Simanowski, Roberto2022-01-042022-01-041999-07-10https://mediarep.org/handle/doc/18232Webtagebücher stellen ein besonderes Phänomen der Literatur im Netz dar, das sich von seinem Printvorbild nicht nur durch Multimedialität (Text plus Foto und z.T. Video), sondern auch durch sofortige Veröffentlichung und Dialog mit dem Publikum unterscheidet. In den Beispielen Tina und Jennifer kommt hinzu, dass beide sich ständig durch Kameras, die in ihrer Wohnung installiert sind, aufnehmen lassen und diese Aufnahmen ins Netz stellen. Ihre Berühmtheit beruht somit zum größten Teil auf der besonderen Qualität ihres Exhibitionsimus. Dieser Exhibitionismus ist zugleich die Kehrseite der Beobachtung, die mit der digitalen Existenz der Individuen Gestalt annimmt. Indem Tina und Jennifer ihre Überwachung selbst installieren, machen sie die Überwachung bewusst. Die öffentliche Nacktheit Jennifers betont, was in mancher Hinsicht ohnehin der Fall ist, und läßt die Idee aufscheinen, den Beobachter durch Umarmung abzuwehren. Bleibt diese Idee des Widerstandes durch Datenmüll recht fraglich, so ist die Webpage des Holländers Alex van Es, die tatsächlich Daten über Müll preisgibt, jedenfalls das Gegenteil. Wenn Alex Informationen über seinen Warenverzehr preisgibt und sogar Einblicke in seinen Computer gewährt, vermittelt er Daten von wirklichem Wert für jene, die potentiell an einer Erkundung des Individuums interessiert sind. Hier, und nicht in den Fotos über Jennifers sexuelle Handlungen, liegt der eigentliche Akt der Prostitution.deuDigitale LiteraturWeblogMultimedialität791Web-Tagebücher in Europa und Amerika. Der Ruhm des Banalen, Panoptismus, Datenmüll und Prostitution10.25969/mediarep/173041617-6901