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„Alles eine Frage des Stils“ – Zur Logik medienvermittelter gesellschaftlicher Differenzierung

Author(s): Leschke, Rainer

Abstract

Die Nutzung von Medien scheint trotz ihrer immer umfassenderen Erfassung immer schwerer kalkulierbar zu sein. Die einst geradezu hermetischen Grenzen zwischen den Einzelmedien sind nahezu vollständig erodiert und mediales Material ist problemlos zwischen den Medien zu transferieren, da sie über eine einheitliche technologische Basis verfügen. Medien stellen so keine materiellen oder technischen Entitäten mehr dar, sondern symbolische und stilistische. Das hat Auswirkungen auf die Mediennutzung, denn es gibt praktisch keine medientechnischen Determinanten, die sie einschränkte. Dieser ursprünglich techno-kulturell notwendige Sachverhalt ist auf die Mediennutzung durchgeschlagen: Welches Medium man wann, mit welcher Absicht, für welchen Adressaten bzw. Adressatin, wie nutzt, ist zu einer Frage des persönlichen Stils oder des Habitus einer sozialen Gruppe geworden und gewinnt damit zunehmend eine symbolische Qualität, die zur sozialen Distinktion genutzt werden kann. Statt mit einer erhöhten Konformität der Mediennutzung hat man es so mit einer zunehmenden Ausdifferenzierung unterschiedlicher Nutzungsstile zu tun. Bourdieus Konzept der feinen Unterschiede versucht u.a. auch Mediennutzungsstile zu beschreiben. Allerdings geht Bourdieu von einem analogen Verhältnis von ästhetischer Kompetenz und sozialer Schichtung aus, der einem vergleichsweise einfachen sozialen Modell einer einheitlichen, durch ökonomische Indikatoren determinierten Strukturierung folgt und zugleich normativ ziemlich eindeutige Urteile fällt. Für den Transfer auf den Medienbereich erscheint das Modell jedoch zu unterkomplex angelegt zu sein. Denn es lassen sich zwar in dem neuen Feld analoger und digitaler Medien zweifellos deutlich diverse Mediennutzungsstile feststellen, die auch sozial und kulturell codiert werden können, allerdings ist der Schluss vom Mediennutzungsverhalten auf eine mediale, soziale oder kulturelle Urteilskraft und Kompetenz kaum möglich. Denn mit dem Verlust ihres materiellen Grundes hat die Diversität der Mediennutzung auch ihren Sachgrund verloren, sodass irgendein Rückschluss auf eine Divergenz von Vermögen und Fähigkeiten praktisch unmöglich ist. Das unterläuft zugleich vorschnelle Thesen kultureller oder gar kognitiver Deprivation und deren notorische soziale Attribuierung, vielmehr weist es darauf hin, dass es sich bei der Mediennutzung um arbiträre Zeichen handelt, die erst sekundär mit einer sozialen oder kulturellen Codierung versehen werden, für die es nur einen einzigen Grund gibt, nämlich das Interesse an sozialer Differenzierung.

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Leschke, Rainer: „Alles eine Frage des Stils“ – Zur Logik medienvermittelter gesellschaftlicher Differenzierung. In: Holzmann, Katharina;Hug, Theo;Pallaver, Günther: Das Ende der Vielfalt? Zur Diversität der Medien. Innsbruck: Innsbruck University Press 2019, S. 67-84. DOI: http://dx.doi.org/10.25969/mediarep/19918.
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