Stoffel, Patrick2021-06-092021-06-092020https://mediarep.org/handle/doc/17009Im Deutschen Reich avancierte die Landschaft zum zentralen Medium des Heimaterlebens. Dabei erfuhr die Heimat mittels der Erfahrung von fremden und exotischen Landschaften in den Kolonien eine nie dagewesene räumliche Expansion: aus der Ferne konnte die Nation selbst zur Heimat werden. Während diese räumliche ‚Dehnbarkeit‘ der Heimat (und deren identitätsstiftende Funktion) schon seit Längerem Gegenstand der Forschung ist, erfuhr die zeitliche Dimension der Heimat bislang wenig Aufmerksamkeit. Obwohl die Entdeckung und Entfaltung der geologischen Zeitskala im 19. Jahrhundert neue, unvorstellbar große Zeiträume bereitstellte, blieben der Heimat scheinbar enge zeitliche Grenzen gesetzt. Dieser Beitrag zeigt anlässlich der Untersuchung populärwissenschaftlicher Schriften aus den Jahren 1898–1931 von Alfred Götze und Wilhelm Bölsche, dass im Deutschen Reich parallel zur räumlichen Expansion der Heimat auch eine zeitliche Expansion erfolgte, die über die Verortung der Heimat in der ‚guten alten Zeit‘ weit hinausreichte und über die Ur- und Frühgeschichte bis tief in die Erdgeschichte ausgriff. Im Medium prähistorischer Landschaften erschloss sich den Zeitgenossen eine in zwei Versionen vorliegende deep time Heimat. Eine nationalistische deep time Heimat verortete die nationale Einheit in der Tiefe der Zeit und beförderte damit ein umfassenderes und zugleich abstrakteres, ein ‚nationales‘ Heimaterleben. Eine imperialistische deep time Heimat diente als Anschauungsfall für den ‚Kampf ums Dasein‘ und wies die Expansion der Heimat als einzig möglichen Weg zu ihrer Bewahrung aus.In the German Reich, the landscape became the central medium to experience Heimat. The exotic landscapes the colonies provided led to an unprecedented spatial expansion: from a distance, the nation itself could become Heimat. While this spatial ‘extensibility’ as well as its capability to establish identity has long been the subject of research, so far the temporal dimension of Heimat has received little attention. The new and unimaginably long periods of time the discovery and exposition of the geological time scale in the 19th century provided seemed not to affect the Heimat. Examining popular scientific writings from the years 1898–1931 by Alfred Götze and Wilhelm Bölsche, this article shows that in the German Reich along with the spatial expansion of Heimat a temporal expansion took place. Including prehistory and earth history, this temporal expansion reached far beyond locating the Heimat in the ‘good old days’. In the medium of prehistoric landscapes, the contemporaries could experience two versions of a deep time Heimat. A nationalist deep time Heimat localized national unity in the depths of time, thus promoting a more comprehensive and at the same time more abstract ‘national’ Heimat. An imperialist deep time Heimat helped to expose the ‘struggle for existence’ and promoted the expansion of the Heimat as the only possible way to preserve it.deuCreative Commons Attribution Non Commercial No Derivatives 3.0 GenericHeimatNationalismusImperialismusDeutsches Reich301900Deep time Heimat. Die prähistorischen Landschaften des Deutschen Reichs10.25969/mediarep/161652451-1765