23 | 2002
Browsing 23 | 2002 by Subject "Buchrezension"
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- ReviewAleatorik als Aufklärung: Mauerbau und Babelturm in Simon Biggs' "Great Wall of China"Simanowski, Roberto (2002-04-20) , S. 1-9Die Wörter aus Kafkas unvollendeter Erzählung "Beim Bau der Chinesischen Mauer" bilden die Database, aus der die Text-Maschine von Simon Biggs syntaktisch richtige und semantisch unsinnige Sätze erzeugt. Der User ist darin verwickelt, denn nur sein Input stößt die Maschine an. Aber was soll man damit? Man kann sich eine Weile an der Frische des Nonsense erfreuen und dann den Spuren nachgehen, die Kafka und Biggs gelegt haben. Der Bote zum Beispiel, dessen Message nie ankommt, dessen Ausbleiben aber allgemein bekannt ist. Der Babeltum, der dem Mauerbau folgen sollte. Der unendliche Signifikationsprozess, die Lektüre als autobiographischer Akt und die Rückkehr der Gesellschaft ins Subjekt. Biggs folgt der Rhetorik intermedialer Interaktion in doppelter Weise. Wer sich dafür keine Zeit nimmt, wird nur sinnlose Sätze entdecken.
- ReviewBit statt Atom: Die Visionen über das 21. Jahrhundert in Nicholas Negropontes "Total Digital"Simanowski, Roberto (2002-05-07) , S. 1-3Am Anfang war die Zahl: 0, dann 1. Nicht am Anfang der Schöpfung, aber am Anfang einer Revolution, die die Welt der Atome durch die Welt der Bits ersetzt. In ersterer gibt es Bücher, CDs, Videokassetten, Zeitungen - Dinge, die man anfassen kann, die ein Gewicht haben, manchmal zurückgebracht und fast immer bezahlt werden müssen. Bezahlt werden muss in der Welt der Bits auch (auch wenn aus dem Netz geladene Musikdateien und Zeitungsartikel zumeist noch kostenlos zu haben sind). Der Unterschied: Die Produkte sind körperlos, manipulierbar, transformierbar, intelligent und auf den konkreten Kunden zugeschnitten. Wie die Welt der Bits aussehen wird, erfährt man in diesem Buch.
- ReviewEisenbahn, Ozean und Buch: Harold A. Innis' "Kreuzwege der Kommunikation"Simanowski, Roberto (2002-05-29) , S. 1-3Mit Büchern zur Geschichte der Kanadischen Pazifik Eisenbahn, dem kanadischen Pelzhandel und der Kabeljaufischerei fing alles an. Seitdem gab es eine Medienkritik der besonderen Art. Nicht das Gejammer der Aufklärer, dass die Leserevolution eher zur Erfindung des Räuberromans als zur Lektüre moralischer Schriften geführt hatte, auch nicht die Unkenrufe der Kinokritiker über die Schädigung des gesunden Volksempfindens. Diese Medienkritk war anders in doppelter Weise: Sie schloss die Transportmedien in die Kommunikationstechnologie ein und analysierte diese ohne moralphilosophischen Gestus. Der die Bücher schrieb, heißt Harold A. Innis, lebte von 1894-1952, war Professor an der Universität Toronto und Lehrer von Marshall McLuhan.
- ReviewFlorian Rötzers "Digitale Weltentwürfe"Simanowski, Roberto (2002-05-08) , S. 1-3Der Cyberspace ist der "technischen Avantgarde der Mediennutzer" was den europamüden Auswanderern einst Amerika und was den bürgerkriegsmüden Amerikanern einst der Wilde Westen war: Fluchtpunkt der Sehnsucht, Ort verschiedenster Utopien. Aber dieses Eldorado ist nicht mehr, was es kaum war: Die Anarchie weicht der Ordnung der Portale, die viel beschworene Interaktion führt nicht zur Befreiung des Lesers/Zuschauers, die Utopie der Demokratie im Cyberspace erweist sich als Rückzug des Individuums aus der Öffentlichkeit. Florian Rötzer, der sonst für "Telepolis" im Cyberspace flaniert, weiss um die kursierenden Mythen und hat aus seinen Beobachtungen ein Buch gemacht.