2021/1 - Multispecies Communities
Recent Submissions
- ArticleZur Rehabilitierung der BakterienHauser, Jens (2021) , S. 101-126Bakterien finden zunehmend in der Kunst, in der Philosophie, in den Natur- sowie den Gesundheitswissenschaften Berücksichtigung und sind gleichwohl in der kunstbasierten Forschung sowie in der forschungsbasierten Kunst allgegenwärtig. Im Umfeld von zeitgenössischen Kunstpraktiken im Bereich von Biomedien werden Bakterien als die ältesten, kleinsten, strukturell einfachsten, aber allgegenwärtigen Organismen, die für alle anderen Lebensformen wesentlich sind, wiederentdeckt und spielen eine entscheidende Rolle sowohl im künstlerischen Diskurs als auch in ästhetischen Settings. Während in früherer Biomedienkunst Bakterien ontologische blinde Flecken blieben – Zellen, Gewebe und genetische Sequenzen galten als geeignetere biologische Entitäten, um einzelne Organismen, für die sie pars pro toto standen, mikroskopisch zu »verkörpern« oder zu »kodieren« - dienen Bakterien und die mit ihnen verbundenen Metaphern heute als epistemologische Indikatoren.
- ArticleInsekten und Kanarienvögel. Mediennaturen und Ästehtiken des UnsichtbarenParikka, Jussi (2021) , S. 127-148Dieser Text konzentriert sich darauf, wie die visuelle Kultur des Verschwindens - genauer gesagt, des Verschwindens von Tieren - zu denken ist. Als Ausgangspunkt nimmt er den Ernst Jünger-Roman Die gläsernen Bienen von 1957, um das Verhältnis von Obsoleszenz, Tieren und ökologische Krise einer Sondierung zu unterziehen. Die ästhetischen Themen der Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit werden mit den ökologischen Fragen des Verschwindens und der Verschmutzung verschränkt. Diese Art der medienökologischen Fragestellung wird zudem mit Beispielen zum Massensterben der Bienen aufgerollt, das auch in Lenore Malens Videoinstallation The Animal That I Am (2009-10) diskutiert wird. Auf diese Weise wird für ein medientheoretisches Verständnis der visuellen Kultur der Ökokrise ebenso argumentiert wie für die komplexe Frage der Epistemologie einer solchen Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit.
- ArticleAutonome Roboterschwärme als Stabilisatoren gefährdeter ÖkosystemeSzopek, Martina; Thenius, Ronald; Stefanec, Martin; Hofstadler, Daniel; Varughese, Joshua; Vogrin, Michael; Radspieler, Gerald; Schmickl, Thomas (2021) , S. 149-180Ökosysteme sind heute in einem rapiden Verfall – autonome Roboter könnten helfen diese Krise zu bewältigen. Um geschädigte Ökosysteme wirksam zu unterstützen, entwickeln wir Technologien, die mit unterschiedlichen Organismengruppen (z.B. Honigbienen, Fische, Pflanzen) interagieren können. Wir arbeiten daran, die Schlüsselprinzipien zu verstehen, die eine Interaktion von autonomen Robotern und Organismen möglich macht. Dazu untersuchen wir wichtige Feedbackschleifen im Verhalten der Organismen, durch welche autonome Roboteragenten das kollektive und langzeitliche Verhalten der Organismen verändern können. Ein allgemeines Verständnis solcher Systeme, z.B. durch mathematische Modelle und Simulation, ist notwendig, um ökologisch wirksame Roboter auf informierte Weise gezielt zu entwerfen. Dies erfordert die Gemeinsamkeiten sowie Spezifitäten der Organismen zu erkennen und die Einflüsse mikroskopischer proximater Verhaltensmechanismen auf die ultimativen makroskopischen Phänomene zu verstehen. Nur wenn das Endverhalten des biohybriden Systems vorhersagbar ist, können Robotersysteme das sichere Labor verlassen und in freier Wildbahn ihr Ökosystemstabilisierendes Potential entfalten.
- ArticleTierrechte und RoboterethikHagendorff, Thilo (2021) , S. 181-195Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit den Herausforderungen, die eine anthropozentrische sowie pathozentrische Ethik zu bewältigen haben, wenn sie mit moralischen Überlegungen zu nicht-menschlichen Tieren, insbesondere sogenannten Disenhanced Animals, sowie mit einer neuen Klasse technologischer Artefakte, den sozialen Robotern, konfrontiert sind. Die Roboterethik nimmt vielfach Bezug auf tierethische Überlegungen, kann dabei die ideologischen Voreingenommenheiten, die in der Regel moralischen Urteilen über Tiere zugrunde liegen, nicht ablegen. Demzufolge perpetuiert die Roboterethik Prozesse der »Reinigung«, d.h. die Isolierung und Definition einer jeweils bestimmten Entität als Inhaberin eines moralischen Status. Bei jeder Definition einer solchen Entität schließt die Definition all jene Entitäten aus, die ebenfalls einen moralischen Status besitzen könnten, jedoch nicht exakt in die vorgegebene Definition passen. Die Kernfrage lautet dann, ob nicht eine Ethik des bedingungslosen Mitgefühls angestrebt werden sollte, die sich nicht durch diskriminierende Vorannahmen einschränken lässt und daher sowohl für die Frage der Tierrechte als auch für die Roboterethik von praktischem Nutzen wäre.
- ArticleDie Deliberation der TiereDriessen, Clemens (2021) , S. 197-216Es gibt ein wachsendes Interesse nicht nur an dem moralischen, sondern auch an dem politischen Status von Tieren. Dies wirft die Herausforderung auf, wie man sich Tierpolitik sowohl in der Theorie als auch in der Praxis vorstellen kann. Entgegen der verbreiteten Annahme, dass Tiere »keine Stimme haben« und dass alles, worauf sie hoffen können, darin besteht, irgendwie von Menschen repräsentiert zu werden, entwickelt dieser Text ein Verständnis von deliberativer Demokratie, das bestehende Formen politischer Kommunikation über vermeintliche Artengrenzen hinweg anerkennt. Ausgehend von der Prämisse, dass Design politisch ist, können Prozesse der Gestaltung mit Tieren potentiell deliberativer Natur sein. Der Text erkundet diese Position zunächst anhand einer einfachen Haustechnik: der Katzenklappe, durch die Menschen und Katzen ihre Beziehungen verhandeln und ausloten. Er fährt dann fort, indem er die Entwicklung eines Prototyps eines mobilen Melkroboters nachzeichnet, der eine Reihe von Anpassungen sowohl in der physischen Anordnung als auch in der Interpretation der Reaktionen der Kühe mit sich brachte. Während des Prozesses der bricolage an diesen Geräten können wir erkennen, wie in Situationen technologischer Innovation eine reaktionsfähige Beziehung des gegenseitigen Lernens entstehen kann, in der sowohl menschliche als auch tierische Subjektivitäten kontinuierlich neu definiert und abgegrenzt werden. Indem wir die gegenseitige Abhängigkeit, die Reziprozität und die inhärente Mehrdeutigkeit in unserem Umgang mit Tieren und in ihrem Umgang mit uns anerkennen, können wir einen Aufruf zu einer neugierigen, experimentellen und fortlaufenden Politik der alltäglichen Tierbegegnungen erleben.
- ArticlePosthumanes WissenBraidotti, Rosi (2021) , S. 217-241Dieses Kapitel ist ein Auszug aus der Monographie Posthuman Knowledge. Braidotti untersucht dort die posthumane Konvergenz fortschrittlicher technologischer Entwicklungen, die rasche Erschöpfung der Umwelt und bewertet deren Auswirkungen. Sie analysiert drei Hauptbereiche: die Konstitution unserer Subjektivität; die allgemeine Wissensproduktion und die Praxis der akademischen Geisteswissenschaften. Braidottis Blick konzentriert sich auf die vielfältigen Geschwindigkeiten der laufenden Transformationen. Sie diskutiert die abwechselnden Wellen von Angst und Aufregung, Zweifel und Zuversicht, Stillstand und Beschleunigung, die kennzeichnend sind für die Weisen, wie Wissen, einschließlich Selbsterkenntnis, heute produziert und verbreitet wird.
- ArticleAnimal-Computer-Interaction. Auf dem Weg zum technologisch vermittelten MultispeziesmusMancini, Clara (2021) , S. 31-54Dieser Beitrag stellt das Feld der Animal-Computer Interaction (ACI) und seine grundlegenden Ziele vor: das Verständnis der Interaktion zwischen Tieren und Technologien; die Entwicklung von tierzentrierten Technologien, die das Wohlergehen der Tiere verbessern, ihre Aktivitäten unterstützen und positive Beziehungen innerhalb und zwischen den Spezies fördern; und die Entwicklung von tierzentrierten Methoden, die es den Tieren ermöglichen, am Designprozess teilzunehmen. Anhand von exemplarischen Arbeiten, die in verschiedenen Bereichen innerhalb des Feldes durchgeführt wurden, werden die Gründe dargelegt, warum solche Ziele verfolgt werden sollten, besonders in der gegenwärtigen Lage. Sie zeigen die Bedeutung der ACI als Disziplin und als Weltanschauung für Tiere, Menschen und die Ökosysteme, die wir alle teilen. Letztendlich, so argumentiert die Autorin, könnte es im besten Interesse unserer Spezies sein, den Tieren ihren gerechten Anteil an Repräsentation und Kontrolle durch tierzentrierte Designprozesse und -ergebnisse zu gewähren und sie einzuladen, technologisch vermittelte Umgebungen und Zukünfte mit uns zu gestalten, so dass wir alle von der kollektiven Weisheit und Stärke des Multispeziesismus profitieren können.
- ArticleSpiele für Fremde/mit Fremden. Orang-Utans (Pongo Pygmaeus) und Touchscreen-Computer-GamesWirman, Hanna (2021) , S. 55-72In diesem Beitrag wird ein laufendes Projekt vorgestellt, das zum Ziel hat, das Leben von in Gefangenschaft gehaltenen Orang-Utans anzureichern und ein Bewusstsein für Probleme bezüglich ihres Wohlergehens und Bedrohungsstatus zu schaffen. Ausgehend von Ergebnissen der experimentellen und explorativen Spieldesign-Forschung mit Orang-Utans werden anhand einer Reihe von Beispielen Bereiche des Unbehagens und der Ungewissheit in der Mensch-Tier-Kommunikation und der Animal-Computer Interaction (ACI) aufgezeigt. Neben Fällen ungewöhnlicher Spielpraktiken und Nutzungen von Touchscreen-Technologie wird auch der ethische Standpunkt des Projekts erörtert. Ferner wird gefragt, wie das Spiel als Mittel dienen kann, um die Interaktion zwischen Individuen unterschiedlicher Art zu ermöglichen. Das Spiel, so der Ausblick, eröffnet ein Potenzial für das »becoming-with« mit denen, die wir zunächst als Fremde betrachten (Haraway 2008). Insbesondere das digitale Spiel erlaubt eine Form der vermittelten Kommunikation, die einige der vorhandenen unmittelbaren und körperlichen Hindernisse beseitigt und neue Wege des Miteinanders eröffnet.
- ArticleEine Lebenswelt von allen und für alle. Zur Programmatik der Multispecies CommunitiesBolinski, Ina; Rieger, Stefan (2021) , S. 7-29In diesem Sonderheft wird die grundsätzliche Frage nach den Möglichkeiten von Multispezies Communities gestellt. Die Erweiterung der Sozialität über den Menschen hinaus geht mit einem Perspektivwechsel auf die beteiligten Akteure einher. Das Technische wird nicht als störendes Element aus dem Natürlichen entfernt, sondern als integraler Bestandteil aller Akteure verstanden. Dazu sind die Akteure weniger im Modus der Natur zu betrachten, sondern konsequent im Modus der technischen Vermittlung, d.h. im Modus dessen, was das vermeintlich Andere ausmacht. Zu fragen ist, wie Lebewesen, also Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroben, im Kontakt mit Technik, Medien und Datenverarbeitung einen veränderten Status und ein verändertes Zusammenleben erreichen. Mit den Multispecies Communities verdichtet sich eine Situation, in der Strömungen wie eine grassierende Anthropozentrismuskritik mit Theorien wie dem Post- und Transhumanismus und mit neuen Epochenbestimmungen wie dem Anthropozän konvergieren. Multispecies Communities setzen sich aus neuen Akteuren, neuen Kommunikationen und Kollaborationen, neuen Verantwortlichkeiten und sozialen Formen zusammen: zwischen Menschen und Tieren, Pflanzen und Algorithmen, Artefakten und Biofakten, Maschinen und Medien; zwischen den Sphären von belebt und unbelebt, real und virtuell, unberührt und augmentiert.
- ArticlePlant-Computer Interaction. Schönheit und DisseminationAspling, Frederik; Wang, Jinyi; Juhlin, Oskar (2021) , S. 73-99Wir untersuchen verschiedene Arten der Pflanzen-Interaktion durch die Triangulation von vier Ansätzen: einer artenübergreifenden ethnografischen Untersuchung der gewöhnlichen Praktiken und Tätigkeiten von Menschen in Bezug auf die japanische Kirschblüte (japanisch: Sakura) während der kurzen Blühperiode dieser Bäume; einer Durchsicht der theoretischen Arbeiten zur Mensch-Pflanze-Beziehung und zum Drang von Pflanzen zur Weiterverbreitung; einer systematischen Analyse dessen, wie Pflanzen in Informatik- und Computersysteme eingebunden sind; und schließlich einem Überblick über die Verwendung von Kirschblüten in den Bereichen Design und Architektur. Schließlich bündeln wir diese Ansätze und stellen die Rolle zur Diskussion, die Pflanzen in Computersystemen und Designartikeln spielen. Als Leitaspekt dient dabei eine Auffassung von Pflanzen-Interaktion als zeitlich ausgedehnter Dissemination und einer auf Ausbreitung zielenden Handlungsfähigkeit oder agency. Das Gestaltungsziel im Bereich der Tier-Computer Interaktion (ACI, Animal-Computer Interaction) richtet sich bislang auf die Entwicklung von Systemen, in denen nicht-menschliche Arten als »Nutzer« fungieren. Bei Übertragung dieses Ansatzes auf Pflanzen muss der Bezugsrahmen der Forschung so ausgerichtet werden, dass wir verstehen, was diese Art von »Nutzern« tut. Da die erfolgreichsten Formen der Dissemination zugleich hedonisch sind, fordern wir für künftige Forschung die gezieltere Verfolgung eines Systemdesigns, das ästhetische Interaktion statt jener abstrakten Kontemplation fördert, die häufig im Bereich Mensch-Computer Interaktion (HCI) anzutreffen ist.
- Journal IssueMultispecies Communities(2021)"Multispecies Communities" sind nicht mehr alleine auf den Menschen fixiert und bringen andere Akteure ins Spiel. Damit ergeben sich neue Formen der Kommunikationen und Kollaborationen, der Verantwortlichkeiten und der Rücksichtnahmen (awareness), der Vergemeinschaftungen und der Teilhaben.