2014/2 ‒ Synchronisation
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- ArticleAnthropozänWerber, Niels (2014) , S. 241-246Die Hypothese eines neuen Erdzeitalters, des »Anthropozän«, wird seit ihrer Postulierung durch den Chemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen im Jahr 2000 intensiv diskutiert. Der Beginn des Anthropozän wird zumeist um 1800 datiert und in einen Zusammenhang mit der Industrialisierung gestellt. Seither, so die These, ist die Menschheit zu einer quasi geologischen Kraft und sind menschliche Infrastrukturen zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden. Christian Schwägerl und Reinhold Leinfelder führen in ihrem Beitrag Argumente und Beispiele für die langfristigen Veränderungen und für die »Reorganisation des gesamten Erdsystems« an, welche die These vom Anthropozän und der »menschgemachten« Erde stützen. In ihrem Beitrag widersprechen sie dem vorschnellen Eindruck, es handle sich bei der Idee einer neuen geologischen Erdepoche nur um einen neuen Sammelbegriff für all das, was als Umweltproblem gilt. Vielmehr betonen die Autoren auch das Potential des Menschen und seiner Technologien zur positiven Gestaltung seines Lebensraums und zur Transformation der Erde. Sie verstehen das Anthropozän nicht nur als rein physische Zustandsbeschreibung, sondern auch als gesellschaftliche Herausforderung und als Forschungsauftrag. Niels Werber setzt in seinem Beitrag an der Frage der notorischen Epochenbildung um 1800 an und kritisiert, dass der Anthropozän-Diskurs sich allein auf die vermeintliche Evidenz naturwissenschaftlicher, vor allem geologischer Daten und Zahlen verlassen würde und ausgerechnet für die Plausibilisierung des Zeitalters des Menschen Kenntnisse über den Menschen, seine Sozialordnung und Kultur offenbar nicht nötig seien. Stattdessen fordert Werber im Anschluss an Niklas Luhmann dazu auf, die Anthropozän-Hypothese als einen Beitrag zur »Selbstbeschreibung der Gesellschaft«, das heißt zur Beschreibung der Einfügung des Menschen und seiner Gesellschaft in die Welt zu verstehen.
- ArticleImpossible Synchronization. Temporal Coordination in the Risk SocietyEsposito, Elena (2014) , S. 333-345Unsere Gesellschaft wird oft als eine Gesellschaft der Ungleichzeitigkeit verstanden und diskutiert – eine Problematik, die zweifellos mit einer weitverbreiteten Verstörung in der heutigen Gesellschaft korrespondiert. Sowohl auf einer persönlichen Ebene als auch in kommunikativen Kontexten hat man oft den Eindruck eines Mit- und Gegeneinanders verschiedener Rhythmen, Zeithorizonte, Dauern und Enden, deren Ergebnis gewöhnlich eine Art Druck und ein Gefühl der Unzulänglichkeit sind. Es scheint mir aber, dass die Schwierigkeiten, denen wir uns zu stellen haben, nicht so sehr von unserer Verbundenheit mit einer Kultur (oder einer Vermischung von Kulturen) der Ungleichzeitigkeit abhängen: Solche Kulturen haben bereits existiert, wir können sie beschreiben und ihre Zeitverhältnisse rekonstruieren, und doch haben sie nicht die Desorientierung erfahren, die uns heute quält. Im Gegenteil: Die heutigen Schwierigkeiten entspringen einer Kultur der Gleichzeitigkeit, die Probleme der Synchronisierung und komplexe Zeitverhältnisse mit sich bringt, mit denen wir immer noch nicht adäquat umgehen können.
- ArticleJahresrechnung und Organisation. Von der Verfassungsphantastik zur technischen Chronologie bei Karl Dietrich HüllmannEchterhölter, Anna (2014) , S. 299-312Die Chronologie bildet sich Anfang des 19. Jahrhunderts als historische Subdisziplin heraus. Am Beispiel eines Entwurfs von Karl Dietrich Hüllmann, einem vergessenen Vorläufer der Volkswirtschaftslehre, werden kulturelle und gesellschaftliche Synchronisationseffekte verfolgt. Abweichend von den Lehrmeinungen seiner Zeit, begründet Hüllmann überraschenderweise den Ursprung des Staats mit der Zeitrechnung. Er gewinnt mit der technisch erzeugten Chronologie ein Argument, das er in Konkurrenz zu naturhistorisch fundierten Vertragstheorien treten lässt.
- ArticleDie menschgemachte ErdeSchwägerl, Christian; Leinfelder, Reinhold (2014) , S. 233-240Die Hypothese eines neuen Erdzeitalters, des »Anthropozän«, wird seit ihrer Postulierung durch den Chemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen im Jahr 2000 intensiv diskutiert. Der Beginn des Anthropozän wird zumeist um 1800 datiert und in einen Zusammenhang mit der Industrialisierung gestellt. Seither, so die These, ist die Menschheit zu einer quasi geologischen Kraft und sind menschliche Infrastrukturen zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden. Christian Schwägerl und Reinhold Leinfelder führen in ihrem Beitrag Argumente und Beispiele für die langfristigen Veränderungen und für die »Reorganisation des gesamten Erdsystems« an, welche die These vom Anthropozän und der »menschgemachten« Erde stützen. In ihrem Beitrag widersprechen sie dem vorschnellen Eindruck, es handle sich bei der Idee einer neuen geologischen Erdepoche nur um einen neuen Sammelbegriff für all das, was als Umweltproblem gilt. Vielmehr betonen die Autoren auch das Potential des Menschen und seiner Technologien zur positiven Gestaltung seines Lebensraums und zur Transformation der Erde. Sie verstehen das Anthropozän nicht nur als rein physische Zustandsbeschreibung, sondern auch als gesellschaftliche Herausforderung und als Forschungsauftrag. Niels Werber setzt in seinem Beitrag an der Frage der notorischen Epochenbildung um 1800 an und kritisiert, dass der Anthropozän-Diskurs sich allein auf die vermeintliche Evidenz naturwissenschaftlicher, vor allem geologischer Daten und Zahlen verlassen würde und ausgerechnet für die Plausibilisierung des Zeitalters des Menschen Kenntnisse über den Menschen, seine Sozialordnung und Kultur offenbar nicht nötig seien. Stattdessen fordert Werber im Anschluss an Niklas Luhmann dazu auf, die Anthropozän-Hypothese als einen Beitrag zur »Selbstbeschreibung der Gesellschaft«, das heißt zur Beschreibung der Einfügung des Menschen und seiner Gesellschaft in die Welt zu verstehen.
- ArticleVon Ganzheiten zu Kollektiven. Wege zu einer Ontologie sozialer FormenDescola, Philippe (2014) , S. 183-207Im Anschluss an die Methoden der strukturalen Anthropologie und an Bruno Latour diskutiert der Beitrag Gesellschaften nicht als Ganzheiten Durkheimscher Prägung, sondern als Kollektive. Entlang der basalen Dualität zwischen materiellen Prozessen (Körperlichkeit) und mentalen Zuständen (Innerlichkeit) werden dabei vier Haupt-Ontologien sozialer Formen vorgestellt, in denen die beiden Achsen jeweils spezifische Kontinuitäten und Differenzen zwischen Menschen und Nichtmenschen eines Kollektivtyps regeln: Animismus, Totemismus, Naturalismus und Analogismus.