End Allemagne 90 (F 1991) steht an der Stelle  exemplarisch herausgearbeitet werden. eröffnet noch mit dem Titel in Blau/Weiß/Rot, lässt mit des Regie-Credits: »Un Film / Gaumont/  Godard hat nicht nur in seinen Filmen immer wieder Schrift einge- dem Folgenden die Zuschauer aber wissen, dass es sich Péripheria«.  setzt, sondern auch an Stellen damit experimentiert, an denen aufgrund der hierbei um einen Film handelt, der auf dem Schrottplatz Konvention Schrift auftaucht: dem Vorspann.23 Dabei entwickelte er nicht gefunden wurde. Am Schluss erscheint »Fin de conte«, „Faroul (2006) weist darauf hin, dass es in  einen Stil, der den Vorspann als typischen »Godard-Vorspann« auswies 24, dann wird »conte« gegen »cinéma« ausgetauscht. Dieses den meisten Filmen der Gruppe auch kei- vielmehr war der experimentelle Vorspann an sich 25 ty- Ablehnen des klassischen Autorenstatus eines Regis- „ Auch in seiner Schaffensphase ab den  nen Credit der GDV gab, sondern sich die- pisch für einen Godard-Film der 60er Jahre. ƒ Das Unge- seurs wurde von ihm mit der Arbeit in dem Filmkollektiv 80er Jahren experimentierte Godard hin  ses Kollektiv hauptsächlich mit Artikeln  wöhnliche des Vorspanns bezieht sich bei Godard nicht »Groupe Dziga Vertov« (GDV) ƒ fortgeführt, und auch in und wieder mit den Credits, beispiels- und Aktionen manifestierte, die außerhalb  allein auf die Form, sondern auch auf die Credits selbst. den 80er und 90er Jahren gibt es immer wieder solche weise in Détective (F/CH 1985), dort dau- des Films passierten. Zudem ist der Name  Die Namen in Une Femme est une Femme (I/F 1961) er- Kommentare. Es ist eine Haltung, die das Mischen der ert die Creditsequence 13 Minuten, oder  der Gruppe bereits ein Synonym. scheinen in Farbe groß über der gesamten Breite des Stile zum Prinzip erklärt: in neueren Videoarbeiten, in denen die  Filmbildes, wobei in der Titelsequenz ebenso leinwand- Cred  its unleserlich gesetzt werden. füllend immer wieder auch Wörter wie »Eastmancolor«, »Fran Chement Scope« oder »Comédie« auftauchen. In Les Carabiniers werden die Credits allesamt handschriftlich auf eine Tafel geschrieben, Le Mépris hat einen gesprochenen Vorspann, in Bande à Part (F 1964) stehen die Credits über einer Einzelbildmontage, die die Großaufnahmen der drei Protagonisten miteinander verbindet, in Pierrot le Fou (F/I 1965) tauchen nacheinander erst alle As, dann alle Bs usw. auf, bis am Schluss alle Namen lesbar sind. In Made in USA (F 1966) werden die Credits nur als Initialen angegeben – »Un Film de JLG, joué par AK, LS, JPL...” – und außerdem in den Farben der Trikolore gehalten, ein weiteres Merkmal Godard‘scher Vor- La Chinoise (Jean-Luc Godard, F 1967) 274 – 275 diesem Moment vernachlässigt, ist die Frage des Stils, aufgrund dessen der Mit meinem Assistenten hab ich mir gesagt: keine Ahnung, was wir machen Leser das Werk einer Werkgruppe, also auch einem Autoren zuschreiben kann. sollen, der Vertrag ist unterzeichnet, es gibt einen Titel, ein Drehbuch und Und gerade die Filme Godards zeigen unabhängig von seiner Politik der Ver- eine Geschichte, die endlich einmal einen Schauspieler und einen Produzen- weigerung und der Mischung eine starke Verknüpfung mit seiner Person. Wie ten begeistert hat. Aber die Geschichte dauert einfach nicht länger als zwei wenige andere Filmemacher hat es Godard verstanden, sich mit Texten und Minuten, und ein Spielfilm muss neunzig Minuten dauern. Also, habe ich mir Debatten immer wieder zu seinen Filmen zu positionieren und als öffentliche mit meinem Assistenten gesagt: pack‘ alle Romane zusammen, die du magst, Person wahrgenommen zu werden. Neben den politischen Inhalten seiner Fil- ich leg meine dazu; bleiben noch etwa zwanzig Minuten; also, schlag nach me der 60er Jahre und dem Thematisieren des Vietnam-Krieges ist das unter bei Hemingway, Faulkner, Gide und nimm von denen noch Sätze. Und heute anderem eben auch die Schrift, die den »Godard-Stil« ausmacht. Denn das weiß man von Dreiviertel der Sätze überhaupt nicht, von wem sie stammen. Weglassen der Credits allein macht aus dem Film nicht automatisch das Werk Vor allem, weil sie in einigen Fällen etwas abgeändert wurden. Das ist der eines Kollektivs. Und dann taucht Godard auch immer wieder selbst in seinen Grund, warum ich nicht im Abspann auftauche. Nicht ich habe den Film ge- Filmen auf: Es ist seine Stimme, die am Ende von Deux ou trois choses que je macht. Ich bin nur dessen bewusster Organisator (Jean-Luc Godard, zitiert  sais d‘elle (F 1967) flüsternd den Film beendet. In der Fernsehserie Six Fois nach Zischler 1998: 6). Deux ist es ebenfalls Godard, der die Interviews führt und der in einer eigenen Godard stellt sich damit in die Nähe der kritischen Überlegungen Barthes‘ Folge (Jean-Luc) sein Anliegen erklärt. (Anne-Marie Miéville, die Co-Autorin, und Foucaults zur Autorentheorie Ende der 60er Jahre. Barthes beschreibt bekommt keine eigene Folge.) In den Histoire(s) du cinéma ist es die Aufnah- den modernen Text als »ein Gewebe von Zitaten aus unzähligen Stätten der me des an der Schreibmaschine rauchenden und schreibenden Godard, um Kultur« (Barthes 2000 [1968]: 190), das vom Leser nur entwirrt, nicht aber die herum das Material arrangiert wird. Und es ist auch nicht zuletzt das Bild, entziffert werden kann (cf ebd: 191). Allerdings funktioniert das Godard von sich selbst entwarf, die grauen Anzüge, die Sonnenbrille und diese Parallele zu den Filmen Godards nur äußerlich. Zwar die Zigarette oder Zigarre, die die Marke Godard nicht nur im, sondern auch verzichtet er auf die Credits und macht deutlich, dass es außerhalb des Films etablierte und somit auch eine paratextuelle Prägung er- eine ganze Reihe von Zitaten in seinen Filmen gibt, La Chi- schuf, der sich seine Filme kaum entziehen konnten. noise sieht über weite Strecken sogar aus wie eine improvi- Auffällig ist die häufige Verwendung der Handschrift in seinen Filmen. sierte Dokumentation über eine studentische Kommune, in Sie wird in Großaufnahme abgefahren (Le Mépris), von den Protagonisten der viel rezitiert wird. Worauf Barthes jedoch hinaus wollte, als Graffiti an Fenster und Wände geschrieben (One plus One, GB 1968), über war, den Text nicht mehr nur von der Person des Autors her zu interpretieren: »Sobald ein Text einen Autor zugewie- sen bekommt, wird er eingedämmt, mit einer endgültigen Bedeutung versehen, wird die Schrift angehalten« (ebd; Hervh. i.O.). Barthes zufolge verlangten die zeitgenös- sischen Texte eine Lesweise, die rein vom Inhalt her aus- ging und nicht vorschnell Schlüsse aufgrund paratextueller JLG/JLG – Autoportrait de Kenntnisse zog: »Die Geburt des Lesers ist zu bezahlen mit décembre dem Tod des Autors« (ebd: 193; Hervh. i.O.). Was Barthes in (Jean-Luc Godard, F 1995) 276 – 277 Bilder geschrieben, die dann wiederum abgefilmt werden (Le gai savoir, F/ eine weitere Ebene taucht in dem Film auf, die ebenfalls  Die letzte Texttafel spricht direkt über  BRD 1969), direkt über das Bild geschrieben (Six fois Deux) oder in Form von durch diese Schrifttype gekennzeichnet wird (es sieht so die beiden Brüder: »La-dessus, les deux  Tagebucheinträgen mit Godard selbst verknüpft (JLG/JLG – Autoportrait de aus, als sei es immer dieselbe Handschrift): in einer Stadt frères s‘endormirent pour l‘éternité,  décembre, F 1995). Die Handschrift verweist zwar immer auch direkter auf geht Michel-Ange ins Kino und schaut sich dort mehrere croyant que le cerveau, dans la décom- den Herstellungsprozess, auf den Prozess des Schreibens und seine Arbeit stumme Kurzfilme an. Er verhält sich dabei so, wie es position, fonctionne au-delà de la mort,  jenseits des Aspektes der Reproduktion, sie betont gleichzeitig aber auch der Mythos von den Zuschauern der ersten öffentlichen et que ce sont ses rêves qui constituent  die Individualität, die spezielle und jedem eigene Art, die Buchstaben zu for- Vorführung der Brüder Lumière erzählt: beim Film des le Paradis.« Robert Stam hat fest- men. Einer der zentral sten Aufsätze für die Nouvelle Vague etablierte ja auch einfahrenden Zuges verkriecht er sich erschrocken im gestellt, dass dies eine fast wörtliche  das Bild der caméra stylo, der Kamera als Füllfederhalter und eben nicht der Sitz. In einem späteren Kurzfilm wird eine Frau gezeigt, Übernahme eines Briefes von Alfred  Schreibmaschine. die sich auszieht und in eine Badewanne steigt. Michel- Jarry ist (cf Stam 1992: 186). Ange versucht, einen Blick auf ihre Brüste zu erhaschen, Les Carabiniers indem er sich vor die Leinwand stellt und hochspringt, „ »Mir scheint, ich habe nur ein Min- Der Vorspann zu Les Carabiniers ist ebenfalls in Schreibschrift weiß auf um über den Rand der Badewanne zu blicken, wobei er destmaß an Anstand damit bewiesen,  schwarz gehalten. Ihm geht ein Zitat von Borges voraus, das mit derselben die Leinwand herunterreißt. Dieser Film hat auch einen dass ich das, wofür soviele Menschen  Schrift geschrieben wurde. Auf dem Karton mit den Credits steht in der Mit- Titel, der im Kino zu lesen ist (Le Bain de la Femme du gestorben sind, in Les Carabiniers als  te, größer als die anderen Worte, der Titel des Films, darum herum gruppiert Monde), und seine Credits sind wie die des Vorspanns improvisierte Farce dargestellt habe.  die einzelnen Credits. Im Ton wird die Filmmusik angespielt, angekündigt von Les Carabiniers gestaltet. Godard verbindet durch Nehmen wir als Beispiel die Konzen- wird sie mit den Worten »Marche militaire, première fois«, gleich darauf wie- die gleiche Gestaltung Teile des Films, die außerhalb der trationslager. Der einzig wahre Film,  der unterbrochen, einige Momente später aber noch einmal aufgenommen. Handlung stehen (Vorspann und Motto z), Teil der Nar- den man über sie machen könnte – der  Der Film erzählt die Geschichte von Ulysse und Michel-Ange, die für ration (Zwischentitel) und diegetisch sind (der Vorspann nie gedreht werden wird, weil er uner- einen Krieg angeheuert und am Schluss, als dieser verloren geht, von eben des Films im Film). träglich wäre –, wäre, ein Lager zu  jenen Karabinieri exekutiert werden, die sie zuvor angeworben hatten. Im Es ist Godard seinerzeit vorgeworfen worden, dass filmen aus der Perspektive der Folterer  Gegensatz zu ihnen haben es Ulysse und Michel-Ange nicht verstanden, er in Les Carabiniers fiktionales mit dokumentarischem mit ihren alltäglichen Problemen. Wie  rechtzeitig die Seiten zu wechseln. Im Zentrum des Films steht dabei die Filmmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg verbunden und bekommt man einen menschlichen  Sorglosigkeit, mit der die beiden Freunde plündern und morden sowie die auch die Zitate in den Zwischentiteln als solche nicht Körper von zwei Metern Länge in einen  Unbekümmertheit ihrer beiden Frauen, die auf die reiche Beute warten. kenntlich gemacht habe (cf ebd.). Die inszenierte Far- Sarg von fünfzig Zentimetern? Wie  Nachdem Ulysse und Michel-Ange in den Krieg gezo- ce ƒ eigne sich nicht, um sie mit dem zwanzig Jahre alten verbrennt man hundert Frauen mit Ben- gen sind, schreiben sie Postkarten nachhause, deren Material zu vermischen.27 Einer der Schlüssel zum Film zin, das nur für zehn reicht? Das Uner- Texte als Zwischentitel eingeblendet werden. Gestaltet liegt jedoch in der Gestaltung des Vorspanns und seiner trägliche solcher Szenen käme nicht aus  sind sie ebenso wie der Vorspann: weiße Schreibschrift Verbindung mit den anderen Teilen im Film, in denen die dem Grauen, sondern im Gegenteil da- auf Schwarz. Die Sätze auf den Postkarten berichten Schrift auftaucht. Der Vorspann betont die handschrift- her, dass sie einen völlig normalen und  von verschiedenen Kriegserlebnissen und -zusammen- liche Type, das Abbrechen und Wiederaufnehmen der menschlichen Aspekt haben« (Godard  hängen, unter anderem von Soldaten, die bei Stalingrad Musik verstärkt den improvisierten Charakter. Die Ikoni- 1971 [1963]: 154f). eingeschlossen waren (cf Godard 1971 [1963]: 156). Noch zität der Credits – mittels der Handschrift schafft Godard 278 – 279 sich über die Jahre ebenfalls eine Art Corporate Identity – verbindet in der Charaktere begünstigt eine distanzierte Haltung der Zuschauer: Die beiden Handschrift das vorausgehende Zitat mit dem Verweis auf die Herstellung Männer plündern und vergewaltigen völlig sorglos und stellen sich dabei des Films sowohl im Bild als auch im Ton und setzt Zitat und Credits zudem auch noch ziemlich blöde an. Ihre Frauen zuhause sind nicht weniger raff- gleich. Die gleichbleibende Gestaltung der Zwischentitel verbindet diese gierig, fordern sie ihre Männer doch auf, in den Krieg zu ziehen, um reiche Postkarten mit dem kenntlich gemachten Eingangszitat Beute zu machen und empfangen in ihrer Abwesenheit Freier. Keiner der „ Damit liegt Godard als Vorspann- und dem Titel. Alles wirkt wie aus einem Guss. ƒ Durch Protagonisten bietet auch nur ansatzweise eine Möglichkeit zur Identifika- desig ner ganz im Trend: auch Saul Bass  diese Art der Gestaltung ergeben sich zwei Möglichkeiten: tion, und auch mit den Statisten, die nebenbei erschossen werden, will sich war in Psycho (Alfred Hitchcock,  Zum einen wird nahegelegt, dass der diegetische Erzähler keine Empathie einstellen, da alles meist im Hintergrund einer Totalen pas- USA 1960) für die Schrift im und nach  (Ulysse und Michel-Ange als Autoren der Postkarten) mit siert und schnell und ohne Aufhebens vonstattengeht. dem Vorspann verantwortlich. dem Autor des Films Les Carabiniers zusammenfallen (der Die Kinoszene fungiert dabei als Spiegel und Drehmoment. Durch den Vorspann geschrieben hat), da sie die gleiche Handschrift haben. Von die Angleichung der Vorspanngestaltung des Films im Film an die anderen der anderen Seite aus betrachtet, ist es Godard als Regisseur des Films, der Schriftinserts wird noch einmal deutlich gemacht, dass es sich hierbei um seine Spuren deutlich auch in die Geschichte selbst hineinschreibt. eine mise en abyme handelt. Godard ironisiert an dieser Stelle das Klischee Versucht man mittels typografischer Gestaltung gemeinhin die des Kinozuschauers, der so in die dargestellte Handlung versinkt, dass er Schrift einblendungen den zugrunde liegenden Bildern und Situationen nicht mehr zwischen Darstellung und Realität zu unterscheiden vermag. anzupassen, also zu diegetisieren, demonstriert Godard hier, was passiert, Die Geschichte vom ersten Kino-Publikum, das beim Lumière-Film L‘Arrivée wenn man nicht nur eine gleichbleibende Type wählt, sondern deren Ge- d‘un train en gare de la Ciotat (F 1895) im Pariser Grand Café furchtvoll die staltung deutlich herausstreicht. Ganz im Sinne des epischen Theaters wird Flucht ergriff, setzt den immersiven Effekt des Kinos bereits als Gründungs- dadurch eine erzählende Situation geschaffen, die den Zuschauer in eine mythos. Allerdings, so zeigt die neuere Forschung zum frühen Kino, hat es betrachtende Situation bringt anstatt ihn in die inszenierte Darstellung diese Episode so nie gegeben (cf Kümmel 2004: 152), vielmehr wurde sie, in zu verwickeln, dem Miterleben steht das Studieren gegenüber (cf Brecht Filmen um 1900 konstruierte in denen sich über die Landbevölkerung lustig 1993 [1928/9]: 20).28 Für einige Kritiker war der Einsatz von Zwischentiteln gemacht wurde, die so unerfahren sei, dass sie sich sogar im Kino vor einem ein klares Eingeständnis des Unvermögens, Filme visuell zu gestalten (cf Godard 1971 [1963]: 156). Aber die Titel sind nicht der einzige Moment, in dem der Film seine Aktion nicht im inszenierten Bild erzählt. Häufig finden bestimmte Handlungen nur auf der Tonspur statt, sind also im Off: ein Auto, das angefahren, ein Flugzeug das angeflogen kommt, Schießereien. Zudem ist die Tonmischung an vielen Stellen recht ungewöhnlich, einige Aktionen werden überproportional auf der Tonspur verstärkt, beispielsweise am An- fang in der Hütte, als eine der Frauen von einem Apfel abbeißt und das Geräusch den parallel geführten Dialog übertönt, ohne dass in der Szene auffällig wäre, dass auch für die anderen das Geräusch in dieser Lautstär- ke hörbar wäre. Angesichts des Themas ebenfalls ungewöhnlich ist die In- szenierung der Brüder als gleichgültige und naive Männer. Die Anlage der 280 – 281 Dabei kritisiert Godard nicht pauschal die Ideologie des Spielfilms, sondern wendet sich explizit dem Genre des Kriegsfilms zu. Dem Kriegsfilm, der ja allgemein eher als Antikriegsfilm wahrgenommen wird, liegt das Para- dox zugrunde, eben jenes in einer emotionalen Inszenierung aufzuführen, wovon man eigentlich die Absurdität und Sinnlosigkeit zeigen möchte (cf Röwekamp 2007, speziell im Falle von Les Carabiniers cf Patalas 1965). Auf die heftige Ablehnung gegenüber der Mischung von Farce und dokumenta- rischem Material antwortete Godard: Das Missverständnis kommt, glaube ich, einfach daher, dass ich den Film objektiv auf den verschiedenen Ebenen gefilmt habe, einschließlich der des Bewusstseins. Das Bewusstsein ist jedoch immer in mehr oder weniger großem Maß subjektiv. […] Und damit rechnen immer alle Filme, vor al- lem aber die Kriegsfilme. Das erklärt, weshalb derselbe Wochenschau-Tote dem Zuschauer von Les  Carabiniers Unbehagen bereitet, während er den Zuschauer von Mourir à Madrid begeistert. Er bereitet Unbehagen, weil er bleibt, was er ist, unbedeutend, das heisst ohne Bedeutung, während ihm in Mourir à Madrid eine Bedeutung gegeben wird, die vielleicht seinem Leben entspricht, vielleicht auch nicht. So was nenne ich Betrug – wenn dieser auch mit reinen Händen begangen wird. Denn einen Montagefilm machen heißt nicht, das Leben den Blockhäusern der Cinematheken entreißen, in denen es Zug auf der Leinwand fürchtete.29 Und Godard vergleicht den Zuschauer, schläft, es heißt, die Realität ihres Scheins zu entkleiden, indem man ihr die der sich noch vom Geschehen im Kino emotional mitreißen lässt (Angst, Er- Unberührtheit zurückgibt, in der sie sich selbst genügt, und gleichzeitig nach regung) nicht nur mit dem medial unerfahrenen Rezipienten, sondern auch dem Augenblick sucht, in dem sie zu Ende geht. Filmen bedeutet also nichts noch mit einer Haltung eines unbedarften Kriegers. Rücksichtslos sucht sich anderes als ein Ereignis als Zeichen zu erfassen, es in einer ganz bestimmten Michel-Ange im dunklen Kino seinen Platz, ungeachtet der bereits sitzen- Sekunde zu erfassen, in der […] die Bedeutung frei aus dem Zeichen, das sie den Zuschauer, über die er dabei steigt. Er lacht wie ein Kind bei plumpen bedingt und vorherbestimmt, geboren wird (Godard 1971 [1963]: 154). Witzen und versucht sich der Bilder der nackten Frau zu bemächtigen, was aber in der Zerstörung und Demaskierung des Aufbaus endet. Anders als Während Godards Konzept eine Deutungshoheit über die gezeigten Bilder Paul Virilio, der Krieg und Kino auf der Basis der Technik miteinander in Be- ablehnt, was die Kritiker verstört, gibt es auch innerhalb der Diegese einen ziehung bringt (cf Virilio 1991), vergleicht Godard Krieg und Kino im Bezug permanenten Diskurs darüber, wer die Macht über die Bilder hat. Neben der auf das Dispositiv. Die Haltung des Kinozuschauers ist per se eine kriegeri- bereits erwähnten Kinoszene, ist das die Szene, in der Ulysse und Michel- sche, eine rücksichtslos besitzergreifende, eine herrische, da die Bilder vor Ange ihre Beute nachhause bringen, die aus Postkarten besteht. „ Wie in ihm ausgelegt werden, bereit, von ihm besessen zu werden. einem Quartettspiel präsentieren sie den beiden Frauen ihre Beute und er- klären, dass es sich dabei um Besitzurkunden handele. In einer knapp zehn- 282 – 283 minütigen Sequenz legen sie nach Schwerpunkten geord- Funktion der Benennung ebenso nach, wie auch die Zwischentitel von Er- ƒ Für Godard ist die Postkarte ein  nete Karten von historischen Gebäuden, Autos, Schiffen, lebnissen erzählen, die eindeutig nicht im diegetischen Universum des Films wichtiges Kommunikationsmedium:  Tieren usw. vor. Alles wird benannt und gegliedert. An- liegen, und auch die Ausschnitte der Wochenschauen sind aufgrund ihres »La communication, c‘est ce qui  schließend wird getauscht und die Sequenz endet mit ei- Inhalts (historische Geschütze etc.) als solche zu erkennen. Indem Godard bouge, quand ça ne bouge pas, c‘est  ner Reihe von Pin-ups und Aktgemälden, die Ulysse und sie aber visuell angleicht, bezieht er sie viel stärker aufeinander, als wenn er la pornographie. Une image ou un son  Michel-Ange für sich behalten. Die Gegenstände werden die üblichen Zeichen der Kategorisierung ins Material eingefügt hätte. Als bougent non parce que ça représente  besessen, weil man ein Bild von ihnen hat und sie benen- Zuschauer muss man nun selbst entscheiden, welchen Status die einzelnen du mouvement, ou son absence, mais  nen kann, weil die Karten den Titel ihres Bildes auf der Teile innerhalb des Films einnehmen. parce que avant ça il y a quelque chose,  Rückseite tragen. Die Sequenz löst sich auf, als Michel- et après ça il y a quelque chose. Il se  Ange eine Karte von Kleopatra auf den Tisch legt. Die Die Leinwand als Tafel trouve que ce quelque chose c‘est des  Mutter, die auch Kleopatra heisst, meint daraufhin, dass Radikaler noch wendet Godard dieses Prinzip in Le Gai Savoir an. Während femmes et des hommes, et entre eux  sich die Kleopatra auf dem Bild einen anderen Namen auf den Straßen die Revolution tobt, treffen sich die beiden Revolutionä- il y a la télévision, des cartes postales,  zulegen müsse, wenn sie bei ihnen einzöge, woraufhin re Patricia Lumumba (Juliet Berto) und Emile Rousseau (Jean-Pierre Léaud) des lettres d‘amour, des mandats télé- alle vier verschiedenste Frauennamen durcheinanderru- in einem Fernsehstudio, um über das neue revolutionäre Fernsehen zu spre- graphiques, des SOS, du cinéma, c‘est- fen: Zeichen werden gedeutet und wieder befreit. Immer chen. Sie tun dies in einem schwarzen Raum, in dem sie von Scheinwerfern à-dire des moyens de communication.  wieder geht es in dem Film um Signifikanten, um Besitz- beleuchtet werden. Die Ideen der beiden sind dabei dieselben, die Godard Savoir communiquer c‘est se poser la  urkunden, Orden, Namen, Beschriftungen, Zeichen. Les nur wenig später mit der Groupe Dziga Vertov formulieren wird: die Trennung question des moyens. Par exemple, si  Carabiniers definiert den Krieg als Prozess, der die Zei- von Bild und Ton, die Thematisierung der Medien selbst, die Untersuchung je veux demander à ma bien-aimée en  chen umdeutet. Was vorher falsch war, wird nun richtig, der Sprache und derdamit verbundenen Möglichkeiten der Medien Film und vacances, des nouvelles d‘elle et de sa  wen man zuerst bekämpft hat, wird später dein Verbün- Fernsehen. Oberstes Prinzip bleibt, den Bildern und Tönen ihre Eigenständig- fille, j‘écris une carte postale. Mais si  deter. Und wer die Umdeutungen nicht versteht, wer die keit zu belassen, indem man sie kombiniert und sie dadurch ihren jeweiligen je n‘ai pas en poche de quoi acheter le  neuen Bedeutungen nicht richtig lesen kann, bleibt auf Sinn entfalten. timbre tous mes grands mots d‘amour  der Strecke. Die (Hand-)Schrift steht in Les Carabiniers In einem Dreijahresplan, den Emile und Patricia aufstellen, sollten zu- resteront lettre morte. Faire du cinéma  als Zeichen für die durchgehende Gestaltung des Films, erst Bilder und Töne gesammelt, dann bearbeitet, das heißt kritisiert, col- ou de la télévision, techniquement,  für einen Vorschlag, eine Collage, aus der die Zuschau- lagiert und miteinander kombiniert werden, und so könnte man aus diesen c‘est envoyer vingt-cinq cartes postales  er selbst lesen müssen, da eine Wartung, Kontextualisie- Erkenntnissen im dritten Jahr nach der Revolution bereits zwei oder drei par seconde à des millions de gens, soit  rung und Kennzeichnung der einzelnen Teile (Vorspann, allgemein gültige Regeln für die Arbeit mit Bild und Ton dans le temps, soit dans l‘espace, ce  Zwischentitel, diegetische Schrift auf der einen Seite und aufstellen. In ihrer Unterhaltung kombinieren sie immer qui ne peut être qu‘irréel« (Godard 1985  inszenierte FIlmszenen auf der anderen) seitens Godards schon verschiedene Wörter miteinander, wiederholen sie, [1975]: 382ff). Zur Postkarte und dem  entfällt. betonen diese neu, buchstabieren sie oder tauschen ein- Krieg siehe auch Virilio 1991: 30, FN 7,  Dabei darf das Mühen um einheitliche Gestaltungsmit- zelne Buchstaben aus. Immer wieder werden dazu Foto- zur speziellen Kritik Godards am foto- tel nicht mit einer Geschlossenheit des Films verwech- grafien und Filmschnipsel eingeschnitten, die das Gesag- grafischen Bild siehe auch  selt werden, denn dass es sich um heterogenes Material te kommentieren und/ oder ergänzen. Von Zeit zu Zeit ist Sontag 2005: 1f. handelt, wird nicht negiert: der Vorspann kommt seiner auch die flüsternde Stimme Godards auf der Tonspur zu 284 – 285 hören, die die Szene ebenfalls kommentiert. Dabei gibt es keinen Hinweis darauf, ob Emile und Patricia die Bilder sehen und die flüsternde Stimme hören können. Nach dem ersten Drittel des Films erscheinen auch immer wieder Fotografien, auf denen die Handschrift Godards zu lesen ist. Es wird auch eine Bildstrecke einmontiert, bei der die Wörter hintereinander gelesen einen eigenen Satz bilden: »laissez-moi vous dire / au risque / de paraître / ri di cule / que le révolutionnaire / veri table / est / guidé par des grands / sen- timents d‘amour«. 30 Die Flüsterstimme findet somit ihre Entsprechung in der Handschrift Godards, die zusammen mit den ihnen zugrunde liegenden Fotografien abgefilmt wird. Wie in Les Carabiniers wird dadurch eine Ebene in die Erzählung eingeführt, von der zum einen nicht klar ist, wie sie sich zur Diegese verhält (können die beiden Protagonisten das lesen?) und die zu- dem den Film weiter visuell strukturiert. Auch wenn der Film eine geschlos- sene Struktur vermeiden möchte und den Gestus der »Versuchsanordnung« durch die Reduktion von Bild und Sujet, die Fragmentierung der Dialoge und den Collagecharakter deutlich herausstellt, ist Godards Arbeitsweise im Zusammenhang mit der Apparatusdebatte vorgeworfen wurde, dass trotz aller Verfremdungstechniken die ideologische Struktur des Kinos im Grunde erhalten bliebe – auch wenn sich Distribution und Haltung geändert haben: ›La Chinoise‹ zum Beispiel; ein Film voll von Politik, aber nicht weniger ein Film, der vollständig von bürgerlicher Ideologie gekennzeichnet ist. Du setzt eine Parole auf eine Mauer, du filmst, aber indem du filmst, sorgst du dafür, dass diese Parole in einen bestimmten Apparat eintritt, der zu bestimmten Zwecken konstruiert ist und der sozusagen eine bestimmte geistig-ideolo- gische Struktur hat (kurzgesagt die der wissenschaftlichen monokularen Perspektive). Und demzufolge ist es nicht mehr deine Parole, die spricht, es ist dein Apparat, der sich der Parole bedient, der ein Double herstellt, ein Spiegelbild. Du hast einen Burschen im Dunkeln sitzen, der ein Bild betrach- tet und der, indem er sich identifiziert, dahin gebracht wird zu akzeptieren, was die bürgerliche Gesellschaft ihm schon immer vorgeschlagen hat, näm- lich niemals ohne Auftrag zu handeln. […] ich denke in erster Linie, eines der aktuellsten Probleme des Kinos in Frankreich ist ein Problem der De- konstruktion; ein theoretisches Problem der Dekonstruktion der Ideologie, 286 – 287 die die Kamera produziert (Marrcelin Pleynet: »Économique,  idéologique,  sagen und einem oft sehr dominanten Off-Kommentar. formel …«, in: Cinéthique Nr. 3 (1969), zit. nach Winkler 1992:  22). Dieses Mischen der Stile ist für Wollen auch der Grund, den Filmen Godards eine höhere politische Relevanz als In den Filmen der Groupe Dziga Vertov „„ wird die Frage nach einem neuen den europäischen Experimentalfilmen zuzuschreiben. Go- Kino immer wieder aufs Neue verhandelt. 31 Gemeinsame Fluchtlinie in al- dard nutze die Brecht‘schen Theorien, um seine Filme klar len Filmen ist dabei, Bild und Ton zu trennen, um somit das eine mit dem gegen das kommerzielle Kino abzugrenzen (cf Wollen anderen analysieren zu können, um in der Kombination der beiden einer 1982 [1972]: 79). Konkret macht Wollen diesen Gegen- »Wahrheit« näher zu kommen. Dabei dienen die formalen Experimente dem satz am Beispiel des Films Le vent d‘est. Die Filmkratzer, Zweck, die marxistische Idee der Revolution adäquat zu übersetzen. In der die in einer Szene des Films auftauchen, liest Wollen als Logik der GDV sind ihre Filme bloß Versuche, die übersprungen werden Verneinung des Bildes (siehe S. 237). Analysiert man die müssen auf dem Weg zum revolutionären Film, das heißt, die Versuche wer- betreffende Stelle jedoch, so stellt man fest, dass es sich den aufhören, sobald man weiß, wie das Kino der Arbeiterklasse auszuse- dabei um eine Aussage gegen den Experimentalfilm han- hen habe und welche Inhalte damit auf welche Weise transportiert werden delt. Die Stelle im Film, an der etwa fünf Minuten lang können und müssen. Dies kann aber erst nach der erfolgreichen Beendi- Filmkratzer das Bild überlagern, wird begleitet von einem gung der Revolution passieren. Durcheinander verschiedener Stimmen. Dieses Bild-Ton- Im Gegensatz zu den Filmen Godards der 60er Jahre sind die Filme Übermalungen in Text und Bild: Chaos unterbricht immer wieder einen Monolog, der über Le Vent d‘Est (Groupe Dziga Vertov, der GDV deutlich dokumentarischer, der Fokus liegt auf Interviews, auf dem I/F/BRD 1970) eingefärbtem Blankfilm, also »Nicht-Bildern«, gehalten Betrachten und anschließenden Analysieren von Szenen. Kombiniert wer- wird. Das erste Mal erscheint das Durcheinander in Bild den diese häufig mit Zwischentiteln, Plakaten, Graffitis, inszenierten Pas- und Ton, als die Sprecherin sich an den revolutionären Filmemacher wendet: ƒƒ „„ Le Groupe Dziga Vertov Bon. Tu as fait de la théorie. De l‘alphabétisation. Tu as vu que c‘était aus- si un front de lutte. Bon. Maintenant reviens à la pratique. France. Mai- „„ Herz der Gruppe waren Jean-Luc Godard und Jean-Pi- me zu thematisieren (Erklärung auf der Tonspur von  juin 68. Un mot obscur était sur toutes les lèvres: autogestion. Ce mot avait ƒ erre Gonin, weitere Mitglieder, die aber  je nach Pro- Le vent d‘est). „ jekt wechselten, waren Jean-Henri Roger, Paul Bour- Siehe auch folgenden Auszug aus einem Interview:  d‘ailleurs une histoire aussi obscure que confuse […]; tu as fait de la théorie. ron, Nathalie Biard, Raphaël Sorin, Isabel Pons, Anne  »Et prendre un drapeau de façon nouvelle, c‘était pour  Tu es parti de Mai. Parle-moi de l‘autogestion. Trouve les mots justes.32 z Wiazemsky, Armand Marco, Gérard Martin und Antoi- nous, non pas nous appeler ›Club prolétarien du ciné- x ne Bonfati (cf de Baecque 2010: 426f.). ma‹ ou ›Comité Vietnam Cinéma‹, ou ›Panthères noires  Die Filmkratzer, das Durcheinander auf der Tonspur, das Chaos ist im Grun-  Die  Gruppe  hatte  sich  nach  dem  russischen  Fil- et  blanches‹, mais  ›Groupe  Dziga Vertov‹. Mais  il  ne  de die Antwort auf die Aufforderung nach den richtigen Wörtern, die die memacher  benannt,  um  darauf  aufmerksam  zu ma- suffit  pas  de  prendre  un  drapeau,  encore  fallait-il  le  z Sprecherin aber nicht gelten lässt: »Écoute. C‘est ça que tu appelles des chen, dass Eisenstein bereits ein revisionistischer Fil- planter et marquer le territoire où nous étions et à par- { memacher  sei.  Dem  frühen Vertov  hingegen  sei  es  tir duquel nous décidions de prendre l‘offensive. Bref,  mots justes? Tu parles plus abstraitement encore qu‘avant. Réfléchis. Situ- mit  den Reportagen der  »Kino-Pravda« weniger  um  il fallait, nous, cinéastes, nous situer historiquement et  ation concrète. Autogestion. Un exemple. La Yougoslavie.« 33 Anschließend formale Experimente gegangen, sondern einfach nur  pas dans n‘importe quelle histoire, mais d‘abord dans  erklärt sie, warum die Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien nicht zu ei- darum, die Augen zu öffnen (cf Godard 1985 [1970]:  l‘histoire du cinéma. D‘où l‘oriflamme Vertov, le ›Kino- nem sozialistischen Paradies geführt hat. Der Monolog wird immer wieder 343), wohingegen Eisenstein  sich  zum einen  an  den  Pravda‹,  le cinéma bolchevique. Et c‘est ce cinéma-là  Filmen Griffith‘ orientierte und zum anderen sich  in  qui  est  notre  vraie  date  de  naissance«  (Godard  1985  durch die Filmkratzer unterbrochen, aber die Störungen werden weniger historische Stoffe flüchtete,  anstatt  aktuelle Proble- [1972]: 365). und kürzer, bis sie wieder ganz verschwinden, und der Film zu seinen Bil- 288 – 289 dern zurückfindet. Die Filmkratzer und der unverständliche Ton (bei dem nung mit ihnen eher einer Schulstunde denn einem Kinobesuch glich (Da- deutlich die Stimme Godards zu hören ist) können durchaus als Referenz ney 2000 [1976]): 86). auf den experimentellen Film verstanden werden, als die Theorie, die in der So haben Godard und Gorin die Guckkastenbühne in ein Klassenzimmer Praxis aber nicht funktioniert. Die Idee mag gut sein, aber man muss sie verwandelt, den Filmdialog in eine Rezitation, die Off-Stimme in eine Vor- in der Praxis anwenden können.34 Die Filmkratzer und die unverständliche lesung, die Dreharbeiten in eine Seminararbeit, die Filmsujets in Bausteine Tonspur funktionieren nicht, sie stören, als Aussage lässt man sie nicht gel- eines Lehrplans (»Der Revisionismus«, »Die Ideologie« usw.) und den Filme- ten. Die kritische Untersuchung des Filmbilds im Bezug auf die »bourgoise macher in einen Lehrer, Repetitor, Aufseher. Die Schule wird also der Ort Ideologie« findet sich in L vent d‘est vielmehr in den langen Monologen, mit dem guten Ruf, welcher vom Kino wegführt hin zum »Realen« (selbst- die über den Bildern liegen. Die GDV selbst sprechen von dem Wunsch, verständlich einem zu ändernden »Realen«). Von diesem Ort sind die Filme die Bilder zu neutralisieren, »indem man sie ebenso systematisch wie die von Godard seit La Chinoise ausgegangen. In Tout va bien, Numéro Deux  Referenten eines anderen Diskurses entstehen lässt – dem des Tons« (Le und Ici  et Ailleurs hat die familiäre Wohnung das Klassenzimmer ersetzt, Groupe Dziga Vertov 1972: 9, Übers. FK). Sie zeigen überwiegend die Vor- und das Fernsehen ist an die Stelle des Kinos getreten. Aber das Wesentliche bereitungen zu einem Filmdreh, die immer wieder unterbrochen werden bleibt: Leute, die einander schulen (ebd: 86). durch die gedrehten Szenen selbst. Der Diskurs des Films über die Aufga- ben des militanten Revolutionärs, der einen Film dreht, kreist auch über Godard selbst hat die Leinwand, beziehungsweise den Fernsehschirm – im das Verständnis und die Möglichkeiten des Kinos. Godards bekannter Satz Französischen übrigens das gleiche Wort: écran – mit einer Tafel verglichen, »Ce n‘est pas une image juste, c‘est juste une image«, ein handschriftli- einer Tafel, die zur Unterstützung des Unterrichts dient und auf der auch cher Insert in dem Film, bringt es auf den Punkt. Zuvor hatte man ein Pla- geschrieben wird: kat eingeschnitten, auf dem Stalin und Mao abgebildet waren, die wegen Pendant la projection d‘un film impérialiste, l‘écran vend la voix du patron au Mordes gesucht wurden. Auf der Tonspur wird über die richtigen und die spectateur: la voix flatte, réprime ou matraque. Pendant la projection d‘un film falschen Aspekte des Bildes gesprochen, was man noch zeigen müsste, um révisionniste, l‘écran est seulement le haut-parleur d‘une voix déléguée par le dem Inhalt, den man transportieren möchte, gerecht zu werden, dass man peuple mais qui n‘est plus la voix du peuple, car le peuple regarde en silence die Inhalte nicht in einem Bild verdichten könne, dass es immer mehrerer son visage défiguré. Pendant la projection d‘un film militant, l‘écran est simple- Bilder und einer Tonspur bedarf. In der Montage werde der Filmdreh wieder ment un tableau noir ou un mur d‘école qui offre l‘analyse concrète d’une situ- lesbar, beschreibt es die Gruppe selbst, nun könne man den Film wieder ation concrète …» (Godard pour Le Groupe Dziga Vertov 1985 [1969]: 338).35 wie eine Arbeit, ein Experiment und eine Kampferfahrung verstehen (cf Le groupe Diziga Vertov 1972: 38). Vent d‘est ist eine Un- Sowohl die Ciné-tracts 36 (F 1968) als auch die Filme der Groupe Dziga Ver- „ »L‘un des objets de Vent d‘est est donc  tersuchung über die Rolle von Ton und Bild im Film, ƒ tov waren dafür gedacht, in Meetings gezeigt zu werden, um anschließend la critique du cinéma; il n‘est plus ques- die Filmkratzer als Symbol für Chaos sind dabei vielleicht darüber diskutieren zu können. Das Kino, die Leinwand, die Filmtechnik wird tion d‘images fausses et de sons justes  noch der konventionellste Moment. entzaubert, ist bloß noch ein – wenn auch mächtiges – Mittel im revolutio- […] il est question d‘interroger les images  Serge Daney hat die Filme, die Godard ab den spä- nären Kampf. „ Gerade die Ciné-tracts, die Film-Flugblätter, waren so kon- et les sons, leur rôle dans la produc- ten 60er Jahren alleine oder im Kollektiv gedreht hat, mit zipiert, dass sie zu jeder Zeit an irgendeine Stelle projiziert werden konnten. tion matérielle des effets idéologiques«  »thérrorisé« umschrieben, einer Mischung aus Theoreti- Sie waren und wurden in der Kamera geschnitten, die Kopien wurden so, (Le groupe Dziga-Vertov 1972: 37). sieren und Terrorisieren. Daney schreibt, dass die Begeg- wie sie aus dem Kopierwerk kamen, für 50 Francs, den Preis der Entwick- 290 – 291 lung, verkauft (cf Dixon 1997: 103). Meist wurden Fotografien und Texttafeln Proteste gegenüber und macht sie so zu revolutionären Ausrufen. Die Godard abgefilmt, die nacheinander von einer Kamera auf dem Stativ fotografiert zugeschriebenen Ciné-tracts 18 und 19 39 hingegen kommen ohne Zwischenti- oder mit Hilfe eines Tricktisches abgeschwenkt wurden.37 In einem Aufruf tel aus und montieren einzelne Fotos vom Aufbau der Straßenbarrikaden hin- zur Beteiligung mit dem Titel »Ciné-tractez«, das auf den Etats généreaux du tereinander – ein kurzer Film über die Blockaden. Andere wie der Ciné-tract 27 cinéma verteilt wurde, wurde eine Anleitung folgendermaßen beschrieben: bestehen überwiegend aus Zwischentiteln, die in Form eines Alphabets ein- zelne Wörter aufzählen und anschließend die entsprechenden Bilder zeigen: ƒ Der Film zur Befreiung der Arbeiter:  C‘est 2‘44‘, (soit une bobine 16mm de 30 mètres à 24 images/se- »H comme Habitant«, gefolgt von Aufnahmen sehr ärmlicher Wohnverhältnis- Am Anfang von Classe de lutte (Le  cone) de film muet à thème politique, social ou autre, destiné à se oder bloß der Buchstabe »P« und den anschließenden Fotos von Fäusten, groupe Medvedkine de Besançon, F  susciter la discussion et l‘action. Pourquoi? Pour: contester, pro- französisch »poing«. Ciné-tract 23 schreibt den oben aufgeführten Satz aus Le 1968) steht folgender handschriftliche  poser, choquer, informer, interroger, affirmer, convaincre, penser, gai savoir weiter, (S. 260f.) wobei einige Sätze auf neuen Bildern stehen: »dans Satz an der Wand: »le cinéma n‘est pas  crier, rire, dénoncer, cultiver. Avec quoi? Un mur, une caméra, une notre ambition / de révolutionnaire / nous tâcherons d‘amour / aussi vite que une magie c‘est une technique et une  lampe éclairant le mur. Des documents, photos, journaux, dessins, possible / ouvrant le chemin / mais nous savons / qu‘il nous faut / toute notre science une technique née d‘une science  affiches, livres, etc., un crayon-feutre, du scotch, de la colle, un force dans la masse des travailleurs / et que celle-ci pourra / avancer / plus ra- et mise au service d‘une volonté qu‘ont  mètre souple, un chronomètre. Comment? L‘ordre des documents pidement / si nous si nous / la stimulons avec / notre exemple«. 40 les travailleurs de se libérer.« Der Spruch  à filmer et leur durée est primordial. Il faut donc faire un petit scé- Ciné-tract 8 zeigt den typisch handschriftlichen Godard-Titel: einzelne steht über dem Schneidetisch, auf dem  nario ou plan de travail. Tourner en image par image le ciné-tract Wörter wiederholen sich mehrmals, werden in Variationen unterschiedlicher die Protagonistin sich zu Beginn Teile  en continuité, dans l‘ordre de projection et sans blancs intermé- räumlicher Ausrichtung geschrieben und über den Platz der Seite verteilt. des Films ansieht. Die Anfangssequenz  diaires. Normalement, le ciné-tract doit être utilisé sans monta- Auch die Wortspiele, die sich bis heute in den Filmen finden, erscheinen macht die Produktionsmittel des Films  ge. Il doit être prêt à être utilisé dès la sortie du laboratoire.38 dort, so wird aus »la révolution« »l‘art évolution«. Der Zusammenhang zwi- insgesamt sehr deutlich, indem z.B. auch  (de Baecque 2010: 426) schen den Titeln und den Wörtern ist dabei nicht immer schlüssig: Mal be- Kameras gefilmt werden. Die Groupe  Die meisten der Ciné-tracts haben Zwischentitel oder Wör- schreiben die Titel das folgende Bild, an einer anderen Stelle muss der Bezug Medvedkine, die unter anderem von  ter, die über die Bilder geschrieben wurden, ohne dass die- vom Zuschauer konstruiert werden, da er sich nicht eindeutig erschließt. Chris Marker ins Leben gerufen wurde  se jedoch die Bilder erklären würden oder einen Kommentar Die Leinwand wird zur Tafel (und Ciné-tract 29 präsentiert seine Zwischenti- (an Classe de lutte hat auch Godard  lieferten. Die Sätze ergänzen sich teilweise, werden durch tel auch mit weißer Kreide auf einer schlecht gewischten Tafel), auf der sich mitgearbeitet), hatte sich zur Aufgabe  die Bilder unterbrochen, wiederholen sich, bleiben unver- aber nicht nur die Bilder, sondern auch die Wörter einschreiben. Wörter und gemacht, im Kollektiv mit Arbeitern der  ständlich und bilden nicht selten gar keinen direkten Bezug Bilder sind Elemente dieser Tafel, erscheinen darauf als selbstverständlicher Fabriken unter anderem in Belfort Filme  zu den Bildern. Die Texte sind hier nicht belehrend oder ein Teil »godardscher Pädagogik«. Die Schrift greift einzelne Wörter oder Sätze zu machen und sich anschließend das  verfremdendes Element, vielmehr bringen sie teilweise ein auf und bindet den Diskurs immer wieder auf das Bild, die Tafel zurück. Ergebnis gemeinsam anzusehen. Im Un- poetisches Moment mit in den Film hinein, so dass manche »C‘est de l‘homéopathie, c‘est du vaccin. Les sérums sont pris dans des tis- terschied zur Groupe Dziga Vertov war  Ciné-tracts eher poetischen Filmen wie Manhatta ähneln sus malades, qu‘on injecte à d‘autres, qui fabriquent des anticorps, etc. […] nicht bloß der Film der Gruppe Diskussi- als Agitationsfilmen. Oft geht es um den Aufruf zum Wi- dont on peut se servir, comme d‘un outil« (Godard 1985 [1980]: 408).41 onsgegenstand in den Meetings, sondern  derstand und zur Organisation, wozu dann Bilder von Stra- Diesem Prinzip bleibt Godard auch in den beiden Miniserien treu, die auch die gemeinsame Arbeit am und im  ßenschlachten oder Demonstrationen gezeigt werden. Ciné- er Mitte der 70er Jahre zusammen mit Anne-Marie Miéville gedreht hat. Film, die entsprechend diskutiert wurde. tract 11 setzt abgefilmte Slogans aus Zeitschriften Fotos der Die zweite, France Tour Détour Deux Enfants (F 1977-8), portraitiert zwei 292 – 293 Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Jeweils eins der beiden Kinder wird pro Folge an einem alltäglichen Ort gezeigt, an dem Godard ihm Fra- gen stellt. Diese Fragen insistieren auf kleinen Details, verändern Wörter, lenken ab, um zum Ziel zu kommen. Man hat diese Art des Fragens mit einer Vergewaltigung verglichen (cf Godard 1982), dabei sind sie für die passiv Zuhörenden wahrscheinlich merkwürdiger als für jene, denen sie ge- stellt werden: »Die Fragen Godards in den Fernsehsendungen sind immer geradeheraus. Sie verwirren uns, die wir zuhören, aber nicht den, an den sie gerichtet sind« (Deleuze 1993: 57). So wird eines der Kinder gefragt, ob denn die Mutter des Mädchens Geld für die Hausarbeit bekäme (bekommt sie nicht) und ob das denn dann keine richtige Arbeit sei „ »[Ich habe, FK] eher so etwas, was  (ist es doch). Ein andermal ist das Mädchen dabei, einen man gemeinhin Forschung nennt [ge- Satz für eine Strafarbeit mehrmals abzuschreiben, worauf- macht, FK]. Im Bereich von Film und  hin er sie in ein Gespräch darüber verwickelt, warum sie Fernsehen gibt es keine Forschungs- jetzt abschreiben müsse, wo sie doch in der Klassenarbeit unternehmen wie in der Autoindustrie  nicht abschreiben dürfe, und welchen Wert das Kopieren oder der pharmazeutischen Industrie.  im Sinne von Arbeit hat. Eine große Produktionsgesellschaft mit  Die Serie ist eine Forschungsarbeit ƒ über die Spra- einem Umsatz von 10 Milliarden Francs  che. Godards Anliegen ist es, über das Medium zu re- (alte Francs) opfert nicht drei, vier oder  flektieren, indem er denjenigen eine Plattform bietet, zwanzig Prozent ihres Budget für die  die darin normalerweise nicht auftauchen. Seine Taktik Forschung. Aber genau das habe ich  in den Interviews besteht besonders in dieser zweiten versucht; denn ich hatte das Bedürfnis  Miniserie darin, nicht infrage zu stellen, welche Ant- danach« (Godard: 1981: 45). worten er bekommt und von wem er sie bekommt. Vielmehr interessiert es ihn, was man dieser entgegenstellen könnte (cf Daney 2000 [1976]: 88f). Von Schrifteinblendungen macht Godard hier nur moderaten Ge- brauch, einzelne Wörter werden wiederholt in Pixelschrift auf das Bild be- zogen, zwei Wörter sind es, die in allen zwölf Folgen immer wieder auftau- chen: »vérité« und »histoire«. Beide jeweils ohne konkreten Bezug zum Bild oder zum Ton. »Vérité« erinnert dabei an Godards Suche nach der Wahrheit in den Bildern des Fernsehens, die es aber in dieser Serie Aumont zufolge nicht gibt (cf Aumont 2007: 300f.). Das andere Wort »Histoire« erscheint immer wieder unterschiedlich gesetzt, häufig dabei so, dass das »toi« im 294 – 295 Wort isoliert steht und damit die Zuschauer adressiert. allem in den ersten Teilen kommt Schrift als ein sehr häufig eingesetztes Godard unterstreicht sein Anliegen, dass im Fernsehen Element zum Tragen. Diese greift Worte auf, blinkt in Pixelschrift über den nicht die Leute zu sehen sind, von denen man eigent- Bildschirm, formt Kalligramme oder wird mittels eines Telestrators direkt auf lich sprechen müsste, Fabrikarbeiter, allein erziehende das Bild geschrieben. Mütter, Personen, denen er in der vorhergehenden Mi- In der ersten Folge (1A: Y a Personne) erscheinen mehrere Frauen zu niserie Six fois Deux ein Forum geboten hatte. Am Ende einem Vorstellungsgespräch bei Godard, der sich als Fernsehproduzent aus- einer jeden Folge übernehmen zwei Fernsehmoderatoren, gibt. Seine Fragen kreisen um den Wert von Arbeit und die Ausbildung. Am Albert und Betty, das Gespräch 42 und unterhalten sich Schluss lässt er eine der Frauen probehalber Staubwischen und -saugen. Im noch einmal über einzelne Aspekte der jeweiligen Episo- zweiten Teil spricht der Bauer Louison die gesamte Folge lang ohne Unter- de, indem sie den Aspekt der Geschichte aufnehmen und brechung über seine Arbeit, dass diese nur von außen einfach aussieht, dass immer mit den gleichen Worten einleiten: er als Selbständiger aber sehr viel Verantwortung für die Bevölkerung trage und dass alles zusammenhänge, dass klimatische Veränderungen in anderen »Ich denke jetzt, dass man eine Geschichte bräuchte, und nicht, Teilen der Welt auch den Preis für Lebensmittel in Frankreich veränderten. ich meine, nicht ihre eigene Geschichte. Nicht eine Geschichte, Louison redet sich mitunter stark in Rage und wird nur sehr wenig von Go- die von ihr käme, sondern sie, die von einer Geschichte käme. dard gefragt. An einer Stelle wird das Interview kurz unterbrochen und eine Und die beiden, aber die beiden zuerst. Sie zuerst und die Ge- Tafel eingeblendet, auf der steht, dass der Zuschauer bedenken solle, dass schichte danach. Die Geschichte zuerst und die danach. Oder Louison Recht hat, auch wenn er zu viel redet. darüber und darunter.« 43 Six Fois Deux ist ein radikales Projekt: sehr lange Einstellungen, die Six Fois Deux, die Serie, die Godard und Miéville zuvor zudem häufig ungewöhnlich kadriert sind, sowie lange, ausufernde Ge- realisiert haben, trägt im Untertitel ebenfalls das Drüber spräche und Monologe sind eine Herausforderung im Fernsehprogramm. und Drunter: Sur et sous la communication. Die Serie Kritisiert wird das Anliegen der Serie und insbesondere auch die erste Dop- besteht aus sechs Doppelfolgen, eine Folge dauert zwi- pelfolge, in der das Thema der Sprache und des Dazwischen noch nicht schen 40 und 60 Minuten. Das Konzept der Doppelfolgen wird in der Serie präsent ist, im zweiten Teil der zweiten Folge (2B: Jean-Luc), die aus einem selbst erläutert: Sechs Folgen, so wie es sechs Arbeitstage in der Woche Interview mit Godard besteht, sowie im ersten Teil der sechsten Folge, in gibt, sechs mal zwei, in zwei Teilen, so wie es Morgen und Abend, klein der noch einmal alle einzelnen Teile durchgegangen werden. Im ersten Teil und groß, Mann und Frau, vorher und nachher, Arbeit und Freizeit gibt. der zweiten Folge (2A: La Leçon des choses) unterhalten sich zwei Männer Die Sendungen des Abends sind die mit den Vornamen, die des Tages die beim Kaffeetrinken, man sieht von ihnen dabei jeweils anderen. Das Anliegen des Projekts ist u. a. eine permanente Reflexion über nur die Hände an einer Tasse. In ihrem Gespräch geht es das, was man nicht sieht, beispielsweise über die Grenze zwischen zwei Lie- um die Bedeutung von Bildern, die Interpretation sowie benden, die dadurch eben nicht eins, sondern drei werden, über das Innen, die sich verändernde Bildbedeutung durch Montage. So das Außen und das Dazwischen und, was diese Grenzen überwindet: Arbeit. wird während der Unterhaltung erst das Foto eines Ba- Dabei wählen sie jeweils im ersten Teil einen weiter gefassten, abstrakte- bys gezeigt und dann das von Schulkindern, woraufhin ren Zugang, wohingegen der zweite Teil aus einem Interview mit einer Per- einer der Männer meint, er sehe Kriegsgefangene, da die son besteht, dessen Vorname dann auch den Titel dieser Folge bildet. Vor Kinder hinter einem Zaun seien. In diesen Umdeutungen 296 – 297 oder Neuinterpretationen der Bilder wird das Programm von Godard und ihrem Neugeborenen zu sehen ist. Godard und Miéville separieren die bei- Miéville besonders deutlich. Vertraute Gegenstände oder Bilder werden in den durch eine Linie. Aus dem Off zieht er die Parallele zur Lacan‘schen neue Zusammenhänge gebracht, indem man sie mit einem anderen Ele- Theorie, nach der durch das Erkennen des anderen eine Abspaltung im Ich ment, im Bild oder auf der Tonspur, konfrontiert. Auch wenn die beiden erfolgt. Den Kreislauf von »eins« (Baby) über die Linie zu »zwei« (Mut- Männer am Ende der Folge versuchen, mittels der neu gedeuteten Bilder ter) nennt Godard Kommunikation. Die Linie ist das Medium, die die Kom- Sätze zu formen, indem sie hintereinander gezeigt werden, geht es doch munikation überhaupt erst ermöglicht. Ohne Grenze kein Anderes, keine weniger um den Eisenstein‘schen Versuch, mittels der Montage zu verba- Kommunikation. Der erste Teil der nächsten Folge (5A: Nous Trois) führt lisierbaren Aussagen zu gelangen. Godards und Miévilles Anliegen besteht diesen Gedanken weiter aus, indem neben den Übermalungen als weite- vielmehr darin, die Bilder dadurch frei zu legen, zu verdeutlichen, was sie res Element der Split-Screen auftaucht, der im Video auf einem Mischpult ihrer Meinung nach wirklich zeigen und was in der sonst vorherrschen- durch eine einfache Hebelbewegung, die manchmal auch auf der Tonspur den Form visueller Kommunikation verdeckt wird. Eines der Werkzeuge in zu hören ist, variabel herzustellen ist und so das Gesicht eines Mannes und diesem Prozess ist der Teles trator.44 Dieser hat den Vorteil, nicht nur den einer Frau immer wieder neu zusammensetzt. Schreibprozess zu verdeutlichen, sondern es ist auch möglich, damit di- In der gesamten Serie machen Godard und Miéville reichen Gebrauch rekt auf dem Bild zeichnen zu können. Die Zeichnungen oder Wörter, die von videotypischen Elementen. Neben den langen Einstellungen (bis zu 40 Godard/Miéville auf dem Telestrator machen beziehungsweise schreiben, Minuten) sind das die Schrifteinblendungen, Effekte und der Teles trator, werden auf dem Videobild zeitgleich gezeigt. Man sieht also, wie ein Wort mit dem immer wieder auf das Bild oder auf schwarzem Hintergrund ge- geschrieben wird und Linien gezogen werden. Mit Kreisen und Pfeilen skiz- schrieben und gemalt wird. Für Deleuze entsteht damit etwas Neues, dem zieren sie in der Folge 2A ihre Idee des Kreislaufs: von nicht mehr so einfach der Vorwurf der bürgerlichen Ideologie gemacht wer- „ Godards Auffassung zufolge ist ein  einem Haus geht der Pfeil zu einer Fabrik und dann wie- den konnte, wie noch einige Jahre zuvor La Chinoise (siehe S. 286ff.). »Und Kommunikationsmittel nicht ein Medium,  der zurück zum Haus. Auch die Kaffeetasse wird dabei wenn Godard eine schwarze Fläche auf dem Bildschirm einführt, auf die er sondern ein Ort, an dem geredet wird,  umrandet, als Zeichen des visuellen Mittelpunktes des schreibt, so macht er daraus nicht ein abgefilmtes Objekt, sondern aus der der das Reden begünstigt: »Heute glaubt  Gesprächs. In dieser Folge ist sie das Medium, das das schwarzen Fläche und der Schrift macht er ein neues Mittel des Fernsehens, man zu kommunizieren, aber man tut  Gespräch transportiert. Immer wieder wird betont, dass es nicht. Die Orte der Kommunikation  man ja schon viel Kaffee getrunken habe, nur so könne sind die Kommunikationsmittel. Aber in  das Gespräch in Gang gehalten werden. ƒ Dann führen ein em Flugzeug, einem Zug, wo Leute  sie ein, was das Thema der restlichen Serie bleiben soll: zusammen sind, spricht keiner mit dem  die Linie als Trennung und Element. Sie zeichnen zwei anderen. Dabei ist man mittendrin in  Teile eines Ganzen, zwei Tiere, zwei Menschen, die in der den Kommunikationsmitteln. Im Kino  Paarung eins werden, ohne jedoch die Grenze zwischen schweigt man, nur die Leute auf der  ihnen zum Verschwinden zu bringen. Immer wieder malt Lein wand reden, nachher geht man raus,  Godard eine Linie zwischen diese beiden Elemente. Die und keiner würde sich trauen, etwas zum  Grenze ist bei ihm ein Drittes, man wird nicht eins, son- Nachbarn zu sagen, wenn er ihn nicht  dern drei. In Folge 4A: Pas d‘histoire zeigen Godard und kennt« (Godard 1984: 43). Miéville eine Reihe von Fotos, auf denen eine Frau mit 298 – 299 so etwas wie eine Ausdruckssubstanz, die ihren eigenen Strom hat, im Ver- Godard hat eine schöne Formel: Nicht ein richtiges Bild, sondern nichts hältnis zu anderen Strömen auf dem Bildschirm« (Deleuze 1993 [1976]: 66). weiter als ein Bild. Auch die Philosophen müßten sagen, und sie müßten In Folge 5B: René(e)s wird das godardsche Verfahren der Tafel ge- auch dahin kommen, es zu machen: nicht richtige Ideen oder Gedanken, son- spiegelt. Hier interviewt er den Mathematiker René Thom, der vor einer dern nichts weiter als Gedanken. Denn richtige Gedanken, das sind immer Tafel mit Zahlen und Skizzen versucht, seine Formel einer Katastrophe zu noch Gedanken, die mit herrschenden Bedeutungen oder etablierten Losun- erklären. Godard zeigt sich zunächst beeindruckt davon, dass Mathemati- gen konform gehen, es sind immer noch Gedanken, die etwas bestätigen, ker behände Zahlen, Buchstaben und Bilder miteinander kombinieren, wird auch wenn dieses Etwas erst noch kommt, auch wenn es die Zukunft der Re- im Laufe der Ausführungen jedoch uneins mit ihm, da René an der Linea- volution ist. »Nichts weiter als Gedanken« ist dagegen Gegenwärtig-Werden, rität von Zeit festhält, wohingegen Godard bei dieser Serie vom Kreislauf es ist ein Stottern in den Gedanken, es läßt sich nur in Form von Fragen ausgeht, weshalb er an einer Stelle auch »faux« über das Videobild schrei- ausdrücken, die die Antworten eher zum Schweigen bringen. Oder es ist das ben muss. So plump dieser Kommentar in diesem Moment auch erschei- Zeigen von etwas Einfachem, das alle Beweisführungen über den Haufen nen mag, so sehr verdeutlicht er aber auch den Unterschied von Godards wirft (Deleuze 1993 [1976]: 57ff.). Fernsehtafel zu einer sonst üblichen Tafel: Godard und Miéville schreiben über die Bilder. Sie kommentieren indem sie konfrontieren, wohingegen auf Godards Anliegen, die Bilder zu befreien, sie aus ihren ursprüng- einer Tafel festgehalten und fortgeführt wird. Wenn kein Bild als Hinter- lichen Kontexten zu lösen und in neue, auch unmögliche, Zusammen- grund da ist, wird dieses durch sein Fehlen evoziert. Godard schreibt auf die hänge zu bringen, lässt sich bis zu seinem Projekt Histoire(s) du ciné- Bilder, »um uns zu helfen, sie zu hören« (Silverman, Farocki 1998: 142). ma verfolgen, in dem die neue Montage von Filmbildern herausarbeiten Man müsse im Fernsehen die Sachen einschreiben, damit man sie kritisieren möchte, was die Bilder wirklich in sich tragen, wenn man sie aus dem kann, sagt der Mann in 6A: Avant et après. Dieser spricht noch einmal über ursprünglichen Kontext löst. Für Deleuze geht es bei Godards Methode, das Konzept der Serie und geht dabei auch auf die einzelnen Folgen ein. die er spätestens seit Ici et Ailleurs (mit Anne-Marie Miéville, F 1976) an- Bei aller (Selbst-)Kritik, hält er auch fest, dass man nun mit dieser Folge wendet, nicht um den Zwischenraum zweier verknüpfter Bilder, sondern bei der Geburt des Fernsehens angelangt sei. Sie hätten erkannt, dass es um den größtmöglichen Abstand zweier Bilder. Die Bilder werden nicht interessanter sei, über die Leute zu berichten als über ihre Produkte. Der im Hinblick auf die Verknüpfung, sondern den Zwischenraum gewählt, Mann spricht merkwürdig stockend, was daran liegt, dass er einen Kopf- nur so lässt sich die Abfolge von Hitler auf Golda Meir in Ici et Ailleurs 45 hörer trägt, über den ihm der Text eingegeben wird, den er sprechen soll. erklären (cf. Deleuze 1997: 233f). Das Interessante an der Serie ist, dass Godard macht somit diesen Mann zum Medium, und es ist sein stockendes dieser Abstand sich nicht allein auf den Zwischenraum zweier Bilder be- Reden, das Deleuze in seinen Betrachtungen zu dieser Serie als durchgängi- zieht, sondern auch mit nur einem Bild entstehen kann – so vor allem in ges Prinzip erkannt hat: der Folge 3A: Photos et Cie. Es geht hier um die Arbeit der Medien, die Passivität der Reporter gegenüber den Ereignissen, über die sie berich- In gewisser Weise handelt es sich immer darum zu stottern. Nicht im Spre- ten. Gegenübergestellt wird dem in 3B: Marcel, ein Schweizer Uhrmacher, chen zu stottern, sondern in der Sprache selbst. Im allgemeinen kann man der in seiner Freizeit Super8-Filme dreht und sich, obwohl sich die Hand- Fremder nur in einer anderen Sprache sein. Hier dagegen geht es darum, bewegungen am Schneidetisch und in der Uhrenfabrik stark ähneln, wei- Fremder in der eigenen Sprache zu sein. […] dazu hat er [Godard, FK] sogar gert, das Drehen seiner Filme als Arbeit zu bezeichnen. seinen schweizerischen Akzent perfektioniert. […] 300 – 301 In der zweiten Hälfte von 3A zeigen uns Godard und Miéville Aufnahmen und plastisch von den grausamen Geschehnissen dieses Tages erzählt. Aber vom Parteitag der kommunistischen Partei Frankreichs, deren Vorsitzen- durch die immer wieder langsam und handschriftlich entstehenden Wor- der sich in der Rede über die Darstellung seiner Partei in den Medien be- te schaffen es Godard/Miéville, die Aufmerksamkeit an das Bild und das schwert. Godard und Miéville demonstrieren in den Ausschnitten und durch furchtbare Geschehen, das darauf zu sehen ist, zu binden, so dass die Fo- den Einsatz des Telestrators, dass diese Rede aber wiederum speziell für die tografie eben nicht zu einem abstrakten Ergebnis aus geschickt gewählter Medien inszeniert wurde, da die Kameras und Fotoreporter prominent an Blende und Belichtungszeit wird, das die Verbrechen an den Gefangenen der Bühne des Redners Platz nehmen und ihre Anwesenheit zudem eine zeigt und bei dem man, nach dem man es sich einige Sekunden in der Zeit- Grenze zieht zwischen dem Redner und der Parteibasis, schrift angesehen hat, weiterblättern kann. Der Fotograf befürchtet selbst, „ Zu einiger Berühmtheit hat es der  die weiter hinten, hinter der Presse Platz nehmen muss.ƒ wie er sagt, dass die Leser sich in den Magazinen sein Foto zwar anschauen, Schluss der Folge gebracht: Anne- Zu Beginn der Folge werden einige Werbenzeigen dann aber zu Brigitte Bardot umblättern werden. Miéville/Godard visuali- Marie Miéville demonstriert dort, was  für Fotoapparate hintereinander montiert, anschließend sieren diesen Effekt, indem sie an dieser Stelle kurz ein Foto von drei fast eine Zeitschrift zusammenhält, indem  das Bild einer öffentlichen Hinrichtung aus dem Bangla- nackten Models einschneiden. sie jede Seite eines Magazins, auf der  desch-Krieg, auf dem ein Gefangener mit Bajonetten er- Durch die scheinbare inhaltliche Redundanz der Schrift wird man im- Werbung gedruckt ist, herausreisst:  mordet wird. Dieses Bild bleibt für ca. 15 Minuten stehen, mer wieder gezwungen, die Schrift auf das darunterliegende Bild zu bezie- übrig bleiben einige lose Seiten, für sie  während aus dem Off der Fotograf 46 über die Entstehung hen und das Bild in seiner indexikalischen Funktion zu rezipieren. Zugleich der Beweis, dass nur Werbung die Zeit- des Fotos berichtet. Dabei greift Godard einzelne Worte wird die Arbeit an dem Bild mit der Arbeit der Soldaten verglichen. Ohne schrift zusammenhält. aus dem Monolog immer wieder heraus 47und schreibt sie dass Godard/Miéville es aussprechen würden, entsteht somit die Parallele, über die gezeigte Fotografie, so dass sie teilweise durch dass sowohl der Fotograf als auch die Scharfrichter für ihre Arbeit bezahlt ihre Platzierung auf dem Bild einen zusätzlichen Kom- werden und in gewisser Weise vom Tod der Gefangenen profitieren. Da- mentar zu der Beschreibung des Fotografen abgeben: an durch, dass der Schrift zudem die Möglichkeit zur exklusiven Kommunika- einer Stelle spricht er von seiner Arbeit, und indem Go- tion von Inhalten genommen wird, tritt ihr bildlicher Status stärker in den dard das Wort travail aus dem Monolog herausgreift und Vordergrund, als das in den zuvor angeführten Beispielen der Fall ist. Ein auf das Bild schreibt, stellt er die Arbeit des Fotografen, Schrifteinsatz, der stärker an den grafischen und konzeptionellen Möglich- die ja in der Fotografie nicht mehr sichtbar ist und wes- keiten interessiert ist, kann die Aufmerksamkeit wieder stärker auf das Bild wegen der Fotograf möglicherweise auch so ausführlich lenken, auf dem sie erscheint. Hier wird deutlich, dass Schrift ein filmisches darüber berichtet, den mordenden Soldaten gegenüber. Gestaltungsmittel sein kann, unabhängig davon, wie sehr sie in den Illusi- Wie in Dear Phone hat die Schrift hier keine textkommu- onsraum des Bildes integriert wird. nizierende Aufgabe. Weder ergeben die einzelnen Wör- Das Über-die-Bilder-Schreiben mittels des Telestrators macht auch ter einen neuen Sinnzusammenhang durch Reihung noch die Manipulation des Bildes deutlicher. Ein Foto abzufilmen, auf das ge- müssen sie ausgeschrieben werden, da sie andernfalls schrieben wurde, wie in Le Gai Savoir, schmilzt die beiden Ebenen Foto und unverständlich blieben. Die Zuschauer in Photos et Cie Schrift zu einer, der abgefilmten, zusammen, wohingegen das Instrument werden durch die Schrift immer wieder an das Bild ge- des Teles trators immer wieder den Autor hinter dem Bild zeigt - und im Fall bunden. Ohne die Schrift würde der Blick sich womöglich von Photo et Cie ist das nicht der Fotograf. Die Handschrift betont zudem schnell nach innen kehren, da der Fotograf eindringlich den Aspekt der Arbeit, im Gegensatz zur ebenfalls in der Serie verwende- 302 – 303 ten Pixelschrift, die eher für das Maschinelle und das Medium steht (daher deutlich, dass sein Film über die Filmgeschichte nicht außerhalb derselben ist auch der Vor- und Abspann in dieser Schrift gesetzt). Außerdem bietet steht, da die Credits – die sich darauf beschränken, die Geldgeber zu nen- dieses spezielle Instrument Godard und Miéville eine zusätzliche dramatur- nen – visuell nicht aus der übrigen Serie herausgelöst werden. gische Möglichkeit, man sieht der Schrift im Entstehen zu, sie bekommt Den Verweis auf die Entstehung der Schrift hat Godard diesmal ins dadurch noch eine andere Zeitlichkeit als ein einfacher Zwischentitel. Sie Bild selbst gelegt. Immer wieder ist er hinter einer Schreibmaschine „„ zu blenden die Schrift mit dem Bild und Ton ein, nicht bloß darüber. sehen, auf der er langsam und überlegt tippt, dabei Wörter wieder löscht und durch andere ersetzt, ähnlich dem word processing in Numéro Deux (F Histoire(s) du cinéma 1975), bei dem immer wieder einzelnen Wörter in Pixelschrift vor Schwarz Seit den 80er Jahren verwendet Godard hauptsächlich die Helvetica als erscheinen, bei denen sich einen Buchstabe nach dem anderen ändert, bis Schrifttype in seinen Filmen. Obwohl sie eine der am meisten verbreiteten ein anderes Wort an dem Platz steht. Seine Schreibmaschine verfügt über Schriften ist, sind seine so markierten Bilder trotzdem schnell als »Godard- einen einzeiligen Speicher, in den man die Wörter eingibt, die auf einem Bilder« zu identifizieren, was vor allem an der Schriftgröße und dem Um- kleinen Display sichtbar sind. Beim Auslösen der Return-Taste wird die gan- bruch liegt. Im Vergleich zur Hand- oder Pixelschrift ist der deutlichste ze Zeile aufs Papier gedruckt. (Man sieht Godard aber immer nur von vorne, Unterschied, dass die Schrift nun nicht mehr im gleichen Maße auf ihren also nie, was er schreibt.) Das hat den Vorteil, dass Godard beim Sprechen Entstehungsprozess beziehungsweise das Medium verweist. Godards Hel- tippen kann, man somit hört, was er schreibt, indem er es sagt, bevor sich vetica-Versalien sind gut und leicht lesbar, häufig in verschiedensten Kon- anschließend im Geräusch der maschinellen Reproduktion das Gesagte auf texten verwendet und somit auch vergleichsweise frei von Konnotationen. dem Papier manifestiert. Godard und die Schreibmaschine werden zudem Die Art und Weise wie Godard sie einsetzt, ähnelt allerdings dem Schriftein- auf eine Art und Weise einmontiert, dass es fast so wirkt, als wäre dieses satz in seinen anderen Filmen: oft werden nur einzelne Wörter über das Bild gesetzt, diese nehmen relativ viel Raum ein, der Umbruch – oftmals „„ Schreibmaschine im Godard-Film auch innerhalb eines Wortes – ist häufig ungewohnt und ergibt mitunter In  den Histoire(s)  ist  die  Schreibmaschine  ein Medi- buchstäblichen  Sinn  reproduzierende  Bewegungen.  neue Bedeutungen. Trotzdem bringt die Wahl der Helvetica eine Verände- um neben anderen, in Comment ça va? (Jean-Luc Go- Diese  Art  des  Schreibens  steht  in  deutlichem  Kon- rung in den Godard‘schen Schrifteinsatz, der im Folgenden an dem Beispiel dard/Anne-Marie Miéville, F 1978), dem Film über die  trast  zur Handschrift  in  den  Filmen Godards.  In 6x2, der Histoire(s) du cinéma verdeutlicht werden soll, zum einen, da diese wie Schreibmaschine und die Zeitung, war sie noch Haupt- JLG/JLG, aber auch Les Carabiniers ist die Handschrift  darsteller: Der Kopf der Schreibenden war nicht mit im  Symbol einer Einheit von Körper und externalisierter  Six Fois Deux ebenfalls eine Art Miniserie in diesmal acht Teilen darstellt, Bild,  die  Betonung  lag  auf  der  Schreibmaschine  und  Sprache: es  sind die Filmautoren, die die Videobilder  zum andern, weil Godard hier wie in jener frühen Fernsehserie sehr viele die Fragen drehten sich darum, wer die Hände, die da- kritisch beschriften, es  ist Godard, der  im Schein der  Schrifteinblendungen einsetzt. In der Gegenüberstellung dieser beiden Pro- rauf  tanzten,  steuert:  die Maschine  oder  die  Gedan- Schreibtischlampe seine Cahiers füllt, und es sind die  jekte verdeutlicht sich der augenscheinlichste Unterschied im Schriftein- ken, die sich darauf formten, oder der Chef, der diese  Hände skrupelloser Söldner, die zuvor noch gemordet  diktierte? So, wie Godard/Miéville in Comment ça va?  haben, die nun Postkarten nachhause senden. satz: die Schriftgestaltung steht mehr im Vordergrund, Godard bedient sich das  Schreiben  auf  der  Schreibmaschine  filmen,  gibt  Hier  handelt  es  sich  auch  noch  um  eine  analoge  typografischer Elemente wie Schriftfarbe, Laufweite und Satzspiegel. Über es  keinen  direkten  Zusammenhang  mehr  zwischen  Maschine: der Effekt des Tasteneindrucks drückt sich  diese Elemente werden auch die Credits eingewoben. Während die jewei- Schrift/  Sprache  und  der  maschinellen  Reprodukti- sogleich  in  einem Ton  sowie  der  Bewegung  der Ma- lige Folge längst begonnen hat, erscheinen die Hinweise auf die beteilig- on. Anders als in den Histoire(s) verdrängt das direkte  schine aus; in den Histoire(s) gibt es eine Verzögerung  Geräusch der analogen Maschine auch die gleichzeitig  und  damit  die  Möglichkeit  unmittelbarer  Korrektu- ten Produktionsfirmen in der Helvetica. So wie Godard sich selbst mit der ausgesprochene Rede. Und die Großaufnahme tanzen- ren sowie der Betonung der Gedanken, die nicht durch  Filmgeschichte in den Histoire(s) verknüpft, macht er durch diesen Verweis der Finger verkörpert eher ein abstraktes Ballett denn  den Lärm der Maschinen gestört werden. 304 – 305 Motiv eine eigenständige Bild- und Tonspur, die nicht nur partiell zwischen Bild überführt, dass durch Übereinstimmungen einzel- die anderen Bilder des Films geschnitten wird, sondern immer unter diesen ner Bildelemente schnell ein drittes Bild entsteht, das verläuft, ähnlich einem unterirdischen Fluss, und an manchen Stelle, an de- man erst wieder vergessen muss, um den Endpunkt der nen die anderen Bilderschichten poröser werden, an die Oberfläche tritt. Ab Überblendung wahrzunehmen. und zu kündigt das Hämmern der Schreibmaschine im Ton diese schon an, Godards Filmgeschichten sind keine wissenschaft- bevor sie im Bild zu sehen ist. lichen Analysen. Sie sind sich darüber bewusst, dass sie Ästhetisch sind die Histoire(s) am ehesten vergleichbar mit den kür- ebenso sehr ihre Filmgeschichte schreiben wie sie auch zeren Filmen wie Deux fois cinquante ans de cinéma français (Jean-Luc selbst Filmgeschichte sind. Ein Filmausschnitt wird somit Godard/Anne-Marie Miéville, UK/CH/F 1995), De l‘origine du XXIe siècle Godard betrachtet seine Titel in den zu einem Zeugnis, einem Be- und Verweis, aber zugleich Histoire(s) du cinéma (Jean-Luc Godard, (F 2000) oder The Old Place (Jean-Luc Godard/Anne-Marie Miéville, F/ F 1998): »Que peuvent bien signifier ces auch zu einem Baustein in dieser Filmgeschichte, in der USA 2000). Einen Film-Essay hat Aumont sie genannt, eher eine Aufstel- drôles d‘objets, cette étrange collection es nicht auf Chronologie, Vollständigkeit und Genealo- lung von Meinungen und Erfahrungen denn eine Anhäufung von Wissen d‘objets-mots amassée par moi?« (Ge- gien ankommt. Wie in seinem Filmkurs 1978 in Montreal danken, die ihm Jacques Aumont in den (cf Aumont 1999: 10). Diese Filme bestehen zu großen Teilen aus Film- Mund legt, in Aumont 1999: 68f.) und dem daraus resultierenden Buch Einführung in eine ausschnitten, abgefilmten Gemälden und Fotografien, die häufig ineinan- wahre Geschichte des Kinos (1984) versucht Godard, der überblendet werden. Auf der Tonebene findet eine ähnlich komplexe Filmgeschichte mit den Filmen zu schreiben, er ist der Meinung, dass allein Collage statt, in der Musik, von Godard gesprochene Zi- das Kino die Möglichkeit besäße, dies zu tun (cf Godard 2008: 31). Ein „ »Die Grundlage ist vielmehr: Es sind im- tate und O-Ton der Filmausschnitte miteinander verwo- anderes Thema, das in den Histoire(s) immer wieder auftaucht, ist, dass mer zwei, zu Beginn werden immer zwei  ben werden. Auch wenn der Kontrast zweier Bilder oder das Kino nur wenig mit der technischen Evolution zu tun hat, sondern auf Bilder gezeigt und nicht nur eines – das  eines Bildes und eines Tones im Vordergrund steht ƒ, der Praxis der Montage basiert, einer Kunst, die sich, wie er ausführlicher ist es, was ich ›Bild‹ nenne, dieses Bild,  geht es doch nicht darum, jedes einzelne zu dechiffrie- in der Episode 1b Une Histoire seule ausführt, bereits im 19. Jahrhundert das aus zweien gemacht ist, das heisst ein  ren. Schrift, Bild, Ton und Kommentar ergänzen sich an entwickelt hat. Die Technik der Überblendung und der daraus entstehen- drittes Bild … « (Godard 2008: 25). einigen Stellen und driften an anderen wieder deutlich den »Gedächtnisbilder« (Godard 2008: 27) spiegelt sich in der Thematik auseinander. So ist oft dort, wo Godard über konkrete historische Ereig- der »blinden Liebe«. In der Episode 3b Une vague nouvelle geht es dar- nisse spricht, auch historisch dokumentarisches Filmmaterial zu sehen. um, dass er und seine Kollegen von der Nouvelle Vague früher häufig auch Auch wird die Passage über den italienischen Neorealismus in Episode 3a über Filme gesprochen haben, ohne diese zu sehen, da sie nicht verfügbar La monnaie de l‘absolue mit entsprechenden Filmausschnitten unterlegt; waren.49 In der folgenden Episode 4a Contrôle de l‘univers führt Godard Filmausschnitte werden teilweise mit ihrem Titel beschriftet. Gleichzeitig gibt es eine Reihe nicht so eindeutig zuzuordnender Kollagen, bei de- nen dem Interpretieren und Dechiffrieren der Einzelteile jedoch nicht eine solche Wichtigkeit zukommt wie in früheren Arbeiten. Die Ästhetik der Überblendung, die immer wieder Teile eines Bildes nicht nur in andere Bildteile, sondern in deren Struktur hinein überblendet, macht es mit- unter unmöglich, zu erkennen, um welche Bilder es sich genau handelt. Bestimmte Partien werden durch Flicker oder Masken so in das andere 306 – 307 diesen Gedanken weiter: oft, so meint er, erinnere man bar bleiben. Am deutlichsten tritt das in der Technik der Überblendungen auf. „ »man hat vergessen / warum sich  sich an Filmbilder, ohne sie jedoch noch genauer kontex- Auch inhaltlich werden Argumentationen über die einzelnen Folgen mit an- Joan Fontaine / über die Klippe beugt  tualisieren zu können. ƒ deren vermischt und gehen in anderen auf. Die Themen der einzelnen Folgen, […] / und was Joel McCrea / in Holland  Godards Filmgeschichten erzählen sich über Film- wie sie Godard beschreibt (cf Godard 1998 [1988]), beschränken sich nicht machen wollte / man hat vergessen, aus  bilder, die über ihre dekontextualisierende Montage auf die jeweilige Folge allein, sondern setzten sich in den anderen fort und welchem Anlass / Montgomery Clift  immer zweierlei berichten sollen: von dem historischen sind dort teilweise auch deutlicher zu finden. Die Titel der einzelnen Episo- ein ewiges Stillschweigen wahrt / und  Verweis und der narrativen Einbettung – wobei Godards den tauchen in der zweiten Hälfte des Projekts immer wieder in unterschied- warum Janet Leigh vor Bates‘ Motel  Projekt versucht, Letzteres zugunsten des Ersteren zu lichen Folgen auf, der Titel Histoire(s) du cinéma ist in allen Teilen zu finden. anhält […] und warum genau die ame- verdrängen. Die Besonderheit des Kinos, so Godard, sei, Diese werden so noch mal miteinander verwoben und in andere Zusammen- rikanische Regierung / Ingrid Bergman  dass es immer von dieser Dualität spräche, auf die Realität hänge gesetzt. Die Histoire(s) sind auch ein Erinnerungs-Projekt, das Prinzip engagiert hat / aber / man erinnert  zu verweisen und diese gleichzeitig durch die Geschichte der Wiederholung, das von Titeln als auch das von Texten und dem Bild Go- sich an eine Handtasche / aber / man  (im Singular), die damit erzählt wird, zurück zu drängen. dards, eine Erinnerung an den Filmemacher und den Schaffensprozess, die erinnert sich an einen Autobus in der  Die reine Präsenz, so Rancière in der Interpretation der Aumont mit dem postklassichen Kino verbindet, das nicht mehr den trans- Wüste / aber / man erinnert sich an ein  Histoire(s), hatte dem Kino nicht genügt (cf Ranciére parenten Techniken verpflichtet ist (cf Aumont 2000: 97). Die Besonderheit Glas Milch / an einen Windmühlenflü- 2005: 170ff.), es hat sich an die »Todesindustrie« verkauft der Histoire(s), so Aumont, liege darin, dass trotz dieses Kinos des zweiten gel / an eine Haarbürste […] / weil mit  (Godard 1999, II: 61). Nur hierüber entspannt sich die Ar- Grades Godard ein »cinema of contemplation« darstelle (ebd). Rancière macht ihnen / und durch sie / Alfred Hitchcock  gumentation, die in vielen Interpretationen immer wieder vier Brecht‘sche Verfahren aus, die in den Histoire(s) zur Anwendung kom- dort erfolgreich ist / wo Alexander,  hervorgehoben wird: dass sich Godard zufolge das Kino men, aber hier nicht zur sonst üblichen kritischen Distanznahme führen (cf Julius Caesar, Hitler, Napoleon / schei- schuldig gemacht hat, weil es in den Konzentrationsla- Rancière 2005: 162). Er nennt hierfür den Schwarzfilm, die Ton-Bild-Schere, terten / die Kontrolle des Universums zu  gern der Nazis nicht zugegen war.49 Er sieht die Lager in den Sprecherkommentar und die Videoeffekte (cf ebd: 162f.). Bezeichnen- übernehmen / zehntausend Menschen  den Bildern vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, aber derweise geht Rancière jedoch nicht auf die Schrift ein, dabei würde sie zu haben vielleicht / den Apfel von Cézan- verkapselt, eingeschlossen und somit ihrer eigentlichen diesen Kategorien passen: ein Entfremdungseffekt, der hier die »Bilderwelt« ne nicht vergessen / aber eine Milliarde  Macht beraubt. Neben den prophetischen Vorahnungen (ebd: 162) zusammen, näht – und damit keiner mehr ist. Entfremdungseffekte Zuschauer / wird sich an das Feuerzeug  führt Godard Elisabeth Taylor in A place in the sun (Geor- funktionieren nicht pauschal, sondern nur über die Dualität mit ihrem Gegen- / des Fremden im Zug erinnern / und  ge Stevens, USA 1951) an, in einer Szene tiefen Glücks, über, dem konkreten Bild, der konkreten Szene, auf die sie sich beziehen, der wenn Alfred Hitchcock der einzige /  das Stevens so nur filmen konnte, weil er zuvor mit den Konvention und dem Dispositiv. In Experimentalfilmen führt die Abwesenheit poète maudit war, der Erfolg hatte / so  ersten Rollen 16mm-Farbmaterial von Kodak die Lager von Narration nicht automatisch zu einer distanzierten Betrachtung des Films, deshalb, weil er der größte Formgeber /  nach der Befreiung gefilmt habe (1a Toutes les histoires). in Schriftfilmen ist die Schrift die Hauptdarstellerin, kein kontrastierendes Ele- des zwanzigsten Jahrhunderts war / und  In den Histoire(s) wird das Prinzip der Dichotomie ment. Ob diese Elemente letztendlich irritieren und damit in Opposition zu weil es die Formen sind, die uns letzt- nicht mehr bloß im Neben- oder Nacheinander angewandt, den Bildern stehen, hängt auch von den Erwartungshaltungen des Publikums endlich sagen / was es auf dem Grund  es findet nun im Über- und Ineinander statt, so wie die ab. Zu den Erwartungen, die man an einen Godardfilm hat, gehört sicherlich der Dinge gibt / denn, was ist die Kunst  Histoire(s) gleichzeitig Filmgeschichte sind, wenn sie diese auch der Einsatz von Collagen, Montagen und Schrift. / wenn nicht das, wodurch die Formen  verhandeln. Es geht nicht mehr darum, verschiedene Ele- In dem Interview mit Youssef Ishaghpour verdeutlicht Godard sein Stil werden« (Godard 1999, IV: 26f.) mente zusammen zu führen, die dennoch klar unterscheid- Prinzip der Dualität mit einem Bild-Text-Beispiel: 308 – 309 Cinéma Français werden mit der Schrift ganze Sätze über mehrere Bilder hin- Nach dem Krieg, nach der Befreiung waren eine Zeitlang die sogenannten film weg formuliert. Der Satz, den Godard im Vorspann zu Le Mépris André Bazin poétiques in Mode, darin gab es ein Gedicht oder einen Text und daneben, zuschreibt – »Le cinéma substitue à notre regard un monde qui s‘accorde à ganz simpel, eine Illustration. Sie nehmen also ein Gedicht oder einen Text nos désirs« 50 – erscheint in der ersten Episode 1a Toutes les Histoires, ohne und setzen einfach ein Photo oder Bilder darunter. Dann merken Sie entweder, dass darauf näher eingegangen würde. Zudem wechseln die Bilder unter den dass banal ist, was Sie tun, dass es nichts ist, oder aber Sie stellen fest, dass einzelnen Satzfragmenten, so dass eine Interpretation aufgrund der Kombina- das beigegebene Bild in den Text eindringt und der Text plötzlich wieder aus tion von Bild und Schrift verhindert wird. den Bildern heraustritt und dass diese so simple Illustrationsbeziehung nicht An anderer Stelle beantworten die Titel zuvor geschriebene Fragen: mehr besteht. Dies schult ihre Fähigkeit zu denken, zu reflektieren und sich »Qu‘est-ce que le cinéma? Rien. Qu‘est-ce qu‘il veut? Tout. Qu‘est-ce qu‘il etwas vorzustellen, schöpferisch zu sein. Diese einfache Form […] lässt Sie auf peut faire? Quelque chose« ( 3a). In 1b wird zu Beginn mehrmals der den einmal etwas entdecken, an das Sie nicht gedacht hatten (Godard 2008: 12).  Brüdern Lumière zugeschriebene Satz, das Kino sei »Une invention sans Godard geht es dabei nicht bloß darum, dass der Zuschauer zwischen zwei avenir« 51 über das Bild geblendet. Godard geht auf diesen Satz erst später Bildern oder einem Text und einem Bild Beziehungen knüpft. Die Suche nach wieder ein, wenn er ihn positiv wendet und daraus schließt, dass das Kino dem Sinn einer vorgegebenen Gegenüberstellung ist eines der Grundprinzi- eine Kunst der Gegenwart sei, eine Kunst, die gebe (»un art du présent pien der Narration. Bei Godard steht die Unmöglichkeit der Verbindung im un art qui donne«), woraufhin wiederum als Titel ein Wortspiel folgt: »Sans Vordergrund. Im Kino verwendet man keine Schrift, also setzt er welche ein. A Venir / Sang A Venir«. Auch der in dieser Folge begonnene Satz »ni un Eine Ebene seines Schrifteinsatzes liegt bis heute in dem »One plus art ni un téchnique«, der sich auf die Frage nach dem Wesen des Kinos One«, in der Vermeidung, allein einem einzelnen Bild die Aufgabe der Kom- bezieht, wird erst in 2b mit der Antwort »un mystère« vervollständigt. Das munikation zu überlassen. In seinen Filmen der 60er Jahre war die Schrift eine ständige Überprüfen, Abtasten und Austauschen von Wörtern ist auch Teil mal mehr mal weniger ausgeprägte Ebene gewesen, um Alternativen zur bild- des gesprochenen Kommentars Godards: immer wieder hält er inne, wie- lichen Argumentation einzuführen. Später hat der Schrifteinsatz dann eine er- derholt einen Satz und findet dann ein entsprechenderes Wort für das, was weiterte Konzeption erfahren. In Photo et Cie ist die Schrift nicht einfach nur er sagen möchte: »Geschichten des Kinos / mit einem n / alle Geschichten, ein anderes Element, das mit dem Foto in Beziehung gesetzt wird, es bekommt die es geben könnte / die es geben wird oder geben könnte / die es gege- seine spezifische Wirkungsweise im speziellen konzeptionellen Verbund, der ben hat« (Godard 1999, I: 18). Es ist dieses Prinzip der Wiederholung, Ver- keine allgemeingültigen Ableitungen für die Schrift-Bild-Kombinationen mehr änderung und Neukontextualisierung, die die Histoire(s) auf allen Ebenen zulässt. Festgestellt werden kann aber, dass Godard die Schrift durchaus im durchziehen. Die Schrift ist in diesem Ensemble kein Korrektiv mehr, keine Sinne der Schriftfilme einsetzt, da sie nicht mehr aufgrund ihrer medialen »Schutzimpfung«. Sie arbeitet nicht mehr heraus sondern, ist inhaltlich und Konfiguration bestimmte Aufgaben zugewiesen bekommt, sondern diese aus visuell gleichberechtigter Teil der Collage, weil sie zusammenhängende Sät- den jeweiligen Anforderungen heraus entstehen. Verwies die Schrift in den ze formuliert, die keine Dopplung in Bild oder Ton erfahren, auf die aber an 60er und 70er Jahren bei Godard noch auf die Materialität – die Handschrift anderer Stelle in einer anderen Form eingegangen werden kann. und der blinkende Cursor – so ist die Helvetica in den Histoire(s) ist in dieser Rancière hat die Verfahren, die zur Dekontextualisierung der Filmbilder nötig Hinsicht neutraler, zudem hat die Schrift eine größere inhaltliche Eigenstän- sind, die sie von ihren Geschichten zu befreien versuchen, als Anti-Mon- digkeit bekommen, da sie weniger auf Bild und Ton reagiert und teilweise eine tage bezeichnet (cf Rancière 2005: 162). Die Schrift wird in diesem Sinne eigene Argumentationslinie verfolgt. Wie auch in Deux Fois Cinquante Ans de aber nicht zum Anti-Bild. Durch die Wortspiele arbeitet sie mit an Godards 310 – 311 Zergliederungsprozess der Sprache und stellt sich damit eher korrektiv zur Godards Vorwurf, dass es das Kino versäumt habe, die Konzentrationslager Wortsprache. Auch wenn, wie bereits festgestellt, die verschiedenen Ele- zu filmen, ist auch keine reale Anklage. Dass bestimmte Filme die Gräuel mente in den Histoire(s) nicht primär einen Distanzierungseffekt haben, ist der Lager vorwegnahmen, ist ja ebenfalls nur aus der privilegierten Positi- das phonetisch ähnliche, aber orthografisch andere Ausschreiben der Wörter on der Zukunft zu sehen, also durch ein verändertes Befragen der gleichen ein deutlicher Hinweis auf den Signifikanten. Es ist dabei nicht verkehrt, an Bilder beziehungsweise Texte zu erreichen, eine »Anklage, die gänzlich auf Derridas Unterscheidung von Aussprache und Verschriftlichung des Wortes der dialogischen Poetik der Assoziationen und Metaphorisierungen beruht« différence zu denken, das mit Différance zu einem seiner Symbole der De- (Rancière 2005: 172). Godards Histoire(s) gehen auf in einem Spiel von Ver- konstruktion wurde (cf Derrida 2004 [1968]).52 Der Bezugspunkt bei Go- weisen. Die Filmbilder fallen ineinander, wie bei einem Kalligramm bleiben dard ist dabei weniger die Derrida‘sche Kritik am Phonozentrismus, sondern sie sowohl isoliert erkennbar, sind aber gleichzeitig auch Teil eines neuen das Insistieren auf dem Signifikanten. Das a in Derridas Différance unter- Bildes. Die Schrift, die das Wort in einer neuen Weise ausschreibt, Sätze scheidet sich in der Aussprache nicht vom e, mit dem man das Wort übli- fortführt und ergänzt und bei der die Buchstaben sich teilweise überde- cherweise schreibt, der geschriebene Text erhält so eine cken, ist Teil dieses Kalligramms: ohne ornamental zu wirken ist sie längst weitere Unterscheidung, die sich im gesprochenen Wort Komplizin der Bilder geworden. nur wieder über Umwege und Erklärungen abbilden ließe (cf ebd: 112). Mit diesem »Gewebe von Differenzen«, das Derrida für jede Sprache oder jeden Code als grundlegend ansieht (ebd: 124), erschließt sich auch der formale Aspekt der Histoire(s). Zwar entstehen durch die Überblendun- gen und Verfremdungen der Filmbilder neue Bilder, Go- dard belässt es aber nicht bei dieser Neukomposition, wie sie häufig im Zentrum von Found-Footage-Filmen steht, sondern versucht, die Dualität des Filmbildes, das einer- seits mit dem Bild referenziert und gleichzeitig noch einen anderen Inhalt transportiert, den es in der und durch die Narration erhält, durch die Konfrontationen einerseits zu wahren und andererseits herauszuarbeiten. Godards drit- te Bilder, sein »Kino zweiter Potenz« (Godard 2008: 27), ist nicht das Ergebnis seiner Filmgeschichte(n), sondern die vorläufige Fixierung der Auseinandersetzung, die Spur und Lesweise von Texten, die in neuen Texten zu wieder neuen Ergebnissen führt. Daher lässt sich auch das Inte- resse vieler Filmwissenschaftler, Historiker und Philoso- phen an den Histoire(s) erklären, das inzwischen zu einem großen Textkorpus geführt hat. 312 – 313 Anmerkungen 1.  Zum Versuch, Filmgeschichte nicht primär in der Unterscheidung von Spiel-Dokumentar-Ex- perimental- und Animationsfilm zu schreiben, siehe Hüser 2010. 2.  Siehe hierzu auch Schreier 1985: 23f. 3.  Teile dieses Kapitels wurden in anderer Form bereits im Aufsatz »SchriftBild und Kalligramm«  veröffentlicht (Krautkrämer 2009b). 4.  Den mir bekannten Kopien des Films geht jedoch zusätzlich ein Vorspann mit Titel und Credits  voraus. 5.  Der Text auf den Scheiben ist abgedruckt in Stenzer 2010: 82f. 6.  Bei Sitney findet  sich keine Begriffsdefinition, die diesen auf  seine  linguistische Bedeutung  bezieht. Zur Kritik daran siehe u. a. Le Grice 1977: 86ff. 7.  Für eine detaillierte Auflistung der Ersetzungen und die Interpretation derselben durch Framp- ton selbst siehe Frampton 2009: 200f. 8.  Hollis Frampton im Interview mit Scott MacDonald. Folgende Sätze gehen diesem noch voraus:  »Sometime I try to imagine what it must be to be illiterate. Of course, it is impossible to imagine«  (ebd.). Vgl. dazu auch Godard: »Eh bien, d‘abord réfléchir, et faire d‘autre chose avec d‘autre gens,  qui n‘ont pas appris cette grammaire. Il faut aller voir les analphabètes. Il faut aller voir les illettrés«  (Godard 2006 [1969]: 118). 9.  Siehe hierzu wie auch zu anderen Schrift-Videos Stenzer 2010: 242ff. 10.  Seine Idee des Kampfes ist von strukturalistischen und linguistischen Theorien der 60er Jahre  geprägt, sie findet sich aber auch in McLuhans Anfang der 60er erschienenem Understanding Media.  McLuhan versucht darin zu zeigen, dass es Teil der Mediengeschichte ist, Medienhybride zu kreie- ren und zu nutzen, dass Medien erst mächtig werden und Energie freisetzen können, wenn man sie  miteinander kreuzt (cf. McLuhan 2001: 53). Wichtig ist ihm dabei, dass mit Einzelmedien nichts be- wusst gemacht (cf ebd), dass ihre Transparenz nur durch Hybridisierung aufgehoben werden kann:  »The hybrid or the meeting of two media is a moment of truth and revelation from which new form  is born. For the parallel between two media holds us on the frontiers between forms that snap us  out of the Narcissus-narcosis. The moment of the meeting of media is a moment of freedom and re- lease from the ordinary trance and numbness imposed by them on our senses« (McLuhan 2001: 61). 11.  »The first blow against the monolithic accumulation of traditional film conventions (already un- dertaken by radical filmmakers) is to free the look of the camera into its materiality in time and space  and the look of the audience into dialectics, passionate detachment. There is no doubt that this des- troys the satisfaction, pleasure and privilege of the ›invisible guest‹, and highlights how film has de- pended on voyeuristic active/passive mechanisms. Women, whose image has continually been stolen  and used for this end, cannot view the decline of the traditional film form with anything much more  than sentimental regret.« (Mulvey 1989 [1975]: 26). Diese Entfremdungseffekte werden auch von Wol- len skizziert (cf Wollen 1982 [1972], 79), auch ihre Setzung, dass das radikale Kino nur als Gegenkino  zur herrschenden Ästhetik im Film existieren kann (cf Mulvey 1989 [1975]: 15), findet sich bei Wollen  (cf Wollen 1998 [1972], 118) 12.  Siehe dazu auch Fabo 1997: 180. 13.  Winkler sieht das durchaus kritisch. Inzwischen hat die Intermedialitätsforschung sich auch von  der Idee des Verschmelzens im Universalmedium teilweise verabschiedet (cf Paech/Schröter 2008: 11). 314 – 315 14.   Gene  Youngbloods  Buch  Expanded Cinema  (1970)  zählt  zum  Expanded  Cinema  nicht  nur  28.  Godard hat selbst betont, wie wichtig die Gedanken Brechts für ihn bei diesem Film waren (cf  Filminstallationen, sondern auch Filme wie 2001: A Space Odeyssey (Stanley Kubrick, UK/USA 1968).  Godard 1985 [1965]: 237f.). 15.  Baudry wählt den Ausdruck »Impression de réalité« und nicht Realismus (cf Baudry 1975: 56). 29.  Einer dieser Filme ist Uncle Josh at the Moving Picture Show (Edwin S. Porter, USA 1902), Uncle  16.  Birgit Hein: »Die Apparatus-Debatte spielte  in Deutschland für uns damals überhaupt keine  Josh ist hier zum ersten Mal im Kino. Er tanzt mit einer Frau auf der Leinwand, flüchtet sich hinter  Rolle« (Hein 2003: 126). seinen Sitz, als ein Zug durch das Bild fährt und reißt am Schluss aus Versehen die Leinwand herun- ter, als er einem Mädchen zu Hilfe eilen möchte. 17.  Die Situationistische  Internationale wurde Ende der 50er Jahre von Guy Debord gegründet,  der zuvor Mitglied der Lettristen gewesen war. 30.   »Auch wenn  es  lächerlich  erscheinen mag,  so  lasst  euch  sagen,  dass  der wahre  Revolutio- när durch große Liebesgefühle geleitet wird« Die einzelnen Titel kommentieren teilweise die Bilder  18.   »Der Autor hat auf den zahlreichen Seiten seines Werkes und  in  seinem eigenen Film ausrei- (»guidés par des grands« bedeutet »von Großen geleitet« und zeigt ein Kind, das ein etwas kleineres  chend veranschaulicht, dass die Einführung der ›Ciselure‹  im Kino der Beginn der Zerstörungsphase  auf  dem Rücken  trägt)  und weisen Wortspiele  auf  (»ridicule«  bedeutet  lächerlich,  ist  aber  so  ge- der unmittelbaren ästhetischen Grenzen ist. … Der ziselierte Film ist ein Kino, das von seiner eigenen  schrieben, dass man auch »cul« darin lesen kann, was »Arsch« bedeutet). Perfektion angewidert ist und sich selbst zerstört, da es sich nicht mehr bereichern kann« (Übers. FK). 31.  Die GDV betonen auch die Wichtigkeit der Brecht‘schen Ideen für das revolutionäre Kino (cf  19.  Die Textfragmente sind zwei von Broodthaers unabhängig von der Installation verfasste Ge- Le Groupe Dziga Vertov 1972: 5ff.) dichte, nachlesbar bei Broodthaers 1997: 53. 32.  »Gut. Du hast dich nun mit der Theorie beschäftigt. Mit dem Alphabetisieren. Du hast gese- 20.  Auf der Einladungskarte von 1968 (cf Borgemeister 2003: 85). hen, dass da auch eine Kampffront ist. Gut. Jetzt gehen wir zur Praxis über. Frankreich. Mai-Juni 68.  21.  Dieser Text auf gerahmtem Bristolkarton ist nicht dazu gedacht, das Lesen zu favorisieren son- Ein obskures Wort führten alle im Munde. Selbstverwaltung. Dieses Wort hatte bereits eine ebenso  dern als ein Bild mit plastischem Wert. Ist das ein Gedicht? Ist das ein Bild? Der Film Le Corbeau es obskure wie  verwirrende Geschichte  […]; Du hast  dich  nun mit  der Theorie  beschäftigt. Du  bist  le Renard ist eine Leseübung (Übers. FK). vom Mai ausgegangen. Sprich nun von der Selbstverwaltung. Finde die richtigen Worte.« (Die Stelle  22.  Teilweise Übersetzung bei Borgemeister 2001: 21f:  »[Ich habe den Text von La Fontaine ge- befindet sich ungefähr bei Minute 72 des Films. Der französische Text ist abgedruckt in den Cahiers nommen und ihn in das umgeformt, das ich eine persönliche Schrift nenne (poésie). Übers. FK] Vor  du cinéma Nr. 240, Übers. FK). die Typografie des Textes habe  ich alltägliche Dinge gestellt  (Stiefel, Telefon, Milchflasche), deren  33.   »Hör zu. Das nennst du  richtige Wörter? Du sprichst noch abstrakter als zuvor. Denk nach.  Bestimmung es ist, mit den gedruckten Buchstaben in einen engen Bezug zu treten. Das ist ein Ver- Konkrete Situation. Selbstverwaltung. Ein Beispiel. Jugoslawien.« such, soweit als möglich den Sinn des Wortes wie des Bildes zu verneinen. [Nachdem ich die Auf- 34.  Zur Ablehnung Godards von Seiten der Experimentalfilmer siehe exemplarisch Scheugl, nahmen beendet habe, wurde mir klar, dass die Projektion auf eine normale, weiße Leinwand nicht  Schmidt jr 1974: 308f. dem Bild entsprach, das mir vorschwebte. Das Objekt blieb zu sehr außerhalb des Textes. Um Text  und Objekt integrieren zu können, musste die Leinwand mit den selben Buchstaben bedruckt sein,  35.  Während der Vorführung eines  imperialistischen Films verkauft die Leinwand dem Zuschauer  die auch im Film zu sehen sind. Übers. FK] Mein Film ist ein Bilderrätsel, man muss den Wunsch  die Stimme des Chefs: die Stimme beschönigt, unterdrückt oder berieselt. Während der Vorführung ei- haben, ihn zu entziffern. Er ist eine Leseübung.« nes revisionistischen Films wird die Leinwand zum Lautsprecher einer Stimme, die vom Volk delegiert  wurde, sie ist aber nicht mehr die Stimme des Volkes, denn das Volk schaut schweigend sein verzerrtes  23. »Ich mache nie Vorspanne.« (Godard 1984: 293). Gesicht an. Während der Vorführung eines militanten Films ist die Leinwand einfach nur eine Schulta- 24.  Laut Alain Bergala hat Godard die Vorspanne selbst konzipiert (Bergala im Chat mit dem Autor  fel oder eine Mauer, die die konkrete Analyse einer konkreten Situation anbietet (Übers. FK). auf http://www.cahiersducinema.com/site.php3 am 3.2.2007, letzter Zugriff: 13.8.2009). An anderer Stelle dazu: »Devant cet écran, la population réfléchit, apprend et (se) transforme«  25.   Der Vorspann  zu  Pierrot le Fou  (F/I  1965)  wird  im  Lexikon  für  Experimentalfilm  erwähnt:  (Doppelseite  in Politique Hebdo, réalisée par  le groupe Dziga Vertov; abgedruckt  in Godard  1985:  Scheugl/Schmidt jr. 1974, II: 831. 344f., hier S. 344). Und: » A TV screen is just a blank slate to inscribe things on. If they can be in- scribed, they can also be criticized. However, when and if people remain blind to the nature of this  26.  Godards Ringen mit den Technikern und sein Wunsch, den Film als Kollektiv zu inszenieren  inscription, things go much better and smoother« (Godard-Zitat aus Collet 1982). sind bekannt, siehe exemplarisch dazu MacCabe 2003: 269 und Godard à la Télé (Michel Royer, 2000  (TV)). 36.  Die  einzelnen Ciné-tracts  hießen ursprünglich auch Film-tracts,  auf den Titelkarten  tauchen  beide Verwendungen auf, auch die Schreibweise Cinétract. 27.  Von den Schwarzweißwerten sind sich die inszenierten Teile und die Ausschnitte der Wochen- schauen sehr ähnlich, was allerdings nicht durch eine Angleichung der Wochenschauen erreicht wurde,  37.  Die Ciné-tracts  1 und  19 weisen die  für einen Tricktisch  typischen  linearen Fahrten und Ab- sondern durch eine besonders steile Entwicklung der inszenierten Teile (cf Godard 1971 [1963]: 157f.).  blendungen auf. Jacques Aumont verbindet diese mit der grafischen Wiedergabe der Bilder  in dem Buch Einführung 38.  Der Stummfilm dauert 2‘44‘ (eine Rolle 16mm-Film von 30 Metern Länge bei 24 Bildern/Sekun- in eine wahre Geschichte des Kinos sowie mit dem Kinder-Portrait Godards in JLG/JLG: »Souvenir. La  de) und hat ein politisches, soziales oder anderes Thema, das geeignet  ist, Diskussion und Aktion  mémoire qui est passée par le système du cinématographe en garde toujours la marque. Le cinéma est  auszulösen. Warum? Um: in Frage zu stellen, vorzuschlagen, zu schockieren, zu informieren, zu be- plus noir et blanc, plus contrasté que n‘importe quoi dans la mémoire« (Aumont 1999: 102). fragen, zu betonen, zu überzeugen, zu denken, zu schreien, zu lachen, zu bemängeln, zu kultivieren.  Mit was? Einer Mauer, einer Kamera, einer Lampe, die die Mauer beleuchtet. Dokumente, Fotos,  316 – 317 Zeitschriften, Zeichnungen, Plakate, Bücher, etc., einem Filzstift, Klebeband, Klebstoff, einem Maß- 50.  In der Tat ist der Satz eine Abänderung eines Zitates von Michel Mourlet: »[L]e cinéma est un  band, einer Stoppuhr. Wie? Die Reihenfolge der zu filmenden Dokumente sowie ihre Dauer ist am  regard qui se substitue au nôtre pour nous donner un monde accordé à nos désirs« (Bergala 1999:  Wichtigsten. Man muss also ein kleines Drehbuch oder einen Arbeitsplan schreiben. Der ciné-tract  18, FN 1). wird Bild für Bild gedreht, in der Reihenfolge der Vorführung und ohne blanke Zwischenbilder. Nor- 51.  Der Satz verweist ebenfalls auf Le Mépris, dort ist er auf Italienisch gut lesbar unter der Lein- malerweise  sollte der  ciné-tract ohne Montage genutzt werden können. Bei der Auslieferung aus  wand des Sichtungsraumes von Produzent Prokosch (Jack Palance) angebracht. dem Kopierwerk sollte er Einsatzbereit sein. (Übers. FK).  52.  Volker Pantenburg weist auf die zeitliche und räumliche Parallele von Derridas Kritik am Logo- 39. Die Ciné-tracts wurden ohne Angaben der Autoren veröffentlicht. Oksana Bulgakowa ordnet  zentrismus und Godards »Neubewertung des Bildes« hin (Pantenburg 2006: 54). folgende Nummern Godard zu: 1, 4, 7, 9, 16, 18, 19 und 23 (cf Bulgakowa 2011: 52). de Baecque listet  noch Ciné-tracts Nr. 8 sowie den auch als eigenständigen Kurzfilm zirkulierenden und einerseits als  Rouge oder als Film-tract n° 1968 bezeichneten (cf. de Baecque 2010: 426ff.). 40. »in unserem revolutionären Vorhaben bemühen wir uns so schnell wie möglich um Liebe, in- dem wir  den Weg bereiten,  aber wir wissen,  dass wir  die  gesamte Kraft  der  arbeitenden Massen  benötigen, und diese könnten noch schneller voranschreiten, wenn wir, wenn wir sie mit unserem  Beispiel beflügeln« (Übers. FK) In der Fortsetzung hat sich der Ton verschärft: die Bilder zeigen nun  keine friedlich Demonstrierenden mehr, sondern stammen aus dem Straßenkampf in Paris und das  Wortspiel in »ridicule« vom Satzanfang ist expliziter und nun auf de Gaulle gemünzt. 41. »Das  [ins Bild  eingeschriebene Wort,  FK]  ist Homöopathie, das  ist  ein  Impfstoff. Das Serum  wird krankem Gewebe entnommen, anderem injiziert, das produziert dann Antikörper etc. […] des- sen kann man sich dann als Werkzeug bedienen« (Übers. FK).  Die Schrift in den Filmen Godards ist nicht zu verwechseln mit der von ihm geführten Ausei- nandersetzung zwischen Bild und Text im Allgemeinen, vgl. bspw.: »Bilder sind für mich das Leben,  das Geschriebene  ist  der Tod«  (Godard  1984:  2;  siehe  auch Temple, Williams  2000:  12).  Godard  bezieht sich dabei nicht auf den Gegensatz von Bild und Schrift in seinen Filmen. 42.  Sie bedanken sich dabei immer bei ihrem Reporter Robert Linart (Jean-Luc Godard). Zu diesem  Pseudonym siehe auch Aumont 2007: 300. 43.  Der komplette Text der Serie ist übersetzt nachzulesen in Godard 1982. 44.  Der Telestrator wurde in den 50er Jahren in den USA für das Schulfernsehen erfunden. Es ist  ein Instrument, mit dem über das für die Zuschauer sichtbare Fernsehbild gezeichnet werden kann.  Er wurde im deutschen Fernsehen auch ab 1969 in der Spielshow Die Montagsmaler eingesetzt. 45.  Mit dieser Montage zog Godard nicht nur  im Jahr der Veröffentlichung des Films Kritik auf  sich (cf de Baecque 2010: 530), sondern auch 25 Jahre später (cf Krautkrämer 2011). 46.   Der  Name  des  Fotografen wird  in  der  Folge  nicht  genannt. Während  die meisten  Fotogra- fen aus Protest über die Hinrichtung den Schauplatz verließen, da sie annahmen, dass sie für die  Presse  arrangiert wurde,  blieben  der  Fotograf  sowie Horst  Faas  und Michael  Laurent  und mach- ten die Fotos. Faas und Laurent wurden dafür später mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet  (siehe  http://iconicphotos.wordpress.com/2009/07/08/death-in-dacca/,  letzter Zugriff:  29.3.2012). Die  Aufnahme, die in Photos et Cie zu sehen ist, gewann den Preis nicht, da der Fotograf, wie er sagt,  nicht Mitglied von AP war. 47.  Michael Eng hat sich die Mühe gemacht, sie alle zu notieren in: Eng 2003: 296. 48.  Siehe hierzu auch das Fernseh-Interview von Alexander Kluge mit Godard: Blinde Liebe (2001) 49.  Cf Rancière 2005: 170 oder Wright 2000. Zum Komplex der Lager in den HdC und bei Godard  generell siehe ausführlich Didi-Huberman 2007: 200ff. 318 – 319 SCHLUSS Schriftfilme – Kalligramme in der Zeit Ein Kalligramm formt aus Worten und Buchstaben ein anderes Bild als das seines Schriftzuges. Es muss die Schriftlichkeit überwinden und die Signi- fikanten in den Dienst des Bildes stellen, so dass der Blick zwischen dem Lesen des Wortes und der Darstellung der Signifikanten oszilliert. Der In- halt des Bildes muss dabei nicht zwangsläufig mit dem Inhalt des Textes zusammenhängen, aber das Kalligramm kann zur Beziehung zwischen Text und Bild befragt werden, indem der Text beispielsweise etwas verschweigt, was nur durch das Bild offensichtlich wird, oder wie in einigen Kaligrammen Apollinaires das Bild anzeigt, wer den in ihm enthaltenen Text spricht. Schrift und Bild lassen sich im Kalligramm nicht abtrennen – hier liegt die Parallele zu den Schriftfilmen, in denen ebenfalls Schrift und Bild so stark aufeinander bezogen werden, dass nicht mehr von der Unterordnung des einen unter das andere gesprochen werden kann. Bei dem Vergleich von Schriftfilmen und Kalligramm geht es nicht darum, dass die Schrift zum Bild wird, indem sie zur Hauptdarstellerin avanciert und die Schriftbildlichkeit der 320 – 321 ornamental ausgeschmückten Schriftzüge im Vordergrund kalligraphischen Vergangenheit, die ich ihnen zusprechen x »Entgegen dem Anschein sagt das Kal- steh. Wenn hier vom Kalligramm gesprochen wird, geht es muß, haben die Wörter ihre Zugehörigkeit zur Zeichnung ligramm, das wie ein Vogel, eine Blume um ein spezielles Austauschverhältnis von Schrift und Bild und den Status einer gezeichneten Sache bewahrt, so daß oder wie Regen aussieht, nicht: ›Dies ist jenseits der betonten Schriftbildlichkeit. Wann man liest ich sie als ihre eigene Verdopplung lesen muß: es sind eine Taube, eine Blume, ein Platzregen.‹ und wann man betrachtet und was Gegenstand des Lesens Wörter, die Wörter zeichnen. […] Text als Bild« (ebd: 15). Sobald es das sagt, sobald die Worte zu und Betrachtens ist, hängt von den Filmen und Rezipien- Anders als beim ursprünglichen La Trahison des images sprechen und einen Sinn mitzuteilen ten ab und kann sich auch innerhalb eines Filmes ändern, agieren hier nicht Bild und Schrift in einem Diskursrahmen, beginnen, ist der Vogel schon davonge- da beim filmischen Kalligramm die Ebene der Zeitlichkeit der nur die Grenzen des Bildes kennt. Hier wird diese Dis- flogen und der Regen ist verdunstet. Für hinzukommt. kussion kenntlich gemacht als eine Ebene in einer ande- den, der es sieht, sagt das Kalligramm Über die Verschiebungen, die in Text und Bild bei ren, der des Bildes.Der Kommentar befindet sich in Form nicht, kann es nicht sagen: dies ist eine einem Kalligramm stattfinden, hat Michel Foucault einem der Pfeife über dem Bild im Bild, er hat keine bildliche Lo- Blume, dies ist ein Vogel. Es ist noch Essay geschrieben. In dem Aufsatz über die Ähnlichkeit gik innerhalb des Arrangements. Sowohl die schwebende zu sehr in der Form befangen, zu sehr und die Gleichartigkeit nähert sich Foucault Magrittes Pfeife als auch die nachträglich aufgebrachte Schrift ge- der abbildenden Darstellung unterwor- Kalligramm von Guillaume Apollinaire Pfeifen-Bild1, indem er das Modell des Kalligramms zu Hil- hen auf im selben Material wie das Bild in der darunterlie- fen, als daß es eine solche Behauptung fe nimmt (cf Foucault 1997 [1973]: 12). Zwar hebt Foucault genden Ebene. Der Strich ist der gleiche, die Farbe auch, formulieren könnte. Und wenn man es auch die Unmöglichkeit der parallelen Rezeption von Bild und Text hervor,{ es fällt nicht schwer anzunehmen, dass beide mit demsel- liest, ist der Satz, den man entziffert geht allerdings bei einem Kalligramm von einer Tautologie aus, indem das ben Werkzeug im selben Arbeitsgang angefertigt wurden. (›Dies ist eine Taube‹, ›Dies ist ein Platz- Bild noch einmal darstellt, was der Text beschreibt (cf ebd: 13f.), was sicherlich Sie gehören zusammen. Was nicht passt, ist der scheinbare regen‹) nicht ein Vogel, ist er kein Platz- häufig, aber nicht zwangsläufig der Fall ist.2 Ausgangspunkt für Foucault ist Widerspruch, den man nicht gewohnt ist, da man eigent- regen mehr. Sei es aus List und Unver- Magrittes Bild Morgendämmerung auf der Gegenseite, eine Zeichnung, die lich lesen möchte, was man sieht. Bild und Schrift tau- mögen – niemals sagt und repräsentiert eine Staffelei zeigt, auf der eine Version von La Trahison schen die Rollen, und es findet ein Austausch statt, der das Kalligramm im selben Augenblick« des images steht, darüber schwebt eine überdimensionier- nicht mehr der Tiefenillusion des Bildes verhaftet ist, son- (Foucault 1997 [1973]: 16f.) te Pfeife. Das Motiv existiert auch als Ölbild unter dem Na- dern auf der Oberfläche stattfindet. Magritte hat in Mor- men »Les deux mystères« von 1966, Foucault bezieht sich gendämmerung auf der Gegenseite die Bestandteile des Kalligramms wieder aber auf die Zeichnung. Auf dem Bild liegen ihm zufolge neu angeordnet, aber er hat »darauf geachtet, dass dem Bild die Geduld der die »ironischen Reste« des Kalligramms (ebd: 12), das aus Schrift bewahrt bleibt und daß der Text eine gezeichnete Darstellung bleibt« dem Schriftzug und der schwebenden Pfeife bestand. Nun (ebd.). »Wir sind von der Illusion so weit entfernt wie nur möglich« (ebd: 39), ist die Schrift wieder Legende geworden, verweist nicht hält Foucault bezüglich der Magritt‘schen Operation fest. Der Gegensatz von nur, sondern beschriftet auch und die Pfeife ist Symbol Schrift und Bild, der die früheren Magritte-Bilder noch kennzeichnen moch- des transzendentalen Referenten, die finale Idee, auf die te, wird in Morgendämmerung auf der Gegenseite nur noch in Form einer die Zeichen verweisen (cf ebd: 14). Doch die Ordnung ist Referenz verhandelt, als Bild insgesamt. nur scheinbar wieder hergestellt, so Foucault, denn die Auch bei den Schriftfilmen geht es nicht mehr um den Gegensatz. Schrift befindet sich in einer zweiten Ebene im Raum: Sie Bild und Schrift sind unterschiedliche Möglichkeiten im Film gegeben, und wurde von Hand auf ein Bild im Bild gezeichnet: »Von der diese werden in einem immer wieder anders gelagerten Spiel jeweils neu 322 – 323 in Beziehung gesetzt. Das Modell des Kalligramms passt auf diese Art der ten und die letzten Drehbuchseiten des Films treiben das Spiel noch weiter, Schriftfilme recht gut, weil der Blick ebenfalls zwischen Bild und Schrift os- sie zwingen dazu, das Filmbild in die imaginierte Szenerie einzubeziehen, zilliert, wobei dieser Vergleich nicht überstrapaziert werden darf. Die Schrift indem sie es am Anfang beschreiben und am Ende von einem Bild erzählen, formt nicht ein Bild, wie sie es beim Kalligramm tut, aber Bild und Schrift auf dem man den Herstellungsprozess sieht – allerdings über einen Spiegel: begegnen sich auf derselben Oberfläche. Daher ist hier auch nicht die Fra- die Hand deines Liebhabers hält ein Foto, auf dem man mich sieht, wie ich ge, ob das Kalligramm noch intakt oder bereits auseinandergebrochen ist. diese Seiten schreibe. Frampton setzt hier das Kalligramm einer unglaubli- Die Schrift wird nicht zum Bild aufgrund der Ornamentik, sondern weil sie chen Spannung aus, als ob die Schrift dort wiederum aus Bildern bestehen denselben Status bekommt wie das Bild im Film, ohne dass dabei jedoch würde, die wiederum aus Schrift geformt sind. ihre Schriftlichkeit versteckt wird. Schrift muss im Schriftfilm nicht animiert Das Modell des Kalligramms kann, wenn man es auf die Schriftfilme werden, um filmisch zu sein, sie ist filmisch, weil sie konzeptionell analog überträgt, um eine interessante Perspektive erweitert werden: die Zeit. An- zum Bild behandelt wird und in ein gleichberechtigtes Austauschverhältnis ders als beim gezeichneten Kalligramm ist durch die zeitliche Ebene im Film tritt. In So is This wird die Schrift filmischen Montageformen unterworfen. ein sich ständiges Verändern der Bezugspunkte gegeben. Die Schrift mag Sie wird nicht durch Animation bearbeitet, sondern das, was ihr sonst ex- festbleiben, aber das Bild ändert sich, und selbst wenn beides beinahe un- klusiv zu sein scheint, wird hier immer wieder neu getestet: die Dauer. Snow beweglich verharrt, überprüft der Blick immer wieder den Zusammenhang, spielt damit, dass man im Film nicht in der selbstbestimmten Geschwindig- weil Film mit der Veränderung in der Zeit zusammenhängt, weil sich in dem keit lesen kann, sondern diese vom Regisseur abhängt, man also immer zu Moment, wo man sich auf die Schrift konzentriert, im Bild sich etwas geän- schnell oder zu langsam liest, aber nicht dann umblättert, wenn es einem dert haben könnte und anders herum. Sailboat ist ein Beispiel dafür, denn selbst passen würde. Selbst in der filmischen Einheit eines Kaders bleiben obwohl im Bild nichts anderes als ein Schiff am Horizont zu sehen ist und die Wörter lesbar, weil das Auge darauf trainiert wurde, die serifenlosen der Titel des Films die ganze Zeit in der Mitte des Bildes stehen bleibt, ist Buchstaben in der Größe und dem gegebenen Kontrastverhältnis schnell zu es doch ein beständiges Abtasten zwischen dem Wort und seinem Bild, was erfassen. Die Schrift ist nicht Bild, sondern Filmbild, ist denselben Prozes- während der knapp drei Minuten stattfindet. Ein Standbild des Films, in sen unterworfen wie das filmische Bild, verzichtet dabei aber nicht auf ihre dem die Tautologie darin bestünde, dass der Titel beschreibt, was darin zu Funktion, im phonetischen Sinne lesbar zu sein. sehen ist, er aber eben aufgrund seiner Position keine Legende, sondern Damit der Blick sowohl Schrift als auch Bild befragen kann, ohne bei- Bild sein will, erschlösse sich schneller, wäre möglicherweise ein Kommentar de zu einer Einheit zusammenzuschmelzen, ist es nicht zwangsläufig nötig, auf den Variantenreichtum des Bildes im Gegensatz zum einzelnen Wort. Im dass die Schrift nachträglich dem Bild hinzugefügt wird. In Poetic Justice Film nun aber dreht sich das Verhältnis von Bild und Schrift um: das Wort wird die Schrift abgefilmt, den Rahmen bildet das Drehbuch, das auf einem wird rasch erfasst, es verbleibt als Zeichen in der Mitte des Bildes, wohin- Tisch liegt. Das Bild, das der Text evoziert, steht hier dem Filmbild entge- gegen das Bild zur Schrift wird, da es den Blick rastlos hält, ihn immer wie- gen. Analog zum Kalligramm kann man sich hier nur auf das Filmbild oder der vom Bezugspunkt des Titels zum Boot und zu anderen Elementen darin aber die Szene, die darin beschrieben wird, konzentrieren. Das Betrachten wandern lässt, als ob man noch weitere Wörter lesen müsste, die die Augen der Szenerie, die Reflexion über den Aufbau, den Kaktus und die abgefilm- in Bewegung hielten. Das Bild des Kalligramms ist hier die Schrift, die man ten Seiten verhindert eine intensive Vorstellung des Bildes, das die Szene auf den ersten Blick erfasst. Die Stelle der Schrift hingegen nimmt das Bild beschreibt. Die Konzentration auf den Text, als ob man ein Buch vor sich ein, das man aufgrund der Dauer und der Redundanz zu durchdringen ver- habe, vernachlässigt das Filmbild, begünstigt aber die Imagination. Die ers- sucht, so lange, bis das Wort darüber keine Rolle mehr spielt. 324 – 325 Foucault zielt mit seinem Essay über das Bild von Magritte auf eine Un- Affirmation wird durch die Wiederholung ad absurdum geführt, bis das Ein- terscheidung von Ähnlichkeit und Gleichartigkeit: »Die Ähnlichkeit dient zigartige in der Wiederholung verschwindet. Eine Feststellung, der Rancière der Repräsentation, welche über sie herrscht« (ebd: 40). Die Gleichartigkeit in der Interpretation von Broodthaers' Skulptur Coup de dés indirekt wider- hingegen sieht er als ein Spiel der Wiederholung ohne affirmativen Gestus, spricht, indem er statt des Kalligramms die Figur des Rebus wählt: das so lange getrieben wird, bis das Bild aufhört zu repräsentieren.3 Joy- Wenn er Magritte soziologisiert, dann, um umgekehrt die ›Soziologie‹ der ce Weilands Segelboot ist kein Segelboot mehr, es ist ein Buchstabe, ein Bilder auf die Form des Rebus zurückzuverweisen. Diese setzt auf ein und Ideogramm vielleicht, das sich von links nach rechts bewegt, so wie unsere dieselbe Fläche Wörter, Bilder und Dinge, um die Art und Weise zu erhellen, Augen in der abendländischen Lesebewegung sonst über das feststehende in der sie sich ineinander umwandeln. Dies wird kein Bild einer Suppendose Wort gleiten. Das Wort »Sailboat« erinnert uns die ganze Zeit daran, was es oder eines Stars jemals machen. Dazu ist nämlich ein »Bild« nötig, das nicht darstellen soll, so dass man kaum eine Möglichkeit hat, nach etwas ande- ein Duplikat irgendeines Gegenstandes auf der Welt, sondern vielmehr die rem in dem Bild zu suchen. Schrift und Bild nähern sich in den Schriftfilmen Umsetzung einer Idee ist (Rancière 2008: 37). an, nicht, indem das eine Attribute des anderen erhält, sondern ihre jeweili- ge Funktion sich ein Stück weit angleicht, das Bild hier seinen Zeichencha- Interessant an diesem Modell – auch Broodthaers spricht bei Le Corbeau et rakter stärker in den Vordergrund stellt. le Renard vom Rebus – ist der Austausch auf der gleichen Ebene, das Spiel Auch Broodthaers‘ Le Corbeau et le Renard bezieht seinen Reiz aus der Oberflächen: »Es zeigt, dass Wörter und Bilder nur um den Preis kompa- der Kombination von fest stehenden und sich bewegenden Elementen, die tibel sind, dass sie sich gegenseitig annullieren« (ebd.). Allerdings wird das deutlich zur Irritation beitragen und zur Unsicherheit, was denn in dem En- Rebus vom Wort gesteuert, es ist eine Mischung aus Bildern, Piktogram- vironment zu lesen und was zu sehen sei. Die Schrift auf der Leinwand und men und Buchstaben, die jedoch alle phonetisch übersetzt werden müssen, die im Film machen es zunächst unmöglich, sich auf eine zu konzentrieren, um sie zu entschlüsseln. Zwar oszilliert auch hier der Blick zwischen Bild man muss sozusagen durch den Film hindurch auf die Leinwand sehen, um und Buchstaben, dennoch handelt es sich um einen Übersetzungsprozess, die dort aufgedruckte Schrift zu isolieren. Aber sobald man dann versucht, also eine Umwandlung der verschiedenen Zeichen in Sprache. Das Bild wird sich auf die Bilder des Films zu konzentrieren, ist sie einem wieder im Weg, dabei im Leseprozess nicht zerstört, sondern nur anders codiert, sein Zei- sieht genauso aus, wie die Schrift im Film, die sich zudem noch vor, hinter chenwert standardisiert und genutzt. Broodthaers' Installation Le Corbeau und auf Gegenständen befindet. Nichts geht mehr: Bild und Schrift, Bild et le Renard sieht aus wie ein Rebus, tatsächlich ist sie aber ein Rebus im und Leinwand, Bewegung und Stillstand durchdringen sich, heben sich ge- Gewand eines Kalligramms, in dem Moment, wo ich beginne, es zu lesen, genseitig auf und verschmelzen im Loop, der Wiederholung. Die Fabel vom zerfällt es schon in seine Einzelteile, die nicht mehr zu ordnen sind. Re- Fuchs und dem Raben ist bloß noch ein Spiel von Signifikanten, über deren zeption findet nur um den Preis des gewollten Nicht-Verstehens statt, der Verhältnis untereinander man noch etwas schreiben kann, nicht mehr je- Text zerfließt wie in seinem Film La Pluie (projet pour un texte) von 1969. doch über ihren Sinn (le d est plus grand que le t). Die Leinwand ist nicht Schriften, Fragmente, Bilder und Leinwand, alles muss auf einmal wirken, mehr neutral, sondern bedruckt, sie beeinflusst den Film. die einzelnen Elemente mögen mir dabei zufallen oder auch nicht, aber sie Foucault schließt seinen Essay mit der seriellen Malerei: »Eines Ta- bleiben Momentaufnahmen, es sind die ironischen Reste des Rebus. ges wird auch das Bild selbst, mitsamt dem Namen, den es trägt, durch Auch bei Dear Phone ist die Entwicklung in der Zeit ausschlaggebend die in einer Serie endlos übertragene Gleichartigkeit desidentifiziert wer- für das Spiel von Schrift, Bild und Ton. Der handgeschriebene Text ist an- den. Campbell, Campbell, Campbell, Campbell« (ebd). Die Beschriftung, die fangs noch gut lesbar, die Augen folgen den Buchstaben, während sie aus 326 – 327 dem Off vorgelesen werden. Doch von Brief zu Brief wird die Handschrift wähnt. Den Ort der Zwischentitel dafür zu nutzen, ist aus mehreren Gründen unleserlicher und die zu Beginn etablierte Verbindung von Ton und Schrift interessant: zum einen zeugt dies von einem Vertrauen auf das kollektive wird zu einer Sache des Glaubens, kaum ein Wort ist noch zu erkennen. Da- Bildgedächtnis. Gerade wenn es um das Zeigen von Bildern aus dem Ho- bei entsteht ein speziell filmisches Kalligramm aus anderen Bausteinen als locaust geht, auf eben diese zu verzichten, verweist auf eine gewisse Tra- bisher: dem Schriftbild und dem vorgetragenen Text. Sobald man versucht, dition in der visuellen Auseinandersetzung mit diesem Thema.4 Gleichzeitig mit dem Vortrag den Zeilen zu folgen und Wörter zu erkennen, tritt das vermeidet er aber auch die Relativierung der Westerbork-Bilder, die in der Bildliche der Schrift in den Hintergrund. Erst wenn man das Gesprochene direkten visuellen Konfrontation mit den bekannten Bildern unvermeidlich nicht mehr mit der Schrift abgleicht, kann der Brief als Bild rezipiert werden. wäre. Und trotzdem kann er beides in Bezug zueinander setzen. Indem Faro- Einen weiteren Aspekt des filmischen Kalligramms verdeutlicht Harun cki zu einer genauen Lektüre der Bilder auffordert und mittels der Zwischen- Farockis Film Aufschub (D/Südkorea 2007). Der vierzigminütige Film zeigt titel Bilder des kollektiven Bildgedächtnisses evoziert, werden auch hier Bild Szenen eines nie fertig gestellten »Imagefilms« über das KZ Westerbork in und Text auf eine Ebene gebracht, die gleichberechtigt funktioniert. Nicht den Niederlanden, den der damalige Lagerkommandant Gemmeker in Auf- aufgrund der ornamentalen Ausgestaltung der Schrift – die Zwischentitel trag gegeben hatte. Auf diesen Bildern sieht man alltägliche Szenen, da es bleiben Schrift, sie werden nicht zum Bild, sie rufen es hervor – sondern sich bei dem Lager in erster Linie um ein Durchgangslager handelte: Züge, aufgrund eines konzeptuellen Entwurfs sind die Zwischentitel hier mehr als die ankommen und abfahren, Arbeiten, Freizeitbeschäftigungen. Der Film bloß Ergänzung und Kommentar. Was man nicht zeigen kann, das muss man ist stumm, Farocki kommentiert, analysiert und beschreibt die Bilder in Zwi- ausschreiben. Farocki demonstriert, dass man mit dem, was Michael Snow in schentiteln, Schrift und Bild bleiben dabei visuell streng getrennt. Er the- seinem Film So is this ironisch thematisierte, auch inhaltlich arbeiten kann. matisiert die Schwierigkeit dieser Bilder, da es Bilder eines KZ sind, in dem Und er variiert, was er anhand der Schriftfilme Godards einst analysierte, weder getötet noch geschlagen wurde. Sie entsprechen nicht unseren Vor- dass Godard über die Bilder schreibe, um uns zu helfen, sie zu hören. stellungen eines KZ, aber die Vernichtung enthalten sie trotzdem, nur eben Der Titel des Films ist dabei ebenso mit Bedacht gewählt wie auch das nicht so offensichtlich, denn Westerbork war ein Durchgangslager, viele der Konzept der Titel. »Aufschub« bezeichnet zunächst natürlich die ausweglose abgehenden Züge fuhren direkt nach Auschwitz und Sobibor. Farocki schlägt Situation der Häftlinge im Durchgangslager, bevor sie zur Vernichtung gen eine alternative Lesweise der Bilder vor. Diese besteht zunächst in der di- Osten abgeschoben werden. Er beschreibt aber auch die Leerstelle der Titel daktischen Aufbereitung des Materials. Einzelne Szenen werden gezeigt und zwischen den Bildern, die entsteht, weil nicht im Ton über die Bilder gespro- in den Zwischentiteln kontextualisiert, Struktur und Art des Lagers werden chen wird. Beide Arten der Bilder, die im Film und die vor dem geistigen erklärt. Farocki thematisiert die Schwierigkeit der Bilder in den Titeln, dass Auge gesehenen, schieben sich gegenseitig auf. Die Westerbork-Aufnahmen er versteht, warum sie selten gezeigt werden, da sie den Revisionisten in die enthalten alternierende Lesarten, die nicht gleichzeitig zu sehen, aber doch Hände spielen könnten. Und er entscheidet sich dazu, die bekannten Bilder ineinander enthalten sind, wie bei einem Kippbild – oder einem Kalligramm. des Holocaust mittels der Zwischentitel abzurufen. So wird die Mittagspau- Ein weiteres Beispiel für eine weitere Art des filmischen Kalligramms se der Lagerarbeiter, bei der sie sich auf einer Wiese hinlegen, überblendet ist Spirit Matters (GB 1984). Der Film von Peter Rose knüpft an das Ende durch das Bild der Toten unter freiem Himmel aus Birkenau, der Lagerzahn- von Secondary Currents an, bei dem die letzten Sätze direkt auf den Film- arzt wird überschattet vom herausgebrochenen Zahngold in Auschwitz, die streifen geschrieben wurden, aber bis auf das Ausrufezeichen deshalb in Demontagearbeiten in den Werkstätten von der Verwertung der Leichen, der Projektion nur als Schrift erkennbar, jedoch nicht mehr lesbar waren. weil Farocki in den Zwischentiteln – und nur dort – diese Vergleiche kurz er- Nur mit dem Filmstreifen in der Hand konnte diese letzte Mitteilung noch 328 – 329 entziffert werden. Spirit Matters versucht nun, „„ Spirit Matters dieses Stadium von filmischer Schrift (in der Der folgende Text des Films Spirit Matters wurde auf- streifen, man erkennt, dass die einzelnen Buchstaben Projektion) und unfilmischem Lesen (den Film- grund der lesbaren Filmstreifen transkribiert, das heißt, teilweise outline sind] / [Animation ohne Filmstreifen, streifen in der Hand, gegen das Licht haltend das Folgende bezieht sich auf die abgefilmten Filmstrei- Buchstaben sind bunt, Freiräume sind farbig ausgemalt] oder auf einem Leuchttisch liegend) in einem fen, nicht auf die Ebene der Überblendung. Wiederho- / perpendicularity / translation / ideological / intellec- projizierten Film zusammenzufassen. Dieser lungen der Buchstaben, die hier mit aufgeführt werden, tual / semiotic [die letzten drei Filmstreifen liegen nicht befinden sich auch so auf den abgefilmten Buchstaben, mehr plan vor der Kamera, sondern schief, werfen einen dauert sechs Minuten und präsentiert Worte sind aber in der Animation natürlich nicht verdoppelt, Schatten und sind teilweise beschädigt] / gorgonzola / und Sätze, die in rot oder blau auf einen wei- sondern gedehnt in der Zeit – eben animiert – und viel YaYaYaYaYaYaYaYaYa / YaaaaaaYaaaaaaYaaaaaaYaaaaa / ßen Filmstreifen geschrieben wurden. Dieser besser lesbar: Ya Ya Ya Ya Ya Ya Ya Ya Ya / hohohohohohoho ohoho Spirit Matters /q An Esoteric film by Peter Rose / hohohohoh / mxtlplk mxtlplk mxtlplk mxtlplk mxtlplk Filmstreifen wurde auseinandergeschnitten, die What’s this? / I Know what it is / An etherealization of mxtlplk / I - I - I - I - I - I - I - I - I - I - I - I - I / typeface einzelnen Wörter auf einen Tisch gelegt und thought by means of an invisible agency that seems to getting smaller --- than larger [in entsprechenden Grö- abgefilmt. Dieses abgefilmte Filmbild wurde in evaporate / space into time / a place from which there ßenunterschieden) / Morse code in Morse code [liegen einer Doppelbelichtung zusammengebracht mit is no communication save by the inscrutable operati- seitlich, Animation besteht aus Punkten und Strichen] on of an invisible intelligence that seems to translate / / Fragments of letters from self-descriptive phrases der Projektion der jeweiligen Filmstreifen: das time into space / my thought continues ……..…….. / [Buchstaben sind nicht geschlossen geschrieben, son- heißt während man im Bild die Wörter auf den but you who exist in reality are powerless to discern its dern mit Lücken zwischen den einzelnen Strichen] / Filmstreifen lesen kann, flackern in einer Ebene true nature / and can glimpse it only in f r a g m e n t s [Filmstreifen liegen kreuz und quer übereinander, das davor die Buchstaben, die handschriftlich auf / this is a metaphor / do you understand? / is this legi- findet seine Entsprechung in der Animation, indem die ble????????? / Listen / I slow down / sssssssoooooo- Buchstaben übereinander gemalt wurden] / Kodak [erst den Film aufgetragen wurden. Letztere kann oo / yyyyyoooooooouuuuuu / ccccccaaaaaaannnnnn / Animation, dann Filmstreifen] / Yes --- it - is - possib- man kaum lesen, zum einen, da sie meist nur uuuuunnnnnnnddddddeeeeeeerrrrrrrrrsssssssssttttttttt- le to - play - with - this / But perhaps we are only try- auf einem Bild erscheinen, also nur für eine fünfzigstel Sekunde sichtbar taaaaaaannnnnnnnnddddddd / mmmmmmmeeeeeeee / ing to reify a condition that engenders great fear / to aaaaaaaaadddddddddeeeeeeeeeiiiiiiiiiioooooooooooou- embody the process of being beyond by attempting to sind, aber auch, weil die Buchstaben horizontal auf die Filmstreifen aufge- uuuuuuuuuuuuuiiiiiiiiiiitttttttttteeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiii- cross an ontological barrier [bei den beiden letzten Film- tragen wurden, dieser aber vertikal projiziert wird, womit die Buchstaben ittttttyyyyyy / [WWWWWWWHHHHHHHHYYYYYYY streifen war zwischen jedem Wort ein roter Pfeil] / Do I um 90° gedreht erscheinen. Die Synchronizität zwischen dem abgefilmten DDDDDDDDDOOOOOOOOEEEEEEESSSSSSSSSSSSS make myself clear? / [weißer Filmstreifen ohne Schrift Bild und der Animation (den flickernden Buchstaben) erkennt man trotz- TTTTTTTTTHHHHHHHHHAAAAAAAATTTTTTTTTT und Animation] / Listen ----------- this is bigger than SSSSSSSSSSSEEEEEEEMMMMMMMM TTTTTTTTOOO the two of us / larger, more dynamic, unstable. line- dem, da von Beginn an die Animation relativ gleichzeitig mit den abgefilm- OOOOO BBBBBBBBEEEEEEEE] / [CCCCCCOOOOOO ar, limitless, ponderable / this scribbling [die einzelnen ten Buchstaben erscheint und Übereinstimmungen auch erkennbar bleiben. OMMMMMMIIIIIIICCCCCCC???????]qq / but not so Buchstaben bestehen aus vielen dünnen Strichen, auf So kann man einzelne Buchstaben durchaus ausmachen und auf dem Film- fast / the paradox remains / the impossibility of si- dem Filmstreifen und in der Animation gleich] / it seems streifen unterstrichene Wörter sind auch in der Animation als unterstrichen multaneous verification / i may be lying [rot auf dem so undirected [die Buchstaben bestehen auf Filmstreifen Filmstreifen, aber blau in der Animation] / i may leave und in der Animation aus kleinen Strichen] / I can’t ima- zu erkennen. Dass die Versuchsanordnung gar nicht funktionieren kann, concealed signals for the very few who resceive objec- gine what it means [ähnlich wie zuvor in der Animation da die Buchstaben auf weißem, also opakem Filmmaterial geschrieben und tives [Filmstreifen sind mit vielen Strichen bemalt, aber sind keine Buchstaben mehr zu erkennen] / It’s beyond abgefilmt wurden und somit in der Projektion oder Doppelbelichtung gar diese tauchen in der Animation nicht auf] / [Animation me [rot auf weiß, nicht mehr auf Filmstreifen, aber von ohne Filmstreifen] / must everything be easily explained einem weißen, unbeschrifteten Filmstreifen verdeckt, nicht sichtbar wären, fällt zunächst nicht auf. Im Text selbst geht es vorder- ????????? [ohne Animation] / [Animation ohne Film- keine Animation, auf der Tonspur stoppt der Projektor]. gründig um die Beziehung von Zeit und Raum, schnell wird mit dem Kon- p Die Schrägstriche deuten einen Schnitt an. pp Wiederholungen wurden hier nur ungefähr wiederg egeben, die einzelnen Buchstaben im Film nicht abgezählt. 330 – 331 zept aber gespielt, der Zuschauer ähnlich wie bei So is This angesprochen, Film selbst, dessen Sprache sich nun wie im Comic entkörperlicht hat, so bis der Sinn selbst im Text verlorengeht. dass sie nicht mehr auf ihm selbst erscheinen muss, sondern hinter oder Den Reiz des Films macht vor allem der Variantenreichtum aus, mit über ihm (außerhalb – beyond) erscheinen kann? dem das Konzept von abgefilmten Filmstreifen und der gleichzeitig schein- Im Film kann mit der Schrift die illusionäre Vormachtstellung des Bil- bar übereinstimmenden Projektion derselben sowohl bestätigt als auch un- des stabilisiert werden. Indem die vermeintlichen Lücken des Filmbildes mit terlaufen wird. So ist an einer Stelle die Animation blau, obwohl die Buch- der Schrift gefüllt werden müssen, ist dies aber immer auch eine Aussage staben mit rot auf den Filmstreifen geschrieben wurden. Dass die Animation über den Vorteil des Bildes, das deutlich mehr Informationen und Reize zu eine Visualisierung und nicht eine Entsprechung der auf die Filmstreifen enthalten scheint als die Schrift. Dieses System greifen die Schriftfilme an, gezeichneten Buchstaben darstellt, ist da sichtbar, als die Filmstreifen un- indem sie unklar lassen, wo die Schrift beginnt und das Bild aufhört. Abge- geordnet übereinanderliegen, was sich in der Animation als ein Durcheinan- filmte und animierte Schrift haben in Spirit Matters ein perfektes System er- der von Buchstaben darstellt, eine Analogie, da sich die Filmstreifen ja nicht geben und selbst dort, wo sie sich offensichtlich unterscheiden eben in die- übereinander und schon gar nicht quer und durcheinander projizieren lassen. ser Differenz markiert, wie sehr sie sich aufeinander beziehen. Am Schluss Spirit Matters ist in der Tat ein filmisches Kalligramm, ein Paradox, jedoch, wenn der Film – im Ton – aus dem Projektor herausgelaufen ist oder wie Rose es selbst nennt, da es nicht möglich ist, beide Ebenen gleichzeitig wie in Secondary Currents auf den Allongen noch etwas geschrieben steht, zu überprüfen (»the impossibility of simultaneous verification«). Besonders löst sich dieses so intelligent gesetzte Spiel wieder auf und es bleibt auch deutlich wird der Kalligramm-Effekt an der Stelle, an der die einzelnen Buch- hier die Frage, ob man Schrift gesehen oder Bilder gelesen hat. staben mehrmals hintereinander auf den Filmstreifen geschrieben wurden, so dass die Wörter auf den Streifen nur sehr schlecht lesbar sind, die Wiederho- lung aber eine Verlangsamung der Animation mit sich bringt, und die Wörter somit im filmischen Bild, in der filmischen Bewegung wieder lesbar werden. Die mehrfach wiederholten Buchstaben auf den Filmstreifen bleiben als Wör- ter lesbar, man muss jedoch deutlich mehr Konzentration dafür aufbringen, wodurch die Wörter in der Animation nicht mehr wahrnehmbar sind. Am Schluss hält Spirit Matters noch eine Überraschung bereit: Die Tonspur, auf der die ganze Zeit über das Rattern eines Projektors zu hören war und die man deshalb schon gar nicht mehr wahrgenommen hatte, en- det. Der Film läuft aus dem Projektor hinaus und dieser wird ausgeschaltet, auf der Tonspur ist der Film zu Ende. Damit enden auch die Animationen. Auf dem Tisch liegt ein weißer, unbeschriebener Filmstreifen, hinter ihm steht in großen roten Lettern »It‘s beyond me«. Wer spricht hier? Ist es der Autor, der den ganzen Monolog schon aufgeschrieben hat und nun ver- zweifelt ob der Überlegungen von Zeit und Raum das Weite gesucht hat, nachdem er sein Aufgeben auf dem Tisch selbst manifest hat werden lassen und nur unzureichend mit einem Filmstreifen kaschiert hat? Oder ist es der 332 – 333 Ephemere Schrift Himmel schreiben, oder Lichtschrift, bei der Worte bei- „»Schrift, deren Erscheinen und Das filmische Kalligramm ist eine Sonderform, mit der sich Besonderheiten spielsweise sichtbar werden, indem ein speziell arrangier- Vergehen bewusst als Ereignis insze- der im vorherigen Kapitel behandelten Schriftfilme beschreiben lassen. Das tes Feuerwerk angezündet wird. ƒ Diese Schriften können niert werden. Schrift also, die sich spezielle Austauschverhältnis von Schrift und Bild im Film betrifft auch die auch nicht angehalten oder gar wiederholt werden, es sei selbst im Übergang von Präsenz zu Ab- konventionelleren Schrift-Figurationen, die im zweiten Kapitel behandelt denn, man filmt oder fotografiert sie, transformiert sie also senz sichtbar unsichtbar macht und da- wurden, wenn auch in weniger ausgeprägter Form. Es findet sich sowohl im in ein anderes Medium. Was Gilbert damit neben der Zeit- bei auf flüchtige Materialien wie Licht, Vergleich von Schrift und Film, der immer wieder herangezogen wurde, als lichkeit thematisiert, ist die Performanz des Schreibens. Feuer, Luft, Rauch als Schriftträger auch in einigen Zwischentiteln wie denen Eisensteins, in der ornamentalen Dieser Akt des Schreibens stellt »eine absolute Jetztzeit stützt, weswegen sie sich nur als per- Ausgestaltung von Schriftinserts im Tonfilm, die nicht mehr zwangsläufig ge- her, eine ›einmalige und unwiederholbare Präsenz, die formatives und nicht materialisierbares lesen werden müssen, sowie in bestimmten Vorspann-Konzepten. Das filmi- im nächsten Augenblick schon wieder verloschen ist‹ « energetisches Phänomen fassen lässt« sche Kalligramm ist dabei weder Ziel der, noch Forderung an die Schrift im (Gilbert 2006: 54). Die Bedeutung der Worte liegt wie bei (Gilbert 2006: 41). Film, vielmehr wird im Rückblick deutlich, dass durch die besondere disposi- der inszenierten Typografie stärker in der Form und dem tive Struktur prinzipiell eine Verschränkung von Schrift und Bild im Film ent- Zusammenspiel von Wortbedeutung und Ausgestaltung als im textlichen In- steht, die die Schrift im Film zu mehr werden lässt als nur einem Hilfsmittel. halt. Die ephemere Schrift verfügt meist nicht über die Möglichkeit, mehr als Zum Schluss sollen zwei Besonderheiten noch einmal in den Blick ge- nur ein paar Wörter zu schreiben. nommen werden: das Ephemere der Schrift im Film, was sie prinzipiell von Schrift im Film wäre nach Gilbert keine ephemere Schrift, da sie auf anderer Schrift unterscheidet, als auch, als Ausblick, die speziellen digitalen einer Oberfläche fixiert und lesbar sei. Das gilt für die häufigsten Figuratio- Formen wie die kinetic Typo-clips, die zwar auch bewegte Schrift zeigen, nen von Schrift im Film, die statisch bleibt. Was ist aber mit der kinetischen sich aber, was die Schrift-Bild-Verbindungen angeht, doch fundamental von Schrift, die animiert und ebenso inszeniert ist, wie die von Gilbert angeführ- der Schrift im Film unterscheiden. ten ephemeren Schriften? Diese sind zwar ebenfalls auf einer Oberfläche »[O]n-screen writing is as ephemeral as speech« (Cubitt 1999: 60), aufgebracht, ändern trotzdem aber permanent ihre Form und man kann sie hat Sean Cubitt bemerkt und damit die spezielle Zeitlichkeit betont, der die bei ihrer Entstehung beobachten. Auch Roy Harris hat sich mit der Frage von Schrift im Film unterworfen ist. Im Gegensatz zur Sprache ist die Schrift im Schrift und Oberfläche beschäftigt, aber bei ihm stellt die Oberfläche kein Film aber auf einer Oberfläche fixiert. Bei der ersten Betrachtung eines Films Kriterium für eine Schriftdefinition dar. Skywriting und Schriftzüge aus Neon- mag die Flüchtigkeit der Schrift durchaus mit Sprache vergleichbar sein, licht sind für ihn gültige Schriftformen (cf Harris 2005: 78). Was Harris jedoch trotzdem lässt sich der Film und damit auch die in ihm enthaltene Schrift aus seinem System ausschließt, sind Schriften, die auf einer zeitlichen Ab- wiederholen. Und wer sich den Film mit einem elektronischen Wiedergabe- folge basieren wie Gestik oder Gebärdensprache. Die räumliche Organisation gerät ansieht, kann den Film sogar anhalten, um die Schrift besser zu le- der Zeichen ist kein Kriterium, aufgrund dessen allein ein System als Schrift sen, ihre Erscheinung dem eigenen Lesetempo anpassen. Ephemere Schrift bezeichnet werden kann. Indem er Skywriting als Schrift akzeptiert, die Ge- ist für Annette Gilbert daher auch keine Schrift auf Billboards oder Displays, bärdensprache, aber nicht, steht für Harris die Performanz deutlich weniger sondern allein solche, die sich im und nach dem Moment ihres Erscheinens im Vordergrund. In einem schriftlichen System müssen die Zeichen für eine permanent verändert, bis sie wieder verschwunden ist. Ephemere Schriften gewisse Zeit statisch erfassbar sein. Die Erzeugung der Zeichen darf nicht wie sind für Gilbert Ausdruckstanz, Skywriting, bei dem Flugzeuge mittels dem bei der Gebärdensprache mit dem gleichzeitigen Auslöschen der hervorgehen- Kerosin speziell beigemischter Farbstoffe durch Kapriolen Schriftzüge an den den einhergehen. »Charakteristisch für die Schrift ist, dass ihre Formen eine 334 – 335 zeitliche Dauer haben, die eine Wiederverarbeitung gestat- mit anderen Bildern austauscht und demsel- „ Stingelin und Thiele verwenden tet. Im Fall visueller Verarbeitung erfordert das mehrfaches ben zeitlichen Regime unterworfen ist. Die- den Begriff »portable media« in ihrem Lesen. In diesem Sinne ist Schrift statisch, während Gestik ser Feststellung steht auch nicht entgegen, gleichnamigen Sammelband bewusst kinetisch ist« (ebd: 78f.). dass Schrift im Film gleichzeitig auch Schrift als Abgrenzung zum sonst auch häufig Die Schrift im Film ist doppelt ephemer, da sie zum ei- bleibt, deren primäre Aufgabe es ist, Text verwandten mobile media, da bei der nen durch die Animation ihre Form verändern kann und zum zu kommunizieren. Schrift im Film hat also Betonung auf dem Tragbarkeit des andern aber auch durch das Medium Film einer Zeitlichkeit durchaus den Zwittercharakter zwischen Mediums, »die Körperverbundenheit unterworfen ist. Und es gibt noch einen weiteren Aspekt Bild und Text, nicht aber, wie sooft behaup- von Medien hervorgehoben und das des Ephemeren, der vor allem im Bezug auf das Digitale tet, aufgrund der ornamentalen Gestaltung, Verhältnis von Medientechnik und zum Tragen kommt: die Beweglichkeit der Oberfläche. Das sondern wegen des Dispositivs Film, der Körperlichkeit in den Blick gerückt« meint zum einen, dass die Geräte, auf denen man Schrift ein bilddominiertes, zeitbasiertes Medium wird (Stingelin/Thiele 2010: 8). Für Auch ephemere Schrift: »Dustwriting« auf lesen kann, selbst mobil und tragbar geworden sind.ƒ einem fahrenden Transporter. ist. Der spezielle Austausch zwischen Bild die Betrachtung des Ephemeren sind Es bedeutet aber auch, dass der Einsatz von Schrift vom und Schrift im Film, der in dieser Arbeit im beide Begriffe geeignet. Funktionszusammenhang abhängt, den die jeweilige Vordergrund stand, gründet sich in erster Linie auf diesem Zusammenhang. Oberfläche vorgibt, und dass das Erscheinungsbild von Schrift nicht mehr Bei den kinetischen Schriften, denen man in zahlreichen Clips vor allem auf zwangsläufig fest vorgegeben ist: Größe und Schriftart kann selbst dort, wo youtube begegnet, ist das anders. Zwar gibt es beinahe seit Beginn der der Text nicht variabel ist, vom Nutzer unterschiedlich eingestellt werden. Filmgeschichte animierte Schrift im Film, die kinetische Schrift kommt aber Zudem ist die Schrift nicht mehr auf einer Oberfläche fixiert. Das Schreiben erst mit den digitalen Möglichkeiten zur Entfaltung. Schriften morphen in auf dem Computer bezeichnet Jay David Bolter als ephemeres Schreiben, Bilder, gehen ineinander über und sind weit weniger auf einen bildlichen da man auf einer auslöschbaren Oberfläche schreibe. Unabhängig von der Hintergrund angewiesen, da die Programmierlogik diesen gar nicht mehr Möglichkeit der Speicherung ist der elektronische Text ein immer wieder erfordert. Die Schrift im Film hat eine zeitlich begrenzte Dauer, für die sie veränderbarer, im Gegensatz zum gedruckten bleibt er in Bewegung (cf mit dem Bild in Interaktion tritt; die kinetische Schrift benötigt diesen Be- Bolter 1991: 55). Bei Bolter war der Computer noch ein stationäres Gerät, zug zu einer Oberfläche nicht mehr. Natürlich ist auch diese Unterschei- und der gedruckte Text konnte physisch bewegt werden. Mit den Hand- dung nie absolut, das eine existiert immer auch im anderen. Die Schrift in helds ist der Text inzwischen doppelt in Bewegung geraten. einigen Typoclips funktioniert wie die oben beschriebene zweidimensionale Die Kinoleinwand ist wie der Computerbildschirm eine auslöschbare Schrift. Ebenso gibt es, wie ausgeführt, auch Schrift im Film, die räumlich Oberfläche, allerdings mit nur einem fest definierten Funktionszusammen- gestaltet oder gar ins Bild integriert ist. Im Folgenden werden jedoch einige hang: als Projektionsfläche für die Bilder des Films zu dienen. Bilder, weil Beispiele ausgeführt, die eine besondere Art ephemerer Schrift darstellen der Film, wie bereits wiederholt angeführt, ein Bilderuniversum darstellt. und deren Gestaltung in der einen oder anderen Weise das spezielle Ver- Das heißt, Schrift ist hier zum einen immer auch ein Fremdkörper, selbst hältnis von kinetischer Schrift und der Schreiboberfläche aufzeigt. Diese wenn sie in konventionalisierten Bereichen auftaucht, da man vom Film er- Schriften haben ihre Bezugspunkte dabei weniger im Film und auf der Lein- wartet, Bilder gezeigt zu bekommen. Gleichzeitig bekommt die Schrift aber wand als Schriftträger, sondern sind deutlicher dem Display verhaftet, einer auch genau dadurch den Status eines Bildes. Ungeachtet der Gestaltung der Oberfläche, auf der ebenfalls nichts mehr auf Dauer fixiert werden kann, die Schrift, ist sie immer auch ein Bild, weil sie sich auf einer Bilderoberfläche aber nicht mehr einem Bilderuniversum zugehörig ist. Das Display ist eine 336 – 337 Möglichkeit, die Schrift, Bild, Grafik und Benutzeroberfläche gleichermaßen Raum bietet. Gleichzeitig ist bei einigen Beispielen, die mit Bewegtbild und animierter Schrift arbeiten, ein ganz anderes Verhältnis von Flächigkeit und bildlicher Tiefenillusion zu erkennen. Das Spiel von Hintergründen und verschiedenen Oberflächen hat auch Peter Greenaway in seinen Filmen ausgelotet. Prospero‘s Books si- muliert kein herkömmliches Buch aus Papier, Greenaway setzt hier filmisch auch die Möglichkeiten des e-Books um: Bilder befinden sich in anderen Bildern, Ebenen überlagern sich, Texturen legen sich über Bilder, nehmen ihnen das räumliche Aussehen und lassen sie zur Oberfläche von Beschrif- tungen werden. Das Buch, das immer wieder in Subjektiven und Großauf- nahmen auftaucht, ist dabei wie in modernen e-Readern nur ein Interface, eine vertraute Benutzeroberfläche, der Rahmen für Visualisierungen und Animationen. Film und Buch, so hat man den Eindruck, sind bei Greenaway nur mehr Medien, deren Materialität und Oberfläche beliebig imitiert wer- den können. Aber letztendlich bleibt es bei der Imitation, denn aufgrund des Dispositives gibt es keine Interaktivität, und die Bücher müssen trotz der aufwändigen Animationen immer noch aus dem Off erklärt werden. In Greenaways Tulse Luper Suitcases findet sich eine Stelle, die in die- sem Zusammenhang einen interessanten Aspekt von Schrift und Oberfläche verdeutlicht. Wie in vielen Filmen Greenaways, gibt es hier eine Reihe von Gegenständen, die im Verlauf der Geschichte nummeriert und gezählt werden, so auch die Schläge, die der Protagonist Tulse Luper immer wieder einstecken Tulse Luper Suitcase (Peter Greenway, UK/E/F 2003/2004) muss. Jedes mal, wenn er einen oder mehrere Schläge erhält, erscheint auf dem Bild, genau an der Stelle, an der die Faust oder der Fuß des Gegners Oberfläche des Bildes, an der der Schlag Lupers Körper getroffen hat. An- seinen Körper traf, die fortlaufende Nummerierung dieses Schlages. Bis der schließend heben sie diesen Zusammenhang auf, indem sie ein neues Bild for- Schläger fertig ist, verbleiben die Zahlen im Bild und formen sich anschlie- men; lediglich die Zahlen selbst verweisen auf den narrativen Zusammenhang. ßend zu einer Figur, einem Herz oder einer geometrischen Form. Diese Be- Der Unterschied der animierten Zahlen in The Tulse Luper Suitcases schriftungen folgen dabei einer speziellen Logik, die eher dem Display als dem zu anderen Beispielen, in denen über die Bilder geschrieben wird, besteht Film verhaftet ist. Einerseits stehen die Zahlen in direktem Zusammenhang in ihrem doppelten Status. Sie beschriften einerseits das ihnen zugrunde mit dem Bild, indem sie die Stellen markieren, an denen Tulse Luper getrof- liegende Bild, funktionieren aber gleichzeitig auch auf einer ihnen eige- fen wurde, gleichzeitig sind sie aber Zahlen auf der Oberfläche. Sie haften nen Oberfläche, auf der sie sich unabhängig vom Bild bewegen können. nicht an Luper, wie das durch Tracking häufig gemacht wird, sondern bleiben Zwar gab es ähnliche Beispiele auch aus dem Bereich des analogen Films, auf der Bildoberfläche stehen, sie kennzeichnen letztendlich die Stelle auf der unter anderem im Vorspann zu Barbarella, wo die Buchstaben der Credits 338 – 339 ebenfalls über dem Bild umherschwirren, um bestimmte Körperteile von Da diese Schrift zugleich Untergrund und Oberfläche sein kann, räumlich Jane Fonda zu verdecken, dennoch entspricht die Logik einer autonomen und zweidimensional, ist sie auf Bilder, zu denen sie ihr Verhältnis in Bezug vom Untergrund losgelösten Oberfläche eher den modernen Bildschirmen zur Positionierung im Raum definieren könnte, nicht mehr angewiesen. In und Interfaces. Im Film stellen die Bilder normalerweise Untergrund und den so genannten Typoclips, in denen sie auftaucht und von denen zahlrei- Oberfläche zugleich dar, nur in wenigen Ausnahmen, wenn über die Bil- che Beispiele auf youtube zu finden sind, wird daher auch weitgehend auf der Schrift gesetzt (oder die Leinwand beschriftet) wird, entstehen meh- vorproduzierte Bilder verzichtet. Die Clips kombinieren bewegte Typografie rere Ebenen. Auf einem Computermonitor hingegen ist dieses Verhältnis mit Symbolen, Musik und Sprechertext; im Zentrum stehen Wörter und Gra- beweglich. Je nachdem welche Programmfenster wie angeordnet werden fiken, der Hintergrund bleibt häufig weiß, und Räumlichkeit entsteht durch und sich im Vordergrund befinden, ändert sich die Simulation räumlicher die Gestaltung der Schrift. So werden einzelne Wörter gewohnt zweidimen- Tiefe sowie das, was momentan die Oberfläche darstellt. Tiefenrealistische sional präsentiert, nur um im nächsten Augenblick nach hinten zu kippen Bilder im einen Fenster werden wiederum durch andere überlagert, die rein oder in die Tiefe des Raums zu fahren. Mal baumeln sie an einer Linie he- zweidimensional wirken und andersherum. Je nach Funktion der einzelnen runter, werden aus dem Bild gefahren, wobei sie das nächste Wort hinter Objekte kann die Räumlichkeit dabei auch wieder zur (Benutzer-)Oberflä- sich herziehen, fächern sich auf oder schwingen langsam aus, um Materia- che werden, und der zweidimensionale Mauszeiger schwebt über allem in lität und Masse zu simulieren, und kurz darauf lassen sie den weißen Raum gleich bleibender Höhe. Die Schrift, die in diesem Zusammenhang funkti- zur Schreiboberfläche werden, auf die sie handschriftlich aufgetragen wer- oniert, ist ephemer, weil sie nicht mehr nur auf eine bestimmte Oberfläche den. Bei den Clips auf youtube ist auffällig, dass es zwei unterschiedliche bezogen wird, und ihre Räumlichkeit innerhalb eines Augenblicks je nach Arten gibt: entweder liegt der Fokus auf der Gestaltung, dann wird der Text Zusammenhang ändern kann. im Off gelesen und einzelne Wörter daraus werden zusammen mit grafi- schen Elementen und Symbolen meist räumlich animiert; „ Eine eigene Kategorie kinetischer oder aber es wird anstelle der Sprecherstimme Musik ein- Typo-Clips sind inzwischen die Ani- gesetzt, und der Text wird in ganzen, zusammenhängen- mationen berühmter Filmdialoge in den Sätzen gezeigt. In diesem Fall wird die Schrift stärker Schriftform. Hierbei wird ein Original- nach Maßstäben der Lesetypografie gestaltet, es gibt dialog im Off wiedergegeben, während weniger Animationen und die Schrift bleibt überwiegend man ihn on-screen gleichzeitig Wort für zweidimensional.ƒ Wort lesen kann. Wie bei der Optopho- Der spezielle Effekt des filmischen Kalligramms, der netik werden über die Animation, die beispielsweise auch entsteht, wenn Godard mit dem Te- Wahl der Type und die Schriftgröße die lestrator auf und über die Bilder schreibt und so beides Intentionen der Sprache nachgeahmt. miteinander in Bezug setzt, findet hier nicht mehr statt, Beispiel auf youtube sind: http://www. da das Bild als Oberfläche nicht mehr zwingend Voraus- youtube.com/watch?v=Gj13ugh5FYw setzung ist. Wenn man im Film zwangsläufig über das und http://www.youtube.com/watch Bild geschrieben hat, weil man es erwartete, so ist dieser ?v=sYPWNiHEOMM&feature=related, Zusammenhang im Computer aufgrund der verschiede- letzter Zugriff. 28.9.2010. nen Funktionen, die damit verbunden sind, aufgehoben. 340 – 341 In den Typoclips wird die Schrift selbst zum Ereignis. Und das Kalligramm nimmt man hier dann auch wörtlich, wie in dem Beispiel The Child (Antoine Bardou-Jacquet, F 1999). Die Geschichte dieses Musik-Clips erzählt, wie sich eine schwangere Frau kurz vor der Geburt mit ihrem Mann auf den Weg zum Krankenhaus macht, wo sie nach einer auf- regenden Fahrt durch die Stadt gerade noch rechtzeitig ankommen. Das besondere an dem Animationsfilm ist, dass alles, die Menschen, die Gegenstände, die gesamte Stadt, aus Buchstaben gebaut ist. So erkennt man hohe Gebäude und Straßenschluchten, wobei die Hochhäuser aus großen Blockbuchstaben bestehen, die ihre Funk- tion beschreiben: Hotel, Citybank etc. Auf der Straße sonen« nämlich sprechen lassen und auch die Gegenstände synchronisiert, fahren die Wörter »car« oder »4x4« in unterschiedlichen so dass die Autos auch aufgrund des Motorengeräusches und Hupens iden- Schriftarten. Dabei wird gar nicht versucht, wie bei einem tifiziert werden können. Da das Bild überladen ist mit Schrift, ist es auch gar Kalligramm den Gegenständen durch die Gestaltung der nicht möglich, alle dort auftauchenden Informationen zu lesen. Es ist viel Wörter eine Form zu geben, die an das erinnert, was die mehr so, dass die Wörter einen optionalen Unterhaltungswert bieten, der Wörter bezeichnen. Durch den Umbruch und die Schrift- den Film um einiges amüsanter, aber nicht verständlicher macht.5 größe wird lediglich angedeutet, welchen Raum diese in Bild und Schrift sind, das zeigen diese Beispiele, austauschbar gewor- der Szenerie einnehmen. Die schwangere Frau beispiels- den: Bilder müssen nicht mehr gezeigt und Schrift nicht mehr gelesen werden. von oben nach unten: Schwingende weise wird im Film durch »PRETTYFACE / WOMAN / Eine Flexibilität, die weniger allein auf der gleichen binären Grundlage von Schrift in »The Lisbon Treaty‘s Soci- al Side« (http://www.youtube.com/ PREGNANT / REDDRESS / SNEAKERS« dargestellt, Schrift und Bild basiert; Wörter, Formen und Dinge tauschen ihre Rolle viel- watch?v=MM_BNdlJihw; letzter Zugriff: wobei sich die einzelnen Wörter den jeweiligen Gegeben- mehr aufgrund der jeweils definierten Oberflächen, wie Rancière festgestellt 28.9.2010), rotierende Schrift in »Intelli- heiten anpassen können. So wird der Mann zu Beginn als hat (cf. Rancière 2007: 106). Mit der Schrift im Film, wie sie in den vergange- gent Design« (http://www.youtube.com/ watch?v=mi6d9dEXLWg; letzter Zugriff: »BLACKHAIR / PLEASANTFACE / BIGGLASSES / HUS- nen Kapiteln Zentrum stand, hat dies nicht mehr viel zu tun, es ist daher auch 28.9.2010) und Sprechblasen in »shift hap- BAND / LITTLEMAN / DARKSUIT« beschrieb en und nur konsequent, wenn Norbert Bolz als Vorläufer der kinetischen Schrift nicht pens 2009« (http://www.youtube.com/ watch?v=OhuV_rmf5Mg). Letzterer Clip repräsentiert. Kaum sagt seine Frau aber, dass das Baby die Schrift im Film, sondern die typografischen Experimente der Futuristen hat keinen Off-Erzähler. nun komme, wird »Pleasantface« durch »Anxiousface« sieht, deren weiterer Weg über Reklame und Boulevardzeitung verlief: »Buch- ersetzt, und die unregelmäßig gezeichneten Buchstaben staben gewinnen hier wieder ikonische Qualität und geradezu skulpturale des Wortes sollen Panik suggerieren. Der gesamte Raum des Bildes wird Tastbarkeit« (Bolz 1995: 196). In eine ähnliche Richtung zielt Andrzej Gwózdz, durch die dreidimensionale Gestaltung der Wörter erzeugt, die sich zudem der Mallarmé als Grundlage für die elektronische Schrift sieht, da dieser mit (wenn sie Autos oder Menschen repräsentieren) frei darin bewegen können. den Oberflächen arbeite, auf der er die Buchstaben nach einer Logik verteile, Doch obwohl der Film ein einziges System von Schrift ist, ist es nicht nötig, die nicht mehr die des linearen Buchdruckes ist (cf Gwozdz 2002, o.P.): diese auch zu lesen, um dem Inhalt zu folgen. Bardou-Jacquet hat die »Per- 342 – 343 Herleitungen – bereits für den modernen Film festgestellt. Im modernen Die »Überführung des Wortes in den Raum« ist ein Resultat der Verknüpfung Film sieht er eine Autonomie des Off, das sich nicht mehr auf das visuelle des Schreibens mit der Typographie, vielmehr noch ein Resultat der Unterord- Bild bezieht, wodurch es auch kein hors-champ mehr gibt, der ja in direk- nung der Schrift der Typographie, was im Falle der »Geste des Video« einfach ter Abhängigkeit zum sichtbaren Bild besteht. Ohne diesen Raum werden die Geburt einer neuen Schriftformation – der Monitorschrift – bedeutet (ebd.). diese neuen Bilder nicht mehr mit dem in der Tiefenschärfe begründeten Dass sich die Schrift der Typografie unterordnet, bezeichnet genau den Realismusanspruch wahrgenommen, sondern als Bilder in ihrer Flächigkeit Effekt der kinetischen Typografie, die man gar nicht mehr unbedingt le- rezipiert, »sie verfügen gleichsam über die Fähigkeit, sich um sich selbst zu sen muss. Dass die Gestaltung im Vordergrund steht, wird bereits bei der drehen« (ebd: 339). Dieses Konzept der Flächigkeit ist nun eines, dass die Konzeption mitbedacht, so dass die Informationen auch auf andere Art, Schrift nicht mehr ausgrenzt. Bei Deleuze vermischen sich Bild und Schrift beispielsweise über einen Sprechertext, vermittelt werden. Das Viel-Lesen nicht aufgrund paralleler ikonischer Qualitäten oder der räumlichen Über- und Nicht-Lesen sind die zwei Seiten derselben Medaille. Das elektronische führung der Schrift, sein Weg ist andersherum: das Bild selbst wird lesbar. Medium ermöglicht das angepasste und komfortabel-tragbare Lesen von Bazins Alternative zwischen cache und cadre – dient die Leinwand als Rahmen Unmengen von Text und gibt gleichzeitig einer Schrift Raum, die mehr Ob- (wie bei einem Gemälde) oder als Maske (wie ein Fenster)? – war immer schon jekt denn Text ist. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen unzureichend, […]. Wenn nun aber das Bildfeld oder die Leinwand wie ein Ar- den modernen Typoexperimenten und den zeitgenössischen Typoclips: maturenbrett oder eine Informationstafel funktioniert, dann hebt sich das Bild die Schrift hat in den neuen Medien keinen festen Rahmen mehr. Sowohl fortwährend von einem anderen ab, zeichnet sich unter einem Gewebe ab und Mallarmés Würfelwurf als auch Moholy-Nagys Typofoto beziehen sich auf geht in einer »unaufhörlichen Flut von Botschaften« gleitend zum nächsten Bild den festen Rahmen der Seite, auf der sie gedruckt wurden. Und das Ty- über, während die Einstellung weniger einem Auge ähnelt als einem reizüber- pofoto hat sogar noch einmal kleinere Rahmen eingezogen, die zusätzli- fluteten Gehirn, das unablässig Informationen aufnimmt (Deleuze 1997: 341). che Dynamisierung in die starre Schrift bringen sollen.6 Die Schrift im Film hat in den meisten Fällen den Bezug zum Rahmen der Leinwand, und auch Die Schrift gehört zum Bild, sie bildet eine zusätzliche Schicht, die freige- wenn es strittig ist, ob die Leinwand überhaupt über solch einen Rahmen legt, aber nicht abgetrennt werden kann: verfügt, steht sie doch in einem festen Bezug zum dispositiven Gefüge des Im Stummfilm haben wir nämlich zwei Arten von Bildern vor uns – die ge- Kinos. Die Monitorschrift ist nun aber ebenso bezugslos zu einem Rahmen sehenen und die gelesenen (Zwischentitel) oder zwei Bildelemente (Inserts). geworden wie auch die neuen Displays zu einem festen Ort. Im Compositing Jetzt dagegen muss das visuelle Bild als ganzes gelesen werden, und die Zwi- wird der Rahmen nicht nur flexibel, er löst sich auf, die gerechneten Bil- schentitel und die Inserts drehen lediglich noch die Interpunktion einer stra- der lassen sich beliebig verschieben, man kann rein- und rauszoomen und tigraphischen Schicht oder als veränderliche Verbindungen von einer Schicht ebenso verhält sich die Schrift darin, sie ist frei beweglich. Das Gegenüber zur anderen, als Übergänge von einer zur anderen (daher zum Beispiel die dieser digitalen Bilder und Schriften ist nicht die Bildbegrenzung nach in- elektronische Transformation des Schriftlichen bei Godard) (ebd: 315). nen, sondern der Rahmen, der das Gerät nach außen konstituiert. Und die- ser Rahmen wird ausgestellt, ist im Falle der Smartphones und Tablets nicht Die Leinwand wird zur Tafel, die aber nicht mehr auf die Position des Betrach- selten mindestens so interessant wie der Inhalt des Gezeigten, in jedem Fall ters verweist. »Die Tiefe wurde als ›Täuschung‹ gebrandmarkt, und das Bild ak- ist er sicht-, spür- und berührbar. Die dadurch erreichte Auflösung der in- zeptierte seine Flächigkeit, seine ›Oberfläche ohne Tiefe‹ (Deleuze 1993: 103). nerdiegetischen Bildbegrenzung hat Deleuze – wenn auch unter anderen Die bewegte Typografie auf dem Computer braucht dieses Bild nicht mehr, 344 – 345 es ist selbst dieses Bild. Im Film hingegen steht die Schrift im Verhältnis zu den Bildern, den vorhergehenden und folgenden oder denen darunter. Und ob die Schrift einen Schatten auf diese wirft, hängt allein davon ab, ob man sie nun aus dem Film ausschließen möchte oder nicht. Anmerkungen 1. Zu der Serie Magrittes siehe auch Schreier 1985: 37. 2. Zu speziellen Formen des Kalligramms, bei denen auch die einzelne Platzierung der Worte für die Erschließung des Inhalts wichtig wird, siehe Gross 1994: 78ff. 3. Magritte war anderer Auffassung bezüglich Ähnlichkeit und Gleichartigkeit: vgl. den Brief von René Magitte an Foucault vom 23. Mai 1966 in Foucault [1973]: 1997: 55f. sowie Glasmeier 2004: 107ff. 4. Siehe hierzu Claude Lanzmanns Shoah (F 1985) und Didi-Huberman 2007. 5. In dem »veryverylongcadillac«, das dem Taxi, in dem das schwangere Paar sitzt, den Weg ab- schneidet, sitzt die Band »Aphextwin«; das ist allerdings so klein und versteckt, dass es erst in der Einzelbildanalyse auffällt. 6. Diese starren Rahmen hat Mel Bochner in seiner Variation dieses Konzepts, in "Alfaville", sogar noch verstärkt, siehe hierzu de Bruyn 2003. 346 – 347 ANHANG An Literatur Adorno, Theodor W., Max Horkheimer (1997 [1947]): »Das Schema der Massenkultur«, in: dies., Dialektik der Aufklärung, Frankfurt/M: Suhrkamp, S. 299 – 335. 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Coppola, USA 1974) 204 A Bout de Souffle (Jean-Luc Godard, F 1960) 273 Bronenosets Potyomkin (Panzerkreuzer Potemkin, Desperate Measures (Barbet Schroeder, USA 1998) 214 Der Golem, wie er in die Welt kam (Paul Wegener, D Allemagne 90 (Jean-Luc Godard, F 1991) 275 Sergej Eisenstein, UdSSR 1925) 53, 127-129, 142 Détective (Jean-Luc Godard, F/CH 1985) 248 1920) 63, 133 Altered States (Ken Russell, USA 1980), 192 Das Cabinet des Dr. Caligari (Robert Wiene, D 1920) Deux fois cinquante ans de cinéma français (Jean- Un Grand Amour de Beethoven (Abel Gance, F 1937) A Movie (Bruce Conner, USA 1958) 231 82, 133 – 135 Luc Godard/Anne-Marie Miéville, UK/CH/F 1995) 144f. Anatomy of a Murder (Otto Preminger, USA 1959) 87 Caché (Michael Haneke, F/D/I/AU 2005) 209 306, 310 Henry Fool (Hal Hartley, USA 1997) 177 Les Carabiniers, (Jean-Luc Godard, F/I 1963) 274 – 286, Deux ou trois choses que je sais d‘elle (Jean-Luc Anémic Cinéma (F 1926, Marcel Duchamp), 231 305 Godard, F 1967) 277 Hiroshima mon Amour (Alain Resnais, F 1959) 151 Annie Hall (Woody Allen, USA 1977) 97 The Devil‘s Brother (Hal Roach, Charley Rogers, USA Histoire(s) du Cinéma (Jean-Luc Godard, F 1998) 274 Cat Ballou (Elliot Silverstein, USA 1965) 212f. Apocalypse Now (Francis Ford Coppola, USA 1979) 88 1933) 146 277, 300, 304 – 314 Chelovek s kino-apparatom (Der Mann mit der Ka- Die arme Jenny (Urban Gad, D 1912) 147 Domino (Tony Scott, F/USA 2005) 97, 174 H is for House (Peter Greenaway, UK 1973) 247mera, Dziga Vertov, UdSSR 1929) 53f., 120 Arnulf Rainer (Peter Kubelka, AU 1960) 241 How it feels to be run over (Cecil Hepworth, USA Un Chien Andalou (Luis Buñuel, F 1929) 218 DOT. (Jörg Petri, D 2008) 241 1900), 108 L‘Arrivée d‘un train en gare de La Ciotat (Auguste & La Chienne (Jean Renoir, F 1931) 147f. Die drei von der Tankstelle (Wilhelm Thiele, D 1930) Louis Lumière, F 1895) 281 146f. Ici et ailleurs (Jean-Luc Godard/Jean-Pierre Gorin F The Child (Antoine Bardou-Jacquet, F 1999), 342f. 1976) 291, 301 Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos (Alexander Entuziazm: Simfoniya Donbassa (Die Donbaß-Sinfo- Kluge, BRD 1968) 223 La Chinoise (Jean-Luc Godard, F 1967) 273ff., 286ff. nie, Dziga Vertov, UdSSR 1931) 58 I … dreaming (Stan Brakhage, USA 1988) 237 Aufschub (Harun Farocki, D/Südkorea 2007) 328f. Ciné-tracts (ohne Credits, F 1968), 291 – 293, 317ff. Ex Drummer (Koen Mortier, B 2007) 212 I Love Melvin (Don Weis, USA 1953) 83f. Bande à Part (Jean-Luc Godard, F 1964) 274 Citizen Kane (Orson Welles, USA 1941) 151 Fay Grim (Hal Hartley, USA/D 2006) 177f., 187, 223 In Gefahr und größter Not ist der Mittelweg der Tod Barbarella (Roger Vadim, F/I 1968) 168 Classe de lutte (Le groupe Medvedkine de Besançon, (Alexander Kluge, BRD 1974) 223 Une Femme est une Femme (Jean-Luc Godard, I/F F 1968) 292 L‘Inhumaine (Marcel L‘Herbier, F 1924) 133 Be with Me (Eric Khoo, Singapur 2005) 101-103, 105-107 1961) 98 College Chums (Edwin S. Porter, J. Searle Dowley, Une Femme mariée (Jean-Luc Godard, F 1964) 98 Intelligent Design (Christian Bramsiepe, 2008) 342Birth of a Nation (David W. Griffith, USA 1915) 82, 84, USA 1907) 108f. 123 Fight Club (David Fincher, USA/D 1999) 174 Intolerance (David W. Griffith, USA 1916) 224 A Colour Box (Len Lye, NEW 1935) 237 378 – 379 Into the Wild (Sean Penn, USA 2007) 176 Le Mépris (Jean-Luc Godard, F/I 1963), 100, 272f., 277, Resident Evil (Paul W.S. Anderson, UK/D/F 2002) 184f. Tabu (Friedrich Wilhelm Murnau, USA 1931) 136 – 139 L‘Invitation au voyage (Germaine Dulac, F 1927) 231 311, 319 Riddles of the Sphinx (Laura Mulvey, Peter Wollen, Take Measure (William Raban, UK 1973) 258 Iron Man (Jon Favreau, USA 2008) 173f. Minority Report (Steven Spielberg, USA 2002) 174 GB 1977) 242 – 244 The Tall T (Bidd Boetticher, USA 1957) 70 The Island of Dr. Moreau (John Frankenheimer, USA Mission Impossible II (John Woo, USA/D 2000) 83 Le Roman d‘un Tricheur (Sacha Guitry, F 1936), 83, Targets (Peter Bogdanovich, USA 1968) 210 1996) 225 Miss Lulu Bett (William C. de Mille, USA 1921) 119 147f., 150 Television Delivers People (Richard Serra, USA 1974), It‘s a Wonderful Life (Frank Capra, USA 1946) 148 MTL (DTH) (Marcel Broodthaers, B 1970) 270f. Rose O‘Salem Town (David W. Griffith, USA 1910) 84 236 Jackie Brown (Quentin Tarantino, USA 1997) 90f., 189 The Naked Kiss (Sam Fuller, USA 1964) 197 – 201 Rythmetic (Evelyn Lambart/Norman McLaren, CAN Terminator (James Cameron, UK/USA 1984) 185 1956), 224 The Jazz Singer (Alan Crosland, USA 1927) 120 National Born Killers (Oliver Stone, USA 1994) 175, 183 Terminator Salvation (McG, USA/D/UK/I 2009) 185 Le Rythme coloré (Léopold Sauvage, F 1921) 50 Jean-Luc Godard (Katja Raganelli, D 1990) 275 Never Say Never Again (Irving Kershner, USA/GB/D Das Testament des Dr. Mabuse (Fritz Lang, D 1933) 222 Sailboat (Joyce Wieland, CAN 1968) 250f., 325f. JLG/JLG – Autoportrait de décembre (Jean-Luc 1983) 212 Thank you for smoking (Jason Reitman, USA 2005), Godard, F 1995) 277f. Nivea (Peter Weibel, AU 1966/7) 257f. Scherben (Lupu Pick, D 1921) 195, 219 169 – 171, 189 Jurassic Park (Steven Spielberg, USA 1993) 92f. Nouvelle Vague (Jean-Luc Godard, CH/F 1990) 275 School of Rock (Richard Linklater, USA/D 2003) 211, Three Days of the Condor (Sydney Pollack, USA 1975) 213 Lehrer im Wandel (Alexander Kluge, BRD 1963) 223 Numéro Deux (Jean-Luc Godard, F 1975) 291, 305 119 Scott Pilgrim vs. the World (Edgar Wright, USA 2010) 9f. Der letzte Mann (Friedrich Wilhelm Murnau, D 1924) Oktyabre (Oktober, Sergei Eisenstein, UdSSR 1928) 57, Timecode (Mike Figgis, USA 2000) 190f. 120f., 222 60, 64, 125-129, 142 Secondary Currents (Peter Rose, USA 1982), 252 – 256 The Tingler (William Castles, USA 1959), 150 Letter (Dieter Roth, D 1962) 237 The Old Place (Jean-Luc Godard/Anne-Marie Miévil- The Servant Girl Problem (Vitagraph, USA 1905) 170 Touch of Evil (Orson Welles, USA 1958) 88 Liberté et Patrie (Jean-Luc Godard/Anne-Marie le, F/USA 2000) 306 Se7en (David Fincher, USA 1995) 166f., 202-204 Tout va Bien (Jean-Luc Godard, Jean-Pierre Gorrin, Miéville, CH 2002) One Hour With You (Ernst Lubitsch, USA 1932) 146 Sherlock (BBC, 2010 – 2012) 9ff. F/I 1972) 275 The Lightning Testimonies (Amar Kanwars, Installati- One plus One (Jean-Luc Godard, GB 1968) 277 Shoah (Claude Lanzmann, F 1985) 347 Trade Tattoo (Len Lye, NEW 1937) 237 on 2007) 101 Our Town (Sam Wood, USA 1940), 148, 150 Six Fois Deux – Sur et sous la communication (Jean- Traité du Bave et d‘Eternité (Isidore Isou, F 1951), 236 The Lisbon Treaty‘s Social Side (2009) 342 Die Patriotin (Alexander Kluge, BRD 1979) 223 Luc Godard/Anne-Marie Miéville, F 1976) 274, Tron (Steven Lisberger, USA/Taiwan 1982) 184 Little Caesar (Mervyn LeRoy, USA 1931) 145f. 277f. – 304The Penniless Prince (1911) 81 The Tulse Luper Suitcases (Peter Greenaway, UK/E/I Loaded Weapon 1 (Gene Quintano, USA 1993) 98f., 105 So is This (Michael Snow, CAN 1982), 241, 244, 246, Pierrot le Fou (Jean-Luc Godard, F/I 1965) 274, 316 2003/2004) 246, 338f.252, 260, 324, 329, 332 Lost Horizon (Frank Capra, USA 1937) 145 The Pillow Book (Peter Greenawy, F/K/NL/LUX 1996) Uncle Josh at the Moving Picture Show (Edwin S. Specialized Technicians Required: Being Luis Porcar Love and the Law (Edgar Lewis, USA 1919) 222 106, 246 Porter, USA 1902) 317(Manuel Seiz, E 2005) 217 Made in USA (Jean-Luc Godard, F 1966) 274 The Pink Panther (Blake Edwards, USA 1963) 209 Vampyr (Carl Theodor Dreyer, F/D 1932) 220Speed (Jan de Bont, USA 1994) 171 Manhatta (Charles Sheeler, Paul Strand, USA 1921) A place in the sun (George Stevens, USA 1951) 308 Le Vent d‘Est (Groupe Dziga Vertov, I/F/BRD 1970) Spirit Matters (Peter Rose, GB 1984), 328 – 332 230f., 292 237, 288ff.La Pluie (projet pour un texte) (Marcel Broodthaers, Spring in a small town (Fei Mu, China 1948) 119 Man on Fire (Tony Scott, USA/UK 2004) 98f. B 1969) 327 Vivre sa vie (Jean-Luc Godard, F 1962) 97, 273, 275 Stachka (Streik, Sergej Eisenstein, UdSSR 1925) 129, 131 The Man who knew too much (Alfred Hitchcock, GB Poetic Justice (Hollis Frampton, USA 1972), 239 – 242, Week End (Jean-Luc Godard, I/F 1967) 273, 275 1934) 147f. 246f. Stagecoach (John Ford, USA 1939) 193 White Calligraphy (Takahiko Iimura, J 1967) 211 The man with the golden Arm (Otto Preminger, USA Portrait einer Bewährung (Alexander Kluge, BRD Staroye i novoye (Die Generallinie, Sergej Eisenstein, The Whole Dam Family and the Dam Dog (Edwin S. 1955), 86-89 1964), 223 UdSSR 1929) 57 Porter, USA 1905) 168f., 218 The Marriage Circle (Ernst Lubitsch, USA 1924) 146 The Pressures of the Text (Peter Rose, USA 1983), 255 Stranger Than Fiction (Marc Foster, USA 2006) 9ff., Why Change your Wife? (Cecil B. DeMille, 1920) 113, 178-184, 187f. The Matrix (Andy & Larry Wachowski, USA 1999) 89ff. Prospero‘s Books (Peter Greenaway, F/NL/UK/J 1991) 115f., 177, 188 247, 338 Sud sanaeha (Blissfully Yours, Apichatpong MAtrix Ping Pong (youtube-clip), 149 Wiedersehen (Stephan Hilpert, D 2004) 101Weerasethakul, Thailand/F 2002) 196 A Matter of Life and Death (Paul Powell, Emeric Redacted (Brian de Palma, USA/CAN 2007) 223 Will Success Spoil Rock Hunter? (Frank Tashlin, USA Sunrise (Friedrich Wilhelm Murnau, USA 1927) 117-119 Pressburger, GB 1946) 149 La Règle du Jeu (Jean Renoir, F 1939) 151 1957) 150 380 – 381 Wir Wunderkinder (Kurt Hoffmann, BRD 1958) 150 Zen for Film (Nam June Paik, USA 1964) 256f. The Women (George Cukor, USA 1939) 146f. Zorn‘s Lemma (USA 1970), 234f. Word Movie (USA 1967, Paul Sharits), 233f., 253 zzz: hamburg special (Hans Scheugl, D/AU 1966) 256 You‘ll Never get rich (Sidney Lanfield, USA 1941), 212f., Zombieland (Ruben Fleischer, USA 2009) 6ff. 215 Abbildungsverzeichnis Sofern nicht anders angegeben, handelt es sich bei den Abbildungen um Bild- schirmfotos der jeweiligen DVDs. Alle Rechte liegen bei den Rechteinhabern. S. 22-25: Aus Moholy-Nagy 1978 S. 75: Foto von Florian Krautkrämer S. 110: Katalog des 21. Festivals Il Cinema Ritrovata 2007: S. 63 S. 251: Still aus Sailboat, Distribution: Arsenal /CFMDC, Copyright: Cinéma- thèque Québecoise S. 208f.: Carson 1996 – 1997, Bd. 1 und 2, ohne Pa S. 256: 16mm-Filmstreifen von Florian Krautkrämer S. 257: X-Screen. Filmische Installationen und Aktionen der Sechziger- und Siebziger Jahre. Katalog zur Ausstellung, Wien 2004, (Foto: Peter Moore, New Cinema Festival I, Cinematheque, New York, 2. November 1965, © Estate of Peter Moore/VBK, Wien/VAGA, NY), S. 48 S. 2 66: X-Screen. Filmische Installationen und Aktionen der Sechziger- und Sieb- ziger Jahre. Katalog zur Ausstellung, Wien 2004, (Foto: Werner H. Mraz), S. 109 S. 240: X-Screen. Filmische Installationen und Aktionen der Sechziger- und Siebziger Jahre. Katalog zur Ausstellung, Wien 2004, (© Maria Gilissen, 1997, Courtsey La Fondation Broodthaers), S. 166 S. 270: Broodthaers 1997: S. 100 & 109 S. 271: Broodthaers 1997: S. 101 S. 322: Apollinaire 2008: S. 60 S. 322: Foucault 1997: S. 5 S. 337: Foto von Florian Krautkrämer S. 340: Foto von Florian Krautkrämer 382 – 383 Kaum ein Film kommt ohne Schrift aus. Trotzdem wird sie häufi g unterschätzt, da sie mit Ende des Stummfi lms an die zeitlichen und räumlichen Ränder des Films abgewandert ist: in Vor- und Abspann sowie Untertitel. Dass sie dennoch von den Rändern aus, aber auch zwischen und über den Bildern, auf den Film ein- wirkt, zeigt das vorliegende Buch. Sich für die Schrift zu ent- scheiden, ist eine Kritik an der Bildzentrierung dieses Mediums. Das erklärt auch die zahlreichen Deabtten, die seit Beginn der Filmgeschichte das Unfi lmische der Schrift diskutieren. Die Ent- wicklung des Films aus der Perspektive der Schrift zu betrach- ten, bedeutet, Aus- und Einschließungen zu hinterfragen und die Randzone auszuweiten. Es wird daher nicht allein die Schrift im Film untersucht, sondern auch der Ort, an dem sie erscheint. Strategien der Schriftvermeidung sind dafür so wichtig wie die Buchstaben auf der Leinwand selbst. Dargestellt wird der Wandel der Schrift in Spiel- und Experimen- talfi lm, vom Stumm- zum Tonfi lm bis hin zu aktuellen Beispielen. Mit Analysen von Filmen von Eisenstein, Godard, Greenaway, Hollis Frampton und Marcel Broodthaers. www.lit-verlag.de ISBN 978-3-643-12013-7 Medien ‘ Welten 9 *ukdzfe#yx-ycm* LIT Florian Krautkrämer Florian Krautkrämer SCHRIFT IM FILM