2009-2010 Sonderausgabe "Cinemaxx Uni-Kino"
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- ArticleHeimkehrer. Über Taxi Drivervon Ammon, Frieder (2009)Dass der Film eine enge Beziehung zum Mythos oder genauer: zu mythischen Erzählungen verschiedenster Art und Herkunft unterhält, ist bekannt. Um sich klarzumachen, wie eng diese Beziehung im Einzelfall tatsächlich sein kann, genügt es, an ein Projekt wie Star Wars zu denken, das sich sowohl offenkundig mythischer Muster als Modell für seine plots bedient – so begegnet etwa der Kampf des Sohnes mit dem Vater schon in der griechischen und auch in der germanischen Mythologie –, als auch selbst einen neuen Mythos gestiftet hat. Oder man denkt an die in jüngster Zeit so beliebten Filme, die ganz explizit als Mythenverfilmungen angelegt sind wie Troy oder Beowulf. Oder aber man denkt an die zahllosen Beispiele für Filme, die die modernen Mythen der Popkultur wieder- und weitererzählen, wie zuletzt The Dark Knight und Quantum of Solace, oder, als mittlerweile klassisches Beispiel, Kill Bill. Insgesamt wird man sagen können, dass der Film einen nicht geringen Teil seiner Stoffe, Figuren und plots aus den verschiedenen Mythologien dieser Welt bezieht, dass diese also gleichsam zu seinen wichtigsten Energiequellen gehören, und zwar in einem wahrscheinlich höheren Maße, als dies bei der Literatur des 20. Jahrhunderts der Fall ist.
- Article„How Could They Ever Make a Movie of Lolita?“ Über Stanley Kubricks Lolitavon Ammon, Frieder (2009)Wenn von Stanley Kubricks Lolita als Skandal-Film die Rede sein soll, dann ist es unvermeidlich, zunächst einen anderen Skandal ins Auge zu fassen, und zwar einen, der den durch den Film ausgelösten an Intensität bei weitem übertrifft: den Skandal um das Buch nämlich, das dem Film zugrundeliegt, also Vladimir Nabokovs Roman Lolita. Der Skandal, den dieses Buch entfesselte – Nabokov selbst sprach von dem „Wirbelsturm Lolita“ –, war unter den nicht eben wenigen Skandalen in der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts einer der größten und wirkungsreichsten. Welcher Roman sonst hätte es geschafft, dass nach seinem Erscheinen der Pfarrer einer Kleinstadt, die zufällig denselben Namen trägt wie der Roman, einen Antrag auf Namensänderung – der Stadt, nicht des Romans – gestellt hätte? So geschehen in Lolita, Texas; der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Dass aber damals viele so dachten wie jener Pfarrer, zeigt sich daran, dass der Name Lolita, nachdem er sich in den 1940er Jahren noch auf der Liste mit den tausend beliebtesten weiblichen Vornamen befunden hatte, Ende der 1950er Jahre von dieser Liste verschwand. Nach dem Erscheinen von Nabokovs Roman wollte niemand mehr seiner Tochter diesen Namen geben. Gleichzeitig wurden in aller Welt aber desto mehr Lolita-Bars und Lolita-Nachtclubs eröffnet sowie Lolita-Dessous, Lolita-Kosmetik und Lolita-Sonnenbrillen auf den Markt gebracht; in den 1970er Jahren entstand in Japan sogar eine Lolita-Mode, die sich schnell über den ganzen Globus ausbreitete und von der sich bald eine zweite, unabhängige Bewegung abspaltete: die sogenannte Gothica Lolita-Mode, bei der Accessoires wie Fledermäuse und Kruzifixe eine Rolle spielen. Und von dem, was man im Internet unter dem Stichwort ‚Lolita‘ alles finden kann, wollen wir besser schweigen. Doch auch dies gehört zu den überaus erstaunlichen Rezeptionsphänomenen, die dieser Roman, wie im 20. Jahrhundert wohl in der Tat kein zweiter, hervorgerufen hat.