23 | 2002
Browsing 23 | 2002 by Subject "Archivierung"
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- ArticleAuf Spurensuche: Literatur im Netz, Netzliteratur und ihre Vorgeschichte(n)Gendolla, Peter; Schäfer, Jörgen (2002-05-08) , S. 1-18Das Netz ist voll mit Literatur: Man muss nur die URL eintippen, und schon wird ein riesiges Buch- und Medienkaufhaus vor den Augen ausgebreitet, in dem es vom neuesten Asterix über den aktuellen Grisham bis hin zu den "unendlichen Weiten", die das "galaktische SciFi-Special" eröffnen, zu den "Klassikern des Genres, neuen Büchern, bekannten Serien, spaciger Musik und visionären Filmen" alles zu kaufen gibt, was sich zwischen zwei Buchdeckeln oder auf CD-, CD-ROM- bzw. DVD-Scheiben speichern und vertreiben lässt. Auch das digitale Archiv für Literatur, in dem die ältesten wie die neuesten Texte abrufbar sind, wächst täglich. Das traditionelle Literatursystem hat mit dem Internet, dem ‚Netz der Netze', eine Erweiterung erfahren, dessen Konsequenzen in unterschiedlichste Richtungen beobachtet werden können. Am offensichtlichsten sind sie - als Datenbank - für Bibliotheken und - als Distributionskanal - für den Buchhandel, das heißt für Archivierung und Vertrieb bzw. - im Computerjargon - für ‚Speichern' und ‚Übertragen' von Literatur. Weniger intensiv wird bislang diskutiert, welche formalen Konsequenzen die rechnergestützte Vernetzung des Literatursystems hat. Wenn die Möglichkeiten und Grenzen computerbasierter Literatur ebenso wie jene für gedruckte Literatur von der spezifischen Materialität der Speichermedien und der Distributionswege abhängig sind, dann sind neben den eher ‚äußerlichen' Veränderungen im Literaturbetrieb viel weitreichendere Veränderungen für die Formen der Produktion von Literatur - das Schreiben -, für ihre ästhetischen, literarischen Qualitäten - das Werk - und nicht zuletzt für die Formen der Rezeption - das Lesen - zu erwarten. Ob und wie sich in diesen Bereichen der literarischen Kommunikation die Verhältnisse geändert haben, ob sich in den neuen Formen der Vernetzung also auch neue Formen von Literatur entwickeln, die sich von den tradierten tatsächlich unterscheiden, danach soll im Folgenden gefragt werden. Dabei wird von einem komplexen und äußerst dynamischen Mit-, Neben- und Ineinander von medientechnologischer, sozialer, ökonomischer und nicht zuletzt eben auch ästhetischer Evolution und radikalen Umbrüchen auszugehen sein, von Wandlungsprozessen im Literatursystem und Momenten eines grundlegenden Wandels des Systems. Die Implementierung von ‚digitaler' Literatur in Computernetzen hat zweifelsohne einen Paradigmenwechsel der literarischen Kommunikation bewirkt. Dennoch relativiert sich eine naheliegende medienätiologische Perspektive, die monokausale Begründungen favorisiert - und das hieß in den letzten Jahren vielfach eine Vorrangstellung der apparativen Dispositive -, wenn man berücksichtigt, dass die verschiedenen aktuellen Ausprägungen von Netzliteratur an die Literaturgeschichte der Moderne rückgebunden sind. Vielfach beziehen sie gerade aus den Experimenten der ‚klassischen' Avantgarden ihre Anregungen, die in rechnergestützten Medien wiederholt, aktualisiert und häufig sogar erstmals konsequent realisiert werden.