Jahrbuch immersiver medien 2014 institut für immersive medien (hrsg.) im auftrag des Fachbereichs medien der Fachhochschule Kiel JAHRBUCH IMMERSIVER MEDIEN 2014 Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnd.ddb.de abrufbar. Titelbild Aaron Bradbury: Vortex. © Aaron Bradbury 2013 Bildnachweise Bei den Autoren Herausgeber / Editor Institut für immersive Medien (ifim) an der Fachhochschule Kiel / Hochschule für angewandte Wissenschaften Mitherausgeber / Associate Editors Matthias Bauer (Flensburg), Knut Hartmann (Flensburg), Fabienne Liptay (München), Susanne Marschall (Tübingen), Klaus Sachs-Hombach (Tübingen), Jörg R. J. Schirra (Chemnitz), Jörg Schweinitz (Zürich), Eduard Thomas (Kiel), Hans Jürgen Wulff (Kiel) Redaktion / Executive Board Tobias Hochscherf (Kiel), Heidi Kjär (Kiel) Patrick Rupert-Kruse (Kiel) Redaktionsanschrift c/o Prof. Dr. Patrick Rupert-Kruse, Institut für immersive Medien, Fachbereich Medien, Fachhochschule Kiel, Grenzstr. 3, 24149 Kiel. Tel.: 0431-2104512 E-Mail: immersive-medien@fh-kiel.de www.immersive-medien.de Gestaltung Nadine Schrey Druck druckhaus köthen, Köthen ISSN 1869-7178 ISBN 978-3-89472-896-0 Inhalt 7 Aaron Bradbury | Vortex – Spatial Sound Editorial 11 Patrick Rupert-Kruse | Klänge, Musik & Soundscapes. Zur Entschlüsselung auraler Präsenzen Artikel 19 Sonja Kirschall | Touching Sounds – ASMR-Videos als akustisch teletaktile Medien 33 Lars C. Grabbe | Filmontologie der phonosphärischen Präsenz. Auditive Differenzierungen zwischen Zeichenpotenzialen und Leibaffektion 46 Emilio Audissino | Film music and multimedia: An immersive experience and a throwback to the past 57 Christina Landbrecht | At first it’s just an empty space... Ari Benjamin Meyers’ Musikinstallationen 68 Christian Hviid Mortensen | Exhibiting Radio Sound: Transforming the exhibition space into an auditorium 82 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann | {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft. Einführung in die Gebäude-Klangkomposition im (halb-)öffentlichen Raum und Bericht über eine Annäherung an den historischen Bau der Alten Gerberei in Murau, Österreich 95 Axel Berndt | Ambiente Musik zur Vertonung immersiver interaktiver Medien Fulldome-Szene 107 Ralph Heinsohn mit Johannes Varga | Produktionsbericht The Doors of PercePTion 112 Claire Dorweiler | KomeTenTanz – Varianten einer Verbindung aus Fulldome und Live-Performance Besprechungen 123 Jürgen Rienow | Die 360°-Fulldome-Show Dinosaurs aT DusK – The origins of flighT von mirage3D 128 Daniel Schäl | Spiel der Entscheidung – The WalKing DeaD: The game als emotionales Erlebnis 134 Thomas Heuer | Immersive Gaming: Next-Gen-Konsolen versprechen neue Spielkonzepte 150 Autorenverzeichnis 154 Call for Papers edItorIal Klänge, MuSIK & SoundScapeS Zur entschlüsselung auraler PräsenZen Patrick Rupert-Kruse In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung frontal orientiert ist, erleichtert er die Einbettung mit den medialen Erlebnisformen des Atmosphä- der Wahrnehmung in (Klang-)Umgebungen, die rischen, der Immersion und Präsenz ist eine Beto- zugleich als innerhalb und außerhalb empfunden nung des Visuellen und Materiellen auszumachen. werden. Zudem funktioniert die akustische Wahr- So werden vor allem Bildformen wie Trompe-l’œils, nehmung unmittelbar, was evolutionsgeschichtlich Panoramen, stereoskopes 3D oder visuelle mediale durch die Notwendigkeit einer ständigen Gefah- Topografien wie der CAVE, Kuppelprojektionen renerkennung erklärbar ist. Das Hören ist auf- oder das HMD als Szenarien der Immersion behan- grund des involvierenden und omni-direktionalen delt. Damit steht ein rein bildlich gedachter Illu- Charakters des Tons als immersives Medium par sionsraum im Zentrum der Auseinandersetzungen excellence (vgl. Dyson 2009: 4) eine immersivere (vgl. Grau 1999: 16). Und das selbst, wenn sich Erfahrung als das Sehen (vgl. Brown 2010: 1). der Diskurs multimodalen Medienformen wie dem Denn versteht man immersive Erfahrungen als Film oder dem Videospiel zuwendet. Effekte eines Perspektivwechsels von der Oberflä- Doch sind es nicht allein die visuellen Parameter, chen- zur Tiefenwahrnehmung, dann wird deutlich, die eine Induktion immersiven Erlebens erlauben. dass Ton keine Oberfläche besitzt. Daraus kann So betonte bereits Sergej Eisenstein einige Jahre vor abgeleitet werden, dass die Berücksichtigung der seinen Ausführungen zum stereoskopen Raumfilm, ästhetischen und technologischen Dimensionen dass eine Verschmelzung von Film und Zuschauer- des Akustischen in Bezug auf die Diskussion um raum auch auf akustische Weise gelingen kann. immersive Phänomene notwendig wird, wenn man Diesbezüglich schrieb er von einer akustischen Umar- herausfinden will, wie multimodale Medien auf mung des Kinosaals durch Wagners Walkürenritt, uns einwirken (vgl. Larsson et al. 2007: 1f.). um «den Zuschauer völlig in die Klanggewalt eines Des Weiteren wird ersichtlich, dass die Defini- Wagner-Orchesters einzutauchen» (1988: 235). tion von Immersion in den Kommunikations- und Diese Relevanz des Akustischen bei der Erzeu- Medienwissenschaften, die sich der Metapher des gung immersiver bzw. atmosphärischer Phänomene ‹Eintauchens› bedient, mit Blick auf die akustische lässt sich anhand unterschiedlichster Medientypen Dimension der Medien hier tatsächlich zu passen und Raumarten diskutieren. Sei es über die emoti- scheint. Denn spricht man von der Verringerung von onale Stimmung eines leeren Raums durch spezifi- Distanz zwischen medialer Welt und Rezipierenden, sche Klänge, die Rolle der Soundscape als «acousti- von leiblicher und kognitiver Neuverortung oder cal environment» (Schafer 1973: 3) für das Erleben recentering (vgl. Huhtamo 2008: 46; Ryan 2001: eines Films (Wulff 2011) oder die Funktion der Musik 103), dann scheint eine tatsächliche ‹Umhüllung› für die Erhaltung des Flows in einem Videospiel. erst durch den Ton wirklich möglich zu sein.1 Auf Gerade weil der Hörsinn – als der am stärksten ausdifferenzierte Wahrnehmungskanal des Men- 1 Eine Minimalanforderung ist hier der Stereo-Ton, da schen  – im Unterschied zum Gesichtssinn nicht erst mit Stereophonie eine räumliche Darstellung gelingen Klänge, Musik & Soundscapes 11 diese Art und Weise kann sich dann auch die sub- oder Simulation suggerieren: Ich mag in einem jektive Erfahrung der Anwesenheit innerhalb einer gepolsterten Kinosaal sitzen, doch akustisch kann medial vermittelten Welt oder Umgebung einstel- mir eine Position im weitläufigen Kirchenschiff der len (vgl. Witmer & Singer 1998: 225). Abhängig Hagia Sophia zugewiesen werden  – ich bin dort. vom jeweiligen technologischen Setting erfüllt sich Daher scheint vor allem die Soundscape in der somit gleichsam das Diktum von Oliver Grau, dass Lage zu sein, die Verbindung zwischen Rezipieren- immersive Räume «den Betrachter in einen herme- den und der medial vermittelten Umgebung zu tisch geschlossenen […] Illusionsraum […] verset- intensivieren, da durch den Ton räumliche Informa- zen» (Grau 1999: 16f.). Dafür muss das Medium tionen vermittelt werden können. R. Murray Scha- allerdings so strukturiert sein, dass es hinter seinen fer definiert Soundscape als «any acoustic field of Inhalten verschwindet und die Rezipienten die- study. We may speak of a musical composition as a ses nicht mehr als von etwas vermittelt ansehen. soundscape, or a radio program as a soundscape or Ein solches Medium wird als perzeptuell immersiv an acoustic environment as a soundscape» (1977: bezeichnet (vgl. Lombard & Ditton 1997: k.S.). Dies 7). Die hier beschriebene Klanglandschaft bildet bezieht sich zum einen darauf, wie viele Sinne nach Schafer eine akustische Hülle, die unmittel- durch das Medium angesprochen werden (sensory bar evident ist (ebd.) und somit die Hörenden an breadth) und zum anderen auf die Qualität des sen- den jeweiligen, durch die Soundscape repräsentier- sorischen Outputs der jeweiligen modalen Kanäle ten Ort versetzt. (sensory depth) (vgl. Steuer 1993: 11). Damit wird Die technologische Entwicklung im akustischen eine mediale Strategie der ‹Ent-Rahmung durch Bereich – wie auch auf visueller Ebene – schreitet Ton› wirksam und «the border to reality […] gets rasant voran, so dass die sensory depth immer weiter ‹out of sight›» (Woletz 2011: 67), was bereits für die zunimmt: Das Gehörte klingt realistischer, wodurch visuelle Dimension vielfach diskutiert worden ist. eine immer stärkere «Angleichung von illusionärer Diese auditive Ent-Rahmung ist allerdings Information an die physiologische Disposition der kein alleiniges Privileg neuester technologischer Sinne» (Grau 1999: 14f.) vorgenommen wird. Entwicklungen, sondern ist heutzutage sowohl Beim Film konnte diese Entwicklung bereits früh im Kino als auch bei den meisten Menschen im beobachtet werden. Doch auch die auditive Dimen- heimischen Wohnzimmer beobachtbar  – und das sion von virtuellen Welten und Videospielen ist nicht nur, wenn es darum geht, Filme oder TV- detaillierter und realistischer geworden als jemals Sendungen zu sehen. Generell geht es hierbei um zuvor. Karen Collins schreibt dazu: «[The] develope- die grundlegende Asymmetrie von Bild und Ton, ment of game audio has represented an ever-incre- die Michel Chion bereits für den Film ausgemacht asing drive towards greater fidelity and higher rea- hat, welche sich allerdings auf jedes aktuelle Stan- lism» (2008: 84). Hierbei fällt auf, dass besonders dardsetting multimodaler Medien anwenden lässt: neuere Spieleproduktionen  – wie bspw. Outlast What ‹the image› designates in the cinema is not con- (Red Barrels, USA 2014) – mit ausgefeilten atmo- tent but container: the frame. [...] So there is no audito- sphärischen Soundscapes aufwarten. Das Gefühl ry container for film sounds, nothing analogous to this von Anwesenheit innerhalb der virtuellen Welt, wel- visual container of the images that is the frame. Film ches stark von der Vermittlung von Informationen sound is that which is […] nor contained in an image; über die Räumlichkeit dieser Welt abhängt – auch there is no place of the sounds […] (1994: 66–68). spatial presence genannt – wird zudem noch durch die technologische Entwicklung der diversen Dis- Chion kann mit dieser Äußerung direkt mit dem playtechnologien unterstützt. Aufgrund des omni- vorhergehenden Zitat von Eisenstein in Verbin- direktionalen Charakters des Hörsinns können dung gebracht werden: Ton ist von Natur aus drei- räumliche Sound-Settings die Limitierungen des dimensional und damit ein immersives Medium. Er Sehsinns und der (frontalen) visuellen Repräsen- umschließt uns als Rezipierende, er transportiert tation der Spielewelt aufbrechen, die Spielenden die Klänge, Musiken oder Soundscapes medial ver- mitten im Geschehen situieren und sie – ganz im mittelter Räume und Welten und kann uns so ein Gegensatz zum visuellen Display  – zudem darauf Gefühl von räumlicher Anwesenheit in der Fiktion aufmerksam machen, was hinter ihnen geschieht. Um nun eine realistische Darstellung von Räum- kann  – idealer sind natürlich Settings mit Dolby Surround lichkeit zu ermöglichen, wurden unterschiedliche oder SpatialSound. Verfahren und Systeme entwickelt, von denen hier 12 Patrick Rupert-Kruse nur zwei in aller Kürze angesprochen werden sollen: lated from the outset. Rather, the senses are channels, binauraler Ton und Wellenfeldsynthese. Grundlage highways more than territories or domains. If there für beide ist die Tatsache, dass das menschliche exists a dimension in vision that is specifically visual, Hörsystem akustische Informationen räumlich and if hearing includes dimensions that are exclusively zuordnen kann, indem es interaurale Zeit- und auditive (those just mentioned), these dimensions are Intensitätsdifferenzen auswertet. Denn befindet in a minority, particularized, even as they are central. sich eine Schallquelle nicht direkt vor den Hören- When kinetic sensations organized into art are trans- den auf der Höhe der Ohren (0° Azimut), entste- mitted through a single sensory channel, through this hen für beide Ohren Unterschiede im Lautstärkepe- single channel they can convey all the other senses gel und in der zeitlichen Abfolge des eintreffenden at once. (Chion 1994: 136) Schalls (vgl. Seidl 2003: 3f.). Diese natürliche Form Hier dient der Rezipient als «Leihkörper des Kinos»2 der auralen Wahrnehmung kann durch binaurale (Voss 2013: 107–128), der die filminhärenten Tonaufnahmen reproduziert werden. Hierbei wer- Modalitäten auf somatischer Ebene ergänzt und den zwei Mikrofone entsprechend der räumlichen affektiv auf das medial Vermittelte reagiert. Eine Positionen der menschlichen Ohren platziert. Bei ähnliche Behauptung findet sich bei der Filmphä- einer Wiedergabe mit Kopfhörern entsteht so ein nomenologin Vivian Sobchack: Sie spricht diesbe- realistischer räumlicher Höreindruck (vgl. Stotz züglich zwar von einer «embodied vision» (2004: 2011: 20–24), der zudem eine ortsstabile räumliche 70), einer Form der Umwandlung visueller Daten Abbildung von Schallquellen erlaubt. in u. a. olfaktorische oder taktile Empfindungen Ohne Kopfhörer ist diese allerdings nur schwer durch den Körper des Rezipienten. Ihr Konzept des zu erzeugen: ändert man bei Stereo- oder Surround cinästhetischen Subjekts (cinesthetic subject) lässt Sound – Settings die Position oder bewegt man sei- sich jedoch auch auf andere Sinne bzw. Wahrneh- nen Kopf, ändert sich auch der Höreindruck und mungen ausweiten: «My sense of sight, then is a zwar insofern, als dass der räumliche Höreindruck modality of perception that is commutable to my gestört bzw. zerstört wird. Dem kann durch die other senses, and vice-versa» (1992: 78; Herv.d.V.). Wellenfeldsynthese bzw. SpatialSound allerdings Damit verweist Sobchack auf die Art und Weise, entgegengewirkt werden: «Mit der Technologie wie Kino unsere dominanten Sinne des Sehens der Wellenfeldsynthese, […] wird über nahezu den und Hörens benutzt, um zu unseren anderen Sin- gesamten Wiedergaberaum ein natürlicher Raum- nen zu sprechen (vgl. 2004: 67). Auffällig ist in eindruck geschaffen und eine akustisch realisti- diesem Kontext die enge Verbindung der auditiven sche Einhüllung des Zuhörers erreicht» (Fraunhofer mit der taktilen Wahrnehmung3 – also die ‹direkte› IDMT 2013: 1). Somit befindet sich nicht mehr Verknüpfung eines Fernsinns mit einem Nahsinn, eine privilegierte Position im sweet spot, sondern durch welchen letztlich der finale Realitätstest es kann allen Hörpositionen ein sweet spot zuge- stattfindet, der die Anwesenheit von Objekten bzw. wiesen werden, dessen akustischer Realitätsgrad die Anwesenheit in Umgebungen zu verifizieren höher ist als bei allen vorherigen Verfahren. vermag. Und auch wenn Chion, Voss und Sobch- Während sich diese Ausführungen jedoch aus- ack sich lediglich auf den Film bzw. das Kino bezie- schließlich mit der Räumlichkeit des Tons  – wenn hen, sind ihre Erkenntnisse durchaus auf andere auch auf unterschiedlichen Ebenen  – und deren multimodale Medien wie z. B. Videospiele oder VR Bedeutung für immersive Medien und Phänomene anwendbar (Crick 2011). beschäftigen, soll die Rolle der transsensorischen oder verkörperten Wahrnehmung für diese Konzepte nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Grabbe & 2 Dazu Christiane Voss: «Meine These ist, dass es der Zu- Rupert-Kruse 2013: 22f.). Nach Chion erzeugen Bild schauerkörper in seiner geistigen und sensorisch-affektiven und Ton des Films rhythmische, dynamische, zeitli- Resonanz auf das Filmgeschehen ist, […] was der Leinwand che, taktile und kinetischer Empfindungen über allererst einen dreidimensionalen Körper leiht und somit die die Kanäle des Auditiven und des Visuellen. Dies zweite Dimension des Filmgeschehens in die dritte Dimensi- geschieht, durch etwas, dass Chion als Modell der on seines spürenden Körpers kippt» (2013: 117; Herv.i.O.). transsensorischen Wahrnehmung bezeichnet: 3 Dazu auch Schafer: «Touch is the most personal of the senses. Hearing and touch meet where the lower frequencies In the transsensorial or even metasensorial model […] of audible sound pass over to tactile vibrations (at about there is no sensory given that is demarcated and iso- 20 hertz). Hearing is a way of touching at a distance […]» (1977: 11). Klänge, Musik & Soundscapes 13 Die aktuelle Ausgabe des Jahrbuch[es] immersiver rung selbst – nebeneinander koexistieren und mit- Medien greift einige der hier bereits angesproche- einander interagieren. Audissino untersucht jedoch nen Aspekte in Bezug auf Konzepte wie Atmo- nicht nur aktuelle Formen des Multimedia-Events, sphäre, Präsenz und Immersion auf und will mit für deren Beschreibung er sich exemplarisch den der vorliegenden Fokussierung zur wissenschaftli- Präsentationen Boston Pops Orchestras unter der chen Auseinandersetzung mit der Dimension des Leitung von John Williams widmet, sondern knüpft Akustischen beitragen. zudem an die Filmvorführungen der Stummfilmära an, um deren Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Das Jahrbuch immersiver Medien 2014 Christina Landbrecht widmet sich in At first it’s just an empty space... Ari Benjamin Meyers’ Den Auftakt macht Sonja Kirschall mit ihrem Arti- Musikinstallationen der Darstellung eines innova- kel Touching Sounds – ASMR-Videos als akustisch tiven Immersionsverständnisses von Musik. Aus- teletaktile Medien. Diese spezielle Form von Videos gehend von zwei Musikinstallationen des Kompo- bewirkt durch diverse sensorische Reize bei hierfür nisten und Dirigenten Ari Benjamin Meyers zeigt empfänglichen Menschen die sogenannte Auto- Landbrecht, wie sich dieses Immersionsverständnis nomous Sensory Meridian Response, die als ange- in dessen Installationen manifestiert: als eine Kon- nehmes Kribbeln der Haut beschrieben werden zeption von Musik, die den Zuhörer situativ, sozial kann. Um das ASMR-Erleben zu evozieren, kommen und räumlich integriert. Landbrecht arbeitet in bestimmte ausgewählte technisch-ästhetische und ihrer Analyse heraus, wie diese Form des ästheti- narrative Mittel zum Einsatz. Kirschalls Artikel schen Erlebens von Musik mit den Konzepten der untersucht vor allem, welche Strategien des Tonein- Präsenz, der Wiederholung oder der Soundscape satzes und welche Funktionen des Tons in ASMR- arbeitet. So wird innerhalb des Artikels ein neues Videos beobachtbar sind, da insbesondere der Immersionsverständnis von Musik hergeleitet. Tonebene der Videos sorgfältige Auswahl-, Produk- Das Neudenken des Ausstellungsraums im tions- und Gestaltungsprozesse zugrunde liegen. Kontext auditiver Artefakte ist Thema des Textes Thematisch anknüpfend an die Untersuchung Exhibiting Radio Sound: Transforming the exhibi- dieser medialen Artefakte teletaktilen Handelns tion space into an auditorium von Christian Hviid stellt Lars C. Grabbe in seinem Text Filmontologie Mortensen. Während traditionell eher visuell orien- der phonosphärischen Präsenz. Auditive Differen- tierte Ausstellungen bereits konzeptionell gefes- zierungen zwischen Zeichenpotenzialen und Leibaf- tigt sind, setzt die Ausstellung auditiver Artefakte fektion die phänomenologische Dimension des eine Transformation des Ausstellungsraumes in Tons in den Vordergrund. Seine filmwissenschaft- einen Hörraum voraus. Die Designvorgaben für liche Analyse konzentriert sich auf die komplexe dieses Auditorium sollten sich jedoch nicht an und eigenständige Dimension des Tons und rückt den Hörpositionen einer Konzerthalle orientieren, damit Geräusche, Musik, Melodien und Sounds- sondern die Möglichkeit des freien Eintauchens capes in den Fokus der Untersuchungen. Diese beibehalten, wie es in traditionellen Ausstellun- auditiven Phänomene versteht Grabbe als eigen- gen auch gegeben ist. Anhand der quantitativen ständige artifizielle Präsenzen, deren Beschreibung Analyse eines Ausstellungsdesigns für das Radio- er im Spannungsfeld von Semiotik und Phänome- Erbe beschreibt Mortensen wie spezifische Ausstel- nologie  – also zwischen Zeichenpotenzial und lungselemente das atmosphärische und immersive Leibaffektion – vornimmt und ausdifferenziert. Erleben der Besucher unterstützen. Eine historische Analyse des Zusammenspiels Wie die vorangegangenen Artikeln widmen von Filmbild und Filmmusik liefert der Artikel Film sich auch Gerriet K. Sharma und Nico Bergmann music and multimedia: An immersive experience in {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft. Einführung and a throwback to the past von Emilio Audissino. in die Gebäude-Klangkomposition im (halb-)öffent- Auch bei ihm stehen immersive und multisensori- lichen Raum und Bericht über eine Annäherung an sche Medienerfahrungen im Zentrum des Interes- den historischen Bau der Alten Gerberei in Murau, seses. Audissino widmet sich in seinem Text der Österreich der Rolle der Räumlichkeit für auditiv Aufführungsform der Filmmusik, deren Präsenta- immersive Erfahrungen. Hier steht allerdings die tion nicht mehr allein als musikalisches Konzert künstlerische Erforschung von Gebäuden – exem- beschreibbar ist, sondern als Multimedia-Event, in plarisch die alte Gerberei Murau  – und ihren welchem Film und Musik – wie in der Filmvorfüh- Räumen im Rahmen der Projektreihe {kA}: keine 14 Patrick Rupert-Kruse Ahnung von Schwerkraft im Vordergrund. Der Arti- beschäftigt sich die Autorin jedoch auch mit den kel erläutert die Arbeitsprinzipien der Gebäude- zukünftigen Möglichkeiten. So will sie aufzeigen, Klangkomposition sowie ihre Anwendung. Hierbei wie sich das Verhältnis von Publikum und Akteuren stehen die Auseinandersetzung mit dem vorgefun- neu definieren lässt und wie die Grenze zwischen denen akustischen Material und die Herstellung Performern und Besuchern verschwimmen kann. von weiteren (inszenierten) Räumen durch mehr- Außerdem finden sich im aktuellen Band kanalige Klangkompositionen im Zentrum der Aus- Besprechungen der 360°-Fulldome-Show Dino- führungen. saurs At Dusk  – The Origins of Flight von Den Abschluss der Artikel-Sektion bildet der mirage3D, in welcher u. a. der innovative Einsatz Text Ambiente Musik zur Vertonung immersiver realer Schauspieler als Erzähler und Kommenta- interaktiver Medien von Axel Berndt. Nach Berndt toren diskutiert wird, sowie des Videospiels The ist die ambiente Musik – verstanden als Musik, die Walking Dead: The Game und derjenigen Elemente nicht bewusst rezipiert werden will  – ein Genre, der Narration und Erzählstruktur, die narratives das für die Vertonung von interaktiven immersiven Präsenzerleben begünstigen. Daneben findet sich Medien von besonderem Interesse ist. Doch neben eine ausführliche Technikrezension der Next-Gen- ihrem speziellen Rezeptionsmodus weist diese Konsolen PlayStation , Xbox One und WiiU sowie Form der Musik bestimmte kompositorische Stil- der innovativen Spielkonzepte, welche diese neuen merkmale auf, die sich besonders für den Einsatz Technologien versprechen. von generativen Techniken eignen und eine adap- Ein besonderer Dank gilt zudem Aaron Brad- tive Musikuntermalung ermöglichen. Der Artikel bury, der uns nicht nur erlaubt hat, eine Abbildung gibt einen phänomenologischen Überblick über aus seiner Fulldome-Produktion Vortex als Cover- das Genre der ambienten Musik und beschreibt bild zu nutzen, sondern uns außerdem einen Text exemplarisch, wie sie für die Echtzeit-adaptive Ver- zur Verfügung gestellt hat, der Aufschluss über die tonung interaktiver Medien genutzt werden kann. Konzeption und Produktion einer SpatialSound- Darauf folgt in der Rubrik «Fulldome-Szene» Show gibt, und der zudem zeigt, wie durch Kreati- der Produktionsbericht The Doors of PercePTion von vität technische und ästhetische Grenzen verscho- Ralph Heinsohn zusammen mit Johannes Varga. ben werden können. The Doors of Perception ist eine Medienproduk- tion zur digitalen, immersiven 360°-Kuppelprojek- tion, welche mit 3D-Audiotechnologie kombiniert Literatur wurde. Heinsohn beschreibt die dramaturgische Konzeption und Realisierung der Produktion in Brown, Ross (2010): Sound. A Reader in Theater Practice. Hinblick auf die Wechselwirkung von immersivem Houndmills & Basingstoke: Palgrave Macmillan. Bild und Ton. Der Film ist eine Hommage an den Chion, Michel (1994), Audio-Vision – Sound on Screen. Essay The Doors of Perception von Aldous Huxley New York: Columbia University Press. aus dem Jahre 1954 und zudem eine künstleri- Collins, Karen (2008): Game sound: An introduction to sche Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung the history, theory, and practice of video game music immersiver Projektionsräume. and sound design. Cambridge, MA: MIT Press. In dem folgenden Artikel KomeTenTanz  – Vari- Crick, Timothy (2011): The Game Body: Toward a Phe- anten einer Verbindung aus Fulldome und Live- nomenology of Contemporary Video Gaming. In: Performance beschreibt Claire Dorweiler die inter- Games and Culture 2011, 6. S.  164–184. Online mediale Inszenierung Kometentanz, bestehend aus unter: http://gac.sagepub.com/content/6/3/259 einer Live-Performance, in Form von Tanz und Pan- Dyson, Frances (2009): Sounding New Media: Immersion tomime, mit Fulldome-Projektionen, sowie einer and Embodiment in the Arts and Culture. Berkeley, Erzählerstimme aus dem Off, eigens komponierter CA: University of California Press. Musik und 360°-Soundeffekten aus dem Spatial- Eisenstein, Sergej M. (1988): Das dynamische Quadrat. Sound Wave  – System. Dorweiler beschreibt die Schriften zum Film. Hg. von Oksana Bulgakowa und theoretische Grundlage des Konzepts sowie die Dietmar Hochmuth. Leipzig: Reclam. Kombinationsvarianten zwischen Fulldome und Fraunhofer IDMT (2013): Wellenfeldsynthese. Online Live-Performance, die sich daraus ergeben. Neben unter: http://www.idmt.fraunhofer.de/content/ den in der aktuellen Inszenierung realisierten Ver- dam/idmt/de/Dokumente/Publikationen/Pro- bindungen von Fulldome und Live-Performance, Klänge, Musik & Soundscapes 15 duktinformationen/Wellenfeldsynthese/WFS_ – (1977): Soundscape. Our Sonic Environment and the DE.pdf [08.09.2014] Tuning of the World. Rochester, VT: Destiny Books. Grabbe, Lars C. & Rupert-Kruse, Patrick (2013): Äquili- Seidl, Armin H. (2003): Entwicklung und erfahrungs- bration und Synkretismus. Überlegungen zu einer abhängige Plastizität neuronaler Mechanismen interaktionistischen Theorie der Filmbildrezeption. für Schalllokalisation bei Säugern. Dissertation, In: Grabbe, Lars C. / Rupert-Kruse, Patrick / Schmitz, LMU München: Fakultät für Biologie. Online unter: Norbert M. (Hrsg): Multimodale Bilder. Beiträge zur http://edoc.ub.uni-muenchen.de/1546/1/Seidl_ synkretistischen Struktur des Filmischen. Darmstadt: Armin.pdf [09.09.2014]. Büchner. 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Hg. von Stefanie Kiwi Menrath & Alexan- University Press. der Schwinghammer. Köln: Herbert von Halem. Schafer, R. Murray (Ed.) (1973): the music of the environ- Wulff, Hans Jürgen (2011): Prolegomena zu einer The- ment. Wien: Universal Edition. orie des Atmosphärischen im Film. In: Filmische Atmosphären (Reihe: Züricher Filmstudien). Hg. von Philipp Brunner, Jörg Schweinitz, Margit Tröhler. Mar- burg: Schüren. S. 109–132. 16 Patrick Rupert-Kruse artIKel touchIng SoundS asmr-videos als aKustisch teletaKtile medien Sonja Kirschall Zusammenfassung/Abstract in sozialen netzwerken und media sharing-Plattformen ist seit kurzem eine schnell wachsende online-community beobachtbar, deren mitglieder sich über die Fähigkeit zur empfindung einer bestimmten, vor allem taktilen, sensation definieren. diese sensation, die in online-diskussionen mit dem begriff Autonomous Sensory Meridian Response oder kurz ASMR bezeichnet worden ist und die als angenehmes Kribbeln der haut beschrieben wird, das nicht selten zu einer tiefenentspannung führt, kann bei hierfür empfänglichen menschen durch diverse sensorische reize, insbesondere akustische und visuelle, ausgelöst werden. entsprechend proliferiert eine Kultur der amateurhaften Produktion von ASMR-Videos, in (und mit) denen die videomacher durch den einsatz bestimmter technisch-ästhetischer und narrativer mittel versuchen, bei ihren Zuschauern ein erleben von asmr herbeizuführen. insbesondere geräusche und töne sind dabei für den großteil der rezipienten zentral und so unterliegt die tonebene der videos meist sorgfältigen auswahl-, Produktions- und gestaltungspro- zessen, die bereits jetzt bestimmte, sich verstetigende strategien offenbaren. dieser aufsatz stellt asmr-videos als möglichen gegenstand medienwissenschaftlicher Forschung vor und untersucht, welche strategien des toneinsatzes und welche Funk- tionen des tons in asmr-videos bislang beobachtbar sind. dabei werden die videos speziell als mediale artefakte teletaktilen handelns berücksichtigt, die einen privi- legierten ort der untersuchung akustischer raumgestaltung und verschiedenartiger immersiver erlebnismöglichkeiten darstellen. Social networks and media sharing platforms have only recently seen the emer- gence of a rapidly growing online community whose members feel united by their ability to experience a certain type of – primarily tactile – sensation. Termed Autono- mous Sensory Meridian Response, or ASMR for short, it is described as a pleasant tingling of the skin, frequently accompanied by a feeling of deep relaxation. Those susceptible to the sensation find that it may be triggered by certain sensory stimuli, especially acoustic and visual ones. Accordingly, ASMR videos have been proliferat- ing, in which (and by which) amateur video makers are trying to induce ASMR in their viewers by deploying certain technical-aesthetic and narrative means. For most ASMR experiencers, sound plays a pivotal role and is thus subject to careful selec- tion, production and design processes on the part of the video makers that have already started to display certain standardizations. In this essay, I suggest ASMR Touching Sounds 19 videos as a potential object of media studies and examine the ways in which sound is functionalized in ASMR videos, taking into account their role as teletactile media artefacts which constitute a privileged site for exploring acoustic creation of space as well as different possibilities of immersive experience. Eine blonde junge Frau, gefilmt in Nahaufnahme, mal verbunden mit einem angenehmen Druck- und blickt direkt in die Kamera. Vor sich hält sie in einer Wärmegefühl, welches meist am Hinterkopf beginnt Hand eine Haarbürste aus Holz, die sie nah ans und sich dann über den gesamten Rücken und bei Objektiv bringt, während sie mit den Fingerspitzen manchen auch bis über die Arme ausbreiten kann. der anderen Hand über die dicken, ebenfalls hölzer- ‹Betroffene›, die zu dieser Empfindung fähig sind, nen Borsten fährt und dem Gebrauchsgegenstand berichten von damit einhergehenden Glücksgefüh- damit leise Knackgeräusche entlockt, die sich zu len sowie einer extrem tiefen Entspannung bis hin einem gedämpften Prasseln verdichten. Auffällig zu einem tranceähnlichen Zustand, der nicht selten sanft und langsam sprechend, erklärt sie dazu: «I zum Einschlafen führt, weshalb ASMR-Videos oft als truly enjoy the sound of it when you run your fin- ‹natürliche› Einschlafhilfe gehandelt werden. gers over it, over the bristles. Actually feels nice as well as sounds nice». Sie legt den Kopf schief und ASMR-Videos als junges Internet- scheint für einen Moment selbst konzentriert den Phänomen Geräuschen zu lauschen, die sie mit fast bedäch- tiger Sorgfalt produziert, und deren Produktions- Während im Internet spätestens seit Ende der prozess sie hier gezielt vor der Kamera und für die 1990er Jahre immer wieder Diskussionen auf Kamera präsentiert. Sie beginnt, mit den Fingernä- verschiedenen Social Media-Websites, vor allem geln gegen den Rand der Bürste zu klopfen und Question-and-Answer-Websites und Foren beob- kommentiert: «And if you can tap, right on the achtbar waren, in denen User über «pleasant head edge, just lightly, it sounds quite relaxing». Dann tingles»1 berichteten und fragten, ob anderen bewegt sie die Hand mit der Bürste zur Seite und Usern dieses Gefühl ebenfalls vertraut sei, nahm weiter nach vorn, sodass diese nach rechts aus einer dieser Threads, gestartet Ende Oktober 2007 dem Bildausschnitt verschwindet und sich nun im Forum der amerikanischen Website Steady im Off neben der Kamera befindet, während sie Health, eine bemerkenswerte Eigendynamik an, weiterspricht: «So I could do that from here» – sie die später zur Entstehung einer speziell diesem hält kurz inne, wie um den Zuschauer die nahe an Phänomen gewidmeten Online-Community führen seinem ‹Ohr› ausgeführten Kratz- und Klopfgeräu- sollte. Unter der Überschrift Weird Sensation Feels sche ungestört genießen zu lassen; dann fährt sie Good gab der User okaywhatever dort eine eher fort «on one side, for you, and then do the same vage Beschreibung eines angenehmen Gefühls, on the other side», während sie die Bürste nun auf das er auf dem Kopf und auch am ganzen Körper die andere Seite der Kamera bringt und wiederum verspüre, wenn etwas speziell für ihn gemacht im Off sehr nah an das andere Mikrofon ihres bin- oder aufgeführt würde; in seiner Kindheit habe auralen Aufnahmegerätes hält, begleitet von den er es etwa beim Besuch des Puppentheaters ver- Worten «run my fingers through the bristles...and spürt oder wenn ihm jemand etwas vorgelesen that gentle tapping...that might feel really good». habe. Auf diesen Eintrag folgten mehrere Hun- Was hier beschrieben wird, ist der kurze Aus- dert Antworten von Usern, die Ähnliches erlebten schnitt eines YouTube-Videos mit dem Titel Oh such und der Meinung waren, es handele sich dabei a good 3D-sound ASMR Video der YouTube-Userin um dasselbe Gefühl, das bis zu diesem Zeitpunkt GentleWhispering. Die vier Buchstaben ASMR als in medizinischer und sonstiger Literatur nach Ein- Akronym für Autonomous Sensory Meridian Res- ponse codieren dabei für Millionen von Internet- Nutzern eine bestimmte körperliche Empfindung, 1 Überschriften solcher Threads lauteten zum Beispiel: die bei hierfür empfänglichen Menschen durch ver- «Tingles :)» (Straight Dope-Forum: 05.07.1999), «Stran- ge (pleasant) tingling sensation» (Straight Dope-Forum: schiedene sensorische Reize ausgelöst werden kann. 08.05.2002) , «What is this Tingling Sensation?» (Ask Meta- Dabei handelt es sich um eine taktile Sensation, die Filter: 15.06.2005) oder «Tingly Sensation on Back of Head sich vor allem als Kribbeln der Haut äußert, manch- when Happy» (MedHelp-Forum: 06.10.2008). 20 Sonja Kirschall schätzung der User noch nicht dokumentiert war. findung individuell sehr verschieden sein könne.4 Der Diskussionsthread wurde im Folgenden dazu Während «Sensory» und «Response» im üblichen genutzt, die auftretenden Symptome ebenso wie Sinne zu verstehen seien, habe sie «Meridian» als die auslösenden Reize, für die sich schnell der alternativen Ausdruck für «orgastisch» oder «höhe- Begriff ‹Trigger› verstetigte, zu vergleichen und punktartig» gewählt  – beides Ausdrücke, die sie über mögliche physiologische, psychologische, aufgrund der sexuellen Konnotationen habe ver- pharmakologische oder spirituelle Hintergründe meiden wollen5. Die große Popularität von Face- der Empfindung zu spekulieren. Außerdem wur- book und das schnelle Anwachsen der Gruppe auf den verschiedene Bezeichnungen für das bislang mehrere Tausend Mitglieder hat zweifellos ent- offenbar unbenannte Phänomen vorgeschlagen2 scheidend dazu beigetragen, dass sich der Begriff und mehrere User signalisierten bereits früh ein ASMR als gängigster Begriff für das Phänomen Interesse, sich zum Zwecke einer näheren Untersu- verfestigte. chung zusammenzuschließen und auch außerhalb Ein Jahr nach der Facebook-Gruppe folgte auf dieses Forums zu organisieren. Während als aus- der Social News Aggregator-Website Reddit außer- lösender Reiz oft das Beobachten einer anderen dem ein eigener ASMR-Subreddit, der hauptsäch- Person genannt wurde, die sich konzentriert einer lich dazu genutzt wurde und wird, Videos zu ver- handwerklichen Tätigkeit zuwende und dement- linken, die ASMR auslösen sollen. Anfangs wurden sprechend schnell entdeckt wurde, dass auch das hier vor allem bereits existierende YouTube-Videos Anschauen bestimmter Tutorial-Videos auf You- verlinkt, die gewissermaßen zweckentfremdet Tube die Sensation auslösen konnte, wurde relativ und innerhalb der Community als Unintentional bald ebenfalls deutlich, dass vor allem akustische ASMR-Videos gehandelt wurden. Dies waren unter Reize eine sehr große Rolle spielten. So nannten anderem Makeup-Tutorials, Massage-Videos, Bas- viele User bestimmte Stimmen und Sprechweisen, telanleitungen und Ausschnitte bestimmter Fern- besonders leises Sprechen und Flüstern, aber auch sehsendungen – etwa Teleshopping-Sendungen, in andere Geräusche wie etwa Rascheln, Knistern, denen auf detaillierte, redundante und geradezu Klopfen oder Kratzen als Trigger; überdurchschnitt- liebevolle Weise Luxusartikel vorgeführt wurden lich oft waren dies Geräusche, die auf eine hand- oder anleitende Sendungen wie The Joy of Pain- werkliche Bearbeitung des jeweiligen, geräusch- ting (PBS), in der der amerikanische Maler Bob produzierenden Materials hinwiesen. Am 25. Ross je ein Bild pro Episode malte und seine Februar 2010 gründete die Amerikanerin Jennifer Arbeitsschritte mit ruhiger Stimme kommentierte6. Allen unter dem Pseudonym Envelope Nomia eine geschlossene Facebook-Gruppe für experiencer3 des Phänomens, das sie mit der selbsterfundenen 4 Der Begriff erscheint unglücklich gewählt, da er von Bezeichnung Autonomous Sensory Meridian Res- anderen Community-Mitgliedern verständlicherweise ponse benannte. Dazu erklärte sie, «Autonomous» meist mit «unwillkürlich» oder «unkontrolliert» erklärt wird, wie z. B. in dem Video What is ASMR? des YouTube-Users beziehe sich darauf, dass das Erleben der Emp- JustAWhisperingGuy (siehe http://www.youtube.com/ watch?v=2BOHnRda7BQ [26.06.2014]). 5 Der Nachvollzug der diskursiven Verhandlungen, Defi- nitionsbemühungen und Ausschließungsmechanismen, die in den Online-Diskussionen um ASMR virulent wurden und 2 So spielte zum Beispiel der Begriff Brain Orgasm darauf sind und die nicht zuletzt eng mit den Diskurspolitiken der an, dass es sich um eine intensive und höchst angenehme genutzten Websites wie etwa Reddit oder Wikipedia zusam- Empfindung handelte, wobei jegliche sexuelle Konnotation menhängen, stellt ein eigenes, spannendes Forschungsfeld allerdings meist negiert wurde. Daneben wurde der Begriff dar, in dem beobachtbar ist, wie eine diffuse, körperliche Attention Induced Euphoria vorgeschlagen, da viele User das Sensation im Foucaultschen Sinne problematisiert wird, also Kopfkribbeln mit sog. close personal attention in Verbindung weder als «präexistentes Objekt» einfach repräsentiert, noch brachten, die selbst erfahren oder bei einer anderen Person als «nichtexistierendes Objekt» vollständig diskursiv erschaf- beobachtet würde, und oft zu euphorischen Glücksgefühlen fen wird, sondern durch «das Ensemble diskursiver und nicht- führen könne. Es wurde allerdings kritisiert, dass der Begriff diskursiver Praktiken» im «Spiel des Wahren und Falschen Euphorie den stark sedierenden Effekten der Sensation nicht [...] als Gegenstand des Denkens konstituiert» wird (Foucault Rechnung tragen könne. 1985: 158). 3 Diese Bezeichnung hat sich ebenfalls im Diskurs um das 6 Bob Ross wurde in der Folge zum besonders oft genann- Phänomen verfestigt und wird, aufgrund seiner schlechten ten Trigger und gilt mittlerweile als eine Art ‹Maskottchen› Übersetzbarkeit ins Deutsche, hier im Original übernommen. der ASMR-Community. Touching Sounds 21 Dabei trafen die Mitglieder der ASMR-Community werden üblicherweise Sounds-Videos genannt11. auf eine auf YouTube bereits präsente ‹Whisper- Drittens werden Situationen aus dem Alltag, in Community›, deren Mitglieder Videos suchten und denen ASMR auftauchen kann, etwa Arzt- oder später auch selbst produzierten, in denen geflüs- Friseurbesuche, als Rollenspiele nachgestellt. In tert wurde7. Offenbar ging es beiden Communi- den resultierenden ASMR Role Play-Videos behan- ties um dasselbe angenehme Kopfkribbeln. Dem delt der ASMRtist12 in der Rolle als Arzt, Masseur umgebenden Diskurs ist zu entnehmen, dass die oder Friseur den Zuschauer als vermeintlich vor Begriffe Whisper-Community und ASMR-Commu- Ort anwesenden Patienten oder Kunden; dieser nity mittlerweile größtenteils synonym verwendet wird durch die Kamera vertreten, an der Untersu- werden, auch weil Flüstern zu den beliebtesten chungs-, Behandlungs- oder Verschönerungsmaß- Triggern zählt8. Wird hingegen explizit die chrono- nahmen durchgeführt werden. Werden ASMR- logische Entwicklung der ASMR-Community disku- Videos in Medien-berichten thematisiert, was tiert, wird die Whisper-Community zumeist als ihr bislang noch hauptsächlich im englischsprachigen Vorläufer verstanden. Raum geschieht13, sind es besonders diese Rol- Seit Anfang 2011 begannen auch Mitglieder lenspiele und ihre Ausstellung eines vermeintlich der ASMR-Community, selbst ASMR-Videos zu hohen Grades an Intimität zwischen Videomacher produzieren, wobei drei verschiedene Vorgehens- und Zuschauer, die als ‹generische› ASMR-Videos weisen erkennbar sind. Erstens stellen die Video- bevorzugt in den Blick genommen und kommen- macher/innen, die mittlerweile üblicherweise als tiert werden, da hier ein «blurring [of] traditional ‹ASMRtists› bezeichnet werden9, Szenarien aus notions of intimacy»14 vermutet wird (Blaine 2004: Unintentional ASMR-Videos nach und statten diese k.S.), das nicht selten als sexuell aufdringlich oder mit mehr Triggern aus; so entstehen etwa Tutorials, sozial verstörend interpretiert wird. Das Bemühen in denen leise gesprochen, mit Papier geraschelt um eine Suggestion großer Nähe, Intimität, Koprä- oder Gegenstände mit den Fingernägeln beklopft werden.10 Zweitens werden Videos produziert, in 11 Auch für visuelle Trigger gibt es solche ‹reinen› Trigger- denen ohne narrative Rahmung eine Reihe ver- Videos, in denen zum Beispiel rhythmische Handbewegun- schiedener Gegenstände vorgeführt wird, an und gen vorgeführt werden oder mit einer mobilen Lichtquelle mit denen Geräusche produziert werden; diese wiederholt in die Kamera geleuchtet wird. Hier soll sich allerdings auf die akustischen Trigger-Videos konzentriert werden, die rein quantitativ überwiegen, früher als visuel- le Trigger-Videos entstanden sind und verschiedenen, auch eigenen, Umfrageergebnissen zufolge für den überwiegen- 7 Ab spätestens 2008 sind Flüster-Videos, zunächst vor den Teil der experiencer ungleich wirksamer sind als visuelle allem Ausschnitte aus Big Brother-Sendungen, in denen Trigger-Videos (einer vorsichtigen Schätzung nach dürfte das Kandidaten nachts miteinander flüsterten, von ‹Flüster- Verhältnis von experiencern mit visual ASMR und solchen Liebhabern› in Playlists gesammelt und entsprechend mit auditory ASMR etwa 10–20% zu 60–70% ausmachen); kommentiert worden. 2009 produzierte die britische You- der Rest entfällt auf taktile, kognitiv-emotionale und – in Ein- Tube-Userin WhisperingLife das Video Whisper 1  – hello! zelfällen – olfaktorische und gustatorische Reize. als nach eigenen Angaben erstes dezidiert dem Flüstern 12 Der Kürze halber, und ohne jegliche geschlechterpoli- gewidmetes Video (siehe http://www.youtube.com/ tische Implikation, werden im Folgenden bei Begriffen wie watch?v=IHtgPbfTgKc&feature=kp [26.06.2014]) . ASMRtist, Videomacher, Zuschauer oder Rezipient nur die 8 In einer Umfrage, die der Redditor khetawolf Ende 2013 männlichen Formen benutzt. über den ASMR-Subreddit durchführte und die von 486 13 So wurde ASMR bislang etwa von den britischen Zei- Personen beantwortet wurde, stellte Flüstern mit 50,72% tungen bzw. Magazinen Huffington Post, The Independent, den meistgenannten Trigger dar (vgl. http://www.reddit. Daily Mail und Metro, internationalen und Online-Magazi- com/r/asmr/comments/1oy4po/the_asmr_survey_re- nen wie Vice und Slate sowie in einigen Radiosendungen sults_meta/ [26.06.2014]). und Fernsehmagazinen vor allem in Amerika, Australien und 9 Erfunden wurde der Terminus offenbar in einem England erwähnt. Ende Januar 2012 im ASMR-Subreddit gestarteten Dis- 14 Während als Referenzsystem hier wohl vor allem die kussionsthread (vgl. http://www.reddit.com/r/asmr/ Konventionen anderer YouTube-Videos mit direkter Zuschau- comments/p1qha/what_should_we_call_people_who_ eradressierung herangezogen werden, kann sich eine solche intentionally/?sort=old [26.06.2014]). postulierte Grenzverwischung ebenfalls darauf beziehen, 10 Das Tapping stellt einen weiteren Trigger dar, der offen- dass in vielen Rollenspielen die Narrativierung alltäglicher bar für besonders viele experiencer wirksam ist; etwa ein Drit- Situationen wie etwa Arztbesuche einen  – verglichen mit tel gaben in o.g. Umfrage an, dadurch «usually» bis «often» der realen Entsprechung – tatsächlich unüblichen Grad von ein ASMR-Erlebnis zu haben. Nähe suggeriert. 22 Sonja Kirschall senz von Zuschauer und ASMRtist und Berührung fremde, für sie unverständliche Sprache hören oder des Zuschauers durch diesen, welches den Eindruck wenn in einem Video so leise geflüstert wird, dass einer solchen Grenzverwischung befördert, findet der Inhalt unverständlich bleibt. Vor allem die akus- dabei seinen technisch-ästhetischen Ausdruck im tische Beschaffenheit, in diesem Fall der Stimme, Einsatz bestimmter audiovisueller Mittel, die in aber auch anderer Geräusche, erscheint in solchen ASMR-Videos in besonderer Weise in den Dienst Fällen zentral für die teletaktile Wirksamkeit. teletaktilen Handelns gestellt werden. Generell muss zunächst konstatiert werden, dass eine taktile Wirkung der Videos durch akus- ASMR-Videos als akustisch tische Reize weniger erstaunlich ist als eine teletaktile Medien ebensolche Wirkung durch visuelle Reize, da Hören  – anders als Sehen  – auf einem tatsäch- ASMR-Videos können insofern als ein Sonderfall lichen Kontakt mit etwas grundsätzlich taktil teletaktiler Medien verstanden werden, als sie eine Erfahrbarem beruht, nämlich den Druckschwan- Hautsensation hervorrufen sollen, ohne dass über- kungen der Luft als Übertragungsmedium, die haupt eine mechanische Berührung stattfindet. Bei auf das Trommelfell als schwingungssensible anderen medialen Anordnungen, die teletaktile Membran einwirken. Bewusst wird dies spätestens Erfahrungen zum Ziel haben15, wird der mecha- dann, wenn eine Überschreitung der akustischen nische Berührungsreiz, den der Empfänger spürt, Schmerzschwelle dem Zuhörer Ohrenschmerzen zwar räumlich und oft auch zeitlich von derjenigen verursacht. Steven Connor präzisierte in einem Person getrennt, die ihn ausgelöst hat; dennoch Vortrag zum Thema Intersensorialität den Unter- kommt eine Berührung vor – wenn nicht zwischen schied zwischen dem Sehen und dem Hören (sowie Haut und Haut dann doch zwischen Haut und zwischen dem Sehen und den anderen Sinnen) so: technischer Komponente. Diese, etwa ein Druckak- «The ear, nose, tongue and fingertips all depend tuator, übt einen Reiz auf die Haut des Empfän- upon the meeting or mingling or admixture of gers aus, welcher der über die Distanz gesendeten things; something must come up against another Berührungsinformation entsprechen soll16. Aber thing, or impart something of its substance to us» auch mit berührungslosen Berührungssimulati- (2004: 2). Darüber hinaus werden Töne nicht nur onen, wie sie etwa beim textbasierten Cybersex über das Trommelfell wahrgenommen, sondern generiert werden sollen, ist die Art der Teletakti- können abhängig von Frequenz und Schalldruck- lität, wie sie ASMR-Videos zum Ziel haben, wenig pegel auch über die gesamte Körperoberfläche vergleichbar. Wenn etwa beim Chatten erotische und sogar viszeral als Druckempfindung oder Szenarien entworfen, beschrieben, gelesen und Vibration gefühlt werden, wie es etwa in lauten vorgestellt werden, geht es vor allem um inhaltli- Diskos oder auf Konzerten, vor allem in Nähe che ‹Reize›. Bei ASMR-Videos kommt neben einer der Lautsprecherboxen, vorkommen kann. Geht solchen eher kognitiv-emotionalen Funktionsweise es in der medienwissenschaftlichen Auseinander- allerdings dazu, dass auch Geräusche, Klänge und setzung um fühlbare Töne, werden oft vorrangig Töne (sowie bestimmte visuelle Reize) allein und solche dröhnenden Bässe, hohen Pegel und tiefen ohne narrativen Inhalt als Auslöser der gewünsch- Frequenzen in den Blick genommen. Diese nennt ten Empfindung dienen können. So erleben manche etwa auch Laura Marks in ihrer Untersuchung tak- User das ASMR-Gefühl etwa dann, wenn sie eine tiler Merkmale interkultureller Filme The Skin of the Film, in der die Audioebene ansonsten größtenteils unerwähnt bleibt17. Kommen diese Art von akusti- 15 Diesen kommt vor allem in den Neuen Medien eine wachsende Bedeutung zu (vgl. Benthien 1999: 265–279). 16 Beispiele wären das Projekt CyberSM, bei dem Kirk 17 Sie versteht solche viszeral spürbaren Frequenzen dabei Woolford und Stahl Stenslie 1994 über sogenannte Senso- vor allem deshalb als taktil, da sie meist diffus erscheinen Suits und eine Software, mit der bestimmte Körperstellen zur und nicht differenziert wahrgenommen werden könnten. Berührung ausgewählt werden konnten, Berührungsinforma- Ihr Verständnis von haptic sound als notwendigerweise tionen wie Wärme und Vibration zwischen Teilnehmern in diffus und verwirrend bezieht sie aus einer Parallelisierung Köln und Paris übertragen ließen oder das seit Ende 2007 zu haptic images, die sich in ihrem Verständnis besonders im Handel erhältliche Hug-Shirt der Londoner Firma Cute- dadurch auszeichnen, dass sie dem Rezipienten durch große Circuit, das mittels Drucksensoren, Bluetooth-Datenübertra- Nähe, Flächigkeit oder geringe Auflösung die Orientierung gung via Handy und Druckaktuatoren funktioniert (Koesch/ erschweren und eine Objektivierung des Angesehenen ver- Magdanz/Stadler 2007). unmöglichen (vgl. Marks 2000: 183). Touching Sounds 23 schen Schwingungen zum Beispiel auch in Musik- dem eine besonders passive Art der Rezeption, Massagestühlen wie dem So Sound® Lounger als die für das Erleben einer ASMR-Empfindung von taktile Agenten zum Einsatz18, bei dem der ganze experiencern oft als notwendig beschrieben wird.20 Körper mit Vibration und Musik erfüllt und durch- Daneben markiert der Einsatz der Kopfhörer die drungen werden soll, strebt der überwiegende Teil Konsumtion der Videos als intimes, privates und der ASMR-Videos  – betrachtet man die Entwick- nicht mit anderen geteiltes Vergnügen. lung, die sie innerhalb der letzten drei Jahre durch- Die Ganzkörpererfahrung akustischer Reize, wie laufen haben  – eine Tonausgabe direkt am Ohr sie der Diskobesuch oder der So Sound® Lounger bie- des Rezipienten an. So benutzen seit Mitte 2012 tet, und die akustisch-taktile Erfahrbarkeit von bin- immer mehr ASMRtists binaurale Aufnahmege- auralen ASMR-Videos stellen so zwei unterschied- räte oder erreichen eine ähnlich dreidimensionale liche akustisch-taktile Funktionsweisen dar, deren Aufnahme durch den Aufbau von zwei Mikrofonen visuelle Pendants Oliver Grau beschreibt, wenn mit Kugelcharakteristik im Abstand von etwa 17 er vom «Wechselspiel zwischen Großbild-Immer- bis 20 cm voneinander (entsprechend dem durch- sionsräumen, die den Körper vollständig integrie- schnittlichen menschlichen Ohrabstand). Zwischen ren (360˚-Freskenraum, Panorama, Stereopticon, diesen wird oft noch ein Trennobjekt platziert, um Cinéorama und IMAX-Kino bis zu [...] CAVE)» und Abschattungen des Schalls hervorzurufen, wie sie «unmittelbar vor den Augen getragene[n] Appara- beim Hören durch den menschlichen Kopf entste- turen, wie Perspektivkästen, Stereoskope, Stereo- hen. Noch aufwändigere Setups benutzen einen scopic Television, Sensorama und jüngst das HMD Kunstkopf mit in den Ohren eingebauten Mikrofo- [=head mounted display]» spricht (2004: k.S.). nen, der durch nachgebildete Ohrmuscheln auch So wie diesen beiden unterschiedlichen visuellen deren Abschattungen simuliert. Binaural ASMR Verfahrenskategorien nach Grau dennoch gemein Videos werden von den Abonnenten der Videos ist, dass sie letztlich den Aufbau eines 360˚-Bild- auch zunehmend erwartet und angefragt19. Wäh- raums zum Ziel haben, also eine dreidimensionale rend schon die gedämpfte Stimme, mit der der und rahmenlose visuelle Umgebung für den Rezi- Zuschauer üblicherweise adressiert wird, Assozia- pienten schaffen, in die dieser eintauchen kann, tionen zu realen Gesprächssituationen aufruft, in erzeugen auch binaural aufgenommene und über denen ein Sprecher näher rückt, um sich unter Aus- Kopfhörer rezipierte ASMR-Videos einen dreidimen- schließung anderer Zuhörer exklusiv einem einzel- sionalen akustischen Raum. Die Nutzung dreidi- nen Gesprächspartner zuzuwenden, rückt auch die mensionalen Tons hat in ASMR-Videos besondere Technik dem Rezipienten auf den Leib, und zwar Implikationen für die taktile Wirkung der Videos ganz buchstäblich, denn die auch als Kopfhörerste- und wird speziell in solchen Strategien der Taktili- reofonie bezeichnete binaurale Aufnahmetechnik sierung21 virulent, die auf einem narrativierten Sze- verlangt zur korrekten Wiedergabe der Schallereig- nario der Kopräsenz von ASMRtist und Zuschauer nisse die Rezeption über Kopfhörer, mithin einen beruhen und bei denen akustische Reize nicht nur direkten Kontakt zwischen Schallwandler und auf rein sensorische Weise taktil erfahren, sondern Ohr. Die Kopfhörerstereofonie, die dem Zuhörer auch auf kognitiv-emotionale Weise wirksam wer- nicht etwa abverlangt, das Ohr zur Wahrnehmung den sollen. der leisen Töne an den Lautsprecher zu pressen, wie es der Blogger Andrew MacMuiris als eine ‹ASMR-Anekdote› aus seiner Kindheit erinnert (vgl. MacMuiris 2010: k.S.), sondern die umgekehrt die Schallwandler zum Ohr (im Fall von In-Ear-Kopfhö- 20 Siehe diese Aussagen unterschiedlicher experiencer aus rern sogar ins Ohr) bringt, unterstützt dabei außer- dem Steady Health-Forum: «staying calm keeps it going [...] and if i do anything physical [...] it mostly goes away»; «Usually if im [!] really calm and dont [!] move it will last a long time»; 18 Vgl. http://www.sosoundsolutions.com/music-chair/ «I try not to really move or think or anything too much as [26.06.2014]. to not have it go away» (vgl. http://www.steadyhealth.com/ 19 Nicht selten schenken Abonnenten ihren favorisierten WEIRD_SENSATION_FEELS_GOOD_t146445.html). ASMRtists das vergleichsweise teure, binaurale Equipment, 21 Darunter verstehe ich Strategien des Einsatzes bestimm- wenn diese es sich nicht selbst leisten können, oder unter- ter filmischer Mittel, die ein Video taktil, also im weitesten stützen die Videomacher zu diesem Zwecke finanziell über Sinne über eine Aktivierung des Tastsinns, erfahrbar machen Spenden an deren PayPal-Konten. sollen. 24 Sonja Kirschall Strategien akustischer Taktilisierung fällt die Berührung durch die Atemluft zwar weg; die Schalldruckschwankungen sind aber gerade bei Im Folgenden werden zunächst diejenigen Stra- den Plosivlauten oft durch die Kopfhörer spürbar tegien des Toneinsatzes beschrieben, die dem Zu- und führen zum Eindruck eines intermittierenden, hörer gewissermaßen direkt und unabhängig von leichten Druckgefühls am oder im Ohr25. In ähnli- einer narrativen Überformung taktile Erlebnis- cher Weise werden in einigen ASMR-Videos auch weisen eröffnen sollen, und anschließend auch pulsierende, tiefe Bässe eingesetzt. Besonders narrations- und raumgebundene Taktilisierungs- ASMR-Rollenspiele neueren Datums verarbeiten Funktionen des Tons einbezogen, wobei auch die oft narrative und technisch-ästhetische Merkmale Bild-Ton-Beziehung wieder in den Blick rücken wird. verschiedenster Genres, etwa Fantasy und Science Fiction, in denen der Zuschauer beispielsweise an Direkt taktiler Ton und ‹Nähemarker› Bord eines Raumschiffs mit futuristischen Instru- menten vermessen und untersucht wird, die auch Viele experiencer bevorzugen bei Videos, die Spra- künstliche, computergenerierte Geräusche narrativ che beinhalten, Worte und Silben mit ganz bestimm- plausibilisieren. So ‹scannt› etwa die ASMRtistin ten phonetischen Eigenschaften22. In einem Video ASMRrequests in den Videos ihrer Science Fiction- mit dem Titel Binaural 3D ASMR Compilation Of inspirierten ASMR-Serie Departure die Netzhaut des My Most Requested Ear to Ear Sounds, Redone For Kunden mit einer dem Neuralizer der Men in Black Your Relaxation23 der ASMRtistin Heather Feather (Barry Sonnenfeld, USA 1997) nicht unähnlichen fällt bei den Worten, Silben und Geräuschen, die Apparatur und unterlegt dies einmal mit einem sie auf Wunsch ihrer Zuschauer erzeugt, auf, dass tieffrequenten Summen, ein anderes Mal mit einem vor allem Plosive und Plosiv-Frikativ-Kombinationen regelmäßig pulsierenden Bass. Bei letzterem tritt die sowie kurze Wörter mit Plosiven an Anfang und Besonderheit auf, dass das Geräusch einerseits klar Ende vorkommen. So spricht sie minutenlang etwa erkennbar künstlich erzeugt ist, andererseits durch «gdgdgdgd», «ksksksks» oder «ticktockticktock» ins das pulsierende Pumpen starke Assoziationen zum Mikrofon. Die kleinen Explosionen, die durch die Abhören eines schlagenden Herzens aufruft und Blockierung und Wiederfreisetzung des Atemluft- dadurch dennoch eine fast organische Qualität stroms dabei erzeugt werden und die den Plosiv- erhält, die die Nähe eines lebenden Körpers sugge- lauten ihren Namen geben, sind dabei deutlich riert. Wie bei den erkennbar menschlich produzier- hörbar und treten aus dem Sprachstrom als kurze ten Plosivlauten und Plosiv-Frikativ-Kombinationen Pop-Geräusche hervor. Besonders deutlich wird kommt hier die taktile Wirkung also nicht nur dies bei dem sogenannten Inaudible Whispering, dadurch zustande, dass Geräusche abhängig von bei dem oft nur noch die Plosive und Verschluss- Frequenz und Pegel tatsächlich durch den Kopfhö- laute erkennbar sind. Folgen Frikative direkt im rer als leichte Druckwirkung spürbar werden, son- Anschluss an Plosivlaute, machen sie den folgen- dern offenbar auch assoziativ funktionieren. den Luftstrom besonders gut hörbar. Was hier also Besonders deutlich wird dies auch bei der akustisch in den Vordergrund gerückt wird, sind Betrachtung einer weiteren Art der Interaktion die Veränderungen des Luftstroms und -drucks, mit dem Mikrofon, mit der die ASMRtistin Gent- die in einer realen Nähesituation nicht nur als leWhispering in der Community Anfang 2013 Stimme des Gegenübers hörbar, sondern auch als gewissermaßen einen Trend setzte, nämlich das fremder Atem direkt auf der Haut spürbar wären. leichte Pusten ins Mikrofon.26 Mittlerweile kommt In der teletaktilen Anordnung, in der der mate- rielle Körper des ursprünglichen Klangerzeugers Radio ASMR Island oder ASMR-Skype-Sessions, bei denen sowohl räumlich als auch zeitlich24 abwesend ist, zwischen ASMRtist und Rezipient zumindest temporal eine annähernde Ko-Präsenz besteht. 22 Vgl. hierzu auch, beispielhaft für die zahlreichen Online- 25 Je nachdem, ob Bügel-, Earbud- oder In-Ear-Kopfhörer Diskussionen zu diesem Thema: http://www.reddit.com/r/ benutzt werden. Dieses leichte Druckgefühl entgeht bei asmr/comments/1mzgik/meta_what_whispered_phra- ‹normaler› Rezeption möglicherweise leicht, ist aber gut fest- ses_or_words_really/ (15.02.2014). stellbar, wenn eine einseitige Taubheit vorliegt, bei der die 23 Siehe http://www.youtube.com/watch?v=l_h4mi0GE- taktile Wahrnehmung des Tons von der Tonwahrnehmung Ac (15.02.2014). getrennt wahrgenommen werden kann. 24 Bei den Videos ist dies immer der Fall; es gibt mittler- 26 In einem Interview für die Website The Hairpin sagte sie weile allerdings auch ASMR-Livesendungen in dem Online- dazu: «I tried something new for example and people liked it, Touching Sounds 25 Mic Blowing oder Ear Blowing bereits in mehreren sound that is characteristic of whispering»29 her- Tausend ASMR-Videos auf YouTube vor. Die ASMR- vortritt, führt das Soft Speaking zu vibrierenden, tistin Heather Feather fragt ihre Zuschauer in musikalischeren Tönen und macht individuelle einem ihrer Videos, in dem sie wiederholt ins Mik- Merkmale der Stimme, vor allem die Klangfarbe, rofon bläst, ob sie ihren Atem tatsächlich spüren erkennbar. Dabei ist eventuell auch die Stimmhöhe könnten. In den über vierhundert Kommentaren, von Bedeutung: Eine Umfrage über Reddit, deren die das Video bislang erhalten hat, häufen sich Resultate der User Bovii Mitte September 2013 Antworten wie «I actually can feel it! The vibra- veröffentlichte, zeigte eine deutliche Bevorzugung tions from the headphones almost completely feels weiblicher Stimmen in ASMR-Videos auf, die in den [!] like the air blowing across my ear. Amazing!», meisten Fällen aufgrund kürzerer Stimmbänder «Sometimes i open my eyes to make sure you‘re höher sind als Männerstimmen.30 Die Beliebtheit not beside for real» oder «yeah its true for me i can weiblicher Stimmen könnte damit zusammenhän- ACTUALLY feel your breath in the headphones! gen, dass hohe Frequenzen bei der Schallausbrei- its [!] weird».27 Möglichkeiten, die Videos taktil tung über die Distanz eher absorbiert werden; sind erfahrbar zu machen, ergeben sich also offenbar in den Videos also verstärkt hohe Frequenzen hör- einerseits aus dem Auswählen und Produzieren bar, wirken diese eventuell als ‹Nähemarker›. Auch von Geräuschen, deren Schallwechseldruck ohne- wäre zu vermuten, dass bei stimmhaftem Sprechen hin stärker spürbar ist als der anderer Geräusche, eine emotionalere Beziehung zum ASMRtist aufge- sowie andererseits aus der Suggestion einer Nähe- baut werden kann, da völlig stimmloses Sprechen situation, die eine Art ‹sensorische Erinnerung› an die Wiedererkennbarkeit eines Sprechers extrem tatsächliche Nähesituationen aktivieren kann28, erschwert31. Daneben ist davon auszugehen, dass wobei zu vermuten ist, dass beide Wirkungsweisen manche Personen per se auf bestimmte Töne je oft gekoppelt vorliegen und sich die Übergänge nach Frequenz, Schalldruck, Klangfarbe und even- als fließend darstellen. tuell Dauer besonders sensibel reagieren und diese Neben dem verschwörerischen Senken der bei ihnen unterschiedliche, auch taktile, Empfin- Stimme und dem imaginierten Atem auf der Haut dungen auslösen können. Zum Beispiel berichte- bei Pusten, Atmen und Flüstern dicht am Mikro- ten einige experiencer bei Reddit, dass das Hören fon können auch bestimmte Frequenzen in der bestimmter Töne ihre Zähne stark fühlbar mache. menschlichen Stimme Nähe suggerieren. Nicht Dies ist offenbar ein hoch individuelles Phänomen nur das Flüstern, sondern auch das Soft Spea- und entsprechend schwer erforschbar. Für die tel- king ist ein beliebter Trigger, bei dem durch die etaktile Wirkung von ASMR-Videos bleibt festzu- Stimmhaftigkeit der Sprache, die mit einer Vibra- halten, dass ein solches Phänomen besteht und tion der Stimmlippen und des Kehlkopfes einher- zumindest für einen Teil der teletaktilen Wirkun- geht, per Definition Töne entstehen, während rein gen verantwortlich zu sein scheint. stimmloses Flüstern zu den Geräuschen gezählt wird. Während bei letzterem eher «the ‹windy› like blowing into ears. I don‹t think anybody had ever done it before. I just sort of tried it and then it just got crazy, and now I›m using it in all of the videos» (Moxley 2013: k.S.). 27 Kommentare der YouTube-User snoman1973, Emery K und alyssa bower (vgl. http://www.youtube.com/ watch?v=Jp0g-qkvdFQ [26.06.2014]. 29 Siehe dazu den Artikel Voice Acoustics: an introduction (Wolfe/Garnier/Smith o.J.: k.S.). 28 Laura U. Marks führt einen großen Teil der von ihr be- schriebenen taktilen Qualitäten interkultureller Filme auf 30 Siehe http://www.reddit.com/r/asmr/comments/ solche «memories of the senses» zurück (vgl. 2000: 127– 1mozbx/the_asmr_survey_results_meta/ [26.06.2014]. 242). Um zusätzlich zu einer solchen, auf die Vergangen- Generell (und vielleicht entsprechend) gibt es bei weitem heit gerichteten, synästhetischen Wahrnehmungsweise das mehr weibliche als männliche ASMRtists. Moment einer auf die Zukunft gerichteten, synästhetischen 31 Eventuell besteht hier eine Korrelation zwischen der Be- Wahrnehmungsweise im Sinne einer Erwartungshaltung zu vorzugung stimmlosen Flüsterns und der Bevorzugung von beachten, eignet sich auch Vivian Sobchacks Begriff der Videos, in denen der ASMRtist anonym bleibt und sein Ge- «sensorischen Vorstellungskraft», die sie neben die Anlage sicht nicht zeigt, was in weiteren Umfragen ermittelt werden eines «sinnlichen Gedächtnisses» stellt (2010: 59–61). könnte. 26 Sonja Kirschall Akustische Ameisenperspektive The close-up may sometimes give the impression of a mere naturalist preoccupation with detail. But good Nicht nur hohe Frequenzen in menschlichen Stim- close-ups radiate a tender human attitude in the con- men können als Nähemarker fungieren. Vor allem templation of hidden things, a delicate solicitude, a bei den Geräuschen, die speziell für den Zuschauer gentle bending over the intimacies of life-in-the-mini- nahe am Mikrofon erzeugt werden, indem mit ature, a warm sensibility. (ebd.: 56) diversen Objekten interagiert und diese auf unter- schiedlichste Weise zum Klingen gebracht werden, Hier scheint genau die Art von aufmerksamer eröffnet sich in ‹akustischer Detailaufnahme› eine Zuwendung beschrieben, die auch das Verhalten Klangwelt, die sowohl in alltäglicher Wahrneh- von ASMRtists in ihren Videos auszeichnet und mung wie im Filmerleben immer noch eher die die sich nicht nur auf visueller Ebene zeigt, son- Ausnahme darstellt bzw. in letzterem meist auf dern sich auch in die Geräuschwelt der Videos kurze Sequenzen begrenzt bleibt, wie etwa bei einschreibt. So sind die erzeugten Geräusche zum den Hip-Hop-Montagen Guy Ritchies oder Darren einen nie abrupt oder erschreckend laut, sondern Aronofskys. Die Technik, normalerweise sehr leise zeugen von einer äußerst umsichtigen Handha- Geräusche auf normale Dialoglautstärke oder bung des Gegenstandes; zum anderen begrüßen sogar darüber hinaus anzuheben, wird in Filmen, es viele Rezipienten, wenn die produzierten Geräu- aber auch in der Werbung, dann oft dazu einge- sche und Klänge gewisse Unregelmäßigkeiten setzt, eine gesteigerte Sensibilität der Sinne einer aufweisen, die als menschlicher Touch in ihnen Figur und damit auch ein gesteigertes sinnliches hörbar sind. Eine deutschsprachige experience- Erleben zu suggerieren32. Diese extreme Form der rin drückt dies in einem Beitrag für DRadio Kul- akustischen Annäherung, die ASMR-Videos vor- tur so aus: «Das hat definitiv mehr als nur eine nehmen und die dem Zuhörer ein auditives ‹Abtas- technische Komponente, die man einfach so mit ten› der Gegenstände noch auf Ebenen erlaubt, einem bestimmten Geräuschmuster reproduzieren auf denen das Auge bereits die Orientierung ver- könnte, eine sehr menschliche Komponente».35 loren hat, bedeutet für die Rezeption vielleicht Diese sich einschreibende menschliche Note Ähnliches wie das visuelle filmische Close-up, über verweist auf eine weitere Funktion des Tons in das Béla Balázs 1923 in Theory of the Film schrieb: ASMR-Videos. Was an den als angenehm empfun- «The close-up can show us a quality in a gesture denen Geräuschen nämlich auffällt, ist, dass es sich of the hand we never noticed before when we saw oft um Geräusche handelt, die in anderen akus- that hand stroke or strike something, a quality tischen und AV-Medien häufig als Störgeräusche which is often more expressive than any play of the behandelt und entfernt werden. Beim Schnitt eines features» (ebd.: 55).33 Das «sprachlose Gesicht und Radiobeitrags etwa werden auffällige oder lange Schicksal der stummen Objekte» (ebd.; Übers.d.V.), Atmer normalerweise herausgeschnitten; lange die mit den ASMRtists in ihren Zimmern leben34, Frikative, Zischlaute, Schmatz- und Popgeräusche wird vor allem in Sounds-Videos umfassend zum werden gekürzt oder heruntergepegelt bzw. schon Klingen gebracht. Balázs spricht außerdem vom während der Aufnahme durch einen Popschutz «lyrical charm of the close-up»: am Mikrofon zu vermeiden gesucht36. Auch lange Pausen, «Ähs» und Lückenfüller wie «also» im Deut- 32 Hier eignet sich auch der Ausdruck «hyperbolisierte Sinn- schen oder «okay» und «so» im Englischen fallen lichkeit», der eine Formulierung Vivian Sobchacks aufgreift, dort oft der Bearbeitung zum Opfer, während sie die die extrem nahen, hyperrealen Bilder in Tom Tykwers Süs- die Zuschauer von ASMR-Videos nicht zu stören kind-Verfilmung Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders scheinen, sondern im Gegenteil von vielen sogar (D/F/S/USA 2006), treffend als Vermittler eines «sinnlich ‹hyperbolisierten› Seheindruck[s]» beschreibt (2010: 62). 33 Interessant ist auch, dass Balázs hier für die visuelle Igno- ranz, die vor der Existenz des Close-ups geherrscht habe, ei- nen Vergleich aus dem Bereich der auditiven Wahrnehmung 35 Aus dem Beitrag Wundersames Kribbeln. Das unerforsch- heranzieht, indem er das Sehen ohne Close-up mit dem Kon- te Phänomen ASMR für DRadio Kultur am 26.09.2013 (vgl. zertbesuch eines unmusikalischen Zuhörers vergleicht, der http://www.deutschlandradiokultur.de/wundersames-krib- nur die Leitmelodie erkennt, während alle sonstigen Details beln.1088.de.html?dram:article_id=263182 [15.02.2014]). und Nuancen ein unverständliches Gemurmel bleiben. 36 Dagegen gibt es in der ASMR-Community regelrechte 34 Im Original: «the speechless face and fate of the dumb Fans von mouth sounds, also Schmatz-, Schnalz- und ähnli- objects that live with you in your room» (ebd.). chen Geräuschen, ebenso wie von Essgeräuschen. Touching Sounds 27 als Trigger genannt werden.37 Das Atmen oder Pus- Zweitens verleihen die Atmer, Versprecher, Schmat- ten ins Mikrofon produziert ebenfalls Geräusche, zer und Denkpausen den Videos allein durch ihr die bei professionellen Aufnahmen gemeinhin Vorhandensein eine Aura des Originalen, wenig unerwünscht sind und durch einen Windschutz Bearbeiteten und Authentischen, zeugen sie doch am Mikrofon gedämpft werden. Die oft akustisch einerseits von einer amateurhaften Aufnahmepra- schwere Verständlichkeit des leise Gesprochenen xis, die sich keinen etablierten Regeln einer kom- oder Geflüsterten sowie die Unverständlichkeit merziellen Film- oder Radioindustrie zu beugen des extra darauf ausgerichteten Inaudible Whis- hätte, und haben andererseits stärkere Ähnlichkeit pering schließlich scheinen der Konzentration zu realen Gesprächssituationen. Während auch auf die Stimme und ihrer Vermittlung narrativer in der Literatur zum Reality-Fernsehen oft auf die Informationen, die laut Michel Chion die meisten Signifikanz qualitativ ‹minderwertiger› Aufnahmen Kinofilme charakterisiert und die er als «Voco- für den Eindruck des Amateurhaften und Authen- Zentrismus» beschrieben hat, der «fast immer ein tischen hingewiesen worden ist (Surma 2009), Verbo(Sprach)-Zentrismus» sei (2012: 17), diamet- scheint bei ASMR-Videos bemerkenswert zu sein, ral entgegenzustehen. dass die konventionell als störend verstandenen Geräusche hier nicht nur vermeintlich Authentizi- Beglaubigende Funktionen des Tons tät hinzufügen, sondern selbst zu den zentralen, ASMR-induzierenden Elementen gehören, die auch Was sich hier andeutet, ist nicht nur die überwie- bei einer schrittweisen Professionalisierung der gend phatische Bedeutung des Erzählten, bei der Videos hinsichtlich Aufnahmetechnik und Nach- das «Wie» um ein Vielfaches wichtiger zu sein bearbeitung, wie sie bei einigen der bekanntesten scheint als das «Was», sondern auch, dass der Ton ASMRtists zu beobachten ist, als generische Ele- neben der berührenden auch verschiedene beglau- mente der Videos fortbestehen. bigende Funktionen annimmt, die eine teletaktile Eine weitere Funktion des beglaubigenden Tons Erfahrung der Videos unterstützen. Erstens werden steht mehr als die anderen mit der visuellen Ebene hier offenbar Geräusche präferiert, die die Kör- der Videos in Verbindung. Das Sichtbare wird in perlichkeit des ASMRtist hervortreten lassen. Im einem Großteil der ASMR-Videos von einer osten- Steady Health-Forum erklärt ein experiencer und tativen Ausstellung von Berührung (von Gegen- Student, der ASMR bei manchen seiner Vorlesun- ständen, sich selbst oder seltener auch dritten, gen erlebt: «It seems to happen more when the als Modelle fungierenden Personen) beherrscht. person lecturing is somehow involving their body Berührung, die Steven Connor als Differenzierungs- in the lecture, or their body becomes apparent, like kriterium zwischen Hören und Sehen ins Feld führt when they sneeze, blow their nose, breathe loudly (s.o.), bestimmt aber nicht nur die Rezeption von into a microphone, salivate, move around a lot, Schall, sondern auch die Produktion, sei es als etc.».38 Das hörbare Atmen, aber auch Schmatz- Kontakt zwischen Luft und Stimmbändern, Bogen geräusche und andere mouth sounds konstitu- und Saite oder Antriebseinheit und Lautsprecher- ieren den Körper des ASMRtist so als präsenten, Membran. In seinem Vortrag, aus dem oben bere- greifbaren Körper, aber auch als ungekünstelten, its zitiert wurde, fährt Connor fort: «We cannot eigensinnigen Körper, der oft Geräusche produ- hear the sound of one thing alone; the only sounds ziert, die nicht vollständig zu kontrollieren sind.39 we ever hear are the results of one thing striking 37 Auch gibt es offenbar eine große Anhängerschaft für Geräusche, die in Reddit-Diskussionen als thinking noises sprechen. Die Differenzierung zwischen dem passiven, soma- bezeichnet wurden. Dabei handelt es sich um leise Pust-, tosensorischen Fühlen als ‹taktil› (oft auch als ‹Hautsinn› be- Pop-, Schnalz- oder unverständliche Flüstergeräusche, die zeichnet) und dem aktiv-explorierenden, sensomotorischen Menschen oft unbewusst bei angestrengtem Lesen und Tasten als ‹haptisch› (nach griech. haptesthai = ergreifen, Nachdenken produzieren. anfassen, berühren) hat sich seit der Einführung durch Géza Révész in Psychology and Art of the Blind (1950) und ihrer 38 Gast am 28. August 2009 (vgl. http://www.steady Aufgreifung durch James J. Gibson und andere Autoren in health.com/WEIRD_SENSATION_FEELS_GOOD___PART_2 vielen Zweigen der Psychologie und Physiologie durchge- _t205582.html?page=4 [26.06.2014]). setzt (vgl. Grunwald 2001: 9–11). Die Begriffe Taktilisierung 39 Um diese vermeintliche Greifbarmachung des Körpers und Haptilisierung erweisen sich besonders bei der Analyse zu kennzeichnen, könnte man statt von einer Strategie der der Bildebene von ASMR-Videos als hilfreich, die hier leider Taktilisierung hier von einer Strategie der Haptilisierung nicht diskutiert werden kann. 28 Sonja Kirschall another» (2000: k.S.). Die Ausstellung von Berüh- des liefern und damit Rückschlüsse auf die taktilen rung als das auffälligste visuelle Merkmal der meis- Erfahrungen erlauben, die dieser erlebbar macht. ten ASMR-Videos findet ihre Entsprechung auf der Nach Michel Chion können sie als «Materialisie- Tonebene in der beständigen Darbietung solcher rende Klang-Hinweise» verstanden werden: kontaktbedingter Klänge. Ist dem Tastsinn in der In einem Klang sind die materialisierenden Hinweise Literatur immer wieder die Kraft zugesprochen diejenigen, die uns ein Gefühl der Materialität der Ur- worden, die reale Präsenz des Berührten beglaubi- sache geben und uns auf den konkreten Prozess der gen zu können und als Korrektiv des täuschbaren Verbreitung des Klangs stoßen. Sie sind u. a. fähig, uns Sehsinns zu fungieren40, so werden die sichtbar Informationen über die Materie zu geben (Metall, Pa- synchronen Geräusche in ASMR-Videos als ‹nächst- pier, Stoff), der [!] den Ton verursacht, sowie zur Art, beste› Beglaubigung der Berührung zweier (Klang-) wie der Klang entstanden ist (durch Reibung, Stöße, Körper plausibel. Dabei hat der Ton in den Videos chaotische oder regelmäßige Schwingungen usw.). zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Berüh- (2012: 96) rung zu beglaubigen: Einerseits tritt er als den präsentierten Gegenständen zugehörig in Erschei- Diese Informationen können solche taktilen Rezep- nung, die besonders in Sounds-Videos auf ihre tionsweisen unterstützen, die auf identifikatori- Berührungsqualitäten, aber eben immer auch auf scher oder mimetischer Teilhabe basieren.41 ihre Klangqualitäten hin exploriert werden. Ande- rerseits wird er in den Rollenspielen mit der visuel- Simulationsfunktion des Tons len Präsentation von Berührungen an der Kamera gekoppelt, die als Berührungen des Zuschauerkör- Der Unterschied zwischen Geräuschen, die solcher- pers durch den ASMRtist narrativiert werden; dort art direkt den gezeigten und berührten Gegen- sollen die Töne und Geräusche also visuell und ständen im Bild zugeordnet werden können, und narrativ implizierte, fiktive Berührungen akustisch Geräuschen, die eine simulierte Berührung des bezeugen, was als ‹teletaktile Simulationsfunktion Zuschauerkörpers akustisch ergänzen und beglau- des Tons› bezeichnet werden könnte. bigen, ist, dass bei letzteren ihre ursprüngliche Zunächst aber zum ersten Fall der im Bild sicht- Schallquelle nicht im Bild ist, sondern sich im Off baren, klangproduzierenden Berührungen: Hierbei befindet. So produzieren ASMRtists etwa mit einem ist eine direkte Verbindung zwischen Gegenstand, neben der Kamera angebrachten oder dort in der Berührung und Ton wesentlich; es konnten bisher Luft gehaltenen trockenen Schwamm42 Kratzge- keine ASMR-Videos gefunden werden, die das räusche, um eine am Zuschauer durchgeführte Berühren von im Bild präsenten Gegenständen Kopfmassage zu simulieren. In Chions Vokabular mit fiktiven Geräuschen kombiniert hätten. Allein ausgedrückt, kommt es hier zu einer Synchrèse, schon eine ‹Geräusch-Bild-Schere› bei leichter Zeit- also zu einer «unwiderstehliche[n] Verbindung, versetzung von Ton- und Bildebene wird von expe- welche durch ein gleichzeitig erscheinendes, teil- riencern oft negativ kommentiert. Zusätzlich zur weise auditives Phänomen und ein zum anderen reinen Beweisfunktion, dass überhaupt Berührung Teil visuelles Phänomen gebildet wird» (ebd.: 58). stattfindet, erleichtert das entstehende Geräusch Bei simulierend eingesetztem Ton kommt es so zu bei Bild-Ton-synchronen Videos die genaue zeitli- che Lokalisierbarkeit der Berührung; der Ton macht 41 Dass eine solche Art der Rezeption tatsächlich stattfin- auf diese Weise also möglich, den Moment der det, ist aus dem umgebenden Diskurs ersichtlich und kann Berührung genau wahrzunehmen. Von noch grö- u. a. mit den 1992 erstmals von Giacomo Rizzolatti an Ma- kaken beschriebenen Spiegelneuronen erklärt werden. Dabei ßerer Bedeutung allerdings scheint zu sein, dass handelt es sich um Nervenzellen, die beim Beobachten der die Berührungsgeräusche Informationen über die Tätigkeit einer anderen Person das gleiche Aktivitätsmuster Art der Beschaffenheit des jeweiligen Gegenstan- zeigen, als würde die Tätigkeit vom Beobachter selbst ausge- führt. Dies gilt auch für das Beobachten passiv empfangener Reize. Auch Robin Curtis (2007) hat auf die Anwendbarkeit 40 Ein solches Verständnis herrschte vor allem im neuzeit- des Konzeptes auf somatische Formen von Filmrezeption hin- lichen Sensualismus vor, der generell eine Aufwertung des gewiesen. in der Hierarchie der Sinne oft als niederer Sinn klassifizier- 42 Diese Requisite empfiehlt etwa JustAWhisperingGuy als ten Tastsinns vornahm. Aus der umfassenden Literatur zur geeignetes «scalp massage prop» in seinem Video How to Verbindung zwischen Tastsinn und Beglaubigung (Böhme Make ASMR Videos (ASMR Day Special) (vgl. http://www. 1998; Binczek 2007). youtube.com/watch?v=4mpI1mbgqEU [26.06.2014]). Touching Sounds 29 einer hohen Disziplinierung des Körpers des ASMR- like they‘re in the room with me».44 Die abwech- tist, der hier nicht nur wie bei anderen, eher fak- selnde Links-Rechts-Reizung scheint besonders tual angelegten ASMR-Videos darauf achten muss, wichtig für die Raumerzeugung, da interaurale keine lauten oder unangenehmen Töne mit einem Laufzeit- und Pegeldifferenzen die Schallereignisse Gegenstand zu produzieren, sondern ebenfalls den besonders gut in der Horizontalebene lokalisierbar gefilmten Ausschnitt ständig per Kontrollscreen machen, eine Lokalisation in der Sagittalebene, daraufhin überwachen muss, dass er mit der einge- also eine Bestimmung des Tons als von unten, setzten Requisite im Off bleibt.43 Ebenso wird hier oben, vorne oder hinten kommend, aber ungleich deutlich, dass es hier um eine Art der Simulation schwieriger ist. Immersion erscheint hier nicht nur geht, die zwar auf akustischer Ebene nach Erschaf- als Gefühl, vollständig umgeben zu sein, sondern fung eines 360˚-Raumes strebt, auf der Bildebene vor allem als Phänomen der Kopräsenz und der aber auf die Begrenzung durch einen Rahmen und von allen Seiten möglichen Berührung durch ein dem damit ermöglichten, imaginativ aufladbaren vermeintlich körperlich nahes Gegenüber. Off-Screen-Raum als Ort der vermeintlichen Berüh- rung zwischen ASMRtist und Zuschauer angewie- Hypnotischer Ton sen ist. Der Off-Screen-Raum, der die Trennung von Schallereignis und realer Schallquelle für den Eine letzte Funktion taktilen Tons, die erst mit dem Zuschauer und damit die Instrumentalisierung des Einsatz binauraler Mikrofone in ASMR-Videos auf- Tons als Beglaubigungsmittel fiktiver Berührungen tauchte, führt zum Schluss wieder zurück zu den ermöglicht, wird so letztlich für eine Überschrei- narrationsunabhängigen, rein sensorisch wirksa- tung ebendieser Begrenzung produktiv gemacht, men Formen der akustischen Taktilisierung. Ein in die das Video qua Ton scheinbar in den Raum des der Community erst vor kurzem ‹entdeckter› Trig- Rezipienten ausweitet. Daneben überspielt ein so ger besteht darin, durch gleichzeitige Erzeugung eingesetzter, simulierender Ton auch den eigent- seitenunterschiedlicher Hörsignale einen dichoti- lichen Immersionsbruch, der durch den Griff des schen Höreindruck zu kreieren. Dabei knistert der ASMRtist nach vorn zur Kamera und den damit ASMRtist zum Beispiel nah an einem Mikrofon mit einhergehenden Verweis auf die technische Ver- Papier, während er zeitgleich in das andere hinein- mitteltheit der Situation riskiert wird. Die binau- flüstert. Neben dem Eindruck, von Geräuschen voll- rale Aufnahmetechnik, die den Zuschauer die vom ständig umhüllt zu sein, der suggeriert, es werde ASMRtist erzeugten Geräusche genau im Raum dem Zuschauer gewissermaßen von allen Seiten lokalisieren lässt, ist ebenfalls wichtig für die etwas dargeboten, was dem Trigger der close per- Erschaffung eines akustisch überzeugenden, drei- sonal attention entspricht, scheint hier vor allem dimensionalen Erlebnisraumes, der den Zuschauer die Präsentation inhaltsindifferenter, diffuser und rundum umgibt und speziell die Simulation von desorientierender Reize zentral zu sein, die dem Berührung am Hinterkopf ermöglicht, also der experiencer ein ‹mentales Abschalten›, aber eben Stelle, wo die kribbelnde ASMR-Hautsensation in auch das Erleben der ASMR-Hautsensation ermög- den meisten Fällen beginnt. Auch hat die Technik licht. Hier kann eine hypnotische Funktionsweise zu einer besonderen Art der Interaktion mit den des Tons vermutet werden, die nicht zuletzt des- beiden Mikrofonen geführt, die als Ear-to-Ear oder halb plausibel erscheint, weil eine solche Funk- Panning bezeichnet wird, und bei der der ASMR- tion auch auf der visuellen Ebene in Form von tist abwechselnd sehr nah in das eine, dann in das repetitiven Bewegungsmustern, Flicker-Effekten andere Mikrofon spricht oder flüstert, was viele und Lichtreizen identifiziert werden kann. Andere Zuschauer als besonders zuträglich für den Ein- in den Videos dargebotene Geräuschmuster, bei druck der Kopräsenz mit dem ASMRtist beschrei- denen eine hypnotische Wirkungsweise vermutet ben: «I think it has to do with immersion, perso- werden kann, sind zum Beispiel weißes Rauschen nally. When they are using a binaural microphone sowie layered sounds, also mehrere, einander über- and whisper from one ear to the other, I really feel lagernde Tonspuren, für die oft Kratz-, Raschel- und Knackgeräusche benutzt werden; auch dies ist 43 Daneben ist der Blick zum Kontrollscreen auch als selbsttechnologische ‹Selbstbespiegelung› qua Medientech- 44 Zitat von Redditor princealice (vgl. http://www.reddit. nologie zu verstehen, wie sie auch Surma (2009) bei Weight- com/r/asmr/comments/1l7y9j/meta_what_exactly_do_ Loss-Vlogs beschreibt. you_enjoy_about/ [26.06.2014]). 30 Sonja Kirschall eine etwas jüngere Entwicklung in ASMR-Videos. Welt der zunehmenden Allgegenwart von Musik Hypnotische Wirkung könnte außerdem eine Erklä- auf (die in ASMR-Videos so gut wie keine Rolle rung für die Lust an Inaudible Whispering und spielt) (vgl. Schafer 2010: 172–179; Böhme 2001: unverständlichen Fremdsprachen bieten. Wäh- 44), ebenso wie zu synästhetischen Verbindungen rend für Oliver Grau (2004) Immersion mit einem zwischen Tastsinn, Sehsinn und auditiver Wahrneh- Unsichtbarwerden des Mediums einhergeht, sowie mung. Weiterhin stellen sich Fragen zu Immersion, umgekehrt der Verweis auf die mediale Technik Präsenzeffekten und technisch-ästhetischer Selbst- als opake Oberfläche laut Robin Curtis «gewöhn- reflexivität teletaktil eingesetzter AV-Medien, zu lich als eine Art ‹Ein/Aus›-Schalter der immersiven Beglaubigungs- und Simulationsfunktionen von Erfahrung betrachtet wird» (2010: 143), zeigen Ton, zu ASMR als bislang unbekannter Zuschauer- gerade solche hypnotischen Strukturen besonders gratifikation etwa bei bestimmten Fernsehforma- deutlich, dass bei ASMR-Videos von der Möglich- ten sowie nicht zuletzt zur Variabilität individueller keit einer «multiimmersiven» Rezeption im Sinne Sinnesorganisationen (vgl. Marks 2000: 195) und Voss‘ (2008: 79) ausgegangen werden muss, bei Subjektkonstitutionen entlang medienvermittelter, der völlig unterschiedliche Arten immersiven Erle- auditiver Praktiken, die in Zukunft bearbeitet und bens auftreten  – unter anderem eine immersive möglicherweise für andere medienwissenschaftli- Hingabe des Zuschauers an die mediale Oberflä- che Bereiche produktiv gemacht werden können. che selbst, die dabei zur scheinbar greifbaren und fühlbaren Kontaktfläche wird. Literatur Fazit Benthien, Claudia (1999): Haut – Literaturgeschichte  – Das Ziel dieses Überblicks war es, einige derjeni- Körperbilder – Grenzdiskurse. Reinbek: Rowohlt. gen akustischen Strategien zu beschreiben, mit Binczek, Natalie (2007): Kontakt: der Tastsinn in Texten denen Mitglieder der erst kürzlich entstandenen der Aufklärung. Tübingen: Max Niemeyer. ASMR-Community versuchen, selbst produzierte Blaine, Adrienne (2014): ASMR Artists: Tingle Tech- Videos für ihre Rezipienten auf eine bestimmte Art nicians or Emotional Laborers? In: KQUED Arts, taktil erfahrbar werden zu lassen. http://www.kqed.org/arts/popculture/article. Für eine medienwissenschaftliche und beson- jsp?essid=133897 [26.06.2014]. ders für eine im Bereich der Sound Studies ange- Böhme, Hartmut (1998): Der Tastsinn im Gefüge der siedelte Untersuchung stellt die ASMR-Community Sinne. In: Anthropologie. Hg. von Gunter Gebauer. einen interessanten, neuen Gegenstand dar, da Leipzig/Stuttgart: Reclam. S. 214–225. sie als eine emergente, auditive Kultur erscheint, – (2001): Akustische Atmosphären. Ein Beitrag zur in der sich Internet-Nutzer über audiovisuelle Pro- ökologischen Ästhetik. In: Klang und Wahrnehmung. duktions- und Rezeptionspraktiken in vor einigen Komponist  – Interpret  – Hörer. Hg. vom Institut für Jahren noch undenkbarer Art und Weise online Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt. Mainz austauschen und sich als Subjekte, speziell als tak- u. a.: Schott. S. 38–48. tile Subjekte, konstituieren, wie etwa dieses Zitat Chion, Michel (2012) Audio-Vision. Ton und Bild im Kino der ASMRtistin QueenofSerene verdeutlicht: «Once [franz. 1990]. Hg. von J. U. Lensing. Berlin: Schiele you start paying attention to ASMR then you start & Schön. to notice it in your everyday life: Everything kind of Connor, Steven (2000): Sounding Out Film. A talk given has its own texture. Sometimes I‘m like silly, walk- at the Conference on Film, Literature and Modernity, ing through stores just touching things».45 Institute of English Studies. London, 13.-15. Januar Als insbesondere akustisches Wahrnehmungs- 2000. 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Grabbe Zusammenfassung/Abstract etablierte medientheoretische analysen und theoriemodelle zum thema Film legen zumeist einen ausgeprägten Fokus auf die visuelle ebene von medialen Zeichen, um dann erst eine sekundäre wechselwirkung mit anderen Zeichensystemen zu berück- sichtigen. das bild des Films sollte allerdings nicht als dominante der erklärung fun- gieren, da sonst vor allem die komplexe und eigenständige dimension des tons nicht adäquat berücksichtigt werden kann. denn töne, geräusche, musik, melodien und soundscapes sind keine zweitrangigen Phänomene, sondern eigenständige artifizielle Präsenzen, deren autonome analyse viel dazu beitragen kann, der multimodalität von mediensystemen vollständig rechnung zu tragen. hinzu gesellt sich die problematisierende Frage, ob wir es bei tönen und tonse- quenzen überhaupt im strengen sinn mit einem semiotisch konsistent zu beschreiben- den Zeichensystem zu tun haben, oder ob es gravierende differenzen gibt zwischen bild, schriftbild, lautsprachlicher äußerung und tonsequenzen eines charakterisierten objekts sowie komplexen musikalischen arrangements. diese differenzen können vor allem im Kontext einer multimodalität der wahrnehmung deutlich nachgewiesen werden, wobei tönen dann eine primär denotative Funktion (primäre bedeutungskon- vention) abgesprochen wird. im gegenzug zeigt sich dann vielmehr die konnotative Funktion (überlagerung einer primären bedeutungskonvention) von tönen und tonse- quenzen – im Kontext einer körperlichen leibaffektion – als ontologische beschrei- bungsgröße einer sich im Film entfaltenden phonosphärischen Präsenz. Established media theoretical analyses and theory models in the context of film are mostly focussing the visual level of medial signs, not till then considering a second- ary interdependency with other sign systems. The image of film should not serve as a dominant concept of explanation, because in this case the complex and autono- mous dimension of sound could not be considered adequately. Sound, noise, music, melodies and soundscapes are no second rate phenomena, they are independent artificial presences whose analysis could contribute a lot for the complex description of the multimodality of media systems. Filmontologie der Phonosphärischen Präsenz 33 Additionally we have to ask a problematic question, if sounds and sound sequences correlate in a stricter sense with a semiotic sign system that is consist- ently describable, or if there are serious differences between images, type face, acoustic language and sound sequences of a defined object or complex musical arrangements. These differences could be clearly verified in the context of the mul- timodality of perception, in which sounds no longer possesses a primary function of denotation (primary meaning). In return we could reveal the primary function of connotation (overlap of primary meaning) – in the context of a bodily affection – as an ontological descriptor of a film inherent phonosphere. Theoretische Vorüberlegungen Hierin liegt vermutlich bereits der erste Unter- schied dieser Zeichensysteme zu Einzeltönen, kom- Dennoch gehört die Erforschung der Natur der Reprä- plexen Tonsequenzen oder melodischen Leitmoti- sentation an den Anfang jeder Untersuchung darüber, ven. Obwohl für die Relation von Signifikant und wie Symbole innerhalb und außerhalb der Künste funk- Signifikat das Prinzip der Arbitrarität gilt, d. h. die tionieren. Daß Repräsentation in einigen Künsten, etwa Beziehungsrelation ist nicht motiviert (vgl. Grabbe der Malerei, häufig und in anderen, etwa der Musik, & Rupert-Kruse 2009: 24), realisieren sich Schrift, nicht häufig vorkommt, stellt für eine Einheitsästhetik Sprache und Bild jedoch mit einem hohen Maß der ein Problem dar […]. (Goodman 1997: 15) inhaltlichen Präzision und Deutlichkeit. Das mag für konkrete Geräusche3 in ihrer Gesamtsequenz Semiotik fragt nicht zuerst nach komplexen Bedeu- auch noch anwendbar sein. Extrahiert man aller- tungsstrukturen und semantischen Potenzialen dings Einzeltöne bzw. Frequenzausschnitte oder von Zeichen im Alltag oder Zeichensystemen der richtet das Augenmerk auf temporal ausgedehnte Kunst. Vielmehr geht es anfänglich um das Ver- Tonsequenzen oder musikalische Leitmotive, dann hältnis von Ausdruck und Inhalt, Signifikant und sind diese sehr reduziert codiert und semantisch Signifikat1, zueinander und der Beziehung von zuerst relativ schwach bis gar nicht konventiona- komplexen Signifikantensystemen untereinander. lisiert. Mit der Frage, ob es sich bei tonalen Struk- Legt man diesen Maßstab an Sprache, Schrift und turen überhaupt noch um denotierende Zeichen4 Bilder, so ergeben sich neben denotativen Refe- im Kontext einer Sinnvermittlung oder primären renzmustern (primären Bedeutungskonventionen) Bedeutungskonvention handeln kann, geht gleich- auch konnotative Bezüge (Bedeutungsüberlage- zeitig eine Verschiebung der Perspektive einher. rungen), die allesamt eine ausgeprägte Codierung Denn statt eine semiotische Bedeutungsordnung aufweisen.2 als Argumentationsgröße nutzen zu können, muss der Blick auf den phänomenologischen Leib des 1 «Bewegen wir uns von der Systemebene des Zeichens in Rezipienten gerichtet werden: Ein Schallereignis dessen linguistische Strukturebene, so lässt sich das Zeichen ist bereits vor jeglicher Konventionalisierung und als Relation von Signifikant und Signifikat bezeichnen. Der Bedeutung konkret vorhanden, denn es ereignet Signifikant ist das Lautbild dem eine Bedeutung/Vorstel- sich im Medium der eigenen Leiblichkeit  – und lung zugeordnet ist (Ausdrucksebene). Das Signifikat ist eben diese Bedeutung/Vorstellung (Inhaltsebene)» (Grabbe damit innerhalb einer aisthetischen Signatur von & Rupert-Kruse 2009: 24). Empfindungen. In dieser Perspektive verschiebt 2 «1. Ausdruckssubstanz: z. B. die lautliche, artikulatori- sich der Fokus eindeutig von denotativen Primärbe- sche, nicht funktionale Substanz, mit der sich die Phonologie deutungen in Richtung eines spezifisch konnotati- befasst; 2. Ausdrucksform, die aus den paradigmatischen ven Potenzials, welches sich dann selbst grundsätz- und syntaktischen Regeln besteht […]; 3. Inhaltssubsanz: lich im Bezugssystem des empfindenden Körpers dies sind z. B. die emotiven, ideologischen oder einfach be- grifflichen Aspekte des Signifikats, sein ‹positiver› Sinn; 4. In- haltsform: die formale Organisation der Signifikate unterei- 3 Das Meeresrauschen denotiert die Vorhandenheit des nander, aufgrund der Anwesenheit oder Abwesenheit eines Meeres als Ursache bzw. Quelle des spezifischen Schallereig- semantischen Merkmals; dieser letzte Begriff ist sehr schwer nisses. zu fassen, weil es bei der menschlichen Rede unmöglich ist, 4 «Zur Definition eines Zeichens gehört seine Fähigkeit, die Signifikate von den Signifikanten zu trennen […]» (Bar- aufgrund eines Kodes einen Zusammenhang zwischen Sig- thes 1983: 34f.). nifikant und Signifikat herzustellen […]» (Eco 1977: 170). 34 Lars C. Grabbe ereignet. Diese Annahme einer korporalen oder eine erweiterte Semiotisierung durch Prozesse der somatischen Decodierung5 macht die Konnotation Interpretation oder psychologischen Evaluation dann als Resultat einer leiblichen Schallerfahrung des Gesehenen. Die Taube kann also semantisiert interpretierbar, die sich dem taktilen Spüren offen- werden, indem man das Foto nicht nur als foto- bart. Das Hören wird dann als Sinn begreifbar, grafische Fixierung eines real existierenden Vogels der nichts anderes ist, als das Organspektrum des auffasst, sondern als Darstellung der abstrakten taktilen Spürens, welches dann in einem zweiten Idee oder Metapher des Friedens. Dann werden Schritt konnotative Referenzbeziehungen initiieren Ikonizität und Indexikalität um eine symbolische kann (vgl. Fiala o.J.: 6). Verweisstruktur zwischen Signifikant und Signifikat ergänzt  – die Denotation mündet hier bereits in Bild, Schrift, Laut und Ton: die Konnotation, da die Bedeutungseinheit Taube Ein semiotisches Problem der bereits mit individualpsychologischen Deutungspa- Medienbeschreibung rametern der Friedensidee durchsetzt wird. Auch der schriftbildlich fixierte Begriff der In audiovisuellen Medienformen gehören visuelle Taube lässt sich gemäß des eben angewendeten und auditive (akustische) Strukturen zu einem semiotischen Schemas klassifizieren. Die einzel- multimodalen Zeichengefüge. Dass Bilder in die- nen Buchstaben t, a, u, b und e formen das Wort sem Kontext zeichenbasierte Wahrnehmungsef- Taube, welches sich gemäß einer lautsprachlichen fekte ausbilden, erscheint plausibel, denn auch Vorgabe dann auch sinnhaft und funktional aus- sie besitzen ikonische, indexikalische oder symbo- sprechen lässt. Der schriftbildliche Begriff sowie lische Referenzen zwischen Signifikant und Signi- das lautsprachliche Wort Taube denotieren hier- fikat (orientiert an der Sprache). Gleichermaßen bei jeweils die spezifische Vogelart, die sich bei- zu akzeptieren ist die Klassifizierung von visuellen spielsweise von Möwen, Kanarienvögeln oder dem Erscheinungen, die wir im weitesten Sinne als Weißkopfadler unterscheidet. Dass dieses Unter- Bilder bezeichnen können, im Kontext von Deno- scheidungsprinzip auf einer sinnhaften mentalen tation und Konnotation. Das Foto einer Taube Repräsentation basiert, begründet sich durch die zeigt somit eine visuelle Erscheinung, die in einer gelernte Konvention, die Begriff und Wort sinnhaft Ähnlichkeitsbeziehung (ikonische Relation) zum mit der passenden Vogelart assoziiert bzw. verbin- konkret fotografisch fixierten Vogel (den wir direkt det. Diese denotative Referenz ist hierbei natürlich als Taube klassifizieren können) steht. Das Foto schon durchaus symbolisch, da die Verknüpfung stabilisiert mittels eines chemischen Prozesses oder von Begriff, Wort und passender Vogelart durch einer digitalen Codierung den abwesenden Vogel eine angelernte Konvention zu Stande kommt. in einer visuellen Anwesenheit unter medialer Hilfe Diese denotative Primärkonvention kann natürlich eines technischen Apparats. Die ähnlichkeitsba- durchaus um eine konnotative Konvention erwei- sierte und fotografisch fixierte visuelle Erscheinung tert werden, denn auch Begriff und Wort Taube der Taube denotiert folglich den realen Vogel, der können als Metapher und Idee des Friedens fungie- somit zur kausalen Ursache des fotografischen ren6, die dann weiterhin auch individuelle Emotio- Bildmotivs wird. Das Foto verdeutlicht demnach nen, Prägungen und Affekte hervorrufen können. sehr plausibel, dass hier ikonische und indexikali- Besitzen die denotative und konnotative sche Prinzipien zur Anwendung gebracht werden. Dimension von Zeichen in piktorialer, schriftbildli- In einem weiteren Schritt sind visuelle Erschei- cher und sprachlicher Perspektive eine übersicht- nungen allerdings durchaus anschlussfähig für liche und präzise zu erörternde Strukturtypologie, so wird dies im auditiv-akustischen Referenzbe- 5 Für den Zusammenhang von medialen und visuellen reich zum Problemfall einer semiotischen Zuord- Einflussfaktoren auf körperliche Prozesse siehe folgende nungsvorschrift. Vor allem bei höherstufigen Ausführung: «So wirkt z. B. die Konstitution des POV-Shots in musikalischen Arrangements, Leitmotiven oder CLOVERFIELD als Aspekt des filmischen Codes unmittelbar durch somatische Decodierung auf affektiver Ebene: Der Re- zipient wird erschüttert. Die somatische Reaktion resp. Em- 6 Für Konnotationen als kulturelle Elemente die den Zei- pathie des Rezipienten ist dabei als Dekodierungseffekt des chenradius produktiv erweitern, sei verwiesen auf Sonesson vermittelten Codes anzusehen. Damit wird die somatische (1989). Auch eine «Bedeutungskomponente […], die die Decodierung des filmischen Codes zum Modus des Filmver- Grundbedeutung überlagert und sich einer vom Kontext ab- stehens» (Grabbe & Rupert-Kruse 2008a: 308). strahierenden Bedeutung entzieht» (Hepp 1999: 31). Filmontologie der Phonosphärischen Präsenz 35 dynamischen Soundscapes wird die Zuordnung Mit dieser Überlegung ist ein Problem der und Unterscheidung von Denotation und Konno- Wahrnehmung verknüpft. Buchstabe und Wort- tation erschwert, wobei Geräusche allerdings noch laut des Buchstaben t sind entweder lesbar oder einer klarer zu fassenden Systematik obliegen. hörbar, beide jedoch verweisen auf ein spezifisches Gewiss dürfte man ab einer gewissen Gradstufe t-Sein als denotative Eigenschaft. Ein Kammerton des kulturellen Wissenshorizonts eine denotative a lässt sich zwar aufschreiben, ebenfalls innerhalb Unterscheidung zwischen einem akustischen Rei- einer professionellen Notation, jedoch bleibt dieser zangebot vornehmen können. Somit sollte eine schriftliche Aspekt konkret weit hinter dem akusti- tonale Differenzierung des Gurrens einer Taube schen Wahrnehmungsereignis des Hörens von 440 vom aufgeregten Zwitschern des Kanarienvogels Hertz zurück. Zudem ist es relativ unwahrschein- oder dem lauten und klaren Schrei eines Weißkopf- lich, dass ein ungeübter Hörer in der Lage ist, ein adlers vorgenommen werden können. Ein simples punktuelles Tonereignis konkret als Kammerton a Gurren einer Taube wird aber nur schwer für den zu klassifizieren. Geräusche des Alltags (Telefonklin- akustischen Impuls einer Friedensmetapher her- geln, Automotoren, Türklingel etc.), Musik im Radio, halten bzw. diese denotieren können, jedenfalls Filmmusik oder soundscore sind doch zumeist tem- nicht, wenn weitere Kontextinformationen oder porale Sequenzereignisse, in denen spezifische multimodale Medienverwendungen fehlen. Ist Frequenzen, Rhythmen und Melodien enthalten das Foto einer Taube eine ikonische Repräsenta- sind. Es geht folglich weniger um die semiotische tion die nicht weiter reduzierbar oder aufteilbar Analyse von Einzeltönen als vielmehr um kom- ist (wir wollen das Foto nicht zerschneiden), so plexe und temporal ausgedehnte Schallereignisse lassen sich Begriff und Wort Taube sehr wohl in und deren konnotative Metabezüge, Kontexte und kleinere Buchstabensegmente aufteilen oder ganz Semantiken.7 Diese temporal ausgedehnten Ton- auf diese reduzieren. Zerlegt man hingegen die räume sind als komplexe Wahrnehmungsereignisse temporal ausgedehnte auditiv-akustische Tonse- zu bewerten, die neben Bedeutungen und Seman- quenz des Gurrens einer Taube in ihre punktuellen tiken eine nicht zu unterschätzende körperliche Frequenzen im Millisekundenbereich, in Tempo, Perspektive aufweisen. Dumpfe Basstöne, ob im Rhythmuscluster oder Melodievariationen, dann Live-Konzert oder im Kinosaal, empfindet der Rezi- wird eine eindeutige Denotation erschwert bzw. pient als körperdurchdringendes Phänomen in der vollständig unmöglich. Gleiches gilt natürlich für Bauchgegend, pulsierende drone sounds und mega- komplexe Leitmotive, Kompositionen, Melodien drones8 im Horrorfilm verstärken visuelle Impulse oder bei einem spezifischen soundscore innerhalb von Gewalt, schrille Frequenzen im Obertonbereich einer Filmszene: Als temporal ausgedehnte Tonse- quenz wird eine rezeptive Wirkung entfaltet, die 7 Guerino Mazzola (1997) betont in seinem Schema der spätestens dann nicht mehr objektiv als denotie- ontologischen Topographie der Musik explizit deren Kom- rendes Zeichen beschrieben werden kann, wenn plexität und Bezogenheit auf drei differenzierte Ebenen der man diese in ihre Einzeltöne (punktuellen Schal- Repräsentation von Realität. In dieser Orientierung ist ein musikalisches Zeichenpotenzial stets bezogen auf eine men- lereignisse) zerlegt. Segmentiert man das Wort tale, psychische sowie physikalische Realität. Musik ist folg- Taube in Buchstaben, so bleiben t, a, u, b, und e lich eine mentale Entität und ein Modus der Empfindung als autonome Buchstaben zurück, die entweder individualpsychologischer Emotionen. Grundlage bildet die neu arrangiert werden können oder sich schlicht physikalische Realität: «Peripherical and inner ear, auditory in anderen Worten wiederfinden lassen. Eindeutig nerve, its path through multiple relays stations of the brain stem, the neo- and archicortical centers for auditory process- bleibt an dieser Stelle aber folgender Sachverhalt. ing and memory, such as Herschl’s gyrus and the hippocam- Ein Buchstabe t vereint in sich nur Eigenschaften pal formation» (Mazzola 1997: 3). die eine typische t-Verwendung bestimmen  – ein 8 «The synthesized ‹megadrone› is a low, continuous t denotiert nur t. Ein Buchstabe t findet sich dem- rumbling (like distant thunder and the threat of danger- nach nicht im Wort Haus. Hingegen lässt sich das ous weather, like an earthquake, like a constantly uneasy punktuelle Frequenzspektrum von 440 Hertz, also stomach). These bass sounds reverberate in your abdominal genaugenommen Kammerton a, ebenso in einer regions. Similar long and reverberant bass sounds are used by Bach for the earthquake in the Saint Matthew Passion, by Tonsequenz einer Verfolgungsjagd ausmachen Berlioz for storm at sea in The Trojans, by circus drummers to sowie in einem gregorianischen Choral oder einem dramatise the most spectacularly dangerous high wire acts populären Musikstück. […]» (Tagg 1999: 21). 36 Lars C. Grabbe werden direkt im Kopf gespürt, body sounds (Herz- Körper und Ton: Zur Multimodalität schlag, Schrittgeräusche etc.) triggern empathische der Wahrnehmung Prozesse und gesteigerte tonale Asymmetrie (z. B. Zwölftonmusik, Balinesisches Gamelan etc.), je Verfügen ein Bild von einer Taube, der schriftbild- nach kulturellen Hörgewohnheiten, kann für rezep- lich fixierte Begriff oder der lautsprachliche Aus- tive Irritation sorgen, aufgrund eines Bruchs mit der druck des Wortes über ein klar definiertes Poten- musikalischen Normerwartung von Takt, Frequenz, zial zur semiotischen Beschreibung, so wird diese Rhythmus, Klang und Melodie. Diese Übersicht Eindeutigkeit vom Tonereignis des Gurrens direkt ließe sich um einiges weiterführen, an dieser Stelle problematisiert. Bild, Begriff und Ausdruck deno- reicht diese Auswahl allerdings, um auf die wesent- tieren eindeutig das mentale Konzept «Taube», las- liche Überlegung hinzuweisen: Tonerfahrungen sen zudem die Symbolisierung im Sinne einer Idee sind komplexe Sinnesmomente, die ebenso für All- des Friedens zu und evozieren subjektive Konnota- tagserfahrungen konstitutiv erscheinen, wie auch tionen, welche individualpsychologische Charakte- für die Wahrnehmung von Kunst. Neben Bildräume ristika der Friedensidee zum Ausdruck bringen. Ein der medialen Erfahrung treten folglich stets Ton- punktuelles Ton- bzw. Schallereignis, extrahiert aus räume der Erfahrung und es konstituieren sich mul- einer vollständigen Tonsequenz des Gurrens, deno- timodale Erfahrungsräume des Atmosphärischen.9 tiert hingegen kein konkretes Konzept. Wir können An dieser Stelle sei nochmals auf die gleichwertige feststellen, dass dieses punktuelle Schallereignis Berücksichtigung von Bild und Ton hingewiesen keinerlei semiotische Referenz ausweist, um den und ein Plädoyer formuliert, den Atmosphären- Zusammenhang zu einer real existierenden Taube begriff in ein Mehrebenenmodell zu überführen. (als Schallursache) herzustellen. Allerdings findet In dieser Perspektive integriert die bereits als Syn- selbst im Millisekundenbereich bereits ein akusti- theseprinzip fungierende Atmosphäre einerseits scher Effekt im Körper des Rezipienten statt, dazu ikonosphärische Elemente des Visuellen (Film, wird Denotation nicht benötigt. Das Schallereignis Bild, Kamera, Schrift, Gestalt/Form, Raum etc.) wird somit zum leibphänomenologischen Poten- sowie andererseits phonosphärische Elemente des zial des Affekts und reinen Spürens innerhalb der Auditiven und Akustischen (Geräusche, Einzeltöne, Rezeption. Es geht an dieser Stelle demnach viel- Musik/Leitmotiv, Filmmusik, Sprache, Sounds- mehr um eine methodische Neuorientierung, die capes, auditory icons10 oder earcons11 etc.). Die gleichsam die Perspektive der Tonalität produktiv Atmosphäre bleibt natürlich ein Gesamtphänomen, mit medientheoretischen Diskursen verbindet. An während die Teilebenen der Ikonosphäre und Pho- diesem Punkt der Argumentation wird nicht die nosphäre heuristische Modellannahmen darstellen, Denotation oder verschiedenartige Referenzmodi um Detailanalysen unter gleich berechtigten Vor- zwischen Signifikant und Signifikat (Ähnlichkeit, zeichen vornehmen zu können, ohne eine einseitige kausaler Bezug, Konvention) thematisiert, sondern Betonung des Visuellen oder Tonalen. der phänomenologische Modus der Konnotation als Resultat eines Schallereignisses, empfunden im Medium der eigenen Leiblichkeit. In dieser Perspektive lässt sich Konnotation phänomenologisch gewendet vielmehr als Form oder Ausprägung einer somatischen (körperlichen) Decodierung ausweisen, da unser Leib als Medium kaum Einfluss nehmen kann auf einen Ton, der sich 9 Hans J. Wulff betont das Potenzial von Musik, dass sie als Schallereignis realisiert. Der Philosoph Erwin bereits nach wenigen Takten spezifische Atmosphärenwerte Fiala attestiert aus diesem Grund dem Ton ein erzeugen kann (vgl. 2012: 113). immersives Moment, da er ein aktives Schallereig- 10 Das bekannteste auditory icon ist das Geräusch von nis ist, welches in den Gehörkanal des Rezipienten zerknülltem Papier während des Löschvorgangs eines Com- aktiv eindringt (vgl. o.J.: 5) bzw. sich als intensive puter-Dokuments  – das digital erzeugte Geräusch ist dem tatsächlichen Papiergeräusch ähnlich. Schwingung im Körper des Rezipienten ausbreitet. Ab einem bestimmten Lautstärkemoment (>65 11 Hier steht die Konvention im Vordergrund, denn die Be- deutung von earcons muss erlernt werden, um exakt zuge- dB) wird ein akustischer Reiz als Schmerz empfun- ordnet werden zu können, z. B. Klingeln zur Pause. den, ruhige Lieder wirken sanft bei durchschnitt- Filmontologie der Phonosphärischen Präsenz 37 à 1 Das legendäre Zwei-Ton-Motiv in Der Weisse hai ist die tonale Repräsentation des Hais als Element der Bedrohung, noch bevor man ihn sehen kann. (Quelle: Der Weisse hai) lich 72 bpm12, dumpfe megadrone sounds evozie- serdarstellungen einen Antagonisten oder bringt ren typische Angstcharakteristika sowie negative abstrakte Bedrohungsvermutungen hervor. Diese Emotionen und plötzliche Knallereignisse gene- letzten Beispiele unterstreichen dann die Annahme rieren die affektive Schrecksekunde. Höherstufige einer höherstufigen und weitestgehend kognitiven Sequenzarrangements wie Refrains, Melodien, Riffs Konnotation, die entweder ein individualpsycholo- oder Hooklines können als autonome Toneinheiten gisches Moment darstellt oder aber über kulturelle wahrgenommen werden, die Elemente mnemoni- Stereotypen14 intertextuell15 bei Rezipienten mental scher Repräsentation darstellen oder aktivieren stabilisiert werden. (z. B. Melodien aus der Kindheit stimmen nach 30 Ton- bzw. Schallereignisse sind zwar nicht Jahren noch fröhlich oder ein besonderes Lied erin- sichtbar, es sei denn man transponiert sie in eine nert an den Abschlussball, mit allen damit verbun- schriftliche Notation oder nutzt ein Instrument denen Emotionen) oder das leitmotivische Thema zur Messung von Frequenzen, sie sind allerdings aus Der Weisse Hai (Jaws, Steven Spielberg, USA körperlich konkret wahrnehmbar. Das ästhetische 1975) signalisiert im Kontext13 von filmischen Was- Moment wird dann verstehbar als aisthetische Wahrnehmungsidee, einer ganzheitlichen, körper- 12 beats per minute. auf dem Bahnsteig, Lautsprecherdurchsagen, Gepäckwagen 13 Natürlich leben vor allen Dingen die spezifische Kino- und so weiter zusammen. Der amerikanische Terminus sound erfahrung oder die häusliche Filmerfahrung von einer du- image deutet noch stärker darauf hin, dass es sich bei den alistischen Erfahrungskonstitution: Einerseits ist das Schal- akustischen Konstruktionen im Film um Ton-Bilder handelt, lerleben ganzheitlich leiborientiert, und wird somit zu einer welche nach künstlerischen Gesetzmäßigkeiten organisiert phänomenologischen Größe, andererseits wird ein auditiver sind» (Wulff 2012: 114). Tonraum generiert, dessen Wahrnehmungsqualitäten re- präsentational sowie semiotisch auf den Bildraum bezogen 14 Hier geht es dann um spezifische Lernkonventionen sind. Ton- und Schallereignisse werden demnach leibhaft und kulturelle Wissensvariablen: «Ein dritter Typ beruht auf sowie atmosphärisch gespürt, sie aktivieren jedoch eben- Gestaltphänomenen, denen er innerhalb der Medienkultur falls einen Modus repräsentationaler Kopräsenz mit dem bereits so häufig begegnet ist, daß sich die damit verbun- filmisch Dargebotenen und steigern eine immersive Partizi- denen komplexen Motive durch vielfachen kommunikativen pation. «Die wohl größte Bewusstheit des Atmosphärischen Gebrauch konventionalisiert haben und stereotyp geworden genießt der Film-Ton (hier atmosphärischer Ton oder kurz sind» (Wuss 1999: 11). Atmo genannt). Wollen Filme einen realitätsnahen Eindruck 15 Nicht vergessen werden darf in diesem Kontext auch erzielen, so müssen sie unsere spezifischen akustischen Um- der Einsatz von Atmo-Ton im Film, der als akustische Kon- welten imitieren. Die Atmo kondensiert oft stereotyp deren struktion die diegetische Realität ausgestaltet und Ton-Um- bestimmte und leicht dechiffrierbare Bestandteile. So setzt gebungen sowie sound images generiert (vgl. Wulff 2012: sich beispielsweise für den Handlungsort ‹Bahnhof› der At- 114). Diese Elemente werden gelernt und können auf neue mo-Ton aus dem Geräusch einfahrender Züge, von Schritten Sehgewohnheiten übertragen werden. 38 Lars C. Grabbe à 2 Obwohl Sprache und Bild über getrennte mediale Kanäle vermittelt werden, wird die Sprache dennoch kohärent auf die Bewegung der Lippen übertragen. (Quelle: BaTman Begins) lichen sowie sinnlichen Gewahrwerdung.16 Es ist der Darstellung bezogen bleibt. Das gehört zum demnach eine adäquate Alltagsannahme, dass apparativen Wissen des Rezipienten, dass Bild und wir hinter dem Bellen eines Hundes in einem nicht Ton in einem Film zusammengehören und in die- einsehbaren Nachbargarten, einen real existieren- ser Zusammengehörigkeit den Film konstituieren.18 den und anwesenden Hund faktisch annehmen. Auch bei extradiegetischer Musik werden Bild und Das Schallereignis ist konkret an die mentale Ton nicht separat aufgefasst, sondern als sich Repräsentation17 eines Hundes gekoppelt: Es gibt bedingendes Einheitsprinzip einer gegenseitigen kein Tonereignis ohne gleichzeitige Annahme der Bezogenheit von Bild und Ton wahrgenommen. faktischen Realität einer dazugehörigen Quelle. Dieses Resonanzverhältnis (vgl. Murch 1994: Das soll natürlich nicht heißen, man unterliege XXII) von Bild und Ton lässt sich wahrnehmungs- der fehlerhaften Annahme, dass man beim Hören theoretisch fassen. Der Philosoph Bence Nanay von Stairway To Heaven gleichzeitig die faktische argumentiert in diesem Kontext explizit für die Anwesenheit der Band Led Zeppelin erwartet. Annahme einer «multimodality of perception» Vielmehr nehmen wir ein Medium als Quelle der (2012: 1), die vor allem im aisthetischen Kontext Musik an. Ähnlich verhält es sich bei der Wahrneh- empirische Begründungszusammenhänge zulässt mung von Sprache innerhalb eines Films oder der und diese produktiv nutzt. Die Grundannahme Wahrnehmung von Filmmusik. Spricht Christian dieser These formuliert die Möglichkeit, dass dif- Bale in seiner Rolle in Batman Begins (Christopher ferente Modalitäten der Repräsentation (visuell, Nolan, USA 2005) auf der Kinoleinwand, so sind akustisch, olfaktorisch etc.) bereits im Wahrneh- die Quelle des Schallereignisses allerdings nicht die mungsakt selbst einheitlich aufgefasst werden. sich konkret bewegenden Lippen des Schauspielers, Es muss keine nachträgliche mentale Zerlegung sondern das digitale Lautsprechersystem innerhalb des Kinosaals. In der Wahrnehmung nimmt der Rezipient dieses Ereignis allerdings als kohärentes 18 «Besitzen Objekte einen Ton, heben sie sich aus der di- Ereignis wahr: Die Stimme gehört zu den Lippen egetischen und narrativen Reststille ab und machen auf potentielle Bedeutung aufmerksam  – tonale Struktur kann des Sprechers (vgl. Anderson 1998: 84). Bedeutungsstrukturen fokussieren und Initial der Hypothesen- Auch die Filmmusik gehört zu einem konkreten bildung sein. Werden also Objekten Tonstrukturen unterlegt Ereignis, welches immer auf die visuelle Fläche (Objekt-Ton-Kopplung), die beim Rezipienten direkt decodiert und zugewiesen werden können, wie z. B. das Fauchen eines Löwen im Kontext eines Kühlschranks, so wird objektbezoge- 16 Hierin verkörpert sich eine spezifisch ästhetische Signa- ne Handlungsintentionalität offeriert und als solche begriffen, tur des subjektiven Denkens (vgl. Welsch 2003: 46f.). ohne dass physikalische Bewegungselemente dazu kommen 17 Zum Verhältnis von internen und externen Repräsenta- müssen – die tonale Struktur fungiert in diesem Fall als ‹Hand- tionen sei verwiesen auf Malafouris (2007). lungsphänomen›» (Grabbe & Rupert-Kruse 2008b: 296). Filmontologie der Phonosphärischen Präsenz 39 oder Zusammenführung von repräsentationalen nen21, bei denen sich je unterschiedliche Grade und Inhalten erfolgen. Es ist demnach möglich, dass Dominanzinduktionen von Visualität und Audition wir einen akustischen Sprechakt im Kinosaal auf wechselwirksam ereignen. Neben die Multimodali- den aktiven und visuell dargestellten Sprechakt tät von medialen Strukturen und Mediensystemen einer Figur übertragen, oder eine asynchrone und tritt die Multimodalität der Wahrnehmung als anth- fehlerhafte Synchronisation doch als synchron und ropologischer und biologischer Faktor. fehlerfrei auffassen. Deutlicher wird dieses Phäno- men anhand des empirisch erforschten Bauchred- Ton/Bild-Relation und phonosphärische ner-Effekts. Hier wird die Puppe als sprachaktive Elementaria Instanz wahrgenommen, obwohl der akustische Sprechakt direkt vom Bauchredner stammt. Der Verstehen wir Film zunächst in seiner technischen akustische Impuls passt nicht zur Puppe, wird aber Bestimmung als ein audiovisuelles Repräsentati- im Wahrnehmungsakt auf diese übertragen und in onssystem welches multimodale Ton/Bilder her- dieser Synchronizität kohärent19 aufgefasst. In die- vorbringt (vgl. Grabbe & Rupert-Kruse 2013b: 18), ser Perspektive ist der visuelle Sinn dominanter als dann ist dieser Grundannahme eine intermediale der auditive Sinn. Diese kreuzmodale Illusion ist im Wesensbestimmung der verschiedenen Mediensys- Wahrnehmungsakt stabil realisiert und lässt somit teme – vornehmlich von Bild und Ton – inhärent. eine zweite Grundannahme zu. Repräsentationen Denn Bild und Ton sind in der technisch appara- werden nicht grundsätzlich als mentale Konstrukte tiven Vermittlung zwar getrennte Modi der kom- verstanden, da sie sich bereits im aktiven Wahr- munikativen Artikulation, diese Trennung wird nehmungsakt realisieren können und dort bereits allerdings durch eine mediale Transformation (vgl. kreuzmodale Repräsentationen in actu ermögli- Merleau-Ponty 2010: 79) oder mentale Fusion (vgl. chen. Diese Repräsentationsstruktur kann auch Murch 1994: XIX) in ein interaktionistisches Rela- dominant durch den auditiven Stimulus realisiert tionsgefüge (vgl. Grabbe & Rupert-Kruse 2013b: werden, wie z. B. bei der Filmmusik20, oder durch 19) überführt. Dieser Interaktionismus zeigt sich experimentell nachgewiesene Faktoren: dabei nicht als vereinfachtes Nebeneinandertreten But there are more surprising examples of multimodal zweier differenter Modi, sondern als ganzheitlich perception: if there is a flash in your visual scene and mediale Modifikation: you hear two beeps while the flash lasts, you experi- [Der] Klang fügt dem Bild nicht nur etwas hinzu, der ence it as two flashes. This is one of the not so many Klang verwandelt das Bildgeschehen, das seinerseits examples where vision does not trump audition: the das modifiziert, was akustisch vernehmbar ist. Gespro- two beeps in our auditory sense modality influence the chene Sprache, Musik und andere Geräusche bilden processing of the one flash in our visual sense moda- eine integrale Dimension des filmischen Bewegungs- lity and, as a result, our visual experience is as of two bildes. (Keppler 2010: 447) flashes. (Nanay 2012: 2) Die interaktionistische Bestimmung von Bild und Die Strukturen unserer Wahrnehmung ermöglichen Ton erzeugt während der audiovisuellen Repräsen- demnach wahrnehmungsbasierte Repräsentatio- tation einen kausalen Gesamteindruck und damit 19 Interessante Ergebnisse zur Wahrnehmung widersprüch- 21 Ein vergleichbar evidentes Theoriemodell zur spezifi- licher Impulse bei gleichzeitigem kognitiven Ausgleich liefert schen Wahrnehmungsnähe von Zeichenstrukturen legt Klaus der McGurk-Effekt. Zahlreiche Beispiele für die Versuchsan- Sachs-Hombach vor: «Die Interpretation des Zeichens wird ordnung lassen sich auf Youtube finden. zurückgeführt auf Wahrnehmungskompetenzen, die sich 20 «Die Wirksamkeit isolierter empathischer cues auf der direkt auf den Zeichenträger und dessen präsentationalen Ebene des Tons wurde u. a. durch Experimente von Annabel Gehalt beziehen. Die unterschiedlichen Prozesse der Gegen- Cohen bewiesen. Cohen unterlegte sich bewegende geo- standswahrnehmung können, wie Sachs-Hombach argu- metrische Figuren mit unterschiedlichen Musiken und ließ mentiert, demnach einerseits basale Bedeutungsstrukturen sich dann von den Probanden ihres Experiments die Szenen manifestieren (z. B. das Klingelzeichen als Index für das Ende beschreiben. Die Ergebnisse zeigten, dass durch unterschied- der Schulstunde), andererseits sind, aufgrund speziellerer liche Musiken nicht nur die Figuren anders wahrgenommen Wahrnehmungsmodi, ebenfalls spezifischere Bedeutungs- wurden, sondern auch – je nach Bedeutung der Musik – die komplexionen realisierbar (z. B. die Seeing-In-Theory nach verschiedenen Handlungen unterschiedlich interpretiert Richard Wollheim, die das Erkennen von Tiergestalten in wurden» (Grabbe & Rupert-Kruse 2008b: 296). Zusätzlich Wolkenformationen thematisiert)» (Grabbe 2011: 121; dazu sei verwiesen auf Cohen und Marshall (vgl. 1988: 95f.). auch Sachs-Hombach 2001). 40 Lars C. Grabbe ein neues synkretistisches Objekt innerhalb der womit eine eher «identitätslogische Übereinstim- Wahrnehmung des Rezipienten  – weder nur Bild mung von Bildinhalt und Ton gemeint ist (z. B. Klin- oder nur Ton, sondern ein Resonanzmoment22 aus gelndes Telefon innerhalb der Diegese; Meeresrau- beiden Faktoren. schen und Einstellung auf das Meer)» (Grabbe & Diese interdependente Fusionsordnung von Rupert-Kruse 2013b: 35). Polarisation hingegen Bild und Ton lässt sich in einem trichotomen Ord- drückt eine Verstärkung eines Bildinhalts aus bzw. nungsschema zum Ausdruck bringen, welches generiert diese, indem der Ton zusätzliche Bedeu- innerhalb von Filmtheorie und Produktionsästhetik tungen hinzufügt: zur Anwendung kommt (Schneider 1997; Raffase- [Der] Bildinhalt wird akustisch überformt. Bild und Ton der 2010). Gemäß eines horizontalen Ähnlichkeits- sind bei der Polarisation zentrisch verklammert, um ein spektrums (links, zentral, rechts) wird die Relation filmisches Artefakt um eine symbolische Bedeutung aus Bild und Ton als Paraphrase, Polarisation oder bzw. Konvention zu erweitern und beispielsweise Emo- Dissonanz/Kontrapunkt (vgl. Schneider 1997: 24) tionen auf Seiten des Rezipienten zu evozieren (z. B. gekennzeichnet. Die Paraphrase wird auf der lin- Klaviersonate innerhalb einer Liebesszene). ken Seite für die maximale Ähnlichkeit von Bild (Grabbe & Rupert-Kruse 2013b: 35) und Ton eingeordnet, während auf der rechten Seite die Dissonanz als maximales Differenzmo- Die Dissonanz folgt schließlich einem Gegensatz- ment verortet wird. Zentral zwischen diesen Aus- prinzip der Störung und Irritation. Sie stiftet eine prägungen liegt die Polarisation: explizite Differenz von Bild und Ton (z. B. Disso- In medientheoretischer Perspektive erscheint es als nante Tonmodulationen in Horror-Filmen), bei der äußerst plausibel und erforderlich, auf der Basis eines eine Resonanz von Bild und Ton von interpretati- Ähnlichkeit-Differenz-Schemas, verschiedene Ebenen ven Leistungen des Rezipienten abhängt (vgl. Pauli der Bild-Ton-Interaktion zu erarbeiten. Die jeweiligen 2011: 12). Facetten dieses Schemas sollten jedoch nicht aus- In ihrer grundsätzlichen Dimension der Wech- schließlich einen primär piktorialen Fokus aufweisen, selwirkung von Bild und Ton, lässt sich das Ähnlich- sondern den Ton als eigenständige Sinn- und Hand- keit-Differenz-Schema in ein temporales Zeitmodell lungsdimension integrieren. In dieser semiotischen überführen, welches die Typologie der sequenti- Perspektive wird das Verhältnis von Bild und Ton ellen Zeitlichkeit 23 integriert. Konkret formt sich grundlegend als ein Resonanzphänomen beschreibbar, demnach bereits im bewussten Jetzthorizont der bei dem die tonale Dimension die Wahrnehmung des Rezeption eine Resonanz von Bild und Ton, die Visuellen – im Sinne einer akustischen Deutungsscha- das Aktualmoment bestimmt: «Hier kann sich eine blone – vorweg nehmen kann. Diese höherstufige und akustische Dimensionierung des Visuellen, ein semiotische Perspektive scheint sich allerdings we- tonales Interpretament visueller Informationen, sentlich stärker auf eine rezeptive bzw. funktionale Ebe- vollziehen» (Grabbe & Rupert-Kruse 2013b: 35). ne zu beziehen, auf der sich die höherstufigen Modi der Eine notwendige Erweiterung dieser Annahme 24 Bild-Ton-Interaktion artikulieren. Notwendige Grundla- findet sich in dem Kontext von Retention und ge für höherstufige Rezeptionen bildet eine technische Rekognition, d. h. bereits im Vorfeld gemachte Ebene, als Bedingung der Möglichkeit zur Präsentation Tonerfahrungen 25 im Umgang mit Schallereignis- variabler Sinnesinhalte. sen bilden eine Art Tongedächtnis aus: (Grabbe & Rupert-Kruse 2013b: 34) 23 Ohne Zeit, kein Ton. Diese Aussage ist ein notwendiger Paraphrase, Polarisation und Dissonanz sind pro- Begründungszusammenhang, um Temporalität und Rezepti- zessorientierte Elemente, die ihrerseits Konvergenz- on zusammenzubringen: «Dieser funktionale Horizont wird stadien von Bild und Ton zum Ausdruck bringen: zusätzlich zum Zeithorizont, in der Annahme einer tempora- Ähnlichkeit, Zentralität und Differenz. Paraphrasen len Tonalität des filmischen Repräsentationssystems» (Grab- basieren prinzipiell auf einer Ähnlichkeitsstruktur, be &Rupert-Kruse 2013b: 35). 24 Retention ist «für die Konstitution der Dauer von Da- ten entscheidend» (Lohmar 2008: 9), als Funktion einer 22 Im Vorwort von Michel Chions Audio-Vision: Sound erinnernden Vergegenständlichung und Aktualisierungsmo- on Screen findet das Konzept «conceptual resonance» ment. Die Protention hingegen manifestiert die «Erwartung (Murch1994: XXII) Verwendung: «The sound makes us see des Kommenden» (ebd.: 95). the image differently, and then this new image makes us 25 «Wir haben es daher bei der Filmerfahrung mit einem hear the sound differently […]» (ebd.). hochgradig von Seiten des filmischen Stimulusmaterials kon- Filmontologie der Phonosphärischen Präsenz 41 à 3 Im Kinosaal kommt der Eigenton des Sternenzerstörers aus Krieg Der sTerne von hinten rechts noch bevor man ihn sieht, dann schiebt der Ton das Bild langsam von oben in den sichtbaren Bereich (Quelle: sTar Wars, George Lucas, USA 1977) Auf dieser Prozessstufe ist Rezeption stets bezogen Dies lässt sich als akustische Hypothese kenn- auf ein inter- und intratextuelles Tongedächtnis. Inter- zeichnen: «Mit dieser tonalen Hypothese gelingt textuelle Tonalität fungiert als akustisches Stereoty- dann ein akustischer Fokus auf eine visuell und penphänomen, durch das zurückliegende akustische zeitlich absente oder noch nicht realisierte Dimen- Erfahrungen auf den Filminhalt (Dramaturgie, Requisite, sion (z. B. Das Leitmotiv in Jaws kündigt den Hai Emotionalität etc.) bezogen werden können (z. B. der an, noch bevor man ihn sieht)» (Grabbe & Rupert- spezifische Klang amerikanischer Polizeisirenen ermög- Kruse 2013b: 36). licht die raumzeitliche Lokalisierung des Bildinhalts). Die Kategorisierung der phonosphärischen Auch können intratextuelle Tonmotive durch Repetition Präsenz verläuft innerhalb des erläuterten Ähnlich- eine leitmotivische Funktion übernehmen, durch die keits-Differenz-Schemas in explizit temporaler Ori- Aufmerksamkeit fokussiert, Spannung evoziert oder entierung. Dabei korreliert diese Perspektive mit Emotionen gesteigert werden können. Bei spezifischer der film- und kognitionspsychologischen Annahme Rezeptionswirkung können intratextuelle Motive dann von intersensorischen Beeinflussungsstrukturen, selbst zu intertextuellen Leitmotiven werden, die mit die im aktiven Rezeptionsprozess kognitiv zusam- Situationen, Genres oder Heldentypen gekoppelt sind mengeführt werden. Stichwort für diese Theorie (z. B. Leitmotiv in inDiana Jones; der imperiale Marsch ist das Konstrukt der Synästhesie, die ebenfalls in sTar Wars). (Grabbe & Rupert-Kruse 2013b: 35f.) eine somatisch-leibliche Dimension der Wahrneh- mungsstrukturierung integriert: Natürlich bildet die rezeptive Erwartungshaltung ein zentrales Schlüsselmoment für das Erleben von Erforscht wurden Synästhesiephänomene vornehmlich Spannung oder empathische Prozesse mit filmi- unter drei Aspekten. Erstens können Schwellenverän- schen Figuren. Dieses Element der Zukünftigkeit derungen für eine Sinnesmodalität durch Reize einer lässt sich ebenfalls in die temporale Dimension anderen herbeigeführt werden; laute akustische Rei- integrieren, wobei Tonstrukturen dann entweder ze erhöhen etwa die Sehschwelle. Zweitens hat man visuelle Informationen inszenatorisch einleiten sich mit wechselseitiger Beeinflussung heteromoda- bzw. in das filmische Bild der Anwesenheit führen, ler Wahrnehmungsqualitäten befaßt; starke und hohe oder aber vollständig vorbereiten.26 Töne hellen z. B. Farben auf, tiefe Töne verdunkeln sie. Drittens lassen sich experimentell erzeugte Kopplun- trollierten Akts der Rezeption zu tun, der sich grundlegend über das zeitlich-narrative Moment des Films, zwischen den in die visuelle Kadrierung des Films gerückt werden können, Polen Retention, Perzeption und Protention, strukturiert» können sich auch nichtsichtbare Bilder im hors-son befinden, (Grabbe & Rupert-Kruse 2013a: 27). die, vom Ton hervorgebracht, auf der Leinwand sichtbar wer- 26 «Ebenso wie sich nichtsichtbare Bilder im hors-champ, im den können. Das hors-son ist somit im Kontext eines gene- Umfeld des Bildes – oder besser: im Außerhalb des Bildrah- rativen Prinzips als Äußerlichkeit des Akustischen zu sehen» mens – befinden, die durch die Kamerabewegung jederzeit (Martin 2010: 147). 42 Lars C. Grabbe gen von heteromodalen Qualitäten beobachten, etwa ponente der leiblichen Affektion und leiblichen im Rahmen bedingter Reflexe; so konnten z. B. Tempe- Konnotation. raturempfindungen durch in vorangegangenen Experi- Hier liegt ein evidenter Ansatzpunkt begrün- menten erzeugte akustische Reize beeinflußt werden. det, da sich biologische mit medientheoretischen (Wuss 1999: 296) Diskursen produktiv verbinden lassen, wenn der Peter Wuss bestätigt mit dieser Zusammenfassung Bereich des rein Visuellen um die tonale und tem- der empirischen Forschungsergebnisse indirekt die porale Komponente erweitert wird. Zudem lässt bereits weiter oben formulierte Annahme einer sich eine theoretische Unschärfe ausgleichen, die Multimodalität der Wahrnehmung (Nanay 2012; allein damit zusammenfällt, die multimodale Kom- Sachs-Hombach 2001) sowie der wahrnehmungs- plexität des Films zu Gunsten einer monomodalen basierten Repräsentation. Film scheint ein beson- Perspektive zu vernachlässigen: ders geeignetes Medium zu sein, in welchem das Positiv festhalten lässt sich, dass eine substanzielle Synästhesie-Konzept verstärkt als Form einer soma- philosophische Auseinandersetzung mit bewegten Bil- tischen Decodierungsleistung zum Tragen kommt, dern […] den Bereich des rein Optischen weit über- da Film prinzipiell auf eine ausgeprägte Sinnver- schreiten muss. Dabei geht es weniger darum, dass mutung auf Seiten des Rezipienten angewiesen ist. zu dem Gesehenen parallele taktile Qualitäten – wohl- Der Rezipient ist im filmischen Kontext besonders möglich imaginativ – ‹hinzugefühlt› werden können. sensibilisiert, um semantische Horizonte auszu- Entscheidend ist vielmehr, erstens die in der Wahr- loten und Handlungsparameter zu erfassen. Der nehmung tatsächlich miteinander und mit der Motorik Rezipient befindet sich in einem evaluierenden interagierenden Sinne zu berücksichtigen und zweitens Orientierungsprozess, «bei dem alle Sinnesorgane zu verfolgen, wie das Mosaik der vom bewegten Bild aktiviert werden, Informationen aus dem Gesche- dargebotenen Modalitäten (auch in zeitlicher Hinsicht) hen zu extrahieren. So scheint der Synästhesie- zusammengesetzt ist. Da es sich bei diesen Bildern um Effekt der Filmrezeption vor allem ein semantisch bewegte handelt und sie daher auf vielfältige Weise gesteuerter zu sein» (Wuss 1999: 297). und besonders körperlich wirken können, ist schließlich und drittens nicht zu vergessen, dass «motion pictures» Fazit auch «e-motion pictures» (Carroll 2008: 147) sind. (Liebsch 2013: 120f.) Semantische und konnotative Effekte als Kategorie In der Perspektive der Zusammenführung von Bild, des Leibes zu begreifen erscheint vor einem audi- Ton und Zeit lässt sich die «bodily activated sub- tiv-akustischen Hintergrund als plausibel. Dabei jectivity» (Jeong 2013: 79) im Sinne Vivian Sobch- knüpft dieser Diskurs zwar an phänomenologi- acks adäquat im Kontext von Multimodalität der schen Überlegungen an die u. a. von Vivian Sob- Wahrnehmung und Multimodalität des Films (re-) chack bereits in den 1990er Jahren postuliert wur- konfigurieren. Der Film ist damit nicht mehr nur den, allerdings exemplifiziert die tonale Dimension Prothese, sondern wird zu einem Initialmoment eine bewusste und notwendige Akzentverschie- aktiver Rezeptionsprozesse – «a liberational poten- bung. Der Ton und die komplexe Tonsequenz sind tial of our body» (Jeong 2013: 81). körperbezogene Phänomene, die Rezeptionspro- zesse mit dem Medium Film in temporaler Perspek- tive synchronisieren. Es sind nicht nur Kamera und das visuelle Display die man als Argument für eine körperliche Aktivierung des Rezipienten anführen kann. Vielmehr dringt der Film selbst immersiv als Schallereignis in den Rezipienten ein (Fiala o.J.) und realisiert ein vollständiges, filmisches Inter- interface) (vgl. Jeong 2013: 6). Weiterhin wird der Interface- face27 (Bewegtbild-Interface): Als somatische Kom- Begriff einer Neukonzeption unterworfen, wobei die zu- nächst technische Dimension um eine explizit körperlich-bio- logische Dimension ergänzt wird. Die Sinne des Menschen 27 Seung-hoon Jeong entwickelt eine komplexe Theorie des werden selbst zu Grundbedingungen einer Schnittstelle zwi- cinematic interface als Schnittstellen-Phänomen zwischen schen Subjekt und Objekt. Jeong bezeichnet sie als Quasi- Rezipient und Film. Er entwirft eine trichotome Verhältnisbe- Interfaces. Folglich fungiert «[…] the cinematic interface as stimmung zwischen Kino (kulturelles Interface), Körper des a comprehensive combination of medium-specific interfaces Subjekts (embodied interface) und Leinwand (perceptual and quasi-interfaces» (Jeong 2013: 8). Filmontologie der Phonosphärischen Präsenz 43 Literatur Hepp, Andreas (1999): Cultural Studies und Medienana- lyse. Eine Einführung. Opladen/Wiesbaden: West- Anderson, Joseph D. (1998): The Reality of Illusion. An deutscher Verlag. Ecological Approach to Cognitive Film Theory. Car- Jeong, Seung-Hoon (2013): Cinematic Interfaces. Film bondale & Edwardsville: Southern Illinois University Theory After New Media, New York & London: Rout- Press. ledge. Barthes, Roland (1983): Elemente der Semiologie. Frank- Keppler, Angela (2010): Die wechselseitige Modifikation furt a.M.: Suhrkamp. von Bildern und Texten in Fernsehen und Film. In: Carroll, Noël (2008): The Philosophy of Motion Pictures. Sprache intermedial. 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Film music has also entered the multimedia arena. indeed, a very successful type of concert presentation of the film- music repertoire is the multimedia form: a live orchestra plays to projected film clips. this multimedia presentations of film music should be of interest not only to music scholars – film music has undeniably become a favourite repertoire to fuel concert programmes, and multimedia presentations are the most fitting form to present film music. multimedia presentations should also be of interest to film scholars, as multi- media presentations are a revival of past film-viewing experiences that can be traced back to the silent era. the case study here is John williams’s conductorship of the boston Pops orchestra, which has been seminal not only because it brought more film music into concert programmes, but also highly influential for its experiments with the multimedia presentations. Multimedia-Events sind Teil der heutigen Gesellschaft. Musik, Theater und die visuellen Künste haben bereits frühzeitig miteinander interagiert, um ästhetische Erfahrungen zu ermöglichen, die so immersiv und multisensorisch sind, wie nur irgend möglich. Auch die Filmmusik ist in diesen Ring gestiegen. Und tatsächlich ist eine sehr erfolgreiche Art der Konzertpräsentation von Filmmusiken die multimediale Form: ein Live-Orchester spielt zu projizierten Filmsequenzen. Diese Multimedia- Präsentationen von Filmmusik sollten aber nicht nur für Musikwissenschaftler von Interesse sein. Filmmusik gehört zwar unbestreitbar zu den Favoriten, um Konzert- programme zu füllen, doch sind es vor allem Multimedia-Präsentationen, die Film- musik in einer angemessenen Form präsentieren. Doch sollten Multimedia-Präsen- tationen auch nicht nur Filmwissenschaftler interessieren, da sie ein Revival von frühen Filmseh-Erfahrungen sind, die bis in die Ära des Stummfilms zurückverfolgt werden können. Der vorliegende Artikel widmet sich exemplarisch John Williams‘ Leitung des Boston Pops Orchestras, weil dadurch zum einen mehr Filmmusik in die Konzert- programme aufgenommen worden ist und zum anderen, da dieses Projekt aufgrund seiner Experimente mit Multimedia-Präsentationen einen großen Einfluss auf ähnli- che Projekte hatte. 46 Emilio Audissino Multimedia and the Arts Wagner and his Gesamtkunstwerk and Wort-Ton- Drama concepts (see Balzola 2007: 29–30): mul- Multimedia – the term originated in the 1980s – is timedia as a blend of different art forms combined a rich field for academic research and artistic prac- into an unprecedented artwork that engages the tice, having a long history.1 In music, multimedia viewer multisensorially. In this respect, the project experiments can be traced back to the 1910s, for of the Bayreuth theatre was itself a manifesta- example with attempts to blend music and paint- tion of this agenda, being very different from the ing by Arnold Schoenberg and Vassily Kandinsky coeval theatre venues all’Italiana, as it promoted (see Lischi 2007: 63), or the 1924 French avant- a new conception of spectacle being more emo- garde film Ballet mécanique by Fernand Léger and tionally involving and perceptually immersive – the Dudley Murphy – designed to be projected in con- orchestra pit hidden from the audience’s view; the certs as a visual complement to George Antheil’s lights dimmed so as to make the audience focus score (see Comuzio 1980: 32), and have continued on the stage action; the seats oriented so as to to the present day, for example with Philip Glas’s face the stage as directly as possible (see Basso opera La belle et la bête, featuring the projection 2006: 1248–49). The technological advancement of Jean Cocteau’s 1946 film of the same name (see and the pervasive spread of technology at each Walsh 1996). Theatre has also had a multimedia layer and facet of the present ‹Digital Era› have turn: think of Robert Wilson’s «Theatre of Visions» transformed our world and reality into multimedia (Brecht 1982) featuring changing lights, video environments themselves: think of the informa- projections (see Monteverdi 2007: 320; Molinari tion technologies now present in each aspect of 2000: 311) and the use of virtual scenery (Ajani our society thanks to the constant development 2007). Art has embraced the trend with its mul- of graphical user interfaces which have become timedia installations (Cargioli 2007; Lischi 2001) more and more user-friendly and interactive (see aiming to create synaesthetic and immersive Manovich 2001). Among the many players in the experiences for the viewers, either reinterpreting multimedia arena, one is film music. the classics as in Totale della battaglia by Studio Azzurro (Lischi 2001: 175–76)  – a video installa- tion re-interpreting Paolo Uccello’s fifteen-century Multimedia and Film Music triptych The Battle of San Romano  – or offering Film music is studied by scholars from either music new experiences as in Jeffrey Shaw’s The Legible or film departments. While music scholars are gen- City, in which the visual exploration of a 3D envi- erally more interested in the analysis of the musi- ronment consisting of a maze of multi-coloured cal text – the film score – film scholars favour the words is activated by the viewer pedalling a bicy- analysis of what the music does within the film. cle (see Lischi 2001: 141). Video-Art is another However, both departments do not seem to be typical product of the multimedia era. Thanks to much interested in film music when it is played its spiral-like uninterruptedly moving electronic in concert. For film scholars, concerts have noth- flux  – as opposed to the film’s linear succession ing to do with the film text, so this perspective of discrete frames2 – video has inherited expanded is beyond their interests. For musicologists, film cinema’s mission of casting the images beyond the music is not concert music and it should be stud- screen borders – think of Peter Greenaway’s A TV ied only as what it is: something written as a func- Dante (see Lischi 2001: 83–88)  – in order to cre- tional accompaniment to visuals, not for concert ate new modalities of fruition and a better social performance – often this view is influence by the awareness of the power of images.3 The very idea prejudice that only Absolute Musik is the Music of multimedia can even be traced back to Richard and therefore applied music is deemed to be less important and less worth being studied.4 I am a 1 On the history of multimedia and on the term itself (see film scholar specialising in film music, and one of Balzola & Monteverdi 2007: 7–24). 2 On video art, see Amaducci (2003). On the language of video as opposed to that of cinema, see also Lischi (2005). 3 On Expanded Cinema see Youngblood (1970), now 4 On the origin of the term Absolute Musik, its philosophi- downloadable at http://www.vasulka.org/Kitchen/PDF_ cal context and its aesthetic implications, see Dahlhaus ExpandedCinema/ExpandedCinema.html [15.08.2014]. (1978). The prejudice against the concert presentations of Youngblood’s text is discussed in Lischi (2003). film music is discussed in Audissino (2014b). Film Music and Multimedia 47 my interests is the multimedia concert presenta- the Royal Albert Hall6  – or the summer concerts tion of film music. at the castle of Schönbrunn by the Wiener Philhar- Why should a film scholar be interested in the moniker  – and at the Waldbühne by the Berliner extra-filmic aspects of film music that seem to be Philharmoniker.7 Similarly, in the United States, film of no interest even to music scholars – those who music is now a staple of the seasonal programmes should be more motivated and are likely better of the so-called Pops orchestras – the oldest being equipped to study it? From such a study film schol- the Boston Pops Orchestra, nicknamed ‹America’s ars can derive interesting historical and cultural Orchestra›. I will concentrate on one particularly insights on the reception and circulation of films. significant and influential case study, that of com- The existence of film music outside of the films poser/conductor John Williams and his concerts can be seen as one of the film’s ‹epitexts›, one of with the Boston Pops Orchestra. Williams has pio- those supplemental texts that exist outside of but neered the multimedia presentation of film music in connection with the main text and can influence and his now thirty-four-year long association with the reception of it and/or be influenced by it (see ‹America’s Orchestra› has been a fundamental ter- Genette 1987). Film music is one of such film’s par- rain to experiment with multimedia presentations. atextual elements as posters, tie-in memorabilia, soundtrack albums, and fanzines whose circula- John Williams and the Boston Pops tion, consumption and relation with the films are Orchestra indeed studied by film scholars even if these are outside of the film text sensu stricto.5 Founded in 1885, the Boston Pops Orchestra Apart from this culturalist perspective, what is the Boston Symphony Orchestra minus its 12 I, as a film scholar, find even more interesting in principal players. Its annual season begins in May the multimedia presentations of film music is their and lasts throughout June. The Boston Pops spe- significance from an aesthetic and historical per- cialises in light symphonic music ranging from the spective. Multimedia presentations of film music most popular classics – say, Rossini’s overtures or provide an immersive experience that allows of a Tchaikovsky’s ballet suites – to American popular better appreciation of film music: better than hear- music  – John Philip Souza’s marches and Jerome ing it as a stand-alone musical arrangement – in Kern’s or George Gerhswin’s Standards – to show this case, the visuals that film music was designed tunes – Broadway hits and Hollywood music. The to accompany are missing – and better than hear- traditional Boston Pops programme is divided into ing it on the film’s soundtrack  – where music is three parts: the first contains the classics; the sec- often drowned by sound effects, dialogue, and ond is devoted to a soloist performing some pieces ‹distracting› visuals. Moreover, from a historical either from the classical repertoire  – say, André perspective, multimedia presentations of film Previn playing one movement of Gershwin’s Piano music are a throwback to the past, when music Concerto in F – or from the popular repertoire – e.g. was played live to accompany the film screenings. Ethel Merman singing Broadway show tunes; the Multimedia presentations are a re-enactment of final third presents the lightest selections, span- film-viewing experiences that are otherwise lost. ning from concert arrangements of hit songs – e.g. Where can we typically find film music played by the Beatles – to Hollywood music. The Boston in concerts? Leaving aside amateur ensembles and Pops play classical music for «people who hate marching bands, film music finds a place in those classical music», as Arthur Fiedler used to say – he concert programmes aimed at larger audiences led and shaped the orchestra from 1929 to 1979.8 and featuring light symphonic music, such as the In 1980 the famed Hollywood composer John Wil- BBC Proms in London – concerts given by London’s major orchestras having popular programmes and affordable prices and taking place in Summer at 6 See online: http://www.bbc.co.uk/proms/archive. Accessed 24 February 2014 [14.08.2014]. 7 See online: http://www.glockenturm.de/geschichte/ waldbuehne [14.08.2014]. 5 Some recent studies on cinema epitexts are Resnick 8 On Fiedler and the history of the Boston Pops, see Ad- (2010) and Slide (2010). An example of film music studied ler (2007; Boston Symphony Orchestra Inc. 2000; DeWolfe as a paratext – as regards the film-music albums in the re- 1931; Dickson 1981; Fiedler 1994; Green Wilson 1968; Hol- cord market – is Smith (1998). land 1972; Moore 1968). 48 Emilio Audissino liams was appointed to succeed the late Fiedler. is presented through the traditional non-multime- During his fourteen-year conductorship Williams dia formats, its extra-musical referents are evoked seized the opportunity to erode the ‹iron curtain› in the visual memory of those listeners who have that segregated ‹applied› film music from ‹abso- some degree of familiarity with the film. With the lute› concert music. Since Williams’s appointment, multimedia form, the extra-musical referents are film music has become an important part of the shown on the screen. In this way, those multi-modal pops concerts, and the trend is still going on with cognitive processes operating during film viewing his successor, Keith Lockhart, and with Williams’s are also activated during the concert – music has a annual appearances as Laureate conductor. Other modifying effect on the visuals and, in turn, visuals orchestras followed in his footsteps, from the Cin- have a modifying effect on the music.10 Yet, having cinnati Pops Orchestra, to The Hollywood Bowl a live orchestra before one’s eyes and having the Orchestra, to the «Film Nights» with the New York music thus foregrounded, the listener’s attention is Philharmonic and The Chicago Symphony, to the now more focussed on the music and on the con- BBC Proms in London.9 scious aesthetic evaluation of it. Film music can be presented in concert in the The audio-visual coupling which once happened traditional way: arranging the best selections between the original film and its music in the from the score so as to turn them into stand-alone safe and secluded space of the recording stage – pieces – as has been done for a long time for the where re-takes are possible and frequent in case concert presentation of ballet music or incidental of lost synchronisation – and in the editing room – music, using such forms as the suite, the medley, where unsatisfying synchronism can be adjusted the pot-pourri, the fantasy, etc... The traditional by slightly cutting either the music or the visuals form allows film music to evolve from its subordi- accordingly – is performed live before an audience nate role to a leading role by freeing the music in the ‹unsafe› setting of the concert stage. Apart from all those cinematic ‹distractions› like visuals, from the ear-catching music, the evocative images sound effects, and dialogue and thus allowing and the consistent audio-visual blend, what makes music to be enjoyed and evaluated as to its intrin- these multimedia presentations even more spec- sic aspects. However, this way film music loses its tacular is the risky, not completely controllable essence: to separate film music from its visual coun- nature of such performances. A multimedia pres- terpart means losing a conspicuous part of the entation of film music provides viewers/listeners composer’s creative efforts. A film composer has to with a more immersive experience because part of be judged both for his musical skills and for his the show is being created before their eyes. In a understanding of the film medium and its needs. regular film show, unless there is some breakdown The second way to present film music in concert is in the projection system, all the components in a the multimedia form: the cinema medium meets film unfold smoothly and in a perfectly timed man- the concert medium. ner from beginning to end because they are fixedly interlocked. With one of the component being per- Multimedia Presentations of Film Music formed live, there is an added character of poten- tial unpredictability: What if some player stumbles As the orchestra plays live, film clips are projected over a passage? What if the orchestra loses the syn- onto a big screen above the stage, the clips being chronisation? It is similar to the excitement that synchronised more or less tightly with the music’s one experiences when watching acrobats do their phrasing and gestures. In this audio-visual pres- reckless stunts mid-air: although we do not sadisti- entation music receives the proper emphasis as cally wish that the acrobats fell down – not most music – in most cases the film clips have either no of us – the chance that such a thing may happen sound or their soundtrack is conveniently dialled is what adds excitement and makes the show more down so as to give prominence to the live music. engaging. However, being played along with the visuals which Similarly, keeping the synch while playing to inspired its creation, music can also maintain its film is not an easy task and involves quasi-acrobatic specific nature of music for film. When film music efforts from the orchestra and conductor, even with 9 John Williams‘ conductorship of the Boston Pops Orches- 10 Some cognitive approaches to the function of music in tra is examined in Audissino (2012; 2014a). films are Carroll (1996), Smith (1999), Cohen (2000; 2013). Film Music and Multimedia 49 the technical aids available – clicktracks, streamers Singin’ in the Rain (Stanley Donen, Gene Kelly, and punches, stopwatches...11 Such a task requires USA 1952, music by Arthur Freed and Nacio Herb a considerable amount of practice and is generally Brown),12 Gene Kelly’s roller-skating dance to the in contrast with the typical training of conductors, song «I Like Myself» from It’s Always Fair Weather used to giving the music their personal rendition (Vorwiegend heiter, Stanley Donen, Gene Kelly, and tempi and to following the music’s own free USA 1955, music by André Previn, Betty Comden, flow, not the pace imposed by some projection. The Adolph Green);13 the dance duet of Gene Kelly very mechanics behind multimedia presentations and Jerry Mouse from Anchors Aweigh (Urlaub in are quite complex and the technological appara- Hollywood, George Sidney, USA 1945, music by tus mobilised on such occasions adds a further Sammy Fain and Arthur Freed),14 Fred Astaire’s ceil- spectacular touch to the experience. This 1997 ing dance to the song «You’re All the World to Me» article  – about the 20th anniversary multimedia from Royal Wedding (Königliche Hochzeit, Stanley medley from Star Wars (Krieg der Sterne, George Donen, USA 1951, music by Burton Lane and Alan Lucas, USA 1977) that Williams presented at the Jay Lerner),15 the Nicholas Brothers’ tap-dance Tanglewood Festival – explains the many prepara- numbers from Orchestra Wives (Archie Mayo, USA tory steps: 1942, music by Harry Warren and Mack Gordon), Putting such an audiovisual experience together is no Sun Valley Serenade (Adoptiertes Glück, H. Bruce mean feat, however. First, the planners had to get per- Humberstone, USA 1941, music by Harry Warren mission from Steven Spielberg and George Lucas to «edit and Mack Gordon), and Down Argentine Way out some of the scenes from their movies that show what (Galopp ins Glück, Irving Cummings, USA 1940, 16 music can contribute,» Williams explained. Then the music by Harry Warren and Mack Gordon); the composer had to extract the music from those scenes «Barn Dance» from Seven Brides for Seven Broth- and stitch the excerpts together in a musically and dra- ers (Eine Braut für sieben Brüder, Stanley Donen, matically cohesive way. «You have to make sure there USA 1954, music by Johnny Mercer and Gene de 17 are no musical bumps,» whether harmonic, orchestral or Paul). This last piece, the «Barn Dance,» is particu- melodic. After doing this «cut-and-paste» work, Williams larly spectacular and very demanding: the music is and his editors go back over the roughly eight-minute first extremely lively and runs for six and a half minutes draft and see how it plays, then rearrange segments if without a pause, having fifty-nine precise synch- necessary to make everything flow better. Then, there points to be neatly hit by the orchestra, which also may be more musical editing. Once the draft version is has to keep the right tempo so that the steps and complete, Williams has to extract the individual orches- movements of the complex on-screen choreogra- tral parts from the complete score and get them printed. phy match the flow of the live music performance. […] For Williams, there is also a videotaped version of Single cases of audio-visual concerts have been 18 the film excerpts with precisely marked cues projected occurring since the early 1990s. Though, Wil- on a small monitor so he can conduct the music in syn- liams and the Boston Pops are an exemplary case chronization with the images. (Pfeifer 1997) because they have regularly performed multime- dia presentations with unmatched synch-precision, Particularly outstanding for their spectacular qual- ity are some multimedia pieces from Hollywood musicals in which the level of synchronisation 12 18 May 1996, taped for Evening at Pops, episode #1905 reaches the peak of virtuosity. The orchestra has (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). to accompany flawlessly and very tightly each 13 Ibid. dance step and each synch-point: here, it is not the 14 Ibid. dancers to dance to the music but the orchestra 15 Ibid. to play to the dancers. Some multimedia dance 16 14 May 2001, taped for Evening at Pops, episode #2501 numbers presented by Williams during his Boston (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). Pops years are the famous Gene Kelly scene from 17 18 May 1996, taped for Evening at Pops, episode #1905 (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). 11 On the various cueing devices – among them, the less- 18 For example, the 1992 David Lean tribute concert (Later used «Newman System» (see Karlin & Wright 2004: 111–13; released as Maurice Jarre: A Tribute to David Lean, directed Prendergast 1992: 249–73; Lustig 1980: 42–43). by L.A. Johnson, DVD, Milan Records, 2007) 50 Emilio Audissino proficiency and variety since the 1993 season.19 So far we have dealt with occurrences of multi- Particularly, two forms have been developed by media presentations within otherwise traditional Williams in the following years: the multimedia concerts. Yet, the multimedia form can also char- concert piece, i.e. a montage from the film/films acterise the entirety of an event. Two recent cases with a medium-high level of synchronisation – e.g., are again associated with Williams. On 16 March the overture to Lawrence of Arabia (Lawrence von 2002  – on the occasion of the 20th anniversary Arabien, David Lean, UK 1960, music by Maurice of E.T. the Extraterrestrial – Williams conducted Jarre) accompanied by a montage of the most the whole E.T. score against the whole film. This representative selections from the film – and the multimedia film presentation is something often multimedia film piece, i.e. an excerpt from a film done with silent films, but at that time unheard of accompanied by its original score – e.g. the «Barrel with such a complex and musically rich sound film. Chase» sequence from Jaws (Steven Spielberg, USA The second event was sTar Wars in Concert, a mul- 1975), the «Circus Train Chase» that opens Indiana timedia concert featuring the Royal Philharmonic Jones and the Last Crusade (Indiana Jones und Orchestra and Chorus conducted by Dirk Brossé, der letzte Kreuzzug, Steven Spielberg, USA 1989), Star Wars’ C3-PO Anthony Daniels as narrator, or the dance numbers mentioned above. In 2006 projected film clips, smoke, laser-light effects and a fixed panoramic screen was installed in Boston’s a spaceship-like stage.23 Symphony Hall, replacing the temporary «Film Since multimedia is a very topical and ‹fashion- Night» set-up. Multimedia presentations are now able› phenomenon in the present day, multimedia a regular feature of the Boston Pops concerts and formats are a way for film music to move into the are employed to enhance the musical experience spotlight and gain visibility from an attention- of non film-music pieces as well: recent examples catching contemporary trend. Engaging in multi- include the newly commissioned piece The Dream media means being up-to-date and future-oriented. Lives On: A Portrait of the Kennedy Brothers Yet, these phenomena are not to be read as merely (2010)20  – accompanied by archival footage of opportunistic gimmickry. All the multimedia for- the Kennedys  – and Gustav Holst’s The Planets mats which have been discussed so far  – «multi- with projections of space footage and astronaut media concert piece,» «multimedia film piece,» Buzz Aldrin as a narrator.21 Lighting effects also «multimedia concert» and «multimedia film» – also play a considerable part in the multimedia multi- have a heritage older than it appears and a history sensorial package. Refurbishments to the lighting that can be traced back many decades into the design  – already undertaken in the Williams era past. Even before the term multimedia existed as (Dyer 1988) – have continued, aiming to produce such, the combination of live music and projected improved light and colour effects that coordinate films was already a well-established practice: in the with the mood of the music being played. For silent cinema era. instance, when the Pops plays «Adventures on Earth» from E.T. the Extraterrestrial (E.T.  – Der Ausserirdische, Steven Spielberg, USA 1982, music by John Williams) scattered star-like lumi- nous points are projected onto the stage to create the effect of a starry night sky.22 23 Recent examples of multimedia films include Ludwig Wicki and the 21th Century Orchestra playing the scores to The Lord of the Rings: The Fellowship of Ring (Der Herr 19 The first two outstanding presentations took place in der Ringe  – Die Gefährten, Peter Jackson, New Zealand/ the inaugural concert of the 1993 Boston Pops season, USA 2001); The Gladiator (Gladiator, Ridley Scott, USA taped for the TV show Evening at Pops (episode #1601, 2000); Pirates of Caribbean: Dead Man’s Chest (Pirates of WGBH Archive, Boston MA, USA). the Caribbean – Fluch der Karibik 2, Gore Werbinski, USA 20 For narrator and orchestra, music by Peter Boyer, text by 2006); and Alice in Wonderland (Alice im Wunderland, Lynn Ahrens. Tim Burton, USA 2010). In February 2014 David Newman conducted the West Side Story score live to film (Jerome Rob- 21 11 June 2009 (Boston Symphony Archives, Symphony bins, Robert Wise, USA 1961, music by Leonard Bernstein) Hall, Boston MA, U.S.A.). with the Boston Symphony Orchestra – the multimedia film 22 Personal testimony, concert of 28 May 2009, Boston, had debuted in 2011 with Newman conducting the New MA, U.S.A. York Philharmonic. Film Music and Multimedia 51 Silent Cinema as a Multimedia Experience an in-house symphony orchestra – in 1929 Roxy’s counted one hundred and eleven players (see Alt- Rick Altman describes how several media  – pro- man 2004: 303) – and live music was the core ele- jected moving images, live music and live spec- ment of those shows of proto-multimedia nature: tacles – were the ingredients of the typical show «Balaban & Katz’s multi-media package of pleas- offered by nickelodeons from 1905 on: ure kept audiences enthralled and they looked for- A more satisfactory approach to the nickelodeon phe- ward to queueing up for the next show» (Gomery nomenon would recognize the fundamentally multime- 1992: 55). As a matter of fact, the film screening dia nature of the storefront theater program. While a was just one element of the show: few nickel theaters concentrated exclusively on films, Picture Palaces always presented more than «silent» by far the majority of nickelodeons combined films with movies. Music accompanied all films; the problem of illustrated songs or vaudeville acts. ... It is the multi- how best to select music was widely discussed and media capacity of contemporary projectors that made debated. The biggest picture palaces had orchestras illustrated songs and moving pictures such perfect upwards of fifty or more, but all houses, however partners. (Altman 2004: 182–83) small, had some music, at the minimum one piano Later, with The Birth of a Nation (Die Geburt einer player. … An overture to the show was common in Nation, David W. Griffith, USA 1915, music by picture palaces … The house conductor, who doubled Joseph Carl Breil) and the replacement of impro- as an arranger, had to prepare a new score every time vised and often inconsistent musical accompani- the program changed, at least once a week and more ment with more stable and fitting solutions (see often twice a week. The largest of the picture palaces Wierzbicki 2009: 33) – from scores compiled from built up and maintained vast libraries of sheet music … the classical repertoire to original music expressly By the mid-1920s, movie theatres were the foremost composed for the film – live music became a key employer of musicians in the nation, almost as many feature of film shows. As a consequence of the as all other live orchestras combined. success of The Birth of a Nation  – «a landmark (Altman 2004: 216) year in film-music history because it witnessed Samuel L. «Roxy» Rothapfel  – owner of a chain […] the introduction into the industry of the spe- of Picture Palaces, among them the Roxy in New cially composed/compiled score that could only York  – was especially famous for the spectacular be performed by a large, well-rehearsed orchestra» nature of his shows and the rich variety of his pro- (Wierzbicki 2009: 48) – the Road-Show Film trend grammes (see Altman 2004: 274). was launched. A road-show film was a prestige film ‹Light design› was another feature making those touring across the country along with a symphony shows akin to contemporary multimedia events:24 orchestra sumptuously playing the original orches- «Lighting played a key role throughout the perfor- tral score during each show. Famous films touring mances. Auditoriums were lamped with thousands in such a package were Intolerance (David Wark of bulbs, often in three primary colors. Thus a silent Griffith, USA 1916, music by Joseph Carl Breil), The film with live music could also be accompanied by Queen of Sheba (J. Gordon Edwards, USA 1921, changing light motifs through the show» (Gomery music by Erno Rapee), What Price Glory (Raoul 1992: 48). Music was a constant presence over the Walsh, USA 1926, music by Rapee e R.H. Bassett), entire show and the cohesive element which kept The Four Horsemen of the Apocalypse (Die vier Rei- together all the varied elements of the programme: ter der Apokalypse, Rex Ingram, USA 1921, music an orchestral overture, a live show – whose theme by Louis F. Gottschalk), and Humoresque (Humo- was linked to that of the feature film – a few short reske, Frank Borzage, USA 1920, music by Hugo films, some newsreels, a feature film and a closing Riesenfeld) (see Wierzbicki 2009: 62–63). organ solo.25 Music was deemed to be so impor- However, the venues in which the combination tant that some soloists – one of the most famous of live music and cinema could be enjoyed at the being the organist Jesse Crawford (see Gomery highest possible standard were the «Picture Pal- 1992: 52) – were veritable superstars. aces», «film cathedrals» (Gomery 1999: 132) like the Strand, the Rivoli, the Rialto and the Roxy in 24 On light design in multimedia shows, see Barsali (2007). New York, or the Riviera in Chicago (see Gomery 25 On the programmes featured in the Picture Palaces, see 1992: 34–36). These luxury film theatres boasted Altman (2004: 379–388). 52 Emilio Audissino What kind of music was typically played in Pic- the classical repertoire; there is the live show with ture Palaces? Altman provides us with a thorough musical accompaniment: during the years many account: theatre and film personalities have performed Tchaikovsky’s Fourth and Beethoven’s Fifth were rarely short sketches and numbers on the Symphony Hall played in toto. Most often, a single movement would stage accompanied by the Boston Pops  – Peter be used as a unit. As amateurish as this may appear Schickele’s musical parodies, 26 Victor Borge’s come- 27 to us today, during the teens it was common even in dic musicianship, or Gregory Hines’s dance num-28 the concert hall. The choice for most overtures would bers come to mind; there are famous soloists  – 29 30 fall, however, on compositions specifically designed Itzhak Perlman or Yo-Yo Ma, to name two; and for maximum variety in a short duration. Opera and there are film clips with live musical accompani- operetta overtures were thus objects of choice. While ment. Not to mention the Pops’ traditional ‹sing- orchestras regularly repeated the standards of previous alongs› with the lyrics prompted on the big screen, years, especially those by Flotow (m which are a sort of revival of the ‹illustrated songs› arTha), Gounod (f ), Mascagni (c r ), Rossini (W - that were similarly presented in nickelodeons in ausT avalleria usTicana il liam Tell), Suppé (P P , l c ), Tchai- the early 1910s. Like the Picture Palace shows, oeT anD easanT ighT avalry kovsky (1812), Thomas (Mignon), Verdi (Aida), Wagner these multifaceted concerts take place in a pres- (Rienzi, Tannhäuser), and Weber (freischüTz), the reper- tigious venue – Symphony Hall  – decorated with tory was substantially expanded during the mid and an attentive light design and with lighting effects late teens to include additional overtures by the same coordinated with music to make the experience 31 composers. […] Several symphony movements and more immersive and synaesthetic. shorter pieces were also regularly pressed into service Similarly, multimedia concerts like sTar Wars: in as overtures: pieces by Dvořák («Carneval»), Grieg Concert – featuring a symphony orchestra, film pro- («Peer Gynt Suite»), Liszt («Rhapsodies» and «Sym- jections, a narrator, themed scenery, light effects, phonic Poems,» «Les Preludes»), Rimsky-Korsakov lasers and smoke – are somehow the heirs of those («Capriccio Espagnol,» «Scheherazade»), Saint-Saëns Picture Palace shows. On the other hand, multime- («Danse Macabre»), and Tchaikovsky («Capriccio Itali- dia films like The Lord of the Rings trilogy, E.T. the en,» «Marche Slave,» «Romeo and Juliet,» movements Extraterrestrial and the several silent films now from the Fourth and Sixth Symphonies). […] So proud touring the world are simply the contemporary ver- were theaters of their musical program that overture sions of the old road-show films of the silent era. music was often mentioned in theater ads, and trade Music was so important in the silent era that press organs regularly published overture lists as a the introduction of sound was not really urged by measure of the theater’s prowess. the desire to hear the characters’ voices and to (Altman 2004: 310–13) add dialogue. The main reason was that of pro- viding all viewers – not only those who were able It is striking to notice that the repertoire is the for geographical reasons or could afford for eco- same featured in Pops concerts, and the custom nomic reasons to attend the shows at the Picture of playing excerpts or single movements from sym- phonies and concertos is again another typical 26 18 May 1994, taped for Evening at Pops, episode #1701 trait of the Pops programme-making. (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). 27 7 June 1986, taped for Evening at Pops, episode #8004 (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). A Throwback to the Past 28 7 May 1983, taped for Evening at Pops, episode EAP- 23–83 (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). In the light of all the accounts and descriptions 29 18 May 1994, taped for Evening at Pops, episode #1701 above, one realises that the multimedia for- (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). mats used to present film music in concerts are 30 3 June 2000, taped for Evening at Pops, episode #2404 nothing but revivals of old formats of presenta- (WGBH Archive, Boston MA, U.S.A.). tion and forgotten modalities of film experience 31 Curiously enough, Boston‘s Symphony Hall was one of dating back to the silent cinema. Attending a the concert venues that hosted high-class film shows with live Boston Pops concerts at Symphony Hall today is orchestral accompaniment during the silent era: the première of Carmen (Raoul Walsh, USA 1915) took place in Symphony not very different from spending an evening in a Hall on 1 October 1915, under the musical direction of film- 1920s Picture Palace. There is the overture from music specialist Hugo Riesenfeld (see Altman 2004: 295). Film Music and Multimedia 53 Palaces  – with a stable musical accompaniment, introductory, has perhaps given some rationales bringing even to the smallest film theatre the same for tackling this topic and provided some insights great soloists and the high-quality musical accom- that might be developed and deepened in the paniment that could be previously found only in future. What’s next? I can only suggest that some few selected venues or on special occasions (see interdisciplinary/multidisciplinary work may be Gomery 2005: 38; Larsen 2005: 77). Sound films needed: music scholars, film scholars and multime- made it possible to bring the sound of a high-class dia scholars teaming up to study the phenomenon symphony orchestra to each viewer in each corner in historical and aesthetic terms. Maybe an archi- of the nation. Though innovative and inevitable val research similar to the one I conducted on the this might have been it caused the end of an era: Boston Pops case should be conducted in the BBC not just the demise of silent films but also that Proms archives and elsewhere in Europe to map of live accompaniment. The film experience ceased the forms and formats of film music in concert out- to be a multimedia experience.32 As pointed out side of the USA too. But these are just tentative by Peter Larsen: «The music of the silent film is and provisional pieces of suggestion. My scope not film music in the modern sense – it is cinema was that of reporting a problem (a gap in film- music, an external addition to the moving pictures, music studies) and providing an example of how part of the total performance more than part of the and why it should be approached, not so much film and its narrative» (2005: 26). Film music in its that of offering the solution. multimedia form of concert presentation provides an immersive experience that, aesthetically, allows of a richer appreciation of film music in both its References musical and cinematic components and specifici- ties; historically, it is like a time travel that makes it Adler, Ayden Wren (2007): «Classical Music for People possible to partially retrieve the film-going experi- Who Hate Classical Music»: Arthur Fiedler and the ence of the silent era. Boston Pops, 1930–1950. Unpublished doctoral thesis at the University of Rochester, Department of Why should one also study film music in its extra- Musicology, Eastman School of Music, U.S.A. filmic manifestations? For musicologists, film Ajani, Elisabetta (2007): Scenografie Virtuali. In: Le arti music in concerts seems to be a due topic to be multimediali digitali. Storia, tecniche, linguaggi, eti- studied, given the increasing popularity and the che ad estetiche delle arti del nuovo millennio. Edi- undeniable presence of this repertoire in the con- ted by Andrea Balzola and Anna Maria Monteverdi. cert programmes. Multimedia and audiovisual Milan: Garzanti. pp. 354–70. combinations can be fruitful resources for music, Altman, Rick (2004): Silent Film Sound. New York: and the combination has already been attempted Columbia University Press. in art music too  – think of Alexander Skriabin’s Amaducci, Alessandro (2003): Il video digitale creativo. Prometheus: The Poem of Fire (1910) featuring the Pisa: Nistri-Lischi. ‹clavier à lumières›, an organ projecting coloured Audissino, Emilio (2012): John Williams, The Boston Pops light-beams around the concert stage. Orchestra and Film Music in Concert. In: Cinema, For film scholars, the study of film music in con- critique des images. Edited by Claudia D’Alonzo/ cert is not something out of their jurisdiction. It Ken Slock/Philippe Dubois. Udine: Campanotto. pp. is a way to recover the lost ‹cinema music›, that 230–235. is experiencing a type of film fruition which looks – (2014a): John Williams’s Film Music. JaWs, sTar Wars, new while being old, a film experience which has raiDers of The LosT arK, and the Return of the Classical been lost for a long time and whose retrieval is the Hollywood Music Style. Madison, WI: University of retrieval of both a piece of film history and a piece Wisconsin Press. of spectatorship history. Film music does have a – (2014b): Overruling a Romantic Prejudice. Forms and life beyond the films and outside of the screens. Formats of Film Music in Concert Programs. In: Film This paper, though not exhaustive and deliberately in Concert, Film Scores and their Relation to Classical Concert Music. Edited by Sebastian Stoppe. Glücks- stadt: VWH Verlag. pp. 25–44. 32 The coming of sound was a veritable historic change and caused a severe crisis in terms of unemployment within Balzola, Andrea (2007): L’utopia della sintesi delle arti. musicians (see Gomery 1992: 101). Dai romantici alle avanguardie storiche. In: Le arti 54 Emilio Audissino multimediali digitali. Storia, tecniche, linguaggi, eti- – (1980b). John Williams Bows In. In: Boston Globe, 11 che ad estetiche delle arti del nuovo millennio. Edi- January 1980 ted by Andrea Balzola and Anna Maria Monteverdi. – (1980c): Williams Passes Tests with Flying Colors. In: Milan: Garzanti. pp. 25–53. 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Kompositorisch wie aufführungstechnisch manifestiert sich dieses als eine Konzeption von musik, die den Zuhörer situativ, sozial und räumlich in die musik integriert. so entsteht ein reflektiertes, ästhetisches erleben von musik, das mit Konzepten wie jenem der Präsenz, der wiederholung oder der soundscape arbeitet. immersion wird, anders als es ein modernistisches verständnis von Klang propagiert hat, nicht als hörerlebnis in dafür bereitgestellten, von der außenwelt abgeschirmten räumlichkeiten gedacht. es ist vielmehr ein naturalisiertes immersionsverständnis von musik, das die Parameter des musikalischen geschehens, die Präsenz der Per- former ebenso wie der Zuhörer und des raumes bewusst integriert und damit einen neuen künstlerischen ansatz konstituiert. Based on two music installations by composer and conductor Ari Benjamin Meyers, an artist, who, since 2012, has situated his compositions in an art context, this text discusses an innovative approach towards a new understanding of immersion in music. Meyers’ compositions as well as performances work with a concept that inte- grates the listener socially and spatially into the music. In doing so, the listener is encouraged to perceive music in a both aesthetic as well as reflected way. Making use of concepts such as presence, the soundscape and repetition immersion is not understood or used in a modernistic sense, that is to say as an abstract experience in sealed off spaces. Meyers rather propagates a naturalized understanding of music in which the presence of the performer is just as important as that of the listener and the space. At first it’s just an empty space... 57 People aren’t sounds, are they? Es geht Meyers vielmehr darum, das soziale (Cage 1961: 41) Erleben von Musik und die Prozesse des Musik- Machens, sei es das Spielen eines Instruments, das Obgleich Gernot Böhme bereits 1991 in einem Verfassen einer Komposition, die (Ko)Produktion Vortrag herausgestellt hatte, Musik sei eine «in eines Musikstücks durch die Präsenz der Zuhörer besonderem Maße Atmosphärenproduzierende oder auch das Zuhören an sich zu thematisieren [sic!] Kunst» (ebd.: k.S.) hat die Kunstwelt Musik und im Sinne eines ästhetischen Reflektierens bisher kaum als künstlerische Gattung honoriert.1 erlebbar werden zu lassen. Musik wird dadurch Schuld daran ist sicherlich die Tatsache, dass zum Gemeinschaft stiftenden Ereignis und die Musik aufgrund ihrer Unsichtbarkeit und ihres gängige Konzeption von Musik als «abstract enter- temporären wie ephemären Charakters auf ein tainment for the pleasure of the ears alone» (1992: anderes emphatisches Erleben setzt als es die 34), wie R. Murray Schafer die westliche Rezeption Besucher von Museen und Ausstellungen gewohnt von Musik beschrieb, soll neuen Wahrnehmungs- sind. Losgelöst von materiellen und visuellen Ele- und Produktionsformen weichen. Meyers‘ Aktivie- menten scheint Musik bislang kaum in einen Kon- rung des Zuschauers mit musikalischen Mitteln, text zu passen, der sich – wie Brian O’Doherty in aber auch seine Ambition Musik performativ seiner Schrift Inside the White Cube (1976) heraus- erfahrbar zu machen, um ein Erleben immersiver stellte – dadurch auszeichnet, dass er mittels der Prägung anstelle eines passiven Konsumierens von Konstitution des Ausstellungsraumes als ‹Kraft- Musik zu fördern bindet der Künstler zwar nicht in feld› Objekte in Kunst zu transformieren vermag.2 erster Linie an den kulturell aufgeladenen Ort des Seit der amerikanische Komponist und Dirigent White Cube als einem vom Außenraum entkop- Ari Benjamin Meyers als Künstler eingeladen wird, pelten Präsentationskontext  – er bettet sein Tun Galerie- und Museumsräume mit seinen Komposi- jedoch sehr bewusst in den Rahmen ein, den ihm tionen zu bespielen, zeichnet sich in der Kunstwelt die zeitgenössische Kunstszene bietet. jedoch ein schleichendes Umdenken ab. Denn Meyers’ Kunst ist anders als das, was seit den In Anbetracht von Meyers’ künstlerischer Praxis, 1960er Jahren unter dem Label Soundart firmiert. gerade seinem Umgang mit Musik sowie der Art Und ihm geht es auch nicht darum, Musik visuell und Weise wie er sie im Ausstellungsraum verortet, anzureichern, so wie die Band Kraftwerk ihre Songs sind drei wesentliche Aspekte hervorzuheben: So als Musik-Bild-Einheiten in Szene setze und damit befördert zum einen nicht der Ausstellungsraum zum idealen Repräsentanten avancierte, um Musik als ‹anderer Ort›, sondern vielmehr das Wesen der im Kunstkontext zu platzieren. Komposition sowie die Konzeption ihrer Darbie- tung als Situation, die nicht das Zuhören, sondern die soziale und räumliche Teilhabe an der Musik in 1 Als Ausnahmen wären die Ausstellung I wish I was a den Vordergrund rückt, die Möglichkeit des Eintau- song zu nennen, die vom 14.9.2012 bis 13.1.2013 im Muse- chens. Dieser Eindruck verstärkt sich dadurch, dass um of Contemporary Art in Oslo stattfand sowie die Ausstel- lung des Museum of Modern Art Looking at Music 3.0, vom die architektonischen Eingriffe in den Raum in der 16.2.–30.5.2011, bzw. die ebenfalls vom MoMA organisierte, Regel sehr minimal ausfallen. so genannte Retrospektive 12345678 der deutschen Band Die Orte, die Meyers für seine Musikinstalla- Kraftwerk, die in Form einer achtteiligen Konzertreihe vom tionen auswählt, funktionieren deshalb auch mit 10.–17.4.2012 aufgeführt wurde. Auch in ihrer Heimatstadt anderen Techniken des Entgrenzens und Entrah- Düsseldorf wiederholte die Band im Januar 2013 die Konzer- mens als jenen, die O’Doherty für den Galerieraum treihe in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, bevor sie im März in der Tate Modern zu sehen war. Im Januar 2014 charakterisiert hat. Eingebettet in per definitionem waren schließlich vier weitere Konzerte im Moderna Museet öffentliche Räume wie den Eingangsbereich des in Stockholm zu hören. Museums wird über die Musik ein Erleben von 2 «So mächtig sind die wahrnehmbaren Kraftfelder inner- Raum befördert, welches diesen von einer rein halb dieses Raumes, daß – einmal draußen – Kunst in Wirk- pragmatischen Funktion entkoppelt. lichkeit zurückfallen kann, und umgekehrt wird ein Objekt Wichtig ist bei Meyers’ Arbeiten zum Dritten die zum Kunstwerk in einem Raum, wo sich mächtige Gedanken Reflektion und das Spiel mit jenem Verständnis von über Kunst auf es konzentrieren» [letzter Teilsatz im engli- schen Original: «Conversely, things become art in a space Immersion, das unsere moderne Wahrnehmung where powerful ideas about art focus on them»](O’Doherty von Musik dominiert. Mithilfe konzeptueller Ein- 1996: 9). griffe in die Komposition sowie einer nicht minder 58 Christina Landbrecht Ü 1 Ari Benjamin Meyers, Chamber Music (Vestibule), 2013. (© Andrea Rossetti 2013) ausgeklügelten Aufführungssituation versucht er, aktivieren. Wobei auch eingewendet werden muss, eine kritische Distanz zum tradierten Immersions- dass in Installationen, die den Betrachter polysen- verständnis wie es klassischen Konzerten eigen ist suell ansprechen, die Bereitschaft zur Partizipation zu evozieren. Der Zuhörer wird dadurch ermächtigt, höher ist als in den Fällen, in denen es keinen Meyers’ Installationen im Sinne einer – meiner Ein- Mediator gibt, der zwischen Publikum, Raum und schätzung nach – als ‹Immersion sozialer Prägung› Klang verhandelt. zu bezeichnenden Rezeptionsgeste zu erleben. Chamber Music (Vestibule) Im Folgenden soll die Darstellung von zwei Musikinstallationen, die Meyers geschaffen hat, Die Musikinstallation Chamber Music (Vestibule) beispielhaft aufzeigen, wie der Künstler immer- (im Folgenden Chamber Music genannt), die am 27. sive Praktiken anhand eines dynamischen Raum- April 2013 in der Berlinischen Galerie in Berlin-Kreuz- verständnisses sowie Interaktions- und Kommu- berg eröffnet wurde und bis zum 28. April 2014 zu nikationsformen auslotet und neu verhandelt. hören war, wurde bewusst außerhalb der Ausstel- Dabei geht es insbesondere darum zu zeigen, dass lungsräume an einem Ort platziert, der anders als immersive Klangumgebungen auch in räumliche die der Sammlung und den Wechselausstellungen Zusammenhänge eingebettet werden können, die vorbehaltenen Räumlichkeiten mit keinerlei atmo- sich durch Bewegung, eine ungerichtete Wahrneh- sphärischem Potenzial belegt war. Im so genannten mung sowie soziales Handeln konstituieren und Windfang, einem gläsernen, dem Museum vorgela- dass solche performativen Situationen Formen der gerten und zugleich den Haupteingang konstituie- Immersion zu provozieren vermögen, die sich weni- renden Baukörper war über die gesamte Laufzeit der ger als mentale Absorbierung und vielmehr als Ausstellung hinweg eine sieben Minuten 27 Sekun- geistig stimulierender Impuls ausnehmen. den währende Arie zu vernehmen, die in Gänze zu Die immer noch gängige Auffassung, immer- hören nur an Tagen gelang, an denen das Museum sive Strategien mit einem Distanzverlust gleichzu- so gut wie nicht besucht war oder in Momenten, in setzen, indem der Zuhörer und Zuschauer entwe- denen sich die Zuhörer organisierten und verhinder- der durch den Einsatz von Medientechnologien ten, dass die Türen des Museums geöffnet wurden. oder die Komposition der Klang- und Bildwelten Denn mit jeder Tür, die sich öffnete, begann das regelrecht zur Absorption animiert wird, soll durch Stück von neuem (Abb. 1). diese Argumentation entkräftet werden. Kompositorisch disruptiv angelegt, stellte das Stattdessen geht es darum aufzuzeigen, inwie- Werk besondere Ansprüche an die Zuhörer, um als fern immersive Klangkulissen das Potenzial besit- klassische Arie, welche den aus der Oper bekann- zen, das eigenmächtige Handeln des Hörers zu ten Hörgewohnheiten entsprach, wahrgenommen At first it’s just an empty space... 59 zu werden. Die Arie nämlich war nicht als Raum schätzung Schafer in seinem Buch The Soundscape füllende Klanginstallation geschaffen, sie bot nachdrücklich plädiert hatte: «Only a total appre- sich also nicht im Sinne einer ‹abstrakten Unter- ciation of the acoustic environment can give us the haltung› den Eintretenden an, sondern reagierte resources for improving the orchestration of the auf die Handhabung der Türen und somit auf die world soundscape» (Schafer 1994: 4). Funktion des Raumes. So gesehen war die ‹Auffüh- Die Bewegungen der Türen und die damit rungssituation› an die Bedienung der Eingangstü- einher gehende Einwirkung auf das Musikstück ren gebunden und erforderte ein Zuhören entlang veränderten die Wahrnehmung des Werkes grund- anderer Wahrnehmungstechniken als jenen immer- legend. Schließlich wurde das immersive Hörerle- siven Rezeptionsstrategien wie sie klassische Kon- ben klassischer Prägung, welches der Windfang zertsäle bedienen. durch seine bauliche Struktur im Falle, dass alle Ari Benjamin Meyers verfolgte mit Chamber Türen geschlossen blieben, gewährleistete, durch Music einen Ansatz in der Wahrnehmung von den Besucherverkehr mehr oder weniger mas- Musik, der sich kaum mehr an traditionellen Auf- siv – je nach Besuchervolumen – erschüttert. Die führungsmechanismen orientierte. Das Erleben Frage jedoch ist, inwiefern das Hereindringen des der Arie in Chamber Music wich vielmehr einem Geräuschpegels der Umwelt tatsächlich ein immer- Wahrnehmungskonzept, das eine Verwandtschaft sives Erleben der Musik negativ beeinflusste oder mit Schafers Konzept der Soundscape aufwies. Er vielmehr eine andere Form von Immersion auf den entwickelte dieses Konzept in den 1970er Jahren Plan rief? und definierte die Soundscape als eine ‹natürliche› Klangkulisse, welche sich stark von jener Akus- Klang – Musik – Raum tik unterschied, die die seiner Meinung nach auf Exklusivität getrimmten Konzertsäle beherrschte. Um dem nachzuspüren, hilft der Blick auf die Stu- Die Assoziation mit Schafers Konzept wurde in dien der amerikanischen Klanghistorikerin Emily erster Linie durch die aktive Rolle der insgesamt Ann Thompson, die in ihrem Buch The Sounds- vier Doppeltüren des Windfanges wachgerufen  – cape of Modernity (2002) jene Entwicklung von jenen Elementen, welche die Existenzberechtigung Klangqualitäten rekonstruiert hat, die unser heu- dieses Baukörpers darstellen. Der nämlich wurde tiges Verständnis immersiven Hörens nachhaltig einzig dafür konstruiert, die Besucher in das und prägen. aus dem Museum hinaus zu befördern, ohne dass Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verzeichnet die kontrollierte Innentemperatur des Museums Thompson in den USA eine dramatische Trans- unter dem Luftaustausch, der im Zuge dieser formation in der Produktion sowie der Rezeption Bewegungsströme stattfindet, leiden müsste. von Klang. Sie nennt dieses Phänomen «modern Bei Chamber Music wirkte die Bewegung der sound» und hebt folgende Charakteristika hervor: Türen direkt auf den Klang innerhalb des Wind- «Clear, direct, and nonreverberant, [...] modern fangs zurück: Mit jedem Vorgang des Öffnens sound was easy to understand, but it had little to schwoll jener zum Zeitpunkt ihrer Betätigung say about the places in which it was produced and erklingende Ton crescendoartig an und wurde mit consumed» (Thompson 2002: 3). Ganz im Sinne dem Schwung der Tür einerseits in den öffentli- modernen Effizienzdenkens wurde Klang in jener chen Bereich vor dem Museum hinaus- oder ande- Zeit von allen Elementen, die als ‹Lärm› qualifi- rerseits in das Foyer hineingetragen. Die Stimme ziert wurden, befreit. Die Reduktion von Nebenge- der Opernsängerin verstärkte sich also mit jeder räuschen sollte nicht nur die Klarheit und damit Türbewegung zu einem langgestreckten, anschwel- Produktivität dessen, was akustisch vermittelt lenden Ton, dem das Ballspiel der anwohnenden wurde, maximieren, sondern auch die Überlegen- Kinder ebenso wie die Motorengeräusche vorbei- heit der Technik gegenüber der physischen Umwelt fahrender Autos oder die Kartenbestellung an der demonstrieren. Thompson zeigt, dass mit der Erfin- Museumskasse untergemischt werden konnten. dung des modernen Klangs die genuine Beziehung Die Soundscape wurde in dem Moment nach- zwischen Raum und Klang gekappt wurde: Dabei vollziehbar, in dem die Arie mit diesen Elementen wurde nicht nur mittels Schall absorbierender der Geräuschkulisse des öffentlichen Raumes ver- Baumaterialien die Klangqualität des Raumes schmolz und dadurch mit jenen «environmental manipuliert. Auch die Einflussnahme der elektro- acoustics» angereichert wurde, für deren Wert- akustischen Medien auf die Reinheit des Klanges 60 Christina Landbrecht waren enorm: «[T]he result was that sounds were fing; nicht zuletzt im buchstäblichen Sinne, da die reconceived as signals» (2002: 3). Insbesondere Stimme für jeden Eintretenden von neuem anhob. durch die Eliminierung des Widerhalls, der gerade Die Arie lud den Zuschauer ein, einer Opern- wegen seiner Eigenschaft, Repräsentant der Größe sängerin dabei zuzuhören, wie sie sich bemühte, wie der Materialität des Raumes zu sein, als ‹Lärm› eine bekannte Arie zu rekapitulieren. Diese Geste degradiert wurde, gelang es Klang und Raum von- des Erinnerns war auch das zentrale Anliegen des einander abzunabeln. Gesangsstücks, auf das sich Meyers’ Komposition Im Zuge der Einrichtung der Installation Cham- bezog: Es handelte sich um When I am laid in ber Music avancierte der Windfang der Berlinischen Earth aus Henry Purcells Oper Dido and Aeneas, Galerie tatsächlich weniger zu einer akustischen eine Arie, die besonders durch Didos flehendes Bühne moderner Prägung als vielmehr zu einem «remember me» berühmt geworden ist. Verbindungsglied von Stimme und Raum. Wenn Das Summen, mit dem das Musikstück begann, er sich im geschlossenen Windfang befand, sollte erinnerte ebenso an Klänge von Wiegenliedern wie der Zuhörer die Sopranstimme neben sich wähnen an jenen unbewussten, quasi-natürlichen Gesang, und von der Musik umschlossen sein. Die Stimme, der oftmals mit der Verrichtung routinierter Arbei- so das Anliegen Meyers’, sollte als im Baukörper ten einhergeht. Der Zuhörer war folglich mit Betre- ‹eingeschlossen› erscheinen. Um dieses Gefühl ten des Raumes mit einer Melodie konfrontiert, die bestmöglich zu gewährleisten, willigte Nicole Che- einerseits beiläufig klang und andererseits seine valier, Solistin an der Komischen Oper Berlin, sogar Wahrnehmung feinsinnig anregte. Denn die Töne ein, die Arie vor Ort aufzunehmen. hätten auch von ihm selbst, aus ihm heraus kom- Der Verzicht auf ein professionelles Tonstudio men können. und der Brückenschlag zwischen dem Ort der Auf- Der entscheidende Faktor aber, der ein unmit- nahme sowie dem Ort der Aufführung deutet das telbares immersives Erleben unmöglich machte, Anliegen der Installation an, Raum und Klang war der Zuhörer selbst. Mit seiner Entscheidung, gemäß eines nicht-modernistischen Klangver- die Musikinstallation zu betreten, zerstörte er im ständnisses aneinander zu koppeln. Die Arbeit und Moment seines Eintretens die Atmosphäre der Expertise des Tontechnikers Torsten Ottersberg war Installation. Er konnte diese zwar nach Betreten diesbezüglich ein wichtiger Teil des Werkes. Ihm wieder heraufbeschwören, jedoch musste er dafür war es zu verdanken, dass die Akustik des Raumes den Wirkungsmechanismus der Installation verste- in die Aufnahme eingespeist und der Raum in der hen: Was passiert, wenn sich eine Tür öffnet? Was Sounddatei transparent gemacht werden konnte. passiert, wenn sie ins Schloss fällt? Was, wenn alle Ironischerweise ermöglichten somit gerade die Türen geschlossen sind? Und was, wenn sie über technischen Aspekte bzw. die elektroakustischen längere Zeit nicht geöffnet werden können? Medien der Aufnahmetechnik, das modernistische Das klassisch immersive Erleben der Musik war Verständnis von Klang in Frage zu stellen. somit nicht nur eine Entscheidung, es erforderte Tatsächlich stand jedoch nicht nur die Qualität vielmehr Aufmerksamkeit und ein Verständnis für der Sounddatei, sondern auch die Komposition die Situation. Immersion wurde folglich nicht ent- ganz im Zeichen der Bemühung, den Zuhörer nicht lang der tradierten Konzepte möglich, sondern trat in die Musik eintauchen zu lassen, sondern ihn vielmehr dann auf, wenn sich der Zuhörer auf ein herauszufordern, ein solches Eintauchen bewusst alternatives Verständnis immersiven Erlebens von zu praktizieren. Obwohl die Musik und der Klan- Musik einließ. graum, den sie erzeugte, förmlich dazu einlud, eine immersive Wahrnehmung zu aktivieren und Immersion im dynamischen Raum den Zuhörer in eine andere Realität zu katapul- tieren, blieb sie beim Betreten des Windfangs der- Der Kritiker Steven Connor verwies in seinem Auf- art dezent, dass das Zuhören zur sehr bewussten satz Ears Have Walls: On Hearing Art (2005) auf Handlung werden musste. Kompositorisch wurde die spezifischen Qualitäten von Klang und nannte dies dadurch umgesetzt, dass die Arie Gesangs- sie als Ursache einer Immersionswirkung, die den elemente integrierte, die man weniger auf einer Körper des Betrachters – anders als es bei der visu- Konzertbühne als vielmehr im Probenraum der ellen Betrachtung von Gegenständen der Fall ist Sängerin erwarten würde. Es war somit beinahe – nicht in ein Verhältnis zu etwas setzt, sondern ein privates Gesangsstück, das den Zuhörer emp- ihn in etwas verortet. Der Aspekt, der in Chamber At first it’s just an empty space... 61 Music erlebbar wurde, nämlich, dass die Musik definiert. Insofern beförderte das Crescendo der ebenso aus dem Zuhörer herauszukommen schien Türen und das Driften des Klangs nach draußen wie sie im Raum verortet war, diesen doppelten die Immersionsmacht der Musik in höherem Maße Effekt macht auch Connor als charakteristische als dass es sie unterbinden konnte: Der Zuhörer Eigenschaft von Klang stark: nämlich wurde auf diese Weise beinahe physisch If vision always puts creatures physically constituted in den Klangkörper, als welcher der Windfang prä- as we are in front of the world, then sound [...] puts us pariert wurde, eingeschleust. in the midst of things. [...] [I]n order for a sound to be Der Sound agierte gewissermaßen als Conci- audible, it is always necessary for it to be in us just as erge und die Musik beförderte eine emotionale much as we are in it. (Connor 2005: 135) Annäherung an den Raum, die ebenso nur für den Moment des etwa vier Sekunden währenden Klang ist also kein räumliches Gegenüber und Durchschreitens dauern konnte wie sie einlud zu jener Raum, der sich durch Klang konstituiert, verweilen und einer Arie zu lauschen, die nur an ist einer, der sich nicht an den Raumgrenzen des diesem Ort, in dieser spezifischen Situation und Museums orientiert. Er ordnet sie vielmehr neu und nur für eine begrenzte Zeit zu hören war5. macht den Ausstellungsraum dadurch lebendig3. So mag die Bewegung der Türen und der Ein- Das Erbe Erik Saties fluss, den diese auf die Arie von Chamber Music hat, ein nervenaufreibender Prozess für denjeni- In seiner ersten Einzelausstellung in der Berliner gen sein, der die Arie in voller Länge zu hören ver- Galerie Esther Schipper (07.09.2013–05.10.2013) suchte. Betrachtet man jedoch den Aspekt des Dif- bezog sich Ari Benjamin Meyers wenige Monate fundierens als natürliche Eigenschaft von Klängen, nach der Eröffnung von Chamber Music auf aus- so liefert Chamber Music durch die Verwandlung gewählte Werke und Interventionen des französi- des Museumseingangs in einen Klangraum eine schen Komponisten Erik Satie (1866–1925). Zent- bejahende Antwort auf Connors Frage, die er in rales Element der Ausstellung mit dem Titel Black Reaktion auf Schafers Feststellung, die Geschichte Thoughts war eine Interpretation von Saties Kom- der europäischen Musik ließe sich als Geschichte position Vexations (1893), einem kurzen, lediglich von Behältern schreiben4, stellt: «How can sound ein Notenblatt füllendes Musikstück, welches der be experienced as at once the diffuser and the buil- französische Komponist mit der Anweisung verse- der of bounded space?» (2005: 134f.). hen hatte, es solle 840 Mal wiederholt werden. Betrachtet man Chamber Music unter dem Statt dieser Anweisung zu folgen, verfasste Mey- Gesichtspunkt eines Immersionsbegriffs, der weni- ers eine eigene, einen Bezug zu Vexations herstel- ger dem geschlossenen Raum als vielmehr dem lende Komposition mit dem Titel Vexations II, die Klangraum verhaftet ist, so sprengte die Bewe- er anschließend 840 Mal niederschrieb6 und die gung der Türen nicht das immersive Moment, in der Ausstellung die Wände des zentralen Gale- sondern naturalisierte es vielmehr. Statt Klang an rieraums bedeckte. In der Mitte dieses Raumes den Raum zu binden – wie es die Moderne getan hat – betont Connor die Diffusionskraft von Klang. 5 Kattrin Deufert betont in ihrer Dissertation zu John Ca- Gerade das Volumen, das eine wichtige spezifische ges Theater der Präsenz die Indifferenz experimenteller Mu- Eigenschaft von Klängen darstellt, macht sie, so siker gegenüber Konzertmitschnitten oder Audiodateien. Sie Connors Überzeugung, zu einem per se räumli- müssten maximal als Dokumentationen begriffen werden, chen Phänomen, wobei diese Definition von Raum könnten jedoch «in keiner Hinsicht den ästhetischen oder sozialen Spielraum der Stücke [erfassen]» (Deufert 2001: 7). wenig mit jenem zu tun hat, der sich über Wände 6 Das gegenwärtig vielfach aufgegriffene Thema der Wiederholung prägt derzeit auch das kommerzielle Musikge- 3 «I think it is in part this power of sealing or marooning schäft wie die jüngsten Aktionen der Pop-Musiker Jay Z oder things in their visibility, this allergy to things that spread, Pharrell Williams beweisen. Beide basierten die Vermark- that makes galleries so horribly fatigiung and inhuman: at tung ihrer Hits Picasso Baby (Jay Z) sowie Happy (Pharrell least to me» (Connor 2005: 130). Williams) auf mehrstündigem, eine Vielzahl von Performan- 4 «Music has become an activity which requires silence for ces unterschiedlichster Akteure vereinendem Videomateri- its proper presentation – containers of silence called music al. Die Aufnahmen entstanden zum einen während eines rooms . [...] In fact it would be possible to write the entire sechsstündigen Performancemarathons in einer New Yorker history of European music in terms of walls [...]» (Schafer Kunstgalerie (Picasso Baby) bzw. während eines Tages in 1992: 35). den Straßen Los Angeles (Happy). 62 Christina Landbrecht Ü 2 Ari Benjamin Meyers, Vexations 2, 2013. (© Andrea Rossetti 2013) Ü 3 Ari Benjamin Meyers, Do you have black thoughts? Tell me about it afterwards. Specialist in Funeral Marches, 2013. (© Andrea Rossetti 2013) befand sich ein präparierter Flügel (kurioserweise Serious Immobilities stammte auch dieser aus dem Jahr 1893), der auf As-Dur gestimmt wurde – jenem Ton, den Satie in Der dritte Teil der Ausstellung war als Live-Perfor- Vexations nicht verwendet hatte. mance mit vorab kommunizierten Aufführungs- Ein weiteres Element der Ausstellung war die zeiten an fünf aufeinander folgenden Samstagen Platzierung von Werbeanzeigen ähnlichen Interven- (jeweils von 11–18 Uhr) sowie einer Zusatzperfor- tionen in internationalen Kunstmagazinen, die als mance am 20. September 2013 konzipiert. In dem Hommage an Saties hin und wieder in der Pariser im Altbaustil mit einer Stuckdecke belassenen Tagespresse geschalteten absurden Einzeilern zu Nebenraum der Galerie, der für die Dauer der Aus- verstehen waren (Abb. 2 + 3). Letztere entsprangen stellung mit schwarzem Teppichboden ausgelegt dem Enthusiasmus Saties für die Dada-Bewegung, worden war, führte ein ‹Quintett› bestehend aus mit deren französischen Vertretern, u. a. Tristan drei Sängerinnen sowie E-Bass und E-Gitarre eine Tzara, Man Ray oder Jean Cocteau er in engem aus acht Modulen bestehende Komposition auf Austausch gestanden hatte. (Abb. 4), wobei die Länge der einzelnen Module At first it’s just an empty space... 63 Á 4 Ari Benjamin Meyers, Performance Serious Immobilities, 2013. (© Andrea Rossetti 2013) in Absprache der Performer untereinander variabel Auf ähnliche Weise war auch Serious Immo- interpretiert werden konnte. bilities als eine Arbeit angelegt, die als soziales Die Dauer der Module hing dabei nicht allein Werk im Sinne eines Dialogs zwischen Performern von der physischen Verfasstheit der Performer und Publikum verstanden werden muss. Das zent- ab, sondern resultierte auch maßgeblich aus der rale Anliegen bestand darin, die in ihrem Ablauf Ko-Präsenz von Akteuren und Publikum. Da das fixierte klassische Darbietung von Musik bewusst Publikum die Performer förmlich umschloss  – sie aufzugeben, um vielmehr das Zufällige, Nicht- nahmen die Mitte des Raumes ein, während das Geplante bzw. erst im Verlauf der Aktion sich Ent- Publikum entlang der Wände auf dem Boden Platz wickelnde in den Vordergrund zu rücken. Mit der nahm – war der Austausch, um nicht zu sagen die Präsenz der Performer, aber auch ihrem Bewusst- Kommunikation beider Parteien ein essentieller sein darum, das Publikum in die Musik zu integ- Bestandteil der Aufführungen. Analog zum Thea- rieren, gelang eine einzigartige Atmosphäre, die terverständnis der Avantgarde7, das sich im Zuge zum einen dadurch sichtbar wurde, dass die Zuhö- der Entwicklung des Regietheaters in den 1930er rer über Stunden im Raum verblieben. Zum ande- Jahren ausgebildet hatte, war Serious Immobilities ren fand sie aber auch Einzug in die Berichte der nicht als Performance im Sinne einer Interpreta- Presse. Gelobt als «Hörerlebnis» (Nungesser 2013: tion schriftlich fixierter Noten konzipiert, sondern k.S.) und «spectacular viewer experience» (Beeson als eine musikalische, kommunikative und ges- 2014: 226) beschworen zwei Kritiker in ungewöhn- tische Situation, welche die aktive Rezeption der lich emotional gefärbter Manier den Erfahrungs- Zuschauer stimulierte. Bereits 1939 hatte der Kom- wert der Performance und betonten zugleich, ein- ponist und Musiker John Cage das Potenzial dieser ander konterkarierend, auch die beiden Aspekte, neuen europäischen Theaterformen entdeckt und aus denen dieser Mehrwert resultierte: nämlich begonnen es für ein neues Verständnis fruchtbar dem Sehen und dem Hören gleichermaßen. zu machen, welches Musik als Prozess denkt: Bear- Der Dialog zwischen Hörenden und Musizie- beitung und Ausführung sollten nicht auf schrift- renden wurde aber nicht nur in den Reaktionen lich fixierten Noten und Anweisungen basieren, des Publikums sichtbar. Er wurde auch durch ein sondern sich im Prozess der Aufführung formen vorab einstudiertes gestisches Zeichensystem und ausbilden. visuell nachvollziehbar. Dieses Kommunikations- system ermöglichte es den Performern, bestimmte Instrumental- oder Gesangsphasen zu verlängern 7 Prägend hierfür war Antonin Artauds Schrift Le Théâtre et son Double (Das Theater und sein Double), eine Samm- und dadurch atmosphärisch zu intensivieren oder lung von Texten, die 1938 erstmals in gesammelter Form er- im Falle, dass das Publikum aktiv wurde und sich schien und die Theaterszene nachhaltig beeinflussen sollte. durch Klatschen, Summen oder anderen Einmi- 64 Christina Landbrecht schungen an der Produktion der Musik beteiligte, einen Bann gezogen wurden, der ein immersives diesen Moment auszukosten, um es dem Publikum Erleben im physischen wie akustischen Sinne über- zu ermöglichen, den Klangraum aktiv mitzugestal- haupt ermöglichte. ten und sogar ein Teil von ihm zu werden. Dieses Die Performance als immersives Erlebnis auszu- Angebot des Eintauchens und Teilnehmens an gestalten hing bei Serious Immobilities folglich von die Zuhörer wurde dadurch erleichtert, dass die zwei Komponenten ab: Zum einen war die Kom- Struktur der Komposition eine per se offene war. position geprägt von einer Rhythmik und einem Die Performer hatten keine Anweisungen erhalten, stimmlichen Arrangement, welche den Zuhörer in wie lange ein Modul oder gar die Gesamtlänge der Bann zog – auch durch die Art und Weise, wie die acht Module dauern sollte. Es blieb ihnen über- rhythmische Basslinie der verstärkten Instrumente lassen, ob sie pro Aufführungstag lediglich ein von den (unverstärkten) Sopranstimmen der Sän- Modul, alle acht oder nur zwei, drei, fünf oder sie- gerinnen konterkariert wurde. ben darboten. Auch die Dauer eines jeden Moduls Zum anderen spielte die Präsenz der Performer konnten sie einerseits von ihrer Kondition und und der Aspekt der Zeit eine wesentliche Rolle. andererseits von der Atmosphäre im Raum und Denn bedingt durch die beliebige Dehnung und den Reaktionen des Publikums abhängig machen. die Wiederholungen einzelner Passagen erinnerte Meyers selbst erklärte in einem Gespräch mit der die Musik stellenweise an ein Mantra. Autorin, die Rolle der Performer wäre mit derjeni- Atmosphärisch mag sich der musikkundige gen eines DJs vergleichbar – es hing von ihnen ab, Besucher an La Monte Youngs und Marian Zazee- die Reaktion der Zuhörer zu lesen, zu interpretieren las Dream House Performance für die von Harald und darauf zu reagieren8. Szeemann kuratierte fünfte documenta im Jahr 1972 erinnert gefühlt haben. Denn ähnlich La Die Immersionskraft der Wiederholung Monte Youngs Idee einer ewig währenden Musik konnte der Zuhörer bei Serious Immobilities kein Die offene Struktur rief schließlich eine eher ‹vir- Gefühl für einen Anfang oder ein Ende ausma- tuelle› denn reale Zeit auf den Plan und konnte chen. Er konnte so in einen musikalischen Loop dadurch einen Grad der Entfaltung erreichen, der geraten, der ihm nicht nur jedes Zeitgefühl entzog, durch kompositorisch festgezurrte Vorgaben nicht sondern auch zum immersiven Erlebnis im Sinne behindert wurde. Ein solches Vorgehen harmoniert eines Zeitempfindens, das durch die Musik konsti- mit einem Zeitmodell, das John Paynter als Ideal tuiert wurde, avancierte. formuliert hatte, um Musik zu ihrer Entfaltung zu verhelfen: Immersion durch Präsenz The ultimate musical power is released only through [...] careful elaboration, extension and development Das Insistieren von La Monte Young auf das Atmo- [...] to make a form which completes itself within a sphärische und ein Eins-Werden mit der Musik, das duration which performers and listeners perceive as für die Hippie-Kultur und deren Interesse an ande- appropriate to the nature of ideas. It is this model of ren Bewusstseinszuständen charakteristisch war, time which gives true musical satisfaction. haben mit Meyers’ Ansatz jedoch wenig zu tun. (1992: 27) Im Gegensatz zu Youngs und Zazeelas Auffassung von Musik als einem Medium, das den Rückzug Im Hinblick auf die Reaktionen der Besucher der ins Innere befördern sollte, ist Meyers interessiert Ausstellung Black Thoughts könnte man hierbei an einer Erhöhung des Bewusstseins für die Situ- ergänzen, dass nicht nur die musikalische Form ation, in der sich der Zuhörer befindet. Es geht von diesem Interpretationsansatz profitierte, son- ihm darum, mit den Mitteln der Musik eine inten- dern die Zuhörer auch durch die Mechanismen sivierte Rezeption des Geschehens zu stimulieren. der zeitlichen Dehnung und der Wiederholung in Statt den Zuhörer dazu zu bringen, sich zurückzu- ziehen, soll er vielmehr für seine Umwelt sensibili- siert werden. 8 Im Intro des Hot Chip Essential Mix vom 6. Februar 2012 für den britischen Radiosender BBC erklärte Bandmitglied Joe Goddard: «I think DJing is all about reading a crowd’s Ein solches physisches statt psychisches Empfinden reactions and responses and learning about how to make von Immersion ist für Laura Bieger ein essentieller people excited and have fun» (Soundcloud 2012: k.S.). Bestandteil jener Kultur, die sie als Die Ästhetik At first it’s just an empty space... 65 der Immersion bezeichnet hat und die für sie eine und erklärt diese als «vorbewusste, präsprachliche Ästhetik emphatischen körperlichen Erlebens dar- Reaktion, die bei der Intuition und beim Affekt stellt. In ihrem Buch macht sie diese zwar in erster ansetzt» (ebd.). Wichtig ist ihm dabei der räum- Linie für Bilder und Architektur stark – man kommt liche Charakter des Atmosphärischen, da gerade jedoch, wenn man die Chance hatte, Serious Immo- die Räumlichkeit dem Menschen ein Erleben von bilities zu erleben, nicht umhin, ihre These, dass Atmosphäre in seiner leiblichen Präsenz ermög- Raum seit dem beginnenden 20. Jahrhundert von licht. Tatsächlich machen die Installationen Mey- einer imaginären Dimension gekennzeichnet ist, ers eine solche Interaktion und ein solches Erleben vom Projektions- auf den Klangraum erweitern. Für durch die leibliche Präsenz stark: Sie warten förm- Bieger sind lich darauf, von den Besuchern aktiviert zu werden. [i]mmersive Räume [...] ein markanter Teil der Ästhe- Der Glaube an das Publikum und die transfor- tisierung von Lebenswelten, die unsere heutige Kultur mative Kraft, die seine Präsenz auf das musikali- so nachhaltig prägt. Es sind Räume, in denen Welt und sche Geschehen hat, bilden vorrangig jene Ele- Bild sich überblenden und wir buchstäblich dazu einge- mente, die Ari Benjamin Meyers’ künstlerischen laden sind, uns in die Welt des Bildes zu begeben und Ansatz auszeichnen. Musik, so sein Anliegen in in ihr zu bewegen. (2007: 9) aller Kürze, soll ein ähnliches reflektiertes und ästhetisches Erleben evozieren wie es für Kunst- Die Integration des Klangraumes in dieses Raum- werke seit Jahrhunderten in Anspruch genommen verständnis leuchtet besonders dann ein, wenn wird. man sich Steven Connors Plädoyer für eine Räum- lichkeit von Klang vor Augen führt. Seiner Mei- Something is astir nung nach kann sich der Zuhörer einen Klangraum als begehbaren Raum vorstellen, weil Klang der Musik ist ein lebendiges und heute mehr denn je menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit zufolge populäres Kulturgut – wer definiert sich schließlich ein Volumen besitzt. Die Vorstellung eines solchen nicht über die Playlist auf seinem iPod oder Mobil- Klangraumes wiederum basiert auf dem Akt des telefon? Sozialer Wandel und technische Entwick- Hörens: lungen aber haben sowohl den Umgang mit Musik As with sight, [...] the ear ‹half-creates› what it thinks als auch das Verständnis von ihr grundlegend ver- it hears. This language of sound is spatial. [...] In other ändert. Sie avancierte ebenso zum Konsumgut wie words, the spatiality of sound is a reflex, formed by the Mode oder Computerspiele und gerade ihre Allge- projective, imagining ear, the ear commandeering the genwärtigkeit hat eine erschütternd passive Hal- eye to make out the space it finds itself in. It is in this tung ihr gegenüber befördert: «the more music we sense that ears may be said to have walls. have, the less we value it, the less it means anything (Connor 2005: 135) of real importance to us» (Paynter 1992: 25). In Anbetracht der Rezeption von Serious Immo- Das physische Eintauchen in einen als räumlich bilities sowie Chamber Music überrascht es daher erfahrenen Klangraum ist bei den Musikinstal- nicht, dass Serious Immobilities, weil diese ‹Instal- lationen Meyers’ ein Ähnliches wie es Christian lation› physisch anwesende Musiker integrierte, Teckert für architektonische Räume beschrieben anders rezipiert wurde als Chamber Music, die sich hat, die bei Parametern wie Intuition und Affekt nur über eine digital eingespielte Stimme in einem ansetzen9. Man kann für Meyers’ Installationen ein ansonsten ‹leeren› Raum offenbarte. Im Fall, dass Bild aufrufen, das Teckert für die von ihm beschrie- nichts zu sehen ist, sinkt die Reaktionsbereitschaft benen Architekturen stark macht. Er spricht dabei der Rezipienten enorm. von einer «‹atmosphärische[n] Interaktion› zwi- Immersives Erleben mag dem Klang zwar förm- schen Subjekt und Objekt» (Teckert 2012: 387) lich eingeschrieben sein  – es scheint jedoch als müsste noch ein langer Weg beschritten werden, bevor diese Art der Immersion in vollem Ausmaß 9 Teckert nennt beispielhaft Diller und Scofidios Blur Buil- im Kunstkontext rezipiert werden kann. Ari Ben- ding («eine architektonische Apparatur zur Erzeugung einer jamin Meyers ist in dieser Hinsicht ein Pionier Wolke, die das Gebäude selbst zum Verschwinden bringt [...]») oder die Projekte von Phillippe Rahm, «der eine Art immersiver Klangräume im Ausstellungskontext. Raumästhetik der dislozierten Klimabedingungen anstrebt Ein Pionier aber hat nicht nur die Möglichkeit eine [...]» (2012: 387). eigene Ästhetik zu definieren. Er rüttelt auch die 66 Christina Landbrecht tradierte Ästhetik gehörig auf, wie das gespannte Nungesser, Michael (2013): Flüssige Gedanken. In: Erwarten und zögerliche Abwarten der Kritiker und Tagesspiegel vom 1.10.2013. Online: http:// Kuratoren in Reaktion auf Meyers’ bisherige Arbei- www.tagesspiegel.de/klangkunst-fluessige-gedan- ten zeigt. Gerade diese erregte Spannung aber ken/8859950.html [26.06.2014]. beweist: «[...] when music moves into new contexts O’Doherty, Brian (1996) In der weißen Zelle [engl. 1976]. and takes on new forms, something is profoundly Berlin: Merve. astir» (Schafer 1992: 38). Paynter, John (1992): Music and People: The Import of Structure and Form. In: Companion to Contemporary Musical Thought. Hg. von John Paynter et al. London & New York: Routledge. S. 25–33. Literatur Schafer, R. Murray (1992): Music, Non-music and the Beeson, John (2014): Ari Benjamin Meyers, Esther Schip- Soundscape. In: Companion to Contemporary Musi- per. In: Artforum, 52, 5. S. 226. cal Thought. Hg. von John Paynter et al. London & Bieger, Laura (2007): Ästhetik der Immersion. Raum-Erle- New York: Routledge. S. 34–45. ben zwischen Welt und Bild. Las Vegas, Washington – (1994): The Soundscape: our sonic environment and und die White City. Bielefeld: Transcript. the tuning of the world, 1. erw. u. erg. Auflage [engl. Böhme, Gernot (1991): Atmosphäre  – Grundbegriff 1977]. New York: Alfred Knopf, Inc. einer neuen Ästhetik. Online: www.integralart.de, Soundcloud (2012): Hot Chip Essential Mix. Online: http://www.integralart.de/content/projekte/ https://soundcloud.com/everybodywantstobe- bauhuette-klangzeit-wuppertal/files/Boehme.pdf thedj/hot-chip-essential-mix-2012–06 [26.06.2014]. [26.06.2014]. Teckert, Christian (2012): Intuition / Affekt / Autopilot. Cage, John (1961): Silence – Lectures and Writings. Midd- Zur Problematik immersiver Umgebungen in Archi- letown, CT: Wesleyan University Press. tektur, Kunst und Raumproduktion. In: Intuition. Hg. Connor, Steven (2005) Ears Have Walls: On Hearing Art. von Petra Maria Meyer. München: Fink. S. 380–397. In: Sound. Hg. von Caleb Kelly. London & Cambridge, Thompson, Emily Ann (2002): The Soundscape of Moder- MA: Whitechapel Gallery & MIT Press. S. 129–139. nity. Architectural Acoustics and the Culture of Lis- Deufert, Kattrin (2001): John Cages Theater der Präsenz. tening in America, 1900–1933. Cambridge, MA & Phil. Diss., Freie Universität Berlin. London: Massachusetts Institute of Technology Press. At first it’s just an empty space... 67 exhIbItIng radIo Sound transForming the exhibition sPace into an auditorium1 Christian Hviid Mortensen Abstract/Zusammenfassung exhibitions are traditionally visually oriented, and exhibiting radio heritage as audio artefacts requires a transformation of the exhibition space into an auditorium as a listening space. however, this auditorium should not be modelled on the fixed liste- ning position of the concert hall. instead, it should retain the free-choice immersive environment of exhibitions. this article accounts for the design intentions of such a transformation and follows with an examination of observations and reported experiences from visitors. inspired by Pierre schaeffer’s dual concept of the sound object and reduced listening, it is suggested that this foregrounding of sound in exhibitions entails both a phenomeno- logical concept of museum artefacts and an exhibition design that enables focused listening as audio artefacts are objects of perception constituted in situ. the study shows that exhibition elements aid the atmospheric and immersive listening experiences of visitors. the listening experience is subjective, as it can trigger personal memories, but the emotional responses of visitors are not entirely idiosyncratic. i argue that transforming the exhibition into a listening space provides an enga- ging platform for disseminating radio heritage as audio artefacts. in addition, such a transformation can broaden the visitors’ conception of what kinds of experiences the museum exhibition can provide. Ausstellungen sind traditionell eher visuell orientiert, doch benötigt eine Ausstellung des Radio-Erbes als auditive Artefakte eine Transformation des Ausstellungsraumes in ein Auditorium – in einen Hörraum. Allerdings sollte dieses Auditorium nicht nach den festgelegten Hörpositionen einer Konzerthalle modelliert werden. Stattdessen sollte es die Möglichkeit des freien Eintauchens beibehalten, wie es in traditionellen Ausstellungen auch gegeben ist. 1 The author would like to thank his colleagues Heidi Svømmekjær and Vitus Vestergaard for their invaluable help with this project. Heidi’s research on radio history was the foundation for this exhibition, and she managed all the copywriting and collecting of illustrations for the cata- logue. Vitus was the technological mastermind behind Exaudimus. Also, the help of Elizabeth Landbo from Snitkergroup in conducting the visitor study and transcribing the interviews should be acknowledged. Finally, the author is grateful to the Danish Agency for Culture for funding the visitor study and to the LARM Audio Research Archive for funding the overall research project, Displaying Sound: Radio as Intangible Heritage in a Museological Context. 68 Christian Hviid Mortensen Der Artikel beschreibt die Designvorgaben für eine solche Transformation, indem er geschilderte Beobachtungen und Erfahrungen von Besuchern untersucht. Inspi- riert durch Pierre Schaffers duales Konzept des sound object und reduced listening wird angenommen, dass die Vordergründigkeit des Sounds zum einen ein phänome- noloogisches Konzept von Ausstellungsstücken beinhaltet und zum anderen ein Aus- tellungsdesign mit sich bringt, das fokussiertes Zuhören von auditiven Artefakten als Objekten erlaubt. Die durchgeführte Studie zeigt, dass Ausstellungselemente das atmosphärische und immersive Erleben der Besucher unterstützen. Das Hörerlebnis ist zwar sub- jektiv, da persönliche Erinnerungen getriggert werden können, es zeigt sich aber, dass die emotionalen Reaktionen der Besucher nicht komplett verschieden sind. Ich vermute daher, dass die Transformation der Ausstellung in einen Hörraum eine Plat- tform dafür bereitstellt, das Radio-Erbe als auditive Artefakte zu verbreiten. Introduction as secondary in exhibitions (e.g. an audio guide or a soundscape). In order for this foregrounding of It was like entering a gallery, but every picture sound to occur, a change in the perceptions of the that you looked at was a sound clip! And I have visitors is also required: a change of focus from the not experienced that before! (David, 41) visual to the auditive. This process could also be described as a change from hearing to listening, where listening is an intended activity, while hea- Regarding sound, such as radio heritage, as arte- ring is just a passive registration of the surrounding facts to be exhibited in a museum context presents auditive environment (see Brown 2010: 130). Thus, a series of curatorial challenges. Elsewhere, I have the exhibition design should enable this perceptual touched upon the general challenges regarding change and support focused listening. This notion delineating, collecting, documenting and preser- of focused listening does not correspond directly to ving sound artefacts (see Mortensen 2013). Here, I Schaeffer’s reduced listening, but we used similar adopted a more Cartesian view of sound artefacts deconditioning techniques to enable the radio arte- as objects that could be collected, stored and pre- facts to appear as sound objects for the visitors, as served by museums. However, in this article I wish expressed by David in the introductory quote. to develop a phenomenological view of sound arte- In the literature on museum studies there is facts, inspired by Pierre Schaeffer’s dual notion of a recurrent call for deep studies of the interface the sound object and reduced listening in Traité des between the exhibition design and the visitor that Objets Musicaux (1966).1 Such a view is suitable examine the environmental opportunities avail- for understanding the specific practical implica- able to visitors as well as the experiences that tions of designing an exhibition to be a platform result from those opportunities (see Roppola 2012: for displaying audio artefacts and understanding 49–50). This article offers such a study by present- the resulting experiences of the visitors. Exhibitions ing both design intentions and visitor experiences are traditionally a visually oriented means of com- in a listening exhibition. The implemented design munication, and exhibiting radio heritage entails strategies are accounted for, followed by an exami- a transformation of the exhibition space into an nation of the observations and reports of visitors. auditorium in the original Latin meaning of the The element of sound is foregrounded when trans- term; it is transformed into a listening space. This forming the exhibition space into an auditorium. means a reversal of the usual relationship bet- Thus, the article will focus on listening experiences ween the material objects as primary and sound and their immersive and atmospheric qualities. The kind of auditorium resulting from a trans- 1 The author is not proficient in French and has been una- formation of the exhibition space should not be ble to obtain an English translation of this work. Therefore, modelled on the modern concert hall as a listening he relies upon Michel Chion’s Guide to sound objects: Pierre Schaeffer and musical research (1983) for an account of place, with its frontal orientation and fixed listen- Schaeffer’s position. ing position bifurcating the space into separate Exhibiting Radio Sound 69 sections for performance and for listening (see Enabling focused listening and Rogers 2013: 91). Instead, the exhibition should constituting audio artefacts retain its character as a free-choice environment that provides the visitor with the agency to shape The exhibition as an auditorium should be a stage a coherent experience (see Roppola 2012: 168). on which sound can appear to the visitor as audio Listening is a more immersive experience than artefacts. This sets some particular requirements viewing, as the nature of sound is absorbing and for the exhibition design. First, the design should omnidirectional, while the visual perspective is provide a technological platform for delivering the focused and targeted (Brown, 2010: 1). Sound is audio artefacts. Second, the design should ena- even hailed as the «immersive medium par excel- ble the visitors to focus their listening. Third, the lence» (Dyson 2009: 4). Therefore, we designed an design should foreground sound by reducing the experimental exhibition of radio heritage around visual aspects of the exhibition. the immersive experience of using your body as a The aim of the listening exhibition was to dis- tuning dial as we know them from analogue radio seminate radio sound in a novel fashion by dis- sets. In the exhibition You are what you hear2, you playing it as audio artefacts distributed across an can locate different radio soundtracks in the exhi- exhibition space rather than providing radio sound bition space by moving around and positioning through a listening kiosk. To this end, we designed your body according to the props that constitute the system, Exaudimus, as the technological plat- the mise-en-scene of the exhibition (e.g. lying on form for the exhibition. Exaudimus enabled us the bed or sitting on the bicycle). Several fea- to send a soundtrack to four individual headsets tures of the sound design correspond to the sonic simultaneously depending upon their location effects identified by Augoyard and Torgue in their within the gallery space. Further, Exaudimus was catalogue Sonic Experience: A Guide to Everyday designed to support the conceptual metaphor of Sounds (2006). I will use their terminology to embodied tuning. We wanted the visitors to use explicate these features as a background for under- their body as a tuning dial when moving about the standing the visitors listening experiences. gallery. To achieve this effect, the default sound Following these introductory remarks, in the in the headsets was static noise, which gradually next section I will develop a phenomenological crossfaded into an audio artefact when the visitor concept of audio artefacts as being constituted approached one of the predefined sound spots in by the focused listening of visitors in situ. Here, the gallery. For a more detailed account of Exau- I will also account for the exhibition’s design ele- dimus and embodied tuning, see Mortensen and ments and deconditioning techniques, which ena- Vestergaard (2013). Exaudimus established a layer ble focused listening. The listening exhibition was of augmented reality throughout the gallery, creat- intended as an immersive experience, so in Section ing the illusion that the sound of the audio arte- 3 I will describe the immersive experiences envi- facts was coming from the props in the exhibition sioned for the visitors and the immersive strate- (i.e. the furniture). So when the visitor lay on the gies we employed in the exhibition’s design. Then, bed or sat on the bicycle, he or she received a dry 3 before the Findings section there will be a brief signal. This kind of auditive illusion is identified section outlining the method for studying the visi- as the sonic effect of delocalisation introduced by tors and collecting the data. Rather than including Augoyard and Torgue. The listener knows exactly a separate section for the discussion, the points where the sound seems to come from, but is simul- for discussion are incorporated into the Findings taneously aware that this is an illusion as the section, where appropriate. sound is actually coming from the headset (see Augoyard & Torgue 2006: 38). The metaphor of embodied tuning is supported by a combination of several other sonic effects, namely, imitation, quotation, coupling and cross- fading. Exaudimus imitates the stylistic features of fine-tuning on an analogue radio set by coupling 2 The listening exhibition You are what you hear was held at the Media Museum in Odense, Denmark. The exhibition ran from October 2012 until January 2013. The author acted 3 A short proof of concept film of Exaudimus is available as curator and project manager for the project. here: http://wp.me/p1uGlo-4h [15.08.2014]. 70 Christian Hviid Mortensen the audio artefacts with static noise via crossfad- of the original broadcast material (see Augo- ing (see Augoyard & Torgue 2006: 29, 59). There- yard & Torgue 2006: 37). This recontextualisa- fore, the effectiveness of the metaphor structuring tion of broadcast material as exhibition artefacts the visitor experience is dependent upon the visi- enhances the acousmatic experience of listening tor’s recognition of these features as cultural codes to radio, an experience which is further enhanced for radio fine-tuning, which are not associated by the delocalisation effect resulting from the aug- with listening to contemporary digital radio. This mented reality created by Exaudimus (Augoyard & became evident when several visitors assumed Torgue 2006: 38). Secondly, we reduced semantic the headset was broken upon hearing the static. listening by using segments of only two min. dura- The audio artefacts themselves are not imitations tion, rather than entire radio shows, which would but quotations as fragments of actual broadcasts constitute a semantic unit. Thirdly, we tried ‹fixing› (see Augoyard & Torgue 2006: 86). In addition, the sound as an object by replaying in a constant their status as quotations is highlighted by accom- loop. Fourthly, while headsets are often regarded panying signs identifying the original source (i.e. as a necessary evil when introducing sound in metadata on the labels). The imitation effect is a exhibitions, because they can be an ‹eyesore› and function of style, while the quotation effect is a hinder social interaction between visitors, they can function of content. have the effect of focusing the visitor’s attention We can qualify the attitude of focused listening by minimising external distractions. According to we wanted to cultivate in our visitors by comparing R. Murray Schafer, headphones cause the sound to it to Pierre Schaeffer’s similar concept of reduced emanate within the head of the listener, and there- listening. Schaeffer himself commented on the fore headphones augment concentrated listening fundamental acousmatic nature of radio sound. (see Dyson 2009: 81). Museum visitors also report According to Schaeffer, the acousmatic situation, that they feel more immersed in the exhibition con- in which the source of the sound is concealed, is a tent through a headset than via loudspeakers (see favourable condition for reduced listening as the Roppola 2012: 199). However, Schmidt comments sound can be focused on as a sound object inde- that listening via headphones seldom creates pendent of its cause or meaning. The concealment a separate internal field of sound, as the sound of the source can be by proxy, such as a radio set will integrate itself with the surrounding sonic or loudspeaker. This dissociation of sound from its environment depending on how tightly fitting the cause and semantic meaning can be furthered by headphones are (see Schmidt 2013: 107). For this the repetition of the sound fragment (see Chion reason, we chose a tightly fitting headset in order 1983: 11). Schaeffer develops a phenomenological to exclude, or at least minimise, the influence of concept of a sound which is not a simple transla- the aural architecture of the gallery space on the tion of the physical signal; instead, the perceived listening experience.4 sound is a correlation between the signal and lis- These deconditioning techniques all contribute tening intention. Reduced listening is a certain to a distancing of the listening experience from kind of listening intention that constitutes sound ordinary listening, and thus enable a more focused as an object in itself, not just as a vehicle for mean- listening similar to Schaeffer’s reduced listening, ing, as in ordinary listening. Thus, a sound object which constitutes the sound as audio artefacts in in Schaeffer’s sense does not exist independently situ when the visitors are listening. The listening of a listener (see Chion 1983: 30–32). experience, with its attendant personal memories The audio artefacts in our exhibition are not and emotional responses, is thus co-created when comparable to sound objects in a strict Schaef- the visitor encounters an audio artefact in the ferian sense, as they are more composite objects; exhibition environment (see Roppola 2012: 59). however, we used similar techniques in order to ‹objectify› the sound and enable a form of reduced listening for the visitors. Firstly, a main point of the exhibition was to foreground segments of ordi- nary flow radio, which is produced to play in the 4 Blesser and Salter (2007) define aural architecture as background, thus bringing attention to this kind the properties of space that can be experienced by listening of radio sound. This foregrounding could also be in Spaces Speak, Are You Listening? Experiencing Aural Ar- characterised in terms of the decontextualisation chitecture. Exhibiting Radio Sound 71 Immersive strategies for transforming Augoyard and Torgue define the sonic effect the exhibition into an auditorium of immersion as «the dominance of a sonic micro- milieu that takes precedence over a distant or The literal meaning of immersion is to be plun- secondary perceptive field» (2006: 64). From the ged and submerged in liquid. However, it is also moment they put on headsets in the exhibition, the used in a transferred and figurative sense: being visitors are immersed in a sea of static noise from absorbed in some condition, action, interest, etc. which the audio artefacts appear when the visitor (see OED 2013). Thus, the experience of immersion approaches one of the designated sound spots. This could be a bodily or mental experience (or both). appearance could be further characterised by the According to Murray, «we seek the same feeling emergence of a niche as «an occurrence of a sound from a psychologically immersive experience that emission at the moment that is the most favour- we do from a plunge in the ocean or swimming able and that offers a particularly well-adapted pool: the sensation of being surrounded by a place for its expression» (Augoyard & Torgue 2006: completely different reality, as different as water 47, 78). For example, a pedestrian walking on a is from air, that takes over all our attention, our street with dense traffic will wait for a moment of whole perceptual apparatus» (1997: 98). Morse relative calmness in the stream of cars (i.e. a niche) further distinguishes between immersion as a to hail someone on the other side of the street. In metaphor for a state of mind and a descriptor for the listening exhibition, this niche effect is artifi- «cultural forms and techniques thought to induce cially produced, as it is pre-programmed into Exau- that state» (Morse, 2003: 1). Museum exhibitions dimus. As the visitor approaches the sound spot, are such a cultural form and utilise a wealth of the static noise will gradually crossfade into the techniques to create immersive experiences for audio artefact. Once the visitor reaches the sound visitors. On a general level, one can distinguish spot (a sphere approximately 1 m in diameter), between exhibits that are reconstituting, creating the static noise is cut out and the visitor gets a or interpreting a reference world. Reconstituting dry signal to achieve the optimal appreciation of exhibits aim at recreating an external reference the audio artefact and the feeling of immersion. world as authentically as possible (e.g. a life-sized Augoyard and Torgue characterise this feeling as streetscape). Exhibits of the creating type create a the sonic effect of envelopment: «The feeling of fictitious environment (e.g. a tunnel enabling visi- being surrounded by a body of sound that has tors to explore the five senses). The third exhibit the capacity to create an autonomous whole, that type interprets an existing reference world in an predominates over other circumstantial features of indicative or symbolic way (e.g. a walk-through the moment […] The accomplishment of this effect model of the human heart) (see Roppola 2012: is marked by enjoyment, with no need to question 32). The listening exhibition under consideration the origin of the sound» (2006: 47). falls into the interpretative category. According We chose a headset-based solution to support to Roppola, the interpretive exhibit type is espe- the focused listening of the visitors. But the sound cially useful for catalysing abstract experiences. that plays in the headphones, which is so ubiq- This is the case when we use embodied tuning as uitously present in museums, is rarely designed a conceptual metaphor for exhibiting radio sound, for headphones, as pointed out by Stankievech. as listening to radio would not normally involve Therefore, the potential for creating spatialised ‹channel-hopping› by repositioning your body. sound (e.g. with binaural recordings) is not fully In the following, I will give an account of the utilised (see Stankievech 2007: 57). This was also immersive experiences envisioned for the visitors the case in our listening exhibition because the and the immersive strategies we employed in the audio artefacts consisted of original broadcast listening exhibition. First, I will account for the lis- material. So, the sound playing in the headsets tening experience provided by Exaudimus using was in stereo, which created a reduced experience the vocabulary of sonic effects of Augoyard and of spatiality while listening. However, compared to Torgue. Then, I will account for the spatial strate- mono sound, stereo sound has a more surround- gies we employed, and then the semantic strategy ing effect because it simulates a horizontal audi- of mental imagining we used on the interpretative tive space. Thus, a two-dimensional spatiality is labels. Finally, I will account for the performance created along an imaginary axis between the ears aspect of the exhibition. (see Schmidt 2013: 102). The consequence for the 72 Christian Hviid Mortensen listening experience was that the visitor could only being such properties from which something can determine their proximity to an audio artefact, not proceed. That is, it is a question of ‹making› atmos- specifically where the audio artefact was located pheres through work on an object» (1993: 123). in relation to their body. This resulted in a more Thus, the overall exhibition design should provide groping approach when the visitors tried to ‹tune a mood that enables the visitor to experience the in› to the audio artefacts by moving their bodies. atmosphere, as a mental or emotive tone, of each We intended the exhibition space of the listen- audio artefact. Other than the darkened gallery, ing exhibition to be radically different from the rest this intention resulted in minimalistic exhibition of the surrounding museum, and wanted entering architecture, with each listening situation recre- the gallery to be like ‹plunging into another world›. ated symbolically with a few props as opposed to Therefore, we curtained off the gallery space with entire interiors. Finally, we kept most of the contex- a large portal shaped like a transistor radio set. tual and interpretative information in a catalogue, The visitors had to pass through the black curtain which the visitors could take with them afterwards of the portal to enter the exhibition, thereby sig- to study at their leisure. This reduced the necessity nifying that they had entered another narrative of reading information in the exhibition. universe separate from the reality outside. The The only text present in the exhibition consisted darkness was a way to reduce the visual stimuli of interpretative labels mounted on columns by of the gallery space and focus the visitors’ atten- each listening situation. The labels were intended tion on listening. In addition, darkness is a pow- to serve four distinct functions: 1) to signify the erful technique for establishing mood and creat- status of a museum artefact; 2) to set the scene ing the feeling of immersion, as noted by Roland and mood of the listening situation; 3) to provide Barthes in relation to cinema (1989). For Barthes, the metadata for the artefact (i.e. title, channel, awareness of the immersive experience becomes broadcast date and participants); and 4) to invite acute when he leaves the darkened theatre and the visitor to perform an activity. The interpreta- encounters daylight, but we intended the reverse tive label is a museological convention that signi- transitional experience for the visitor, who should fies the status of a museum artefact in relation to become aware of an immersive experience when other objects in the exhibition environment (see leaving the brightly lit corridor and entering the Witcomb 2007: 40). Thus, by giving each audio darkened gallery. artefact a label, we convey to the visitor that the According to the Mood-Cue Approach, the pri- sounds were the main artefacts of the exhibition. mary emotive effect of a film’s structure is to create We used mental imagery to realise the second a mood as a predisposition to experiencing emo- function. Bitgood suggested that in addition to tion, as «mood encourages us to experience emo- acting as a mood-cue, mental imagery could con- tion, and experiencing emotions encourages us to tribute to immersive experiences (see 2011a: 181). continue in the present mood» (Smith 2003: 42). The wording of the label should put the visitor in Likewise, we intended the overall exhibition design an appropriate frame of mind if it is read before to establish a mood from which the inherent mood listening to the artefact, and it should explain the cues of each audio artefact would trigger an emo- narrative context if read after listening. Below is tional response in the visitor, which would perhaps an example of mental imagining for the artefact be prompted by the mood cues provided by the (the Electrical Barometer, a youth show): exhibition’s labels. In a similar vein, Gernot Böhme Sunday evenings are full of melancholy. The weekend characterises the effect of being present in a space parties are over and a long week of lectures looms in (e.g. an exhibition) as being involved in a space of the future. However, before Monday it is time to dream moods: «The space of moods is physical expanse, yourself away with The Electrical Barometer. Alone in in so far as it involves me affectively. The space of your room but together with thousands of other liste- moods is atmospheric space, that is, a certain men- ners. The bed is yours, if you will join in. tal or emotive tone permeating a particular envi- (Heidi Svømmekjær, excerpt from label, ronment, and it is also the atmosphere spreading You are what you hear) spatially about me, in which I participate through my mood» (2002: 5). Following Böhme, the aes- The text provides the time and place in which thetic work of designing atmospheres «consists the artefact is intended to be heard (a teenager’s of giving things, environments or also the human room on any given Sunday evening), as well as Exhibiting Radio Sound 73 the general mood of the situation (melancholic, present again, not in the sense of re-presenting it because the weekend has passed and the week exactly as it once was, but in the sense of present- looms ahead). In addition, it reminds the visitor of ing it ‹anew›» (Albertsen 2012: 73). Gestures are the imagined community of listeners, which was not necessarily verbal; they can take any form, as an important part of the show and would have they are multimodal ways of directing attention been known and apparent to a listener of the and understanding. Thus, the lighting, audio arte- original broadcast, but might not be known and facts, focused listening, props, labels and perfor- apparent to a visitor listening alone in the exhi- mances of the listening situation should be consid- bition. It could be argued that having interpreta- ered to be gestures that enable the atmosphere of tive labels in the exhibition has counter-immersive the audio artefact to present itself for the visitor. effects. They add another element to the exhibi- Albertsen acknowledges that there is no guaran- tion which competes for the visitor’s attention, and tee that the recipients will pick up on the mood they shatter the immersive illusion by introducing cues and experience the intended atmosphere. an interpretative meta-layer of information to the The atmospheric experience intended for each of experience (see Bitgood 2011b: 112). In regard to the audio artefacts does not correspond to a pre- the audio artefacts, this reintroduction of semantic viously experienced atmosphere in situ. They are meaning identifying the source and nature of the based on the informed, but nonetheless imaginary, artefacts could counteract the attitude of focused conceptualisations of the curatorial team regard- listening to the audio artefacts as sound objects. ing ›how it could have been listening to this seg- Larsen (2002) has addressed the issue of labels as ment in that situation’. an intrusion. Her visitor studies showed that all 72 Finally, we introduced performance as an aspect interviewed visitors preferred the exhibition with of each listening situation. The activity element, in labels. Two-thirds expressed that they liked kno- which the visitor enacts the situation while simul- wing what they were looking at. Larsen concluded taneously listening, was a strategy to strengthen that a lack of interpretative information limited the the feeling of immersion. We assumed that visitors, success of the immersive exhibit (see 2002: 15). In through their bodily performances, would be more a similar vein, Bitgood speculated that the design absorbed in the situation and therefore would lis- of the labels determines whether they enhance ten differently and perhaps even reflect more upon or detract from the immersive experience. If the the relationship between audio artefact and situ- labels help focus the attention on the important ation. and interesting aspects of given artefacts, they might enhance the feeling of immersion, while Method and data collection labels with unrelated content just serve to distract the visitor from the immersive experience (see Bit- The data supporting this study was collected in good 2011a: 186). I consider aiding the visitors to a gallery setting with the participation of regular focus their attention on the relevant aspects of a paying visitors. Galleries constitute a rich environ- given artefact in this way to be a form of instruc- ment in which to study visitor conduct (see Semper tional scaffolding (see Wood et al. 1976: 89); not 1998: 120; Lehn et al. 2001). The actual location in the strict sense of didactic strategies, as sugge- is critical for examining the visitor’s subjective sted by Wood et al., but as a general metaphor experience of immersion and atmosphere, which for providing interpretative support for the visitors is the focus of this study, and which could not be when engaging with the artefacts, if needed (see recreated in a laboratory setting. In this case, the Mortensen 2013: 27). research site was a gallery space of approximately This scaffolding through mood cues can also be 100 square meters with an exhibition that consis- considered to be a form of gesturing atmospheres, ted of seven exhibits, or listening situations. Each as suggested by Albertsen (2012). Evoking Witt- exhibit had the same overall form: an audio arte- genstein’s concept of gesture, Albertsen argues fact, a text label mounted on an orange pillar, a for the possibility of transporting atmospheres few furniture props and an intended performance to other places and times through such gestures: the visitor could participate in. «Rather than keeping an undistorted constant in To examine how visitors experienced the listen- different media, the key is the ability of the medi- ing exhibition, we conducted a small-scale visitor ating chain to make the atmospheric experience study. We observed 35 participants in the exhibi- 74 Christian Hviid Mortensen tion. The observer timed each visit, tracked the terested interviewer and uniform data across all visitor’s route through the exhibition and noted interviews, but precluded the possibility for the the sequence of events at each listening situation researcher to probe especially interesting state- (e.g. whether the label was read before or after ments. For the sake of anonymity, the informants listening). Any notable non-verbal expressions and have been given pseudonyms. opinions voiced during the visit were also noted. All this information was recorded on a schematic floor Findings: Experiencing atmosphere plan of the exhibition. Of the observations, 12 were and immersion followed by a structured qualitative exit interview consisting of 17 open-ended questions. 5 According First, I will present the findings regarding the visi- to Morse, six participants are adequate for elicit- tors’ experience of atmosphere and immersion in ing in-depth reflections on the phenomenological the exhibition. Then, I will move on to the impor- essence of the experience (see 1994: 225). tance attributed to the different exhibition ele- The informants were approached and recruited ments in scaffolding these experiences. just prior to entering the gallery. They were The gallery was curtained off from the rest of informed that the aim of the study was to observe the museum, and entrance to the exhibition was ‹how visitors experience the exhibition›. The inter- intended to be a transitional experience: views were conducted at their convenience in an I thought that you passed through a kind of transiti- adjoining space following their exit. By cuing the on, where there were other people, and then into a bit informants in advance, we ran the risk of artificially more private atmosphere, where what happened was heightening their engagement with the exhibition what you experienced yourself […] That you were part environment, as they might suspect that the inter- of the things that happened. (Gudrun, 22) view would be a test of knowledge (see Bitgood 2011c), thus turning real visitors into ideal visitors The atmosphere made Gudrun feel immersed in (see Roppola 2012: 69). However, if we take the the exhibition. The dimly lit gallery was the most reading of labels as an indicator of heightened obvious difference from the brightly lit corridor engagement, there was no difference between the from which you entered the exhibition, and the visitors recruited for interviews and the visitors darkness made some visitors feel present and more that were just observed. While all interviewees aware of the atmosphere. read most or all of the labels, this was also the case It was quite intimate, and the darkness worked really for the non-interviewees, save for three who read well – because I closed off all other impressions. I was only some or none of the labels. This similarity is really there! (Erica, 41) also apparent for the performance element, where about half of both interviewees and non-interview- Darkness features prominently in the visitors’ ees did most or all of the performances. Also, on descriptions of the atmosphere in the exhibition, average, there was no significant difference in the as seen in Figure 1.6 However, «darkness» is cou- amount of time spent in the exhibition between pled with different descriptors, such as «gloomy», interviewees (13.7 min.) and non-interviewees «intimate» and «cosy», which indicates how the (12.9 min.), with a total range of 7 to 19 min. Thus, dark atmosphere resulted in different experiences we feel confident that cuing the informants did not for the visitors. significantly alter their level of engagement. Half the informants described the atmosphere The criteria for recruitment were equal repre- in positive terms, such as «lovely», «nice» and «cosy», sentation of both sexes and diversity in age. We while only two informants used the negative terms ended up with five male and seven female inform- «gloomy» and «scary». The overall positive atmos- ants between the ages of 15 and 64. The author pheric impression on the visitors is important if designed the interview guide in cooperation with we follow the intuitively plausible suggestion of an external usability lab, who then conducted the Roppola: the positive ambience of a space can actual observations, interviews and transcription amplify visitors’ engagement with the content of services. This division of labour assured a disin- an exhibition (see 2012: 169). In a similar vein, the 5 Interviews were conducted in Danish. All quotes from 6 There are only ten entries in the table because two infor- the visitor study have been translated by the author. mants did not answer this question. Exhibiting Radio Sound 75 1 Dark Gloomy Intimate Lovely 2 Dark 3 Dark Intimate Present 4 Quite No echo Soundproof 5 Private Part of it 6 Nice Cosy Calm 7 Dark Cosy 8 Exciting Cosy 9 Subdued Nice Relaxing Á 1 Descriptors 10 Scary of atmosphere from individual visitors Mood-cue approach also view mood and atmos- artificial acoustic environment provided by Exau- phere as predispositions for certain emotions and dimus, which excluded the aural architecture of experiences (see Smith 2003: 42). Two inform- the gallery space and offered no replacement in ants further described the atmosphere as «calm» the form of a spatialised virtual sound field. The and «relaxing», which supports the findings of Jan exclusion of aural architecture might cause unease Packer and indicates the potential restorative effect or disorientation in some visitors, but this was not of a museum environment. The ambient conditions reported in the interviews. and atmosphere were found to play a central role The informants were asked to describe their in restorative experiences for 43% of visitors (see experiences in the listening exhibition with three Packer 2008: 50). words. Figure 2 shows a thematically grouped Three informants experienced the atmosphere aggregate of the different descriptors provided; as «intimate» and «private», and two further redundant descriptors have been eliminated. described being «present» and «part of it». Here, Prominent among the descriptors are terms con- the tightly fitting headset appears to have a sig- sidering the different and novel nature of the lis- nificant influence on the experience. tening exhibition (Column D). This novelty resulted You were alone and it was different because you were in confusion for some visitors (Column C), but for wearing a headset, but it was not a headset with a most it was a positive experience (Column G), and guide speaking […] it was like you should be in the even resulted in reflection (Column B). We knew experience [Emphasis in interview]. (Jenny, 25) that a listening exhibition would be unusual, and we deliberately tried to design a novel way of expe- Jenny expected the headset in the exhibition to be riencing radio sound in an exhibition context. So, an audio guide, and was surprised that it contai- we expected the visitors to be surprised and per- ned the actual artefacts, which provided her with haps have trouble engaging with the exhibition. the experience of immersion by being in the expe- It is different. You shall listen, and not just look. rience and not distanced from it by a narrative or (Heidi, 15) guide. However, the influence of the headset on the experience of atmosphere was also apparent It is the sound that is the primary. It is often something in another way: visual. (Inga, 25) It was very quiet – there was no echo and such. It was soundproof. (Faye, 18) It was a bit more fun to listen to something, than just looking at pictures. (Faye, 18) That the exhibition was quiet seems like a para- doxical statement, given the constant presence of It was like entering a gallery, but every picture that you static noise in the headsets if not within a sound looked at was a sound clip! And I have not experienced spot. However, it makes sense if we consider the that before! (David, 41) 76 Christian Hviid Mortensen A B C D E F G Intimate Interesting Confusing Curious Nostalgic Humour Good Experience Private Instructive Surprising DK history Fun Positive Including Reflection Renewed Everyday- Exciting It made ness me happy Different Sound Relaxing Collage Why? Picturesque Comfortable Listened Cosy differently à 2 Thematically grouped experience descriptors Roppola uses Ervin Goffman’s concept of framing I think that I lacked a certain wow! That I would hear for the preconceptions and expectations based on something that got me somewhere else—I find that the visitors’ previous experiences, which tell them what clips were not good enough, there was nothing special a museum and an exhibition is (Roppola 2012: 76). to them that made them super exciting or caught my From the above statements, it is clear that visitors attention other than the one with Robbie Williams [Be- frame exhibitions as visual experiences. Therefore, cause she had heard it before. Emphasis in interview.]. a listening exhibition with audio artefacts instead (Lisa, 50) of physical objects constitutes a reframing of the visitors conception of what an exhibition can be Extending the visitors conceptions through refra- (see Roppola 2012: 93). This reframing operates ming runs the risk of overextension, thereby aliena- through both media and content. Exaudimus pro- ting the visitor (see Roppola 2012: 78). It could be vided a novel and interactive way of engaging argued that by adopting the conventional exhibi- with sound in exhibitions. The audio artefacts, tion form of displaying audio as artefacts and sup- the primary content of the exhibition, extended plying them with labels, we impose a set of visual the visitors’ framing of museum artefacts by their metaphors on the audio material, disregarding its audio nature, and by being recent segments of sonic nature and thereby misrepresenting it (see mundane flow radio rather than highlights of Dyson 2009: 138). However, by retaining and uti- radio moments. Thus, the visitor’s frame is also lising some of the visual conventions of the exhi- challenged by the mundane and contemporary, as bition‹ as form, we might have enabled reframing they expect museum artefacts to be unique and and extended the visitors› conceptions of museum old. Reframing can be a pleasant and even fun artefacts, as expressed above by David, without experience, as expressed above by Faye. However, resulting in an overextension in which the listening reframing can also result in confusion or disap- exhibition becomes incomprehensible to the visi- pointment. Exaudimus caused confusion in visitors tor. Still, Heidi found difficulty with this reframing who did not understand the embodied tuning of the exhibition experience: metaphor underlying the system and related static It was not as I had expected […] it was a little confu- with a technical error. Other visitors abided by the sing with all the sound in there. (Heidi, 15) cultural constraint against touching objects in a museum and therefore had an impaired listening Several visitors found the exhibition humorous experience because, for instance, they were expec- and fun (Column F). This was also evident in the ted to lay on the bed to enter the sonic niche (see observations, in which the most common non-ver- Mortensen & Vestergaard 2013: 32). bal affective response to the audio artefacts was The mundaneness of the audio artefacts did laughter (24 instances). All the audio artefacts elicit disappointment in some visitors: except one elicited some measure of laughter. This Exhibiting Radio Sound 77 artefact was a segment of live reportage from a Lisa clearly needs more to enable her to feel sabotage bombing during the German occupation immersed in each listening situation. She calls for of Denmark during World War II. You can hear the further immersive elements and suggests more sounds of gunfire and the detonation of explosives active use of the lighting, incorporating it as part of in the background while an eyewitness narrator the listening situations and adding realistic sound- gives a sober account of the events. Several infor- scapes (e.g. using a floor lamp in the living room mants commented on the emotional effect of this situation and adding a living room soundscape with artefact: children playing in the background or the clatter of You went through many emotions, it was like a roller coffee cups). This suggests that realism is important coaster ride, especially the World War II clip, was kind for some visitors to experience immersion. Studies of sad, when you think the other things have been hap- have shown that the addition of naturalistic sounds pier, lighter, then it was more serious. (Gudrun, 22) to natural history exhibits increased the impact of the exhibits (see Bitgood 2011a: 182). We could The emotional roller coaster ride experienced by have heightened the realism of some of the liste- Gudrun attests to the continual acoustical re- ning situations by adding another layer to the aug- mooding of the listener’s environment enabled by mented sounds (e.g. the addition of a traffic sound- personal music devices such as a headset system scape to the driving and biking situations), thereby like Exaudimus (see Rogers 2013: 86). For another strengthening the feeling of immersion. We decided visitor, the overall emotion was happiness, again in against it because we wanted the audio artefacts to contrast to the emotion triggered by the sabotage appear as they were without interference. artefact: Apart from the statements above, which clearly Happiness—and yes, there were also other emotions, state that the visitors felt immersed in the expe- when we were sitting on the bed, it was cosy, nice rience, immersion is a complex feeling which can music and a good mood—and then there was where be difficult to put into words. Just one descriptor you were back in 1945, it was dramatic – and serious. in Figure 2 is remotely immersive, namely, ‹inclu- (Erica, 41) sive›. We did not ask informants directly if they felt immersed in the exhibition, as we did not want to As mentioned by Erica, music is a powerful mood put the word in their mouth. However, different cue. Several informants reported that they enjoyed aspects of the exhibition prompted the informants the music present in a number of the audio arte- to describe their experience in immersive terms. facts. The music triggered certain non-verbal affec- Now, I will turn to other means of scaffolding tive responses in many visitors, especially those immersion. The most common aspect is the physi- related to music, such as dancing, foot tapping, cality of the props: closing eyes and singing along. I find the props give a different experience […] you We intended the audio artefacts to be the pri- identify more with it […] (Heidi, 15) mary factor instigating changes in the visitor’s experience. This could be a change in the emotions It could also be one specific prop that triggered the felt, but it was also enough for some visitors to feel immersive experience: immersed in different ›worlds’ reminiscent of the It was exciting because you stood before the old radio characterisation of immersive experience by Mur- set by the clip from World War II – the purpose was ray, cited above: to inform the people back in Denmark from England. It is a fun way in which you can move around—and That there was this old radio set, gave me really, yes, suddenly you are in another world. (Karl, 26) it gave me the experience of how it must have been to listen to it. (David, 41) While the statements of Gudrun, Erica and Karl testify to the changes they experienced in the Nobody looks at their radio sets while listening atmosphere and emotions affected by the different anymore. But standing in front of an old radio set, audio artefacts, Lisa could not detect any changes: looking at it while listening to the illegal BBC clip It was as if the mindset was the same no matter where from World War II, made David realise how it must you moved, because there was nothing […] The uni- have been when the radio, not the television, was verse didn’t really change! (Lisa, 50) the centre of attention in the living room. 78 Christian Hviid Mortensen Generally, the visitors found the props impor- It brought back memories from primary school by the tant. All informants except one said the props last post with the show from World War II. It reminded contributed to the exhibition in a positive way. me of something I had heard in class at one time. And (The final informant was indifferent. He described the one with the ladder and journeyman theme remin- himself as a ‹voice fan› and would qualify as an ded me of when I worked in a factory […] I listened to expert listener able to appreciate the audio arte- a lot of radio back then. (Benjamin, 21) facts by themselves outside of an exhibition con- In this case, the memories are triggered not by the text.) It appears as though the physicality of props specific semantic content, as it is unlikely that Ben- is an important sort of scaffolding for non-expert jamin has heard these segments before, but by the visitors to enjoy and be immersed in the listening tone and atmosphere of the audio artefacts, which exhibition. remind him of previous experiences with radio that The next element of the listening situations had similar atmospheres. intended to create immersion was the perfor- In several cases, the memories were accompa- mance aspect. Observations show that half the nied by feelings of nostalgia: visitors performed all or most of the activities. Only five did not engage in any activity. You get a strong dose of nostalgia that awakens other personal and intimate feelings—for example with the It was just perfect! It was put together really well. It Electrical Barometer to which I can relate. was nice that you should bike for a bit, get some exer- (Alexander, 27) cise. (Erica, 41) While there were no reports of the imaginative I did not find it silly or superfluous. Because, as I said, wording on the labels playing a significant role in I listened differently according to what I was doing in guiding the listening experience, there were also that way. This was an experience for me! (Lisa, 50) no reports of the wording being inappropriate or incommensurate with the visitor’s own atmosphe- It appears as though the activity element does add ric experience of the audio artefacts. However, Lisa to the immersive experience for some visitors, and felt that this form of gesturing was superfluous: most see it as a nice option. However, it is not a part of the scaffolding as important as the props. I didn’t really understand—I mean, hearing what I was The final element of the listening situations reading? It was a bit like telling what a song is about was the text labels. Almost all the visitors read before singing it. (Lisa, 50) all or most of the labels, and most did so before Even if the different elements of the exhibition engaging with the audio artefacts. No respondents design are deemed more or less important by the reported that the mental imagining techniques visitors, each contributes to the visitors‹ experien- used on the text labels aided their experience of ces by scaffolding the atmospheric and immersive immersion. However, the labels triggered similar qualities of the listening experience. In an ana- memories for Gudrun: logue fashion, this corresponds with Chion’s con- The bed, where you are laying, hangover, the text, you cept of added value in the relation between image need something to do, but you cannot be bothered and sound in film: «Added value works reciprocally. [laughing] It can be all good or it can be all sad… Sound shows us the image differently than what (Gudrun, 22) the image shows alone, and the image likewise makes us hear sound differently than if the sound The text does not mention hangovers, so this expe- were ringing out in the dark» (1994: 21). This reci- rience is supplied from memory. Memories could procity, where the sound influences the perception also be triggered by the audio artefacts themsel- of other objects (props), was also apparent in the ves. Augoyard and Torgue term the sonic trigge- exhibition and in David’s perception of the old ring of memories anamnesis: «[a]n effect of remi- radio set mentioned above. In this exhibition, the niscence in which the past situation or atmosphere relation between the props and the audio artefacts is brought back to the listener’s consciousness, was quite literal, but one can imagine other liste- provoked by a particular signal or sonic context» ning exhibitions in which the relation between the (2006: 21). Several of the informants reported audio artefacts and the other objects in the exhibi- experiencing anamnesis: tion is more creative or symbolic. Exhibiting Radio Sound 79 Conclusion panied many of our daily endeavours. This was the theme of the listening exhibition, and the aim was In this article, I have examined the transformation to bring this background radio sound to attention of an exhibition space into an auditorium as a lis- and focus on its auditive qualities. Subverting the tening exhibition. In particular the study focused visual conventions of the exhibition in this way on the atmospheric and immersive aspects of the might challenge the assumptions and preconcep- listening experiences afforded by the exhibition tions of the visitors. This could lead to confusion for environment. Firstly, there was considerable agree- the visitors, but often this reframing was a pleasant ment among the informants about the character of surprise that enhanced their museum experiences. the dark atmosphere in the exhibition. It was per- It seems that by retaining some conventions of ceived as intimate/private and cosy/nice. Accor- exhibition design, such as the labelled artefact, the ding to the Mood-Cue Approach, a positive mood visitors was able to use their previously acquired shows a disposition for experiencing further posi- ‹museum literacy› to navigate and appropriate the tive emotions, and many informants used positive novel environment of the listening exhibition. descriptors for their overall experience. Roppola Further explorations foregrounding sound in further suggests that a positive atmosphere is con- exhibitions are needed, as are in-depth studies ducive for engaging with the exhibition content. on how visitors experience listening in exhibition The observations showed a relatively high level of environments. Maybe in time we will overcome the engagement from the visitors. Nearly all the visitors visual bias of the exhibition space, and the audi- listened to all audio artefacts, most read the labels tive will become second nature for curators and and only five did not partake in any performance. exhibition designers as well as visitors. Secondly, the atmosphere made several inform- ants feel «present» and «part of» or «in» the experience. I view these experiences as different References expressions of immersion in a figurative sense. Informants also reported how different audio Albertsen, Niels (2012): Gesturing Atmospheres. In: artefacts elicited different emotional responses Ambiances in action / Ambiences en acte(s) – Inter- and transposed them into different ‹worlds›. It was national Congress on Ambiances. Edited by Jean-Paul shown how aspects of the exhibition design such Thibaud and Daniel Siret. Montreal: International as props and performance served as scaffolding for Ambiances Network. pp. 69–74. these immersive experiences. They aided the visitor Augoyard, Jean-Francois & Torgue, Henry (2006): Sonic to «identify» more with it or «gave the experience Experience. A guide to everyday sounds, Montreal: of how it must have been». This speaks to the ben- McGill-Queen’s University Press. efit of displaying audio artefacts in an exhibition Barthes, Roland (1989): The Rustle of Language. rather than accessing them via a listening kiosk. Oakland, CA: University of California Press. Thirdly, I have argued for the relevance of the Bitgood, Stephen (2011a): Dioramas in Exhibition phenomenological concept of audio artefacts as Centres: A Selected Review and Analysis. In: Social being constituted in situ when a visitor is listening. Design in Museums. The Psychology of Visitor Studies. This became apparent, as the personal emotional Collected Essays. Edited by Stephen Bitgood. Edin- responses of the visitors constitute an important burg: MuseumsEtc. pp.176–201. part of the listening experience and thus the – (2011b): Immersion Experiences in Museums. In: meaning making of the artefact. This was evident Social Design in Museums. The Psychology of Visitor in the triggering of anamnesis and nostalgia in Studies. Collected Essays. Edited by Stephen Bitgood. some visitors. Edinburg: MusemsEtc. pp. 102–121. Sound is often used as an interpretative device – (2011c): Some Thoughts on Cued Versus Non-cued or atmospheric soundscape in exhibitions. By fore- Visitor Evaluation. In: Social Design in Museums. The grounding audio and sound as artefacts in the Psychology of Visitor Studies. Collected Essays. Edi- exhibition environment, attention is brought to this ted by Stephen Bitgood. Edinburgh: MuseumsEtc. pp. neglected form of intangible heritage. Radio forms 220–227. a significant part of our media heritage, not only Blesser, Barry & Salter, Linda-Ruth (2007): Spaces Speak, as an information resource for the past hundred Are You Listening? Experiencing Aural Architecture. years but also as the soundtrack that has accom- Cambridge, MA: MIT Press. 80 Christian Hviid Mortensen Böhme, Gernot (1993): Atmospheres as the Fundamen- Murray, Janet Horowitz (1997): Hamlet on the holodeck, tal Concept of a New Aesthetics. In: Thesis Eleven 36. the future of narrative in cyberspace. New York, NY: Pp. 113–126. Free Press. – (2002): The Space as Bodily Presence and Space as OED (2013): immersion, n.: Oxford University Press. Medium of Representation. In: Transforming Spaces. Packer, Jan (2008): Beyond learning: Exploring visitors’ Edited by Mikael Hård / Andreas Lösch / Dirk Ver- perceptions of the value and benefits of museum dicchio. Darmstadt: Technische Univesität Darm- experiences. In: Curator 51. pp. 33–54. stadt. 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Exhibiting Radio Sound 81 {Ka}: KeIne ahnung Von SchwerKraFt einFührung in die gebäude-KlangKomPosition im (halb-)öFFentlichen raum und bericht über eine annäherung an den historischen bau der alten gerberei in murau, österreich Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann Zusammenfassung/Abstract der vorliegende text beschäftigt sich mit der künstlerischen erforschung von gebäu- den und ihren räumen, die im rahmen der Projektreihe {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft stattgefunden hat. die Projektreihe nutzt dafür unterschiedliche, tempo- rär leerstehende gebäude in verschiedenen städten als Klangräume. das Klangmate- rial das innerhalb einer akustischen erforschung der raumarchitektur gewonnen wird, wird anschließend als integraler bestandteil von mehrkanaligen Klangkompositionen erfahrbar gemacht. so entsteht allmählich eine werkreihe von Kompositionen mit und in diesen gebäuden, die erfahrungswerte sammelt und dokumentiert. die Zentrale idee der Produktionsreihe ist dabei die auseinandersetzung mit dem vorgefundenen akustischen material und die herstellung von weiteren (inszenierten) räumen. der artikel möchte die arbeitsprinzipien der gebäude-Klangkomposition erläutern und ihre anwendung anhand der Produktionsbeschreibungen der arbeit im sommer 2012 in der alten gerberei murau verdeutlichen. This text deals with the artistic exploration of buildings and their spaces, which has taken place, within the project series {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft. For that the project series uses temporarily vacant buildings in various cities as sound spaces. The sound material, recovered within an acoustic exploration of space architecture, becomes an integral part of multi-channel sound composition expe- rienced. In this way a series of works of compositions with and in these buildings arises, which collects and records the empirical data. The central idea of the production series is the examination of the encountered acoustic material and the production of other (staged) spaces. The article explains the working principles of sound composition for buildings and illustrate their applica- tion by means of the production descriptions of work in the summer of 2012 in the old tannery Murau. 82 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann I. {Einleitung} nen akustischen Material und die Herstellung von weiteren (inszenierten) Räumen, indem das Seit 2010 beschäftigt sich der Klangkünstler und Klangmaterial durch die vorhandenen Räume Komponist Gerriet K. Sharma im Rahmen der Pro- des Gebäudes geschoben und bewegt wird und jektreihe {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft mit so Räume inszeniert werden können. Der nachfol- der künstlerischen Erforschung von Gebäuden und gende Text möchte (II.) die Arbeitsprinzipien der ihren Räumen. Zur Durchführung des Projekts und Gebäude-Klangkomposition erläutern und (III.) als Notwendigkeit der künstlerischen Arbeit selbst ihre Anwendung anhand der Produktionsbeschrei- wurde im Oktober 2010 die Kanzlei für Raumbefra- bungen der Arbeit im Sommer 2012 in der alten gungen gegründet.1 Die Projektreihe ist mehrteilig Gerberei Murau verdeutlichen. und nutzt unterschiedliche, temporär leerstehende Gebäude in verschiedenen Städten als Klangräume. Das aus der akustischen Erforschung der Raumar- II. {Gebäude-Klangkomposition} chitektur gewonnene Klangmaterial wird als inte- graler Bestandteil von mehrkanaligen Klangkom- II.1. {Ideenraum} positionen verstanden und erfahrbar gemacht. So entsteht allmählich eine Werkreihe von Kompo- [...] So stark dieses Erlebnis einer ersten Raum-Mu- sitionen mit und in diesen Gebäuden, die Erfah- sik auch war, so zeigte sich doch von Anfang an die rungswerte sammelt und dokumentiert. Parallel Schwierigkeit, diese Musik in einem Raum vorzufüh- zu jeder Gebäude-Klangkomposition entsteht eine ren, der für ganz andere Zwecke gebaut wurde. Es Dokumentation, die den Entstehungsprozess der müssen neue, den Anforderungen der Raum-Musik Produktion fotografisch nachzeichnet und die his- angemessene Hörsäle gebaut werden [...]. torisch-soziale Situation des Gebäudes sowie klang- (Stockhausen 1958: 153) künstlerische und produktionsästhetische Aspekte Diese nach der Uraufführung von Gesang der der Kompositionen beleuchtet. Neben der ausführ- Jünglinge vom Komponisten niedergeschriebenen lichen Begleitdokumentation werden die Komposi- Zeilen schildern ein mittlerweile klassisches Pro- tionen und Rauminstallationen auch immer vor Ort blem der elektroakustischen Aufführungspraxis. einem Publikum zugänglich gemacht. Im Studio produzierte Kompositionen treffen im Bislang sind in der Reihe drei Gebäude-Klang- herkömmlichen Konzertsaal auf für ihren Klang kompositionen erarbeitet worden: eine ehema- und ihre Struktur meist ungeeignete akustische lige Offiziersvilla der US-amerikanischen Kaserne Bedingungen. Als Konsequenz wurden entweder in Würzburg (Villa03), ein Bürogebäude in Graz Klang-Raum-Reproduktionsverfahren entwickelt, (Sauraugasse 4) und eine Gerber-Werkstatt samt die eine Raumbespielung möglichst unabhängig angrenzendem Wohnhaus in Murau in der Stei- von der jeweiligen Raumsituation erlauben, oder ermark (Alte Gerberei). Eine weitere Gebäude- spezielle Säle für die elektroakustischen Vorfüh- Klangkomposition wird in 2014 einen Leerstand rungen gebaut. Im Rahmen der Kompositions- im Innenstadtbereich der Stadt Köln bespielen. reihe {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft wird Zentrale Idee der Produktionsreihe ist nicht konzeptionell und kompositorisch ein entgegen allein die akustische Erforschung eines Eigen- gesetzter Ansatz verfolgt. Hier soll der Raum als klangs architektonischer Räume. Ebenso wichtig Ausgangspunkt und untrennbarer Bestandteil der ist die Auseinandersetzung mit dem vorgefunde- Komposition im Vordergrund stehen. Die Arbeit in den leerstehenden Gebäuden zielt auf eine sukzes- sive Erforschung der klangkünstlerischen Möglich- 1 Gründungsmitglieder der Kanzlei sind Saskia Reither keiten an verschiedenen Orten ab. Die jeweiligen (Research/Theorie, Projektorganisation), Nico Bergmann (Grafik, Fotografie, visuelle Kommunikation) und Gerriet K. akustischen und baulichen Eigenheiten und ihre Sharma (Komposition). Im Herbst 2012 wurde die Gruppe spezifische Geschichte werden mit einem bestimm- durch Astrid Mönnich (Research/Theorie, Projektorganisati- ten Grundinstrumentarium verarbeitet. Sowohl on) verstärkt. Die Kanzlei dient als Plattform zur Steuerung die Komposition als auch Präsentation (Konzert, und Realisierung des Projekts und als Ausgangspunkt zur Installation, Veröffentlichung) im Anschluss daran Vernetzung mit anderen raumbezogenen künstlerischen und wissenschaftlichen Ansätzen. Seit der Gründung hat die sollen am jeweiligen Ort selbst, der üblicherweise Kanzlei diverse Vorträge und Workshops gegeben sowie in einem anderen Zweck dient oder gedient hat und Fachbüchern publiziert. der durch seine bauliche Beschaffenheit Ausgangs- {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft 83 punkt und Hauptbestandteil der Komposition II.3. {Instrumentarium} geworden ist, stattfinden. D. h. die Kompositions- reihe verfolgt eine andere (neue) Praxis der elekt- Das hierfür erforderliche Instrumentarium besteht roakustischen Raum-Klangkomposition, durch die vor allem aus einem Setup von 32 baugleichen Gebäude beim Betreten kompositorisch gelesen aktiven Lautsprechern (nebst Digital/Analog- werden können. Sie beginnt mit dem ersten (Hör-) Wandlern, MADI-Audiointerface, Laptop, Stati- Eindruck des Komponisten. Dieser besteht aus der ven, Kabeltrommeln, fahrbaren Cases) und einem Eigenakustik des Raumes sowie Alltagsgeräuschen Mehrkanalsystem, das es ermöglicht, ein Gebäude und Testgeräuschen. Das Material wird in einer differenziert akustisch anzuregen bzw. zu bespie- kompositorischen Antwort verarbeitet und wieder len. Dieses Instrumentarium wurde zuerst vom in den Raum entlassen. Die so entstehenden unter- Institut für Elektronische Musik und Akustik der schiedlichen Klang-Räume beginnen, sich gegen- Kunstuniversität Graz nach mehrmonatiger Pla- seitig zu verstärken und zu überlagern. nungs- und Testzeit im Frühjahr 2009, ein zweites vom Atelier Klangforschung der Universität Würz- burg im Sommer 2011 angeschafft. Beide stehen II.2. {Herausforderung aktiver auditiver der Kanzlei für Raumbefragungen in Kooperation Wahrnehmung durch klangkünstlerische mit den Instituten für die Werkreihe zur Verfügung. Intervention} Als Software wird u. a. SuperCollider 33 und Rea- 4 Lautsprecher im (halb-)öffentlichen Raum zu instal- per eingesetzt. Zudem werden zu Aufzeichnungs- lieren und letzteren mit einer zusätzlichen klangli- zwecken 4 Sennheiser Richtmikrophone und eine chen Ebene zu färben, ist ein sehr alltägliches und KFM 6 Mikrophonkugel von Schoeps sowie ein ausuferndes Raumgestaltungsverfahren2. Aber OKM-Mikrophonpaar verwendet. nur, weil wir feststellen, dass mittlerweile fast in jeder Boutique und jeder Gastwirtschaft Musik zur Raum- und Gemütsfärbung eingesetzt wird, ist das eigentliche Problem noch nicht umrissen. In die- sem Fall geschieht genau das Gegenteil des hier vorgestellten Ansatzes: Der Ort wird übertüncht, die Atmosphäre verschmiert. {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft will auf das Elementare des uns Umhüllenden, die akustischen Eigenschaften und Eigenheiten der Orte, in denen wir uns aufhalten, denen wir uns aussetzen und denen wir ausgesetzt werden, hinweisen. Hierzu gehört auch das Einbe- ziehen des Unvorhersehbaren. Die Komposition ist à 1 Lautsprecher und Fenster werden zur Bespielung einerseits bedroht durch die nicht verbannte und des Gebäudes zu einem Raum-Klanginstrument ununterdrückbare Umwelt und bezieht diese im verbunden. (© Nico Bergmann 2011) gleichen Moment mit ein, so dass ein Spannungs- verhältnis zwischen Setzung und Umgebungsraum entsteht. Durch diese Spannung soll die auditive Wahrnehmung des Hörers herausgefordert und beansprucht und gleichzeitig zum aktiven «Erhö- ren» des bespielten Orts aufgefordert werden. 3 «SuperCollider is an environment and programming lan- guage for real time audio synthesis and algorithmic compo- sition. It provides an  interpreted object-oriented language 2 «Die Macht der mit Klang geschaffenen Atmosphäre which functions as a network client to a  realtime sound ist auch den Produzenten von Kaufhausmusik sogenannter synthesis server» (Supercollider o.J.). »Muzak« bekannt und wird zur Manipulation von Konsumen- 4 Reaper ist ein Software-Midi- und Audiosequenzer (Di- ten und Kunden verwendet» (Neukom 2010: 33). Zur aktu- gital Audio Workstation). Das Programm unterscheidet ellen Kommerzialisierung des Verfahrens: www.muzak.com zwischen mehreren Spurtypen: unter anderem MIDI, Audio, [15.08.2014]. Plugin- und Mischpult-Automationsspuren. 84 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann II.4. {Begehung und Befragung} der baulichen Eigenschaften. Ein anderes Werk- zeug-Patch erzeugt Klänge, die an ein Einritzen Die Erarbeitung eines jeden Gebäudes folgt einem mit einem spitzen Gegenstand erinnern. Auf diese stringenten Ablaufplan: Begehung, Befragung Weise kann das Gebäude an der jeweiligen Laut- und kompositorische Antwort. Vorgabe ist, die sprecherposition markiert werden. Die so erzeug- Arbeit am Ort und aus dem Ort heraus zu entwi- ten Klänge tragen dann die akustischen Informa- ckeln. D. h. sie wird nicht, auch nicht in Teilen, im tionen über Material, Entfernung, Raumgröße bis Studio oder Computer vorproduziert und dann an zum gewählten Abhörpunkt. Ferner werden bei der den jeweiligen Raum angepasst. Vielmehr beginnt Arbeit entwickelte Software-Templates zum Arran- die klang-raumkompositorische Arbeit immer erst gieren von Klängen und für die Klangabstimmung im Moment des Betretens des Gebäudes. Der mit Equalizern in den einzelnen Kanalzügen der Komponist setzt an den Anfang des Arbeitspro- Mehrkanalausgabe verwendet. So können Klang- zesses die Begehung des Gebäudes und lässt es atmosphären und Stimmungen schnell arrangiert, auf sich wirken. Er geht durch die Räume und hört gemischt, getrennt und in Schleife gespielt werden. aufmerksam, wie sie klingen, welche vorhande- Wenn jetzt ein Hörender die eigene Abhörposition nen (Alltags-)Geräusche sich an den Wänden und durch Ortswechsel verändert, erfährt er etwas über Winkeln brechen, wie sie sich ausbreiten, in den die konkreten raumspezifischen Einflüsse, die sich Räumen aufgehen oder aber abgebrochen, gestört auf die Klänge auf dem Weg zum ursprünglich oder geschluckt werden. Er nimmt wahr, welchen gewählten Abhörpunkt auswirken. In diesem Sta- Einfluss Bodenbeläge auf die Akustik haben, Holz, dium der Arbeit ist die Hauptfrage: «Wie reagiert Fliesen, Stein, Teppich. Treppen, Kammern, offene der Ort auf diese Befragung?» Der Prozedur liegt Bereiche reflektieren Geräusche auf jeweils unter- die Annahme zugrunde, dass die Antworten sich schiedliche Weise. Der Komponist ist in diesem zu weiteren Hör-Erfahrungswerten verdichten, Moment zugleich Sammler und Hörer seines Mate- so dass man bei jedem neuen Gebäude die Fra- rials. (Dieser Prozess dauert meist 5–7 Tage). Nach gen genauer oder direkter stellen kann und die dem ersten Höreindruck erfolgt eine Testphase, die Eigenschaften des Materials, den Raum und das Raumbefragung. Der Komponist fragt, der Raum Zusammenspiel mit der Umgebung zu lesen5 lernt. antwortet. Eigens erzeugte Testklänge werden jetzt Allmählich schreiben6 sich Raumsituationen und in die Räume gespielt, in denen zuvor Lautspre- die Ergebnisse der Raumbefragungen wiederum cher positioniert wurden, um das Klangverhalten über das Gehör ein und werden so zum Vokabular der Räume zu erforschen. Zur Verfügung stehen einer Gebäude-Klangkomposition.7 «Es geht also hier speziell programmierte Software-Werkzeuge, nicht mehr um die Erfindung, Originalität, Indivi- Standard-Anwendungen, die die Räumlichkeiten dualität, sondern um die Perspektive auf das Vor- durch eine Art akustischen Fragebogen testen: zufindende, auf das Erzählen mit dem Vorgefun- z. B. mehrkanalig abspielbare Klangpartikel-Ketten denen in anderen als den bekannten Kontexten» (bursts) oder tiefe kurze Pulse zur Erfahrung der (Goebbels 2002: 181). So entsteht durch die Reihe Halligkeit von Gebäuden. Zudem lassen sich so je nach Situation Vibrationen von Türen oder losen Blechen provozieren, deren Geräusche eventuell 5 «Das, was ich [...] ‹Lesen› nannte, ist eine Übersetzung in eine spätere Komposition mit einfließen kön- dieses Textbegriffs ins Musikalische und bedeutet hier: hö- nen. Ebenfalls im Werkzeugkasten befindet sich ren, erleben, sich aussetzen, damit seine Erfahrung machen» ein Generator für einfaches weißes Rauschen, das (Goebbels 2002: 182). dann auf einem Lautsprecherkreis in verschiede- 6 «To preserve our experience of aural architecture, most nen Geschwindigkeiten bewegt werden kann, so of us depend on long-term memory, which without extensive dass man das Absorptionsverhalten des Gebäudes training and practice, is even more unrelieable than short- time memory. For this reason, few of us accumulate aural ex- auf dem Weg vom jeweiligen Lautsprecher zum periences of spaces; our culture cannot readily communicate Abhörpunkt kennen lernt. Lässt man z. B. ein konti- its aural architectural heritage» (Blesser & Salter 2007: 17). nuierliches Signal auf einem Lautsprecherkreis im 7 «Grundriss, Schnitt, Materialangaben könnten im Grun- Tonstudio rotieren, wird es klanglich kaum verän- de wie eine Partitur gelesen und mit dem Wissen über Nach- dert. Verteilt man diesen Kreis auf eine Folge von hallzeit und Funktion zur Beurteilung einer Klangatmosphä- angrenzenden Räumen, verändert sich das gleiche re verbunden werden – es macht sich nur keiner die Mühe, Signal beim Wandern durch die Räume aufgrund jahrelang das entsprechende Vorstellungsvermögen zu trai- nieren» (Kleilein & Kockelkorn 2008: 9). {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft 85 implizites künstlerisches Wissen, das eine neue Pra- zeitliche Stauchung von Klangereignissen xis informiert bzw. deren Basis wird. Dieses spezi- erzeugt werden, Ausbreitungen durch ent- fische Wissen kann also nur anhand von Werken, sprechende Anordnungen von Lautsprecher- hier der Arbeit im Gebäude, und aufgrund seiner gruppen im Gebäude. prägenden Wirkung mit den hiervon ableitbaren 4. Völlige Verweigerung gegenüber akusti- Erfahrungen für weitere Arbeiten entstehen.8 schen Gegebenheiten und ortspezifischen Klängen: z. B. Einbau einer ortsfremden II.5. {Kompositorische Antwort} Klanglandschaft, die rein elektronisch erzeugte Klänge verwendet; oder ortsfremde Diese so gewonnen Materialfülle bildet die Grund- Klänge, die durch ihre Gegensätzlichkeit zu lage oder besser: das Reservoir, aus dem die kom- den ortspezifischen Klängen einen Assoziati- positorische Antwort auf die akustische Befragung onsraum eröffnen. formuliert wird. Hierzu gibt es eine vorher defi- nierte Struktur, die den Handlungsrahmen mar- Welche der hier aufgeführten Haltungen der Kom- kiert und aus dem anfangs festgelegten Konzept ponist gegenüber dem Material einnimmt, hängt zur Reihe {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft her- u. a. mit der Art des Gebäudes, seiner Umgebung vorgeht. Vier spezifische Umgangsweisen sind hier und den dort entstehenden Atmosphären und denkbar: akustischen Eindrücken zusammen. 1. Einbeziehung der akustischen Gegebenhei- ten und Verwendung ortspezifischer Klänge: II.6. {Raum für Fragen} z. B. Straßenbahnklänge bei geöffneten Fenstern und Tram-Fahrplan als Zeitachse {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft versteht für die Makrostruktur der Klangorganisa- sich als Ansatz für eine Kompositionsweise, die tion, Trittschall von Passanten, Aufzugs- im Dialog mit ihren Bedingungen entsteht und geräusche, Lüftungs- und Heizungsschwe- besteht und zwar sowohl den musikalischen als bungen, Entladungsknacken elektrischer auch medialen, organisatorischen und techni- Lampen, Windgeräusche im Gebäude. Aber schen.9 Die beschriebenen Methoden wurden seit auch Klänge, die assoziativ mit dem Ort ver- 2009 erprobt, bedürfen aber der Übung bei der bunden sind (geräuschauffällige Gebäude Anwendung. Es geht um den Lernprozess und die in der Nachbarschaft, Fabriken etc.), können Verfeinerung der kompositorischen Möglichkeiten zumindest als Ausgangsmaterial dienen. im Rahmen dieser selbst gestellten Bedingungen. 2. Modifizierung ortspezifischer Klänge: z. B. Hierbei ergeben sich neue Fragen, die die zur die Filterung aufgezeichneter Klänge, so Durchführung der Werkreihe gegründete Kanzlei dass bestimmte Rhythmen (bei Schritten) für Raumbefragungen in Vorträgen und Work- übrigbleiben, oder Schichtung und Harmo- shops thematisiert und im Gespräch mit Architek- nisierung sowie zeitliche Dehnung oder Ver- ten, Komponisten, Städteplanern, Szenographen dichtung von Klangereignissen. und Akustikern zu lösen sucht. Beispielhafte, auf 3. Spatialisierung von Klängen im Gebäude: Architektur bezogene Fragen, wären: Wie lesen z. B. durch zeitlich abgestimmte Sprünge Architekten den akustischen Gebäuderaum?10 Wel- von Klangereignissen durch unterschied- che akustischen Kriterien kann man wie bei der liche Räume oder Bildung verschiedener Planung eines Gebäudes und seiner Umgebung in Klanginseln mit verschiedenen Dichten und Ausbreitungen im Gebäude. D. h. Laut- sprechergruppen mit ähnlichen Klängen 9 Beispiele: Wie weise ich in der jeweiligen Stadt auf ein scheinen zu korrespondieren und werden Konzert hin? Wie finde ich ein leerstehendes Gebäude? Wie so von anderen Gruppen mit anderen Klän- komme ich in Kontakt mit einem Gebäudeträger? Wie trans- gen unterscheidbar. Dichten können durch portiere ich das Instrument? Gibt es Strom? 10 «Der Raum war schon immer Thema in der Architektur, doch heute, jenseits der Moderne, zeichnet sich ab, dass die 8 «Art practice  – both the art object and the creative Architektur den Raum in einer anderen umfassenderen Wei- process  – embodies situated, tacit knowledge that can be se zum Thema macht, indem nämlich die Erzeugung von At- revealed and articulated by means of experimentation and mosphären zu ihrem zentralen Anliegen wird» (Böhme 2006: interpretation» (Borgdorff 2012: 18). 18). 86 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann die Gestaltung mit einfließen lassen?11 Was bedeu- ten bestimmte Baustoffe und Materialien hinsicht- lich der Gestaltung des visuellen und/oder akusti- schen Lebensraums?12 Mit {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft möchte die Kanzlei für Raumbefragun- gen eine flexible und anpassungsfähige künstleri- sche Praxis auf der Reise erarbeiten. Das Sich-Aus- setzen und immer wieder Zurechtfinden gehört als Herausforderung des Alltags im und um das jewei- lige Gebäude bei der Etablierung dieser künstleri- schen Technik dazu. Hierbei sucht sie immer den Kontakt zu einem Publikum vor Ort, um das Werk und die von ihr verwendeten Begrifflichkeiten an à 2 Räume können durch Lautsprecheranordnungen der Außenwahrnehmung zu überprüfen.13 akustisch durchdrungen oder abgeschottet werden. (© Nico Bergmann 2012) III. Alte Gerberei Murau mer 2012.14 Über einen Zeitraum von 13 Monaten III.1. {Annäherung an den unbekannten wurde im Vorfeld ein Gebäude in der Umgebung Raum | Gerriet K. Sharma} des Festivals gesucht. Am Ende fiel die Wahl auf Die dritte Gebäudekomposition der Werkreihe {kA}: einen Leerstand im Zentrum der Gemeinde, in einer keine Ahnung von Schwerkraft hat sich mit der gutbürgerlichen Einkaufsstraße, mit pittoresken alten Gerberei in der Anna-Neumannstraße 20 in Ladenlokalen, die zu fast 50% leer stehen. Früher Murau, Österreich, auseinander gesetzt. Die Arbeit eine der ‹schicken Einkaufsmeilen› der Region, fris- war Teil der REGIONALE12, dem biennalen Festi- tet sie nun ein Dasein als enge Durchgangsstraße val für zeitgenössische Kunst und Kultur im Som- für den Autoverkehr. Für die Touristen, die sich durch das Viertel bewegen, wurden die Schaufens- ter der geschlossenen Geschäfte durch Schaufens- terpuppen, Schilder und Auslagen der wenigen ver- 11 «Akustik kann durch Photographie und Renderings nicht bliebenen Betriebe dekoriert. Geht man zügig an kommuniziert werden. Sie ist allein in Echtzeit erlebbar und den alten, bunt gestrichenen Architekturen vorbei, lässt sich nicht als Bild erinnern und reproduzieren – Fakto- fällt einem fast nicht auf, dass das Angebot der ren, die es Architekten so gut wie unmöglich machen, die aktiven Geschäfte kleiner ist, als dies die Breite der Akustische Ästhetik ihrer Bauten zu vermitteln. Während Ar- Schaufensterauslagen vermuten ließe. Um überle- chitekten im besten Fall intuitiv akustische Erfahrungswerte verarbeiten [...], scheint es für die Rezeption und die Theorie ben zu können, muss hier Leerstand mit Konsumat- nahezu undenkbar zu sein, sich aufs doppelte Glatteis von trappen getarnt werden. Erfahrungs- und Erinnerungswerten zu begeben und Archi- Beim ersten Betreten der Alten Gerberei im tektur – oder gar die Stadt – nach Klangkategorien zu bewer- Herbst 2011 musste ich unwillkürlich die Luft ten und zu diskutieren. Grundriss, Schnitt, Materialangaben anhalten. Kalt, nass, finster, modriger Geruch – ein könnten im Grunde wie eine Partitur gelesen und mit dem Wissen über Nachhallzeit und Funktion zur Beurteilung ei- unwirtlicher Ort. Das bisher größte Gebäude der ner Klangatmosphäre verbunden werden – es macht sich nur Kompositionsreihe steht mitten im Ortskern der keiner die Mühe, jahrelang das entsprechende Vorstellungs- Gemeinde. Ein altes massives Gemäuer gegen- vermögen zu trainieren» (Kleilein & Kockelkorn 2008: 9). über der Festival-Zentrale der REGIONALE12. Jetzt, 12 «Es muss noch einiges vonseiten der kulturellen Überein- da die Kälte in die Knochen steigt, wird mir klar, kunft geschehen, bis die ‹Materie› Sound als etwas Substan- dass ich mich dem Ort mit einer naiven Vorstel- zielles akzeptiert und nicht nur als Nebenprodukt des konstru- lung von Altbau und historisch aufgeladenen ierten Raumes verstanden wird» (Ganchrow 2008: 64). Mauern und autistischer Atelierkünstlerromantik 13 «When music is composed and sounds as the composer genähert habe. Die Fotos haben eine andere, hei- wishes it to, the audiences speak of this music as being ‹contrieved›. When music is composed and sounds as the au- matlichere Geschichte erzählt: Ein rosa und blau dience wishes it to, they admiringly call it ‹achievement›. In gestrichener Doppelhausbau, mit alten Holzläden both cases all involved are in the right. Only the expression accompanying these verdicts is, in any case wrong» (Brün 14 Siehe auch online unter www.regionale12.at [15.08. 2004: S. 136). 2014]. {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft 87 und Hirschgeweih über der Tür sowie verblassten pläne. Nahezu jeder kennt die alte Geberei, hat eine Malereien an der Außenfassade. Jetzt, innen  – Geschichte zu berichten, aber die Gespräche sind die Atmosphäre abweisend, feindlich. Hier sind kurz und flüchtig; die Anwohner reden nur ungern die Geschichten verschlossen, die Atmosphären über die Straße, die Abwanderungstendenzen und verwischt, die ersten Nachhalle einsam und sehr die Leerstandsentwicklung in der Stadt. Jeder ist kurz, die Außenwelt ist verbannt, der Innenraum betroffen, und wir sind hier alle Eindringlinge. Mit entwidmet, das Gebäude aus der aktiven Wahr- dem Betreten beginnt ein vierwöchiger Arbeitspro- nehmung der Umgebung gelöscht. Ein geheimer zess, in dem ich mich alleine dem Gebäude tagtäg- Tresor. Mit einer Taschenlampe leuchte ich die lich in kleinen Schritten annähern werde. Es ist heiß Ecken ab, suche den Stromkasten, finde Schalter, in Murau, die ersten Touristen strömen in T-Shirts Türklinken, Durchgänge, Treppen. Massiver Stein durch die Anna-Neumannstraße. Das Gebäude hin- überall, ausgetretener graubrauner Boden, die gegen wirkt wie ein Gefrierschrank. Mütze, Schal Wände die Decken massiv und abweisend. Ein und Fleecejacke werden zur Arbeitskleidung vom Labyrinth aus Kammern, ein Kellergewölbe, grau. ersten Tag an. Ich schließe jeden Morgen auf und Fahles Licht dringt durch die Ritzen dicker Holz- hinter mir ab. Der Schlüssel hängt neben der Tür, verschläge vor blinden Scheiben. Ich nehme alte damit ich ihn nicht im Labyrinth verlegen kann. Ich Maschinen war, Schuttberge, Steintröge in den ziehe mich um und dann begehe ich das Gebäude, Böden, Fensterläden; eine Steintreppe führt aus Raum für Raum, Stunde um Stunde. dem Kellerbereich in ein Obergeschoss zu einer verlassenen Werkstatt, eine geflieste Treppe führt III.2. {Aneignung} aus dem Eingangsbereich zu einem Wohnbereich, Parkettboden knarzt. Unzählige Türen. Überfordert Am zweiten Tag kommt der Spediteur und bringt knipse ich Fotos, Details über Details, Durchlässe, das gesamte Equipment aus Deutschland. Ein aus Baustoffe, Badezimmer, zurückgelassene Gardinen, 32 Lautsprechern bestehendes System mit Kabeln Bilder, Lampen, leere Räume, Asche eines ausge- für das gesamte Gebäude, Computer, Interfaces, bauten Kachelofens, ein schier endloses Kammer- das gesamte Instrumentarium zur Gebäudekom- system, das seine Geschichte und Geschichten position, das ich seit 2009 mit dem Institut für gefangen hält. Und dann beim Rückzug eine ver- Elektronische Musik und Akustik der Kunstuni- steckte Tür mit Riegel, dahinter eine ausgetretene versität Graz geplant und geprobt und am Ate- morsche Treppe nach oben, Vogelgezwitscher, das lier für Klangforschung der Universität Würzburg Rauschen der Mur, ein zu allen Seiten halboffener weiterentwickelt habe. Ein kurzer Gruß an den Dachboden, vermutlich über der gesamten Länge Spediteur und seine mit ihm reisende Frau, die die des Gebäudes schwebt der Giebel auf massiven Werkreihe seit 2010 begleiten, und dann bin ich hölzernen Säulen. Ich erfahre später, dass hier die wieder allein mit mir und dem Gebäude und sei- Häute getrocknet wurden. Die erste Begehung nen Klängen. Nach ein paar Tagen gewöhne ich dauerte ca. drei Stunden. Das Gebäude war mir für mich an die Temperaturschwankungen. Ich ver- drei Monate und den Festivalzeitraum zur freien zeichne die Räume und Kammern sowie Fenster Verfügung übergeben worden. Die REGIONALE12 und Türen zur Straßen- und zur Gartenseite und hatte lediglich zur Auflage gemacht, dass sich notiere die Höreindrücke zu verschiedenen Tages- Besucher in kleinen Gruppen durch das Gebäude und Nachtzeiten. Nach einer Woche kann ich das bewegen können sollten. Auf der Autofahrt zurück Gebäude mit all seinen Räumen und Treppen und in Richtung Graz notiere ich eine Frage: einigen entsprechenden Lichtstimmungen im Kopf durchwandern. Nach den für die Gebäudekom- 600qm begehbare Gebäude-Klangkomposition? positionen aufgestellten Routinen15 mache ich vom ersten Tag an Audioaufnahmen, die ich am Als ich am 26. Mai 2012 das Gebäude ein zweites Abend im Hotel Lercher16, meinem Zuhause für die Mal besuche, liegen Monate des Recherchierens und des Planens mit der Kanzlei für Raumbefra- 15 Vgl. hierzu oben Abschnitt I I.4. {Begehung und Befra- gung hinter mir. Das Stadtarchiv hatte nur wenig gung}. über die alte Gerberei zu berichten. Das Gebäude 16 Mein Dank gilt insbesondere Dagmar Lercher, die mir, ist verzeichnet, aber nur mit wenigen Zeilen in der dem Fremden in der Gemeinde, die herzlichste und hilf- Chronik erwähnt, es gibt nur unvollständige Bau- reichste Anlaufstelle gewesen ist. 88 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann kommenden Wochen, abhöre und analysiere. In III.3. {Das Klangmaterial als Schlüssel den Pausen sitze ich am Brunnen auf der gegen- zum Raum} überliegenden Straßenseite und versuche, mich aufzuwärmen. Gleichzeitig läuft immer mein Auf- Es geht bei den Gebäudeklangkompositionen nahmegerät und nimmt die Straßengeräusche und nicht darum, Originalklänge nachzuempfinden, die die ‹Murau-Soundscapes› auf. Das Rauschen der sich vor Ort in das Bewusstsein drängen. Der Ort Mur ist allgegenwärtig, ein breites Band, dass sich mit seinen klanglichen Eigenheiten soll nicht nach- durch das Gesamtklangbild flicht. Würde man die gestellt werden. Auch werden hier keine konkreten Mur auf dem Soundscape-Mischpult ausschalten, Klänge eingespielt, um visuell ableitbare Gescheh- würde im Umkreis eines Kilometers die gesamte nisse einer fiktiven Vergangenheit (stillgelegter Stadtklangwelt implodieren. Die Mur ist das Rück- Antriebsmotor  – Maschinentätigkeit, geflieste grat des Murau-Klangkörpers. Sie klingt durch und leere Küche – Küchengeräusche) einzuspielen, zu in den Gassen und bis in die Gebäude. Sie ist das konstruieren oder gar rekonstruieren. {kA}: keine Fundament aller auralen Architekturen, die hier Ahnung von Schwerkraft verweigert sich dem his- bei Tag und Nacht das Leben der Einwohner aus- torisierenden Hörspiel. Es geht um das Hier und richten und umgeben. Jetzt. Die ehemaligen Bewohner sind nicht mehr Sehr bald wird klar, dass das Gebäude aufge- da, leben zum Teil nicht mehr, die Maschinen sind teilt werden muss. Trotz Rohrleitungssystemen außer Betrieb oder abgebaut. Die Türklinken wer- und Luken im Gebäude gibt es wenig akustische den nicht mehr betätigt und in den Bädern fließt Brücken zwischen den Gebäudebereichen und den kein Wasser mehr. Auch Film-Sounddesign ist das Stockwerken. Eine begehbare Gesamtinstallation, Gegenteil von {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft. wie dies z. B. in der Gebäudekomposition in der Im Film, besser im Kinosaal, wird der Körper des Sauraugasse 4 in Graz der Fall gewesen ist, ist Besuchers ausgeschaltet, gemütlich gebettet, aus keiner zentralen oder dezentralen Abhörsitu- sediert oder gar aufgelöst. Der Raum wird abge- ation komponierbar. Zudem haben die Gebäude- dichtet, damit er möglichst wenig Eigencharakter bereiche aufgrund ihrer ursprünglichen Widmung hat. Die Aufmerksamkeit wird auf ein minimales und entsprechenden baulichen Gestaltungen sehr Feld fixiert. Die technischen Apparate verschwin- unterschiedliche Klangeigenschaften. Die Räume den, Kabel werden verborgen und versteckt. Auf zur Straße hin werden völlig anders gefärbt als der Leinwand bekommt jede Türklinke und jeder die zum Gartenbereich gelegenen. Außerdem Raum ein designtes Klang-Kleid einer anderen müssen wegen der Anforderung der Begehbarkeit Klinke und eines aufgezeichneten Orts überge- diverse Abhörpunkte gefunden werden, was für stülpt, damit wir glauben, genau das zu hören, eine lokalere Bespielungen bzw. Zusammenfas- was wir sehen – eine Doppelung, eine Engführung sungen von Raumkonstellationen im Rahmen der der Wahrnehmung auf einen meist linearen und Kompositionsarbeit spricht. Durch die mehrwöchi- eindimensionalen Erzählstil. Was würde passie- gen Begehungs- und Befragungsphase wurden ren, wenn die Türklinke bei ihrer Betätigung gar die atmosphärischen Eigenschaften der Raum- kein Geräusch machen würde bzw. die Bahnhofs- systematik erlernt. Ich experimentiere über Tage halle dumpf, wie ein Wohnzimmer klingt? Der und Nächte mit Lautsprecherkonstellationen im Besucher würde in der Erzählzeit anhalten und Gebäude. Die Befragungen durch den akustischen sich Fragen stellen und sofort selbst assoziativ Werkzeugkasten fallen ausführlicher als bei allen nach einer Lösung der Spannung bzw. Brücke zwi- bisher befragten Gebäuden aus. Für die Ausfüh- schen den inkongruenten Elementen suchen. Er rung der kompositorischen Antwort17 wird wieder würde eine Eigenzeit entwickeln müssen, um die eine Raum-Klangpartitur erstellt, die am Ende drei Geschichte selber ausformulieren zu können. {kA}: Klangzonen vorsieht, die nacheinander auskompo- keine Ahnung von Schwerkraft sucht die Klänge, niert werden: Keller, Werkstatt, Wohnbereich. die weit genug von den Maschinen, Raum-Klang- situationen, Aussenklängen, Materialgeräuschen entfernt sind, um nicht zu vertonen, gleichzeitig aber assoziativ nah genug am Gesamtklangbild und unzähligen Einzelereignissen der Umwelt dran 17 Vgl. hierzu oben Abschnitt II.6. {Kompositorische Ant- sind, um die Wahrnehmung auf diese Einzelereig- wort}. nisse hinzuweisen und anzuregen, diese aktiv und {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft 89 selbst mit der artifiziellen Klangwelt zu verbin- den oder gar beide Welten als eine zu hören.18 Es geht also darum, das Gebäude für den Besucher zu erschließen, um dann die Wahrnehmung des Besuchers herauszufordern, sich dem Gebäude zu nähern, zu öffnen, und das Gebäude als Möglich- keitsraum zu erkunden, mit diesem in einen Hör- Dialog zu treten. Ein andauerndes inszeniertes Wechselspiel zwischen Fremdheit und Aneignung der Verhältnisse. III.4. {Performanz von Eigenklang und Umgebung} à 3 Eine von fünf bestuhlten Höranordnungen im Wohnbereich. (© Nico Bergmann 2012) Die Besucher19 können sich frei durch das Gebäude bewegen oder an den von mir eingerichteten Sitz- bereichen verweilen. die sich in die Atmosphäre der jeweiligen Raum- Die Stühle20 wurden nach akustischen Kriterien zone einfügen oder vom Besucher wiederum zu der angeordnet, so dass in unterschiedlichen Räumen ihn umgebenden Klangwelt in Beziehung gesetzt zwei bis fünf Stühle in die Raumsituation, den bzw. von anderen Besuchern in ihrer Wahrneh- Hörachsen und relevanten Resonanzbereichen mung, gehend oder sitzend, visuell und akustisch entsprechend, eingepasst wurden. So kann das zu einer Atmosphäre zusammengefügt werden.21 auskomponierte Wechselspiel zwischen Gebäude, Gleichzeitig fordert die für die Arbeit notwendige Gebäudeumgebungsklängen und elektroakusti- aktive Hörhaltung ein bewusstes Verhalten der scher Klangwelt sowohl als Installation passiert Besucher untereinander. Wer sich selber nicht oder aber, ähnlich einer Konzertsituation, sitzend akustisch wahrnimmt, bricht in die Klangwelt des wahrgenommen werden. Hierbei wird der Besu- anderen drastisch ein oder erfährt dies als stiller cher selber zum Teil der Inszenierung. Die Bewe- Beobachter umgekehrt. gungen verursachen u. a. auf den verschiedenen Untergründen (Parkett, Stein, Lehm) Geräusche, III.5. {Keller} Die erste kompositorische Antwort wird im Keller- 18 «In der Anna-Neumann-Straße in Murau, der Sitz der bereich gegeben. Die vergitterten Fenster zur Stra- Gerberei, wird eine Klanginstallation geschaffen, die diese ßenseite sind die Membrane zwischen Gebäudein- sehr spezifischen Atmosphären und akustischen Landschaf- nerem und der Außenwelt. Die Klänge der Autos ten der Räume aufnimmt und intensiviert. Als würden die und Fußgänger dringen deutlich durch die leicht Klänge und Geräusche in den Wänden verschwinden bzw. aus diesen hervortreten, verschmilzt die Installation mit den vibrierenden Scheiben, verschwinden dann für den Räumen. Die Besucher wandern durch das Gebäude, den Moment, da sie von der dicken Mauer abgeschirmt Klängen hinterher oder vorneweg. Man kann nicht sagen, werden, und kehren mit dem nächsten Fenster wie- wer wen bei seiner Bewegung durch die Räume begleitet der deutlicher zurück. Die nicht sichtbare Straße und mitnimmt, die Zuschauer die Klänge oder umgekehrt. ist somit das die Gesamtsituation bestimmende Durch die Installation der akustischen Atmosphären entste- hen Räume in den Räumen, die die reale Architektur zum einen überdecken können, um daraus neue, durch Geräu- 21 «Beobachtet man die Besucher in dem Gebäude, dann sche und Klänge inszenierte Räume zu schaffen. Zum ande- sind sie fasziniert von den unterschiedlichen Welten, gehen ren aber, in der Klanginstallation die Räume zu verstärken, schweigend hin und her, vom Keller in den ersten Stock, hi- gleichsam zu intensivieren und ihren Charakter akustisch in nüber zum Wohnbereich und wieder durch die lange Treppe die Wände einzuschreiben, als würden sie selbstverständlich zum Eingangsbereich zurück. Die Architektur des Gebäudes dazugehören» (Reither: 2013: 35). und zwei Treppen machen es möglich, einen Rundgang durch das Gebäude zu machen. Es sind mehrere Zugänge 19 Die Besucher wurden von MitarbeiterInnen der REGIO- zu den Teilen vorhanden, sogar über den Garten, durch den NALE12 am Eingang abgezählt. Gleichzeitig sollten sich nie man von der Werkstatt in den Wohnbereich überwechseln mehr als 20 Personen im Gebäude aufhalten. kann. Hinzu kommt, dass die Besucher selbst durch ihr Ver- 20 Die Gemeinde Murau stellte für den Festivalzeitraum 40 halten Geräusche verursachen, die sie unweigerlich mit dem dunkelrote Holzstühle aus dem Gemeindesaal zur Verfügung. Gehörten in Beziehung setzen […]» (Reither 2013: 41). 90 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann durch einen verwinkelten Gang verbundenen Arbeitsräumen und einer kleinen Toilette, die über eine Lüftungsluke die einzige akustische Brücke zum Wohnbereich im zweiten Gebäudeteil bildet. Die Stimmung ist hier viel freundlicher als im Gewölbebereich. Tageslicht fällt durch große Fens- ter von der Gartenseite ein. Auch hier wird unter Einbeziehungen der vorangegangenen Gebäude- befragungen und persönlichen Aneignung der akustischen Verhältnisse ein System aus Lautspre- chern in die Räume, Maschinen, Winkel und Rohre eingebaut. Ein Fenster im oberen Werkstattbereich à 4 Die Leitungssysteme und die gemauerten wird zur Gartenseite geöffnet und fixiert. Zweimal Tröge im Kellerbereich dienen als Klangüberträger und täglich dringt hier das Gebell eines bestimmten Resonatoren. (© Nico Bergmann 2012) Hundes (Ich weiß bis heute nicht, wie er aussieht.) hinein. Die Vögel im Garten erweitern den musikali- schen Hörraum über die Mauern der Gebäuderück- Element der Kelleratmosphäre. Die Fenster und seite hinaus. Die außer Betrieb gesetzten Maschi- Wände wirken sich wie eine Filterung auf die sich nen stehen wie Skulpturen still in den Räumen. mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorbei In Betrieb müssen sie einen Ohren betäubenden bewegenden Klangquellen aus. Die Steintröge, Lärm gemacht haben. Hier entstehen neun in drei Räume und Kammern zur Mitte des Gebäudes hin Gruppen aufgeteilte Raumklangkompositionen, wirken vor allem als Resonanzräume. Dort gibt alle ebenfalls mit der Länge von 3’30’’. Sie werden es, außer einem ganz leisen Rauschen von Was- von einem Computer nach den oben beschriebenen ser, keine charakteristischen Geräusche. In diese Prinzipien ausgewählt und abgespielt. Verbleibt Raum-Klangzone wird das erste System von Laut- man in dieser Raum-Klangzone für ca. 33 Minuten, sprechern vorwiegend als Anreger der Resonanz- sind alle neun Kompositionen einmal erklungen. räume und Verstärker der Straßenbewegungen ein- gebaut. In den folgenden Tagen sitze ich hier und versuche, das durch die vorangegangenen akus- III.7. {Wohnbereich} tischen Befragungen Gelernte in einer Auseinan- Der dritte Klangraum unterscheidet sich deutlich dersetzung mit dem Raum und meinen Eindrücken von den beiden ersten. Durch die im Gebäude höher und Aufzeichnungen einfließen zu lassen. Hierbei gelegenen Fenster tritt mehr direktes Sonnenlicht in kommen die in den letzten Jahren und Gebäuden die Räume. Die Gesamtatmosphäre wirkt weicher, entwickelten Techniken der Klangaufzeichnung, aber nicht weniger beklemmend. Hier entsteht der Verstärkung, Synthetisierung und Filterung wie Eindruck, die Bewohner hätten kurz vorher das natürlich der Spatialisierung als Raumkomposi- Haus verlassen: Tapeten an der Wand, Linoleum in tion zum Einsatz. Es entstehen sechs 3’30’’ lange der Küche, Reste der Küchenmöbel, Lampen und Raum-Klangminiaturen, die in drei Atmosphären- Leuchter an den Wänden, intakte aber stillgelegte gruppen aufgeteilt wurden. Der Computer wählt, Badezimmer mit Spiegelbeleuchtung. Auf dem nach dem er sich am Morgen selbst einschaltet, Boden Abdrücke und Kratzer früherer Möbel. Im nach Zufallsprinzip die erste Miniatur aus und Wohnbereich liegt durchgehend laut knarzendes folgt dann einem programmierten Regelwerk hin- Parkett. Wo und wie man auch tritt, der Boden tönt sichtlich der Auswahl der Folgekomposition, der in Variationen in allen Räumen. Ich stelle mir mit Reihenfolge und der Wiederholungen. Der Aus- geschlossenen Augen vor, dass sich hier vier Perso- wahlprozess dauert jeweils 10 Sekunden. nen in den verschiedenen Räumen aufhalten und bewegen. Ich höre ein Konzert. So wird in dieser III.6. {Werkstatt} Klangzone zur ersten Regel der Komposition von Klang- und Dynamikentwicklung, dass sich alle ein- Folgt man der im hinteren Bereich des Gewölbes gefügten Elemente sowie die Lautsprecherpositio- befindlichen engen Steintreppe aufwärts, betritt nen an der Klanghaftigkeit und Perkussivität bzw. man den Werkstattbereich. Ein System aus vier dem jeweiligen Potential des Parkettbodens orien- {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft 91 tieren. Das bedeutet zunächst, dass die komponier- ten Eingriffe in ihrer Grundstimmung sehr leise und fragil sein müssen. Hinzu kommt, dass es wegen der Anregungspotentiale im Parkett viel mehr Raum (Lücken) geben muss, als dies bei den beiden vorherigen Gebäudeabschnitten der Fall gewesen ist. Betritt man die Etage, kann es sein, dass man zunächst gar nichts hört, weil man die Begegnung auf einer anderen Lautstärke erwartet. Erst, wenn die Ohren ‹herabsinken›, kann die Gesamtkomposi- tion in den Aufmerksamkeitsbereich aufgenommen werden. Teilweise sind die Klänge so ‹unterschwel- lig› in Lautstärke und Bewegung, dass ich beim à 5 Das Dach wird zur akustischen Bühne, auf der sich Komponieren und wiederholten Abhören die Luft Lautsprecherkompositionen und die Klangkulisse der Stadt durchdringen. (© Nico Bergmann 2012) anhalte, damit ich den Höreindruck nicht mit mei- nem Atmen verwische. Jedes Klangereignis zählt zur Komposition. Bis zum Ende der Ausstellungszeit gumgebung eine zweite eingebaut, nämlich die befand sich eine große Fliege im Wohnbereich, den 6-kanalige Klanginstallation wiegenlied22, die ich das Insekt in unregelmäßigen Abständen durch- für das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen flog. Besucher haben hinterher immer wieder von zwischen 2009 und 2010 für das imposante Foyer der auffälligen Lautstärke dieser Flugbewegungen der Landesvertretung in Berlin komponiert hatte. berichtet. Um den Gartenbereich mit einzubeziehen Damals bin ich ein Jahr lang durch mein Heimat- und auch hier die Außenwelt lokal in die Raumkom- bundesland gereist und habe Klänge gesammelt, position mit einzubeziehen, wird im Küchenbereich aus denen dann in der Folge Klangfragmente, ein Fenster gekippt und fixiert. Auch hier hört man rhythmische Strukturen und Klangfarben für die jetzt zweimal am Tag den Hund und Vögel sowie fertige Installation herausgearbeitet wurden. Bei den Bach, der unter dem Haus hindurch und in den sechs bestuhlten Sonderkonzerten für jeweils die Mur fließt. Auch hier entstehen neun in drei zehn Hörer in Murau konnte das Publikum dem Atmosphären- und Bewegungsgruppen unterteilte Wechselspiel der über sechs im Dachstuhl ange- 8-kanalige Raum-Klangkompositionen von jeweils brachte Lautsprecher eingespielten und von mir 3’30’’ Länge, die von einem Computer ausgewählt live eingemischten Klanginstallation wiegenlied und abgespielt werden. mit den Umgebungsklängen der Gemeinde Murau beiwohnen. III.8. {Öffnung} Am 22. Juni übergebe ich das Gebäude der REGI- IV. {Leerstand als Thema künstlerischer ONALE12-Leitung und damit der Öffentlichkeit. Im Auseinandersetzung} folgenden Festivalmonat ist das Gebäude täglich Für diese Werkreihe wichtig ist die Thematisierung von 10.00–20.00 Uhr geöffnet gewesen. Laut Festi- eines alltäglichen Phänomens. Gebäudeleerstand valveranstalter wurde das Gebäude bis zum Abbau hat es immer schon gegeben, aber in den letzten am 23. und 24. Juli 2012 von knapp 1000 Festival- 15 Jahren wurde dieser in Innenstädten und Rand- besuchern erkundet. bereichen immer auffälliger. Manche Fußgänger- zonen sind oberhalb der ebenerdigen Geschäfts- III.9. {Das Konzert} zeilen nahezu verwaist. Während man früher allenfalls durch diskrete Schilder des Maklers auf Am 06. und am 07. Juli 2012 wurde auf dem die Mietmöglichkeiten eines Objekts hingewiesen Dach der Gerberei ein vierter Klangraum eröffnet. wurde, haben in den letzten Jahren die Transpa- Der Dachstuhl ist nach allen vier Seiten zur Stadt geöffnet. Hier wurden früher die Waren zum Trock- nen aufgehängt. Diese Klangzone wird durch die 22 Mehr Informationen zu wiegenlied unter http://www. Klänge der Stadt umspült oder gar geflutet. Ich gksh.net/de/arbeiten/installation-auswahl/wiegenlied/ habe für die Sonderveranstaltung in diese Klan- [15.08.2014]. 92 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann rente mit der Aufschrift «Zu vermieten, provisions- entsteht. D. h. Geschichte, bauliche Eigenheiten, frei abzugeben!» stetig größere Dimensionen an wie Materialauswahl, Schnitt (Großraumbüros seit den Fassaden angenommen, während gleichzei- den 80er Jahren, kleine Zimmer im Messehotel, tig ein paar Meter weiter ein Büro- oder Gewer- Stein-/Marmorböden in Eingangshallen internati- bebauboom stattfindet. Im Rahmen der Arbeit onaler Kanzleien, etc.)26 werden Bestandteile eines findet eine temporäre Umwidmung eines Gebäu- künstlerischen Gesamtkonzepts. Die häufig einsei- des statt23, das als leer, im wirtschaftlichen Sinne tige, abwertende Sicht- bzw. Hörweise auf diese nutzlos, meist über viele Jahre hermetisch gegen Leerstellen oder gar Nicht-Orte in unserer unmit- die Umwelt abgeriegelt, auf seinen Abriss bzw. telbaren Nachbarschaft soll durch die alternative seine Entkernung wartet, gleichzeitig aber eine Interpretation des Ortes erweitert werden. Diese eigene Geschichte, Gestaltung und Atmosphäre Nicht-Orte sind auch Chancen. birgt. Gemeint ist die klangkünstlerische Nutzung ehemals wirtschaftlich und sozial im urbanen Umfeld völlig integrierter Gebäude (Kanzleien, Literatur Krankenhäuser, Kaufhäuser, Hotels, Amtsstuben), die aufgrund ihrer Vergangenheit mit Formen, Augé, Marc (2009): Non-Places: Introduction to an Anth- baulichen Ästhetiken, klanglichen Eigenheiten ropology of Supermodernity. London & New York: (Nachhall, Absorptionseigenschaften der Räume, Verso Books. etc.) und nicht zuletzt Geschichten aufgeladen Blesser, Barry & Salter, Linda-Ruth (2007): Spaces Speak, sind. Diese Leerstände gibt es in jeder Stadt. Orte, are you listening? Experiencing aural architecture. die entweder auf lange Zeit leer stehen und einer Cambridge Mass: MIT Press. etwaigen Entkernung und Umwidmung24 entge- Böhme, Gernot (2006): Architektur und Atmosphäre. gen sehen oder auf ihren Abriss warten, bis sich München: Fink Verlag. ein neuer Investor gefunden hat, der eine völlige Borgdorff, Henk (2012): The Debate on Research in the Umgestaltung vornimmt. Diese ‹Einkapselung› im Arts, The Conflicts of the Faculties. Leiden: Leiden öffentlichen Raum kann mitunter Jahre dauern, University Press. die Passanten und Passantinnen nehmen diese Brün, Herbert (2004): Wafaring Sounds. In: When Music Gebäude nach kurzer Zeit nicht mehr wahr, sie resist Meaning. Hg. von Herbert Brün und Arun verschwinden in der öffentlichen Wahrnehmung. Chandra. Middletown, CT: Wesleyan University Press. In der Gesamtheit des bewussten urbanen Raums S. 123–162. entsteht eine Lücke, ein Nicht-Ort.25 Erst, wenn Ganchrow, Raviv (2008): Klangmaterial. In: tuned city. das Baugerüst befestigt oder gar die Abrissma- Zwischen Klang- und Raumspekulation, Hg. von schinen installiert werden, rückt der Ort wieder in Doris Kleilein / Anne Kockelkorn / Gesine Pagels / die Öffentlichkeit. Lücken der Wahrnehmung sind Carsten Stabenow: Idstein: Kookbooks. S. 64. Ansatzpunkte für die Künste, denn hier können Goebbels, Heiner (2002): Musik entziffern. In: Kompo- neue Territorien beschritten und erforscht werden sition als Inszenierung. Hg. von Wolfgang Sandner. und grundlegende Fragestellungen (z. B. Indivi- Leipzig: Henschel. S. 181–184. duum und Klang-Umwelt, (un-)bewusstes akusti- Kleilein Doris & Kockelkorn, Anne (2008): Akustik nervt. sches Weltbild) neu kombiniert und thematisiert In: tuned city. Zwischen Klang- und Raumspekulation, werden. Darüber hinaus soll aber mit den Mitteln Hg. von Kleilein, Doris, Anne Kockelkorn, Gesine Pagels der Klangkunst ein ephemeres Werk entstehen, und Carsten Stabenow: Idstein: Kookbooks. S. 9. das eben auf der Grundlage des ausgemusterten Neukom, Martin (2010): Topologie des Klangraums. In: Gebäudes, aus dem Gebäude und dem Ort heraus Milieux Sonores. Hg. von Markus Maeder: Bielefeld: Transcript. S.17–40. 23 Beispiel: Ein Kaufhaus wird zum Konzertraum. 26 «Aural Architecture can also have a social meaning. For 24 Beispiel: Eine alte Post wird zu einem H&M Modege- example, the bare marble floors and walls of an office lobby schäft. loudly announce the arrival of visitors by the resounding echo- 25 Obwohl Marc Augé mit seinen Non-Places andere Orte es of their footsteps. In contrast, thick carpeting, upholstered meint, als die von mir aufgesuchten, wage ich die Analo- furniture, and heavy draperies, all of which suppress incident gie: «Perhaps today’s artists and writers are doomed to seek or reflected sounds, would mute that announcement. The beauty in ‹non-places›, to discover it by resisting the appa- aural architecture of the lobby thus determines whether en- rent obviousness of current events» (Augé 2009: XXII). tering is a public or private event» (Blesser & Salter 2007: 3). {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft 93 Reither, Saskia (2013) Wie klingt ein Raum? Inszenie- Stockhausen, Karl Heinz (1963): Texte zur elektronischen rung von Räumen durch Aneignung und Choreo- und instrumentalen Musik, Band I. Köln: DuMont. graphie von architektonischem Klangmaterial. In: Supercollider (o.J.): Online unter http://supercollider. Bewegungsmaterial. Beiträge zu einer Bildtheorie des sourceforge.net [15.08.2014]. zeitgenössischen Tanzes. Hg. von Timo Skrandies / Katharina Kelter / Henrike Kollmar. Düsseldorf: Düs- seldorf University Press. S. 32–44. 94 Gerriet K. Sharma & Nico Bergmann aMbIente MuSIK zur Vertonung IMMerSIVer InteraKtIVer MedIen Axel Berndt Zusammenfassung/Abstract die ambiente musik ist ein genre, das für die vertonung von interaktiven immersiven medien von besonderem interesse ist. das liegt zum einen an ihrem für die musik im allgemeinen eher ungewöhnlichen rezeptionsmodus – sie will nicht bewusst rezipiert werden. Zum anderen weist sie kompositorische stilmerkmale auf, die für den einsatz von generativen techniken geradezu prädestiniert sind, und damit eine in echtzeit adaptive musikuntermalung ermöglichen. dieser artikel gibt einen phänome- nologischen überblick über das genre der ambienten musik und beschreibt, wie sie für die echtzeit-adaptive vertonung interaktiver medien genutzt werden kann. Ambient is a musical genre that is of particular interest for the scoring of interactive immersive media. One reason for this is that the mode of reception is atypical for music in general: Ambient is not meant to be received consciously. Another reason is that its stylistic features are predestined for use in the context of generative music techniques and, thus, for the use within real-time adaptive music systems. This arti- cle gives a phenomenological overview of the genre of ambient music and explains how it can be applied for the real-time adaptive scoring of interactive media. 1. Hintergrundmusik soll man nicht hören? schehen aber allein auf die Wirkung seiner Sound- effekte und eindrucksvollen Klangpanoramen Musik gehört zum festen Instrumentarium immer- setzt. Der Verzicht auf Musik kann zudem auch siver audiovisueller Medien. Filme und Videospiele, damit begründet sein, dass ein möglichst authen- die gänzlich auf sie verzichten, sind eine Selten- tischer und dramaturgisch unverfälschter Eindruck heit, vor allem in der westlich geprägten Medien- vermittelt werden soll, die rohe Realität. Vor allem kultur. Dabei ist der Verzicht darauf bei weitem im dokumentarischen Film lassen sich Beispiele nicht nur aus der Einsparung von Produktions- dafür finden. kosten heraus motiviert, sondern ein absichtsvoll Gerade in diesem letzten Grund lässt sich indi- und sehr bewusst eingesetztes Mittel. Es verschafft rekt bereits erahnen, welche narrative Macht von einer atmosphärisch dichten Geräuschkulisse mehr einer richtig eingesetzten Musik ausgehen kann. Wirkungsraum. Ein sehr gelungenes Beispiel dafür Denn sie muss das dargestellte Geschehen nicht gibt das Videospiel Doom 3 (id Software, USA nur bestätigend begleiten, wie bereits Eisenstein et 2004), das lediglich im Hauptmenü und in den al. (1928) berichten. Als eigenständige Bedeutungs- Credits Musik verwendet, im eigentlichen Spielge- ebene kann sie das Szenengeschehen auch affirma- Ambiente Musik zur Vertonung immersiver interaktiver Medien 95 tiv ergänzen oder kontrapunktisch zu den übrigen Kiki‘s Delivery Service (Kikis kleiner Lieferservice, Bedeutungsebenen  – das sind vor allem Bild und Hayao Miyazaki, J 1989). Die Sprachumschaltung Sprache  – deren Aussage widersprechen (Pauli vom Deutschen ins Englische schaltet zugleich auf 1981; Thiel 1981). Ein augenscheinliches Idyll, so eine andere Musikspur, die deutlich weniger Ruhe- überzeugend es auch inszeniert sein mag, birgt eine pausen aufweist. Auch in Videospielen lässt sich lauernde Gefahr, allein weil die Musik sie evoziert. dieser Trend beobachten. Hier fällt es gar zu leicht, Allzu oft wird die Funktion der Musik in audiovisu- Musik in Endlosschleifen abzuspielen und damit ellen Medien auf die bloße Emotionalisierung redu- einhergehend keine einzige freie Minute zuzulas- ziert. Durch Filmmusikforschende wie Lissa (1965) sen. In vielen Fällen verpufft durch die ständige und Wingstedt (2005) wissen wir von einem weit Beschallung ein Großteil des dramaturgischen vielfältigeren und sehr differenzierten Einsatz der Potentials, das in einer selektiveren Nutzung der Musik als informatives, beschreibendes, die Auf- Musik gesteckt hätte (Berndt 2013). merksamkeit leitendes, die Zeitwahrnehmung des In Anbetracht einer derart exzessiven musika- Publikums beeinflussendes, rhetorisches Mittel. lischen Vertonungstradition verwundert es umso In interaktiven Medien steht sie dabei nicht nur mehr, dass ein wiederkehrendes Motiv in der Fach- in Relation zum dargestellten szenischen Gesche- literatur ausgerechnet der Ausspruch ist, dass die hen, sondern auch zum Interaktionsverhalten des beste Hintergrundmusik die sei, die man nicht Anwenders (Berndt 2011b, 2013). Sie kann ihn hört. Wozu also wird sie überhaupt gespielt? Das bei der Beherrschung der Spielmechanik und beim hinterfragen auch Adorno und Eisler (1947). Bei Verständnis komplexer Zusammenhänge unter- ihnen heißt es noch «Filmmusik soll man nicht stützen und zur Reflexion seines eigenen Handelns hören» (Adorno & Eisler 1947: 15). Die Autoren anstiften. Dank ihrer assoziativen Kraft1 kann sie gehen mit dem Ausspruch entsprechend kritisch einen Einfluss auf Spielerentscheidungen ausüben. ins Gericht und zitieren den Kinderreim: Ihre rhythmischen Qualitäten sind ein wichtiges „Ich weiß ein schönes Spiel, Mittel für die Dynamisierung des Spielflusses. Ich mal mir einen Bart Kaum ein Spieler kann sich gegen die Hatz einer Und halt mir einen Fächer vor, treibenden Musik zur Wehr setzen. Die Musikle- Daß niemand ihn gewahrt.“ (ebd.: 17) vels im Jump’n’Run-Spiel Rayman Legends (Ubisoft Montpellier, F 2013) sind eindrucksvolle Beispiele Sie schreiben weiter: «Die Forderung nach der dafür, wie durch das spielerische ‹Mitgehen› mit Unauffälligkeit von Musik bedeutet in der Praxis der Musik ein Spielfluss entsteht, durch den die im allgemeinen […] Banalität schlechtweg. Musik Levels überhaupt erst gemeistert werden können. soll danach in demselben Sinn unauffällig sein, Exemplarisch dafür sei auf die Rezension der Fach- wie das Bohèmepotpourri im Caféhaus» (ebd.). zeitschrift GameStar verwiesen (Seitz 2013). Der Ausspruch hat dennoch seine Berechtigung, Die Musik ist also ein vielseitiges und mäch- wenn er nur nicht allzu wörtlich verstanden wird. tiges narratives Werkzeug. Deshalb wundert es Vielmehr soll die Hintergrundmusik nicht bewusst kaum, dass sie in der westlichen Medienkultur rezipiert werden. Schneider sieht einen Hauptgrund zuweilen ausgesprochen exzessiv zum Einsatz dafür in einer anderen Reizverarbeitung: kommt. Gerade die Filmmusikpraxis Hollywoods «Die unter- und unbewusste Wahrnehmung von Film- lässt kaum längere unvertonte Passagen zu. Der musik besagt nichts über einen untergeordneten deutsche Filmemacher Florian Henckel von Don- Stellenwert innerhalb der Filmdramaturgie. Je unbe- nersmarck berichtet, dass ihn der Komponist Gab- wusster Musik wirkt, desto mehr kann sie den Bild- riel Yared «davon überzeugt, mehr europäischer Fil- betrachter in einem vom Filmemacher gewünschten memacher zu sein als amerikanischer Zukleisterer» Sinne konditionieren und seine Rezeption des Bildes (2006: 166). Bisweilen braucht es offenbar sogar stimulierend lenken. […] Das bewußte, intelligente Mut, auf Musik zu verzichten. Aufschlussreich und analytische Hören lässt Emotionen kaum zu und ist auch die multilinguale DVD-Veröffentlichung läßt […] nur wenige jener Wirkungen auf den Körper des aus dem Studio Ghibli (1989) stammenden zu, auf denen die konditionierenden Effekte herkömmli- cher Filmmusik beruhen […].» (1990: 72–73) 1 Der Linguist und Musikwissenschaftler Norbert Jürgen Schneider (1990) beschreibt einen Semantisierungsprozess, Hintergrundmusik soll unbewusst wahrgenommen während dessen der Hörer die Assoziationen lernt. werden. Die Rezeptionssituation eines konzentriert 96 Axel Berndt lauschenden Konzertbesuchers ist hier nicht inten- 2. Ambiente Musik: Eine Analyse diert. Das verdammt sie nicht zur Banalität, sondern erfordert einen sehr gezielten Umgang mit ihren Die ambiente Musik ist ein Teilgebiet der elektro- affektiven Mitteln, denn sie soll den Hörer beeinflus- nischen Musik. Der Musikwissenschaftler Thomas sen – im Film ebenso wie im interaktiven Medium. Holmes (2008) sieht ihre Wurzeln in den 1950er Eine Hintergrundmusik, welche die Aufmerk- Jahren, in den experimentellen elektronischen samkeit des Publikums allzu sehr auf sich zieht, Live-Musiken von Avantgardisten wie John Cage, kann zudem mit den weiteren auditiven Schichten, die verstärkt mit aleatorischen Elementen, Umge- d. h. Sprache und Geräuschen, in Konflikt geraten. bungsgeräuschen und der Stille als musikalisches Die oberste Priorität gilt zumeist der Sprachver- Element arbeiten. Wurzeln sieht er auch im musi- ständlichkeit. Kungel fasst ein «Fazit für Prakti- kalischen Konzept der musique d’ameublement ker: Lässt sich die Überlagerung von Sprache und Érik Saties, das die Musik als Möbelstück begreift Musik […] nicht vermeiden, dann muss die Musik (Shlomowitz 1999). Hierbei ist die Musik als Teil so einfach wie möglich gehalten werden. Ideal ist der Umgebung gegenwärtig, gehört dazu aber ein wechselseitiger Einsatz» (2004: 145). Dessen verlangt keine Aufmerksamkeit vom Hörer. Die unbeschadet darf auch die Musik aus dem Hinter- Minimal Music, etwa die eines Steve Reich, greift grund hervortreten und spielt in einigen Genres dieses Musikverständnis auf und findet ihren Nie- sogar die Hauptrolle, etwa in Musikfilmen und derschlag auch in den Filmmusiken von Bernard -spielen (Berndt 2011a). Es geht also stets darum, Herrmann. Ihr Einfluss auf die oft algorithmisch wie vorder- oder hintergründig die jeweiligen Reize bzw. seriell komponierte und in ihrer Verwendung dargeboten werden, wodurch die Aufmerksamkeit der musikalischen Gestaltungsmittel sehr redu- und Reizverarbeitung des Hörers subtil aber wir- zierte ambiente Musik ist unübersehbar. kungsvoll gesteuert werden. Schließlich war es Brian Eno, der mit seinem 1978 Um eine unbewusste Musikrezeption zu errei- veröffentlichten Album Ambient 1: Music for Airports chen, wird bereits bei der Montage viel Wert auf Saties musique d’ameublement konsequent weiter- ein möglichst unauffälliges Einsetzen und Verklin- führte und das Genre Ambient in seiner heutigen gen gelegt. Das Publikum soll nicht merken, wann Form begründete. Eno definiert es folgendermaßen: die Musik beginnt und aufhört. Sehr sanfte Ein- An ambience is defined as an atmosphere or a surroun- und Ausblenden, beginnend in sehr hoher oder tie- ding influence: a tint. My intention is to produce origi- fer Lage, gehören zu den üblichen Techniken hier- nal pieces ostensibly (but not exclusively) for particular für. Ebenso werden Einsätze und Enden häufig mit times and situations with a view to building up a small lauten Geräuschen (Gewitterdonnern, Explosionen but versatile catalogue of environmental music suited etc.) maskiert. Dezente Kompressionseffekte sor- to a wide variety of moods and atmospheres […]. Am- gen dafür, dass Sprache nie übertönt wird. Mittels bient Music must be able to accommodate many levels Equalizern kann der für die Sprachverständlichkeit of listening attention without enforcing one in particu- relevante Frequenzbereich zusätzlich ‹freigeräumt› lar: it must be ignorable as it is interesting. werden. (Holmes 2008: 401) Hintergrundmusik soll unbewusst gehört wer- den. Es gibt ein Musikgenre, das genau dies zur Es blieb nicht bei nur einem Ambient-Album. Die Tugend erhoben hat und daher im Kontext der Serie umfasst insgesamt vier Alben, die Eno teils bisherigen Betrachtungen von besonderem Inter- kollaborativ mit weiteren Musikern (Harold Budd, esse ist, die ambiente Musik. Wie sie dies erreicht, Laraaji) schuf. Auch außerhalb der Ambient-Serie wird im folgenden Abschnitt analysiert, dessen schuf Eno eine Vielzahl weiterer Alben mit ambien- Aussagen direkt für die Vertonung interaktiver ter Musik, darunter Music for Films (1978), Apollo: immersiver Medien Anwendung finden können, Atmospheres and Soundtracks (1983), Another Day auch wenn sie das interaktive Moment als Teil on Earth (2005) und Lux (2012). Allein Enos Werk des musikalischen Geschehens zunächst ausklam- kann als ein Spiegel der Vielseitigkeit und Vielgestal- mern. Die Verknüpfung der ambienten Musik mit tigkeit des Genres gelten. Hinzu kommen die Arbei- 2 dem interaktiven Geschehen wird in Abschnitt 3 in ten unzähliger weiterer Künstler und Communities. den Mittelpunkt gestellt, der das breite Spektrum an technischen und gleichermaßen musikästheti- 2 Siehe dazu auch den Ambient Music Guide, online un- schen Lösungsansätzen vorstellt. ter http://www.ambientmusicguide.com [15.08.2014]; Ambiente Musik zur Vertonung immersiver interaktiver Medien 97 Etliche Subgenres sind entstanden, wie etwa Dark klänge. Häufig anzutreffen sind auch Vibraphon Ambient, Live-Ambient, Space Music und Illbient. und Harfe. Neben diesen findet sich eine Vielzahl Einflüsse von Jazz, Klassik und praktisch allen elek- von synthetisch erzeugten Klängen. Bemerkens- tronischen Musikgenres machen eine präzise Ein- wert ist, dass diese Klänge praktisch nie hörbar grenzung des Genres schwer. Holmes schreibt: «If beendet werden. Das entspricht dem Klavierspiel there is a unifying element in all ambient music it mit stets getretenem Haltepedal. Einmal ange- appears to be a continuity of energy that enables schlagen klingen die Töne praktisch endlos lange a suspension of tension. Like minimalism, contem- aus. Sie werden meist einzeln angeschlagen, mehr- porary ambient music often relies on a persistent stimmig homophones Spiel (mit mehreren gleich- rhythm and slowly evolving wash of sound textu- zeitig angeschlagenen Tönen) taucht seltener auf. res» (2008: 377). Flächige Klänge sind sehr sanft ein- und aus- Ein genauerer Blick auf ambiente Musik soll blendende Pad-Sounds, z. B. Streicherflächen, Chor- hier nun vorgenommen werden. Dabei wird eine klänge und synthetische Klangflächen. Sie weisen Bestandsaufnahme von häufig zu beobachtenden sehr lange Einschwing- und Abkling-Phasen5 auf. Charakteristika aufgeführt, ohne dass diese einen Decay-Phasen sind nicht auszumachen, d. h. der Anspruch auf Ausschließlichkeit oder Vollständig- Sustain-Pegel hält das Niveau, das am Ende der keit erheben kann. Nicht umsonst steht eine prä- Einschwingphase erreicht ist.6 Trotzdem lassen sich zise genremäßige Abgrenzung bislang aus. Den auch langsame Amplitudenmodulationen, Filter- Ausführungen liegen Analysen von repräsentati- modulationen und auch leichte Frequenzmodulati- ven Genrevertretern zu Grunde, darunter die gen- onen beobachten, die den ansonsten starren Klän- reprägenden Alben Ambient 1: Music for Airports, gen mehr Lebendigkeit verleihen. Diese Klänge Ambient 2: The Plateaux of Mirror und Ambient 4: werden zumeist akkordisch gespielt oder sind in On Land3, Enos derzeit jüngstes Album Lux, die ihrer tonalen Struktur bereits als quasi-akkordische online verfügbaren Ambient Music Soundworks Mixturklänge angelegt. des Musikers Thom Brennan4 sowie die Video- Naturgeräusche sind als Elemente einiger ambi- spiele-Soundtracks zu Riven (Cyan Worlds, USA enter Musikstücke anzutreffen, dominieren das 1997) (Miller 1998) und The Elder Scrolls V: Sky- Genre aber nicht. Beispiele lassen sich auf dem rim (Bethesda Game Studios , USA 2011) (Soule Album Ambient 4 finden. Die Mehrzahl der für 2011). Letzterer ist auf insgesamt vier Audio-CDs diese Analyse betrachteten Musikstücke kommt veröffentlicht worden. Davon wurde lediglich die jedoch ohne sie aus. Das widerspricht dem Kli- vierte CD betrachtet. Sie ist mit Skyrim Atmosphe- schee vom Meeresrauschen und Vogelzwitschern. res betitelt. Auf der CD Skyrim Atmospheres sind die Natur- Ein erstes bemerkenswertes Charakteristikum, geräusche aus den Klangpanoramen der mit der das sich über alle ambienten Musiken erstreckt, Musik vertonten Umgebungen entnommen. Auch sind die verwendeten Klangeigenschaften. Diese im Spiel The Elder Scrolls V: Skyrim erklingen beide lassen sich grob in die drei Kategorien glocken- Ebenen, Geräusche und Musik, stets gleichzeitig. artige Amplitudenverläufe, flächige Klänge und Charakteristisch für die Naturgeräusche ist, dass Naturgeräusche einordnen. ihnen, abgesehen von periodischen Erscheinungen Glockenartige Amplitudenverläufe werden wie dem Branden des Meeres, keine rhythmische angeschlagen, weisen dabei eine sehr kurze Ein- schwingphase auf, und verklingen danach konti- nuierlich. Schon in Enos ersten und wohl berühm- 5 Attack- und Release-Phasen. Das Standard-Hüllkurven- modell für musikalische Klänge umfasst die vier Phasen At- testen Stück auf dem Album ambienT 1, dem mit tack (Einschwingphase), Decay (Absinken auf den Sustain- «1/1» betitelten ersten Track, dominieren Klavier- Pegel), Sustain (Haltephase des Tones mit meist konstantem Lautstärkepegel) und Release (Ausklingen). Ambient Net Labels, online unter http://www.phlow.de/ 6 Würde die Einschwingphase über den Haltepegel des netlabels/index.php/Category:Ambient [15.08.2014]; Am- Tones (Sustain-Pegel) hinausgehen und erst während der an- bient Music Links, online unter http://music.hyperreal.org/ schließenden Decay-Phase auf den Sustain-Pegel sinken, so epsilon/links/ [15.08.2014]. würde der Tonanfang einen rhythmischen Impuls erhalten. Endet die Einschwingphase hingegen direkt beim Sustain- 3 Diese Alben werden im Folgenden kurz mit Ambient 1, Pegel, entsteht eher der Eindruck eines Orgeltones oder flä- Ambient 2 und Ambient 4 bezeichnet. chigen Klanges, der mit der Einschwingphase beginnt und 4 Vgl. online http://www.thombrennan.com/ [15.08.2014]. dann gehalten wird. 98 Axel Berndt Ordnung zu Grunde liegt und auch keine Synchro- Rascher wiederkehrende Strukturen haben die nizität zur Musik. Darüber hinaus sind etliche syn- Funktion von begleitenden Arpeggien (Akkordbre- thetisch erzeugte Effektsounds zu hören. Beispiele chungen) Sie erzeugen eine kontinuierlich erklin- finden sich u. a. in der Musik Thom Brennans. gende rhythmisch-tonale Textur, wie im Falle von Monophone Klänge, wie sie etwa einer Lead- «First Light» auf dem Album Ambient 2. Diese Stimme zu Eigen wären, sind selten anzutreffen. repetitiven Tonfolgen werden subtil variiert. Ein Mit solchen Klängen kann zu jedem Zeitpunkt stets häufiges und algorithmisch leicht umzusetzendes nur ein einziger Ton gespielt werden, Überlappun- Mittel dafür ist die zufällige Permutation der Töne. gen oder mehrstimmiges Spiel sind nicht möglich. Es finden sich aber auch amelodische Tonfol- Ein typisches Beispiel dafür ist die menschliche gen, die sich über mehrere Oktaven erstrecken kön- Stimme – ein einzelner Sänger kann nicht mehrere nen, ohne dass ihnen eine erkennbare horizontale Töne gleichzeitig singen. Eines der wenigen Bei- Struktur zugrunde läge. Hier herrscht die Gleich- spiele für den Einsatz eines monophonen Klangs berechtigung aller Klangereignisse. Ein tonales ist die Gesangsstimme in «Not Yet Remembered» Zentrum gibt es nicht, auch keine Ziele und mar- auf dem Album Ambient 2. Klangfarblich sind kanten Eckpunkte, auf welche die Musik hinspie- alle Schattierungen von tonalen bis geräuschhaf- len würde und an denen sich der Hörer orientieren ten Klängen auszumachen. Im Sinne eines wenig könnte. Trotzdem leiten sich diese Tonfolgen oft aufdringlichen Klangbildes werden zuweilen ober- aus wohldefinierten algorithmischen Prozessen tonärmere Klänge verwendet, die weniger hell klin- ab, etwa aus parallel laufenden Ereignisschleifen gen. Sehr deutlich wird das bei den Tiefen-lastigen unterschiedlicher Länge (siehe z. B. «2/1») oder Klaviertönen auf dem Album Lux. Auf dem glei- aus fraktalen Prozessen. chen Album lassen sich auch obertonreichere helle Auf harmonischer Ebene liegt den meisten Klänge hören, die aber vorwiegend in den Pad- ambienten Musikstücken ein geradezu minima- Sounds (Kategorie 2: Flächige Klänge) verortet listischer Ansatz zu Grunde. Oft unterliegt einem sind, eher im oberen Tonbereich spielen und durch Stück nur ein einziger Akkord, der das Tonmate- ihre Hüllkurvencharakteristik ‹besänftigt› werden. rial für alle Stimmen definiert. Nur so kann das Ein weiteres, die Klanglichkeit betreffendes Cha- lange Ausklingen von angeschlagenen Tönen und rakteristikum ambienter Musik ist die häufige und trägen Flächenklängen, bei denen zwangsläufig sehr deutliche Verwendung von Hall. viele Überlappungen entstehen müssen, in einem Allein der Blick auf die Klanglichkeit lässt harmonisch sinnvollen Zusammenklang gehalten bereits erahnen, dass scheinbar mit allen Mitteln werden. Ohne dies wäre die Gefahr eines schwer versucht wird, den Eindruck von Weite und Zeitlo- verständlichen Gewirrs groß, wie es filigrane Musik sigkeit zu erzielen. Dabei spielen die im Vergleich in einem allzu lange nachhallenden Raum erzeugt. zu anderen Musikgenres sehr häufigen und bis zu Besonders prädestiniert sind schwebungsreiche 10 Sekunden langen Pausenzeiten ebenfalls eine Akkorde, etwa aus der Jazzharmonik, und mehr- große Rolle. Das Ausklingen angeschlagener Töne deutige Akkorde, die in unterschiedlichen Umkeh- wird hier regelrecht zelebriert. rungen umgedeutet werden können und dadurch Lange Pausen erschweren zudem das Erkennen dem Hörer keine ‹Grundtonsicherheit› geben. Die und Verfolgen von melodischen Strukturen, selbst im Verlauf eines Stückes auftretenden unterschied- dann, wenn sie geradezu motivische Züge anneh- lichen Ton- und Klangkombinationen beleuchten men sollten. Ungewöhnlich einprägsam ist die diese Akkorde immer wieder neu. Trotzdem schei- stets in der gleichen Lage wiederkehrende Figur in nen ambiente Musiken insbesondere durch das «1/1» auf dem Album Ambient 1. Wiederkehrende Fehlen harmonischer Fortschreitungen stillzuste- Strukturen weisen eine sehr langsame Periodizität hen, um einen harmonischen Zustand herum zu auf, was auch das Stück «1/2» auf dem gleichen wandern, sich aber nie davon zu entfernen. Die Album sehr deutlich demonstriert. Mehrmals fan- fehlende Entwicklung auf melodischer Ebene setzt den sich Beispiele, in denen Phrasen mit einer wie- sich also im Harmonischen fort. Auch dadurch derkehrenden Figur beginnen, dies sogar mit exakt drängt sich ambiente Musik dem Hörer nicht auf den gleichen Tönen (also nicht transponiert), dann und er muss sie nicht von Beginn an hören, um aber jedes Mal eine andere Fortführung vorstellen. ihr später folgen zu können. Diese Musik soll kein Beispiele dafür sind «1/1» (Ambient 1) und «Steal dramaturgisches Ziel ansteuern. Sie erzeugt eine Away» (Ambient 2). Stimmung und erhält diese aufrecht. Ambiente Musik zur Vertonung immersiver interaktiver Medien 99 Dies wird auch durch eine weitgehend horizon- 25s bis 1h 11min. In den Alben Ambient 1, Ambi- tale kompositorische Form mit einer Abfolge von in ent 2 und Ambient 4 beträgt die Spielzeit 1min sich abgeschlossenen Sätzen erreicht. Wie ein tiefes 29s beim kürzesten Stück «Steal Away» und 17min langsames Ein- und Ausatmen folgen auf Phasen 21s beim längsten Stück «1/1». der Verdichtung von Klangereignissen Entspan- Ein weiteres Phänomen kann auf der Ebene des nungsphasen, in denen das Verklingen zelebriert dynamisch (also lautstärkemäßig) differenzierten wird. Eine tiefere hierarchische Verschachtelung Spieles beobachtet werden. Neben den üblichen der kompositorischen Struktur gibt es nicht, darf es agogischen Differenzierungen finden sich auf nicht geben, wenn die Prämisse einer Musik, in die dem Album Lux und im Stück «Steal Away» kas- man jederzeit hörend einsteigen kann, gelten soll. kadierte lange Ausblenden. Sehr langsam blendet Trotzdem gibt es im Falle von fraktal komponier- die Musik aus. Bevor sie jedoch einen bestimmten ter Musik einen alles überspannenden formalen Pegel unterschreitet setzt sie in einer neuen Ton- Bogen. Prinzipiell gilt dies für alle algorithmisch spur wieder laut ein und beginnt die Ausblende komponierten Stücke, insbesondere dann, wenn erneut. Was mit den glockenartigen Klängen im sie auf stochastische Einflüsse verzichten. Jedoch Kleinen passiert, setzt sich hier im Großen fort. dürfen diese Makrostrukturen in ihrer Bedeutung Diese Anlage provoziert es regelrecht, dass der nicht überbewertet werden, jedenfalls dann, wenn Hörer seine Aufmerksamkeit auf anderes richtet, die Musik ambient sein soll, also kein konzentrier- nur nicht auf die kontinuierlich in die Ferne ent- tes Hören oder gar Gedächtnisleitung vom Hörer gleiten wollende Musik. Auch wenn dieses Phä- verlangt. Vielmehr stellen diese Prozesse die ästhe- nomen nur zweimal beobachtet längst nicht als tische Geschlossenheit sicher. Wenn ein aufmerk- stilprägend gelten kann, so fügt es sich doch als samer Hörer darüber hinaus mehr entdeckt, so ist affektives Gestaltungsmittel nahtlos in das Genre das eher als ein Bonus zu werten, aber keine Not- des Ambient ein und ist dem Autor bisher in kei- wendigkeit. nem anderen Genre begegnet. Eric Tamm fasst das Auch auf der zeitlichen Ebene lässt sich das Charakteristische der ambienten Musik Brian Enos Bemühen um den Eindruck von Weite, Unendlich- folgendermaßen zusammen: keit, Losgelöstheit erkennen. Vielen ambienten Certain traits characterize most pieces composed in Musiken unterliegt kein regelmäßiges Metrum. the ambient style: quietness, gentleness, an emphasis Klangereignisse geschehen scheinbar zufällig. on vertical color of sound, establishment and mainte- Die entstehenden zeitlichen Konstellationen sind nance of a single pervasive atmosphere, non-develop- unrhythmisch, in klassischer Musiknotation nicht mental forms, regularly or irregularly repeating events erfassbar. Deshalb ist auch die klassische Tempo- or cycles of events, modal pitch-sets, choice of a few analyse mittels Messung der Toneinsatz-Intervalle limited parameters for each piece, and a pulse that is in den meisten Fällen aussichtslos. Sie kann das sometimes uneven, sometimes ‹breathing›, and some- subjektiv empfundene, meist sehr langsame Tempo times nonexistent. (988: 129) kaum wiederspiegeln. Die langen Einschwing- phasen der Flächenklänge machen es praktisch Auch über Enos Schaffen hinaus kann dies als ein unmöglich, Toneinsätze (Onsets) an eindeutigen Steckbrief des Genres Ambient gelten. Ambiente Zeitpunkten zu verorten. Musik mag vor allem in kompositorischer Hinsicht Angesichts einer solchen ‹Zeitlosigkeit› in der sehr reduziert wirken. Fehlende Entwicklung, mini- Metrik ist es nur konsequent, wenn die Mehrheit malistische Harmonik und scheinbar ziellose Melo- der untersuchten Musikstücke mit verhältnismäßig dik lassen Langeweile und Belanglosigkeit erah- langen Spielzeiten von nicht selten mehr als 10min nen. Dass dies trotzdem nicht der Fall ist und das aufwartet. Ein besonders extremes Beispiel ist der Genre der ambienten Musik derart reich und viel- Longplayer7, dessen Spielzeit 1000 Jahre beträgt. seitig ist, wie wir es heute feststellen können, liegt Die Skyrim Atmospheres sind 42min 34s lang; im vor allem daran, dass dieses Genre eine Meister- eigentlichen Videospiel wird ihre Spielzeit durch schaft fordert, die in den meisten anderen Musik- sequentielle Arrangementtechniken auf eine nicht genres nicht von Nöten ist. Bei allem ausdrucks- determinierte Zeitspanne gestreckt. Die Spielzei- mäßigen Stillstand bleibt die Musik doch immer ten der Stücke Thom Brennans reichen von 4min interessant. Variation steht über Repetition. Selbst dort, wo repetitive Elemente vorkommen, ist stets 7 Siehe online unter http://longplayer.org/ [15.08.2014]. auch Veränderung präsent. Bloße Wiederholung 100 Axel Berndt verbraucht sich; der erste Höreindruck verblasst deten Musikstücks, und das so lange wie nötig. Der mit jedem weiteren, nun wissenden Hören und Musikgenerierung liegen Algorithmen zu Grunde. schon ist der augenblickliche Eindruck verflogen, Die algorithmische Ausformulierung des Kom- lässt sich auch durch erneutes Anhören nicht mehr positionsprozesses stellt zugleich die ästhetische wiederbringen. Ganz anders verfährt die ambiente Geschlossenheit des generierten Materials sicher. Musik. Gerade durch ihre ständige Variation, ihr Hierbei ist selbstverständlich der Komponist Kreisen um einen bestimmten Punkt herum, ver- gefragt, um kompositorische Entscheidungspro- mag sie, diesen festzuhalten, den augenblickli- zesse zu abstrahieren und adäquat algorithmisch chen Eindruck zu dehnen, immer wieder zu erneu- auszuformulieren, d. h., in eine eindeutige Abfolge ern, von seiner zeitlichen Verortung zu lösen und endlich vieler elementarer Handlungsschritte zu das Gefühl von Zeitlosigkeit und des Verharrens überführen. Brian Eno gibt mit seinen Apps Bloom in einem einzigen Moment zu vermitteln. In den und Scape (Eno & Chilvers 2011, 2012) zwei Bei- Pausen schlägt schließlich die große Stunde des spiele und ist damit längst nicht der einzige. In den Sounddesigns, denn selten kann die Faszination App Stores findet sich eine beachtliche Auswahl von am reinen Klangerlebnis derart erfahren werden interaktiven Musikgeneratoren, die im Bereich des wie hier. Ambient anzusiedeln sind. Gerade hierin zeigt sich, wie aufgeschlossen das Genre gegenüber generati- 3. Ambiente Musik für interaktive Medien ven Techniken ist. Die eher flache horizontale Form ohne allzu tiefe hierarchische Verschachtelungen Ihre charakteristischen Eigenschaften machen die und die minimalistische Harmonik kommen dem ambiente Musik insbesondere für die Vertonung Entwurf verhältnismäßig einfacher algorithmischer interaktiver immersiver Medien interessant. Im Lösungen sehr entgegen. Neben fraktalen Verfah- Gegensatz zu den meisten anderen Musikgenres ren sind es vor allem Markov-Modelle, Permutati- vermag die Musik dieses Genres, zwei einander onsverfahren, selbstausgleichende Systeme und widerstreitenden Anforderungen gerecht zu wer- verschieden lange, parallel laufende Ereignisschlei- den, welche die interaktiven Medien stellen. Sie fen, die sich als praktikable Lösungen anbieten vermag gleichermaßen, klingend stehen zu blei- und auch von den Komponisten ambienter Musik ben, wie, sich kurzfristig zu wandeln. bereits seit längerem angewendet werden. Eine Das Stehenbleiben, das Verharren und Auf- makroformale Planung, die eine feste Länge des rechterhalten eines bestimmten Ausdrucks oder Musikstücks vorgeben könnte, wird in diesem sti- einer Stimmung erreicht sie paradoxer Weise durch listischen Rahmen nicht verlangt. Die Generierung die ständige Variation, also Veränderung, welche des musikalischen Materials kann also weitgehend aber doch nie zu etwas völlig neuem führt. Die sequentiell von statten gehen, d. h. wenn zu einem Komponisten ambienter Musik vermögen, dieses Zeitpunkt weiteres Material benötigt wird, kann es Stehenbleiben über ausgesprochen lange Zeit- ad hoc erstellt und nahtlos angehängt werden. räume auszudehnen, wie die Ausführungen im Genau darin liegt nun der Ansatzpunkt, um vorhergehenden Abschnitt gezeigt haben. Das ist auch dem zweiten Kriterium gerecht zu werden, in interaktiven Szenarien vorteilhaft, denn hier dem kurzfristigen musikalischen Wandel als Reak- muss die Begleitmusik auf das Szenengeschehen tion auf Ereignisse und Veränderungen im inter- reagieren. Solange der Spieler eines Videospieles aktiven Szenarium. Das einfachste und deshalb in nicht vorankommt, muss auch die Musik abwarten. der Praxis bisher am häufigsten eingesetzte Mittel, Die Wiedergabe von starren Endlosschleifen ist ein um musikalische Veränderung zu erzielen, muss als in der Praxis häufig anzutreffendes Mittel hierfür sehr problematisch gelten: Die Wiedergabe eines und gibt regelmäßig Anlass zur Kritik, denn diese gerade spielenden Musikstückes wird unterbro- Musik verbraucht sich im Ohr des Hörers, je öfter chen und ein anderes stattdessen gestartet, wahl- sie gehört und zunehmend verinnerlicht wird. Die weise mittels eines harten Schnittes oder einer nahe Verwandtschaft ambienter Musik zu genera- Überblende. Beide Varianten sind rhythmusasyn- tiven Techniken kommt ihr in dieser Situation zu chron, was zu sehr unmusikalischen akustischen Gute. Denn im Ambient kann immer neues musi- Stolperstellen führt, die den Spielfluss stören. Im kalisches Material ad hoc generiert werden, also Gegensatz dazu kann eine in Echtzeit generierte parallel zur laufenden interaktiven Szene und auch ambiente Musik sehr viel differenzierter und musi- parallel zur eigenen Wiedergabe des noch unvollen- kalisch homogener reagieren. Ambiente Musik zur Vertonung immersiver interaktiver Medien 101 Algorithmen zur Musikgenerierung bieten eine teres bietet die Hüllkurve, also der Amplitu- Vielzahl von musikgestalterischen ‹Stellschrauben›, denverlauf eines jeden Tones, beginnend mit die sich aus ihrer jeweiligen Parametrisierung erge- der Einschwingphase (Attack-Phase) bis hin ben, seien es das verwendete Klang- und Tonma- zum Verklingen (Release-Phase) verschiedene terial, die Tonalität, die zeitliche Dichte der musi- Gestaltungsmöglichkeiten. Die im vorherge- kalischen Ereignisse usw. Jedes Mal, wenn neues henden Abschnitt vorgestellten typischen Material generiert wird, prägen die Werte dieser Klangcharakteristiken sind nicht so eng Parameter das Resultat. Was geschieht nun also, gefasst, als dass sie keine Spielräume zulie- wenn die Parameter über die Zeit verändert, modu- ßen. Kurze Attack-Phasen bewirken einen liert werden? Dann ändern sich parallel dazu auch sehr harten, perkussiven Ton, was durch ein die Merkmale der erzeugten Musik. Die Musik schnelles Ausklingen noch verstärkt wird. nimmt mehr oder weniger subtil  – je nach dem, Lange Attack- und Release-Phasen, wie sie welche Merkmale sich wie stark ändern  – einen für Pad-Sounds typisch sind, erzeugen einen anderen Ausdruckscharakter an. Der musikalische weicheren, sanfteren Ton. Schließlich eignet Fluss hingegen wird nicht unterbrochen. Der Wan- sich auch der Hall zur klanggestalterischen del vollzieht sich nahtlos, ohne jede Stolperstelle. Modulation. Er vermittelt nicht nur den Ein- Mehrere musikalische Ebenen bieten sich für eine druck eines weiten oder engen Raumes. Die derartige Modulation an, die Ebene der Klangsyn- Abmischung von Direktschall und Nachhall these, die kompositorische Ebene und die Ebene bestimmt auch, ob die Klangquelle nahe des ausdrucksvollen Spiels. (lauter Direktschall, leiser Nachhall) oder fern • Ebene der Klangsynthese: Klangfarbliche (leiser Direktschall, lauter Nachhall) scheint. Veränderungen sind ein sehr mächtiges • Kompositorische Ebene: Modifikationen am Mittel, um den Ausdruckscharakter eines eigentlichen Verfahren der algorithmischen Musikstücks einzufärben. Sehr einfach ist es, Komposition sind die mächtigste und vielsei- die instrumentale Besetzung einer Stimme tigste Art, Veränderungen im musikalischen auszutauschen. Im MIDI-Standard reicht ein Ausdruck zu erzielen. Sie betreffen sowohl sogenannter ProgramChange-Befehl aus, die vertikale Dimension, also den Zusammen- damit alle nachfolgenden Noten auf dem klang mehrerer Klangereignisse, als auch die betreffenden Kanal von einem anderen horizontale Dimension, welche die zeitliche Instrument wiedergegeben werden. Solche Ordnung der Klangereignisse repräsentiert. klangfarblichen Wechsel zu einem ganz und Die vertikale Gestaltung ambienter Musik gar anderen Instrument sind allerdings alles wurde im vorangegangenen Abschnitt als andere als subtil und deshalb äußerst über- minimalistisch charakterisiert. Oft erstreckt legt einzusetzen. Wesentlich differenzierter sich nur ein einziger Grundakkord über ein ist die Arbeit mit den Klangeigenschaften ganzes Musikstück und definiert das Tonma- des bereits spielenden Instrumentes. Mittels terial, aus dem sich die spielenden Stimmen Filtermodulation kann das Obertonspektrum hauptsächlich bedienen. Das lässt viel Raum verändert und dadurch die Aufhellung oder für Veränderungen. Schon die Hinzunahme Abdunkelung der Klangfarbe in sehr feinen weiterer Töne kann ein ausdrucksstarkes Abstufungen erreicht werden. Sind mehrere Ereignis sein und die zu Grunde liegende Signalquellen/Oszillatoren an der Definition Harmonie neu einfärben oder sogar umdeu- des Klanges beteiligt, können diese mehr ten. Bestehende Töne können aus dem Ton- oder weniger stark gegeneinander verstimmt material entfernt werden. So kann Stück für werden. Ein sehr reiner Klang wird bei zuneh- Stück eine neue Harmonie hergeleitet wer- mender Verstimmung zunächst breiter und den. Etwas radikaler und deshalb auch nur schwebungsreicher, dann schließlich disso- mit Bedacht einzusetzen wäre die Änderung nanter. Amplitudenmodulation (Tremolo) gleich des ganzen Grundakkordes auf einmal. und Frequenzmodulation (Vibrato) bieten Bei der Wahl des Akkordes und damit der im weitere Gestaltungsmöglichkeiten, durch weiteren Verlauf erklingenden Töne wird ins- die ein Klang zunächst lebendiger und mit besondere die Konsonanz bzw. Dissonanz der zunehmender Modulationstiefe und -fre- entstehenden Zusammenklänge das zentrale quenz auch unruhiger werden kann. Als wei- Kriterium sein. Einen weiteren Einflussfaktor 102 Axel Berndt stellt das zu Grunde liegende Stimmungssys- die Periodizität ihrer Wiederkehr sowie die tem dar, das eine mehr oder weniger starke Stärke und Methodik ihrer Variation als Para- Reibung in den Tonintervallen definiert oder meter zur Modulation an. Die Musik wirkt aber sogar die Anzahl der Töne pro Oktave verbindlicher und starrer durchorganisiert, je verändert. Bei einer vierteltönigen Stimmung weniger Raum für Variationen und nichtmoti- umfasst die Oktave 24 Töne im Gegensatz visches Material bleibt. zur etablierten halbtönigen Stimmung mit • Ebene des ausdrucksvollen Spiels: In der Inter- 12 Tönen pro Oktave. Die Änderung des Stim- pretationsforschung werden Timing, Dynamik mungssystems innerhalb ein und desselben und Artikulation als die eine ausdrucksvolle Musikstücks ist allerdings höchst unüblich Interpretation definierenden drei Merkmals- und es ist unklar, welche affektive Qualität komplexe unterschieden (Berndt 2011b). dies für den Hörer mit sich bringt. Ein und dasselbe Notenmaterial kann hin- Die horizontale Dimension ist im Ver- sichtlich der tempo- und lautstärkemäßigen gleich zur vertikalen wesentlich komplexer Gestaltung wie auch der Formung jedes ein- aufgebaut. Folglich bietet sie auch mehr zelnen Tones sehr unterschiedlich zum Erklin- verschiedenartige Ansatzpunkte für Adapti- gen gebracht werden und wird dadurch in onen. Zunächst wäre die Phrasenstruktur zu seinem ausdrucksmäßigen Erscheinungsbild nennen. Die wellenartige Verdichtung von ganz verschieden eingefärbt. Ein schnelleres Klangereignissen wird oft mit einem ruhigen Tempo, also eine zeitliche Verdichtung der Atmen verglichen. Wie schnell oder langsam Klangereignisfolge schafft Unruhe. Durch dies tatsächlich von statten geht, hängt von die Grundlautstärke und das Lautstärkever- der Phrasenlänge und Pausenlänge zwischen hältnis zu den anderen auditiven Schichten den Phrasen ab und kann entsprechend dem (Sprache und Geräusche) werden die Platzie- geforderten Ausdruckscharakter variiert wer- rung der Musik im Vorder- oder Hintergrund den. Die rhythmische Ordnung der Klange- und die Bewusstheit der Musikrezeption zu reignisse definiert, wie gleichmäßig die Musik einem großen Teil mitgeprägt. Tempo und fließt. Liegt ihr ein klar erkennbares Metrum Dynamik definieren aber nicht nur konstante zu Grunde, so ist sie in einem streng organi- Werte  – das wäre eine sehr mechanische sierten zeitlichen Ordnungssystem verhaftet. Interpretation. Vielmehr wird aktiv damit Um sie von dieser Zeitlichkeit zu lösen, kann gearbeitet. Im agogischen Spiel werden kurze mittels zufälliger zeitlicher Versetzungen oder Temposchwankungen (Rubati) und lautstär- einem nichtmetrischen Ordnungssystem (z. B. kemäßige Differenzierungen einzelner Töne Ereignisschleifen) auf ein festes Metrum ver- (Betonungen und Akzentuierungen) vorge- zichtet werden. Die Dichte der Klangereig- nommen. Gleichermaßen agil wird mit der nisse, insbesondere solcher mit rhythmischen Artikulation jedes Tones verfahren. Modelle Impulsqualitäten (kurzen Attack-Phasen, glo- für die Modellierung und Synthese ausdrucks- ckenartige Hüllkurvenverläufe), beeinflusst voller Interpretationen werden u. a. von das vom Hörer wahrgenommene Tempo Friberg et al. (2006), Mazzola et al. (2002) und die der Musik innewohnende Ruhe oder und Berndt (2011b) vorgestellt. Allerdings Betriebsamkeit. Mit Blick auf die den gene- sind nicht immer solch komplexe Verfahren rierten Tonfolgen zu eigene Melodik stellt von Nöten. Wie elaboriert die Arbeit mit den sich die Frage nach dem Ambitus, also dem Mitteln der ausdrucksvollen Interpretation Tonumfang. Ein enger Ambitus erzeugt glat- im konkreten Fall ausfallen soll, hängt von tere melodische Linien, die sich nicht weit von den gestalterischen Absichten des jeweiligen ihrem Mittel entfernen und dadurch schnell Musikschaffenden und Komponisten ab. monoton wirken können. Ein großer Ambitus, der ein, zwei oder drei Oktaven überspannt, Einige der aufgeführten Stellschrauben mögen lässt ein weiter abschweifendes Wandern der eher subtile Änderungen im akustischen Erschei- Melodie und vor allem große Tonintervalle zu, nungsbild der generierten Musik wie auch in der durch die sich die Melodizität der Tonfolge damit erzielten Stimmung bewirken. Andere sind zunehmend auflösen kann. Bei der Verwen- sehr viel drastischer. Hier führen deutliche Wertän- dung von motivischen Strukturen bieten sich derungen innerhalb eines zu kurzen Zeitintervalls Ambiente Musik zur Vertonung immersiver interaktiver Medien 103 zu auffälligen Inkonsistenzen im musikalisch-struk- Vertonung interaktiver immersiver Medien ein. turellen Aufbau und Fortgang, sei es die plötzliche, Brian Eno und Peter Chilvers haben mit ihren aus keiner vorhergehenden Entwicklung heraus Smartphone-Apps und dem Soundtrack zum Video- erwachsende Änderung der Klangfarben, Harmo- spiel Spore (Maxis, USA 2008) selbst einige Bei- nik oder Melodik. Wenn die Aufmerksamkeit erhei- spiele dafür gegeben und sind heute bei weitem schende, befremdende Wirkung solcher Inkonsis- nicht mehr die einzigen. In einem Interview gibt tenzen nicht beabsichtigt ist, wenn die ambiente der Spielemusikkomponist Paul Weir zu verstehen, Musik ambient bleiben soll und Veränderungen dass die bisher gebräuchlichen Arrangement-Tech- fließend von statten gehen sollen, sind langsame, niken – Dynamic Mixing und sequentielles Arran- allmähliche Wertübergänge zu bevorzugen. gement (Berndt 2009) – vor allem für eher linear Trotzdem stellt auch dies etwas dar, das der angelegte Spiele geeignet sind. In den Gesprächen ambienten Musik gewöhnlich nicht zu Eigen ist. mit seinen Kunden bemerkt er einen allmählichen Die Modulation des musikalischen Materials über Wandel hin zu einer breiteren Akzeptanz von gene- die Zeit erzeugt eine Makrostruktur, eine über die rativen Musiktechnologien. einzelne Phrase hinaus reichende Formgliederung. We’ve tried generative music before in a few titles Das interaktive Geschehen wirkt hierbei integrativ […]. I think multiplayer online games are just a per- auf den musikalischen Wandel, gibt ihm Berechti- fect vehicle for generative music. There was a game gung, Notwendigkeit und Bedeutung. I did […] that did a randomized music system similar to what I do for shops and building societies […]. I’m 4. Schlussbemerkungen slightly optimistic: as we go next-gen and everyone gets more interested in procedural worlds, it’s a natu- Ambiente Musik ist aus mehreren Gründen sehr ral fit. […] The most success […] we’ve had has not reizvoll für die Vertonung interaktiver immersiver been games but in the generative sound design we do Medien. Ihre ausdrucksmäßige Potenz, die Fähig- for commercial spaces, which is very game-oriented keit, eine Vielfalt verschiedener Stimmungen zu but just not in a game. […] There’s definitely a cultural erzeugen und über lange Zeiträume wirkungsvoll shift in accepting it. (Harris 2013: o.S.) aufrecht zu erhalten, steht außer Frage. Zudem hat sie die Fähigkeit, in den Hintergrund zu tre- Ferner äußert sich Weir über die Stärken von gene- ten. Sie drängt sich dem Hörer nicht auf, begnügt rativer Musik und benennt ein ganz praktisches sich damit, unbewusst wahrgenommen zu werden. Problem. Für die Schaffung von generativer Musik Wird sie doch einmal bewusst gehört, dankt sie es bedarf es der technikaffinen, programmierenden mit interessanten Klangstrukturen und Variations- Komponisten – ein Kompetenzbild, das ein traditi- techniken, die den jeweiligen Ausdruckscharakter onelles Musikstudium heute selten vermittelt. immer wieder neu inszenieren und stets neues zu I’m healthily skeptical about generative music, but I Entdecken geben. think that in the right situation it can be a perfect so- Dabei profitiert die ambiente Musik von ihrer lution. Yeah, you want something that’s able to react Nähe zu Techniken der algorithmischen Kom- in ways that you can define, that’s non-looping, that position. Viele der in diesem Genre etablierten basically acts in an unobtrusive way that sets the right Kompositionsmethoden lassen sich problemlos atmosphere. […] But the problem is you need com- algorithmisch beschreiben und sogar in Echtzeit posers who are very comfortable writing generative ausführen. Bei der Vertonung interaktiver Medien music and have the systems to do so. On both fronts ist man also nicht auf die bloße Wiedergabe vor- it’s not easy. (Harris 2013: o.S.) gefertigter, unveränderlicher Musikstücke mit end- licher Länge angewiesen. Man kann die Musik live Auch wenn ambiente Musik, sei sie nun in Echt- während ihrer Wiedergabe generieren – und das so zeit generiert oder als lineares Musikstück produ- lange wie nötig. Zudem lässt sie sich verhältnismä- ziert, zuweilen nicht bewusst gehört werden will ßig leicht adaptieren. Kompositionsalgorithmen oder soll und bescheiden im Hintergrund bleibt, bieten eine Vielzahl verschiedenster Stellschrau- so lohnt es sich doch, auch ihr hin und wieder ben und damit auch flexible Möglichkeiten zur Aufmerksamkeit zu widmen. Es ist gut möglich, Modulation der generierten Klangstrukturen. dass sich das, was dort gerade in diesem Moment Dank dieser Eigenschaften passt sich die ambi- erklingt, nie wiederholen wird. ente Musik hervorragend in die Erfordernisse der 104 Axel Berndt Literatur Henckel von Donnersmarck, Florian (2006): Das Leben der anderen: Filmbuch. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Adorno, Theodor W. & Eisler, Hanns (2006): Komposition Holmes, Thomas (2008): Electronic and Experimental für den Film [orig. 1947]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Music—Technology, Music, and Culture, 4th edn. New Berndt, Axel (2009): Musical Nonlinearity in Interactive York: Taylor & Francis. Narrative Environments. 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Ambiente Musik zur Vertonung immersiver interaktiver Medien 105 FulldoMe-Szene produKtIonSberIcht The Doors of PercePTion Ralph Heinsohn mit Johannes Varga Zusammenfassung/Abstract The Doors of PercePTion ist eine medienproduktion zur digitalen, immersiven 360°-Kup- pelprojektion (Fulldome video), kombiniert mit 3d-audiotechnologie. der Fulldome- Film wurde dramaturgisch von grund auf für die wechselwirkung von immersivem bild und ton konzipiert und realisiert. inhaltlich ist der Film eine hommage an den essay The Doors of Perception von aldous huxley aus dem Jahre 1954 und damit eine künstleri- sche auseinandersetzung mit der wahrnehmung immersiver Projektionsräume. The Doors of PercePTion is a media production for digital and immersive 360-degree- dome-projection (full-dome video) combined with 3D audio technology. The full- dome film was dramaturgical designed and implemented from scratch for the inter- action of immersive images and sounds. The content of the film is a tribute to the essay The Doors of Perception written by Aldous Huxley in 1954 and thus an artistic investigation of the perception of immersive projection rooms. Am Anfang waren weder Licht, noch Ton. Es war Es folgte ein Besuch im Studio der TAUCHER – schlicht der Spaß an der Idee. in ihrem mit 3D-Audiosystem und entsprechen- Zu Beginn des Jahres 2012 kam ich (Ralph den Speakern ausgestatteten Arbeitsumfeld. Ein Heinsohn) als Fulldome-Video-Produzent und Moti- beeindruckendes Erlebnis: Eine ‹Tauchfahrt› in ondesigner auf einer Tagung in Kontakt mit den den besonderen immersiven Raum, der nur mit drei Sounddesignern Aleesa Savtchenko, Johannes 3D-Audio möglich ist. Es bestätigte sich das Phäno- Scherzer und Johannes Varga von TAUCHER Sound men, von dem alle Tonexperten klagen, die bislang Environments aus Berlin. Das Gespräch drehte sich mühevoll (nicht nur auf Planetariums-Tagungen) schnell um die neue Installation für 3D-Audio im das Thema Audio voranzutreiben versuchen: Es ist Planetarium Jena. Endlich waren die Vorausset- etwas anderes, von 3D Audio zu erzählt zu bekom- zungen dafür geschaffen, dass das Thema Audio men, als 3D Audio tatsächlich selbst zu hören. in der Kuppelwelt die Chance bekommen konnte, Die Arbeitsbeispiele der TAUCHER reichten von stärker in den Fokus zu geraten. Jena hatte mit Spielfilm-Produktionen bis hin zu Klanginstallatio- der neuen Installation den ersten Schritt gemacht nen. Die Bandbreite der möglichen Nutzung der und hatte nun das Potential zur Erschaffung neuer dramaturgischen und narrativen Möglichkeiten immersiver (Klang-)Räume, wie sie mit der gängi- erwies sich als breit gefächert, von untermalend gen Ausstattung der Kuppelinstitutionen bislang bis hin zu narrativ und damit substantiell notwen- nicht möglich gewesen ist. dig für das Verständnis einer Erzählung bzw. eines Produktionsbericht The Doors Of Perception 107 dete, um dem Ton das Feld zu überlassen, und einem Ende, zu dem das Bild wieder in Erschei- nung treten könnte, um den Film aufzulösen. Das Thema stand schnell fest: Der Essay The Doors of Perception von Aldous Huxley aus dem Jahre 1954 – ein Text, mit dem ich schon seit län- gerem für die Kuppel arbeiten wollte (Abb. 1). Der Autor der «schönen, neuen Welt» unternimmt in dem genannten Bericht den experimentellen Ver- such, die Wirkungen von Meskalin zu beschreiben und zu erforschen. Er dokumentierte dafür seine subjektiven Wahrnehmungen bzw. die Wahrneh- mungsveränderungen, die nach der Einnahme der Substanz auftraten. Dazu hatte der Autor sich in sein Sommerhaus zurückgezogen und kontrollierte Bedingungen zur Einnahme des Rauschmittels geschaffen. Der Arzt Humphry Osmond hatte ihn begleitet, um das Verhalten und die äußerliche Erscheinung von Huxley zu protokollieren. Zusätz- lich stellte der Arzt Fragen und nahm die Beschrei- bungen schriftlich auf, die ihm Huxley unter Ein- wirkung der Substanz zu Protokoll gab. Huxley arbeitete diese Notizen später in seinen Essay mit ein (Abb. 2). Huxley beschreibt in seinem Essay im Zustand à 1 Filmplakat zu The Doors of PercePTion. (© 2013 Ralph Heinsohn) des Meskalinrausches sehr eindringlich, wie sich (durch biochemische Reaktionen im Gehirn des Probanden) Raumkanten in der veränderten Wahr- Konzepts, welches den 3D-Sound als Element der nehmung verbiegen und auflösen. Bildwirkungen Narration begreift. werden intensiver, sein eigentlich vertrautes räum- Ein angeregter Ideenaustausch führte mich liches Umfeld bekommt buchstäblich eine neue zurück zum Fulldome-Festival in Jena, welches in Dimension. Dies könnten allesamt Beschreibungen 2012 erstmals ermöglichte, Content mit 3D-Audio sein, die man auch von erstmaligen Fulldome-Besu- vorzuführen. Schnell stand die Idee im Raum, zur chern hören könnte, denn bereits bei (mittlerweile Betonung der immersiven Qualität reiner Audio- könnte man sagen: «konventioneller») Fulldome- Produktionen einen Festval-Beitrag gezielt ohne Video-Präsentation wird mittels der Medieninsze- Bild einzureichen. Leider erschien das Risiko zu groß, dass eine reine Audioarbeit auf einer visuell Ä 2 Der nachgestellte Versuchsaufbau in Huxley’s geprägten Veranstaltung als technisch mängelbe- Sommerhaus. (Quelle: The Doors of PercePTion) haftet wahrgenommen werden könnte. Irritierte Besucher könnten schlicht fragen, ob denn nun die Projektoren defekt oder ausgefallen wären. Und dennoch behielt ich die Überzeugung, dass eine Arbeit ohne Bild ein adäquates State- ment wäre, um der Freude über die Entscheidung, in Klangausstattung zu investieren, Ausdruck zu verleihen. Es sollte eine Arbeit entstehen, in der das Bild die Bühne für ein Audioerlebnis bereiten sollte: Eine Geschichte mit einer Einleitung in Bild und Ton, mit einem Mittelteil, in dem sich das Bild auf nachvollziehbare Art und Weise verabschie- 108 Ralph Heinsohn mit Johannes Varga nierung stark in die Raumwahrnehmung des Besu- machen, wenn eben die Bild- und Tondimension zu chers eingegriffen. gleichem Grade immersiv sind. Der Besuch einer Einrichtung mit digitaler Natürlich findet das Erleben von Rauschmitteln 360°-Videoprojektion in die halbkugelförmige auf einer ganz anderen Ebene statt, als das Erle- Leinwand setzt eine außergewöhnliche Architektur ben eines immersiven Medienwerks. Aber der Reiz, als Ort der Fulldome-Projektion voraus. In den meis- sich mit der Zustandsveränderung künstlerisch ten Fällen ist die Technik in einem außergewöhnli- auseinanderzusetzen, ist umso größer durch die chen Bau beheimatet, der bereits die notwendige Möglichkeit, die sich eben erst durch die technische spannende Erwartungsstimmung auslöst  – ganz Verknüpfung von immersivem Bild und Ton ergibt. wie die Architektur großer religiöser Kathedralen. Im Meskalin-Experiment beschreibt Huxley die Die auf diese Weise bereits angeregte Grundstim- wesentlich intensivere Wirkung von Farben und mung wird durch das Einsetzen der Dunkelheit deren Leuchtkraft. An diesem Punkt setzte der und der anschließenden beginnenden Ganzkup- kreativ-künstlerische Eingriff bei der Bildkonzep- pelprojektion im Projektionssaal weitergeführt. tion ein: Die Fulldome-Produktion The Doors of Das Bild und der dazugehörige architektonische Perception (D 2013) sollte kein Replikat oder ein Rahmen bilden quasi die Schale, in der sich die schlichter Versuch sein, die Auswirkungen eines Spannung für die zu inszenierende Handlung als Experiments mit psychoaktiven Substanzen virtuell Grundlage absetzt. Der äußere Rahmen wird durch nachzubauen, sondern sie sollte eine künstlerische eine entsprechende dramaturgische Inszenierung Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen fortgesetzt. Das Bilderleben ermöglicht, wie viel- Beobachtungsbericht darstellen. fach in den vorangegangenen Jahrbüchern immer- siver Medien beschrieben, eine Ganzheitlichkeit der Medienrezeption, wie sie in der Bildwirkung traditioneller «Flachbilder» nicht möglich ist. Zu den Möglichkeiten der Atmosphären-Inszenierung durch Raum (Architektur) und Licht- bzw. Bildge- staltung (Ganzkuppel-Projektion) kommt nun das zuletzt fehlende Element, die dreidimensionale Audioverortung (3D-Audiosystem) hinzu. Wenn man nun den Tast- und Geruchs- bzw. Geschmackssinn vernachlässigt, hat man eine nahezu umfassende Sinneswahrnehmung, die vor der Installation von 3D-Audio nur als Kompro- à 3 Raumkonstruktion mittels dreidimensionaler mislösung mit Stereo bzw. 5.1 Audioabmischung Typographie. (Quelle: The Doors of PercePTion) erreicht werden konnte. Aber gerade das Erleben einer echten 3D-Audioabmischung ermöglicht erst die emotionale Immersion in eine Medieninsze- Der Film beginnt zwar mit der Nachempfindung des nierung, während hingegen man bei Stereo-Audio Versuchsaufbaus in Huxleys‘ Haus – es sind präzise noch – analog zum flachen Bild – an der Oberflä- alle im Essay benannten Gegenstände nachgebil- che hing, und sich nicht mit einer Simulation des det, die er bei seinem Aufbau im Essay beschreibt, natürlichen Hörraums konfrontiert sah. wie z. B. die Korbstühle, Blumen (eine Nelke, eine Gerade dieser Schritt in die akustische Tiefe – Rose und ein Veilchen) sowie ein Glas Wasser auf quasi der auditiven Dreidimensionalität gleich dem Tisch –, aber dennoch sind die Objekte nicht dem natürlichen Hörraum des Menschen  – war naturalistisch, sondern mit schwarz-weißer Typogra- notwendig, um dem Grundmotiv aus Huxleys phie texturiert (Abb. 3). Die Typographie gibt den Essay mittels einer Medieninszenierung gerecht in Bilder umgewandelten Text seines Essays wieder werden zu können: Der Simulation bzw. künstle- und wird zur dreidimensionalen typographischen rischen Interpretation einer umfassenden Wahr- Raum-Konstruktion  – und damit zur eigenständi- nehmungsveränderung. Die Ganzheitlichkeit, die gen Wahrnehmungs-Veränderungs-Erfahrung. Huxleys Rausch im Experiment ausmacht, lässt Während die Kamera den Raum in Richtung sich dadurch viel stärker für den Besucher erlebbar Decke durchfährt, ertönt die klangliche Introduk- Produktionsbericht The Doors Of Perception 109 Figuren kombiniert, so dass der Zuhörer sich gewis- sermaßen in einer Zwischenwelt wiederfindet. Das Band (oder der Kontakt) zur Realität wird auf die Probe gestellt, die Grenzen zwischen dem Realen und dem Fiktiven verschwimmen. Für die Situation innerhalb des Domes ist dies insofern interessant, da mit Klängen gespielt wird, die aufreißendes Mauerwerk suggerieren – mit Hilfe der 3D-Sound- Technologie kann das Sound-Design den Besucher ernsthaft in Zweifel versetzen, ob es sich bei dem Gehörten um die Tonspur des Films oder die echte (sich auflösende) Kuppel über dem eigenen Kopf handelt. Nachdem das Wahrnehmungsexperiment seinen Höhepunkt durchlaufen hat, gleitet man nach und nach wieder in die reale Welt zurück: Das Bild erscheint wieder (d. h. die Projektoren werden wieder eingeschaltet, und auch die Bildgestaltung à 4 Das Licht geht aus. Manege frei für 3D-Audio. blendet wieder ein) und die Klangwelt beruhigt sich (Quelle: The Doors of PercePTion) allmählich wieder, indem sich die atmosphärischen Sounds wieder in die Abgründe hinabbewegen. Die Inszenierung endet mit der Darstellung tion: Der dreidimensionale Klangraum wird abge- einer traumartigen Kakteen-Landschaft als Refe- steckt mit Bewegungen innerhalb einer wabern- renz zum Meskalin – dem Stoff der Träume bzw. der den, aus tieffrequenten Elementen bestehenden Grundlage für Huxleys Essay (Abb. 5). Die Kamera Atmosphäre, etwa so, als ob sich etwas aus tiefe- bewegt sich vor und wird in dieser audiovisuellen ren Abgründen langsam erheben würde. Mit dem Landschaft von surrealen Quadern flankiert und Zerplatzen der Glühbirne wird eine Zäsur gesetzt: begrenzt, die die Credits des Filmes wiedergeben. Das Licht geht aus, der Besucher sitzt buchstäblich Nach dem Ende des Films wird das Kuppel-Besu- im bilderlosen Dunkel und soll so vollkommen in cherlicht langsam wieder hochgedreht  – und der die reine Akustik der Klangwelt eintauchen. Besucher findet sich im realen Raum wieder. Dabei ist das Ausblenden des Lichts im doppel- ten Sinne zu verstehen. Einerseits wird das techni- sche Bild – also die Bildgestaltung im Video bzw. den Domemaster-Images – auf Schwarz geblendet (Abb. 4). Darüber hinaus ermöglicht aber die Pro- grammierung der Vorführung1 ein tatsächliches Abblenden der Fulldome-Video-Projektoren. Ein Shutter bzw. das temporäre technische Ausschal- ten der Projektoren für den Mittelteil erzeugt eine tatsächliche Abwesenheit von Projektions-(Streu-) licht. Es entsteht völlige Dunkelheit, die lediglich à 5 Im Abspann die Referenz ans Meskalin, der durch im Kuppelsaal verteilte LEDs oder gegebe- Grundlage für Huxleys Essay. (Quelle: The Doors of nenfalls aufleuchtende Mobiltelefon-Displays der PercePTion) Besucher gebrochen wird. Der nun einsetzende Mittelteil kann als freie Das Planetarium mit einer sowohl visuellen als auch Interpretation des Huxley´schen Trips verstanden auditiven Immersionstechnik bietet wie beschrie- werden: Klangelemente, die ihrem Ursprung nach ben ganz neue Möglichkeiten des Klangraumes der der realen Welt entspringen, werden verzerrt wie- Kuppeln. Unsere Arbeit soll die Neuartigkeit eines dergegeben oder mit synthetisch hergestellten solchen Raumes betonen und zelebrieren. The Doors of Perception wurde zuerst auf dem 1 Im Mediendom und im Planetarium Hamburg über Fulldome Festival Jena 2012 präsentiert und läuft Digistar-Skripte. nun auch in den beiden anderen deutschen Ein- 110 Ralph Heinsohn mit Johannes Varga richtungen, die derzeit mit einer 3D-Audiosystem degrees»), einer «Honorable Mention» beim Koor- ausgestattet sind: Dem Mediendom Kiel und dem dinaten  – Festival der räumlichen Medien an der Planetarium Hamburg. Die Arbeit wurde beim Fachhochschule Kiel 2012 sowie dem SAT Fest FullDome Festival 2012 Jena mit einer «Honorable 2013 Award for The Doors of Perception der Sato- Mention» (Jury-Bewertung: «Pioneering interplay sphere in Montreal/Canada ausgezeichnet. of word-sculptures and sound-sculptures in 360 Produktionsbericht The Doors Of Perception 111 KoMetentanz varianten einer verbindung aus Fulldome und live-PerFormance Claire Dorweiler Zusammenfassung/Abstract: die intermediale inszenierung KomeTenTanz, bestehend aus einer live-Performance, in Form von tanz und Pantomime, mit Fulldome-Projektionen, sowie einer erzähler- stimme aus dem off, eigens komponierter musik und 360°-soundeffekten aus dem SpatialSound Wave-system1, birgt viele Kombinationsvarianten zwischen Fulldome und live-Performance in sich. Konzeptuell werden die beiden medien in dieser inszenierung getrennt. im Full- dome wird der Kosmos dargestellt, im bühnenraum die erde. werden Fulldome-Pro- jektion und live-Performance parallel eingesetzt, kann durch die gestaltung der jewei- ligen darstellungsform die aufmerksamkeit des Publikums gelenkt werden. entweder liegt der Fokus überwiegend auf einem der medien oder beide interagieren gleich- wertig miteinander. dabei können Figuren und objekte von einer ebene in die andere übergehen, wobei sie gleichzeitig ihre erscheinungsform ändern. um Kontinuität zu wahren, behalten die Figuren deshalb charakteristische visuelle eigenschaften bei. die körperliche anwesenheit der Performer im bühnenraum macht es möglich, Figuren individuell auf die Zuschauer reagieren zu lassen. besonders bietet sich zukünftig für die verbindung von Fulldome und live-Performance der einsatz von motion tracking der live-Performer und die generierung von Projektionen in echt- zeit an, denn so gestaltet die atmosphäre im raum aktiv die aufführung mit. die Fulldome-Projektion ist auf diese weise in eine autopoietische Feedbackschleife nach erika Fischer-lichte, miteingebunden. es sollte ebenfalls weiter praktisch erforscht werden, in welcher weise licht auf die live-Performer geworfen werden kann, damit diese sichtbar bleiben und die dome-Projektion gleichzeitig nicht weggeleuchtet wird. ein experimenteller umgang mit der aufteilung des bühnenraums und ein freierer umgang mit der »area of inte- rest« des domes kann das verhältnis von Publikum und akteuren neu definieren oder gar die grenze zwischen Performern und besuchern verschwimmen lassen. The intermedial production KomeTenTanz (Dance of The comeTs), consisting of live per- formance (dance and pantomime) with fulldome projections, as well as an off story- teller, especially composed music and 360-degree sound effects from the Spatial- 1 Mehr dazu online unter: https://www.youtube.com/watch?v=8xeKrJ_UrX4#t=11 [05.07. 2014]. 112 Claire Dorweiler Sound Wave-System, includes many variations of combinations between fulldome and live performance. In this production, these two mediums (fulldome and live performance) are concep- tually separated. The fulldome represents the cosmos, the stage represents the earth. When fulldome and live performance are used together, the attention of the pub- lic can be guided by the arrangement of each of these means of expression. Either the focus is on one of the two mediums or both are interacting equally at the same time. Characters or objects can change from one section into another. By doing so, they also change their outer appearance which makes it necessary to keep continu- ity through characteristical visual attributes. The physical presence of the performer on stage enables the represented char- acter to react individually on the audience. Especially the use of motion tracking on live performers and the generation of real time dome projections is self-evident for the combination of fulldome and live performance, because, due to this technique, the atmosphere has an influence on the performance. The fulldome is part of an autopoietic feedback loop after Erika Fischer-Lichte. Further practical research is required regarding variations of the use of light on the live performers so as not to wipe out the projection shown in the dome. Experimenting with the use of seats for the public and the positioning of the »Area of Interest« of the Dome, can redefine the relation of spectators and actors or moreover blur the boundary between visitors and performers. Die intermediale Inszenierung Kometentanz Inhaltsangabe und Anmerkungen zur nach Paul Scheerbart, unter der Regie von Micky Inszenierung KomeTenTanz Remann, wurde am 21. Mai 2014 im Planeta- rium Jena uraufgeführt. Ein besonderes Merkmal Kometentanz ist eine ‹astrale Pantomime› des des Projektes ist, dass darin Live-Performance, in Schriftstellers Paul Scheerbart, die um 1900 ent- Form von Tanz und Pantomime, mit Fulldome- standen ist. Scheerbart überarbeitete diese Panto- Projektionen kombiniert wurde, sowie mit Musik mime mehrfach in Absprache mit Richard Strauss, und 360°-Soundeffekten aus dem SpatialSound der Musik dazu komponieren wollte und sich mit Wave – System. Durch die Handlung des Stückes Gustav Mahler schon für eine Aufführung an der führte eine Erzählerstimme aus dem Off. Bei dieser Wiener Staatsoper in Verbindung gesetzt hatte. Im Vielzahl an medialen Ausdrucksformen ist es wich- weiteren Arbeitsverlauf befand Strauss allerdings, tig, sie so zu kombinieren, dass ein organisches das Stück sei zum Lesen sehr lustig, aber abso- Zusammenspiel entsteht, statt einer reinen Akku- lut unaufführbar und trat von seinem Vorhaben mulation von Eindrücken. zurück (vgl. Vollmer 2011: 223f.). In Kometentanz werden spezielle Inszenierungs- strategien angewendet, um die Aufmerksamkeit Die Handlung kann folgendermaßen grob zusam- des Publikums zu lenken. Dies geschieht sowohl mengefasst werden: über visuelle als auch über akustische Gestaltungs- Ein König ist gelangweilt von den unterhalten- mittel. Der Schwerpunkt soll in diesem Artikel dar- den Tänzen seines Hofstaats und der gesamten irdi- auf liegen, wie das Verhältnis zwischen Fulldome- schen Welt. Seinen Frust lässt er an seinen Unter- Projektion und Live-Performance gestaltet werden gebenen aus. Den Kosmos hingegen verehrt der kann. Dabei ist auch der Einsatz von Licht beteiligt. König und sieht in ihm alles Positive. Als allerdings Weiter kommen Fulldome- und Aufführungs- tatsächlich kosmische Wesen auf die Erde kom- raum unterschiedliche dramaturgische Funktionen men, ist der ganze Hofstaat zunächst geschockt. innerhalb des Stückes zu, die sich besonders bei Dann aber wollen alle in die faszinierenden Tänze Übergängen zwischen den beiden Medien zeigen. der Himmelskörper mit einstimmen und am liebs- All dies wird anhand einzelner Szenen erläutert ten mit ihnen in die kosmischen Welten hinauf werden. steigen. Doch die Sterne und Kometen verweigern Kometentanz 113 Á 1 Die «Area of Interest» der Fulldome-Kuppel in Jena und die Bildschärfe lenken die Blicke auf einen Straßenmusiker. (© Sascha Kriegel 2014) sich den Befehlen des Königs. Die Situation auf der Seiten der Bühne werden durch Streulicht der Erde eskaliert. Letztendlich verhindern drei große Scheinwerfer oder der Dome-Projektion erkennbar Kometen eine Mehrfach-Hinrichtung, indem sie und/oder durch selbstleuchtende Neon-Stäbe oder den König, die Zofe und den Scharfrichter in den Lichterketten an den Kostümen der Darsteller. 1 Weltraum entführen. «Ouverture» – Visualisierung Erstmalig wurde Scheerbarts Kometentanz nun in von Immersion Jena aufgeführt als Kombination aus Fulldome- Projektionen und Live-Performance eines Ensem- Die Ouverture der Aufführung bildet zunächst bles, bestehend aus zehn Akteuren (Leitung der ausschließlich eine Dome-Projektion, die mit einer Theatergruppe Zomaner: Christiane Meyer-Koch), 360°-Kamera-Konstruktion, bestehend aus acht zusammen mit dem Tanzduo Vainno und der Solo- synchronisierten Einzelkameras, aufgenommen tänzerin Melisa Palacio. Die Erzählerstimme aus wurde. Der Bildfokus wird durch die gängigen filmi- dem Off sprach Frederik Beyer ein. schen Mittel Schärfe und Unschärfe bestimmt. An Der Soundtrack wurde eigens für die Produk- der Kuppelwand auf die die Zuschauersitze ausge- tion komponiert. Der musikalische Leiter Ludger richtet sind – in der «Area of Interest» – ist ein Stra- Nowak sowie die Komponisten Rodrigo Diaz und Michael Holz erarbeiteten sie direkt zu den Full- dome-Projektionen und stimmten während des Pro- 1 Über den Entstehungsprozess und die Premiere von Ko- metentanz wurde in zwei TV-Beiträgen berichtet, die zur Ver- benprozesses die Musik mit den Tänzerinnen ab. anschaulichung des Projektes angesehen werden können: In der Inszenierung bewegen sich die Akteure Fulldomefestivaleröffnung mit Uraufführung von Paul Scheer- überwiegend zentral auf einer erhöhten Bühne in barts Kometentanz (Salve-TV, D 2014, http://www.salve-tv. der Mitte des Raumes oder auf dem Boden um net/videos/de/2014/MOBI/140513_Kometentanz1An- diese herum. Scheinwerfer beleuchteten die Perfor- kuendigung_MOBI.mp4 [05.07.14]); Uraufführung vom Kometentanz – Premierenbericht (Salve-TV, D 2014, http:// mer, die auf dem Podest zentral mit Ausrichtung www.salve-tv.net/videos/de/2014/IPAD/140522_Kome- auf den Haupteingang spielen. Aktionen an den tentanz_Premiere_IPAD.mp4 [05.07.14]). 114 Claire Dorweiler Ü 2 Tanz der Kometen – Die zuvor digitalen Kometen sind jetzt als körperlich präsente Live-Tänzerin im Bühnenraum erfahrbar. (© Michael Schomann 2014) ßenmusikant, dargestellt von Axel Hänsch, in Jena Performance der Tänzerin Melisa Palacio. Die zu sehen, der auf seiner Gitarre spielt (Abb. 1). Das Dome-Projektion ist dabei untermalend. Bild verdunkelt sich, was man als Einschlafen der Zunächst ziehen in der Fulldome-Projektion drei Figur deuten kann. Nach einer Aufblende fährt die verschiedenfarbige Kometen einzeln ihre jeweili- Kamera rasant durch die Straßen Jenas, in das Pla- gen Kreise innerhalb des Domes, bis sie alle über netarium hinein, in dem das Publikum sitzt. Dann der Haupteingangstür des Aufführungsraumes ver- verwandelt sich die Kuppel durch eine Überblende schwinden. In der Kuppel sind jetzt nur noch kleine in den Fulldome ähnlichen, in 3D gestalteten Glas- blinkende Sterne zu sehen, wodurch sich der Saal palast von Bruno Taut aus dem Jahre 1914, der fast vollständig verdunkelt. Plötzlich tritt in diese vom Kometentanz-Autor Paul Scheerbart maßgeb- Dunkelheit durch die Haupteingangstür die Kome- lich inspiriert wurde (vgl. Ikelaar 1996: 50–54). tentänzerin und erhellt mit selbstleuchtenden Die Zuschauenden bekommen so mit filmischen Kometen in ihren Händen den Raum. Mitteln vor Augen geführt, wie sie von ihrer rea- Der Fokus wird auf sie gelenkt, denn ihr Auftritt len Umgebung in die fiktive Welt Paul Scheerbarts durchbricht die sehr reduzierte Dome-Projektion gezogen werden. Unsere reale Welt wird dabei des Sternenhimmels mit Licht und ihrer körperli- durch gefilmte Szenen gezeigt, Scheerbarts Kome- chen Präsenz. Anschließend füllt sie den Raum tentanz-Welt wird durch 3D-Animationen im Dome durch ihren serpentinenartigen Tanz2 mit Aktionen dargestellt. (Abb. 2). «Die drei Kometen» begrüßen den König und tanzen auch das Publikum an. Die Präsenz der «Tanz der drei Kometen» – Übergang Performerin in den Gängen und auf den Bodenflä- von digitaler in körperliche Präsenz chen des Planetariums macht diese extraterrestri- sche Ankunft für das Publikum so nicht nur visuell, Die Variante der reinen Bühnenaktion ist in dieser Kometentanz-Inszenierung nicht vertreten. Wäh- 2 Inspiration für die Choreographie war u. a. der Serpenti- rend des namensgebenden Tanzes der Kometen nentanz von Loïe Fuller, bekannt aus dem Film Serpentinen- liegt der Fokus aber besonders klar auf der Live- tanz (Danse Serpentine, Louis Lumière, F 1896) Kometentanz 115 sondern auch körperlich erfahrbar. Das zuvor nur «Kaleidoskop» – Bewusstes Spiel digital repräsentierte Wesen aus der Fulldome-Pro- mit Grenzen der Aufmerksamkeit jektion ist auf die Erde gekommen. Live-Aktionen machen eine direkte Kontaktaufnahme mit den Der Schwerpunkt in der nachfolgenden Kaleidos- Figuren der inszenierten Welt möglich. Performer kop-Szene liegt überwiegend auf der Fulldome-Pro- und Publikum können gegenseitig aufeinander jektion. Dennoch reagieren die live dargestellten reagieren, was jeder Aufführung zusätzlich eine Figuren auf das Geschehen darin. individuelle Komponente gibt.3 In der Fulldome-Kuppel gesellen sich den drei Durch den Wechsel der drei Kometen aus dem Kometen sieben Sterne hinzu. Himmelskörper sind Dome in den Aufführungsraum wird der Übergang in der scheerbartschen Dichtung personifiziert, was der Kometen aus der Sternenwelt auf die Erde dar- sich in der Gestaltung der sieben abstrakt gehalte- gestellt. Hier ist hervorzuheben, dass bei diesem nen Sterne widerspiegelt, die angelehnt an Georges 4 Vorgang drei Figuren, die in der Kuppel einzeln zu Méliès’ Mond, bewegte Gesichter haben. Die Him- sehen sind, nun von einer einzigen Live-Performerin melskörper beginnen miteinander einen Reigen zu verkörpert werden. Die Kontinuität wird einerseits tanzen und verschmelzen dabei zu einem Dome über den Ort vermittelt: die Kometen-Projektionen füllenden psychedelischen Kaleidoskop (Abb.  3). verschwinden über der Eingangstür und durch Dieses fordert den Zuschauer durch stroboskopar- dieselbe tritt wenig später die Kometentänzerin tig zuckende, sich ständig wandelnde Formen. auf. Andererseits machen Requisiten die direkte Die Projektion spielt bewusst mit den Grenzen Verbindung der Darstellungsformen deutlich: In der Aufmerksamkeit des Publikums. Umfangreiche den Händen hält die Tänzerin selbstleuchtende Live-Aktionen würden hier eher zu einem ‹Over- Kometen aus Lichterketten, die denen in der Kup- Kill› an Eindrücken führen, durch den die Konzen- pel ähneln. Zusätzlich finden sich die Farben der tration und Faszination des Publikums vermutlich jeweiligen Kometen auch in diesen Requisiten, schwinden würde. Deshalb sind hier die Reaktio- sowie im Kostüm und Maskenbild wieder. nen der Live-Performer auf Posen beschränkt. Das Bei Übergängen von Figuren oder Objekten zwi- Bühnengeschehen wird leicht beleuchtet. Die schen Dome und Live-Performance kann sich also Gemahlinnen des Königs bringen dem Tanz der deren Erscheinungsbild ändern. Die Wiedererkenn- Himmelskörper im Dome Gesten der Faszination barkeit wird dabei gesichert durch Bestehenblei- und des Verlangens entgegen. Noch im Ende des ben charakteristischer Merkmale. Kaleidoskops springen sie auf und wollen gemein- Nach dem Live-Tanz kehren die drei großen sam mit den Sternen und Kometen tanzen. Kometen wieder, wie sie gekommen sind, in den Sternenraum zurück. Die Live-Tänzerin geht durch «Pas-de-Deux» – Interaktion zwischen den Haupteingang ab und über der Tür erscheinen Fulldome und Live-Performance wieder digital die drei einzelnen Kometen in der Dome-Projektion. In der folgenden Szene liegt der Fokus gleichwertig auf Fulldome-Projektion und Live-Tanz. Es besteht darüber hinaus eine Interaktion zwischen beiden. Auch hier gibt es im gemeinsamen Einsatz von Fulldome und Live-Performance eine konzep- 3 Jede einzelne Theateraufführung existiert durch die leib- liche Co-Präsenz von Akteuren und Besuchern, durch eine tuelle Trennung der beiden Medien: Handlungen «autopoietische Feedbackschleife», wie es Erika Fischer-Lichte der Himmelskörper finden oben in der Fulldome- benennt (2004: 58). Während die Akteure performen, neh- Projektion statt, irdisches Geschehen wird von live men die Besucher dies wahr und reagieren darauf, sei es rein Akteuren im Aufführungsraum repräsentiert. innerlich oder durch erkennbare Ausdrucksweise wie Mimik, Während sich die Sterne und Kometen im Gestik, Applaus oder Zwischenrufe. Jegliche Art der Reaktion Dome fröhlich aus ihrem Kaleidoskop-Tanz lösen, lässt eine Atmosphäre im Raum entstehen und hat Auswir- kungen auf die Intensität des Spiels der Akteure, sowie auf beginnen die Gemahlinnen, dargestellt vom Tanz- das Interesse und die Beteiligung der anderen Zuschauer. duo Vainno, sich auf der Bühne nach den Sternen Die autopoietische Feedbackschleife steuert auf diese Weise auszustrecken, um mit ihnen zu tanzen. Die Sterne den Verlauf der Aufführung. Das heißt, jede Realitätsdarstel- lung die im Theater konstruiert wird, modifiziert sich nach den Reaktionen des Publikums auf die aufgeführte Hand- 4 Vgl. Die Reise zum Mond (Le voyage dans la lune, Geor- lung und den Reaktionen der Akteure auf das Publikum. ges Méliès, F 1902). 116 Claire Dorweiler Ü 3 Performer reagieren in Posen auf das Kaleidoskop, das die Aufmerksamkeit des Publikums einfordert. (© Sascha Kriegel 2014) im Dome kommen lächelnd näher und gruppieren zwischen Akteuren und Publikum (siehe Fußnote sich im Kreis über der Bühne, während die beiden 4). Obwohl die Gemahlinnen mit den Sternen in Performerinnen im Aufführungsraum ihr Pas-de- der Projektion interagieren, ist die Fulldome-Projek- Deux beginnen. Doch schon bald verziehen die tion im Pas-de-Deux jedoch nicht Teil dieser gegen- digitalen Sterne ihre Gesichter zu angewiderten seitigen Modifizierung, da sie in jeder Aufführung Fratzen, da ihnen der irdische Tanzstil nicht zu ent- gleich abläuft. Das Spiel der Sterne und deren Aus- sprechen scheint. Die Königinnen tanzen darauf- druck würde sich nicht ändern, wenn das Publikum hin pikiert ihren Part weiter bis die Sterne durch johlen und sie anfeuern würde. eine Abblende aus der Kuppel verschwinden, wor- Die Dome-Projektion wäre in folgendem Fall aufhin die Gemahlinnen beleidigt abgehen. aber ebenfalls in die autopoietische Feedback- Es wird deutlich, dass Figuren im Fulldome schleife miteingebunden: Unter Einsatz von Motion und auf der Bühne miteinander in Kontakt treten Tracking generieren die Bewegungen der Tanzen- können. Hierfür müssen in der Herstellung der den in Echtzeit Bilder für den Dome.5 Die Projek- Projektion schon die ungefähren Positionen und tion verändert sich dabei live über die Tänzer, deren Handlungen der live Akteure mitgedacht werden, Ausdruck sich durch die Reaktionen des Publikums um das Verhalten der Figuren in der Kuppel nicht und die entstehende Atmosphäre modifiziert. So ist unorganisch wirken zu lassen. Denn diese kann im der Fulldome aktiver Teil der autopoietischen Feed- Probenprozess nicht ohne weiteres angeglichen backschleife, denn er ruft ebenfalls Reaktionen werden, und zwar aufgrund von langen Renderzei- beim Publikum hervor und verändert die Stimmung ten. Die Live-Akteure müssen sich während ihrer Performance stark am Timing der Projektion orien- 5 Dieses Verfahren wurde bereits 2006 in der Fulldome- tieren und sich so verhalten, dass die jeweiligen Show ICH2 (Muthesius Kunsthochschule/Bühnen der Reaktionen zueinander passen. Landeshauptstadt Kiel/FH Kiel, D 2006) technisch und Auch hier entsteht durch die körperliche Prä- szenisch erprobt in einer Kooperation des Kieler Balletts und des Choreographen Mario Schröder mit der Muthesius senz der Tänzerinnen eine «autopoietische Feed- Kunsthochschule und dem Mediendom der Fachhochschule backschleife» nach Erika Fischer-Lichte (2004: 58) Kiel (vgl. Duscher 2007: 40–45). Kometentanz 117 Á 4 «Pas-de-Deux» – Inter- aktion der Live-Tänzerinnen mit den projizierten Sternen im Fulldome. (© Sascha Kriegel 2014) im Raum, was sich wiederum auf die Tanzenden darzustellen, akzentuiert die Handlung und hebt und wieder auf die Projektion selbst auswirkt. inhaltlich die Grenze zwischen Himmel (Fulldome) und Erde (Live-Performance) auf. «Finale» – Verschmelzung der Welten durch parallele Dome- und Live-Aktion Fazit und Ausblick Im Finale ist die klare Trennung zwischen irdischem Eine Verbindung von Fulldome-Projektion und Live- Geschehen auf der Bühne und dem des Kosmos in Performance kann zur Darstellung unterschiedli- der Kuppel sowohl inhaltlich als auch inszenato- cher Welten dienen, die miteinander interagieren risch aufgehoben. und verschmelzen. Bei Übergängen von Figuren Die Kometen nehmen König, Zofe und Scharf- von einer in die andere Welt bleibt Kontinuität richter mit sich in den Weltraum. Das Geschehen gewahrt indem deren Hauptmerkmale bestehen wird in der Live-Performance durch einen Tanz bleiben. Die parallele Darstellung desselben dargestellt, in dem Melisa Palacio die Darsteller, Geschehens im Fulldome und auf der Bühne kann Sven Knaack, Sabine Thyrolf und Thomas Vogel, die Bedeutung einer Szene verstärken. Allerdings mit ihren Kometen-Requisiten umtanzt, einwickelt sollte das Verhältnis des Einsatzes von Fulldome- und mit sich in den Bühnenhintergrund nimmt. Projektion und Live-Aktion auf den Inhalt der Gleichzeitig ist eine Fulldome-Animation mit der Szene angepasst werden. gleichen Handlung in der Kuppel zu sehen: Die Die Unterschiedlichen Formen des Verhältnis- drei Kometen in ihrer für die Projektion üblichen ses von Fulldome-Projektion und Live-Performance Erscheinungsform tragen jeweils einen der Men- lassen sich in einer Graphik übersichtlich zusam- schen, abstrakte menschliche Silhouetten, mit sich, menfassen (Abb. 5): bis sie im Zentrum der Kuppel immer kleiner wer- Jedes der Medien kann, wie gewohnt, einzeln den und verschwinden. eingesetzt werden und es können die ihm eigenen Die Doppelung, die Szene sowohl auf der Darstellungsformen für die Inszenierung genutzt Bühne als auch parallel als Fulldome-Projektion werden. Bei reiner Dome-Projektion können mit fil- 118 Claire Dorweiler Ü 5 Zusammenfassende Grafik. (Eigene Darstellung) mischen Mitteln Übergänge zwischen Welten dar- Aufführungsraum. Wenig oder gar keine Beleuch- gestellt werden. Dies kann durch Überblenden oder tung lenken den Fokus automatisch auf die Licht- den Wechsel von unterschiedlichen Darstellungssti- spiele in der Fulldome-Kuppel. len (Realfilm und Animation) geschehen, wie sich Die Verwendung von Licht im Bühnenraum am Beispiel der Ouverture zeigt. Die Aufmerksam- sollte weiter praktisch erforscht werden. Wie lässt keit des Publikums wird hier, typisch für Filme, über sich bewusst das Licht, das die Fulldome-Projektion die Regelung von Schärfe und Unschärfe gelenkt. auf den Aufführungsraum wirft als Beleuchtung einsetzen? Oder wie können Bühnenscheinwerfer Freie Gestaltung des Fulldome-Bildfokus auf die Performer virtuos und wirkungsvoll so ein- gesetzt werden, dass trotz des zusätzlichen Lichts Die gängige Darstellungspraxis den Bildfokus in die Dome-Projektion nicht zu stark verblasst? den meisten Fulldome-Projektionen ausschließlich Auch in dieser Hinsicht wäre es lohnenswert, in der «Area Of Interest», dem Bereich der Kuppel das Prinzip der selbstleuchtenden Kostüme weiter auf die die Sitze des Planetariums ausgerichtet sind, technisch und ästhetisch auszubauen. zu belassen, kann infrage gestellt werden. Gerade in Verbindung mit Live-Performances und der Mög- lichkeit von bewegten Figuren im Raum, die mit der Fulldome und Live-Aktion jeweils dramaturgisch Projektion interagieren, bietet es sich an, auch in konzeptuell einsetzen der Kuppel freier mit dem Bildfokus umzugehen Wenn bei gleichzeitigem Einsatz von Fulldome und und mit Orientierungswechseln zu experimentieren. Live-Performance die Darstellungsweise in einer Beispielsweise könnte ein plötzlicher Wechsel des der Ausdrucksformen schon für sich sehr reich Bild-Fokus im Raum als dramaturgisches Stilmittel an Eindrücken ist, empfiehlt es sich, die Aktionen eingesetzt werden, der die Zuschauer dazu verleitet im anderen Medium während dieser Szene eher sich abrupt umzudrehen und sich so beispielsweise gering zu halten (vgl. Abschnitt «Kaleidoskop»). mit einer Figur zu identifizieren, die erschreckt wird Die Besucher sollten nicht mit Eindrücken über- (s. unten zum Umgang mit dem Raum). fordert werden, sondern das Spiel mit den Gren- zen der Wahrnehmung des Publikums sollte ggf. Praktische Erforschung von Lichteinsatz bewusst eingeleitet und dramaturgisch sinnvoll eingesetzt werden. Bei gleichzeitigem Einsatz von Fulldome und Live- Es bietet sich an, die verschiedenen Medien Performance kann der Fokus entweder auf einem Fulldome-Projektion und Live-Performance kon- der beiden Medien liegen oder aber auf beiden zeptuell inhaltlich unterschiedlich einzusetzen. In zugleich. Kometentanz stellen sie unterschiedliche Welten Die Schwerpunktlegung auf eines der Medien dar, die astrale (Fulldome) und die irdische (Live- geschieht über eine Reduzierung der Aktion auf Performance). Diese können miteinander interagie- der jeweils anderen Ebene. Der Einsatz von Licht, ren (vgl. «Pas-de-Deux») oder die gleiche Situation sei es in Form von Scheinwerfern oder leuchtenden parallel darstellen, um eine völlige Vermischung Kostümaccessoires, unterstützt den Fokus auf den der Welten zu zeigen (vgl. «Finale»). Kometentanz 119 Bei diesen Interaktionen liegt der Aufmerk- völlig frei bewegt werden. Wenn über die Raum- samkeitsschwerpunkt auf beiden Medien zugleich. aufteilung das klare Zuschauer/Akteur-Verhältnis Überschreitet eine Figur die Kante zwischen Dome aufgehoben ist, könnten sich Performer unters und Aufführungsraum, findet ein Übergang in Publikum mischen oder Besucher selbst zu aktiv eine andere Sphäre statt, was sich auch an deren eingebundenen Akteuren werden. Für letzteres bie- verändertem Erscheinungsbild erkennen lässt (vgl. tet sich besonders auch der Einsatz von interakti- «Tanz der Drei Kometen»). Durch Beibehalten von ven Echtzeit-Projektionen im Dome an. Hauptmerkmalen bleiben die Figuren dennoch Es zeigt sich also: Ausgehend von der Verbin- wiedererkennbar. dung aus Fulldome und Live-Performance in Kome- tentanz sind eine Vielzahl an Kombinationsvarian- Das Verhältnis von Besuchern und Akteuren ten denkbar, die sich hoffentlich in der nächsten und die Aufteilung des Raums Zeit noch in weiteren Inszenierungen verwirklichen werden. Die plötzliche körperliche Präsenz einer Figur, die zunächst nur in der Projektion zu sehen war, spielt für die Lenkung des Fokus ebenfalls eine Literatur Rolle. Die Figur kann nun potentiell mit jedem der Zuschauenden interagieren. In Kometentanz Blume, Torsten & Hiller, Christian (Hg.) (2014): Mensch – wurde die Grundbestuhlung des Planetariums Raum – Maschine. Bühnenexperimente am Bauhaus. belassen, weshalb dies nur für die Menschen galt, Dessau: Stiftung Bauhaus Dessau. die an den Gängen saßen in denen getanzt und Duscher, Tom (2007): ICH2 – Tanz intermedial für Plane- gespielt wurde. Die 360°-Form des Aufführungs- tarien. In: Jahrbuch immersiver Medien. Beiträge zu raumes bietet allerdings großes Potential, um mit innovativen Projektionsformen 2007. Hg. von Eduard der Anordnung der Zuschauersitze im Planetarium Thomas. Kiel: Fachhochschule Kiel. zu experimentieren. Fischer-Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen. Unterschiedliche Versionen der Bestuhlung sind Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Ikelaar, Leo (Hg.) (1996): denkbar, z. B. eine solche wie in Walter Gropius’ Zur Geschichte einer Bekanntschaft. Scheerbarts Entwurf eines Totaltheaters von 1926/27, in dem Briefe der Jahre 1913–1914 an Gottfried Heinersdorff, die Position der Bühne durch Rotation eines Teils Bruno Taut und Herwart Walden. Paderborn: Igel. des Theaters im Raum verschoben werden kann Scheerbart, Paul (1903): Kometentanz. Astrale Panto- (vgl. Blume & Hiller 2014: 192–193, 196–197). mime in zwei Aufzügen. Leipzig: Insel. Interessant wäre es, diesen Vorgang szenisch zu Vollmer, Hartmut (2011): Die literarische Pantomime. nutzen und gleichzeitig Fulldome-Projektionen ein- Studien zu einer Literaturgattung der Moderne. Biele- zusetzen. Nur würden die Projektionsflächen nicht, feld: Aisthesis. wie von Gropius geplant, ausschließlich um die äußerste Reihe des ovalen Theaters herum verlau- fen, sondern die Kuppel würde sich komplett über den gesamten runden Zuschauerraum erstrecken. Auch wäre es möglich, Zuschauerplätze im Zent- rum des Domes in Kreisform anzuordnen, dann einen breiten Ring als Bühne für die Darsteller frei zu lassen und um diesen Ring herum noch einmal mehrere Sitzreihen für die Zuschauer vorzusehen.6. Um 360° drehbare Einzelsitze würden sich für jede Art der Bestuhlung anbieten. Aber auch frei bewegbare Kissen oder Matten können ausgelegt werden oder es könnte sich in einem leeren Raum 6 Vgl. Theaterinzenierung Das Geheimnis der Truhe von Troncoso (O secredo da arca de Troncoso) der Gruppe Vilavox im Jahre 2012 120 Claire Dorweiler beSprechungen dIe 360°-FulldoMe-Show Dinosaurs aT Dusk – The origins of flighT Von MIrage3d Jürgen Rienow In Search of Our Cosmic Origins (2009), Dawn of the Space Age (2007), aber auch naturwissen- schaftliche Themen wie in Supervolcanoes (2013) und Natural Selection (2009; siehe dazu Buczek & Rienow 2011). In der aktuellen Show über Dinosaurier und die Anfänge des Fliegens1 führen uns die Produ- zenten in verschiedene Epochen der Erdgeschichte. Dabei steht die evolutionäre Entwicklung der flie- genden Dinosaurier als Vorfahren der Vögel im Fokus. Anhand verschiedener Beispiele kann der Zuschauer verfolgen, welchen Weg diese Entwick- lung einschlug und welche z.T. riesigen Flugsaurier sich entwickeln konnten. Das Besondere an dieser Show ist aber nicht der Inhalt, sondern die Art und Weise der Erzäh- lung. Das Studio mirage3D versucht häufig, beson- dere Wege zu gehen, immer unter der Prämisse, IMAX-artige Filme für Fulldome-Kuppeln zu pro- duzieren. Bislang geschah dies jedoch immer mit einem Sprecher aus dem Off, wie man dies aus den meisten anderen Fulldome-Shows auch kennt. Selten bekamen die Zuschauer der Filme dieser Produktionsfirma Information von Schauspielern im Bild. Durch diesen Aspekt unterschied sich Dinosaurs aT DusK (mirage3d, nl 2013, 45 min.) der Fulldome-Film maßgeblich von allen anderen (immersiven) Filmformaten. Das Einbinden von Das niederländische Studio mirage3D um den Pro- Schauspielern über Greenscreen-Aufnahmen, die ducer Robin Sip hat bereits eine lange Liste von nachträglich in computergenerierte Umgebungen Fulldome-Shows und -Animationen aufzuweisen, die unterschiedlichste Themen behandeln. Dazu 1 So der deutsche Titel, der im Mediendom Kiel Verwen- gehören u. a. astronomische Themen in den Shows dung findet. Die 360°-Fulldome-Show Dinosaurs At Dusk – The Origins of Flight von mirage3D 123 à 1 Detailierte Landschaftsdarstellung. (Quelle: Dinosaurs aT DusK) integriert werden, wird in Kuppelproduktionen erst che Darstellung reißt in den später gezeigten ande- seit ca. 2007 durchgeführt – das erste Mal massiv ren Epochen der Erdgeschichte nicht ab. in Augen im All (ESA/Mediendom Kiel, D 2009). Zurück zur eigentlichen Geschichte: Nach der Damals waren allerdings die begrenzten techni- Präsentation auf dem Wissenschaftsfestival ziehen schen Möglichkeiten bei der Aufnahme im Produkt Vater und Tochter weiter auf den benachbarten noch sichtbar. Sportflugplatz, wo die Tochter ihren ersten Flug Mirage3D geht mit Dinosaurs at Dusk einen mit einem Sportflugzeug alleine durchführen darf. Schritt weiter. Es wird komplett auf einen Sprecher Nach einem gelungenen Start verliert sie allerdings aus dem Off verzichtet, alle Informationen wer- bald die Orientierung und stürzt ab. Sie erwacht im den in die Dialoge der Schauspieler eingebunden. Trias und wird daraufhin von ihrem Vater in einem Diese Herangehensweise erfordert eine grundsätz- Geländewagen abgeholt. Zusammen erkunden die lich andere Art des Erzählens, als diejenige, die bis- beiden im Folgenden verschiedene Epochen der her in diesem Medium anzutreffen war. Dieser Weg Dinosaurierentwicklung, unterstützt von einer Viel- mag dazu geführt haben, dass die Szenen in der zahl an Fahr- und Flugzeugen sowie einer Augmen- Show in einer viel höheren Frequenz geschnitten ted-Reality-Brille (AR-Brille), die Informationen zu sind, als es bei anderen Fulldome-Shows üblich ist. den jeweiligen Dinosauriern bereithält. Am Ende Die Show nähert sich damit der Bildsprache des der Reise stürzt der Meteorit auf die Erde, der das IMAX-Films stark an. Ende der Dinosaurier hervorrief. Die Show beginnt zur Einstimmung auf das Danach erwacht die Tochter aus ihrem (durch- Thema mit einem Gleitschirmflug, in dem ein Palä- aus lehrreichen) Traum und wird mit einem Ret- ontologe zu einem Wissenschaftsfestival fliegt. tungshubschrauber abgeholt. Die Show schließt Seine Tochter, die zweite Protagonistin in diesem mit einer Vielzahl an verschiedenen Eindrücken Film, ist mit dem Fahrrad dorthin unterwegs. Bereits zum Thema Fliegen und der Auswirkung von Mete- in dieser Szene sticht eine unglaubliche Detailfülle oriteneinschlägen auf unserer Erde. ins Auge, mit der die Landschaft umgesetzt wurde Am auffälligsten in den 45 Minuten Film sind und für die verschiedenste Baum-, Blumen und Tier- gar nicht so sehr die Dinosaurier, sondern die Land- arten zum Leben erweckt wurden (Abb. 1). Diese schaft mit ihrer Pflanzenvielfalt. Wie oben bereits fotorealistischen Renderings bleiben bis zum Ende erwähnt, ist die gesamte Show geprägt von einer der Show bildbestimmend und auch die detailrei- Detailfülle, die im Fulldome-Markt ihresgleichen 124 Jürgen Rienow à 2 Herde von Iguanadons samt AR-Information aus Sicht des Jeeps. (Quelle: Dinosaurs aT DusK) sucht (und vermutlich nicht findet). Zehn Model- Der mutige Versuch, auf einen Off-Sprecher zu lierer haben ein ganzes Jahr daran gearbeitet, alle verzichten, kann sowohl als gleichzeitig gut und Pflanzenmodelle im Computer zu erzeugen und schlecht bewertet werden. Das Hauptproblem liegt sind dafür um die ganze Welt gefahren, um Pflan- in der Glaubwürdigkeit der Protagonisten: beide zen als Vorlage für die ausgestorbenen Pflanzen zu sind dem Fliegen und der Paläontologie zugetan finden, die in der Show dargestellt werden. und scheinbar Experten auf ihrem Gebiet. Inso- Damit aber nicht genug des Aufwandes: Die fern wirkt die Faszination mit fliegenden Sauriern Schauspieler benutzen häufig Fahrzeuge oder befin- glaubwürdig, die Nutzung der AR-Anzeigen mit den sich in ‹Camps› mit wissenschaftlicher Ausrüs- dem laienhaften Erklären wirkt für die Zuschauer tung. Damit gab es eine weitere große Menge an allerdings unglaubwürdig. Viele der Dialoge Objekten, die modelliert werden mussten. Hierzu würden zwischen zwei Fachleuten ganz anders  – kam die Anforderung, Fahrzeuge z.T. fotorealistisch nämlich detaillierter und konkreter  – ablaufen. als physikalische Objekte nachzubauen, denn bei Eine weitere Frage nach Glaubwürdigkeit liefert der schauspielerseitigen Nutzung z. B. des Jeeps die Ausstattung der gesamten Welt: Überall sind wurde ein echter Jeep auf die Greenscreen-Bühne Camps und Fahrzeuge zu sehen und werden auch gefahren, während in anderen Einstellungen ein benutzt. Man kommt sich fast wie in einem James- Computermodell zu sehen ist (Abb. 2). Bond-Film vor, in dem jedes Gadget auch benutzt Häufig ragten Teile von größeren Fahr- und ins- werden muss, einfach weil es da ist. Auch die län- besondere Flugzeugen aus dem Bild der physikali- geren Reisezeiten zwischen Kontinenten werden schen Kamera hinaus und mussten für die virtuelle nicht deutlich. Dieses häufige, schnelle Springen Kuppelkamera, die mit 180° Fisheye-Optik einen zwischen Orten und Epochen kann verwirrend viel höheren Öffnungswinkel aufweist, im Compu- wirken.2 Dafür werden einige Sequenzen länger ter verlängert werden. gezeigt als andere, z. B. die Szene, in der die Pro- Doch der hohe technische Aufwand bei der tagonisten in einem Kitebuggy von Argentinosau- Produktion der Show ist auch ohne dieses Hinter- grundwissen offensichtlich. Wie bei anderen tech- nisch aufwendigen Filmen oder Shows stellt sich 2 Natürlich kann die Tatsache, dass es sich nur um einen Traum gehandelt hat, als Erklärung für die Inkonsistenzen aber auch hier die Frage, ob der Inhalt dem Gezeig- des zeitlichen und räumlichen Kontinuums dienen  – dies ten angemessen ist. funktioniert jedoch nur im Nachhinein. Die 360°-Fulldome-Show Dinosaurs At Dusk – The Origins of Flight von mirage3D 125 à 3 Ein ‹mirage3D-Moment›: Die Kamera folgt dem Flugsaurier in einer längeren Plansequenz. (Quelle: Dinosaurs aT DusK) riern über eine Sandebene gezogen werden. Hier hier auch nur in eine Richtung projiziert wird. Das stellt sich fast automatisch die Frage nach der Ziel- Betrachten dieser Show in einer ungeneigten, kon- gruppe der Show. Aufgrund der Gewichtung auf zentrisch bestuhlten Kuppel ist deutlich anstren- das Erleben von Geschwindigkeit und Fliegen und gender, aber auch lohnender. Bei der Modellierung einer fast überladen wirkenden Menge von gezeig- der Landschaften wurde auf so viele Details geach- ten Orten und Eindrücken, sollte diese Show eher tet, die häufig auch ‹hinter› dem Zuschauer liegen, im Kinderprogramm eines Planetariums zu finden dass sich das aktive Umschauen trotz der gerichte- sein. Die Frage ist aber, ob bei der Menge an Infor- ten Visualisierung lohnt. mationen die eigentliche Geschichte, die evoluti- onäre Entwicklung des Fliegens, nicht untergeht. Als Fazit bleibt festzuhalten: Mirage3D hat sich als Die Erzählgeschwindigkeit und auch die erstes Studio getraut, einen wirklichen Fulldome- Schnittgeschwindigkeit sind in einem großen Teil Film zu produzieren. Die Show Dinosaurs At Dusk der Show gleichbleibend. Nur selten wird die für ist nämlich ähnlich geschnitten wie ein Kinofilm das Medium Fulldome typische Visualisierungs- und löst sich damit vom häufig genutzten doku- technik verwendet: lange Plansequenzen (Abb. 3). mentarischen Format, bei dem ein Sprecher aus Die Beurteilung, ob lange oder kurze Schnitte dem Off für die Informationsvermittlung verwen- besser wirken, hängt letztendlich vom Geschmack det wird. Dafür mussten sich die Produzenten mit des Betrachters ab. Spannend ist dabei allerdings, der Frage auseinandersetzen, wie man Dialoge, dass Zuschauer, die das Fulldome-Medium nicht bewegte Kamera und Realfilm-Inhalte gleichzeitig gewöhnt sind, schnelle Schnitte aus dem Kino einsetzt. Gerade die Frage nach Dialogen wurde kennen und daher auch in der Kuppel erwarten. in der Fulldome-Welt bislang nur wenig diskutiert, Fulldome-Kenner hingegen empfinden die schnelle scheint aber für die Entwicklung einer neuen bzw. Schnittfolge als ungewohnt und auch als anstren- aktualisierten Bildsprache unerlässlich, wenn man gend, da jeder Schnitt bedeutet, dass man sich neu mit dem Fulldome-Medium Geschichten erzählen orientieren muss. Lange Kamerafahrten wirken will und nicht nur dokumentarisch arbeiten möchte. dem Effekt natürlich entgegen. Ob sich der Mut gelohnt hat, ist schwer zu Die Show ist für geneigte Kuppeln produziert, sagen. Denn zum einen zeigt diese Show einen die über gerichtete Bestuhlung verfügen, wodurch ersten ernstzunehmenden Schritt in Richtung Full- solche Kuppeln dem Kino sehr nahe kommen, da dome-Spielfilm und ist daher schon jetzt ein Mei- 126 Jürgen Rienow lenstein der Content-Entwicklung für das Medium men gemessen; dennoch ist mirage3D um so mehr Fulldome. Zum anderen ist mirage3D aber kein zu gratulieren, mutig ein solches innovatives und Forschungslabor für immersives Erzählen, sondern nahezu experimentelles Produkt auf den Markt will Gewinn erwirtschaften. So ist ein wichtiger zu bringen. Inwiefern es allerdings erfolgreich ver- Faktor  – neben den hohen Personalkosten  – der marktet werden kann, muss die Zukunft zeigen… technische Aufwand: Ein kleineres Studio könnte eine solche Produktion aufgrund des Produktions- aufwandes und der Renderzeiten (z.T. einige Tage Literatur pro Einzelbild) nicht durchführen. Trotzdem gibt es immer noch einen Qualitätsabstand zu Holly- Buczek, Isabella & Rienow, Jürgen: Die wunderbare Viel- wood-Filmproduktionen, deren Spezialeffekte noch falt des Lebens als visuelles Erlebnis in der 360°-Full- einmal deutlich teurer sind und fotorealistischer domeshow Rätsel des Lebens von Mirage3D. In: Jahr- wirken. Und damit wird das Hauptproblem der buch immersiver Medien 2011. Hg. vom Institut für Show angesprochen: Wer versucht, einen Spielfilm Immersive Medien der Fachhochschule Kiel. Marburg: zu drehen, wird in der Qualität mit anderen Spielfil- Schüren. S. 111–115. Die 360°-Fulldome-Show Dinosaurs At Dusk – The Origins of Flight von mirage3D 127 SpIel der entScheIdung The WalKing DeaD: The game als emotionales erlebnis Daniel Schäl Walking Dead ist mittlerweile als Komplettpaket erhältlich, ein deutscher Untertitel kann wahlweise hinzu geschaltet werden. Spoiler Warnung: Der nachfolgende Text wird teilweise sehr konkret auf die Spielinhalte von The WaLKing DeaD eingehen und kann somit den Genuss des Spiels trüben. The Walking Dead basiert auf der gleichnamigen Comicserie von Robert Kirkman und Tony Moore aus dem Jahre 2003. In dieser werden die Ereig- nisse rund um Rick Grimes und seinen Sohn Karl beschrieben, die nach einer weltweiten Zombie- Apokalypse durch die zerrütteten USA ziehen und ums Überleben kämpfen müssen. Das Spiel portiert diese Handlung aber nicht einfach, son- dern erschafft eine eigenständige Geschichte mit eigenen Charakteren, die parallel zu den Hand- lungen in der Comicserie verläuft. Übernommen wurde lediglich das fiktionale Universum. Somit bildet auch hier der Südosten der Vereinigten Staa- ten nach der weltweiten Zombie-Apokalypse den Schauplatz der Handlungen. The WalKing DeaD: The game (telltale games, usa 2012) Der Spieler übernimmt die Rolle des ehemaligen Geschichtsprofessors und verurteilten Mörders Lee The Walking Dead: The Game1 wurde zwischen Everett. Dieser hat den Liebhaber seiner Frau getö- April und November 2012 in fünf Episoden ver- tet und soll nun in ein Bundesgefängnis überführt öffentlicht. Das Spiel ist für Xbox 360, Windows werden. Während der Fahrt drängt der Polizeibe- PC, Mac OS X, Playstation 3 und Playstation Vita amte Lee eine Unterhaltung auf. Ins Gespräch ver- verfügbar. Gespielt wurde die Version für den Win- tieft, übersieht der Beamte einen Beißer2 der über dows PC mit einem Xbox Controller für PC. The 2 In der deutschen Fassung werden die Zombies von den 1 Im Nachfolgenden nur noch The Walking Dead genannt. Überlebenden als «Beißer» betitelt. 128 Daniel Schäl à 1 Lee Everett und Clementine brechen gemeinsam zu ihrer Reise nach Savannah auf. (Quelle: The WalKing DeaD: The game) die Straße wankt. Er versucht diesem noch auszu- Trilogie (Daedalic Entertainment, D 2012–2013) weichen, verliert aber die Kontrolle über seinen gewohnt ist. Das Lösen von kniffligen Rätseln, Wagen, durchbricht die Leitplanke und stürzt eine indem bestimmte Gegenstände gefunden, kombi- Böschung hinunter. Lee verliert das Bewusstsein. niert oder mit Objekten benutzt werden müssen, Als er wieder zu sich kommt, kann Lee sich zwar steht hierbei nicht im Vordergrund. Die vorhande- aus dem Polizeiwagen befreien, muss sich aber nen Rätsel in The Walking Dead sind einfach und dem mittlerweile zum Beißer mutieren Polizisten sehr logisch gehalten. Sie beschränken sich meist erwehren. Der dadurch verursachte Lärm lockt wei- auf das Ablenken von Beißern oder die Benutzung tere Untote an und Lee flieht in ein angrenzendes von Gegenständen. So kann durch die Untersu- Wohnviertel. Hier trifft er auf die achtjährige Cle- chung eines Radios beispielsweise feststellt wer- mentine, deren Eltern vor der Zombie-Apokalypse den, dass Batterien fehlen und diese gefunden nach Savannah gefahren und nicht mehr zurückge- werden müssen. Es muss weniger ‹um die Ecke› kehrt sind. Lee nimmt sich des kleinen Mädchens gedacht werden, als bei vergleichbaren Vertretern an und schlüpft so in die Rolle eines Ersatzvaters. des Genres. Die gefundenen Gegenstände werden Fortan versucht Lee Clementine vor einer Welt kontextbezogen angezeigt, sodass hier keine Kno- zu schützen, die nur noch einen Grundsatz kennt: belei vonnöten ist, um den Gegenstand korrekt Der Stärkere überlebt. Beide machen sich auf die zu verwenden. Dabei erhebt The Walking Dead lange Reise nach Savannah um die Eltern von auch nicht den Anspruch, mit besonders kniffligen Clementine wiederzufinden (Abb.  1). Im Verlauf Rätseln aufzuwarten. Der Fokus liegt eher dar- des Spiels baut sich eine immer stärker werdende auf, den Spieler eine emotionale und persönliche emotionale Bindung zwischen dem Spieler und Geschichte erleben zu lassen. Clementine auf, die durch dessen Entscheidungen beeinflusst wird. Dazu bedient sich The Walking Dead der sogenann- ten Branching Path-Erzählstruktur. Diese besteht Das Spiel The Walking Dead kann den Point-and- aus einer unterschiedlichen Anzahl von Knoten- Click Adventure Games zugeordnet werden. Dabei punkten, an denen der Spieler aus einer vordefinier- ist es aber kein klassisches Adventure Game wie ten Anzahl von Optionen Entscheidungen treffen man es von der Monkey Island-Reihe (LucasArts & kann, die mal mehr und mal weniger den Verlauf der Telltale Games, USA 1990–2010) oder der Deponia- Erzählung beeinflussen können. Obwohl der Spieler Spiel der Entscheidung 129 à 2 Entscheidungspunkte in The WalKing DeaD – Episode 1. (Quelle: Eigene Abbildung) an jedem Knotenpunkt eine Wahl treffen kann, wieder zusammen, sodass jedem Spieler das glei- behält der Autor dennoch, durch die sehr starre che Ende präsentiert wird. Dass dies dem Spieler Struktur, eine starke Kontrolle über die Geschichte. während des Spiels nicht bewusst wird, ist dem Er bestimmt an welchen Knotenpunkten welche hohen Maß an narrativen Präsenzerleben geschul- Wahlmöglichkeiten existieren und welche Inhalte det, welches unter anderem durch einen hohen auf die Entscheidung des Spielers folgen. Ebenso Grad an agency und durch eine direkte emotionale entscheidet er über die Verzweigung der Knoten- Involvierung des Spielers entsteht. punkte – also, an welcher Stelle sie abzweigen oder wieder zusammenlaufen. Damit schlägt die Bran- Narrative Präsenz ist als ein affektiv-kognitives Kon- ching Path-Erzählstruktur eine Brücke zwischen den strukt zu verstehen, welches die vom Spieler wahr- strukturierten, auf den Autor fokussierten Stil des genommene Beziehung mit der Erzählung charak- Erzählens und dem offeneren, spielerabhängigen terisiert. Dabei liegt der Fokus auf den narrativen Stil. Sie bieten zum einen dem Autor eine große Erlebniskomponenten, also auf der Art und Weise Kontrolle über die Geschichte, zum anderen bieten wie in der Narration die Akteure, Objekte und Ereig- sie aber auch dem Spieler eine Vielzahl von bedeut- nisse präsentiert werden (Ijesselsteijn et al. 2000; samen Entscheidungen an, wodurch er mehr in die Green & Brock 2002). Ausschlaggebend ist dabei, Erzählung eingebunden wird. wie sehr sich der Rezipient durch die ihm präsen- Nach Josiah Lebowitz und Chris Klug (vgl. 2011: tierten narrativen Erlebniskomponenten in der Nar- 185–187) lassen sich drei wesentliche Elemente her- ration anwesend fühlt. Versteht man das Präsenz- auskristallisieren: geringfügige (minor), gemäßigte konzept im grundlegenden und klassischen Sinne (moderate) und bedeutende (major) Knotenpunkte. als «the sense of being there» (Biocca 1997: k.S.), Geringfügige und gemäßigte Knotenpunkte haben kann man diesen Begriff auf das narrative Präsen- nur einen geringen Einfluss auf den Verlauf der zerleben übertragen und sagen, dass es sich hierbei Story. Sie bieten eine andere Version einer Szene um «the sense of being in or a part of the story» an, eröffnen weitere Hinweise oder Informationen. (Rowe/McQuiggan/Lester 2007: 126) handelt. Dabei wirken sie sich nur minimal auf den Verlauf Denn neben den technischen Merkmalen trägt die der Geschichte aus und verzweigen meist wieder Narration eines Spiels bzw. deren Inhaltsfaktoren auf den Hauptknotenpunkt der Geschichte. ebenfalls zu einem Präsenzerleben bei. Es umfasst Bedeutsame Knotenpunkte dagegen gene- dabei das Gefühl von Partizipation oder einer Ver- rieren neue Abzweigungen, ohne dass diese auf körperung in der erzählten Welt. Zentral ist dabei einen vorherigen Knotenpunkt zurückführen. die wahrgenommene Wirklichkeit der Geschichte Sie können die Geschichte in eine völlig andere und die Erfahrung von plausiblen kognitiven und Richtung verlaufen lassen. In Bezug auf The Wal- emotionalen Reaktionen (vgl. Rowe/McQuiggan/ king Dead besteht das Spiel aus geringfügigen Lester 2007: 127f.). Denn haben die Handlungen und gemäßigten Entscheidungspunkten. Diese und Entscheidungen des Spielers Bedeutung für zweigen vom Hauptplot ab, werden dann aber die Narration, nimmt er die Spielwelt als leben- geschickt zusammengeführt, sodass kein separater dige fiktionale Welt wahr (vgl. Rigby & Ryan 2011: Plot entsteht (Abb. 2). 84–88). Er erfährt plausible kognitive und emotio- nale Reaktionen auf seine Handlungen, wodurch Aus ludischer Sicht kann gesagt werden, dass alle er eine Teilhabe am Geschehen erlebt. Entscheidungen eigentlich irrelevant sind. Denn Jonathan Rowe, Scrott McQuiggan und James egal wie man sich entscheidet, alle Pfade führen Lester (vgl. 2007: 128–129) zeigen drei Faktoren 130 Daniel Schäl auf, die sich auf das narrative Präsenzerleben aus- Scott Rigby und Richard Ryan beschreiben dieses wirken können: narrationszentrierte Faktoren, nut- Moment der aktiven narrative Teilhabe folgender- zer-zentrierte Faktoren und interpersonale Faktoren. maßen: «[Players] feel they are an integral part of Diese unterteilen sie in weitere Unterpunkte. the story – that their actions influence the path and Zusammenfassend kann gesagt werden, dass the outcome of the game‘s narrative» (2011: 93). mit den narrationszentrierten Faktoren all das gemeint ist, was den Inhalt der Erzählung betrifft Die Erfahrung von bedeutsamen Entscheidungen bzw. was eine gute Erzählung ausmacht. Sprich, und ihre Auswirkungen kann mit dem Begriff ein guter dramaturgischer, zusammenhängender agency beschrieben werden. Agency kann im Sinne und logischer Aufbau des Plots, glaubwürdige von Janet Murrays Definition verstanden werden und logische Charaktere, Handlungen und (Spiel-) als «the satisfying power to take meaningful action Welt.3 Ebenso eine gewisse Vorhersagbarkeit von and see the results of our decisions and choices» Ereignissen und den Reaktionen von Charakteren. (1997: 126). Nach Mateas und Stern (vgl. 2005: Die nutzer-zentrierten Faktoren beziehen sich k.S.) lassen sich zwei Arten von agency unterschei- auf die kognitiven und emotionalen Elemente: den: local agency und global agency. Local agency Gefühle von Angst, Trauer, Wut, Überraschung und bezeichnet Rückmeldungen der virtuellen Welt, die Begeisterung etc., also eine starke Involvierung mit unmittelbar und kontextbasiert sichtbar werden. dem Erzählten. Ebenso beinhalten Erzählungen Ein klassisches Beispiel hierfür sind Dialogoptio- viele Möglichkeiten von intrinsischer Motivation. nen. Global agency ist weitreichender und wirkt Diese werden von interessanten Narrativen über sich auf die übergeordnete virtuelle Spielwelt und den Verlauf der Geschichte hinweg aufrechterhal- deren Geschichte aus. Die vom Spieler getroffenen ten, in dem z. B. Fortschritte aufgezeigt werden. Ein Entscheidungen zeigen ihre Auswirkungen also weiterer Punkt ist die Freiheit des Benutzers bzw. erst in der näheren Zukunft oder lenken das Spiel das Gefühl von Kontrolle (agency) über die sich in eine bestimmte Richtung. Ebenfalls können die entfaltende Erzählung. Dies trägt zu einem Gefühl Einstellungen anderer Charaktere beeinflusst wer- von narrativen Präsenzerleben bei. den, die dann ein anderes Verhalten gegenüber Unter interpersonale Faktoren können die Per- dem Spieler-Charakter an den Tag legen. sönlichkeitsmerkmale eines jeden Rezipienten The Walking Dead bedient sich vornehmlich gefasst werden, also wie sich der Rezipient mit der local agency. Dabei beschränkt diese sich dem Charakter/Avatar identifizieren kann, wel- jedoch nicht nur auf die Dialogoptionen, sondern ches Genre oder Erzählstruktur er favorisiert, wel- weitet diese auf schwerwiegende Entscheidungen che Situationen/Handlungen bei ihm emotionale aus, die dann ebenfalls die global agency betref- Reaktionen auslösen. fen. Der Spieler wird oftmals in ein moralisches In einem Computer-/Videospiel eröffnen sich bzw. ethisches Dilemmata gestürzt. Dabei wird dabei gravierende Unterschiede gegenüber traditi- ihm innerhalb der Spielstruktur allerdings keine onellen Medien. Durch die Interaktivität des Medi- Entscheidung zwischen richtig oder falsch angebo- ums hat der Rezipient die Möglichkeit der aktiven ten, sondern nur eine Wahl zwischen zwei Übeln Teilnahme, die ihm in anderen Medien wie Litera- gelassen. Eines von vielen Beispielen ist in der ers- tur oder Film verwehrt bleibt.4 Anstatt Ereignisse, ten Episode zu finden: Nachdem Lee sich der klei- Entscheidungen und Handlungen lediglich passiv nen Clementine angenommen hat, treffen beide zu rezipieren, wird der Spieler zum aktiven Teil der auf Shawn Greene. Mit seiner Hilfe entkommen sie Geschehnisse – zum Akteur und Autor. Durch seine aus der Vorstadt und finden Zuflucht auf der Farm Handlungen beeinflusst er mal mehr, mal weniger seines Vaters  – Hershel Greene. Hier lernen sie den Verlauf der Erzählung und fühlt sich dadurch Kenny, dessen Frau Katjaa und deren Sohn Duck als ein Teil eben dieser Erzählung (vgl. Backe kennen, die ebenfalls nach Savannah unterwegs 2008: 119; Rowe/McQuiggan/Lester 2007: 129). sind. Während Shawn und Duck einen Zaun repa- rieren, werden beide von Beißern angegriffen. Der 3 Oder das die (Spiel-)Welt kausal bzw. rational erklärbar Spieler muss sich nun entscheiden, wen er retten oder in sich logisch ist, wie z. B.in Fantasy-Welten. wird – Shawn oder Duck. 4 In traditionellen Medien ist der Rezipient natürlich auch Um es vorwegzunehmen: Es ist egal, wer geret- aktiv, aber nur insoweit, das er die präsentierten Ereignisse tet wird. Shawn fällt so oder so den Beißern zum versteht, interpretiert und dadurch die Geschichte konstruiert. Opfer und Duck wird entweder vom Spieler oder Spiel der Entscheidung 131 à 3 Der Fremde konfrontiert Lee mit seinen Entscheidungen. (Quelle: The WalKing DeaD: The game) von seinem Vater gerettet. Dies ist dem Spieler Gruppe geplündert worden. Seine Frau hat ihn dar- im Moment seiner Entscheidung natürlich nicht auf hin verlassen und ist alleine weiter gezogen. bewusst. Er sieht nur die unmittelbare Konsequenz Wenige Tage später hat er beide in Beißer verwan- (local agency). Allerdings beeinflusst die Rettung delt wiedergefunden. Der Fremde konfrontiert Lee (oder Nicht-Rettung) Ducks das übergeordnete Ver- respektive den Spieler mit seinen Entscheidungen hältnis zu Kenny und wirkt sich somit auf den wei- und stellt ihre Richtigkeit infrage (Abb. 3). teren Spielverlauf aus (global agency). Dabei sind Der Spieler fühlt sich schuldig, obwohl es im die Auswirkungen der Entscheidungen nicht auf Spielverlauf so oder so zu dieser Szene gekommen eine Episode beschränkt. Eine einmal getroffene wäre, da die Gruppe die Vorräte aus den Wagen Entscheidung wirkt sich über die anschließenden auf jeden Fall mitnimmt – unabhängig davon, wie Episoden hinweg aus, was sich aber meist nur auf sich der Spieler entscheidet. Hier offenbart sich was die Beziehung zu den anderen Gruppenmitglie- The Walking Dead geschickt etabliert. Der Spieler dern äußert. Eine spezifische Entscheidung, deren wird unmittelbar in die Handlung und damit in Ausmaß sich offensichtlich erst in einen späteren die Geschichte um Lee und die anderen Überle- Abschnitt offenbart, ist jene gegen Ende von Epi- benden involviert, indem ihm gezeigt wird, dass sode Zwei. Die Gruppe der Überlebenden um Lee jede seiner Entscheidungen Konsequenzen nach und Clementine leidet Hunger und findet schließ- sich zieht. Ihm wird das Gefühl vermittelt, dass er lich einen scheinbar verlassenen Wagen, vollge- alles beeinflussen kann und direkt verantwortlich packt mit Lebensmitteln. Der Spieler kann sich für die Ereignisse ist und gemacht werden kann. jetzt entscheiden, ob er die Vorräte mitnimmt oder Hierdurch gelingt es, dass er sich nicht nur mit den sie liegen lässt. Die hieraus resultierenden Konse- Protagonisten identifiziert und seine Entscheidun- quenzen eröffnen sich aber erst in Episode Fünf. gen nachempfindet, sondern dass der Spieler eine Ein Fremder entführt Clementine und sie muss von kognitive Transformation in den Spieler-Charakter Lee befreit werden. In einem Hotel spürt dieser erfährt. Er teilt also, zu einem gewissen Grad, die den Entführer auf und es stellt sich heraus, dass Prinzipien und die Emotionen des Spieler-Charak- er der Besitzer des Wagens war, den die Gruppe ters. Die getroffenen Entscheidungen werden so geplündert hat. Der Fremde erzählt, dass sein Sohn zu persönlichen Entscheidungen des Spielers und bei einem Jagdausflug verschwunden ist. Darauf- damit auch die daraus folgenden Konsequen- hin haben sich seine Frau und er auf die Suche zen. In vielen Spielen verpufft diese emotionale gemacht und den Wagen stehen gelassen. Als sie Wirkung durch das Wissen des Spielers, dass er, zurückkehrten, war der Wagen bereits von Lees wenn ihm das Ergebnis einer Entscheidung nicht 132 Daniel Schäl gefallen hat, jederzeit zum Entscheidungspunkt Literatur zurückkehren kann, um eine andere Entscheidung zu treffen. So verlieren Szenen wie der Tod eines Backe, Hans-Joachim (2008): Strukturen und Funktionen wichtigen Charakters oder der Fehlschlag eines des Erzählens im Computerspiel. Eine typologische Helden mit tief greifenden Konsequenzen, ihre Einführung. Würzburg: Königshausen & Neumann. emotionale Wirkung. In The Walking Dead wird Biocca, Frank (1997): The Cyborg’s Dilemma: Pro- dem Spieler diese Option nicht gewährt. Dieses gressive Embodiment in Virtual Environments. In: Wissen um eine Quasi-Endgültigkeit5 einer Ent- Journal of Computer-Mediated Communication 3, 2, scheidung erzielt eine starke emotionale Wirkung http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1083 und hält diese über das gesamte Spiel aufrecht. –6101.1997.tb00070.x/full [26.06.2014]. Dies führt zu einer starken emotionalen Involvie- Green, M.C. & Brock, T.C. (2002): In the Mind’s Eye. rung und verleiht den Entscheidungen des Spielers Transporation Imagery model of Narrative Persua- Bedeutung. Er fühlt sich für seine Entscheidungen sion. In: Narrative Impact. Social and Cognitive Foun- verantwortlich, auch wenn diese den narrativen dations. Hg. von M.C. Green/J.J. Strange/T.C. Brock. Verlauf des Spiels nicht beeinflussen, wie oben Mahwah, NJ: Erlbaum. S. 315–341. bereits festgestellt wurde. Ijesselsteijn, Wijnand A. et al. (2000): Presence: Concept, Determinates, and Measurement. In: Human Vision Auch wenn The Walking Dead keine wirklich inter- and Electgronic Imaging V. Hg. von Wijnand A. Ijs- aktive Geschichte ist, wird dem Spieler dennoch selsteijn/Huib de Ridder/Jonathan Freeman/S.E. geschickt das Gefühl vermittelt, ein Bestandteil Avons/Bernice E. Rogowitz. Bellingham, Wash.: SPIE. der Erzählung zu sein. Wie in Quantic Dreams’ S. 520–529. Heavy Rain (Quantic Dreams, F/J 2010) wird der Lebowitz, Josiah/Klug, Chris (2011): Interactive storytel- Spieler emotional angesprochen und in das Spiel ling for video games. A player-centred approach to involviert. Die verheerenden und erschreckenden creating memorable characters and stories. New York, Entscheidungen, die der Spieler treffen muss, wer- NY: Tayler & Francis. den so zu persönlichen Entscheidungen. Dadurch Mateas, Michael & Stern, Andrew (2005): Structuring gelingt es, den Spieler auf eine emotionalen Ebene Content in the Façade Interactive Drama Architec- in das Spielgeschehen zu involvieren, wodurch die ture. Online: http://www.interactivestory.net/ Rezeption der Erzählung von The Walking Dead zu papers/MateasSternAIIDE05.pdf [25.06.2014]. einer persönlichen Erfahrung wird. Murray, Janet (1997): Hamlet on the Holodeck: the future of narrative in cyberspace. New York: Free Press. Rigby, Scott & Ryan, M. Richard (2011): Glued to games. Santa Barbara, Calif.: Praeger. Rowe, Jonathan P./McQuiggan, Scott W./Lester, James C. (2007): Narrative Presence in Intelligent Learning Environments. Online: http://iris.ofai.at:7777/ iris_db/index.php/publications/show/829 [25.06.2014]. 5 Das Spiel enthält eine ‹Rückspulfunktion›, die es erlaubt, Entscheidungen zu ändern, indem man an eine bestimmte Stelle in einer Episode springt. Spiel der Entscheidung 133 IMMerSIVe gaMIng next-gen-Konsolen versPrechen neue sPielKonZePte Thomas Heuer Im November 2013 wurde die Welt Zeuge von mit seinem realistischen Stil grade die unrealisti- etwas in dieser Form Einzigartigem: Innerhalb schen Vertreter des Rennspielsektors (z. B. Need for eines kurzen Zeitraumes (in Deutschland betrug Speed: Rivals [Ghost Games, USA 2013]) auf die dieser eine Woche) veröffentlichten zwei der größ- hinteren Plätze verweist. Grade weil Sony gezwun- ten Konsolenhersteller – Sony und Microsoft – ihre gen war, Driveclub (Evolution Studios, UK 2014) neuesten, technisch weiter entwickelten Video- zum PS4-Launch zu verschieben, besitzt Microsoft spiel-/Medienzentren für die Wohnzimmer unse- in diesem Genre ein Alleinstellungsmerkmal für rer Zeit: PlayStation 4 (PS4) und Xbox One (X1). Spieler (vgl. Jurran 2013 k.S.) Dafür punktet Sony Neben verstärkter Leistung, bieten die Geräte ein mit Killzone: Shadow Fall (Guerrilla Games, NL Vielzahl neuer technischer Optionen, die ein gro- 2013) und setzt zudem auf Knack (ナック Nakku, ßes Potential im Bereich des immersiven Video- SCE JapanStudio, J 2013), einem familienfreund- spielens versprechen: «Spiele werden eine größere lichen Jump’n’Run, welches über einen lokalen Immersion bieten, glaubhafte Charaktere und kooperativen Mehrspielermodus verfügt. Filmsequenzen» (Games Aktuell Guide PS4 2013: In den Diskussionen um die neuen Konsolen 114), ist nur eine hervorgehobene Aussage in von Sony und Microsoft wird jedoch immer wie- einem Sonderheft zur PS4. In einer weiteren heißt der über die Leistung und neue Möglichkeiten es: «Killzone: Shadow Fall wird eine Immersion wie des Spielens argumentiert, statt über die Spiele nie zuvor bieten» (ebd.; Herv.i.O.). Bei der X1 von selbst, die einer Spielkonsole erst ihre Daseinsbe- Microsoft geraten diesbezüglich die haptischen rechtigung schaffen. Unabhängig davon konnte Unterstützungen beim Spielen in den Fokus: «Die Sony den Verkauf von mehr als 5,3 Millionen PS4- vibrierenden Schultertasten sorgen in Spielen wie Konsolen vermelden, Microsoft dagegen verkaufte Forza (= Forza Motorsport 5; Anm.d.V.) für mehr nur ca. 3 Millionen Exemplare der X1 (Stand: Ende Immersion, indem sie raue Fahrbeläge simulieren» Febraur 2014; vgl. Falkenstern 2014: k.S.). (Fehrenbach 2013: k.S.; Herv.i.O.).1 Gemessen an den bisherigen Verkaufszahlen Die X1-Exklusivtitel Forza Motorsport 5 (Turn von Videospielkonsolen, kann der Start beider 10, USA 2013) und Ryse  – Son of Rome (Crytek, Konsolen als erfolgreich gewertet werden. Von der USA 2013) sind zum Start die beiden stärksten ersten Konsole der 8. Generation, Nintendos WiiU, Kaufargumente für die neue Microsoft Konsole. verkauften sich bis zum November 2013 ca. 4 Mil- Dabei ist Forza 5 ein wirklich gutes Rennspiel, das lionen Exemplare weltweit. Auf den Markt kam die Konsole bereits im November 2012, also ein Jahr 1 Dazu auch Hönig: «Tatsächlich sind die Impulse Trigger vor PS4 und X1. Beachtenswert erscheint in die- ein klasse Feature beim neuen Standard-Controller der Xbox sem Zusammenhang, dass im Zeitraum von April One! […] Ein langgezogener Drift, der mithilfe einer feinfüh- bis Juni 2013 lediglich 160000 WiiU-Konsolen ligen Bedienung des Gaspedals durchgeführt wird, lässt sich durch das spürbare Feedback der Schultertasten ebenfalls weltweit abgesetzt wurden (vgl. Stange & Eder viel eleganter bewerkstelligen» (2013: 13). 2013: 96; Freundorfer 2014: 36–40). Mit diesen 134 Thomas Heuer Verkaufszahlen blieb Nintendo weit hinter den sungen2 von 1080p, 900p und 720p3 kaum wahr- Erwartungen zurück. Vornehmlich, da die Vorgän- nehmbar und dies auch lediglich für geschulte gerkonsole der WiiU, die Wii, bis heute mit mehr als Augen (vgl. Berg 2014: 48; Stange 2014: 95). 100 Millionen verkauften Exemplaren an dritter Hinzu kommt, dass es leistungsorientierten Spie- Stelle der meistverkauften Konsolen der Welt ist lern bewusst sein sollte, das sowohl die X1 als (Platz 2: PlayStation mit 102,5 Millionen und Platz auch die PS4 die Grafikleistung und Gesamtper- 1: PlayStation 2 mit 155 Millionen) (vgl. Games formanz eines Mittelklasse-Gaming-PCs besitzen. History 2014: 22, 27 und 34). Bei der WiiU mag Im Vergleich dazu kosten jedoch beide Konsolen der ausgebliebene Erfolg darin liegen, dass die in der Anschaffung weniger (vgl. Vent 2013: 16). Crowd-Pleaser-Games (Super Mario World, Legend Woran liegt es nun, dass die X1 zum Start mit of Zelda, Donkey Kong, Kirby und auch Mario einer geringeren Ausgabeauflösung arbeitet als Kart) zum Start der Konsole nicht vertreten waren. die PS4? Eine Antwort liefert Hartmut Gieselmann Zudem wirft das Konzept des asymmetrischen von der c’t: Spielens Fragen bei potentiellen Kunden auf. Auf dem Papier rechnet die Xbox One nicht so schnell Mehrere Publisher sind von Exklusiv-WiiU-Spie- wie die PS4. Ihr Grafikchip arbeitet nur mit 768 Shader- len auf Multiplattform-Veröffentlichung gewech- Kernen, die PS4 mit 1152 Kernen. Hinzu kommen Unter- selt, so zum Beispiel Ubisoft mit Rayman Legends schiede beim Speicher: Auf der PS4 können CPU und (USA 2013), andere Projekte dagegen scheiterten GPU gemeinsam auf das 8GByte große GDDR-5-RAM bereits an der niedrigen Verbreitung der Konsole zugreifen und dessen Transferrate von 176 Gbytes/s und der somit wenig rentablen Spielentwicklung nutzen. Der Hauptspeicher der Xbox One transferiert für die Konsole (z. B. Doom) (vgl. N-Zone 2013: lediglich 68,3 GByte/s. Zur Hilfe kommt ihm unter an- 11). Sony überholte mit den Verkaufszahlen der derem ein 32 MByte großer eSRAM mit 102 GByte/s. PS4 die WiiU in den ersten drei Monaten und auch Dessen Handling ist jedoch nicht ganz trivial, weshalb Microsoft hat gute Aussichten dies noch im ersten einige Entwickler die gerenderte Auflösung ihrer Spiele Halbjahr 2014 zu schaffen, wobei die rund 3 Mil- auf der Xbox One gegenüber der PS4 reduzieren. lionen verkauften Exemplare der X1 angesichts (2013a: 16) der zunächst erdrückenden Kritik an Microsofts neuem Konsolenkonzept überraschen. Auch der Allerdings ist der Grafikchip der X1 höher getaktet Faktor der Leistung spricht nicht gegen die X1. als das Äquivalent der PS4. In der X1 ist die GPU Zwar besitzt das System auf dem Papier mit 8 GB mit 853 MHZ getaktet und somit schneller als die DDR-3-RAM einen weniger leistungsfähigen Spei- PS4-GPU mit 800 MHZ. Unabhängig davon sehen cher als die PS 4 mit 8 GB GDDR-5-RAM, kann die drei Grafik-Prestige-Spiele Killzone: Shadow aber durch Spielberechnungen in der Cloud the- fall, Forza Motorsport 5 und Ryse – Son of Rome oretisch unbegrenzte Leistungen erbringen, wenn exzellent aus und stellen für Spielkonsolen neue die vorhandene Internetverbindung stark genug Grafikmaßstäbe auf (Abb. 1). ist (vgl. Zsolt 2013: k.S., Hatke 2013: k.S.; Ernst Sehr deutlich werden diese Leistungsunter- 2013: k.S.). Hinzu kommt in der X1 ein Embed- schiede jedoch erst im direkten Vergleich der ded Static Random Access Memory (eSRAM) mit Konsolen der siebenten und achten Generation. einer Größe von 32 MByte. Dabei handelt es sich Eine Möglichkeit dazu bietet Tomb Raider (Crystal um «einen sehr schnellen Zwischenspeicher mit Dynamics, USA 2013), da dieses Spiel im Januar einem Datendurchsatz von 109 bis 204 Gigabyte 2014 für die X1 und PS4 in einer grafisch über- pro Sekunde», welcher nicht direkt mit der CPU arbeiteten Version erschien, der sogenannten verbunden ist, jedoch über «direkte Leitungen Tomb Raider Definitve Edition (Crystal Dynamics, vom eSRAM zur Grafikeinheit und zurück» verse- USA 2014). Ein Screenshot aus der PS3-Version hen wurde, «was einige nette Programmierkniffe ermöglicht» (X3 2013: 7). Crytek, die Entwickler von Ryse – Son of Rome, nutzten das eSRAM um 2 Einige Spiele der X1 werden mit 900p in einer etwas von dort die am häufigsten benötigten Grafikele- geringeren Auflösung ausgegeben als Full HD (1080p), beispielsweise Ryse  – Son of Rome und Thief (Gieselmann mente aufzurufen, was eine spürbare Beschleuni- 2013a und Berg 2014: 48). gung der Berechnungen zur Folge hatte (vgl. IGN 3 Eine ausführliche Diskussion zum Thema Auflösung, 2013: k.S.). Zudem ist bei einer diskreten Betrach- Bildwiederholrate und angewendete Rechentricks von PS4 tung ein Bildunterschied zwischen den Auflö- und X1 findet sich bei Stange 2014. Immersive Gaming 135 noch erheblich deutlicher, wenn man die Bilder nebeneinander stellt. Besonders die neu geren- derten Lichteffekte, Kleidungs-, Schmutz- und Blut- texturen sowie die realistischer wirkenden Haare und Gesichtszüge der Figuren fallen auf. Allerdings wirken auch die Objekte der Umgebung ‹echter› als in der Version von 2013. Der Unterschied ist beim Spielen deutlich wahrnehmbar und steigert die Sogwirkung der Bilder. Zu Tomb Raider folgt im Verlauf des Artikels weiteres, da dieses Spiel es schafft, trotz unglaubwürdiger Narration immer wieder immersives Spielen zu erzeugen. Zudem wurde Kinect auf der X1 sinnvoll in das Steue- rungskonzept eingebunden. Im Folgenden sollen nun PS4, X1 und WiiU miteinander verglichen werden  – allerdings nicht auf der Ebene der Leistung, sondern auf Grund- lage neuer Spielmöglichkeiten, die eine immersi- vere Spielgestaltung versprechen. Hierzu werden die einzelnen Konsolen vorgestellt, ihre konkreten Neuerungen erläutert und anhand beispielhafter Spiele analysiert. Abschließend wird ein Ausblick auf Sonys Virtual-Reality-Set für die PS4 (Project Morpheus), zukünftige Einbindungsmöglichkeiten von Kinect und des asymmetrischen Spielens auf Nintendos WiiU und anderen Konsolen gewagt, in dem unter anderem auch die Konzepte von Mario Kart 8 (Nintendo, J 2014), The Evil Within (サイ コブレイク Saikobureiku, Tango Gameworks, J à 1 Next-Gen-Spiele setzen neue Grafikmaßstäbe. 2014) und Alien: Isolation (The Creative Assembly, (Quelle: Killzone: shaDoW fall, oben; forza moTorsPorT 5, UK 2014) diskutiert werden. mitte; ryse – son of rome, unten. Vor allem Letztere versprechen, das Mark des Schaurigen, Gruseligen und Schrecklichen im neben der Version für die X1 verdeutlicht, wie viel Survival-Horror-Genre wieder zurückzubringen, mehr Grafikleistung die neue Konsolengeneration wie es um das Jahr 2000 herum bei Spielen der gegenüber der vorherigen besitzt (Abb. 2). Genre-Serien Resident Evil (Baiohazādo, Capcom, Tomb Raider sah bereits in der 2013-Version auf J 1996), Silent Hill (Sairento Hiru, Konami, J den Konsolen gut aus, somit wird der Unterschied 1990) und Project Zero (零〜zero〜, Tecmo, Ä 2 Die 2013er Version (PS3) und der 2014er Definitive Edition (X1) von TomB raiDer im Grafik-Vergleich. (Quelle: TomB raiDer 2013, 2014) 136 Thomas Heuer J 2001) der Fall war (vgl. Bleich 2014: k.S.). Die beiden neuen Spiele versprechen sowohl für die X1 als auch für die PS4 exklusive Nutzungen von technischen Elementen der Konsolen (Kinect und Lightbar des PS4-Controllers), um die Immersion beim Spielen zu steigern. Zudem haben Spiele des Horrorgenres einen besonderen Status unter den Videospielen, denn diese haben «was das Wecken von Emotionen beim Spieler angeht, eine Ausnahmestellung inne» (Schmid & Ernst 2011: k.S.). Horrorvideospielen gelingt es, dem Spieler Angst zu machen, was dazu führt, dass «der Kör- per in den Overdrive-Modus» schaltet, «der dazu dient, die für einen Kampf oder Flucht notwendige Energie bereitzustellen. Die Aufmerksamkeit wird erhöht, gleichzeitig fokussiert die Wahrnehmung auf die Quelle der Angst. Die Pupillen weiten sich, das Gehör wird empfindlicher. Herzklopfen, flache à 3 luigi’s mansion auf TV und Wiiu-Gamepad. Atmung, Schwitzen und Zittern gehören ebenfalls (© Heuer 2014) zur typischen Angstreaktion» (ebd.). Aufgrund die- ser emotionalen Teilnahme des Spielenden ermög- lebnisse. Das funktioniert entweder im Coop-Modus lichen Spiele dieses Genres das Potential, einen oder auch gegeneinander» (Fehrenbach 2012: k.S.). Spielenden vollständig in den Bann zu ziehen. Möglich wird dies dadurch, dass das WiiU- Gamepad einen eingebauten Touchscreen besitzt PS4, W u und X1: Grundlagen einer und auf diese Weise verschiedene Perspektiven für ii vergleichbaren Analyse unterschiedliche Spieler auf ein Spiel geliefert wer-den können (Abb. 3). Die Grundlage der neuen Konsolen von Microsoft Bereits zum Start der Konsole überzeugt dieses und Sony ist zunächst einmal die gesteigerte Leis- Konzept sowohl in der Mini-Spielesammlung Nin- tung. Spiele wie Ryse  – Son of Rome und Forza tendo Land (Nintendo, J 2012) als auch im Zom- Motorsport 5 oder Killzone: Shadow fall und bie-Survival-Shooter ZombiU (Ubisoft, CDN 2012). Infamous: Second Son (Sucker Punch, USA 2014) In diesen Spielen stellt der Spieler mit dem Game- (beide PS4 exklusiv) verdeutlichen die gesteigerte pad zumeist den Antagonisten dar, der gegen Grafikleistung der neuen Konsolen ebenso, wie die anderen Spieler agiert. So spielt man in dem die Multiplattform-Spiele Tomb Raider Definitve Minispiel Luigi’s Mansion einen Geist, der versucht, Edition, Thief (Eidos Montreal, CDN 2014), Battle- in einem verwinkelten Level vor Geisterjägern zu field 4 (DICE, S 2013) oder Call of Duty: Ghosts ( fliehen und diese auszuschalten. Auf diese Weise Infinity Ward, USA 2013). entsteht eine neue Form von Spielerfahrung, die Nintendo hingegen setzt mit der bereits Ende einen Spielenden tiefer in die Spielewelt eintau- 2012 erschienenen WiiU auf ein neues Spielkon- chen lässt, da ein konkreter Wettkampf mit realen zept und rüstet dabei auf eine Leistungsfähigkeit Antagonisten entsteht. von Playstation 3 (PS3) und Xbox 360 (X360) auf. Diese Art des Spielens war zuvor lediglich PC- Durch das WiiU-Gamepad wird asymmetrisches Spielen vorbehalten. Was Nintendo genau daraus Gameplay ermöglicht. Eine Spieloption, die für PC- macht ist noch unklar, die ersten Ansätze beim Spiele über Netzwerk oder Internet schon lange Erscheinen der Konsole hinterließen allerdings besteht und nun mit Hilfe des neuen WiiU-Game- einen sehr guten Eindruck und Wettkampforien- pads über einen integrierten Monitor ermöglicht tierten oder kooperativen Spielspaß. Besonders wird: Unterschiedliche Spieler haben verschiedene packend sind dabei die Spiele, in denen man mit Perspektiven auf dasselbe Spiel. Konkret bedeutet mehreren Spielern gegen einen anderen Spieler dies bei der WiiU: «Die Teilnehmer eines Spiels vorgeht – dies setzt nämlich taktische Absprachen bekommen unterschiedliche Aufgaben zugewiesen. voraus und schafft somit eine weitere Ebene der Daraus resultieren dann unterschiedliche Spieler- Spielerbeteiligung (vgl. Calleja 2011: 35–53). Das Immersive Gaming 137 Konzept des asymmetrischen Spielens wird weiter dadurch, dass auf der Games Developer Conference unten diskutiert werden, ebenso weitere Spiele für (GDC) 2014 von Sony eine VR-Brille für die PS4 die WiiU. Fakt ist jedenfalls, dass Nintendo erneut vorgestellt wurde, welche voraussichtlich 2015 einen Schritt in Richtung spielerischer Entwicklung erscheinen wird. Diese VR-Brille  – namens Project geliefert hat, wo Sony und Microsoft primär die Morpheus  – liefert das fehlende Puzzle-Teil zwi- Leistung verbessert haben. Dennoch unterstützen schen der Lightbar am PS4-Controller, der Kamera beide Konsolen Second-Screen-Funktionen, die auf und den Anschlüssen am Controller: «Mit einem der WiiU ebenfalls geboten werden, wenn man Helm auf dem Kopf sehen wir schließlich unsere allein spielt. eigenen Hände nicht. Sony setzt hierbei auf den Für eine adäquate Analyse der drei Next- Dualshock-4-Controller, dessen Position dank der Gen-Konsolen ist es notwendig, Kategorien zu LED-Leiste auf seiner Rückseite von der Kamera erarbeiten, die eine bessere Vergleichbarkeit erkannt und ins Spiel übertragen wird» (Stange der technischen Voraussetzung in Bezug auf die 2014b: 89). Ferner soll die Steuerung auch über damit verbundenen Spielkonzepte ermöglichen. die Move-Controller der PS3 möglich sein (ebd.). Microsofts X1 setzt ebenso wie die Vorgänger Kon- Sony hat dieses Konzept wohl schon länger geplant sole XBOX 360 auf das Bewegungs- und Sprach- und bei der GDC ein positives Echo erzeugt (Gie- steuerungssystem Kinect. Was bei X360 noch selmann & Austinat 2014: 74f.). Die Zeitschrift optional war, wurde von Microsoft für die X1 als GamePro titelte gar «Holodeck für PS4!» auf dem grundlegender Bestandteil des Systems implemen- Cover ihrer Ausgabe 05/2014. Dies ist wohl etwas tiert. Somit ist das Motto «Du bist der Controller. zu weit gegriffen, jedoch scheint VR ab 2015 mas- Keine Gadgets, kein Firlefanz, nur du!» (Microsoft sentauglich zu werden und für die PS4 in Serien- 2014: k.S.) auch auf die neue Generation der Xbox produktion zu gehen. Dies ist tatsächlich ein klares anwendbar. Nachdem Nintendo mit der Wii Bewe- Argument für die PS4, das zum Veröffentlichungs- gungssteuerung als Spielelement vorstellte und zeitpunkt der Konsole jedoch noch nicht bekannt damit neue Märkte erschlossen hat, folgte zunächst war. Microsoft stellte auf der GDC hingegen eine Microsofts Kinect für X360 und zuletzt legte Sony neue Version von DirectX vor, die auch in Anbe- mit dem Playstation Move genannten Klon der Wii- tracht der CPU/GPU-Architektur der X1 eine deut- Controller nach (vgl. Schmidt 2010: 50f.). liche Leistungssteigerung verspricht (Gieselmann Nintendo hielt sich aus dem großen Schlagab- & Austinat 2014: 76f.). Wann diese genau veröf- tausch von Microsoft und Sony in der aktuellen, fentlicht wird, steht jedoch noch nicht fest. Für Nin- so genannten Next-Generation-Konsolen-Markt- tendo hingegen brach Spiele Entwicklerlegende schlacht heraus und veröffentlichte bereits 2012 Peter Molyneux ein Lanze als er äußerte: «Die Wii U den Nachfolger der Wii, die WiiU. Diese brachte das ist nicht super sexy, aber ihre Entwickler sind super Konzept eines Second-Screens für stationäre Video- klug. […] Sie [Nintendo] sind wahrscheinlich nur spielkonsolen mit. Auf diesem Weg hatte Nintendo eine Hardware-Veröffentlichung entfernt von der neuerlich ein Alleinstellungsmerkmal bei einer ihrer Technik, die uns zeigen wird, wo die Zukunft der Konsolen. Weiterhin wird eine Infrarot-Leiste ver- Spieleindustrie liegt» (GamePro 2014: 10). wendet, mit der die normalen Wii/WiiU-Controller Nur kurze Zeit nach der Veröffentlichung schär- zur Bewegungssteuerung gescannt und verarbei- fen die neuen Spielkonsolen ihr Profil. Microsoft tet werden. Daraus leiten sich zwei grundsätzliche bietet das All-In-One-Mediacenter fürs Wohnzim- Standards ab, die eine Konsole heutzutage haben mer, Sony schlägt den Pfad der Virtual Reality4 sollte: Bewegungssteuerung und Second-Screen. ein und Nintendo verschafft sich mit dem asym- In diesem Zusammenhang liefert die WiiU alles, metrischen Gameplay einen eigenen Markt. Somit die X1 mit Kinect eine Bewegungssteuerung und haben die drei Konsolen wieder eine unterschied- die PS4 im normalen Lieferumfang nichts von liche Zielgruppe, wie es bei den Spielkonsolen der alledem. Auffällig ist dabei, dass Sony ein vorin- stalliertes Spiel beilegt, welches die PS4-Kamera 4 Sony stellte konkrete Informationen zum Project Mor- benötigt. Somit wird deutlich, dass man sich zwar pheus bereit, aus denen hervorgeht, dass die PS4 mit einer beim eigentlichen Verkaufspaket vom Konzept der VR-Brille inkl. integriertem Surroundsound-Kopfhörer kompa- tibel sein wird, die zur Zeit entwickelt wird. In den gezeigten Kamera distanziert hat, jedoch im Grunde ebenso Demos wurde beispielsweise eine Szene aus Thief präsentiert, wie auch Microsoft auf die Unterstützung einer bei der die VR-Erfahrung als unterstützendes Element der At- optischen Eingabe setzt. Verstärkt wird dieser Fakt mosphäre des Spiels gewertet wurde (vgl. Hönig 2014: 91) 138 Thomas Heuer Ü 4 Versuchsaufbau für den Konsolen- vergleich. (© Heuer 2014) siebenten Generation der Fall war. Auch wenn wären hier denkbar) und vermehrt treten bei den vieles davon noch Zukunftsmusik ist, die Konzepte Probanden Schwindelgefühle und Übelkeit  – die erscheinen allesamt spannend. Doch nur zur Erin- sogenannten simulator sickness – auf (vgl. Hönig nerung soll darauf hingewiesen werden, dass viele 2014: 92). Die Entwicklung der PS4 wird seit der Technikfreude Star-Trek-Fans sind und sich wohl GDC zunehmend spannender, da neben dem Pro- immer einen Computer gewünscht haben, den ject Morpheus ebenfalls ein Eye-Tracking-System man mit der Sprache steuern kann. Das funktio- für die PS4 vorgestellt wurde, welches in Zukunft niert mit Kinect 2.0 so gut, dass man oftmals ver- in klassischen Videospielen die Kameraausrich- gisst, dass es auch die Gestensteuerung gibt. Diese tung über einen Analogstick des Controllers erset- ist allerdings auch gewöhnungsbedürftig, wohin- zen soll. Dies soll beispielsweise in Shootern das gegen die Spracherkennung hervorragend gelun- Zielen direkt mit den Augen des Spielers ermög- gen ist. Abgesehen davon, dass man die Eingabe lichen (vgl. GamePro 2014: 9). Auch das spricht mit «Xbox» beginnt, statt mit «Computer», fühlt für revolutionäre Spielkonzepte, die Sony mit der man sich durchaus ein wenig wie bei Star Trek – neuen Konsole verfolgt. Fraglich bleibt zum jetzi- und auch das war lange Zeit nur Zukunftsmusik. gen Zeitpunkt allerdings, wie stark diese Funktio- Sony hat vor zwei Jahren ein Head-Mount-Dis- nen von Spielentwicklern genutzt werden. play auf der IFA vorgestellt, an welchem die PS3 Zum jetzigen Stand sind PS4 und X1 noch mit einem Rennspiel angeschlossen war, ebenso wenig verschieden, außer man nutzt alle techni- wie spektakuläre stereoskopische 3D-Aufnahmen. schen Möglichkeiten der jeweiligen Geräte – dann Bereits damals bekam man einen Eindruck davon, entsteht schon jetzt ein schärferes Bild davon, wel- welche neuen Erlebnisdimensionen ein Spiel lie- ches Potential in den Geräten steckt. Die WiiU ist fern kann, das über einen blickdicht abgeschirmten zum Bearbeitungszeitpunkt bereits etwas länger Bildschirm rezipiert wird. Konzipiert war das Gerät auf dem Markt und hatte die Chance, sich über so, als ob man auf eine Kinoleinwand blickt und weitere Spiele zusätzlich zu profilieren. Eine Tat- mit Surround-Sound dem Geschehen folgt. Was sache ist allerdings, dass sowohl Sony als auch damals noch etwas ungewöhnlich wirkte, könnte Microsoft sich immer wieder an den technischen bereits im nächsten Jahrbuch immersiver Medien Innovationen von Nintendo orientieren und somit diskutiert werden; schließlich liefert eine flächen- verwundert es nicht, das die X1 und PS4 Second- deckende Versorgung mit VR-Geräten wieder neue Screen-Features besitzen, die PS4 zudem mit der Formen des Spielens im virtuellen Raum. Mit der PS Vita zusammen als separater Controller mit Oculus Rift für den PC und dem Project Morpheus Display verwendet werden kann, wie es das Game- sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei Systeme pad der WiiU ermöglicht. Für die Untersuchung der in der Entwicklung, die zukünftig für einen Zugang neuen Spielmöglichkeiten im Bereich der Immer- zu VR in den Alltag bringen könnten. Zurzeit entwi- sion wurden die Konsolen mit allen zurzeit verfüg- ckelt Sony bereits Spiele für Project Morpheus, die baren technischen Möglichkeiten ausgenutzt, um VR-Geräte haben jedoch noch einige Probleme zu eine Vergleichbarkeit herzustellen. Der Versuchs- bewältigen, so eigenen diese sich primär für Spie- aufbau ist für die bessere Nachvollziehbarkeit im len im Sitzen (Cockpitsimulationen, Shooter, etc. Folgenden aufgezeigt (Abb. 4). Immersive Gaming 139 Dabei sind die PS4 und X1 über ihren optischen Plattformen verglichen, zum anderen Third-Person- Ausgang an eine Surround-Anlage angeschlossen, Perspective-Games. während die Videosignale aller drei Konsolen über einen HDMI-Hub ausgegeben werden. Der HDMI- First-Person-Spiele im Next-Generation Signal-Splitter wird notwendig, da die PS4 das Aus- Gaming: Killzone: shaDoW fall und Thief so- gangssignal mit HDCP verschlüsselt und ein Cap- wie Horrorvisionen mit zomBiu und ouTlasT turen der Inhalte für eine Auswertung sonst nicht möglich wäre. Da WiiU und X1 keinen Signalverlust Da die meisten Shooter sich heutzutage ähnlich erlitten, wurden sie ebenfalls durch den Splitter spielen lassen und sich dadurch steuerungsseitig geschickt. Der Splitter entschlüsselt das HDCP- relativ gleich anfühlen, sind diese Spiele zumindest Signal  – eine Funktion, die Sony ab der System- auf dem PC sehr gleichförmig. Auf Konsolen lie- software-Version 1.70 auf der PS4 für die Aufzeich- gen die Dinge anders, speziell dann, wenn neue nung von Spielen von der PS4 kalibrierbar machen Controller und Steuerungskonzepte implementiert möchte (vgl. GamePro 2014: 9). Das Videosignal wurden. In diesem Fall ist die PS4 noch relativ geht von dort in eine Capture-Device und von dort klassisch aufgestellt, während die WiiU mit dem per USB an den PC und verlustfrei per HDMI in das Gamepad einen neuen Weg gegangen ist. Doch TV-Gerät. Auf diese Weise konnten die Spiele über ist das wirklich der Fall? Das Gamepad der WiiU den selben HDMI-Port am TV-Gerät verwendet wer- besitzt Schultertasten, ein Steuerkreuz, zwei Ana- den, was zur Folge hat, dass sämtliche Filter zu Bild- logsticks, vier Aktionstasten und Äquivalente zu verbesserung auf dieselbe Art bei allen Konsolen den Klassikertasten «Start» und «Select». Abge- verwendet werden, unabhängig vom Gerät. Auf die- sehen vom rechteckigen Layout und dem in der sem Weg ist gewährleistet, dass alle Konsolen das Mitte befindlichen Touchscreen gibt es im Grunde identisch kalibrierte Ausgabegerät ansteuern und keinen Unterschied zum Controller der PS4, welche somit keine Unterschiede der Bildqualität durch anstelle eines Touchscreens mit einem Touchpad veränderte Einstellungen des TV-Gerätes hervorge- arbeitet, das ebenso als zusätzliche Taste verwen- rufen werden können (vgl. Stange 2014a: 96). det werden kann. Bei der X1 wird am eigentlich Controller nichts hinzugefügt, lediglich die Tasten- Next-Generation-Gaming position optimiert und das Steuerkreuz massiv ver- bessert, ebenso wie die Ergonomie des Controllers. First-Person-Perspective ist auf jeder Next-Gen-Kon- Dadurch ist auf der X1 eine Konstanz im Game- sole in mindestens einem Launch-Titel vertreten. play gewährleistet. Kinect-Features gibt es in den Während PS4 und Wii U auf Shooter setzen, liefert Shootern lediglich optional, beim Rennspiel Forza Forza 5 auf der X1 diese Perspektive aus der Cock- Motorsport 5 wird überprüft, ob man eine gerade pit-Ansicht eines Autos auf der Rennstrecke. Doch Sitzposition beibehält, was jedoch ebenfalls optio- in Spielen ist es nicht immer der digitale Point-of- nal ist. View, der die Spielenden in ein Spiel eintauchen Betrachtet man zwei Launch-Shooter, gibt es lässt. Andernfalls könnte man den großen Erfolg die Möglichkeit anhand von Killzone: Shadow von Jump‹n›Run-Spielen wie Sonic the Hedgehog Fall (PS4) und ZombiU die Unterschiede zwischen (Sonikku za hejjihoggu, Sega , J 1991) oder Super innovativem Inszenieren und zwanghaft erschei- Mario World (Sūpā Mario Wārudo, Nintendo, J nender Einbindung von Hardwareneuerungen 1990) nicht erklären. aufzuzeigen. In Killzone wird über das Touchpad Gleiches gilt für alle Third-Person-Spiele, also des Controllers eine Kampfdrone gesteuert, die all die Spiele, die über eine betrachtende oder mehrere taktische Optionen zulässt (Verteidigen, verfolgende Perspektive inszeniert werden. Ins- Angreifen, EMP, Seilmodus)  – vier Möglichkeiten, gesamt erscheint es sinnvoll, hier die Spiele aller vier Bewegungsrichtungen über das Touchpad, um Next-Generation-Konsolen direkt miteinander zu die Fertigkeit zu wählen. Das war er dann auch vergleichen, da auf diesem Weg die Stärken und schon, der Steuerungsunterschied zwischen Kill- Schwächen eines Systems in bestimmten Spielfor- zone und anderen Shootern. Ein nettes Gimmick, men betrachtet werden können. Eine Unterschei- jedoch nichts Revolutionäres, Neues oder gar Inno- dung findet hierbei durch die gewählte Inszenie- vatives. Das Touchpad wird eingebunden, weil es rungsform statt. Zum einen werden Spiele aus da ist – zumindest wirkt es so. Da das Touchpad der First-Person-Perspective auf unterschiedlichen nicht einmal für die Navigation im Systemmenü 140 Thomas Heuer der PS4 verwendet werden kann, erscheint diese ZombiU bringt dieses Konzept auf eine weitere Taste etwas überflüssig. Allerdings funktioniert Ebene, indem eine Illusion davon geschaffen wird, dieses Spiel (ebenso wie andere PS4-Titel) über die Objekte aus der Spielwelt in seinem «Rucksack» zu Remote-Play-Funktion auch auf der PS Vita, wenn suchen und auszuwählen, während die Zeit auf diese im selben Netzwerk ist, wie die eingeschal- der Ebene des Spiels weiter voranschreitet. In die- tete PS4, in der das Spiel gestartet wurde. Auf sem Zusammenhang entsteht eine Spannung, die diesem Weg kann man – wie auch bei vielen WiiU- aus dem Gefühl eines latenten Kontrollverlustes Spielen mit dem WiiU-Gamepad – die Spiele ohne herrührt (vgl. Calleja 2011: 111–133; Ryan 2001: den Fernseher spielen, z. B. wenn man auf dem Bal- 140–148). Man fühlt sich wirklich so, als ob man kon sitzt oder grade jemand anders den Fernseher etwas in seinem Rucksack sucht, während man nutzen will. ZombiU hingegen zeigt auf, wie inno- sich in einer bedrohlichen Umgebung befindet. vatives Spielen in Shootern/Survival-Games ausse- Plötzlich springt von irgendwo ein Zombie auf hen könnte. Die First-Person-Ansicht befindet sich einen zu und man ist angreifbar. Diese Verwund- auf dem Fernseher, während sich Karte, Inventar barkeit ist die große Stärke von manchen Spielen und Ähnliches auf dem Display des Gamepads wie- auf den Next-Generation-Konsolen. ZombiU schafft derfinden. Da es nicht möglich ist das Spiel zu pau- es dabei jedoch durch den Second-Screen-Control- sieren, während man in dem Survival-Shooter in ler eine andere Ebene der Inszenierung zu nutzen, seinem Inventar kramt, und es unmöglich ist, beide als es beispielsweise das Survival-Horror-Spiel Out- Bildschirme zur selben Zeit zu betrachten, wird last (Red Barrels, USA 2014) tut. Outlast ist für man plötzlich angreifbar. «Der Zwang zum zweiten die PS4 kurz nach der Veröffentlichung der Kon- Bildschirm schürt hier geschickt die bedrohliche sole erschienen und war zuvor bereits auf dem PC Atmosphäre», so beschreibt Achim Fehrenbach von erhältlich. In Outlast schlüpft der Spieler in die Die Zeit das Spielgefühl von ZombiU (2012: k.S.). Rolle eines Journalisten, der in eine verlassene und Meine Erfahrungen decken sich mit diesem Ein- heruntergekommene Psychiatrie eindringt, um her- druck. Guillaume Brunier vom ZombiU-Entwickler auszufinden, was dort geschehen ist. Schnell wird Ubisoft erläutert das Konzept mit einer einfachen man mit klassischen Schreckensmotiven in der Aussage: Wenn der Spieler keine Möglichkeit hat, Inszenierung konfrontiert. Dunkelheit, Blut, lange das Spiel zu unterbrechen und sich auf einen der Gänge mit flackerndem Licht und Ähnliches sor- beiden Bildschirme konzentrieren muss, «kann gen bei vielen Spielern für Anspannung, die immer man ihn besser erschrecken» (Stöcker 2012: k.S.). wieder gekonnt durch ein Schock-Element auf die Im Konzept von ZombiU muss man sich zunächst Spitze getrieben wird (Abb. 5). In Outlast ist der einmal zurechtfinden. Die Grafik mag nicht so über- entscheidende Faktor für ein ständiges Unwohl- ragend gut sein, wie die von Spielen wie Killzone: sein die Tatsache, dass man nicht kämpfen kann. Shadow Fall oder Ryse – Son of Rome, dennoch ist Der Journalist hat einzig eine Kamera bei sich, das Spiel durch sein Konzept immersiver. Hierbei die mit dem Nachtsichtmodus dafür sorgt, dass ist die narrative Inszenierung entscheidend. Der auch in absoluter Dunkelheit etwas zu sehen ist. durch das Spiel entstehende Aspekt der Verletzlich- Andernfalls ist man den dort lauernden Bedro- keit wird durch das Konzept der Steuerung über hungen schutzlos ausgeliefert. Der einzige Weg zwei Bildschirme erzeugt. Dieses Element findet zu überleben ist, sich immer wieder zu verstecken, sich bei Gordon Calleja im Bereich des «Narrative zu fliehen und vor allem mit größter Vorsicht zu Involvement», also der erzählerischen Einbindung Werke zu gehen, während man die Geschehnisse des Spielers in ein Spiel: in der psychiatrischen Klinik untersucht. Outlast Narrative involvement refers to engagement with story erschafft eine dichte Atmosphäre, welche die elements that have been written into a game as well unangenehme Stimmung des Szenarios auf den as those that emerge from players’ interaction with Spieler überträgt. Dies belegen diverse Videos von the game. It addresses two interrelated dimensions of Spielerreaktionen bei youtube, beispielsweise das narrative in games: the narrative that is scripted into der Computec-Redaktionsmitglieder (PC Games the game and the narrative that is generated from the 2013). In diesem Zusammenhang findet man die ongoing interaction with the game world, its embed- Aussage von Frank Rose bestätigt: ded objects and inhabitants, and the events that occur [Games] put us at the center of the action: whatever’s there. (2011: 43f.) going on is not just happening to a character on the Immersive Gaming 141 auf Wertsachen untersucht und um diese erleich- tert werden. Gelegentlich trifft man auf Fallen und häufig auf Wärter, welche die Wertsachen anderer sichern (Abb.  6). Somit ist das Spielkonzept von Thief recht einfach. Insgesamt hat man sich für eine Handlung ent- schieden, die mit Elementen der Fantastik und des Horrors arbeitet, wodurch das insgesamt dunkel gehaltene Spiel atmosphärisch unterstützt wird. Da die künstliche Intelligenz (KI) der Wächter nach dem ersten Patch durchaus aufmerksam ist, und man als Dieb in den Straßen gesucht wird, ist ein vorsichtiges, raffiniertes oder radikales Vorgehen von Nöten, um die eigenen Ziele zu erreichen. Das Spiel kann grob in drei Weisen gespielt werden: Jäger, Geist und Opportunist. Jede dieser Rollen spiegelt wieder, in welcher Weise man mit den Geg- nern und Objekten wie Lichtquellen, Fallen etc. im Verlauf einer Mission umgeht. Ein Jäger tötet seine Gegner oder schaltet sie durch einen Schlag auf den Kopf aus. Der Opportunist nutzt seine Umge- bung, um unentdeckt zu bleiben und seine Gegner abzulenken. Mit Abstand am schwersten zu spie- len ist der Geist. Dieser war gefühlt nie da und hat dennoch Beute gemacht. Dies setzt Geduld, Taktik und antizipierendes Denken voraus, um in einem Level zu bestehen. Denn theoretisch ist es möglich, Thief durchzuspielen, ohne einer Wache physi- sches Leid zugefügt zu haben. Spieler, die einen à 5 Spielsituation aus ouTlasT. (Quelle: ouTlasT) anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad mögen, benö- tigen für diese Herausforderung ein hohes Maß page or an actor on the screen; it’s happening to us. an Konzentration. Das Spiel wurde von mir auf der Combine the emotional impact of stories with first- PS4 gespielt, da es ein Lightbar-Feature besitzt und person involvement of games and you can create an zudem das Touchpad sinnvoll verwendet. Auf diese extremely powerful experience. (2001: 15) Weise konnte ein Spiel verdeutlichen, was der Con- Einen Abschluss in dieser Kategorie von Spie- troller der PS4 mit seinen neuen Funktionen bieten len soll das Schleichspiel Thief machen, in dem kann. Die Selektion der Ausrüstungsgegenstände der Spieler in die Rolle des Meisterdiebs Garrett funktioniert durch das auswählen mit dem Finger schlüpft. Thief ist der vierte Teil der Dark-Project- auf dem Touchpad, durch ein herunterdrücken der Serie, die schon immer für Schleich-Spannung Taste bestätigt man dann die Wahl. Die Lightbar stand und dieses Genre maßgeblich mitgeprägt leuchtet hell auf, wenn man sich in erleuchteten hat, als der erste Teil 1998 für den PC erschien. Bereichen befindet, wodurch man ein unterstüt- Mit Hilfe verschiedener Werkzeuge geht es auch zendes Element besitzt, um sich besser über die Anno 2014 darum, im viktorianischen England Qualität eines Versteckes bewusst zu werden. Das mit Steam-Punk-Attitüde in Gebäude einzudringen Spiel verlässt an dieser Stelle den Bildschirm und und Beute zu machen. Dabei geht es zum einen findet im direkten peripheren Sichtbereich des um das Mehren von Reichtümern und zum ande- Spielers statt. Eine interessante Spielerfahrung. ren um das Gewinnen von Informationen für den Handlungsstrang des Spiels. Die stark an London erinnernde Stadt, in der Thief spielt, ist ziemlich frei begehbar, viele Häuser können geöffnet und 142 Thomas Heuer Ü 6 Thief (PS4): Schleichen durch einen Raum voller Wachen. (Quelle: Thief) Third-Person-Spiele im Next-Generation Inszenierung für mich wichtiger ist, als die Spiel- Gaming: ryse – son of rome und fifa 14 dauer oder sich wiederholende Vorgänge. Ein römi- scher Legionär, der sich im Kampf befindet, wird Es gibt eine Vielzahl von Third-Person-Perspective- mit seinem Schwert und Schild kämpfen, um sich Spielen auf den neuen Konsolen. Daher ist es seinen Gegnern entgegenzustellen und so viele unmöglich, alle diese Spiele aufzuführen, wodurch von ihnen mit zu nehmen, wie möglich. Dadurch beispielsweise das X1-Stragegiespiel Halo: Spar- empfand ich weder die explizite Gewalt, noch die tan Assault (343 Industries & Vanguard Games, wiederholtauftretenden Kampfstrukturen störend, USA 2013) ebenso wenig diskutiert werden kann, sondern ganz im Gegenteil: stimmungsvoll. Überle- wie das Multiplattform-Grafikspektakel Assassins benskampf ist stumpf! Und wenn es darum geht Creed IV – Black Flag (Ubisoft, CDN 2013) oder «er-oder-ich», dann verdeutlicht das Spiel diese Situ- The Legend of Zelda – The Windwaker HD (Zeruda ation eindrucksvoll. Auch durch die Einbindung von no densetsu: Kaze no takuto, Nintendo, J 2002; Re- Kinect und den darüber erteilten verbalen Befehlen relase für WiiU 2013) und viele weitere Titel.5 Die an untergeordnete Legionäre, machte die Spieler- Auswahl der vorgestellten Spiele liegt in dem Stel- fahrung besonders und immersiv. Hier ist die Steu- lenwert, den diese Spiele für die Konsolen besitzen. erung simplifiziert, so dass man sich auf den visu- Spiele, die für Multi-Pattformen erschienen sind, ellen Blutrausch ebenso sehr konzentrieren kann, nutzen zumeist nicht die Stärken der Konsolen der wie es in den filmreifen Videosequenzen der Fall ist. achten Generation, wodurch primär die Spiele aus- Zudem wird die Gewalt in der Handlung immer wie- gewählt wurden, die nicht bereits in einer anderen der thematisiert und im Endeffekt als der falsche Form veröffentlicht wurden. Weg angesehen, zu diesem Zeitpunkt ist es für den Ryse war zum Start der X1 das Aushängeschild Protagonisten jedoch zu spät um nicht noch mehr für Microsofts neue Konsole und wurde von den Blut zu vergießen. Insgesamt fühlt sich Ryse an, als meisten Rezensenten zerrissen (vgl. Gieselmann ob man den erfolgreichen Film Gladiator (Ridley 2013b: k.S.). Oft wurde das Spiel als «monoton», Scott, USA/UK 2000) spielen würde. Obwohl Ryse «eintönig» und «unglaublich gewalttätig» bezeich- eine etwas andere Geschichte erzählt. net (Doll 2013: k.S.; Gruber 2013: k.S.; Holmes Mit Fifa 14 (Electronic Arts, CDN 2013) ist ein 2013: k.S.). Meine Rezension zu dem Spiel hinge- Sportspiel vertreten, dass der X1 zum Start beilag gen fiel positiv aus (vgl. Nyhm 2014a). Dies liegt und für die neueste Konsolengeneration in Details daran, dass die Kombination aus hervorragender überarbeitet worden ist. So wurde beispielsweise Grafik, gutem Gameplay und stimmungsvoller die Kinect-Sprachsteuerung integriert, worüber man auf Zuruf Spieler auswechseln oder der Mannschaft taktische Änderungen mitteilen kann. Eigentlich 5 Sollte ein bestimmtes Interesse an einem der Spiele be- stehen, stehe ich gern für Rückfragen zur Verfügung (über eine Funktion, die wunderbar erscheint, um das den Second-Screen-Artikel). Gefühl von «Ich bin der Trainer» zu steigern. Störend Immersive Gaming 143 à 7 Anmelden auf der PS4 mit Kamera (links); Roboter aus dem Controller wimmeln im Wohnzimmer herum (rechts). (Quelle: The Playroom) ist nur, dass die Kinect den Kommentar zum Spiel Die PS4 liefert The Playroom (SCE Japan Studio immer wieder auffängt und dann nicht erkannte & Double Fine Productions, USA/J 2013) vorinstal- Befehle anzeigt. Das ist soweit nicht schlimm. Pro- liert mit. Um das Spiel benutzen zu können, benö- blematisch ist allerdings, dass die Programmierer tigt man allerdings die PS4-Kamera. vorgesehen haben, alle nicht erkannten Befehle als Besitzt man diese, erschließt sich einem ein gebrüllte Beleidigungen in Richtung des Schieds- nettes Augmented-Reality-Game, das durch eine richters zu werten. Dafür bekommt man dann im gute Erkennung von Objekten und Personen im Karrieremodus schnell mal eine Abmahnung als Raum überzeugen kann. Es ist ein netter Zeitver- Trainer oder wird direkt gefeuert. Das reduziert den treib, aber nicht so spannend und unterhaltsam Sinn dieser Funktion erheblich. Tatsächlich kann wie die AR-Funktionen des Nintendo 3DS (Heuer man den Karrieremodus bisher nur bei einer Mann- 2012). Während Nintendo diese Funktion für por- schaft für mehr als einige Spieltage verbringen, table Spielkonsolen implementierte, bietet Sony wenn man Kinect abschaltet – eine Option, die das diese Funktion bei stationären Konsolen an. Was Spiel selbst zur Verfügung stellt. beim 3DS besonders spaßig war, war die Möglich- keit die beliebtesten Figuren aus dem Nintendo- Besondere Spielkonzepte im Next- Game-Universum in der realen Umgebung mit der Generation Gaming: Augmented 3DS- Kamera zu ‹fotografieren›. Solche Funktionen Reality, Asymmetrisches Spielen, setzt Sony jedoch nicht ein. Hier gilt eher Masse Lightbar-Features, Kinect und statt Klasse, wenn in The Playroom eine Horde Second-Screen von Robotern eine Invasion auf dem Wohnzimmer- fußboden startet. Gut – aber nicht so gut wie die Spannend im Kontext besonderer Spielkonzepte Benutzererkennung von Kinect – funktioniert auch ist auf der X1 vor allem die Funktion des Second- das Anmelden im PS4-Profil mit der Kamera. Hier- Screens, dem sogenannten Xbox Smartglass, über für wird zum einen das Gesicht des Benutzers und das zurzeit primär zusätzliche Informationen ver- zum anderen die Lightbar des PS4-Controllers ver- fügbar sind, wenn die Spiele es überhaupt unter- wendet. Die Funktionen sind bisher allesamt Spie- stützen. Allerdings soll das Spiel Watch Dogs (Ubi- lereien, aber wenn man emotionales Feedback in soft, CDN 2014), das im Mai 2014 erschienen ist, Spielen einflechten könnte, wie es beispielsweise erste asymmetrische Spielelemente für die X1 bie- das für Herbst 2014 angekündigte Horrorspiel The ten. Yves Guillemot, Chef von Ubisoft, ußert sich fol- Evil Within auf der X1 vorsehen könnte, dann wäre gendermaßen: «Bei Watch Dogs für die Xbox One die Berechtigung einer Kamera in Zusammenhang kann ein zweiter Spieler im selben Raum auf einem mit immersivem Spielen durchaus nachvollziehbar anderen Gerät, zum Beispiel einem Smartphone (vgl. Nyhm 2014c: k.S.). Über die Kamera gibt es mitspielen. Die Geräte interagieren, beide Spieler zudem die Möglichkeit, der PS4 Sprachbefehle zu sind Teil desselben Spiels, sie können kooperieren» erteilen. Diese sind vom Umfang und der Qualität (Laschke 2013: k.S.) In dieser Hinsicht bleibt somit der Spracherkennung her jedoch nicht so gut wie spannend, was die Zukunft bringen wird. beim Äquivalent auf der X1. 144 Thomas Heuer Shinji Mikami (Regisseur von The Evil Within) nährt. Ansonsten ist das Spiel dominiert von gruse- zeigte sich bereits im August 2013 sehr beein- ligen Gängen und der ständigen Bedrohung durch druckt von den neuen Eingabemöglichkeiten der das Alien, welches sich nicht vorhersehen lässt: X1: «If the new [Kinect] sensor is accurate enough Überleben, hier und jetzt – das ist nun unser einziges to capture people’s facial expressions, than we Ziel. Mit dem Alien verfolgt uns obendrein ein Wider- could be able to utilize it» (Evans-Thirwell 2013: sacher, der sich so leicht nicht überlisten lässt. Grund k.S.). Die Option, über Kinect die Spielerreaktionen dafür ist den Entwicklern zufolge die ausgefuchste KI, einfangen zu können, reizt Mikami und er zieht welche das Alien völlig autonom durch die Raumstation es in Erwägung, diese in The Evil Within zu ver- lenkt. […]Die Kreatur folgt einzig dem Ziel, Beute – etwa wenden: «That is somethin I›d maybe like to use uns – zu finden und zu jagen. Es nutzt dazu alle Sinne. Es at some point» (ebd.). Allerdings ist noch unklar, lauscht, lauert und untersucht selbständig Auffälliges in ob dies wirklich realisiert werden wird. Die spiel- der Umgebung. Es besitzt keine festgelegten Laufrou- baren Tech-Demos von The Evil Within wurden auf ten und es gibt abseits des vorgeschriebenen Alien- dem PC durchgeführt. Werden allerdings Spielaus- Auftritts keine festen Skript-Momente, bei denen es uns schnitte vom Entwicklerstudio Tango Gameworks etwa überraschend anspringt. Und es lernt. präsentiert, sind diese bisher immer in der X1-Ver- (Stange 2014c: k.S.) sion erschienen – dies lässt hoffen, dass an diesen Möglichkeiten tatsächlich gearbeitet wird. Das Konzept von Alien: Isolation verspricht einige Einen anderen Weg für die Nutzung neuer schaurige Stunden des Spielens, die im eigentli- Spielkonzepte verwenden die Entwickler von Alien: chen Konzept plattformunabhängig bereits gut Isolation. Das Spiel ist zwischen den Handlungen zu funktionieren scheinen (vgl. ebd.). Die auto- der Filme Alien – Das unheimliche Wesen aus einer nome Bewegung des Antagonisten sorgt schon fremden Welt (Alien, Ridley Scott, USA 1979) und jetzt dafür, dass kein Spielablauf gleich sein wird, dessen Fortsetzung Aliens – Die Rückkehr (Aliens, wodurch die Atmosphäre des Spiels aufrechter- James Cameron, USA 1986) angesiedelt. Sowohl halten werden kann. Die zusätzlich eingefügten im Spieldesign als auch bei der Inszenierung ori- Kniffe aus dem Fundus der technischen Möglich- entierte man sich stark am Sci-Fi-Horrorklassiker keiten des PS4-Controllers versprechen jedoch für Alien, der dem in diesem Jahr verstorbenen H.R. die Next-Gen-Fassung des Spiels auf der PS4 ein Giger und seinem Alien zu weltweitem Ruhm besonders intensives Spielgefühl, vor allem dann, verhalf. Die außerirdischen Jäger machen in den wenn man in einem abgedunkelten Raum spielt. Filmen Jagd auf die ahnungslose Besatzung eines Für die WiiU ist asymmetrisches Spielen das Raumschiffs; im neuen Videospiel stellt sich die Argument auf der Basis innovativer Spieletech- Situation ähnlich dar. Amanda Ripley, die Toch- nologie. Spiele wie Nintendo Land oder ZombiU ter von Ellen Ripley (in den Filmen gespielt von machen in dieser Hinsicht vieles richtig und zeigen Sigourney Weaver), bricht auf eine Expedition zur dabei neue Möglichkeiten auf, um an Konsolen Raumstation Sevastopol auf, um herauszufinden, zu spielen. Einer der Hoffnungsträger für die WiiU was mit ihrer Mutter geschehen ist. Dort wird man setzt allerdings im Grunde nicht auf das Konzept als Spieler mit den Schrecken konfrontiert, die der neuen Konsole von Nintendo. Mario Kart 8 man aus den Filmen kennt: tote Besatzungsmit- verlagert periphere Anzeigen vom eigentlichen glieder, Zerstörung und bedrückende Stille. In der Bildschirm weg und fügt diese auf dem Gamepad Pre-Alpha-Demo für die PS4 gab es einen kurzen ein. So findet sich dann beispielsweise die Karte, Spieleindruck, in dem man zunächst die Station welche zur Orientierung auf den Strecken in Renn- nach Hinweisen absucht und plötzlich dem Alien spielen hilfreich ist, auf dem kleinen Bildschirm des begegnet. «Sobald [das Alien] uns auf den Fersen Gamepads. Das Konzept funktioniert nicht in dieser ist, haben wir keine Zeit mehr, gründlich zu planen, Form und würde auch nur dann einen Sinn erge- zu überlegen und langfristig zu denken» (Stange ben, wenn man das Gamepad wie ein Navigations- 2014c: k.S.). In der Station gibt es genau ein sol- system im Auto direkt im peripheren Sichtfeld des ches Alien und man hat als Hilfe lediglich den Fahrers platzieren würde – etwas das in einem Mul- aus dem Film bekannten Motion-Tracker, dessen tiplayer-Spiel wie Mario Kart unmöglich erscheint. Anzeige über die Lightbar der PS4 ausgegeben Nintendo verspricht allerdings, dieses Konzept wird, ebenso wie das Piepen, wenn sich das Alien weiter auszubauen und bekräftigt dabei erneut die Immersive Gaming 145 Unterschiede zwischen Wii und WiiU. Der General CDN 2011; PS 3), Final Fantasy XII (Square Enix, Manager Nintendo Deutschland Dr. Bernd Fakesch J 2006; PS 2), Donkey Kong Country (RARE, UK äußerte in diesem Zusammenhang: 1994; SNES), Forza Motorsport 4 (Turn 10, USA Nintendo hat es […] 2006 mit Wii gewagt eine völlig 2011; X360) oder das Multiplattform Spiel Grand neue Technologie einzuführen, die Bewegungssteue- Theft Auto V (Rockstar Games, USA 2013; PS3/ rung. Mit Wii U ist Nintendo seiner Linie treu geblieben, X360). Die Zukunft des Videospiels im Wohnzim- eine neue Konsole erst dann herauszubringen, wenn mer sieht in jedem Fall interessant aus. Sei es mit sie den Spielern etwas wirklich Neues zu bieten hat. den Multimedia-Tools der X1, dem neuen Spiel- In diesem Fall das Wii-U-GamePad, das für bisher nicht konzept der WiiU oder der PS4, bei der es Sony gekannte Spielerlebnisse sorgt. Mit seinem integrier- gelungen ist, eine unglaubliche Augenwischerei ten Touchscreen stellt es eine echte Innovation dar. Es beim Preis zu betreiben. Die PS4 ist erst dann ermöglicht ja nicht nur eine andere Art der Steuerung, komplett nutzbar, wenn man Kamera und PS Vita sondern auch ganz neue Spielkonzepte, wie man sie daran gekoppelt hat und somit ein deutlich kos- auf TV-gebundenen Konsolen bisher nicht gesehen hat. tenintensiveres Vergnügen, als es bei den anderen Die Nutzer des GamePad können andere Informationen beiden Konsolen der Fall ist. Mit der neuen Eye- erhalten als ihre Mitspieler, den Ablauf aus anderer Per- Tracking-Bar und der Project Morpheus VR-Brille für spektive erleben und vieles mehr, was sich für span- die PS4 scheint die Zukunft großartige neue Spiel- nende Spielverläufe nutzen lässt. konzepte bereit zuhalten, die jedoch immer wieder (M! Games 2014: 41) eine Investition in weitere Hardware bedürfen. In diesem Zusammenhang stellt ein guter Spiele-PC Das ist zumindest zum Start von X1 und PS4 der mit angeschlossenem Kinect 2.0 vermutlich eine entscheidende Unterschied zwischen der WiiU und bessere Option dar, zumal es für den PC bald eine ihrer Konkurrenz: Die WiiU bietet neue Spielkon- VR-Brille auf dem Markt geben wird (vgl. Giesel- zepte, wo Sony und Microsoft zunächst auf gestei- mann & Austinat 2014: 74f.).6 Dennoch liefert die gerte Leistung Wert legen. Das Konzept der WiiU PS4 eine echte Alternative zum PC, mit Spielen bleibt spannend, vor allem vor dem Hintergrund, wie Outlast und Don’t Starve (Klei Entertainment, das auch die anderen Konsolenhersteller immer CDN 2013) sind zuvor PC-exklusive Spiele gelun- wieder versuchen, bei Nintendo abzukupfern. gen auf die Next-Gen-Konsolen gebracht worden. Zudem macht es einfach Spaß, an jeder der drei Fazit Konsolen zu spielen. Die Zeit wird verdeutlichen, welches Profil welche Konsole bekommen wird, Next-Generation-Gaming steckt noch in den Kin- Umrisse sind jedoch jetzt schon erkennbar. Wenn derschuhen. Die WiiU bietet mit dem asymmetri- man die volle Qualität des Next-Generation- schen Spielen auf einem offline nutzbaren Gerät Gaming erfahren möchte, wird man auf Dauer zur Veröffentlichung ein Konzept, das etwas wirk- nicht daran vorbei kommen, alle drei Konsolen der lich Neues liefert, so wie 2006 die Bewegungs- achten Generation zu besitzen. Besonders interes- steuerung bei der Wii. Wer allerdings gesteigerte sant wird es zudem, wenn Sony und Microsoft mit Grafik als wichtiges Element für immersives Spie- der Unterstützung von Spielen ihrer vorangegan- len wertet, für den sind PS4 und X1 wohl deut- genen Konsolengenerationen beginnen, wie die lich interessanter. Mit wenigen Ausnahmen sind WiiU dies bereits beherrscht. die Spiele jedoch auch für den PC erhältlich. Hier Spielen ist auf Konsolen noch nie so sehr eine ist der Vorteil der Konsolen, dass die aufeinander Interessens- und Überzeugungsfrage gewesen wie abgestimmte Hardware auch in einigen Jahren im Jahr 2014. Die achte Konsolengeneration lie- noch erstaunliche Leistungen vollbringen wird, fert viele neue Möglichkeiten, die allerdings noch zumal die Spielentwickler direkt auf die Hardware voll erkundet und von Spielentwicklern vernünftig der Konsolen zugeschnitten programmieren und ausgenutzt werden wollen. Kleine Features bei den arbeiten können und somit das bestmögliche aus Spielen deuten an, welches Potential die neuen den Geräten herausholen werden. Das dies noch einige Jahre dauern wird und auch primär auf die Exklusivtitel der Konsolen zutreffen wird, verdeut- 6 Zwar ist die Oculus Rift bereits im Developer-Kit 2 mit lichen Spiele älterer Generationen wie Uncharted HD-Auflösung erhältlich, dennoch ist sie noch nicht dem 3 (Uncharted 3: Drake‘s Deception, Naughty Dog, Massenmarkt zugänglich. 146 Thomas Heuer Geräte haben. Für mich gibt es in dem «Konsolen- mikami-sees-horror-potential-in-xbox-one-controllers- krieg» keinen klaren Sieger. motorised-triggers/ [03.01.2014]. In diesem Artikel interessieren die Verkaufszah- Falkenstern, Max (2014): Xbox One: Preissenkung laut len nicht, ausschließlich die Möglichkeiten, die eine Microsoft nicht wegen enttäuschender Verkaufszah- Konsole bietet. Die nächsten Jahre werden span- len. In: PC Games, online: http://www.pcgames.de/ nend im Videospielsektor. Im Grunde gibt es wie- Xbox-One-Konsolen-232351/News/Xbox-One-Preis- der drei verschiedene Konzepte, die sich am Markt senkung-laut-Microsoft-nicht-wegen-enttaeuschen- beweisen müssen. Angesichts der spielerischen der-Verkaufszahlen-1111326/ [03.03.2014]. Innovation liegt die WiiU momentan in diesem Fehrenbach, Achim (2012a): Zwei Steuerungen, zwei Bereich an erster Stelle, wohingegen die Konsolen verschiedene Rollen. In: Zeit Online, online: http:// von Microsoft und Sony nachlegen müssen, um im www.zeit.de/digital/games/2012–08/wii-u- spielerischen Segment mehr als nur nette Gimmicks gamescom [03.03.2014]. zu liefern. Kinect verspricht dabei ebenso interes- – (2012b): Ein Zombie-Spiel deutet das Potenzial der sante Ansätze wie die VR-Option für die PS4. Wii U an. In: Zeit Online, Online: http://www.zeit. de/digital/games/2012–11/nintendo-wii-u-test [03.03.2014]. – (2013): Der Xbox One fehlen vor allem die richtigen Literatur Games. In: Zeit Online, Online: http://www.zeit.de/ Anthony, Sebastian (2014): PS4 hits 6 million consoles digital/games/2013–11/xbox-one-ps4-games-test sold, 13.7 million games; Xbox One still only around [21.11.2013]. 4 million. Online: http://www.extremetech.com/ Freundorfer, Stephan (2014): Nintendos verlorene Gene- gaming/177788-ps4-hits-6-million-consoles-sold-13– ration. In: M! Games, Ausgabe 245, Februar 2014. 7-million-games-xbox-one-still-only-around-4-million S. 36–40. [06.03.2014]. Games Aktuell Guide PS4 (2013): Der ultimative Guide Berg, Frederic (2014):Thief: Lange Finger, Leise Sohlen. zur PS4, Sonderheft GA Guide 01/13. In: Computer Bild Spiele, Ausgabe 4, März 2014. Games History (2014): Games Aktuell Guide Games His- S. 46–50. tory, Sonderheft GA Guide 02/14. 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He is the author of the monograph John project, Stars, he has been a vocal supporter of Williams’s Film Music: ‹Jaws›, ‹Star Wars›, ‹Raiders the medium. He has directed several commercial of the Lost Ark› and the Return of the Classical Hol- projects; notably the Soviet Firsts experience for lywood Film Music Style, 2014. the National Space Centre, Making space Work for the International Space and Innovation Centre, Nico Bergmann, Dipl.-Des., studierte Design an Tomorrow Town for Schindler and Egyptian Pio- der Köln International School of Design (FH) und neers for the Cairo children’s museum. He specia- schloss dort 2007 mit Diplom ab. Während seines lises in the area of stereoscopic 3D for both flat Studiums arbeitete er im Sounddepartment der screen and immersive media, with notable credits Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). Seit as stereographer for Journey of Contrasts 4D, 2007 freiberuflicher Designer/Art Director mit Astronaut 3D, We Are Aliens, Vortex and Cineci- Sitz im Kunstwerk Köln. Zu seinen Schwerpunkten tram. His personal works have been supported by gehören Konzeption und Umsetzung in den Berei- Arts Council England, the British Council and the chen Grafik & Layout, Sounddesign und Fotografie. UK Film Council. His award winning animations Er arbeitete seit dem Studium für namhafte Agen- have been screened at many film festivals world- turen und Kunden in ganz Deutschland. 2010 wide, most notably Edinburgh International Film gründete er mit Gerriet K. Sharma und Saskia Reit- Festival, Annecy, Animated Encounters, Domefest, her die Kanzlei für Raumbefragungen und ist hier Fulldome Festival, SAT Fest and Fulldome UK. They als Art Director und Fotograf tätig. Im Jahr 2013 have also appeared in publications such as 3D übernahm er die Veranstaltungsreihe Electronic World, Specialten, Televisual and Imagine. Lounge in Bielefeld und ist dort für den Bereich Booking & Promotion zuständig. Claire Dorweiler, B.A., Studentin M.F.A. «Medienkunst/-gestaltung» an der Bauhaus Uni- Axel Berndt, Dr., hat Informatik mit Nebenfach versität in Weimar; 2014 Regieassistentin bei der Musik an der Otto-von-Guericke-Universität in Mag- intermedialen Inszenierung Kometentanz, Jena; deburg studiert. Am dortigen Institut für Simula- 2013 Bachelorstudium in «Kulturwissenschaften tion und Graphik hat er seit 2006 als Musikin- und ästhetischer Praxis», Schwerpunkte: Theater formatiker geforscht und gelehrt und schließlich und Medien, Universität Hildesheim; 2013 Regie- 2011 promoviert. Forschungsschwerpunkte waren assistentin bei Theaterperipherie, Frankfurt am und sind u. a. die Vertonung interaktiver Medien, Main; 2012/13 Konzeption und Umsetzung von interaktive und adaptive Musiktechnologien, neue Videoeinspielungen in Inszenierungen der The- Musik- und Musizierinterfaces, die ausdrucksvolle aterperipherie Frankfurt; 2011 Regiehospitantin Interpretation von Musik, generative Musiktechno- am Schauspiel Hannover; 2009 Hospitantin im logien, Auditory Displays sowie sonische Aspekte Bereich Bühnenbild/Ausstattung am Schauspiel in der Mensch-Computer-Interaktion. Seit April Frankfurt. 150 Autorenverzeichnis Lars Christian Grabbe, Dr., Studium der Philo- Produktionen. Seither ebenfalls tätig als Lehrkraft sophie, Soziologie und Neue Deutsche Literatur- für Motion Design und Fulldome-Produktion an wissenschaft und Medienwissenschaften an der Design-Hochschulen und Bildungseinrichtungen, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). u. a. an der FH Potsdam, HfG Offenbach, FH Kiel 2011 Promotion an der Technischen Universität und Muthesius Kunsthochschule Kiel. Als Mitglied Chemnitz am Fachbereich «Philosophie mit dem der IPS (International Planetarium Society) und Schwerpunkt Kognitionswissenschaften». Seit 2010 GdP (Gesellschaft deutschsprachiger Planetarien) Lehrbeauftragter für «Theorie und Geschichte sym- rief er 2014 die Arbeitsgruppe «Content: Konzep- bolischer Formen» am Instituts für Kunst-, Design- tion, Gestaltung und Produktion» als Fachgremium und Medienwissenschaften (IKDM) der Muthesius- innerhalb der GdP (Gesellschaft deutschsprachiger Kunsthochschule in Kiel. Oktober 2011 bis März Planetarien) ins Leben. Er gewann diverse interna- 2012 Freisemestervertretung von Prof. Dr. Norbert tionale Designpreise wie z. B. den iF Award oder M. Schmitz am Fachbereich Ästhetik der Muthesius den Red Dot Design Award, sowie 2011 mit der Kunsthochschule in Kiel. Nach zweijähriger Tätig- Show Lars, der kleine Eisbär die Auszeichnung keit als Verlagsredakteur erfolgte 2014 der Wech- «UNESCO Projekt der UN-Dekade Bildung für sel an den Fachbereich Design der Fachhochschule nachhaltige Entwicklung». Derzeit arbeitet er an Münster als Dozent für Medientheorie- und Kommu- einer Fulldome-Inszenierung neuester Forschungs- nikation. Dort seit September 2014 Vertretungspro- ergebnisse für das Helmholtz-Zentrum für Material- fessor für Theorie der Wahrnehmung, Medien und und Küstenforschung Geesthacht. Sein zentrales Kommunikation. Er ist Managing Editor des Year- Thema ist die Entwicklung innovativer Konzepte book of Moving Image Studies (YoMIS), Gründungs- und Erzählformen der visuellen Kommunikation, mitglied des Bildwissenschaftlichen Kolloquiums insbesondere für immersive Projektionsräume. an der CAU zu Kiel sowie der Forschungsgruppe Neben der Produktion von Fulldome-Filmen hat Bewegtbildwissenschaft Kiel (FBK), Mitglied des er mehrere Aufsätze zum Thema Konzeption und DFG-Netzwerks «Bildphilosophie» und wissenschaft- Narration in Fulldome-Produktionen veröffentlicht. licher Beirat der Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft e.V. Forschungsschwerpunkte: Thomas Heuer, M.A., Promotionsstudent an der Medientheorie und -philosophie, Bildwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin (Thema der Disser- Wahrnehmungstheorie, Kommunikationstheorie, tation: Plotting Horror. Horror-Ästhetik in dramatur- Ästhetik, Semiotik, Filmwissenschaft. Ausgewählte gischer Perspektive – zwischen Medienspezifik und Publikationen: Phänomenale Präsenz der Atmo- Transmedialität). Bachelorstudium Multimedia sphäre im Film. Ein Divergenzphänomen zwischen Production an der Fachhochschule Kiel (Thema immersivem Potential und Diskrepanzerfahrung. der Bachelorthesis: Umweg Hollywood: Interna- In: Jahrbuch immersiver Medien 2013. S.  82–95 tionalisierung von J-Horrorfilmen am Beispiel von (2013); IMAGE  – Zeitschrift für interdisziplinäre ringu und The ring, 2010). Masterstudium der Bildwissenschaft, 17/1 (2013, herausgegeben mit Medienwissenschaft an der Humboldt Universität Rebecca Borschtschow und Patrick Rupert-Kruse); zu Berlin (Thema der Masterthesis: Folter als Ele- Multimodale Bilder. Zur synkretistischen Struktur ment der Horror-Dramaturgie: Das Foltermotiv als des Filmischen (2013, herausgegeben mit Patrick Evolution des modernen Horrorfilms, 2013). Seine Rupert-Kruse und Norbert M. Schmitz); Auf dem Arbeitsschwerpunkte umfassen Filmwissenschaft Sprung zum bewegten Bild. Narration, Serie und (3D-Filme, Asiatischer Film [Schwerpunkt Japan (proto-)filmische Apparate (2014, herausgegeben und Südkorea], Extremer Film, Filmgeschichte, Hor- mit Dimitri Liebsch und Patrick Rupert-Kruse). ror, gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse auf den Film, Mainstream und Hollywood, Remakes), Ralph Heinsohn, Dipl. Des., Studium Kommunika- Immersion, Medienarchäologie (Computereinfluss tionsdesign an der Fachhochschule für Gestaltung auf Medien, Diagrammatik, stereoskope Bilddar- in Mannheim und Muthesius Kunsthochschule stellung) und Videospielwissenschaft (Grenzen Kiel. Seit 2004 selbständig als Kommunikati- zwischen Film und Videospiel, Interactive Storytel- onsdesigner in den Bereichen Corporate Design, ling, Virtual Reality). Ferner ist er als Mitarbeiter Motion Graphics und 3D-Visualisierung sowie von www.mellowdramatix.de mit den Schwerpunk- als Drehbuchautor und Produzent von Fulldome- ten Film und Videospiel tätig. Autorenverzeichnis 151 Sonja Kirschall, M.A., Studium der Anglistik, Tuning: Interfacing Danish Radio Heritage, Inter- Film- und Medienwissenschaft in Bochum und national Journal of Interactive Humanities (2013, Leeds; 2009–2014 wissenschaftliche Hilfskraft, with Vitus Vestergaard); The Media Mixer: User seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ins- Creativity through Production, Deconstruction and titut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Reconstruction of Digital Media Content, Nordisk Bochum; derzeit Promotion bei Prof. Dr. Eva Warth Museologi (2011, with Vitus Vestergaard). zum Thema Taktilität und audiovisuelle Medien. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Diskursge- Jürgen Rienow, Dr., Dipl.-Inf., Studium von Infor- schichte der Sinne und Sinneshierarchien, Phäno- matik und Chemie an der Christian-Albrechts-Uni- menologie des Audiovisuellen, crossmodale und versität zu Kiel. Von 2004–2010 machte er sich mit synästhetische Formen der Filmwahrnehmung, einem eigenen Unternehmen für Softwareentwick- Materialisierung und Immersion, Subjektkonsti- lung und 3D-Grafiken selbständig. Zusätzlich war tutionen entlang medienvermittelter sensorischer er als Mitarbeiter beim Forschungs- und Entwick- Reorganisationsprozesse. lungszentrum der Fachhochschule Kiel GmbH tätig, um Produktionen für den Kieler Mediendom und Christina Landbrecht, M.A., studierte Kunstge- museale Anwendungen zu entwickeln. Seit 2007 schichte, Betriebswirtschaftslehre und Romanis- ist er als Lehrkraft für besondere Aufgaben am tik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach Fachbereich Medien der Fachhochschule Kiel ange- Abschluss ihres Studiums war sie als Wissenschaft- stellt. In diesem Zusammenhang forscht und lehrt liche Volontärin sowie als Referentin des Direktors er vorranging über die Themen immersive Medien, an der Berlinischen Galerie  – Landesmuseum für Wahrnehmungspsychologie und ihr Zusammen- Moderne Kunst, Fotografie und Architektur tätig. spiel mit der Wirkung immersiver Kuppelprojek- 2012 wurde sie mit dem Nachwuchsförderpreis tion. Er hat maßgeblich am Aufbau eines Labors der Kulturstiftung der Länder ausgezeichnet und für Immersionsforschung am Fachbereich Medien konnte für die Berlinische Galerie die Musikinstal- mitgewirkt. Seine Promotion zum Thema Wirkung lation Chamber Music von Ari Benjamin Meyers immersiver Kuppelprojektion schrieb er in Däne- realisieren. Seit 2013 ist sie Wissenschaftliche mark an der Syddansk Universitet, Odense. Seit Mitarbeiterin des Exzellenzclusters Bild Wissen 2009 ist er Vorsitzender des Fördervereins Kieler Gestaltung der Humboldt-Universität und arbeitet Planetarium e.V. Er ist Autor zahlreicher Publikatio- an ihrer Dissertation zum Thema Das Labor als nen zum Thema Fulldome, u. a.: Technik immersiver Handlungssystem. Wie die Experimentalwissen- Präsentationen. In: Jahrbuch immersiver Medien schaften zur Reflektionsfolie der zeitgenössischen 2007. S.  11–13 (2007); Fulldome-Visualisierung Kunst avancierten. und Immersion in der Lehre. In: Jahrbuch immersi- ver Medien 2008/2009. S. 60–67 (2009, zusam- Christian Hviid Mortensen, PhD fellow at the Ins- men mit Heidi Kjär). Zudem ist er Urheber vielzähli- titute for the Study of Culture, University of Sou- ger Produktion diverser Fulldome-Filme, wie Als der thern Denmark. He is also a curator at the Media Gulp die Erde einsackte (D 2007) oder Computer Museum in Odense, Denmark (since 2007). He öffnen Welten (D 2007, auch Musikkomposition). has produced temporary exhibitions on themes ranging from video gaming and comics to radio Patrick Rupert-Kruse, Prof. Dr., Studium der Neu- sound. His primary research interest is in media eren Deutschen Literatur- und Medienwissenschaf- heritage and popular culture which sit at the inter- ten, Philosophie und Psychologie an der Christian- section of museology with media, cultural, memory Albrechts-Universität zu Kiel; 2010 Dissertation and heritage studies. He is currently writing his zum Thema Imagination und Empathie, lehrte und thesis, Displaying Sound: Radio as Media Heritage forschte an der CAU zu Kiel; seit 2014 Inhaber in a Museological Context. Christian has a back- der Professur für Medientheorie und Immersions- ground in History, Philosophy, Media Studies and forschung am Fachbereich Medien, an der Fach- Cultural Journalism. Recent publications include: hochschule Kiel; Leiter des Instituts für immersive The sound of yesteryear on display: a rethinking Medien (ifim), stellvertretender Vorsitzender der of nostalgia as a strategy for exhibiting pop/rock Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft heritage., in: International Journal of Heritage (GiB), Gründungsmitglied der Forschungsgruppe Studies (2014, with Vitus Vestergaard); Embodied Bewegtbildwissenschaft Kiel und verantwortlicher 152 Autorenverzeichnis Redakteur des Jahrbuches immersiver Medien, der Doktorarbeit: Komponieren mit skulpturalen Managing Editor des Yearbook of Moving Image Klangphänomenen in der Computermusik. Lebt in Studies (YoMIS). Seine Forschungs- und Arbeits- Graz und Köln. Von 2009–2013 war er Kurator der schwerpunkte sind: Theorie immersiver Medien, Signale-Graz, Konzertreihe für Elektroakustische Medientheorie und -philosophie, Medienwirkungs- Musik, Algorithmische Komposition, Radiokunst forschung, Bewegtbildwissenschaft. Ausgewählte und Performance für die Kunstuniversität Graz. Im Publikationen: Über das Filmbild hinaus … Die Jahr 2010 Gründung der Kanzlei für Raumbefra- Präsenz des Absenten in der Filmrezeption (2010); gungen. Von 2011–13 war er maßgeblich an der Im Sog des Blicks. Die Erste-Person-Perspektive als Konzeption und Einrichtung des «Atelier Klangfor- immersive Strategie des Films. In: Jahrbuch immer- schung am Institut für Musikforschung» der Uni- siver Medien 2011. S. 37–50 (2011); Multimodale versität Würzburg beteiligt. Er erhielt zahlreiche Bilder. Beiträge zur synkretistischen Struktur des Fil- Auszeichnungen und Stipendien u. a. Residenzen mischen (2013, herausgegeben mit Lars C. Grabbe Pact Zollverein Essen in 2009 und 2011 sowie das und Norbert M. Schmitz). Syltquelle-Stipendium 2007. In 2009 erhielt er das renommierte Chargesheimer-Stipendium der Stadt Daniel Schäl, M.A., Studium Multimedia Produc- Köln. DAAD-Jahres-Stipendiat in den Jahren 2007 tion an der Fachhochschule Kiel, 2014 Master-The- und 2009. Den Deutschen Klangkunstpreis erhielt sis mit dem Titel Is this your story? – Erzählstruktu- er im Jahre 2008. Im Frühjahr 2014 war er Compo- ren von Computerspielen im Vergleich zum Thema ser in Residence am ZKM Karlsruhe. Erzählstrukturen in Computerspielen und deren Wirkung auf das narrative Präsenzerleben des Johannes Varga, Studium zum Tonmeister für Spielers; 2011 Bachelor of Arts, Studium Medien- audiovisuelle Medien an der Hochschule für Film produktion an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, und Fernsehen «Konrad Wolf» in Potsdam-Babels- Bachelor-Thesis zum Thema Filmmontage und ihre berg. Neben einer Vielzahl realisierter Projekte, Wirkung. darunter Spielfilme, Animationsfilme, Dokumen- tarfilme und Soundinstallationen, beschäftigt er Gerriet K. Sharma, Dipl. Mediale Künste, Klang- sich vor allem mit 3D-Audio-Technologien (z. B. der künstler und Komponist. Studium Medienkunst Wellenfeldsynthese) und deren Anwendungsmög- an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). lichkeiten. Im März 2011 gründete er gemeinsam Danach Masterstudiengang Komposition / Com- mit Aleesa Savtchenko und Johannes Scherzer die putermusik am Institut für Elektronische Musik Agentur für Klangszenografie TAUCHER Sound und Akustik (IEM), der Kunstuniversität Graz Environments. TAUCHER realisiert begehbare (KUG). Derzeit Doktorand der künstlerischen Dok- Klangwelten für mediale Inszenierungen wie Aus- toratsschule der Kunstuniversität Graz. Thema stellungen, Events und Markenauftritte. Autorenverzeichnis 153 call For PaPers: «die mediatisierte gesellschaFt: leben und arbeiten mit immersiven medien» Einsendeschluss für Artikel: 16. März 2015 Einsendeschluss für Rezensionen oder Interviews: 20. April 2015 Wir akzeptieren ab sofort Artikel für die kom- Bereiche unseres täglichen Lebens ein – sei es im mende Ausgabe des interdisziplinären Jahrbuches Unterhaltungssektor, in der Lehre und Forschung, immersiver Medien zum Thema «Die mediatisierte in der Medizin oder in unserem Wohnzimmer. Gesellschaft: Leben und arbeiten mit immersiven Das Jahrbuch immersiver Medien als begutach- Medien». tete und bewusst interdisziplinäre Fachpublikation Medien umgeben uns. Nicht nur sind sie in lädt daher ein, sich in Artikeln der medientheore- unserem täglichen Leben immer und überall anzu- tischen Reflektion dieser aktuellen Situation, der treffen, sondern sie werden zudem immer räum- (R)Evolution der immersiven Medien und dem licher und scheinen uns tatsächlich zu umarmen Vorausdenken neuer Medientypen zu widmen. oder einzuschließen. In Forschung und Entwick- Neben themenbezogenen und freien Artikeln freut lung, in Wissenschaft und Unterhaltung kommen dich die Redaktion zudem über Rezensionen rele- heute solche innovative Medientechnologien zum vanter Medien und Publikationen zum Titelthema, Einsatz, die wir teilweise noch gar nicht adäquat zu Texte zur Praxis immersiver Medien, Interviews nutzen vermögen. und Ergebnisse aus der angewandten Forschung. Da die Medienevolution in hohem Tempo fort- Einsendungen werden in deutscher und englischer schreitet und wir immer neue Technologien in Sprache angenommen. unsere Lebenswelt integrieren müssen, erscheint Die Länge der eingesandten Texte sollte bei es sinnvoll, diese Entwicklung wissenschaftlich Artikeln zwischen 5000 und 8000 Worten liegen, zu reflektieren und konzeptionell zu antizipieren. bei Rezensionen und anderen Texten zwischen Dabei lässt sich oft nur erahnen, wie die Medien der 1500 und 2000 Worten. Bitte senden Sie die Arti- Zukunft aussehen und funktionieren werden. Aller- kel, eine kurze deutsche und englische Zusammen- dings zeigen uns Überlegungen aus der Medien- fassung, eine Erstveröffentlichungsbestätigung theorie (z. B. Anders, McLuhan, Flusser), Machbar- sowie eine Kurzbiografie bis zum 16. März 2013 keitsstudien wie der Illumiroom von Microsoft und an Prof. Dr. Patrick Rupert-Kruse über immersive- Samsung oder Filme wie Minority Report (2002), medien@fh-kiel.de; er steht Ihnen bei Rückfragen Gamer (2009) oder Prometheus (2012) bereits gerne zur Verfügung. Bitte beachten Sie für Ihre heute, was uns erwarten könnte. Denn immersive Einsendungen zwingend die Formatierungsvorla- Medientechnologien und ästhetische Strategien gen (style sheet) auf unserer Internetseite: www. der Immersion greifen schon jetzt in nahezu alle immersive-medien.de. 154 Call for Papers Thema: Immersion Thema: Immersion Institut für immersive Medien (ifim) Institut für immersive Medien (ifim) Jahrbuch immersiver Medien 2012 Jahrbuch immersiver Medien 2013 Bildräume – Grenzen und Übergänge Atmosphären: Gestimmte Räume 152 S. in Farbe, Pb., und sinnliche Wahrnehmung € 19,90, im Abo € 16,90 176 S. in Farbe, Pb., ISBN 978-3-89472-813-7 € 19,90, im Abo € 16,90 ISBN 978-3-89472-867-0 Immersion kann als konkreter leiblicher oder rein imaginativer Akt Im Begriff der Atmosphäre wird eine des Hineintretens in ein Medium Grenzauflösung artikuliert, wie sie verstanden werden. Sie muss folglich auch in den Phänomenen der Rezen- als eine Bewegung oder ein Über- trierung, Deplatzierung oder Entgren- gang in den Raum des Bildes hinein zung mitschwingen, die so typisch definiert werden. Möglich ist diese sind für die Beschreibung der Immer- Form der Immersion nicht nur in sion oder Präsenzerfahrung. Panoramen oder virtuellen Reali- Atmosphären sind der Modus in täten, sondern auch in den vermeint- welchem sich Objekte, Kunstwerke, lich flachen Bildern eines Filmes, Räume, Szenen und Szenographien eines Bildes oder sogar in der rein den Rezipierenden präsentieren. imaginativ existenten Räumlichkeit einer literarischen Fiktion. Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 www.schueren-verlag.de www.schueren-verlag.de Neuerscheinung Neuerscheinung Christina Heiser Vanessa Aab Erzählstimmen im aktuellen Film Kinematographische Zeitmontagen Strukturen, Traditionen und Zur Entwicklungsgeschichte des Kinos Wirkungen der Voice-Over-Narration 240 S., Pb. € 24,90 400 S. |Pb. | einige Abb. | € 38,00 ISBN 978-3-89472-876-2 ISBN 978-3-89472-877-9 Marburger Schriften zur Marburger Schriften zur Medienforschung Bd. 47 Medienforschung Bd. 48 Um 1900 wurde der Aufstieg eines Christina Heiser lenkt in ihrer Arbeit neuen Mediums gefeiert, das seinen den Blick auf ein bisher wenig Zuschauern etwas nie Dagewesenes beachtetes Erzählphänomen des präsentierte: das bewegte Bild der Films, nämlich die Voice-over Kinematographie. Das Neue kreierte Narration, die in den letzten 15 sich jedoch nicht nur aus sich selbst Jahren in vielen Filmen als heraus, sondern führte Traditionen gestalterisches Mittel eingesetzt vorfilmischer Künste weiter; es weist worden ist, wie z. B. in Memento, ästhetische und strukturelle Adaptation, Le Fabuleux Destin Kongruenzen auf zu Medien des Proto- d'Amélie Poulain, Stranger Than Films sowie zu Nachbarmedien, so zur Fiction oder The Curious Case of Malerei, zum Theater und zu populären Benjamin Button. Schaukünsten. Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 www.schueren-verlag.de www.schueren-verlag.de Neuerscheinung Neuerscheinung Berswordt-Wallrabe/Fahle (Hg.) Willem Strank Abbas Kiarostami Twist Endings Die Erzeugung von Sichtbarkeit Umdeutende Film-Enden 152 S. Einige Abb. € 19,90 304 S. | € 29,90 |zahlreiche Abb. ISBN 978-3-89472-887-8 ISBN 978-3-89472-891-5 Marburger Schriften zur Medienforschung Bd. 50 Ein kleiner Kniff und alles ist anders – auch wenn das Twist Ending zumeist Abbas Kiarostami zählt zu den mit dem Riesenerfolg The Sixth Sense bedeutendsten zeitgenössischen (1999) in Verbindung gebracht wird, Filmemachern. Sein Werk, das für ist es fast so alt wie die Filmge- eine ganze Generation jüngerer schichte selbst. Willem Strank geht iranischer Regisseure stilbildend den Ursprüngen des Phänomens auf wirkte und neben herausragenden den Grund und beschreibt seine Filmen auch Fotografien und Entwicklung und Funktionsweise experimentelle Videos umfasst, wurde anhand zahlreicher Beispiele. Der international seit den 1990er Jahren Kunstgriff erfreut sich größerer mit zahlreichen Auszeichnungen Popularität denn je und wird gewürdigt und weltweit in wichtigen mittlerweile häufig zum jüngeren Museen ausgestellt. Trend der sogenannten Mindgame- Filme gerechnet. Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 www.schueren-verlag.de www.schueren-verlag.de Neuerscheinung Neuerscheinung Thomas Nachreiner/Peter Podrez (Hg.) Kleine Genres FEST|STELLUNGEN montage 23/1/2014 Dokumentation des 25. Film- und 216 S. | Pb. | €14,90 Fernsehwissenschaftlichen ISBN 978-3-89472-930-1 Kolloquiums 412 S. |Pb. |€ 38,00 Aus unterschiedlichen Gründen werden ISBN 978-3-89472-892-2 Filme in Gruppen eingeteilt, Genres, Das Film- und Fernsehwissenschaft- Zyklen oder Reihen bilden sich aus. liche Kolloquium ist eine jährlich Inzwischen ist die Vielfalt der Genres stattfindende Fachtagung, die sich groß, Hybridformen gängig, und vornehmlich an den akademischen unterhalb der großen Genres gibt Mittelbau richtet und deren Tradition es verschiedenste kleinere Gruppie- sich nun bereits über ein Vierteljahr- rungen. Während die großen Genres hundert erstreckt. Die Publikation relativ stabile Gruppen darstellen, dokumentiert einerseits die aktuellen handelt es sich bei den «kleinen Beiträge des Kolloquiums, wie sie Genres» eher um kurzlebige beim 25. FFK im Jahr 2012 in Erlan- Erscheinungen, die mitunter nur gen vorgestellt wurden, und schärft wenige Exemplare umfassen. somit den Blick für die gegenwärti- gen Strömungen innerhalb der Film-, Fernseh- und Medienwissenschaft. Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 Fon 06421/63084 · Fax 06421/681190 www.schueren-verlag.de www.schueren-verlag.de