2018/2 ‒ Alternative Fakten
Browsing 2018/2 ‒ Alternative Fakten by Author "Ludigs, Dirk"
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- ArticleJenseits von RedenLudigs, Dirk (2018) , S. 79-88So heftig und kontrovers wie der von Patsy L’Amour LaLove, einer an der HU Berlin promovierten Geschlechterforscherin, herausgegebene Essayband (Beißreflexe, 2017) wurde seit langer Zeit kein (wissenschaftliches) Buch mehr diskutiert. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die sich selbst als aktivistische »Polittunte « verstehende Herausgeberin offensichtlich den Zeitgeist eines mit sich selbst strauchelnden Queerfeminismus getroffen habe: Solch eine Vielzahl an mehr als nur leidenschaftlichen Reaktionen allerlei Couleur konnte eine in erster Linie akademische Anthologie mit Texten zur aktuellen Verfassung der LGBTIQ*-Kultur und -Szene sowie zum Stand der akademisch geführten und im Zweifelsfall auch gelebten Queer Studies seit geraumer Zeit nicht verzeichnen – was sich unter anderem in der mittlerweile nun vierten Auflage des Titels innerhalb eines Jahres seit Veröffentlichung niederschlägt. Im Zuge der Debatte, welche in den letzten Wochen und Monaten in verschiedensten Medien (Zeit, Tagesspiegel, NZZ, FAZ, Süddeutsche) um die Publikation entbrannte, haben sich sowohl die darin versammelten AutorInnen als auch Judith Butler, Sabine Hark, Paula-Irene Billa, Alice Schwarzer und andere zu Wort gemeldet. Der selbst als Autor in besagtem Band vertretene freie Journalist und Redakteur Dirk Ludigs beanstandet seinerseits, dass die queeren akademischen Diskurse unserer Tage einem toten Rennen gleichen. Der Stellungskrieg der Kulturtheorien verändere nicht nur nichts mehr in den Köpfen aller Teilnehmenden, seine Debatten gehen zudem noch praktisch spurlos an all jenen vorbei, zu deren Verbesserung der Verhältnisse sie angeblich geführt werden würden. Es sei, so die Position des selber seit den 80er Jahren in der queeraktivistischen Szene Berlins sozialisierten Autors, an der Zeit, die (zu) weitgehende Akademisierung queeren Denkens und Handelns kritisch zu hinterfragen und nach fruchtbaren Quellen für einen anderen queeren Aktivismus zu suchen. Eine entgegengesetzte Position vertritt Andrea Geier. Auch sie räumt ein, dass die Identitätspolitik in eine Krise geraten sei –der Vorwurf, dass mehr um die Anerkennung von Identitäten statt für deren Überwindung gekämpft werde, würde darüber hinaus von Neudeutungen postmoderner Theorien begleiten werden sowie von der Frage, ob sich aus akademischen Theoriediskursen überhaupt noch emanzipatorisches Potential gewinnen ließe. Ihr Beitrag erörtert aus akademisch geschulter und kritischer Perspektive diese Entwicklungen und plädiert mit Nachdruck für eine Debattenkultur, welche sich mit intersektional geschärftem Blick notwendig komplexen Aushandlungsprozessen der uns heute in all ihren komplexen Facetten und Problematiken begegnenden Identitätskultur und -politik auseinandersetzt.